1916 / 14 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 Jan 1916 18:00:01 GMT) scan diff

politischem, wirtschaftlickem und te zutage treten, wenn die Grenzen des Vaterlandes feststeben, liegt auf der Hand. (Sehr richtig!) Dieser Krieg bedeutet eimen so gewaltigen, tiefen Eingriff in das Leben von Volk und Staat, daß man nicht bis ins einzelne Bestimmungen über Politik und Verwaltung treffen kann, die dem Kriege nachfolgen sollen, ehe man noch die Ergebnisse, die folgenschweren Wirkungen des Krieges kennt und versteht. Man kann nicht die geschichtliche Entwicklung überholen wollen; man muß sie abwarten und ihr folgen. Das ist die überlieferte Staatsraison, die Preußen Schritt für Schritt zur Größe geführt hat. Die Staats⸗ raison, die Preußen befähigte, Strömungen der Zeit in sich aufzu⸗ nehmen, ohne sich von ihnen fortreißen zu lassen. Die Staatsraison endlich auch, die sich in den von der Initiative des Königs getragenen großen Reformzeiten der Monarchie mächtig und fruchibar zeigte. Die Aufgaben, die die Regierung schon jetzt im Kriege als im Frieden bevorstehend erkennt, sind solche, die die Kriegszeit bereits als geboten, als notwendig erscheinen läßt. Ich erwähne ausdrücklich in diesem Sinne und in diesem Zusammenhange die dem Kriege folgenden abschließenden Arbeiten an den für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten glültigen Bestimmungen, die end⸗ gültige Lösung oiner Frage, die vor dem Kriege in Angriff genemmen, aber nicht beendet wurde. Meine Herren, sollte der Gedanke auf⸗ kommen oder aufgekommen sein, es bedeutet die Lösung dieser Frage etwas wie ein politisches Entgelt für die patriotische Pflichterfüllung auch der politischen Kreise, denen die Frage besondere Herzenssache war, so weise ich in ihrem Interesse diesen Gedanken zurück. (Sehr richtig! rechts.) Die Pflichterfüllung gegenüber dem Vaterlande, des Vaterlandes Kampf und Not trägt ihren Lohn in der Befriedigung des eigenen Pflichtbewußtseins. Politische Forderungen und Vater⸗ landsliebe sind nicht Gegenwerte, die der Deutsche gegene mander auf⸗ rechnet. Mit dem Dienst, den jeder Deutsche in gleicher selbstleser Hingebung versieht, hat diese politische Frage nichts zu tun. Nein, es sind Kriegserfahrungen anderer Art, die die Regierung bestimmen. Sie erkennt in dem Geiste gegenseitigen Verstehens und Vertrauens, der sich im Kriege so sieghaft bewährt hat, die Sicherheit, daß die Kriegszeit die politischen Voraussetzungen für das Gelingen des wich⸗ tigen Gesetzgebungswerkes schafft, die Voraussetzungen, die in ver⸗ gangenen Friedenszeiten, wie dies hier von diesem Platze aus wiederholt betont worden ist, gefehlt haben. Die Regierung weiß auch und hat gesehen, wie die umstrittene Frage durch Jahre die Parteien voneinander geschieden hat. (Bravo!) Sie sieht in der ernsten großen Stunde und in der hier gewonnenen Einmütigkeit der Parteien einen zu kostbaren Gewinn der Kriegszeit, um nicht alles zu tun, sie zu erhalten. Die Regierung ist deshalb entschlossen, wenn die Waffen ruhen, das politische Leben Preußens und Deutschlands von der umstrittensten Frage dauernd zu entlasten (Bravo! links), und sie erwartet, alle Parteien an ihrer Seite zu finden, wenn sie die Grundlagen für die Beratungen in ihren Vorschlägen bietet. Das wird nach dem Kriege der Fall sein. (Ruf: Nein! rechts. Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Bis dahin, meine Herren, muß diese Frage dem politischen Leben ferngehalten werden ich hoffe es von den Beratungen in diesem Hause und von den Auseinandersetzungen in der Oeffentlichkeit. Noch ist es Krieg. Wir haben nichts als Kriegsdienst, der dem Vaterlande ge⸗ hört, gegen die Welt unserer Feinde. (Sehr richtig! rechts.) Wenn einst die Siegesglocken verhallt sind, dann ist es Zeit, an unsere innerpolitischen Sorgen zu denken. (Sehr richtig! rechts.) Daß die innerpolitischen Sorgen nicht so bald wieder zu unserer nationalen Not werden möchten, das ist eine deutsche Kriegshoffnung. Auch das ist ein deutsches Kriegsziel. (Sehr richtig! rechts.)

Gegenstand der Prüfung im Kriege, der Lösung aber nach er⸗ strittenem Frieden sind auch, wie ich in der Kommission des Hauses bereits im Februar v. Js. ausgeführt habe, die Gesetzgebung und die Verwaltungspraxis, die die preußischen Staatsangehöri⸗ gen polnischer Abkunft betreffen. Endgültig kann es auch

hier mitten im Kriege nicht geschehen, um so weniger angesichts der

Tatsache, daß möglicherweise die Verhältnisse jenseits der preußi⸗ schen Grenzen nach dem Kriege in der einen oder anderen Weise eine

geänderte Gestaltung finden. Die Preußen polnischer Abkunft mögen

die Sicherheit haben, daß die Regierung in die Prüfung der die pol⸗ nischen Interessen angehenden inneren Politik mit aller der Objektivi⸗ tät und dem Wohlwollen eintreten wird, die die Haltung der preußi⸗ schen Polen in diesem deutschen Lebenskampfe gebietet. Bis dahin muß es genug sein mit der milden, den berechtigten Interessen der preußischen Staatsbürger polnischer Herkunft entgegenkommenden

Handhabung der geltenden Gesetzesbestimmungen. Ich darf annehmen, daß das wohl empfunden worden ist.

1 Auch den Anhängern der sozialdemokratischen Partei

gegenüber hat die Verwaltung Preußens der Tatsache Rechnung ge⸗

tragen, daß die Gegensätze der Parteien aufgegangen sind in der großen Pflicht der Vaterlandsverteidigung, aufgegangen in der bluti⸗ gen Feindschaft gegen das Ausland, das unsere Heimat bedrohte. Das Kaiserwort, daß es keine Parteien gibt in diesem Kriege, ist der Re⸗ gierung maßgebend. Die Regierung hofft, daß die große Mehrheit der sozialdemokratischen Partei auch im Frieden auf dem Wege bleibt, den sie bei Kriegsausbruch zum Segen Deutschlands beschritten hat. Die Regierung wird das Ihre tun, der Sozialdemokratie diesen Weg nicht schwer zu machen. Die Fülle der Gegensätze wird sich ganz gewiß nicht ausgleichen lassen. Das wird niemand erwarten, nie⸗ mand verlangen. Aber die Hoffnung ist erweckt und die Hoffnung wollen wir festhalten, daß, wie im Kriege, so auch in der Friedens⸗ arbeit in großen Fragen, vor allem in nationalen Lebensfragen, die

Mehrheit der sozialdemokratischen Partei auf dem Boden des Staats⸗

gedankens ihren Platz an der Seite der anderen Parteien sucht und

findet.

8 Meine Herren, die schweren Monate des Krieges haben uns

vieles genommen; sie haben uns aber auch vieles gegeben. eu er⸗ wacht und tiefer verwurzelt ist auch der Glaube an die ewige Unzer⸗

störbarkeit deutschen Lebens, deutschen Wesens und deutscher Größe.

Wir haben kaum geahnt, wie stark wir sind. Wir wissen es jetzt, und wir wollen es niemals vergessen. Wir haben erlebt, wie gesund

unser Volksleben ist, welch ungeheurer Leistungen das im Kampf und

Sturm der Jahrhunderte gewordene Staatsleben fähig ist. Wie das Deutsche Reich in der vor 45 Jahren geschaffenen Form seine Feuerprobe glänzend bestanden hat, so hat auch der alte feste preußische Staat der Welt aufs neue seine unverwüstliche Stärke bewiesen als Träger des Reiches. Im Ansturm der Massen dachten die Feinde Deutschland zu erdrücken. Vor deutscher Tapferkeit ist ihr Angriff

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vöschellt, und die Massen sind in Ost und West zurückgeflutet in för cigenes verwüstetes Land. Einst wurde in vielen Jahren der erste europäische Krieg um Preußens Existenz ausgefochten und endete mit der Begründung der Großmachtstellung Preußens. In der Gegen⸗ wart steht Eurepa im Kampf um Deutschlands Leben. Der Welt⸗ krieg wird mit Gottes Hilfe enden, wie mit der Erhöhung und der dauernden Stärkung der uns treuverbündeten Staaten, so mit der Besiegelung der Weltmachtstellung des Deutschen Reiches. Die Feinde haben an den Wert der großen Zahl geglaubt, wir an den Wert des deutschen Menschen. Darum unser Sieg. Wir haben ge⸗ wußt, daß Not und Kampf der Jahrhunderte jeden deutschen Mann denken gelehrt hat nach dem schlichten Wort des großen Preußen⸗ königs: „Es ist nicht nötig, daß ich lebe, wohl aber, daß ich meine Pflicht tue und für das Vaterland kämpfe.“ (Bravo!)

„Abg. Dr. Friedberg (nl.): Wenn auch die pelitischen Gegen⸗ sätze im Frieden wieder aufleben sollten, so wäre dech zu wünschen, daß die Kämpfe in dem Bewußtsein geführt werden, daß wir alle die Söhne eines einheitlichen Volkes sind. Wenn die Parteien, die sich darum bemühen, es nicht erreichen können, so kann doch jede einzeine dann sich sagen, daß sie nicht die Schuld daran tragen. Ueber das Verhalten der neutralen Länder, wenn auch manche uns gegenüber nur eine formelle Neutralität halten, zu sprechen, halte ich hier nicht für angebracht. Wenn der Reichskanzler nach dem Wunsch des Ab⸗ geordneten Hirsch eine Erklärung über Belgien abgeben wollte, so würde er einen schweren Fehler machen. Der Reichskanzler hat um so weniger Veranlassung dazu, wenn sich nicht seine Kollegen in den anderen Ländern derselben Ansicht anschließ n, aber von jener Seite werden die Tendenzen nach nationaler Ausbreitung nicht nur hintan⸗ gehalten, sondern sogar gefördert. Man ist selbst an amtlichen Stellen in den feiadlichen Ländern so weit gegangen, wie man es in Deutich⸗ land kaum würde verantworten können, denn in Deutschland hat man sich niemals in die inneren Verhältnisse anderer Länder eingemischt. Aber in England will man im Deutschen Reich den Zustand bundes⸗ staatlicher Ohnmacht wiederherstellen, wie er jahrbundertelang in Deutschland geherrscht hat. Der französische Minister Viviani hat uns angedroht, uns zu vernichten und zu zerschlagen, bis wir polltisch und völkisch keinen Zusammenhang mehr haben. Der Aba. Husch spricht von freier Vereinbarung unter den Völkern und empfiebit als Altheilmittel der Sostaldemokratie wieder die Demokratisierung der Völker. Wenn die Zukunft nicht anders garantiert werden sohlte als durch die freie Vereinbarung, dann möcte ich sehen, ob nicht Deutschland wieder in dieselbe Lage kommen könnte, davon absolut keinen Ge⸗ brauch machen zu können. Und überall haben wir gesehen, daß die Demokratien niemals dazu beigetragen haben, friedfertige Tendenzen zu pflegen. Getade das Gegenteil ist der Fall, weil die Volksleiden⸗ schaft bei der demokratischen Staats form viel weniger gezügelt werden kann als in einer fest geschlossenen Monarchie. Daß alle Völker den Fri den wollten, habe ich nicht wahrnehmen können. Herr Hirsch be⸗ findet sich in einer anderen Welt. Gewiß sagen manche radikalen Elemente, daß der Krieg die Arbeiterschichten aller Länder nichts an⸗ gehe, weil er von anderen Faktoren gemacht sei. Setzen denn aber dee Arbeiter auf Grund ihrer internatiogalen Beziehungen dem Krieage Widerstand entgegen? Davon ist ja nicht die Spur zu merken. In allen anderen Ländern stimmen die großen Arbeiterschaften mit Jube! in den Ruf ein: Deut chland muß vernichtet werden. Wo ist denn die friedliche Tendenz, wenn in Frankreich gesagt wird, daß selbst der am meisten zum Frieden geneiate Sozialist niemols einen Frieden unterschreiben werde, der nicht Elsaß⸗Lothringen zurück⸗ gebe? Und ist in England wohl ein arbeitender Sozalist zu finden, der nicht mit der Regierung darin übereinstimmt, daß Deutich land militärisch, politisch und wirtschaftlich unter allen Um ständen heruntergebracht, werden muß? Belgien herauszugeben, wäre das Törichtste, was wir tun könnten, denn es is uns ein Unterpfand für den Frieden, wie wir ihn wollen Ich weiß nicht, ob ein denkender Politiker diese sicherste Grund⸗ lage für den Frieden dem Feinde auellefern könnte. (Zwischenruf de Abg. Dr. Liebknecht. Präsident Dr. Graf von Schwerin bittet wiederholt, nicht durch Zwischenrufe zu unterbrechen) Mit vollem Recht hat der Reichskanzler anfangs die Rechte Belgiens vertelidigt, aber seitdem sind ganz andere Verhältnisse eingetreten. Wir mußten zur Selbstverteidigung in Belgten einmar schieren, um unsere Westfront gegen einen französischen Einmarsch zu sichern. Seitdem ist aber klar geworden, daß Beigien nicht neutro! war, sondern mit unseren Feinden unter einer Decke steckte und an dem militärischen Komplott gegen Deutschland beteiligt war. Warum hat Herr Hirsch nicht auch gesproch n von der Vergewaltigung eine Staates wie Griechenland. Wir haben von Belgien nur sresen Durchzug verlangt. Von Griechenland wird verlangt, daß es widen seimn Willen aus der Neutralität beraustritt. Der Reichkskanzler hat ausgeführt, daß wir jeden Augenblick bereit sind, Frieden zu machen. Schon das ist uns im Auslande als Schwäche ausgelegt worden. Man hat es benutzt, um den gesunkenen Mut unserer Gegne⸗ wieder aufzurichten. Die Ausführungen des Herrn Hirsch werden wohl nur den Erfolg haben, das uns feindliche Ausland weiter zu ermutigen. Was der Herr Minister über die soziale Fürsorge für unsere Krieger gesogt hat, hat uns sehr sympathisch berührt. Ganz hesonders wichtig ist aber die Fürsorge für die aus dem Felde Heim⸗ kehrenden. Da anzunehmen ist, daß dann eine Wohnungsnot einsetzen wird, so muß dieser schon jetzt rechtzeitig entaegengetreten werden. Im Etat dieses Jahres ist man äußerst sparsam verfahren. Der Finanzminister hat selbst zugegeben, daß es ihm sehr schwer geworden ist, die Steuervorlage ei zubringen. Die schwere Verantwortung dafür teilen auch wir, und wir haben darum zunächst eingehend zu prüfen, ob die ganze Vorlage notwendig ist. Sollte sie notwendig sein, dann werden wir nicht zögern, sie zu bewihigen. Zunächst wird es nötig sein, eine Reihe von Bedenken zu zerstreuen. Maa geht von dem Gedanken aus, daß die Einnahmen der Eisenbahnen mehrere Jahre lang einen Ausfall aufweisen werden. Das kann niemand wissen. Ich erinnere daran, daß wir schon unter derselben Voraus⸗ setzung dem Minister von Rheinbaben einmal 55 Millionen neuer Steuern bewilligt haben, weil auch auf die Mindereinnahmen der Eisenbahnen hingewiesen worden ist. Das ist aber damals nicht ge⸗ schehen. Die Einnahmen und Ueverschüsse stiegen beständig. Die wirtschaftliche Lage nach dem Kriege wird außerordentlich widerspruchs⸗ voll beurteilt. Man darf aber nicht vergessen, daß ja durch den Krieg eine ganze Anzahl Güter zerstört worden sind, die wiederher⸗ gestellt werden müssen. Außerdem kann man auch fragen, ob diese Steuervorlage das Defizit wirklich tilgen wird. Vielleicht kommt die erhoffte Summe nicht heraus. Dann mache ich auch noch darauf aufmerksam, daß die Schuldenzinsen, von denen hier gesprochen worden ist, in den Etat überhaupt nicht eingesetzt siad. Wir gehen bei Be⸗ urteilung aller dieser Fragen von rein wtrtschaftlichen Erwägungen aus, und von solchen, die im Interesse der Entwicklung unserer Eisenbahnen liegen. Man darf nicht vergessen, daß die Eisen⸗ bahnen ein großes wirtschaftliches Unternehmen sind und danach behandelt werden müssen. Wenn eine Gesellschaft es für nol⸗ wendig hält, ihren Betrieb zu vergrößern, dann nimmt sie eine neue Anleihe auf. Der Minister schlägt einen anderen Weg ein. Er macht hier die Entwicklung von dem Stande des Etats abhängig. Wir haben immer darauf hingewiesen, daß der Minister sich stille Reserven schaffen und die Betriebsfonds reicher ausstatten sfolle. Es ist immer davor gewarnnt worden, den Ausgleichsfonds für andere Zwecke nutzbar zu machen, als für den er bestimmt ist. Vorzeitig bätten ihm keine größeren Beträge entnommen werden duürfen. Man darf nicht vergessen, daß bei der Besteurung immer dieselben Leute in Betracht kommen, die jetzt erst das erste Drittel des Wehrbei⸗ trages bezahlt haben. Auch das Nermörenszuwache steuergesetz muß in Betracht gezogen werden. Ich will ausdrücklich hervorbeben, daß meine politischen Freunde Anhänger einer Steuerprogression sind, aber man muß eine Ueberspannung der Steuerkraft vermeiden. Des⸗ halb müssen wir auf Sparsamkeit halten. Die Aktiengesellschaften

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8 sind volk⸗wirtschaftliche Gebilde. Es muß verhütet werden,

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das Messer au die Kehle gesetzt wird. Auch wir halten bie des Wahlrechts für eine der wichtigsten Aufgaben. Wir mei

wie wir schon früber ausgeführt haben, daß sie währeg Krieges nicht gelöst werden kann. Jetzt muß man 8 Vordergrund stellen, was die Parteien eint, das Trennende zurücktreten. Genau dasselbe habe ich schon im vorigen ausgeführt. Bei der Zensurftage möchte ich hervan zaß die Verbote gleichmäßiger und gerechter gehandhabt nen

Die Beschwerden über den Belagerungszustand rühren dahe

das bestehende Gesetz veraltet ist. Es muß ein gemeinen Zusammenarbeiten zwischen Militär⸗ und Zivilgewalt gesc werden. Wenn wir uns über die politische Tätigkeit der däh⸗ Beamten beschwerten, dann wurde uns früher immer geantwore seien, allein Beamte des Königs. Dann ist es doch verkehrt; man jetzt einen Apparat schafft zur Beeißfflussung der Wahlen eine einseitig beeinflußte Korrespondenz. Wir müssen dafür daß auch nach dem Kriege Deutschland auf seiner alten wirtschaf Höhe bleibt und sich weiter entwickelt. Die Gegner werden sich davon überzeugt haben, daß es ein Ding der Unmöglichkeit zh Volk von 70 Millionen wirtschaftlich verkümmern und veram lassen. Wer so etwas behauptet, der hat nicht nur bei uns, san auch in den neutralen Ländern den letzten Rest von Achtung’ Daß ein solches Volk nicht totzukriegen ist, davon zeugt auch e Etat. Wir alle sind der frohen Zuversicht, daß Deutschland sien⸗ seinen Platz behaupten wird, den es sich im Rahmen der Völt⸗ worben hat. Es wird als Sieger aus diesen Kämpfen heworge Präsident Dr. Graf von Schwerin verliest d ie Nazet von dem Friedensangebot Montenegros, die nach einer soeben; getroffenen Meldung des „W. T. B.“ der ungarische Ministerprif Graf Tisza im ungarischen Abgeordnetenhause verkündigt hat;

»„

fügt unter stürmischem Beifall des Hauses hinzu: „Wenn es sich n um einen Feind handelte, würde ich sagen; Vivat sequens! hoffentlich folgt bald der zweite, und den letzten beißen die Hung

Finanzminister Dr. Lentze:

Meine Herren! Bei Einbringung der Steuervorlage war ih bewußt, daß ich mit der Vorlage nicht überall im Lande eitel Fo⸗ hervorrufen würde. Aber die Not, die uns dazu zwingt, die Em vorlage einzubringen, war doch größer als die Bedenken, die dagegen erheben konnte, und ich bin dem hohen Hause außerordent dankbar dafür, daß die Mehrzahl der Parteien, die heute hier z Wort gekommen sind, sich der Vorlage gegenüber nicht cblehn verhalten hat, und ich freue mich auch, daß der letzte der Fe Redner, Herr Abgeordneter Dr. Friedberg, trotz sehr vieler Behg sich nicht ablehnend verhalten hat.

Die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Friedberg nitg mich, mit ein paar Worten darauf einzugehen. Er sagt, die Eha vorlage sei in sich nicht recht begründet; denn wenn sie zut M tigung eines Fehlbetrages dienen solle, so handele es sich bein Fehlbetrage nur um einen Eisenbahnfehlbetrag, und dieser wän egn anderes als ein gewöhnlicher Fehlbetrag. Man sollte ihn nicht ie Steuern decken, sondern abwarten, bis in Zukunft wieder höhere (it bahneinnahmen kämen, um sie zur Tilgung der Schulden zun wenden. Meine Herren, ich bedaure, wenn ich mich in meiner Ee rede so mißverständlich ausgedrückt haben sollte. Wenn ich michn erinnere, habe ich ausdrücklich ausgeführt, daß der Fehlbetug Jahres 1914 von 116 Millionen Mark wesentlich oder ledigliht den Rückgang der Einnahmen bei der allgemeinen Staatsvermeln zurückzuführen sei. Ich habe ferner ausgeführt, daß daneben aber noch erhebliche Mindereinnahmen bei den Eisenbahnen eingei wären, daß diese aber durch Entnahme von Mitteln aus den gleichsfonds abgedeckt seien. Das Defizit von 116 Millionen ken darauf, daß unsere Staatseinnahmen außerordentlich zurückgegn seien, und zwar alle Staatseinnahmen: Aus den direkten den indirekten Steuern, aus der Lotterie, aus dex Bergvervelt aus der Forstverwaltung und aus den Gerichtskosten. Alles dies! dahin gewirkt, daß unsere Einnahmen so mesentlich zurückgegr seien. Ich habe mir weiter auszuführen erlaubt, daß auch in folgenden Jahre, im Jahre 1915, die Vorgänge bei den Stucz nahmen genau die gleichen seien, wie im Jahre 1914; daß dagegnn Steigerung der Staatsausgaben, die im Kriege an vielen Stelen vermeidlich sei, sich zum großen Teile wieder ausgeglichen hätte Ersparnisse und Minderausgaben an anderen Stellen. Ich hebet das Gegenteil von dem ausgeführt, was der Herr Abgeondnete! Friedberg aus meiner Rede entnommen hat.

Meine Herren, wenn man aber zugrunde legt, daß nir Jahre 1914 mit einem Fehlbetrag von 116 Millionen Marlc⸗ schlossen haben und im Jahre 1915 mit einem ähnlichen Feble zu rechnen haben werden, und wenn wir uns klar machen, ih im Kriege leben und, selbst wenn wir im Jahre 1916 wieder öm⸗ haben sollten, nicht gleich alle wirtschaftlichen Verhältnisse n eingerenkt sein können, so haben wir eine ganze Reihe von beträgen vor uns, deren Ende wir überhaupt noch nicht cic können. Die Fehlbeträge sind bisher immer durch Defijitun gedeckt worden. Eine solche Defizitanleihe bedeutet aber nicht deres, als was der Herr Abgeordnete von Heydebrand zutreffri geführt hat: die Tilgung einer Schuld durch Aufnahme einer n Kapitalschuld. Und damit dieser finanziell durchaus unhaltim stand nicht eintritt, hat sich das Staatsministerium entschlosse Lande die Vorlage zu machen, durch eine Kriegssteuer 100 Mil Mark aufzubringen, damit der Fehlbetrag des Jahres 1914 neng zum größten Teil wieder abgedeckt werden und, wenn der ¹ noch weiter dauert, die Abdeckung ähnlicher Fehlbeträge in 85 genden Jahren auch weiter erfolgen kann.

Der Herr Abgeordnete Dr. Friedberg hat dann gemeint, ders Zeitpunkt wäre der ungeeignetste, den es gäbe, um solche F maßnahmen durchzuführen; denn der einzelne Steuerzahler wen schon außerordentlich belastet, und es komme noch hinzu⸗ 9 größte Belastung, nämlich die aus der Kriegsgewinnsteuer noch 5 stehe. Es werde der Erfolg eintreten, daß der Einzelne igs werde. Meine Herren, vor der Ueberlastung der einzelnen 82 zahler habe auch ich persönlich die allergrößte Sorge, und ich lebhaft mein Augenmerk darauf gerichtet, daß eine solche lebaih soweit als möglich vermieden wird. Ich habe schon in den si Jahren hier immer betont, es gehe nicht an, daß von den e⸗ densten Stellen aus derselben Quelle geschöpft werde und man⸗ danach frage, ob dem Steuerzahler nicht eine Last auferleg welche er zusammen mit seinen sonstigen Lasten nicht tragen Meine Herren, das liegt an der Struktur unseres Stꝛuise unserer Verfassung; wir haben das Reich, wir haben die 24 staaten, wir haben die Kommunen, und alle haben sich inzwis⸗ geschickt, von dem Einzelnen nach dem Vermögen oder den kommen ober beiden Steuern zu erheben. Infolgedessen bin . der Meinung, daß es dringend erwünscht ist, eine scharfe G

ziehen. Ich werde in der Kommission die darüber auszusprechen. Heute würde uns das zu weit führen. Ich möchte nur das eine sagen: die Kriegsgewinnsteuer wird zurzeit noch nicht erhoben; bei der Steuer, die Ihnen heute zur Beratung vor⸗ liegt, handelt es sich aber um eine sofort zu erhebende Steuer, so daß also in diesem Falle eine Ueberbürdung der Steuerzahler durch die Zuschläge und eine gleichzeitige Abforderung der Kriegsgewinnsteuer nicht eintritt.

Meine Herren, der Herr Abgeordnete Dr. Friedberg hat dann auf unsere Meinungsverschiedenheiten in bezug auf die Finanzierung der Eisenbahnen hingewiesen. Ich möchte nicht des längeren darauf eingehen; denn dies Kapitel kann weit ausgesponnen werden, und dazu ist die Stunde zu weit vorgeschritten. Aber ich glaube, doch ein paar Worte dazu sagen zu müssen. Der Herr Abgeordnete Dr. Fried⸗ berg hat meine Ausführungen in meiner Etatsrede auch in diesem Punkte mißverstanden. Ich möchte fast meinen, er ist nicht zugegen gewesen. Ich habe bei dieser Gelegenheit nicht gesagt oder angedeutet, die Forderung, daß die Kapitalsaufwendungen für die bestehenden Bahnen auf Anleihe genommen werden sollten, hätte das Ziel, daß dafür Steuern erspart würden, sondern ich habe ausdrücklich verbotenes gesagt, es wäre der Staatsregierung sehr oft der Vorwurf ge⸗ macht worden, sie betreibe „„um Schaden des Verkehrs“ eine Thesaurierungspolitik. Also ich habe wohl verstanden, was die Herren, die diese Politik befürworten, damit beabsichtigen: sie wollen diese Summen dazu verwenden, um die Tarife herabzusetzen und sonstige Erleichterungen bei den Eisenbahnen durchzuführen. Im übrigen will ich auf die Frage nicht weiter eingehen. 3

Der Herr Abgeordnete Dr. Friedberg hat den Vergleich mit einer Aktiengesellschaft gezogen und hat da wiederum auf die Gesund⸗ heit einer solchen Politik hingewiesen. Ja, meine Herren, der Fall liegt beim Staat doch etwas anders. Der Herr Abgeordnete Dr. Friedberg hat gesagt, die Aktiengesellschaft könne frei schalten und walten und die richtige Politik betreiben, bei der Eisenbahnverwaltung wäre aber das Unglück, daß sie in den engen Rahmen des Staats⸗ etats mit eingespannt sei und darunter leiden müßte. Ich möchte die Sache umkehren und sagen: der Staat ist eigentlich derjenige, der eine Last übernimmt und eine große Gefahr läuft. Wenn die Eisen⸗ bahnen nicht dem Staat gehörten, so würde er auch nicht für ihr Defizit aufzukommen haben. Wenn sie mit großen Mindererträgnissen abschließen, dann steht er vor dem Riß, und da unsere Staats⸗ einnahmen regelmäßig nicht ausreichen, diese Mindererträgnisse zu decken, so muß der Staat sie auf seine Defizitanleihe nehmen. Also durch das enge Gebundensein der Eisenbahnen an die Staatsfinanzen läuft der Staat die Gefahr, nachher vor dem Riß zu stehen, und deshalb muß er bei der Finanzierung der Eisenbahnen vorsichtig sein. Bei der Aktiengesellschaft ist es etwas anderes. Da werden nur die Dividenden oder die Aktien gefährdet. Beim Staat liegen die Ver⸗ hältnisse nicht so; er muß, wenn ungünstige Verhältnisse eintreten, schließlich für das Defizit voll aufkommen.

Es ist unleughar: wenn wir für 3,2 Milliarden Eisenbahn⸗ schulden mehr heute jährlich die Verzinsung aufzubringen hätten, dann würde unter dem Einfluß des Krieges ein großes neues Schuldkapital entstehen, das wieder neue Schuldenzinsen verlangte, und das würde unseren ganzen Staatshaushalt sehr stark beeinträchtigen. Ich habe aber ausdrücklich, um auch dem anderen Standpunkt gerecht zu werden das möchte ich auch noch betonen —, in meiner Etatrede hinzu⸗ gefügt, die gegenteilige Politik wäre wirtschaftlich durchführbar ge⸗ wesen, wenn wir immer Frieden behalten hätten. Die Staatsregie⸗ rung hätte aber auch den ungünstigsten Fall im Auge behalten müssen, daß einmal wieder ein Krieg kommen könnte, und deshalb hätte sie sich gescheut, diese Politik mitzumachen. So liegen die Verhältnisse.

Herr Ahg. Dr. Friedberg wollte noch an den früheren Fehl⸗ beträgen und an den darauf folgenden Ueberschüssen beweisen, daß unsere Finanzen alles vertragen könnten. Darauf will ich mich heute nicht weiter einlassen. Meine Herren, das sind alles Beispiele, die auf den Frieden vielleicht passen, die aber sofort versagen, wenn ein Krieg von solchen Dimensionen und von so kolossalen Wirkungen auf die Finanzen dazwischen gekommen ist. Dann kann man nicht zu früheren Vorgängen Parallelen ziehen und Bezug darauf nehmen, sondern da haben wir andere Verhältnisse, und die verlangen eben auch andere Maßregeln.

Meine Herren, ich werde in der Kommission noch nähere Auf⸗ klärungen geben, ich wollte aber nicht unterlassen, wenigstens die Hauptausführungen des Herrn Abg. Dr. Friedberg sofort zu wider⸗ legen. (Bravo!l rechts.)

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Die Entwicklung unseres Staatshaushalts und die Tatsache, daß wir genö⸗ tigt sind, an die Steuerkraft der Bevölkerung zu appellieren, weist mit Notwendigkeit darauf hin, daß wir möglichste Sparsamkeit walten lassen müssen. Der Finanzminister hat schon da, wo es sich um dauernde Ausgaben handelt, die betreffenden Etatstitel gekürzt. In⸗ dessen scheinen die außerordentlichen Leistungen unserer Beamten und die außerordentliche Betätigung unserer Sebit etaktansgesigt ne dar⸗ auf hinzuweisen, daß wir in der Folge uns in bezug auf die Beamten⸗ zahl erheblich einzuschränken vermögen, ohne daß der Staatsdienst dar⸗ unter leidet. Es wäre an der Zeit, zu versuchen, ob man jetzt in der Kriegszeit die nötigen Vorbereitungen treffen kann durch Vornahme der entsprechenden Vereinfachungen auf dem Gebiete der Organisation und auf dem Gebiete des Beamtenwesens, um da zu sparen, wo in Wirklichkeit gespart werden kann. Wenn überall die Eptraordinarien gekürzt worden sind, so ist das nicht bei der Eisenbahnverwaltung der Fall. Auf diesem Gebiete sollten wir allerdings nicht unnötige Spar⸗ samkeit einführen. Für die wirtschaftliche Durchhaltung im Kriege ist die Erhaltung der Leistungsfähigkeit unserer Bahnen von der aller⸗ größten Bedeutung. Ebenso wichtig ist es, daß, wenn wir erst Frieden haben, unsere Eisenbahnleistungen auf die alte Höhe zurückkommen. Auch in anderen Dingen hat der Finanzminister trotz der finanziellen Bedrängnis da, wo es nottut, die Hand offengehalten. Den Unter⸗ beamten werden Teuerungszulagen nach der Zahl der Familienmit⸗ glieder gewährt. Wir haben da vielleicht den ersten Schritt auf einer Bahn zu einer besseren Ordnung unserer Beamtenbesoldung getan. Mit Genugtuung begrüßen wir es, daß auch für die innere Kolonisation ein Mehrbetrag von 2 Millionen Mark ausgeworfen worden ist. Die innere Kolonisation wird namentlich, wenn wir im Osten unseres Landes noch in denjenigen Gegenden, die unsere Waffen uns jetzt zu beherrschen gestatten, in der Lage sind, Siedelungsland in größerem Umfange zu erwerben, eine weit größere Rolle spielen. Wir müssen anerkennen, in welcher weitherzigen Weise der Finanzminister die Finanzen des Staates in den Dienst des Wiederaufbaues von Ost⸗ preußen gestellt hat. Ebenso ist eine große Summe bereitgestellt worden zur Gewährung von billigen Futtermitteln an solche, die eine

8 Verpflichtung übernehmen, eine entsprechende Zahl von Schweinen

aufzuziehen und sett zu machen und den Verbänden zu liefern, die einen Mehrbedarf haben. Bei unserer Volksernährung kommt es auf die richtige Organisation und Verteilung der Nahrungsmittel und darauf an, daß die Produktion aufrecht erhalten und soweit wie möglich ge⸗

Gelegenheit haben, mich

fördert wird. Weiter hat die Regierung den Provinzialverbänden Mittel bewilligt zur Gewährung von Notstandsdarlehn. Der Wieder⸗ aufbau des Mittelstandes nach dem Kriege ist zweifellos eine wichtige Aufgabe. Man wird sich dabei nicht auf die Kriegsteilnehmer beschränken müssen. Wir begrüßen die Mittel, die für Hopo⸗ thekendarlehn bereitgestellt werden, damit wir unseren Haus⸗ besitz vor einer schweren Katastrophe bewahren. In der Steuergesetzgebung wird man sich darauf gefaßt machen müssen, daß etwa der Betrag, den wir jetzt ven den direkten Steuern bekommen, auch künftig daraus gezogen wird. Wir werden aber dafür sorgen müssen, daß mehr als bisher alle Steuerquellen gleichmäßig erfaßt werden. Wir werden dabei auch auf große Schwierig⸗ keiten stoßen. Ich erinnere an die Schwierigkeiten in bezug auf die Ausdehnung der Kinderprivilegs. Wir werden zweifellos Hand in Hand mit der neuen Ordnung auch die Aufgabe wieder aufnehmen müssen, deren Lösung der Krieg unterbrochen hat, die des Ausgleichs der Volksschul⸗ und Kommunallasten. Eine feste Ab⸗ grenzung der Steuerberechtigung zwischen Reich und Bundesstaaten ist unbedingt notwendig in der Weise, daß den Bundesstaaten die Einkommen aus den direkten Steuern ganz verbleiben. Ich hoffe, daß auch die Nationalliberalen den Gedanken, das Vermögen vom Reich besteuern zu lassen, jetzt aufgegeben haben. Die Steuer, wie sie in der Vorlage vorgesehen ist, wird den Vorteil haben, daß man im Reiche sich bei der jetzt vorzunehmenden Einnahmevermehruna streng auf das beschränken wird, was dem Reiche der Natur nach zufällig: indirekte Steuern und Verkehrsabgaben. Daß nach dieser Richtung hin eine Steuervorlage auf die Stimmung günstig hesder kann, das zeigt der Wehrbeitrag. Die Thronrede enthält die be⸗ kannte Wendung vom gegenseitigen Vertrauen und Verstehen. Man wird sich aber auch mit dem nötigen Maße von Wirklichkeitssinn ausrüsten müssen. Neben dem warmen Herzen muß auch der kühle Verstand zu seinem Rechte kommen. Sonst laufen wir Gefahr, den Boden unter den Füßen zu verlieren, und dann sind Rück⸗ und Nackenschläge unvermeidlich. Das hat die Geschichte unserer aus⸗ wärtigen und inneren Politik in den letzten 25 Jahren auf das klarste und deutlichste bewiesen. Meine politischen Freunde haben die Frage verneint, ob es gut getan war, durch die Thronrede die Wahlrechts⸗ frage anzuschneiden. Die Erfahrungen, die früher mit einer An⸗ kündigung in der Thronrede, der nicht unmittelbare Erfolge gefolgt sind, gemacht worden sind, waren bekanntlich keineswegs gute. Man hat in jene Fassung der Thronrede das allerunmöglichste hinein⸗ gedeutet. Der Gefahr einer Mißdeutung und Erregung falscher An⸗ schauungen setzt sich auch die jetzige Thronrede mit ihrer Ankündigung aus. Das ist auch hier im Hause schon zu hören gewesen. Ein namhafter Parlamentarier, Konrad Haußmann, ist sogar so weit gegangen, zu behaupten, daß man aus der Thronrede die Neigung herauslesen könne, das Reichstagswahlrecht auf Preußen zu über⸗ tragen. Der betreffende Satz der Thronrede hat niemals eine solche Auslegung finden wollen und sollen. Ebenso hat auch die bloße An⸗ kündigung in der Thronrede in bezug auf die Zeit zu Unklarheiten geführt. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß in der Kriegs⸗ 2₰ davon gar nicht die Rede sein kann. Das gegenseitige Ver⸗ tehen und Vertrauen unter den Parteien müßte auch auf diesem Gebiete bereits herrschen. Die bisherigen Aeußerungen der Presse und der Parteien lassen hieran ernste Zweifel aufkommen, und die heutigen Ausführungen haben meine Zweifel beinahe zur Gewißheit erhoben. Dann aber würde eine Einbringung einer Vorlage unsere Einheit ernstlich in Frage stellen, und zwar in einer Zeit, in der wir den Wiederaufbau noch vor uns haben. Darüber kann kein Zweifel sein, das Herz unseres Volkes beschäftigt sich heute nicht mit dem Wahlrecht, das Herz unseres Volkes schlägt unseren Fahnen in Feindesland. (Zuruf des Abg. Adolf Hoffmann: Sie kennen das Herz noch lange nicht!) Diejenigen, die da beiseite stehen, sind in der Meinung des Volkes eine quantité négligeable. Das erste veß uns sein der feste Wille zu einem Siege, der uns diejenige Gestaltung unserer Grenzen und denjenigen Zuwachs brinat, der er⸗ forderlich erscheint, zu einem Siege, der uns die volle Entfaltung unserer wirtschaftlichen Kräfte, die in diesem Kriege so glänzend hervorgetreten sind, gestattet.

Ein Schlußantrag wird angenommen.

Fe Geschäftsordnung verwahrt sich der Abg. Ströbel HSos dagegen, daß dem zweiten Redner der sozialdemokratischen

raktion das Wort abgeschnitten werde, ehe es ihm möglich sei,

hervorgetretene Mißverständnisse und Entstellungen der Rede des Aba. Hirsch⸗Berlin richtigzustellen. Nach längeren Ausführungen erklärt er: Aus Ihrem Verhalten spricht eben die schlotternde Angst vor der Wahrheit! (Glocke des Präsidenten.)

Präsident Dr. Graf von Schwerin ruft den Abg. Ströbel zur Ordnung.

Abg. Ströbel (Soz.) (fortfahrend): Was wir hier erlebt haben, ist ein guter Vorgeschmack von der Art des Burgfriedens, wie er nach dem Kriege sein wird! (Glocke des Präsidenten.) Das ist ein Beweis dafür, wie die ungeheuren Opfer an Gut und Blut des Volkes durch Sie belohnt werden! (Andauerndes Läuten des Präsi⸗ denten.) Abg. Ströbel spricht trotz des beständigen Glockenzeichens des Präsidenten weiter; seine Worte gehen in dem Läuten und dem stürmischen Widerspruch des Hauses verloren.

Präsident Dr. Graf von Schwerin erklärt, daß die Worte des Abg. Ströbel, die nach dem Läuten noch gesprochen worden sind, nicht in den stenographischen Bericht aufgenommen werden sollen. Abg. Ströbel erklärt diese Anordnung für neu, eine solche Be⸗ stimmung existiere nicht; es wäre eigentümlich, wenn wir in dieser Zeit noch immer mehr Ausnahmegesetze bekommen sollten. Der Präsident stellt fest, daß die große Mehrheit des Hauses seiner Auffassung zustimmt.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.) weist darauf hin, daß es dem Abg. Hirsch⸗Berlin, wenn wirklich seine Rede mißverstanden worden sei, freigestanden hätte, in einer persönlichen Bemerkung die nötigen Richtigstellungen zu machen, ohne daß des⸗ halb die ganze Debatte noch weitergeführt zu werden brauchte.

Abg. Adolf Hoffmann (Soz.): Nicht um Mißverständnisse, sondern um Entstellungen handelt es sich. Ich erkenne an, daß, wenn die Glocke des Präsidenten erklingt, der Redner schweigen soll. Daß aber das Stenogramm nichts weiter verzeichnen soll, das ist eine neue Anordnung, gegen die wir protestieren müssen.

Abg. Hirsch⸗Berlin (Soz.) stellt fest, daß er das schlimmste Mißverständnis seiner Rede bereits durch einen Zwischenruf berichtigt hat, daß daher zu einer persönlichen Bemerkung nicht mehr so viel Veranlassung für ihn vorgelegen habe.

Der Etat und das Steuergesetz werden darauf der verstärkten Budgetkommission überwiesen.

Schluß: 53³½à Uhr. Nächste Sitzung: Dienstag, 11 Uhr (kleinere Vorlagen). 8 u 8

Parlamentarische Nachrichten.

Der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Ansiedlung

ist nebst Bearündung dem Hause der Abgeordneten zu⸗ gegangen. Der Gesetzentwurf lautet, wie folgt:

(1) Die Staatsregierung wird ermächtigt, der Seebandlung (Preußischen Staatsbank) zum Zwecke der Gewährung von Zwischen⸗ kredit bet der Errichtung von Rentengütern einen Betrag von Ein⸗ hundert Millionen Mark zur Verfügung zu stellen und die erforder⸗ lichen Mittel im Anleihewege zu beschaffen.

92 Die aufkommenden Zinsen sind von der Seehandlung an die Staatskasse abzuführen. ZI1111n 1 8

Ir

Verfügung gestellte Betrag an die Staatskafte zurück ezahlt, so ist er zur Verstärkung der gesetzlichen Schuldentilgung zu verwenden.

§ 2.

(1) Der Finanzminister wiro ermächtigt, zur Bereitstellung der nach § 1 erforderlichen Summe Schulkverschreib ingen auszugeben. An Stelle der 11“ können vorübergebend Schatzanweisungen ausgegeben werden. er Fälligkeitstermin ist in den Schatzanweisungen anzugeben. 1

(2) Der Finanzminister wird ermächtigt, die Mittel zur Einlösung dieser Schatzanweisungen durch Ausgabe von neuen Schatzanweisungen und von Schuldverschreibungen in den erforderlichen Nennbeträgen zu beschaffen. Die Schatzanweisungen können wiederholt ausgegeben werden.

(3) Schatzanweisungen oder Schuldversckreibungen, die zur Ein⸗ lösung von fällig werdenden Schatzanweisungen bestimmt sind, hat die Hauptverwaltung der Staatsschutden auf Anordnung des Finanz⸗ ministers zwei Wochen vor dem Fälligkeitstermine zur Verfügung zu halten. Die Verzinsung der neuen Schuldpapiere darf nicht vor dem Zeitpunkte beginnen, mit dem die Verzinsung der einzulösenden Schatz⸗ anweisungen aufhört.

(4) Wann, durch welche Stellen und in welchen Beträgen, zu welchem Zinsfaß⸗, zu welchen Bedingungen der Kündigung und zu welchem Kurse die Schatzanwelsungen und die Schuldverschreibungen ausgegeben werden sollen, bestimmt der Finanzminister. Im übrigen kommen wegen der Verwaltung und Tilgung der Anleihen die Vorschriften des Gesetzes, betreffend die Konsolidation preußischer Staatsanlethen, vom 19. Detember 1869 (Gesetzsamml. S. 1197), des Gesetzes, betreffend die Tilgung von Staatsschulden, vom 8. März 12271 S. 43) und des Gesetzes, betreffend die Bildung eines Ausgleichsfonds für die Eisenbahnverwaltung, vom 3. Mai 1903 (Gesetzsamml. S. 155) zar Anwendung.

„Ueber die Verwendung des nach § 1 der Seehandlung zur Ver⸗ fügung gestellten Betrages ist dem Landtag alljährlich Rechnung zu egen.

§ 4.

Der § 5 des Gesetzen, betreffend die Beförderung der Errichtung von Rentengütern, vom 7. Jult 1891 (Gesetzsamml. S. 279) erhält folgende Fassung:

Erfolgt die Ablösung der Rente 1) oder die Ge⸗ währung des Darlehns 2) zugleich mit der Begründung des Rentengutes, so kann die Zahlung der Rentenbankrente auf Antrag des Rentengutsbesitzers bis zur Dauer von drei Jahren unterbleiben. Der der Rentenbank entstehende Ausfall wird dadurch gedeckt, deß das abzulösende Kapital um die ge⸗ stundeten Zinsen der Rentenbriesfe und des zur Ergänzung gegebenen baren Geldes erhöht und von dieser Summe die in Gemäßheit des § 3 berechnete Rentenbankrente während der Tilgungsperiode von 60 ½ oder 56 ½2 Jahren gezahlt wird. § 5

Der § 7 des Gesetzes, betreffend die Beförderung der Errichtung von Rentengüt’rn, vom 7. Juli 1891 (Gesetzsamml. S. 279) erhält unter Aufhebung des jetztigen Abs. 2 folgende Absätze 2 bis 4:

(2) Haftet auf dem Rentengut eine dem willkürlichen Kün⸗ digungzrechte des Gläubigers entzogene Abtragshypothek einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts, so kann in⸗ soweit von der Vorschrift des Abs. 1 Nr. 1 mit der Wirkung abgesehen werden, daß der Rentenbankrente das Vorrecht vor Abtragshypothek nicht zustebt.

(3) Die Sicherheit kann als vorhanden angenommen werden, wenn der Nennwert des als Absiadung oder als Dar⸗ lehn gegebenen Rentenbriefkapitals zuzüglich des zur Ergänzung gegebenen baren Geldes innerhalb der ersten drei Viertel des durch ritterschaftliche, landschaftliche oder besondere Taxe zu er⸗ mitielnden Wertes der Liegenschaften zu stehen kommt.

(4) Bei Rentengütern, die nur so groß sind, daß sie ganz oder haupisächlich ohne fremde Arbeitskräfte bewirtschaftet werden können, kann die Sicherheit auch dann als vorhanden angenommen werden, wenn der Nennwert des als Abfindung oder als Darlehn gegebenen Rentenbriefkapitals zuzüglich des zur Ergänzung gegebenen baren Geldes inerhalb der ersten neun Zehntel des durch eine der vorbezeichneten Toxen zu er⸗ mittelnden Wertes der Liegenschaften zu steben kommt. Die Rentenbank hat jedoch das Recht, die sofortige Ablösung des die Sicherheit noch Abs. 3 übersteigenden Teiles der Renten⸗ bankrente zu verlangen, wenn der Rentengutsbesitzer oder ein Dritter auf das Rentengut in solcher Weise einwirkt, daß eine die Sicherheit der Rente gefährdende Verschlechterung des Grundstücks zu besorgen ist, oder wenn der Rentengutsbesitzer in Konkurs gerät oder durch Zwangsvollstreckung zur Zahlung der rückständigen Rentenbankrente angehalten werden muß, oder wenn das Eigentum an dem Rentengut auf einen anderen 818 einen seiner Abkömmlinge oder seine Ehefrau übergeht.

§ 6

Der § 9 Abs. 1 des Gesetzes, betressend die Beförderung der Er⸗

richtung von Rentengütern, vom 7. Juli 1891 d.7aer e S. 279)

wird dahin geändert, daß in Zeile 1 „(§ 7 Abs. 2)“ durch „(§ 7 Abs. 3)“ ersetzt wird.

87 Werden Rentengüter von Kommunalverbänden oder Vereinigungen, die sich mit innerer Kolonisation befassen und vom Minister bür diese

Vorschrift ae eeheng. Zwecke sördernd axnerkannt sind, ohne Ver⸗ mittlung der Generalkommission ausgegeben, so sind alle zur Durch⸗ führung dieses Verfahrens erforderlichen Geschäfte und Verhandlungen der nicht streitigen Gerichtsbarkeit, einschließlich der grundbuchrichter⸗ 1 von den Gerichtsgebühren und von der Stempelsteuer esreit.

§8.

Auf die Veräußerung von Teilen eines land⸗ oder forstwirtschaft⸗ lichen Grundstücks zur Errichtung neuer ländlicher Stellen mittleren oder klelnen Umfangs oder zur Umwandlung bestehender unselbstän⸗ diger ländlicher Stellen in Stellen mittleren oder kleinen Umfangs finden die gesetzlichen Vorschriften über den erleichterten Abverkauf von Enundslücken Anwendung mit der Maßgabe, daß das Un⸗ schädlichkeitszeugnis auch bei der Abveräußerung größerer Treanstücke erteilt werden kann, wenn die Sicherhe ker Berechtigten nicht ver⸗ mindert wird. 1 1

9. 8 „Die zur Ausführung dieses Gefetzes e Vorschriften erläßt der zuständige Minister.

In der dem Gesetzentwurf beigegebenen Begründun wird ausgeführt:

Die Folgen des Krieges machen gesetzgeberische Maßnahmen zu Erleichterung der Ansiedlung unaufschiebbar. Vor allem muß dt Ansiedlung von Kriegsinpaliden erleichtert werden. Denn deren An⸗ siedlung, sei es in rein landwirtschaftlichen Verhältnissen, sei es i gartenmäßigen Betrieben in der nächsten Umgebung der Städte, eine der geeignetsten Maßnahmen, um ihere verminderte Arbeits fäbigkeit für sie selbst und die Allgemeinheit nutzbringend zu verwerten Auch dient die Erleichterung der Ansiedlung am besten der Zurück führung und Vermebrung der ländlichen Bevölkerung in den vom Feinde verwüsteten Teilen der Provinz Ostpreußen.

Der vorliegende Gesetzentwurf nimmt aus dem ebemaligen Ent wurfe zum Grundteilungsgesetze Drucksache Nr. 196 des Hause der Abgeordneten, 22. Legislaturperiode, II. Session 1914 einen Teil der Vorschläge wlieder auf, die die positive Fördereng de inneren Kolonisation bezweckten und bei den früheren Beratungen in der Hauptsache von der Kommtssion des Hauses der Abgeordneten ge billiat worden sind. Dabet ist den Wünschen der Kommission (Druckfache des Hauses der Abdgeordneten Nr. 035 B) möglichf Rechnung getragen worden. Es ist Pdos von der Festlegung der Regelung im Sinne des §. 23 a der Beschlüsse der Kömmässion im