1916 / 14 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 Jan 1916 18:00:01 GMT) scan diff

hicht die Verantwortung dafür tragen. Niemand könnte im deutschen Volke ruhig sein und Kraft haben, weiter zu kämpfen, wenn er nicht wüßte, das Schwert, das wir führen, ist ganz rein. Die Verant⸗ wortung tragen diejenigen, die diesen Krieg heraufbeschworen haben, und ist fast unser schlimmster Feind, der, wie Amerika, den Krieg um Jahresfrist verlängert hat. Das Blut, das über die Schuldigen kommt, möchte ich nicht zu verantworten haben. (Leb⸗ hafte Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten, die im einzelnen nicht verständlich werden; es entsteht großer anhaltender Lärm, von rechts ertönen lebhafte Rufe; Raus, raus; Präsident Dr. Graf von Schwerin: Ich bitte, Ihre Zwischenrufe nicht zu weit auszu⸗ dehnen. Abg. Adolf Hoffmann (Soz.): Sie haben uns das Vaterland genommen, nun sind wir es los. Abg. Dr. Liebkne 2. Das Blut kommt über Sie. Fort n Unrube. Abg. Dr. Liebknecht: Sie betrügen das Volk um die Wahrheit. EE Sie werden ja nachher zu Worte kommen, dann vonnen Sie Ihre Einwände geltend machen, ich bitte Sie aber, nicht durch solche Zwischenrufe den Redner zu stören.) Es verdient doch im ganzen Lande festgestellt zu werden, daß, wenn gesagt wird, daß die deutsche Politik nicht die Verantwortung für diesen männermordenden Krieg trägt, sich ein Deutscher findet, der dem widerspricht. Bisber hat man geglaubt, daß die Sieger wohl drohen koöͤnnten, aber nicht die Besiegten. Es ist wunderbar, daß die Leute, die seit Jahresfrist nichts anderes als Niederlaͤgen erlitten, die sich blamiert haben, wo sie nur aufgetreten sind, die in ihrem Volksleben viel größere Not haben, uns mit Vernichtung drohen. Das hat nicht mehr nur lächerlichen, sondern geradezu pathologischen Charakter, und das findet sich nicht allein in der Presse, sondern maßgebende Leute der auswärtigen Politik, die Minister, verfallen in denselben Ton. Wenn man allerdings eine solche Verantwortung hat, so will man dis zum letzten Augenblick kämpfen; nur so kann ich mir das einigermaßen logisch zurechtlegen. Wenn unsere Gegner nicht wissen, wie es bei uns zugeht, so haben sie das der Zensur zu verdanken. Es ist und bleibt ein furchtbar ernstes Moment, daß sie in dieser Situation noch zum äußersten entschlossen sind; sie rechnen auf zweierlei, darauf, daß das deutsche Volk nicht einig bleiben könnte, und leider Gottes gibt es bei uns Stimmen, die den inneren Frieden stören, die anderen Volksklassen Vorwürfe machen und sich mit der schweren Verantwortung belasten, daß sie im Auslande den Eindruck herverrufen, als ob nicht alles bei uns einig wäre. (Lebh. Zwischenrufe bei den Soz., insbesondere von dem Abg. Dr. Lieb⸗ knecht.) Die Herren, die in diesem Zeitpunkt es für zulässig und mit dem Vaterlandswohl vereinbar halten, andere zu beschuldigen, sollten sich fragen, was das für einen Eindruck im Auslande macht. Sodann glaubt das Ausland, wir hätten nicht die materielle Kraft, durchzuhalten. Auch darin täuscht sich Gott sei Dank das Ausland. Die Kräfte sind vorhanden und werden vorhanden sein, daran ändern einzelne Stimmen gar nichts. Es ist menschlich begreiflich, wenn einzelne Familien klagen, aber wir können und werden und müssen auch vom trocknen Brot leben, wir werden auch hungern, wenn es nicht anders sein kann; lieber hungern, als unseren Gegnern die Gelegenheit lassen, unser Deutschland nech gn anders zu terrorisieren. Nicht darum handelt es sich, was wir wollen, sondern darum, was wir müssen. Jeder im Volk muß sich klar machen, daß wir eine Situation haben, in der wir aushalten müssen. Wir werden in der Kommission die unendlich schweren Auf⸗ gaben besprechen. Daß in diesen Ernährungsfragen Mißgriffe vor⸗ kommen, ist selbstverständlich; das ist auf den verschiedensten Gebieten der Fall, aber es ist auch nicht ganz leicht, den sozialistischen Staat von heute auf morgen einzuführen. Es ist auch nicht ganz leicht für die Beamten, diese wirtschaftlichen Maßnahmen zu treffen. (Ruf bei den Soz.: Sie hätten längst anfangen sollen!) Wir müssen den Be⸗ amten den oben bis unten dankbar für die Arbeiten sein, die gemacht sie leisten, was sie können, die ausführenden Organe sind vielfach is zur Grenze des Möglichen gegangen. Es wäre unrecht, wenn wir das nicht anerkennen wollten. Ja, sie leisten Großartiges, und die⸗ jenigen, die Kritik üben, sollten doch mal herkommen und die Sache machen, dann würden sie sehen, daß es nicht so einfach ist, wie man es sich in seiner Einseitigkeit denkt. Wir müssen durchhalten, weil unsere Feinde ch so wollen, wir können, durchhalten, wenn nur jeder an seinem Teil sich mit der Pflicht durchdringt, so zu leben, wie wir leben können. Und das wollen wir auch. Allen denen, die draußen für uns kämpfen, die schwere Opfer für uns gebracht und Wunden davongetragen haben, wollen wir, wenn sie wiederkommen, mit offener Stirn entgegentreten, um zu sagen: wir haben auch getan, was für unser Vaterland nötig war. (Zwischenrufe bei den Soz. Ruse rechts: Ruhe!) Ihr habt unser Naterland gerettet, aber auch wir haben daheim für unser Vaterland getan, was wir konnten. Abg. Dr. Pachnicke (fortsch. Volksp.): Ob eine Generaldebatte notwendig ist, darüber könnte man zweifelhaft sein; nachdem indessen die sozialdemokratische und die konservative Partei eine Aussprache gewünscht hatten, konnten sich die anderen Parteien nicht wohl aus⸗ schließen. Aber ich werde mich, da nicht Worte, sondern Taten not⸗ wendig sind, auf das Notwendigste beschränken. In bezug auf das Wahlrecht spricht schon die Thronrede von der Gestaltung der „gesetz⸗ gebenden Komwerationen“, dieser Plural kann noch von Bedeutung werden. Der Vorredner spielt in der Frage des Wahlrechts den früheren Minister des Innern gegen den jetzigen und den Minister⸗ prösidenten aus, ja, er versteigt sich zu dem Ausspruche, daß das jetzige Wablrecht den Bedürfnissen des preußischen Volkes geradezu ideal entspreche. Das Wichtigste ist die Form, in der das Volk in der Ge⸗ setzgebung mitzusprechen hat. Es ist Pflicht der Regierung, in dieser Frage vorzugehen. Die Regierung darf sich nicht führen lassen, auch nicht von Herrn von Heydebrand. Bisher haben wir nur aus dem Munde der Minister etwas über eine Neuorientierung der inneren Politik gehört, jetzt aber hat die Krone gesprochen, die Autorität der Krene kommt jetzt in Frage. Ein Volk, das geleistet hat, was unser Volk im Kriege geleistet hat, verdient Vertrauen. Unser Volk draußen hat Ruhmestaten sondergleichen vollbracht, und auch das Volk daheim hat Opfer gebracht, die beispiellos sind. Das Volk hat sich Politisch reif gezeigt und muß auch staatsrechtlich so behandelt werden. So wertvoll ein kräftiger leitender Wille ist, ebenso wertvoll und wichtig st aber auch die geistige und die Gefühlsverfassung der Geleiteten. Es sind Menschen und keine Maschinen. Dann wird das Verant⸗ wertungsgefühl erzeugt und die cesamte Volkskraft ausgenutzt. Voll⸗ bürger wollen die sein, die nachher aus dem Felde heimkehren. Ich nehme an, daß auch der Vertreter der Nationallliberalen diese Er⸗ klärung der Thronrede so deuten wird, und hoffe, daß Herr Fuhrmann nur seinen persönlichen Standpunkt aussesprochen hat. Wir finden, daß das Reichstagswahlrecht sich national bewährt und die Feuerprobe im eigent⸗ lichen Sinne bestanden hat. (Sehr richtig!) Glänzend gerechtfertigt gina dieses Wahlrecht aus dem Kriege bervor, wie es ja auch ein Geschöpf eines Krieges ist. Bismarck zeigte, daß er die staatsmännische An⸗ assungsfähigkeit besitzt, die nötig ist, um ein Volk zu regieren. Die⸗ enigen, die sich senst so gern auf ihn berufen, können jetzt beweisen, daß sie seines Geistes einen Hauch verspüren. Eine Annäherung vischen dem Reich und dem größten Bundesstaat sollten die erstreben, je eine ruhige Entwicklung und eine Einheitlichkeit der Politik wollen. Es geht nicht mehr an, daß auf dem Wege über Preußen die Politik es Reiches durchkreuzt wird. Nach unserer Meinung muß die Reform noch vor dem nächsten alloemeinen Wahltermin erfolgen. Es wäre eine Erschütterung der Autorität der Regierung, wenn man dos, was in der Stunde der Not versprochen wurde, in der Stunde des Glücks vergessen wollte, Daß an die Deckungsfrage setzt schon herangetreten wird, halten wir für richtig, und wir wollen auch daran mitwirken. Ob die Zu⸗

schläge in diesem Zusammenhange und in dieser Höhe und Abstufung

das Richtige treffen, wird in der Kommission zu prüfen sein. Wir sind damit einverstanden, daß die Zuschläge zu den Zuschlägen dies⸗ mal zeitig begrenzt worden sind. Auch die Schonung bis zu 2400 e. wir für notig. In so einfacher Form, daß die direkten Steuern ben Eingelstaaten und die indirekten dem Reiche zukommen sollen, sind die Verhältnisse nicht zu lösen. Das verbietet schon die Höhe der Summe, und das Reich hat diesen Boden schon verlassen, und es wird auch künftig ein sozialer Zug in der Reichsfinanzreform ent⸗ halten sein müssen. Es gibt aber auch für die direkte Besteuerung

eine Grenze, die nicht überschritlen werden darf, wenn Schaffenskraft und Schaffensfreude nicht erlahmen sollen. Es ist eine schwere Täu⸗ schung des Auslandes, wenn es annimmt, daß Deutschland schon okonomisch geschlagen sei. Auch wirtschaftlich stehen wir unge n und unzerbrechlich da. Es bedarf aber der Sparsamkeit. Ich würde es bedauern, wenn Vorwürfe wegen wucherischer Bereicherungen gegen ganze Berufe gerichtet werden. Landwirtschaft und Industrie haben das jdei getan, um unlauteren Elementen in ihren Reihen das Feseene; zu legen. Auch der Handel weist solche weit von sich zurück.

eem Verlangen, die Zensur und den Belagerungszustand aufzuheben, Wir fordern aber, daß man Mißbräuche nach Die militärische Zensur ist aber manchmal Im Zusammenhange bhiermit

stimmen wir nicht zu. Möglichkeit vermeidet. nach politischen Rücksichten erfolgt. 4 nh steht der Erlaß oder besser stehen die Erlase des Ministers Loebell. Man ging so weit, die Zeitungen zu verpflichten, gewisse gesternte Artikel abzudrucken. Für die Erörterung der Kriegsziele ist nach unserer Meinung die Zeit noch nicht gekommen. Man wird doch wohl eine Zeitlang für das Vaterland schweigen können. Inzwischen mögen die militärischen Erfolge reden, Siege zu erringen ist das Gebot der Stunde. Wir wollen einen Frieden, der unsere nationale Zukunft sichert und uns die Grenzen gibt, die wir zur Verteidigung brauchen, und der uns wirtschaftlich in die Lage setzt, unsere deutsche Kraft zu entfalten. Auch wir sind stolz auf das, was Preußen ist und leistete Wir wissen und würdigen es, was es für die Gründung des Deutschen Reiches getan hat. Wir haben einen hohen Begriff für die Vormachtstellung im Reich, aber über den Teil geht das Ganze und über Preußen geht das Reich. Für partikularistische Stimmungen ist heute weniger denn je Raum. Alle deutschen Stämme wollen und sollen sich immer enger zusammenschließen. Der Reichsbau soll immer festeres Gefüge erhalten und so fest werden, daß er allen Stürmen Feozen kann, die vielleicht noch kommen werden. Wenn die Feinde künftig auf die Zersplitterung unseres Volkes rechnen, dann werden sie unheilbar verblendet sein.

Abg. Herold (Zentr.): Der Etat für 1916 beruht auf Ver⸗ hältnissen, welche die Kriegslage hervorgerufen hat. Angesichts der Kriegslage und der schwierigen Verhältnisse ist der Etat natürlich splarsam aufgestellt worden. Trotzdem konnte im Justizetat der UUnterstützungonds für Beamte um 1 ½ Millionen Mark erhöht wer⸗ den. Die Rechnung für 1914 schließt mit einem Fehlbetrage von 116 Millionen Mark ab. Die Regierung hat zur Tilgung der kommenden Fehlbeträge eine Erhöhung der Besteuerung vorgesehen, der wir zustimmen. Von 2400 an allmählich eine Staffe⸗ lung um das Zwölfeinhalbfache statt. Die Regierung hat zwar ver⸗ ucht, infolge der ihr im Jahre 1914 erteilten Vollmachten zur Regelung der Ernährungsfrage vielfach einzugreifen. Aber es ist viel Unzufriedenheit darüber entstanden, daß nicht früh und energisch genug eingegriffen worden ist. Es wäre mehr Entschlußfreudigkeit nötig gewesen. Eine der wichtigsten und höchsten Aufgaben ist die Sicherstellung der Familie der Kriegsteilnehmer, deshalb haben wir den Erlaß mit Freuden begrüßt, wonach bei Bewilligung von Unter⸗ stibangse mit der größten Liberalität zu Werke gegangen werden oll. Die Angehörigen vieler Berufe sind in eine schwierige Lage geraten. Während für manche durch Erhöhung der Löhne ein Aus⸗ gleich eingetreten ist, war es bei anderen gerade umgekehrt. Hier hat vielfach, wie bei den Textilarbeitern, die Regierung erhebliche Beträge ausgeworfen. Sehr schlimm ist auch das Handwerk und Gewerbe daran. Hier sind vielfach durch Einberufung der Inhaber die Familien in Nahrungssorgen geraten, weil das Geschäft geschlossen werden mußte. Die Kundschaft geht verloren, so daß es schwer halten wird, nach dem Kriege hier wieder zu etwas zu kommen. Hier ist zuerst Abhilfe zu schaffen. Ich bin damit einverstanden, daß es senheit nicht angängig erscheint, in eine allgemeine Erörterung der Kriegsziele einzutreten, weil darüber der militärische Erfolg ent⸗ 8.e ns Allerdings müssen wir verlangen, daß wir für unsere schweren Opfer angemessen entschädigt werden. Angesichts der ge⸗ waltigen Verluste durch diesen Krieg müssen wir der Abnahme des Bepölkerungswachstums seit Dezennien eine erhöhte Bedeutung bei⸗ messen. Für kinderreiche Familien müssen allerlei Erleichterungen geschaffen werden. Niemand wird wohl der Stelle in der Thron⸗ rede die Zustimmung versagen, wo davon gesprochen wird, daß der Geist gegenseitigen Verstehens und Vertrauens auch im Frieden ortdauern werde. Auch wir haben den dringenden Wunsch, daß die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Parteien und das gegen⸗ seitige Vertrauen fortdauern werde, zumal ja nach dem Kriege be⸗ deutsame Arbeit zu leisten sein wird. In der Thronrede wird weiter, wenn auch in sehr unbestimmter Form, von einer Aenderung des Wahlrechts gesprochen. Ich bemerke, 8 das bestehende preußische Wahlrecht den heutigen Verhältnissen nicht mehr entspricht. Hätten wir die letzte Wahlrechtsänderung angenommen, dann hätten wir weniastens ein einheitliches Wahlrecht gehabt. Wir müssen nunmehr die Vorlage der Regierung abwarten, an der wir mitarbeiten und darauf sehen werden, daß breite Schichten des Volkes zu ihrem Rechte kommen. Wenn wir die Reden der beiden Vorredner ver⸗ gleichen, so tritt in Erscheinung, daß bei der Besprechung der Wahl⸗ reform die Parteigegensätze wieder hervortreten werden. Die Land⸗ wirtschaft hat es verstanden, durch intensive Arbeit unsere Produktion wesentlich zu stärken. So wurde Deutschland in die Lage versetzt, trotz Absperrung unserer Grenzen sich ernähren zu können. Mag der Krieg auch noch so lange dauern, ein Mangel wird nicht ein⸗ treten, das steht unantasthar fest. Auch unsere Industrie hat sich bewährt, die soaar den Verbündeten noch Material abgeben konnte. Auch unsere Cisenbahnverwaltung hat Hervorragendes geleistet. Besonders ist zu beachten, daß bei den vermehrten Verwaltungs⸗ schwierigkeiten und dem 8. Betriebe Eisenbahnunfälke kaum vorgekommen sind. Unser voller Dank gebührt unseren Sol⸗ daten, die mit Todesverachtung ihre Pflicht erfüllen. Trotz aller Niederlagen unserer Feinde tritt uns bei ihnen immer noch Sieges⸗ hoffnung entgegen. Man muß darüber staunen, mit welchen Mitteln die Hoffnung bei ihnen immer noch aufrecht erhalten wird. Ebenso wie der Reichstag wird auch das Abgeordnetenhaus die Haltung brand⸗ marken, die die englische Regierung in der Angelegenheit des „Bara⸗ long“⸗Falles eingenommen hat.

Abg. Hirsch⸗Berlin (Soz.): Wir stimmen mit dem Finanzmi⸗ nister darin überein, daß das Defizit von 1914 nicht auf eine Defizit⸗ anleihe übernommen werden kann. Deshalb halten wir den ein⸗ geschlagenen Weg für richtig, wenn wir auch nicht mit allen Einzel⸗ heiten einverstanden sind. Leider ist das Ende des Weltkrieges noch immer nicht abzusehen. Schon früher hat mein Freund Braun ausgeführt, daß wir jede Eroberungspolitik verwerfen, die gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker verstößt, das wir besonders hoch halten. Der Reichskanzler hat ja eine gewisse Friedensbereitschaft gezeigt. Wir verlangen von ihm, daß er sich von jeder Annexions⸗ politik lossagt. Eine imperialistische Eroberungspolitik würde für immer den Frieden Europas bedrohen. Selbstverständlich wollen auch wir Sozialdemokraten nicht, daß die politische oder wirtschaft⸗ liche Selbständigkeit und Unabhängigkeit des deutschen Volkes an⸗ getastet wird. Wir werden aber umgekehrt auch niemals die Hand dazu bieten, daß andere Völker unterjocht oder in ihrer politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit angetastet werden. Insbesondere verlangen wir, daß die völlige Unabhängigkeit und Selbständigkeit Belgiens wieder hergestellt wird. Wenn die Regierungen der krieg⸗ führenden Länder auch jetzt noch nichts vom Frieden wissen wollen, so setzen sie sich damit aufs neue in schärfsten Widerspruch zu dem Volksempfinden, das überall nach Frieden verlangt. Wir fordern, daß die deutsche Regierung den Regierungen der anderen Länder

vorangeht und alle Eroberungspläne aufgibt. Soweit die Preis⸗

steigerungen eine unabwendbare Folge des Krieges sind, werden wir sie tragen müssen. Wo sie aber Schuld der Regierung und eine Folge verfehlter Maßnahmen und zu zarter Rücksichtnahme auf bestimmte Kreise sind, da verlangen wir Abhilfe. Selbstverständlich kann man nicht gegen die Landwirtschaft in ihrer Allgemeinheit Vorwürfe erheben. Wir haben immer betont, daß man nicht für die Aus⸗ schreitungen einzelner den ganzen Stand verantwortlich machen darf. Es ist Pflicht eines jeden, alles zu tun, um für eine ausreichende Er⸗ nährung unserer Bevyölkerung zu sorgen, Welcher Weg begangen

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werden muß, das haben ja meine Freunde im Reichstag gezeigt. Ich muß mit Bedauern sagen, daß es uns scheint, als ob die preußische Regierung der Reichsleitung Hindernisse bereitet. Dabei macht eg die Fenbef unmöglich, das auszusprechen, was ist, und dadurch wind die Bevölkerung im Unklaren gehalten. Die Zenfur wird schlimmer, je länger der Krieg dauert, und auch der Belagerungszustand wiet weit rigoroser gehandhabt als zu Beginn des Krieges. Das Vereint⸗ und Versammlungsrecht ist jeßt nz illusorisch, mit dem Ver⸗ tuschungssystem erreicht man doch nichts. Die Unterstützungen werden vielfach in ganz verkehrter Weise versagt. Die diesbezüglichen Er⸗ lasse werden von den untergeordneten Organen nicht in der richtigen Weise ausgelegt. Es ist allerdings anzuerkennen, daß der Kreis unterstützungsberechtigten Personen ausgedehnt und die Mindestsätze erhöht. worden sind. Die Geschäfte vieler kleinen Gewerbetreibenden sind durch den Krieg vernichtet worden, und es ist erfreulich, daß die Regierung Notstandsdarlehen gewähren will. Die Textilindustrie ist durch die Maßnahmen der Regierung, durch Beschlagnahme usw. in eine sehr prekäre Lage gekommen, manche Betriebe sind durch Fa⸗ brikationsverbote vollständig stillgelegt worden; daher ist die Arbeitz⸗ eelegenheit in der Textilindustrie außerordentlich erschwert worden. Auf Beschluß des Bundesrats haben viele Bundesstatten die Fürsorge für die Textilarbeiter aus der allgemeinen Kriegsfürsorge herausge⸗ nommen und vom 1. Oktober 1915 an die Fürsorge für die Texilarbeiker besonders behandelt. Aber in Preußen 12 diese Sache noch immer nicht geregelt. Die Aufwendungen der Gewerkschaften für die Ar⸗ beltersam Rten können sich nehen den Aufwendungen des Staates und der Arbeitgeber sehr wohl sehen lassen. Sehr wichtig ist die Wob⸗ nungsfrage. Nach dem Kriege wird das Geld auf bem Baumarkt sehr teuer sein. Es wird ein Mangel an Kleinwohnungen und wieder eine Wohnungsnot eintreten. Damit in Verbindung wird eine Ar⸗ beitslosigkeit fär die Bauarbeiter stehen. Die Regierung wird des⸗ halb billige Darlehen an die gemeinnützigen Baugenossenschaften geben mähen die sich mit der Herstellung kleiner Wohnungen be⸗ fassen. Die Frage der Arbeitsnachweise kann nur zusammen mit den Männern des praktischen Lebens gelöst werden. Für eine um⸗ fassende Reform der Steuergesetzgebung würde gerade jetzt der geeignete Zeitpunkt sein. Dieser Reform bedarf auch die Kommunalbesteuerung. Die Regierung will die Sererstufen bis zu 2400 Einkommen don den erhöhten Zuschlägen freilassen, wir hätten aber überhaupt eime Heraufsetzung der ehees Grenze von 900 auf 1200 go⸗ wünscht, weil alle Lebensverhältnisse teurer geworden sind. Sehr be⸗ dauerlich ist, daß der Finanzminister eine schärfere Heranziehung der Vermögenssteuer für unmöglich hält. Wir sind sehen den Grundsatz daß die direkten Steuern den Einzelstaaten vorbehalten bhleiben sollen, und wünschen auch die direkte Besteuerung im Reiche. Die mittlera Schichten haben jetzt im Vergleich mit den reichen Klassen unverhält⸗ nismäßig hohe Steuerlasten zu tragen. In der Behandlung der Sozialdemokraten scheinen die Ressorts nicht einig zu sein. In zwei Berliner Vovorten wurden von zwei sozialdemokratischen Stadtver⸗ ordneten, die in die Schuldeputation gewählt waren, vor der Bestäti⸗ gung die schriftliche Verpflichtung verlangt, daß sie dieses Amt nicht ur Parteiagitation ausnützen würden und nicht bei Schulfeiern die Heee des Allerhöchsten Landesherrn stören wollten. Nachdem die Herren diese Zumutung abgelehnt hatten, ist die Bestätigung aller⸗ dings doch erfolgt, aber warum macht man hier solche Ausnahmen, während in anderen Fällen die Bestätigung ohne weiteres erfolgt ist⸗ Vernünftige Menschen lachen über solche Dinge in der Zeit des Burg⸗ friedens. Im Eisenbahnministerium macht man der Organisation der Eisenbahnarbeiter jetzt keine Schwierigkeiten mehr, aber wir verlangen die unbedingte Sicherung für die unbeschränkte Aus⸗ übung aller staatsbürgerlichen Rechte, also auch des Koalitionsrechts für die Staatsarbeiter. Auch sonst muß in Preußen mit allem Schutt und Moder aufgeräumt werden. Wir verlangen, daß dem neuen Ge schlecht endlich die volle Gleichberechtigung in der Gesetzgebung gewähtt wird. Dazu sind großzügige Reformen in unserer inneren Verwaltung und in zahlreichen Gesetzen notwendig. Das Wichtigste ist das Wahl⸗ gesetz. Die Thronrede sagt darüber weniger als nichts. Aber diese wenigen Worte haben Herrn von Hevdebrand schon aufgeregt. Wit verlangen auch jetzt das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahl⸗ recht für alle preußischen Staatsbürger. Wir halten die heutige Zeit gerade besonders geeignet, dieses Wahlrecht zu verlangen. Herr don Heydebrand bezeichnet das Dreiklassenwahlrecht als sein Ideal. Des⸗ alb müßten erst andere Fragen gelöst werden. Aber geschieht dies, dann muß es zu heftigen Kämpfen kommen. Durch den Mund des Königs ist schon einmal eine Wahlreform verheißen worden. Dee Folgen sind bekannt, und die Spuren schrecken. Es steht zu be⸗ fürchten, daß die jetzige Vorlage einen noch schärferen Widerstand finden wird. Die Konservativen wollen ja von einer Reform des Dreiklassenwahlrechts nichts wissen. Vielleicht lüftet der Minister in etwas das Geheimnis. Man hat sich mit Händen und Füßen gegen das Wahlrecht der Frauen gesträubt, für das wir eintreten. Ertt kürzlich ist von Regierungsseite das Lob der Frau gesungen worden, die sich gerade in dieser Zeit der Not so tapfer bewährt und überall in die Bresche getreten ist. Wir werden auf dieses Wort zurückkommen. Wir erheben unsere Wahlrechtsforderungen aus dem Naturrecht, auf das das Volk ein Anrecht hat. Wenigstens sollte man vorerst das geheime Wahlrecht sicherstellen. Gerade im Kriege muß das öffent⸗ liche Wahlrecht noch mehr als bisher ein falsches Bild von der wahren Volksmeinung geben. Die Regierung könnte sich dann auf dieses Volksvotum stützen. Auch wir danken denen, die draußen für uns kämpfen. Aber nicht durch Worte, sondern durch Taten wollen nir ihnen den Dank abstatten, indem wir ausreichend für ihre Familien sorgen und dafür sorgen, daß sie nach der Rückkehr aus dem Felde sich eine sichere Existenz schaffen und mitarbeiten können in einem freien Preußen.

Minister des Innern von Loebell:

Ich werde weder dem Herrn Vorredner auf alle seine Aus⸗ führungen folgen, noch auf alle Einzelheiten eingehen, die ander Herren Vorredner, die Vertreter der Parteien, die bisher gesprochen, haben, hier vorgebracht haben. Ich werde vielleicht hier im Laufe her Debatte oder in der Kommission Gelegenheit haben, auf Einzelheiten einzugehen; heute möchte ich mich nur auf einige mehr allgememn Ausführungen beschränken. 1

Meine Herren, der Herr Abg. Dr. von Heydebrand sagte nit Recht, in der jetzigen großen Zeit müßte jede öffentliche Rede be⸗ ginnen und enden mit dem Danke an unsere herrliche Armee und m unser Volk. Ich folge ihm darin gern. Durch mehr als 17 Monate trägt Deutschland siegreich das Schwert gegen eine Welt von Feinden⸗ Die Gegner haben es erlebt, daß im Laufe des Kampfes das deutsche Schwert nicht stumpf, nicht schartig, sondern schärfer und im Feue härter wird. Im Westen, tief im Lande des Feindes, halten unsen

Armeen Wacht gegen einen unter furchtbaren Opfern vergebens a⸗t

rennenden Gegner. Tief im russischen Reiche stehen die zahlreicken siegerprobten Truppen Deutschlands und Oesterreich⸗Ungarns in Rücken weite Flächen okkupierten Feindeslandes. Ueber die Donan

sind deutsche und österreich⸗ungarische Armeen gezogen und habm. Seite an Seite mit der heldenhaften bulgarischen Armee, Serbimn

zu Boden geworfen und den siegreichen türkischen Freunden die Hom gereicht. Unsere tapferen Verbündeten haben die Hauptstadt Monte⸗ negros erobert und verfolgen den geschlagenen Feind. Einzig in der Weltgeschichte sind diese Taten und diese Erfolge; Deutschland ist stej darauf und darf es sein. Das Errungene ist Gewähr endlich sich⸗ reichen Triumphs über die Feinde, die im August 1914 das in tieffte Friedensarbeit fleißig schaffende Deutschland überfielen, um es

lct, so groß, daß es schon deshalb unerreichbar war, Deutschland

wessen langen Frieden gewährleisten, die realen Sicherheiten, die

Iden die Einwirkungen auf wirtschaftlichem Gebiete, größer werden

dege und vom Siege der Helden spricht, die ihr Leben dem Leben

Icher Taktik nicht erringen konnte, mit dem Munde und der

zum Deutschen Neichsan

14.

(ortsetzung aus der Ersten Beilage.) 181 trümmern, zu zerstückeln und seine Grenzlande als willkommene unter sich zu verteilen. Sie haben es nicht vermocht. aber wollen es nicht vergessen. Wir wollen daran wie das ganze deutsche Volk voll Zorn aufstand

eein Mann, um dem feindlichen Ueberfall zu begegnen, wie ganz ischland sich vertrauend um den Kaiser scharte, den Führer in n ungeheuren Daseinskampfe, den Kaiser, dem die Herzen unseres in Waffen und unseres Volkes in der Heimat entgegenschlagen

m ersten Kriegstage, so jetzt und in alle Zeit, voll Dank und in

perbrüchlicher Treue. (Bravo!) Unter seiner Führung ist erreicht, zu Kriegsbeginn, die unendliche Zahl der Gegner vor Augen, mand zu hoffen wagte. Deutschland hat diesen Krieg nicht gewollt hat diesen Krieg nicht wollen können. Das wissen wir alle, wie alle erlebt haben. Deutschland aber hat den Krieg auf sich rmüssen. Das deutsche Volk trägt ihn mit einem Heldentum eichen und unter großen Opfern, mit dem felsenfesten Willen Siege, zu einem Siege, der den Feinden auf lange Zeit hinaus Lust verleiden wird und verleiden soll, Deutschland wieder anzu⸗ und anzufallen. Die angreifenden Feinde hatten sich ein Ziel

das deutsche Volk zu vernichten. Deutschland mußte seine Aufgabe Kriege und durch den Krieg erkennen, eine Aufgabe, deren Er⸗ ung auf die Schärfe seines Schwertes gestellt war. Und diese gabe ist und muß sein, in siegreichem, ruhmvollem Frieden die cherheiten zu erringen, die Deutschland einen nach menschlichem

dem Feinde unmöglich machen, uns noch einmal überraschend im zentrischen Angriff zu überfallen (Zuruf bei den Sozialdemokraten: scher Art sind die denn?), die Sicherheiten, die Deutschlands ftiger Entwickklung den Weg bereiten. Der Herr Reichskanzler das wiederholt im Reichstage eindringlich und eingehend dargelegt. kann auf seine Ausführungen Bezug nehmen.

Gewiß, auch dieser Krieg wird mit seiner Dauer schwerer. Tiefer

schmerzlichen Opfer an Menschenleben und Gesundheit, immer er wird die Zahl derer, denen der Krieg Wunden schlug, die nicht rheilen. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wer denkt it täglich, stündlich daran! Wer denkt nicht daran, wenn er vom

ischlands und der deutschen Zukunft opferten. Es gibt keinen tschen, der nicht die Leiden des Krieges tief, der nicht seine Dauer erzlich empfände. Trotzdem wissen wir auch: es muß getragen den, und es wird getragen. Es gibt Zeiten, und eine solche Zeit die jetzige, wo jedes Lebensrecht und alles Lebensglück, jeder anke und jede Tat, jedes Gut und jeder Tropfen Blut dem erlande gehören, seinem Leben, unserer Zukunft der Zukunft Kinder und der Enkel des heute lebenden, kämpfenden und uinden Geschlechts —, und zwar so lange, bis die Zukunft Deutsch⸗ ss gesichert ist nach bester Einsicht für alle absehbare Zeit. Das he große deutsche Volk ist von dieser Wahrheit tief durchdrungen, so steht es hart entschlossen und voll siegreicher Zuversicht in diesem kkrieg. Darin ist Deutschland ein Geist, ein Herz, ein Wille und Tat. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Und ein gleiches Wahl⸗ )) Herr Abgeordneter Liebknecht, geben Sie sich keine Mühe, hzu unterbrechen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Er ist ja gar da!l) Dann war es ein anderer der Herren Ihrer Fraktion. möchte doch anheimstellen, daß Sie dasjenige, was Sie sagen en, dann sagen, wenn wir Ihre Reden anhören müssen, aber nicht Bwischenrufen, mit denen Sie weder hier noch draußen im Lande druck machen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das überlassen gefälligst uns!) In seltsamem Widerspruch zu dem Geist, auf den ich hinwies, die Erklärung über Kriegsziele und die Kriegslage, die eben Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses ab⸗ en hat. Ich will es mir versagen, auf die Einzelheiten dieser särung einzugehen; ich müßte dann auf Fragen der auswärtigen tik kommen, und das ist nicht meines Amtes. Ich kann auf die 8 der erschöpfenden Darlegungen des Herrn Reichskanzlers ver⸗ n, die eine ausreichende Widerlegung sind der mancherlei Irr⸗ t, die diese Erklärung verriet. Aber ich kann mich nicht des Aus⸗ ks des Bedauerns erwehren, daß hier in diesem Hause eine Er⸗ üng abgegeben ist, die ihrem ganzen Inhalte nach der Ueberzeugung ldem Willen des deutschen Volkes widerspricht (Sehr richtig! Burufe bei den Sozialdemokraten), die nur im feindlichen Aus⸗ d Gefallen und Beifall erregen wird. (Sehr richtig! Wider⸗ C bei den Sozialdemokraten). Das deutsche Volk hat für Geist Sinn dieser Erklärung kein Verständnis. (Sehr richtig und bo- Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Dieser Erklärung gegüber die erhebenden Kundgebungen der Vertreter der Par⸗ die bisher gesprochen haben, die alle zusammenklingen mit dem een des deutschen Volkes, die getragen sind vom deutschen Geiste r deutschen Heldenzeit, die wohl verstanden werden von denen, die est und West und Süd dem Feinde und dem Tode die Stirn und die kämpfen für des deutschen Vaterlandes Ehre, Macht Herrlichkeit. (Bravo!l rechts.) Sie werden auch, wenn Wahrheit und Recht nicht ganz den Zu⸗ zu den feindlichen Ländern verloren haben, dort verstanden n, wo man bisher irregeleiteten Völkern erdichtete Siege vorzu⸗ In wagte und Erfolge, die man mit den Waffen und mit diplo⸗

zu erzielen suchte.

Reine Herren, die große Gegenwart darf den Preußen mit be⸗ em Stolze erfüllen. Ich unterstreiche das, was verschiedene der en Vorredner hierüber gesagt haben. Das Deutsche Reich, das eute mit Blut und Eisen den Weg bahnen muß zur Erfüllung weltpolitischen Bestimmung, ist mit Blut und Cisen geschaffen

den Erfolgen dieses Krieges reift die Saat preußischer Geschichte zur vollen Ernte. In den Siegen, die erstritten sind, lebt der Kriegsruhm von Fehrbellin, Roßbach, Leuthen, von Leipzig und Waterloo, der Kriegsruhm, der im deutschen Einigungskrieg Erbe und Besitz des ganzen deutschen Vaterlandes geworden ist. Das gewaltige Werk der preußischen Könige wird glanzvoll gekrönt in diesen Tagen, da unter wea unseres Königs und Kaisers unerhörter Ruhm erstritten wird.

. Wir haben erlebt, daß während des Krieges gegen Deutschland das feindliche Ausland schmähend und scheltend den Namen Preußen auf den Lippen trägt. Preußen ist dessen stolz. Der Geist des Mili⸗ tarismus, den das Ausland neidvoll schmäht, ist in der Schule des preußischen Staates groß geworden, den Feinden zum Schrecken, dem oeutschen Vaterlande zum Segen und zur Rettung in Zeiten höchster Gefahr. (Bravo!)

. Ein großer Anteil an Erfolgen und Ehren, an Opfern und an Kriegsnot ist dem größten, dem volkreichsten Bundesstaate auch in diesem Weltkriege zugefallen. Alte Preußentreue und alter Opfer⸗ sinn haben nicht gewankt vom Augenblick an, da der König rief, bis auf diesen Tag. Unerschüttert hat der preußische Staat den Sturm der Zeit bestanden. Seine Organisationen haben die ungeahnten, beispiel⸗ los schwierigen und vielgestaltigen Aufgaben der Kriegszeit ohne Säumen und fast ohne Hemmungen erfüllt. Deutlicher, als es viel⸗ leicht die Friedensarbeit der Jahrzehnte vermochte, hat die Belastungs⸗ probe des Weltkrieges bewiesen, wie sicher der preußische Staat auf seinen Fundamenten ruht, wie leistungs⸗ und anpassungsfähig seine Organisationen und seine Organe sind.

Meine Herren, es ist von verschiedenen der Herren Vorredner der Verwaltung und der Beamtenschaft dankende Anerkennun g aus⸗ gesprochen. Auch mir ist es ein Bedürfnis, und es ist mir Pflicht, hier an dieser Stelle und vor dem Lande dankbare Anerkennung zu sagen den sämtlichen Beamten der Staatsverwaltung und den Or⸗ ganen der Selbstverwaltung, die in äußerster Anspannung von Willen und Kraft an der Bewältigung ihrer schweren Kriegsaufgaben gewirkt haben. (Bravo!) Sie verdienen, in den Dank für die bisher er⸗ reichten Erfolge dieses Krieges eingeschlossen zu sein. Nahezu die Hälfte der Staatsbeamten, kaum eine minder große Anzahl von Kom⸗ munalbeamten steht im Felde, neue Aushebungen rissen fortdauernd neue Lücken und gaben den Behörden auch fortwährend wechselnde Zusammensetzungen, die neu in den Umkreis der Aufgaben eingearbeitet werden mußten. Die Aufgaben, die es zu erfüllen gab, haben die meisten Beamten aus dem Bereich gewohnter und gelernter Arbeiten herausgerissen, ihnen Forderungen gestellt, die erst zu erkennen und zu erfassen waren, ehe sie ausgeführt werden konnten. Hat doch dieser Daseinskampf des von Feinden rings umschlossenen, von allen ge⸗ wohnten Verbindungen abgeschnittenen Deutschlands der Verwal⸗ tungstätigkeit im Staat und Gemeinden Aufgaben zugewiesen, auf die man gar nicht vorbereitet sein konnte. Ich erinnere an den unge⸗ heueren Umfang der Kriegswohlfahrtsarbeit. Ich gedenke vor allem an die Erfüllung der unendlich komplizierten und ständig wachsenden Dienstpflichten, die im Zuge der Beywälti⸗ gung der Ernährungsschwierigkeiten für die Beamten erwuchsen. Es ist da häufig Kritik geübt worden. Ich verstehe das wohl, denn es haben die Ernährungsfragen jeden einzelnen im Volk, Produzenten wie Konsumenten, so unmittelbar, so dauernd nach⸗ drücklich und fühlbar getroffen, daß die sonst gern geübte Objektivität des Urteils eine Frage zweiter Ordnung wurde, ja vielleicht werden müßte. Hier darf ich aber für die Beamten in Staat und Gemeinden die Anerkennung in Anspruch nehmen, daß sie sich mit beispiellosem Fleiß, gespannter Energie in die oft fernliegenden Fragen der Nah⸗ rungswirtschaft vertieft haben, der Fülle der Verordnungen mit pein⸗ lichster Gewissenhaftigkeit nachgegangen sind und sich keine Mühe haben verdrießen lassen, aufklärend, belehrend, anleitend und be⸗ fehlend das wirtschaftliche Leben aus dem Friedenszustand überzu⸗ leiten in den des Krieges. Ich denke der Anregungen von bleibendem Wert von mitten in der Praxis stehenden Landräten. Städte haben Organisationen geschaffen, die die Kriegszeit überdauern werden. Meine Herren, wäre die Lösung der Volksernährungsfrage nicht möglich gewesen ohne die Leistungskraft der deutschen Landwirtschaft, die für sich mit Recht in Anspruch nehmen darf, die erste der Welt zu sein (Bravo!l), so wäre sie auch nicht möglich gewesen ohne die Pflicht⸗ treue, Präzision und die überlieferungsgemäße Arbeitsfreudigkeit der Verwaltung, die an der Seite der Armee den Preußenstaat groß ge⸗ macht hat.

Auf Einzelheiten der Ernährungsfragen will ich in diesem Zu⸗ sammenhange nicht eingehen. Große Aufgaben waren zu lösen und sind gelöst, schwere Aufgaben stehen bevor. Es werden uns auch im Wirtschaftskriege die Feinde den Sieg unter keinen Umständen ab⸗ ringen. Wir hatten Sorgen. Aber wir haben keine Not.

Zum ersten Male in den Kriegen des letzten Jahrhunderts ist preußischer Boden vom Feinde betreten worden, hat preußisches Land die Verwüstungen, die Schrecken des Krieges erfahren. Ost⸗ preußen erholt sich in einmütigem Zusammenwirken der Zentral⸗ und Provinzialverwaltung, der Verwaltungsorgane von Stadt und Land, der Bevölkerung aller Erwerbsstände, langsam von den tiefen Wunden, die feindlicher Ueberfall der schönen Provinz geschlagen hat. Sie kennen, meine Herren, aus unseren früheren Verhandlungen die Höhe des Schadens, die Fülle der Not, das Maß der Verluste an Gut und Leben, die zeugen von den Opfern, die Ostpreußen auf der deutschen Wacht im Osten am ersten und schwersten im Kriege ge⸗ bracht hat. Das Werk des Wiederaufbaues, die vornehmste Aufgabe, die der Krieg bisher dem preußischen Staate gestellt hat, es ist mit Energie in Angriff genommen und wird fortgeführt werden, bis es gelungen ist, Land und Städte Ostpreußens wiederherzustellen, so blühend, so schön, wie sie gewesen sind vor dem Kriege dank der Ar⸗ beitsfreude der Arbeitstüchtigkeit der Bevölkerung der Provinz. (Bravo!)

Unter dem Schutze der weit in die baltischen Provinzen Ruß⸗ lands vorgeschobenen deutschen Kampflinien sind die einst Geflüchteten

§ Werk der Erfüllung von Preußens deutscher Bestimmung. In

Zweite Beilage zeiger und Königlich Preußis

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anzei

nun in die Heimat zurückgekehrt. Sie sind zu ihrer Arbeit gegangen. Die Felder haben im vergangenen Jahre wieder die Ernte getragen, und auch Ostpreußen hat das Seine getan zur Lösung unserer Er⸗ nährungsprobleme. Gewerbe, Handel und Handwerk sind wieder auf⸗ gelebt und wirken mit am Leben der nationalen Kriegswirtschaft. Aber noch sind es Anfänge der Wiederaufrichtung. Das Größte ist noch zu tun. Die Arbeit wird den Krieg überdauern. Die Forderung der Staatsmittel für den Wiederaufbau Ostpreußens reden eine beredte Sprache. Wir wollen und dürfen nicht vergessen, daß im deutschen Osten eine preußische und eine deutsche Ehrenpflicht zu erfüllen ist. Der schnelle Wechsel, die überstürzenden Ereignisse in diesem Welt⸗ krieg bringen es mit sich, daß morgen an zweiter Stelle des allgemeinen öffentlichen Interesses rückt, was gestern alle Gemüter tief bewegte. Das liegt im Charakter einer Zeit wie der gegenwärtigen. So er⸗ leben wir es, daß die Augen der Oeffentlichkeit dem großen Werke des Wiederaufbaues der zerstörten östlichen Provinzen nicht mehr in dem Maße zugewandt sind, wie es vor Jahresfrist der Fall war, da⸗ mals, als auf ostpreußischen Fluren die ersten entscheidenden Schläge gegen unseren Gegner im Osten erfolgten. Es sind auch Aeußerungen an mich gedrungen, ob nicht etwas zu viel geschehe. Für die Regie⸗ rung, und ich kann sagen, für das Haus steht der Wiederaufbau Ost⸗ preußens unverändert im Mittelpunkt der Kriegsaufgaben. Es wird nicht genug geschehen sein, ehe nicht alles Notwendige getan ist. Und war es nicht das erste Mal, daß Ostpreußen in der preußischen Ge⸗ schichte vom Feinde heimgesucht wurde, so wollen wir hoffen und er⸗ warten, daß deutscher Sieg und siegreicher Friede die Sicherheit schaffen, daß es das letzte Mal gewesen ist. (Bravo!) Die Arbeiten am Wiederaufbau Ostpreußens sind für die Dauer berechnet und weisen in die friedliche Zukunft, und die dann folgenden Aufgaben zur Festigung und Erstarkung des Vaterlandes.

Noch aber ist der Friede fern, der Friede, der uns eine glückliche Zukunft bereitet. Das weiß jeder Deutsche, er hat es tragen gelernt ohne zu klagen. Jeder Deutsche weiß und muß wissen, daß, solange die Waffen nicht ruhn, alle Gedanken, alle Arbeit den harten Pflichten des Krieges gehören müssen in der Heimat nicht minder als im Felde. Aufgaben, die dem öffentlichen Leben der Friedenszeit und nur diesem gelten, dürfen wir nicht lösen gleichsam unter Ausschluß der Millionen deutscher Männer im Felde, die ihr Leben dafür einsetzen, daß Deutschland nach diesem Kriege einer glücklichen Zukunft in ge⸗ sichertem Frieden entgegengeht. Die Männer, die vor dem Feinde stehen, sollen und wollen teilnehmen am Werke des Wiederaufbaues des Vaterlandes. Diejenigen, die in der Heimat heute schon und mitten unter den Schlachtenentscheidungen die Hand anlegen wollern an die Einrichtungen der Friedenszeit, müssen sich gedulden, bis Deutschlands Krieger heimkehren. Das stelle ich ausdrücklich fest, und ich bin der Zustimmung unseres Volkes in Waffen gewiß. Weist man auf Beispiele der Vergangenheit hin, wo zuweilen mitten im

Kriege große Aufgaben des inneren nationalen Lebens gelöst wurden, so erinnere ich doch daran, daß dieser Krieg in Art und Umfang ohne Beispiel ist. Niemals zuvor hat die gesamte waffenfähige Mann⸗ schaft vom Jüngling bis zum ergrauten Manne so gestlos unter der Fahne gestanden, niemals war die ganze Heimat so in den Dienst des Krieges gespannt, niemals ließ ein Krieg weniger Gedanken frei für die Arbeit, die nicht unmittelbare Kriegsnot, unmittelbares Kriegs⸗ werk ist.⸗ Es darf kein gesunder Mann, es darf kein guter Gedanke, es darf kein kräftiger Entschluß der Erfüllung für Kriegszwecke ver⸗ loren werden. Ist es Frieden, haben wir alle Kräfte zur Verfügung für die Friedenswerke. Das warten wir ab. So ist es unsere Pflicht.

Trotzdem ist es, meine Herren, gewiß begreiflich, wenn hier und da schon jetzt, da wir den letzten Entscheidungen noch entgegengehen, die Gedanken in die kommende Friedenszeit hinüberschweifen., wenn sich Hoffnungen, Wünsche, Erwartungen für die vielleicht noch ferne Zukunft regen. Das ist verständlich, auch da, wo die Wünsche partei⸗ politischen Charakter tragen. Ich meine: man braucht in der gelegent⸗ lichen Erinnerung an alte Wünsche und Bestrebungen der einen oder der anderen politischen Richtung inmitten dieser erregten Zeiten nicht durchaus an eine gewollte Störung des uns allen heiligen inneren Friedens sehen. Aber es ist nötig, daß dabei die friedlichen Formen der Eintracht gewahrt werden. Es ist mir verständlich, daß heute, da das gesamte deutsche Volk mit Recht dem Hochgefühl erfüllter Pflicht lebt, die Hoffnung auf die bisher unerreichbare Erfüllung des einen oder anderen politischen Wunsches aufkommen kann, und zwar überall, in jeder Partei, in jedem Berufsstand. Doppelt ver ständlich ist es mir, wenn die einzelnen Parteien, die gemeinsam die Last des Krieges tragen, heute von einander mehr Verständnis und mehr Entgegenkommen erwarten. Der Wunsch und der Wille, den Frieden einst so in gemeinsamer Arbeit zu gestalten, wie man den Krieg durchlebt hat, wäre ein gewaltiger Gewinn dieses Krieges, und ich weiß, und ich glaube, daß dieser Wille die Kriegszeit über⸗ dauern und tief in die Friedensjahre hineinführen wird. Die Regie⸗ rung wird das Ihre tun, wird alles daran setzen, selbst Träger des Willens zur Erhaltung der nationalen Einmütigkeit zu sein. Daß diese Aufgabe nicht erfüllt werden kann, wenn die Staatsregierung sich bestimmte politische Forderungen zu eigen macht, das wissen Sie ebenso wie, daß es nicht die extremen Forderungen sind, die die Par⸗ teien zusammenzuführen vermögen. Ueber den Parteien, die ihr historisches Recht in der Geschichte erworben haben, fühlt sich die Regierung als Trägerin der geschichtlichen Entwicklung des Staates, für dessen Erhaltung in seiner gewordenen Kraft und Eigenart sie vor der Weltgeschichte verantwortlich ist. 8 Ist die Erhaltung und die Entfaltung der Stärke des preußi⸗ schen Staates zu gleicher Weise der Wille der Regierung wie der Parteien, so wird es mit unserer Zusammenarbeit auch in der kom⸗ menden Friedenszeit keine Not haben. Es ist selbstverständlich, daß die Regierung über der Bewältigung der dringenden, vielgestalteten Kriegsarbeit nach dem Maße begrenzter Kräfte und sehr begrenzter Zeit auch Aufgaben ins Auge faßt, die der Krieg der künftigen Zeit des Friedens stellt. Daß die volle Summe solcher Aufgaben erf.

übersehen und ausgemessen werden kann, wenn die Wirkungen des