1916 / 14 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 Jan 1916 18:00:01 GMT) scan diff

e daß die Handwerker tunlichst zu den en beurlaubt werden, zu denen ihre Tätigkeit in ihren trieben besonders dringend noͤtig ist, und daß die Leiter Imdwirtichaftlicher B⸗triebe in der Zeit der Früdjahrsbestellung in möglichst weitgehendem Maße beurlaubt werden. Moͤge der K iegsminister sein Wohlwollen auf diesem Gediete noch weiter betätigen. Die Gemeinden sollten allgemeen dem Beispele größerer S ädte folgen und bedürftigen Bearlaubten Aufen'h ilts⸗ verpflegungsgeld geben. Die Wapflegung der Truppen ist gut und wieo 1offentlich ir tz der Teu ung eine gut“ ble ben. Einzesne Fälle von sch echter Ve pflegung und Behandlung siad bei einem Millionen⸗ beer nicht zu vermeiden. Stellvertretender preußischer Kriegsminister, Aneral⸗ leutnant von Wandel:

Meine Herren! Ich kann mich mit dem bisherigen Verlauf der

heutigen Eröcterungen gern einverstanden erklären, weil von allen Vorrednern den Angehörigen der Armee von der obersten Führung, über die Orfiziere und Unteroffiziere bis zu den Mannschaften ein reiches Maß von Anerkennung ausgesprochen worden ist für ihre Hin⸗ gabe, ihre Pflichttreue und Aufopferung, die sie draußen und in der Heimat während der langen Dauer des Krieges immer von neuem betätigt haben. Es sind auch Irrtümer richtiggestellt worden, die sich über die Ausübung des Dtenstes seitens der einzelnen Persönlich⸗ keiten oder Vorgesetzten namentlich in der Heimat gebildet haben, und zwar von Herren, die aus eigener Erfahrung und in täglichem Mit⸗ erleben zu einem sachverständigen Urteil berechtigt sind. Einen kleinen Tadel hat nur das Kriegsministerium befommen insofern, als ihm ein Uebermaß von Verfügungen zugeschrieden worden ist, mit denen die Truppen draußen belästigt würden. Das Kriegeministerium ist mit Verfügungen an die Truppen so sparsam wie nur möglich. Es hat infolge der Verhältnisse wenig Einfluß auf die Tätikeit der Truppen im Felde. Ein großer Teil der Verfügungen geht von den vorgesetzten Kommandobehörden aus, auf die eine Emwirkung seitens des Kriigs ministertums nur selten erfolgt. Aber das mechte ich doch mir er⸗ lauben auszusprechen: ganz unschuldig ist auch der Reichstag nicht, wenn solche Verfügungen erlassen werden. (Ppeiterkeit.) Wenn ich mir die Reihe Ihrer Wünsche und Resolutionen ansehe, so ist ihre Ausführung, die Beschaffung von Material, die Auskansterteilung usw. nicht möglich, ohne daß die Truppenteile mit Verfügungen be⸗ helligt werden⸗ Ich bin dann noch genötigt, auf eine Reihe von Fragen einzu⸗ gehen und auf Wünsche, die seitens verschiedener Herren Vorredner geäußert worden sind. Da ist zunächst die Urlaubsfrage. Es kann kein Zweifel sein, daß die Milttärv rwaltung und die Vorgesetzten selbst einsehen, wie nötig es ist, daß die Mannschaften aus den ver schledensten Gründen Urlaub erhalten, einmal wegen Aufrecht⸗ erhaltung der Volkswirtschaft, der Landwirtschaft, des Gewerbes und Handels usw., zum anderen wegen der persönlichen Jateressen des einzelnen, der gerne einmal nach seinem Geschäfte sehen möchte, und drittens wegen des Besuches bei Frau und Kindern, der für beide Teile nur nützlich sein kann. Nur sche tert die Urlaubsmöglichkeit an verschiedenen Dingen. Es hat sich in einzelnen Fällen als notwendig erwiesen, daß von der ob rsten Heeres leitung für gewisse Heeresteile die U laubsbewilligung auf eine gewisse Reibe von Tigen oder sogar Wochen verboten worden ist, weil der Stand der Dinge an der Front nicht erlaubte, daß eine größere An⸗ zahl von Mannschatten nach Pause ging, sondern weil vorn jedes Gewehr erforderlich war. Es ist ferner, namentlich auf dem östlichen Kriegsschaup atz, in anderen Fällen unmöglich gewesen, Urlaubsbewillt gungen in größerem Umfange eintreten zu lassen, weil die teilwetse jammervollen Eisenbah en im besetzten Gebiet garnicht imsta de ge⸗ wesen wären, die Urlauber neben dem, was aus militärischen Gründen in erster Linte befördert werden mußte, zurückzuschaffen. Andererseits ist nicht nur vom Kriegsministerium, sondern auch vm den anderen Stellen darauf hingewirkt worden, daß namentlich die Leute, die seit längerer Z iI, womöglib seit Beginn des Keieges, im Felde waren, in erster Linte Urlaub erhielten, damtt ihnen die Gelegenheit gegeben wurde, in der Heimaͤt nach dem Rechten zu sehen und sich zu erholen. Noch am 23. Okzober vorigen Jahres ist in diesem Sinne an alle Stellen eine Verfügung ergangen, die das ausdrücklich hervor⸗ hebt und ferner betont, daß die Beschleunigung der U laubserteilung dadurch gefördert werden soll, daß von der En holung vdon bürger⸗ lichen Zeugnissen aus der Heimat, in denen die Notwendigkeit des Urlaubs beschetnigt wird, nach Möglichkeit abgesehen wid.

Nun kann es ja vorkommen, daß bel dieser oder jener Trupve ein Vorgesetzter glaubt, wenn er in vorderer Linie steht, es nicht ver⸗ ant vorten zu können, daß eine Reihe von Leuten auf Urlaub geht, nicht aus persönlicher Abneigung gegen sie, sondern, weil er fürchtet, dann seine Truppe nicht genügend schlagfertig zu haben, und weil er meint, er müßte jeden zurückbehalten. Es kann auch vorkommen, daß in falscher disztplinarer Anschauung, wie es hier wohl erwähnt worden ist, wegen des Vergehens eiazelner eine Art von Maß⸗ regelung einer größeren Anzahl von Leuten stattfindet. Das ist nicht zu billigen. Im allgemeinen aber glaube ich, aussprechen zu können, daß das Verständnis für die Notwendigkeit der Urlaubs. erteilung bet allen Vorgesetzten vorhanden ist, und daß, soweit es die „Verbältnisse gestatten, diesen Bedürfnissen allerseits Rechnung ge⸗ tragen wird. Auch vom Kriegsministerium wird nichts versäumt werden, um in dieser Beziehuung einzuwirken.

Wenn, wie der Herr Abg. Schöpflin auk gesprochen hat, hinsicht⸗ lich der Zablung des Verpflegungsgeldes und der Gewährung freier Fahrt bet Urlaub vdon einzelnen Stellen merkwürdige Anordnungen getroffen sind, so verstebe ich das nicht. Jedenfalls beruhen sie in keiner Weise auf irgendwelchen Verfügungen des Krirgeministeriums oder anderer maßgebender Stellen.

Hirn sichtlich der Verpflegung habe ich nur wenige Wonte zu sagen⸗ Daß sie im Felde draußen im allgemeinen sehr gut, zum Teil sogar vorzüglich ist, dürfte unbestritten sein. Wenn eine Klage darüber ge⸗ führt worden ist, daß ein Landsturmbataillon schlechter verpflegt worden ist als die in seiner Nähe arbeitenden russichen Kriegsgefangenen, so ist mir der Fall vorläufig nicht erklärlich. Jedenfalls ist er nach den Bestimmungen nicht begründet. Im Etarpen⸗ und Operattons⸗ gebiet kann es wohl vorkommen, daß die zu besonders schweren Arbeiten hekargenegenen Kriegegefangenen etwas Zulage erbalten, um besser arbetisrähig zu sein. Ich werde aber dem Fall nachgehen und ihn festzustellen suchen. 1

In der Kommlission habe ich bereits ausgeführt, daß in jdem Truppenteil ein Audsch ß von Uateroshizteren und Gemeinen hesteht, die darn beruten sind, über Klaaen, die sich hinschrlich der Beschaffen⸗ heit ver V ꝛpfl gang ergeder, ihren Kempagrierührein Meldung zu

8 verblicher Betriebe,

ma ken. Es ist also Gelegenheit gebolen, an der richtigen Stelle Abhilfe zu beantragen.

In das Gebiet der Verpflegung gehört auch das, was der Herr Abg. Schzoflin über Liebesgaben gesagt hat. Daß da Unehrlichkeiten, Unters klag ingen und dergleichen vorgekommen sind, kann nicht be⸗ stritten werden; jedenfalls ist es aber nur in kleinem Umfarge ge⸗ schehen. Leiber ist bei all den Anzeigen, die wir bekommen baben, soweit Ke sich sowohl an das Kriegsministerium als auch an den Genero'’ q tartiermeister richteten, auf Aafraze niemals eine Antwort darüber eingegangen, wo diese Ungehörigkeiten vorgekommen sein sollen. Wir sind also kaum jemals in der Lage, der Sache nachzu⸗ gehen und festzustellen, wer der Schuldige ist, in welchem Umfange, unter welchen Verhältnissen und aus welchen Gründen etwa eine solche Zurächaltung oder Unterschlagung von Liebesgaben erfolgt ist. Das ist sehr bedauerlich, ereignet sich aber nicht nur auf diesem Gebiete, sondern auch, wie ich gleich hinzufügen möchte, auch auf anderen Ee⸗ bieten auch bei den Klagen über unvorschriftsmäßtge Behandlung! Tritt man der Sache näher, so versagt durch Schweigen oder unge⸗ nügende Angaben die betreffende anzeigende Stelle, und es ist nicht möglich, irgend jemand zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Angelegenheit des Lazaretts Einbeck ist uns bekannt. Wir können nicht billigen, daß eine Art von Bettelei um Verpflegungs⸗ mittel für die Lauarettkranken dort eingeleitet ist. Dazu war um so weniger Veranlassung, als die Möglichkeit gegeben war, Anträge zu stellen, damit der betreffende Oekonom des Lazaretts durch Gewährung von Geldmitteln in den Stand gesetzt wurde, die bel der Teuerung nicht innezuhaltenden Bedingungen seines Pachtvertrages auszugleichen.

Ich komme nun zu dem Kapitel: Behandlung der Mann⸗ schaften, das ja in der Kommission nur vertraulich behandelt worden ist. Ich möchte auch hier nicht ausführlich darauf eingehen, um so weniger, als von sämtlichen Perren, die gesprochen haben, auch Einzelbeiten nicht zur Sprache gebracht worden sind, und die ganze Erörterung sich in ziemlich allgemeinen Bahnen be⸗ wegt hat, und zweitens, weil jedes Wort, das in dieser Beziehung gesagt wird, durch die Art und Weise, wie es bei unseren Feinden ausgelegt wird, für uns eine große Gefahr bilden kann. Ich habe hier einen Artikel aus dem „Standard“ vom 6. Januar, der sich mit den vertraulichen Verhandlungen im Hausbaltsausschuß über dieses Thema beschäftigt, (hört! hört!) der unter der Ueberschr ft „Gefolterte deutsche Soldaten“, „Grausames Verhalten von Offizieren“, „Ent⸗ büllungen im Reichstag“ schildert, wie eine Anzahl von Abgeordneten der sozialdemokratischen Partei eine große Reihe von Mißhandlungen, in einzelne Kategorien geteilt, zur Sprache gebracht hätten, wie diese Verhandlungen gezeigt hätten, daß die Entmutigung in der Armee zum Teil schon einen großen Umfang angenommen hätte, und wie sie geeignet gewesen wären, zu beweisen, daß die Vorgesetzten das Ver⸗ ttauen verloren hätten und dergleichen. Das, was damals in der Kommision erörtert worden ist, wird hier in ganz unverhüllter Weise durch Lögen, Uebertreibungen und alle möglichen, dort gar nicht zur Sprache gebrachten Fälle erweitert und verschärft. Es werden Dinge angeführt, von denen auch nicht ein Wort in der Kommission ge⸗ fallen ist. (Lebhafte Zustimmung.) Ich führe das nur an, um die Bitte aueszusprechen, sich mit mir einverstanden zu erklären, daß solche Dinge mit der äußersten Vorsicht behandelt werden, denn das, was selbst bei der mildesten Art der Besprechung nachher im Auelande da aus gemacht wird, kann in der Form, wie es in die Bevoö kerung des gegnerischen Landes dringt und dort ausgenutzt wird, für uns von erheblichem Nachteitle sein. Wie die Sache aus der Kommission an die englische Zeitung gekommen ist, entzieht sich natürlich meiner Kenntnis.

Im üͤbrigen sind ja die Herren, die hier gesprochen haben, im allgemenen darin einig gewesen, daß die Verhältnisse an der Front auch auf diesem Gebiet, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, durchaus so sind, wie sie sein sollen. Die gemeinsamen Gesahren, die gemeinsamen Anstrengungen und Entbebrung u schaffen dort ein folches Maß von gegen⸗ seitigem Vertrauen, daß eine unvorschriftsmäßige Behandlung eigentlich ausgeschlossen ist und auch kaum vorkommt. Wenn im Gegensatz dazu mehr Fälle in der Heimat von nichtvorschriftsmäßiger Behand⸗ lung vorkommen und das läßt sich auch, nachdem was wir wissen, nicht best eiten —, so sind die Gründe, die das gewissermaßen ich will nicht sagen entschuldigen, aber erklären hier ausführlich er⸗ örtert worden, und ich kann ihnen im allgemeinen nur zustimmen. Es hat ja auch keiner von den Herren behauptet, daß solche Fälle ganz auegeschlossen werden können. Bei der Unzahl von Menschen, bei den verschiedenen Charakteren, die zusammenkommen, bei den schwlerigen Dienstverhältnissen ist es selbstverständlich, daß Reibungen,“ Ungerechtigkeiten und auch geradezu Ungehörigkeiten immer vorkommen Aber ich habe früher schon keinen Zwelfel darüber gelassen und möchte das heute nochmals wiederholen, daß wir sowohl vom Kriegsministerium aus alle Mittel in Bewegung gesetzt haben und in Bewegung setzen, um die

Wiederkehr solcher Vorkommnisse nach Möglichkeit einzuschränken, daß ebenso die vorgesetzten Dienstyellen sich in gleicher Richtung bemühen, durch schriftliche Erlasse, durch mündliche Einwirkungen, Warnung, Belehrung, Vorstellung den Vorgesetzten klarzumochen, in wie hohem Grade sie sich verfündigen, wenn sie die im allgemeinen doch gut⸗ willigen und das beste hingebenden Untergebenen nicht so behandeln, wie es ehrliebenden Soldaten geziemt. Wir sind auch der Ueber⸗ zeugung, daß diese Einwirkungen auf die Vorgesetzten, verbunden mit einer ruücksichtslosen Strenge gegen die, die sich dieser Ei wirkung ent⸗ ziehen und nach wie vor die Mannschaften nicht so behandeln, wie es sein sollte, zum Ziele führen werden. Ich habe in der Kommission nachgewiesen, daß Strafen ohne Unter'chied der Personen verfügt worden sind, sobald sich Vergehen berausgestellt haben. Die Ermahaungen in dieser Richtung, die Aussicht der Vorgesetzten, die sich besonders auch darzuf ersteckt, immer festzustellen, ob beim Dienst eine Kon⸗ trolle durch höhere Vorgesetzte stattgefunden hat, die dafür ver⸗ antwortlich sind, werden sicherlich zu dem Ziele führen, daß wir von einer Verminderung, von einem wesentlichen Herabsinken der vor⸗ gekommenen Fälle von Mißbandlung, vorschritswidriaer Behandlung erfahren werden. Ich hoffe, daß diese bestimmte Erklärung dazu beitragen wird, sowohl von dem festen Willen der Militärbehörde zu überz ugen, dieses Uebel auszurotten, wie den Vorgesetzten das Ge⸗ wissen zu schärfen, die jetzt noch trotz aller Ermahnungen nicht davon lassen können, ihre Untergebenen in einer Weise zu behandeln, die den guten Ruf des deutschen Heeres nur schaden kann.

Der Herr Argeordnete Schöz flin bat sich dann spesiell noch gegen verschiedene Verordnungen von Ghuverneuren und Kommandansen

van Calker hat sich darüber ausgesprochen, und ich möchte nur einige Worte hinzufügen. Meine Herren, ist es denn nicht eine eigentüm⸗ liche Erscheinung, daß drei hohe Vorges tzte im Osten, Westen und Süden zufällig zu gleicher Zeit Befehle erlassen, die sich auf dem⸗ selben Boden bewegen? Soll man glauben, daß das alles un⸗ verständige Leute sind, die etwas befehlen, was sie nicht als dringend nötig erachten? Ich kann sagen: die Straßendisztplin ist eine der besten Maßstäbe für Disziplin und Geist einer Truxpe. Wer auf der Straße sich bummelig, nachlässig benimmt, wer andere Leute umrennt, die Augen nicht offen hat, wer seinen Vorgesetzten absichtlich oder aus Unaufmerksamkelt nicht aus dem Wege geht, wer schsechte Ehrenbezeigungen erweist, gehört einer Truppe an, in der nicht der richtige Geist herrscht. (Sehr richtig! rechts.) Das ist ganz zweifellos, und das wird Ihnen jeder erfahrene Soldat bestätigen. Auch das möchte ich wiederholen: Kleinigkeiten gibt es für uns nicht bei der Erztehung zur Disziplin. Schon der alte Fritz hat zu seinen Offizieren gesagt: Kümmern sie sich um die Kleinigkeiten; sie führen zu Sieg und Ruhm! Ich möchte auf einen Artikel der „Frankfurter Zeitunge vor acht bis zehn Tagen aufmerksam machen, der diese Frage in einer mir sehr sympathischen Weise behandelt. Darin heißt es: Kleinig⸗ keiten gibt es im Soldatenleben nicht; sondern alles, was auf diesem Gebtete gefordert wird, hat große Bedeutung. Es ist ganz richtig, wenn gesagt worden ist: wir haben unsere Siege dadurch erfochten, daß wir in Kleinigkeiten gewissenhaft gewesen sind. Die Befehle, die dort gegeben worden sind, deren Zweck und Absicht kann ich nur billigen; sie sind keine Quäleret, keine Schikane, sie sind aus der Notwendigkeit hervorgegangen, daß der Soldat in der Oeffentlichkeit zeigen soll, daß er bei der Truppe zu einem gewissenhaften Manne erzogen ist. Das tut er nur, wenn er sich auf der Straße so benimmt, wie es sich gehött.

Was die Ausbildung hei den Ersatzbataillonen betrifft, die auch von verschiedenen Hetren gestreift worden ist, so stößt sie auf gewisse Schwierigkeiten. Die Unterbrinzung ist manchmal nicht so, daß in unmittelbarer Nihe Uebungeplätze zu fiaden sind. Die Herren, die als Offiztere bei den Ersatzbataillonen stehen, sind teilweise verwundet oder krank, keilweise auch in den Jahren vorgeschritten. Also kann nicht alles so sein, wie es in einer frischen akriven Truppe sein würde. Aber dafür wird seitens der Vorgesetzten gesorgt, daß der Erxerzter⸗ dienst, der Drill nicht in übermäßigem Maße stattfindet. Exerzier⸗ dienst muß sein; aber auf die kriegsmäßige Ausbildung wird bervor⸗ ragender Wert gelegt, und damit dies geschieht, werden aus Ersatz⸗ batatllonen vperschiedentlich Offiziere und Uateroffiztere auf 14 Tage oder 3 Wochen’ an die Front geschickt, um sich dort zu überzeugen, welche Anforderungen gestellt werden, und wie danach die Ausbildung zu leiten ist. .

Hinsichtlich der Besörderungsverhältnisse sind seit Beginn des Krieges immer erweiterte Bestimmungen erlassen. Die Zahl der Persönlichkeiten, die zu Offizieren, Offizierstellvertretern, Feldwebel⸗ leutnants besördert werden können, ist gesteigert worden, und ich glaube, daß auch hinsichtlich der Bestellung von Unteroffizieren des Beurlaubtenstandes als Offizierstellvertreter noch eine weitere Aus⸗ dehnung des Kreises als bisher zugelassen werden wird.

Herr Abg. Nacken wäünschte die Entlassung von garnisondienst⸗ fähigen und arbeitsverwendungsfähigen Mannschäaften aus den Ersatz⸗ truppenteilen. Wir können diesen Wunsch nur bill'gen, sind auch bereits auf dem Wege fortgeschritten. Wir haben gar kein Interesse daran, daß mehr Leute in den Ersatzbataillonen sich befinden, als für die Aaggübung des Dienstes ig der Garnison, sei es nun der Bewachung von Eisenbahnen oder militärischen Gebäuden, Gefangenen und der⸗ gleihen, sei es für die Ausbildung an Aufsichtspersonal erforderlich sind. Es ist selbstverständlich, daß auch seitens der Militärverwaltung der Gesichtspunkt, möglichst wenig Leute dem volkswirtschaftlichen Leben zu entzieben, beachtet wird, und es ist Anordnung getroffen, daß alle die Leute, die nur arbeits⸗ oder garnifondienstfähig sind und in der Truppe nicht unbedingt gebraucht werden, nach und nach zur Ent⸗ lassung gelangen und erst dann wieder einberufen werden, wenn Be⸗ duf für sie vorhanden ist. Ich möchte also, wenn ich auf den An⸗ fang zurckkomme, noch einmal wiederholen, daß ebenso, wie bei den Beurlaubungen, auch auf diesem Gebiete nie vergessen werden darf, daß das⸗Heer nicht Selbd tzweck ist, sondern bei der Ausbildung, Zurückhaltung usw. auh die Gesichtspunkte des allgemeinen Lebens der Bevölkerung berücksichtigt und nach Möglichkeit gefördert werden meissen. (Bravo!)

Aba. Vogt⸗Hall (ckons.): Unser Offizierkorps hat in diesem Kriege in unübertrefflicher Weise seine Schuldigkeit getan; das Reserve⸗ offizterkorns hat mit seinen akrwen Kameraden gewetteifert. Immerhin ist bei einzelnen dieser Herren eine gewisse Nervosität oder Ueberreist⸗ heit zutage getreten, wenigstens im Anfang, und daraus erklären sich manche Vorkommniss“, die hier bemängeit worden sind, und die auch wir bedauern. Im Purnkte der Ebreabezeugung stebe ich auf dem Standvunkt des Kollegen van Calker und des Kriegemmistenh⸗ die Art, wie der Sordat sich auf der Straße benummt, ist ein Gud⸗ messer für seine soldatische Erziebunz, dafür, ob er auach gelernt hat⸗ stets die Augen offen zu halten. Ich habe auch gedient; wenn schlepyr gegrüßt wird, so kennzeichnet das den ganzen Man. Die Unsi herheit der Führung der Formalionen, die sic bei einzelnen Herren im An⸗ fang bemerkbar machte, erklärt auch, wenn Fälle schiechter Behandlung vorgekommen siad. Die Liebesgaben gehören zu allererst an bie Sront. Es muß dasür Sorge getragen werden, daß sie nicht hinter der Front st. ckea bleiben. Die Brotration für die Gefangenen könnte doch viel⸗ leicht etwas beschränkt werden, umn auf diese Weise etwas einzusparen; der Arbeitaeber wird geschädigt, wena er nur 300 Gramm für die von ihm beschäftigten Gefangenen zugerechnet erhät, aber ihnen ebensoyie geben muß, als die Ration für die in der betreffenden Garntion stehenden Mannschaften beträgt. In der Erteilung von Urlaub muß das iegend mögliche Entaegenkommen walten. Auch ich würde be⸗ dauecn, wenn sich die Fälle, wo wegen schlechter Fuhrung Urlaubs⸗ verwelgerung eintreten muß, verm hrten. Den Wäünschen der Arbett⸗ geber hinsichtlich der Beurlaubung in der Garnisoan arbettender Mamn⸗ schaften könnte auch wohl etwas mehr entaegeagekommen werden; außerdem liegt dieser Wunsch ebenso im Ianteresse der Landwirtschaft wie des Ge⸗ werbes. Insbesondere müssen dabet die verwaisten Betriebe berücksichtigt werden. Die bezüglichen Kommisstonsoorschläge bitte ich das Haus einstimmig anzunehmen und die Milistärverwaltung, ihnen Folge zu leisten. Die Landwirtschaft hatte teilweise darunter zu lelden, daß Landwirten der Urlaub verwei ert wurde. Besondere Berücksichtigung verdienen auch die älteren Einjährtg⸗Freiwilligen, denen es fruber ihre Verhältnisse nicht gestatteten, Reserv offiztere zu werden. 8 in allem bieten die Zustände in unserem Heere keinen Anlaß, zu he⸗ fürchten, daß wir nict durchhalten. Im Gegentell, wir wollen durch⸗ halten und wir mässen durchbalten.

Abg. Davdidsohn (Soz.): Wenn wir in dieser letzten Stune über muitärische Dinge sprechen, so geschiebt es, weil wir noch manches zugunsten unserer Truppe berausholen möchten. Das Allerwichtiäfth für den Soldaten ist der Urlaub. Er ist noch wichtiger als die Me⸗

über die Straßenditzipl'n gewendet. Schon der Herr Abgeordnete

pflgung. Wes den Heim. turla ab betrufft, jo föante no

zendert werden. Auffallend ist die große Zahl der Unteroffiziere, die det jedem Grsatztruppenteil berumstehen. An dem guten Willen des iegsministers und der ihm untergeordneten Organe über die Urlaubs⸗ bewiltgung an der Front zwetfeln wir kfeinen Augenblick. Es ist 6er Taotsache, daß an der Front Zehntausende sind, die seit 18 Monaten inen Urlaub erhalten haben. Wenn unsere Armee diese Kulturhöhe hat, von der der Abgeordnete Haas gesprochen hat, so sollte man den kzuten auch Uclaub geben, damtit sie Familienkultur treiben können. se Schaffung neuer Kategorien, wie Oberfeld webel urw, erscheint mir bedentlich. Die Oisztlin suchen wir auch in unserer Partei aufrecht⸗ erhalten, aber in der Armee bält man sich doch zu sehr an Kleinigkeiten. ee früheren Soldatenmißhandlungsprozesse jeigen, wohin das geführt fat. Der Abg. van Calker kann doch selber von einer Nurdifziplin nicht es erwarten. Das ob jekrive Ermessen spielt in der Beurteilung r Disziplin eine verhängnisvolle Rolle. Man muß also warnen vor einer übermäßigen Einschätzung der Diszwlin. Zwei alte Feld⸗ webel haben wegen Uetertretung des gommandanturbefehls, betreffend ag Nichthetreten des Bürgersteiges, Arrest erhalten. Es können doch zuch Verwundete betroffen werden, die am Stock gehen und Leute, die bieher in der Stadt eine angesehene Stellung eingenommen hatten. as ist eine Ueberspannung des Bogens und erregt nur böses Blut. Der Soldat von 1916 leistet das Menschenmögliche, wenn er den Srund einer Maßgegel einsieht, er kann aber auch passive Resistenz glen, das heißt dickfällta sein, wenn er nicht menschenfreundlich oder soldatenfreundlich behandelt wird. Beim ersten Ersatzbataillon in Thorn ist Verwundeten und Wiederhergestellten überbaupt nicht mehr ein Urlaub erteilt worden. Im V. Armeekorvs ist von dem General⸗ major verfügt worden, es müßten weitere Strafen vertügt werden. Alio eine Verschärfung statt einer milden Behandlung. Weiche Instanzen im Heere haben eigentlich das Recht, Geldabzüge oder äaturalienabzüge zu verweigern⸗ Diese Behandlung hat zu Ungleich⸗ beien geführt. Was die Liebeegaben betrifft, so ist darin zweifellos Großes geleistet worden. Andererjeilts kommt den Soldaten sehr oft nicht zum Bewußisein, ob es sich um Liebesgaben handelt oder um ihnen zukommende Kompetenzen. Die Linie zwischen beiden Leistungen muß streng gezogen werden. Disziy in ist aber nicht nur für die Mannschaften notwendig, sondern auch für die Vorgesetzten, für Intendanturen, Zahlmeister usw. Der Kriegsminister hat eine Reibe von Erlassen heraus gegeben, die nicht befolgt wurden. Hätten wir Frieden, so würden wir über das milnärische System etwas sagen müssen. Wir sind Gegner des Systems, im Kriege muß es mit seinen Licht⸗ und Schattenseiten hingenommen werden.

Ein Schlußantrag wird angenommen.

räsident Dr. Kaempf: Wir kommen zur Abstimmung.

Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Ich bitte um das Wor⸗ zur G fchc oronung. 1

Präsident Dr. Kaempf: Ich kann Ihnen das Wort in der Abstimmung nicht geben. (Großer Lärm bei der sozialdemokratischen

hücers it Ruf: Unerhört! Abg. Liebknecht: Schämen Sie sich!). 1

Als der Abg. Ledebour (Soz.) ebenfalls das Wort nicht erhält, ruft er: Unerhörte Vergewaltigung!

Der Abg. Stad thagen (Soz.) wird wegen des Zu⸗ rufs „Unverschämtheit“ zur Ordnung gerufen.

In der Abstimmung werden die sämtlichen von der Kom⸗ mission beantragten Resolutionen zu den Heeresfragen ange⸗ nommen, die von den Sozialdemokraten gestellten weitergehen⸗ den Anträge abgelehnt.

Zur Geschäftsordnung erhält jetzt das Wort der

Abg. Ledebour (Sor⸗): Ich muß meinem lebhaften Bedauern Autdruck geben, daß Se vorhin einem Mitglied dieses hohen Hauses, das nach monatelanger Tätigkeit im Felde als Armierungssoldat zu⸗ -ückgekommen ist, um seinen varlamentarischen Pflichten zu genügen, daß Sie meinem Freunde Liebknecht das Wort abgeschnitten Faben in

Jder Militärdebatte, wo er mit Fug und Recht ouf Grund seiner vper⸗ sönlich n Erfahrungen und der Aufträge, die ihm seine Kameraden, deren Vertrauen er gewonnen hat, gegeben haben, sich äußern wellfe. An sich ist die Mundtotmacheng von Abgeordneten eine üble Ge⸗ wohrheit des Hauses. (Der Präsident ruft den Redner für diesen Ausdruck zur Ordnung.) sogen wir also, eine wentg erfreu iche G wohnbeit. Wir sind hier zusammen, um die wichtiasten und notwendigsten Angelegenbeiten zu erledigen; der Reichstag beschränkt aber jetzt seine parlamentarische Tätigkeit auf eine unglaublich kurze Zeit. Wenn in dieser Zeit inem Mitgliede, das gerade über diese An⸗ gelegenheiten sprechen will, das Wart abgeschnitten wird, so will ich das nicht mit unparlamentarischen Worten kritisieren, aber doch sagen, daß es der Empfindung weiter Volkskreise widerspricht und vor allem Tausender von Kameraden meines Freundes Liebknecht draußen Kufe: Nein!) Ach, Sie bhaben ja keine Ahnuna. (Präsident: Diese Aus führungen ükerschreiten den Rahmen der Geschäftsordnungs. bemerkungen!). Ich knüpfe also daran den dringenden Wunsch, daß Sie künftig derartige Einschränkungen der Revefreibeit nicht vor⸗ nehmen; Sie schlagen sich damit bloß jelbst ins Gesicht.

Abg. Dr. Neumann⸗Hofer (Fortschr. Volksp.): Darüber, ob das, was jum Schlusse der Diskussion geführt hat, nötig oder wünschenswert ist oder nicht, wird sich die Mehrheit des Hauses mit dem Abg. Ledebour kaum einigen können. 1 Abg. Dr. Ltebknecht (Sor, zur Geschäftsordnung): Daß ich unter sechsfache Zensur gestellt wurde (Abg. Haußmann: Auch Ihre Partet!)... . es ist nicht meine Fraktion mehr. (Der Präsident ersucht den Redner, zur Geschäfts⸗ ordnung zu sprechen.) Daß man mich nicht zu Worte kommen lät. (Der Präsident ersucht den Redaer nochmala, sich streng an die Geschäftsordnung zu halten und sich nach den Worien des Präsidenten zu richten). . .. daß man mich bereits früher nicht einmal zur Geschäftsordnung hat sprechen lassen, daß mir auch heute der Präsident das Wort zur Geschäftsordnung nicht erteilt hat.... (Große Umuhe; Prästdent: Ich babe das Recht, das Woct zur Geschäftsordnung zu geben, und an diesem Recht lasse ich nicht rütteln.) Sie haben sich damit demastiert (Erneute große Unruhe; Präsident: Derartige Angriffe gehören nicht in den Rahmen einer Bemerkung zur Geschäftsordnung; ich bitte Si⸗, sich streng daran zu haͤlten, sonst kann ich Ihnen das Wort zur Ge⸗ schäftsordnung nicht weiter geben.) Die dunklen Andeutungen des Abg. Dr. Neumann⸗Hofer verstehe ich wohl; es ist eben das böse Gewissen. (Glock⸗ des Präsid nten.)

Präsident: Wenn ich läute, haben Sie zu schweigen. Ich rufe Sie zur Ordnung und gebe Ihnen das Wort zur Geschäfts⸗ ordnung nicht weiter. (Lebhafter Beifall bei der großen Mehrheit des Hauses; als der Abg. Liebknecht weiter sprechen will, tönen ihm laute Rufe Rube! entgegen. Unruhe bei den Sozialdemokraten.)

9 Abg. Ledebour (Soz., zur Geschäftsordnung): Ich babe das Wort genommen, um von meinem Recht Gebrauch zu machen und meine Ueberzeugung zum Ausdruck zu beingen. Die Ee n des Abg. Dr. Neumann⸗Hofer beweist nur, daß er trotz der Stellung, die er hier einnimmt, über den wahren Sinn des Parlamentar smus noch vicht ins Klare gekommen ist. Jedes Mitglied des Hauses hat die Pflicht, jedes andere Muütgglied zu verteidigen, dessen Rechte an⸗ gegriffen werden. Ich habe das stets getan auch gegenüber Mit⸗ gliedern anderer Parteien. Das elementarste Recht des Abgeordneten, seine Meinung auszusprechen, darf nicht unterdrückt werden, auch wenn er sich noch so mißliebig gemacht hat. Sie müssen die Sache über die Person stellen. (Präsident: Das ist nicht mehr zur eschäftsordnung ¹) Deshalb beantrage ich zur Geschäftsordnung die Wiederaufnahme der eben geschlossenen Diskussion. 8 Abg. Dr. Neumann „Hofer (fortschr. Volksp.): Meine Worte richten sich nicht gegen den Abg. Ledebour, sondern sollten mur besagen, weshalb ich darauf verzichte, ihn zu überzeugen. Der Antrag auf Wiederaufnahme der Debatte wird gegen die Stin iner Minderheit der Sozialdemokraten ab⸗ belehnt. 1 * 8

Es folgt der Bericht des Abg. Hoch (Soz.) über die zu diesen Fragen eingegangenen Petitionen.

Der Präsident Dr. Kaempf unterbricht den Redner mit felgender Mitteilung:

8.9 ist soeben folgende Depesche aus Budapest überreicht worden:

Graf Tisza teilte im Abgeordnetenhause mit, Monte⸗ negro habe um Einleitung von Friedensver⸗ handlungen gebeten. Montenegro habe unbe⸗ dingte Waffenniederlegung angenommen. Nach Durchführung der Kapitulation werden die Friedensverhandlungen beginnen.

Die Mitteilung dieser Wolffschen Depesche wird vom ganzen Hause und von den Tribünen mit stürmischem, an⸗ holtendem Beifall und Händeklatschen aufgenommen. Der Berichterstatter kann seinen Bericht nur unter großer ae-e. 2 und Unaufmerksamkeit des Hauses fortsetzen und be⸗ enden.

Ueber weitere Petitionen berichtet der Abg. Strese⸗ mann (nl.).

Die Petitionen werden dem Reichskanzler als Material überwiesen. Es liegt weiter folgende Resolution vor:

„Den Reichskanzler zu ersuchen, in Erwägungen darüber ein⸗ zutreten, ob nicht die Postbeförderungsgebühren für Soldatenpakete in die Operations⸗ und Etappengebiete bis zu 500 Gramm herabgesetzt oder aber bei Belassung der bisherigen Beförderungs⸗ gebühren die Gewichtsgrenze für diese Pakete erhöht werden kann.“

Berichterstatter Graf von Westaxp (dkons.) empfiehlt die

Annahme der Resolution. Die Kommission habe diesen Beschluß gefaßt trotz der Bedenken der Postverwaltung wegen der finanziellen Tragweite der gewünschten Maßregel.

8 Nachdem die Abgg. Fischer⸗Hannover (Soz.) und Schirmer (Zentr.) die Hoffnung ausgesprochen haben, daß die Regierung den Beschluß des Reichstages im Interesse der Krieger und ihrer Angehörigen recht bald ausführen möchte, wird die Resolution einstimmig angenommen.

8 Zu den Zensurfragen hat die Kommission folgende Nesolutionen zur Annahme empfohlen:

1) den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, tragen:

a. daß unter dem Einfluß der jetzt geltenden Ausnahme⸗ bestimmungen keine Einrichtungen geschaffen werden, die geeignet sind, auch in Friedenszeiten die Preßfreiheit und die Freiheit der

öffentlichen Meinung zu beschränken;

b. daß beim Kriegspresseamt und bei allen Generalkommandos Preßabteilungen aus Vertretern der Militärbehörde und sachver⸗ ständigen Zivilpersonen gebildet werden, damit die Härten der Zensur beseitigt oder gemildert werden;

c. daß jedem Zeitungsverbote zunächst eine mit Begründung versehene Warnung an den Verlag vorausgehen muß;

d. daß das Verbot einer Zeitung nur mit Zustimmung des Reichskanzlers erfolgen darf. 22) den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß jedenfalls Fragen der inneren Politik, der Handelspolitik und der Steuerpolitik der Pressezensur nicht unterworfen werden.

Nachdem der Referent Abg. Dr. Stresemann (nl.) diese Resolutionen 8— und namentlich auf die Loebell⸗ schen Ministerialerlasse hingewiesen hat, schlägt der Vize⸗ präsident Dr. Paasche mit Rücksicht darauf, daß zu diesem Gegenstande Redner gemeldet sind, die längere Reden zu h beabsichtigen, vor, die Verhandlungen abzubrechen.

Damit ist das Haus einverstanden. 11““

Schluß nach 4 ½ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag früh 10 Uhr (Fortsetzung der socben abgebrochenen Beratung; vorher Antrag auf Vertagung des Reichstages).

dafür Sorge zu

8 Haus der Abgeordneten.- 2. Sitzung vom 17. Januar 1916, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzenwurfs, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts⸗ etats für das Etatsjahr 1916, in Verbindung mit der ersten Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Erhöhung der Zuschläge zur Einkommen⸗

⸗steuer und zur Ergänzungssteuer.

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lase (kons.): Wir können es uns nicht versagen, derjenigen zu gedenken, die draußen für das Vaterland kämpfen. Der Präsident hat dem ja schon Ausdruck gegeben, und es ist auch seitens des Finanzministers bei Einbringung des Etats geschehen, deshalb muß auch aus unseren Kreisen der erste Ton unseren tapferen Kämpfern gelten. Vor einem Jahre stand der Feind noch zum Teil im eigenen Lande. Wenn wir jetzt sehen, daß unser Vaterland ganz befreit ist, und daß die Fahnen unseres Heeres weit hinausgetragen sind in Feindesland und sich mit Ruhm bedeckt haben, dann ist es wohl richtig, daß wir derer gedenken, die das getan haben, und ihnen unseren unauslöschlichen Dank aussprechen. Bei diesen Erfolgen können wir wohl alle dem ruhig entgegensehen, was die Zukunft für unser Vaterland auch alles in sich bergen mag. Ueber den Etat werden wir noch eingehend uns in der Kommission zu äußern haben. Aber jetzt schon kann hier ausgesprochen werden, daß wir uns freuen, daß der Etat, der in dieser schweren Zeit vorgelegt worden ist, so abschneidet ohne Defizit. Allerdings, glaube ich, werden wir ihn in der Kommission mit großer Sorgsamkeit zu prüfen haben. Wir müssen überall darauf sehen, daß man sich der größten Sparsamkeit be⸗ fleißigt. Es kann darüber kein Zweifel sein, daß dieser Krieg auch unserem Lande große Opfer auferlegt. Wir müssen überall auf lange Zeit Sparsamkeit an allen Orten walten lassen, damit wir möglichst schnell aus dieser schweren Lage herauskommen. Der wichtigste Punkt des ganzen Etatgesetzes ist das Steuergesetz, das der Finanzminister uns angekündigt hat. Es mag ja nicht gerade sympathisch sein, daß man jetzt in einer Zeit, wo der Geldbeutel schon so viel in Anspruch genommen wird, mit einer solchen Forderung kommt. Auf der ande⸗ ren Seite sind aber meine Freunde der Meinung, daß es nicht anders geht. Es geht doch nicht an, daß wir zum Teil die Zinsen mancher An⸗ leihen bestreiten, indem wir neue Anleihen aufnehmen. Man kann vom Borgen allein nicht leben. Da ist es eben richtig, wenn man die Steuern anzieht. Wenn ich auch mit dem Grundsatz in dem Steuer⸗ gesetz einverstanden bin, so muß ich doch sagen, daß seine einschneidenden Bestimmungen in der Kommission noch manche Abänderung werden er⸗ fahren müssen. Diese Vorlage ist ein Notgesetz und ist doch wesentlich nur auf die Kriegsverhältnisse aufgebaut. Wir werden an die Zu⸗ schläge, die wir jetzt schon haben, Kritik anlegen. herein, es ist Pflicht eines jeden, in dieser Lage beizusteuern. Das Gesetz soll für die ganze Dauer des Krieges gelten. Der Zeitpunkt scheint mir nur nicht richtig gewählt zu sein. Es ist doch keine Frage, daß diese Steuerforderung im strengen Zusammenhange mit dem Etat steht. Deshalb hätte man einen anderen Zeitpunkt festsetzen sollen, da wir ja nicht wissen, wie lange der jetzige Zustand ert. Es ist doch zweckmäßig, das Steuergesetz nicht anders zu machen, wie unser Etatsgesetz. Das ist noch aus einem anderen Grunde notwendig. Es handelt sich um eine so erhebliche Belastung unseres Einkommens,

Ich sage von vorn⸗

8 ** da ist es doch ratsam, wenn man die Entscheidung darüber, wie man die Belastung später lassen soll, in der Hand behält. Auch von Reichs wegen werden Anforderungen gestellt, sodaß nicht abzusehen ist, welche Belastungen von dort aus noch kommen. Da ist es doch daß man von Seite einigermaßen weiß, wie die Entwicklung vor sich geht. un der Finanzminister den Zuschuß braucht, dann werden wir ihm ihn nicht versaßfu⸗ dessen kann er sicher sein. Im Gegenteil, wenn wir sehen, daß dieser Krieg noch größere Opfer von uns fordert, dann werden wir auch noch größere Opfer bringen. Wir wollen aber wissen, wie die Dinge liegen und wie die Belastung gegen⸗ über den Ansprüchen sich gestaltet, die von seiten des Reichstags kommen, nachdem wir gesehen haben, daß seine Steuervorlagen sehr scharf in die Steuergesetzgebung der Einzelstaaten einschneiden. 6. kann nicht so weitergehen. Diejenigen, die so tun, als wenn die Be⸗ stung der direkten Steuern eine ganz unermeßliche sein könnte, sollten ch dies genau überlegen. Es ist jetzt schon schwer, wenn man den vierten oder fünften Teil seines ganzen Einkommens auf den Altar des Vaterlandes niederlegt. Aber auch dazu werden wir natürlich hereit sein. Dasselbe gilt aber auch von den Kommunen und Einzel staaten. Fährt man so weiter fort und läßt die Belastung von allen Seiten weiter auf sie einstürmen, dann wird zu eine Aus⸗ aller Besitztümer erfolgen. Das ist doch ein Ding de Unmöglichkeit und ist auch im höchsten Grade staatsgefährlich Diese Dinge haben ihre Grenze. Es hangt noch etwas anderes daran die Selbstandigkeit der Einzelstaaten. Ich erkläre ganz offen, daß ich es für dringend notwendig halte, diese Selbständigkeit der Einzel staaten, die auch noch da sind, aufrecht zu erhalten. Darin lie Grundpfeiler des deutschen Volkslebens. Wenn ich auf Einzelheiten der Thronrede eingehen soll, so kann ich zunächst nur sagen, daß meine clitischen Freunde von der größten Genugtuung erfüllt sind über die lnerkennung, die von Allerhöchster Stelle die preußische Art, das ganze reutisch⸗ Volk, sein Staatswesen und alles, was damit zusammen⸗ ängt, erfahren haben. Es ist ja wahr, wir wollen uns nicht über⸗ heben vor den anderen Stämmen. Aber das muß uns überlassen bleiben, daß wir dem Ausdruck geben, daß, wenn von dem höchsten Leiter unseres Staatswesens gesagt worden ist, das preußische Volk hat seine Pflicht getan, daß uns das mit Stolz erfüllen muß. Wenn wir dies hervorheben, so müssen wir uns bewußt sein, daß dieses preußische Volkstum sich doch aufbaut auf den Einrichtungen, die wir haben; und dies ist eine glänzende Anerkennung auch derienigen Ein⸗ richtungen, die wir jetzt in Preußen haben. Nun freut uns 1 ganz besonders die Anerkennung, die in der Thronrede der Kaiser unserem ganzen Volke da draußen und auch da drinnen gezollt hat. Es ist eine der herrlichsten Erscheinungen dieses Krieges die Kameradschaftlichkeit unter den preußischen und anderen Stämmen, und das gilt vom ersten bis zum letzten. Ich muß sagen, das hat mich 3 mit Wärme erfüllt, wenn die Srs⸗ . denen Anerkennung gezollt wurde, darauf erwiderten: das habe ich nicht getan, sondern das hat neben dem Höchsten da oben der gewalt:ze Geist und die Tüchtigkeit unserer Truppen geleistet. Ich möchte hier nachdrücklich wiederholen: es ist keiner in unserem ganzen preußischen Heer, der nicht in aller⸗ vollstem Maße seine Pflicht getan hatte. Es hat etwas Rührendes, wenn wir sehen, was da geleistet worden ist, draußen und drinnen. Wenn wir den Verwundeten begegnen, die hin und her gehen mit den ehrenvollen Narben, die sie erhalten haben, aus denen manchmal eine Freude leuchtet, daß sie für das Vaterland haben leiden können, dann möchte man ihnen manchmal sagen: ich danke Ihnen, daß Sie das für das Vaterland getan haben. Die Truppen draußen wissen auch qanz genau, daß sie sich auf ihre Offiziere verlassen können, und daß da eine Ordnung, eine aristokratisch gestaltete Ordnung waltet. Sie wissen, was sie an ihren Offizieren haben. Es ist etwas Herrliches, wie unsere teuren Offiziere vorangegangen sind, wie sie sich geopfert haben. Dieser Geist der Kameradschaftlichkeit, eine der herrlichsten Erscheinungen des Krieges, er ist auch ein Geist der Ordnung und der Autorität. Eine andere Stelle der Thronrede scheint darauf hinzudeuten, daß eine Aenderung unseres Wahlrechts geplant ist, und daß man damit den Wünschen entgegen⸗ zukommen sucht, die auf der linken Seite dieses Hauses mit einer gewissen Einförmigkeit alle Jahre zum Ausdruck gebracht worden sind. Es ist mir zweifelhaft, ob dieses Entgegenkommen in vollstem Maße als ausreichend anerkannt werden wech Ich bin der Meinung, 85 wenn etwa von seiten dieser Parteien, denen man hier anscheinend ein gewisses Entgegenkommen hat beweisen wollen, wieder derartige Wünsche jetzt hervortreten sollten, so haben sie sich doch wohl getäuscht, und ich muß sagen, daß es kaum einen Zeitpunkt gibt, der ungünstiger für solche Forderungen gewählt wäre, als der gegenwärtige. Denn das werden die Herren dann doch wissen, daß die Meinungsverschieden⸗ heiten auf diesem Gebiete im wesentlichen noch die alten geblieben sind, und in einem Zeitpunkt wie diesen, da der Krieg doch zu allererst erfolgreich durchgeführt werden muß, es notwendig ist, daß unser Volk in Einheit zusammensteht, daß man deshalb auf das peinlichste bemüht ist, den Burgfrieden zu erhalten. Deshalb müssen jetzt diese Dinge zurücktreten, die zweifellos die Einheit in unserem Volksleben, in unserem Parteileben stören müssen. Das ist ganz klar, und das ist einfach unsere Antwort. Es ist gar keine Frage, daß, von einigen Schönheitsfehlern abagesehen, die Gestaltung unserer preußischen Volks vertretung eine den Bedürfnissen des Lebens, wie ich behaupte, geradezu ideal entsprechende ist. Es ist ja immer eine eigene Sache, wenn man für sich selbst Lob in Anspruch nimmt. Da kann ich alücklicherweise einige rte erwähnen, die einmal der preußische Staatsminister von Dallwitz gesprochen hat. Er hat u. a. gesagt: Gegenüber solchen Wünschen wird selbst der er bittertste Gegner des preußischen Wahlrechts nicht im Ernste be⸗ streiten können, daß die Volksvertretung bisher die Interessen des Landes in ersprießlicher Weise wahrnimmt, und daß sie insbesondere die materiellen und ideellen Interessen der Minorität nach Kräften fördert. Das Wahlrecht muß nach den praktischen Leistungen des betreffenden Parlaments beurteilt werden. Darüber kann doch kein Zweifel sein, daß die preußische Gesetzgebung derjenigen anderer Länder in keiner Weise nachsteht. Die Thronrede sagt nichts darüber, in welcher Weise die ins Auge gefaßten Modifikationen des Wahlrechts geplant sind. Meine politischen Freunde geben bei voller Anerkennung der Vor⸗ trefflichkeit der Grundlagen unseres Wahlrechts zu, daß gewisse Schwächen vorhanden sind. Wir wollen daran mitarbeiten, diese Schwächen auszugleichen, zu verbessern, wie wir das immer getan haben. Wir sind immer bestrebt gewesen, darauf hinzuarbeiten, daß mit möglichster Uebereinstimmung im Hause diese Grundlagen fest⸗ gelegt und beschlossen werden können. Denn es hat ja einen sehr großen Wert für unser ganzes Volksleben, wenn das, was wir be⸗ schließen, in möglichster Uebereinstimmung festgelegt werden kann. Leider ist das bisher nicht möglich gewesen. Die Frage nun zur Erledigung bringen zu wollen, wäre meiner Meinung nach den Inter⸗ essen des Landes direkt widersprechend, wenn man nicht etwa zu der Meinung kommen sollte, daß die Erledigung dieser Wahlfragen wich⸗ tiger wäre, als die Erledigung der Fragen, die mit dem Krieg selbst in unmittelbarem Zusammenhange stehen. Glauben Sie denn, doß ein Haus, gegen das von allen Seiten so angestürmt wird, wie gegen das unsrige, so schnell wieder hergestellt werden kann, wenn nicht alle einig sind beim Wiederaufbau? (Wiederholte Zurufe des Abg. Dr. Liebknecht.) Abg. Liebknecht, wollen Sie denn das System der kleinen Anfragen, so wie Sie es im Reichstage jetzt belieben, auch hier einführen? Jetzt, da das Vaterland in Gefahr ist und wir das Augenmerk darauf richten müssen, alles wieder herzustellen, können wir die Einigkeit nicht stören lassen. Das würde nicht den

Interessen des Landes entsprechen. Bei der großen Bedeutung dieser Frage

schadet es nicht, daß das von einer Seite unumwunden ausgesprochen wird. Ein Ende der furchtbaren Kriegszeit ist leider noch nicht abzu⸗ sehen. Wir wollen dem mit aller Nüchternheit und aller Entschlossen⸗ heit entgegentreten. Es führt zu nichts, zu jammern und zu klagen und Friedenswünsche auszusprechen, es nützt nur feste Entschlossen⸗ heit, nicht bloß mit Worten, sondern auch mit Taten. Manche mögen wohl sagen, daß diese Koalition gegen uns durch ge⸗ schickte und starke auswärtige Politik rechtzeitig hätte verhindert werden können, aber nach dem Schrecklichen, was uns jetzt erregt

hat, sieht man doch, daß wir an dem Resultat unschuldig sind und

11““ 88 8*

1

822 8 3