1916 / 15 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 19 Jan 1916 18:00:01 GMT) scan diff

Staatssekretär des Rei mts, Dr. Helfferich: eschebe

Meine Herren! Es soll auch zu Friedenszeiten schon vergekommen sein, daß der Etat nicht pünktlich zum 1. April fertig geworden ist. (Heiterkeit.) Man hat sich dann gebolfen, indem ein Notetat vorgelegt wurde, der für die Wirtschaft des Reiches bis zu dem Zeitpunkt des endgültigen Zustandekommens des Etats die verfassungsmäßigen Grundlagen zur Verfügung stellte. Wir werden im gegenwärtigen Falle ebenso verfahren, wenn es auf Grund der Verhältnisse, von denen eben der Herr Abgeordnete Scheidemann sprach, nicht möglich sein sollte, den Etat für das Jahr 1916/17 rechtzeitig bis zum 1. April fertigzustellen. Ich gebe zu, daß die Wahrscheinlichkeit für eine rechtzeitige Fertigstellung nicht sehr groß ist. Der Etat selbst wird ja, ebenso wie auch der Etat für das laufende Rechnungsjahr, relativ einfach sein. Wir werden uns auch hier mit der Tatsache abfinden müssen, daß eine eigentliche Veranschlagung wie in Friedenszeiten nicht in Frage kommen kann, sondern daß der Etat nur die Ver⸗ rechnungsgrundlage und die verfassungsmäßige Grundlage für unsere Wirtschaftsführung im Reich zu liefern hat. Dagegen wird allerdings die Sache kompliziert werden durch die Steuervorlagen, die, wie ich mir im Dezember hier auszuführen erlaubte, notwendig sein werden, um das mit Sicherheit zu erwartende Defizit des Reichsetats für 1916/17 zu decken. Aber bei diesen Steuervorlagen das möchte ich heute bereits sagen handelt es sich schließlich um ganz andere Steuervorlagen, um ganz andere Finanzmaßnahmen als in Friedens⸗ zeiten. Wenn Sie in Friedenszeiten Steuervorlagen beschlossen haben, war es in der Regel eine Finanzreform, die für längere Zeit hinaus endgültige Verhältnisse schaffen sollte. Die Steuervorlagen, die Sie mit dem nächsten Etat bekommen werden, sind Kriegsfinanzmaßnahmen, die das Gleichgewicht in der Wirtschaftsführung für die Dauer des Krieges oder wenigstens für das Jahr, das bevorsteht, sicherstellen sollen, also Dinge, die kein Definitivum schaffen, sondern Notstands⸗ maßnahmen, Kriegsmaßnahmen, die uns über die gegenwärtige Zeit, so gut es geht, hinaushelfen sollen. Ich denke, daß auch Ihre Be⸗ ratungen dieser Sachlage Rechnung tragen werden, und habe deshalb die Ihnen vielleicht etwas vermessen erscheinende Hoffnung, daß es nicht so ganz unmöglich sein wird, in relativ kurzer Zeit ohne allzu tief⸗ gehende und zu weitgehende Erörterungen auch mit den bevorstehenden Kriegssteuervorlagen zu Ende zu kommen.

Abg. Bassermann inl.): In einer private besprech habe ich dieselben Bedenken gestern * PerPeih teg Vhrbespeecung bin der Meinung, daß es dem Reichstage, wenn er am 15. März zu⸗ sammentritt, nicht möglich sein wird, den Etat einschließlich der uns angekündigten Steuervorlagen rechtzeitig zu verabschieden, so daß wir vor die Notwendigkeit eines Notgesetzes gestellt sein werden. Es wurde mir darauf und auch auf meinen Vorschlag, schon am 7. März den Reichstag wieder zusammentreten zu lassen, gesagt, daß bis dahin die Vorlage nicht fertiggestellt werden könnte. Was nun insbesondere die neuen Steuern angeht, so können wir da eine überhastete Beratung nicht stattfinden lassen, sondern es muß eine gründliche Prüfung ein⸗ treten, nachdem wir schon vvcsagic⸗ durch die Presse orientiert worden sind, und wir haben auch den Wunsch, daß die öffentliche Kritik Gelegenheit hätte, sich damit zu beschäftigen. Hinter die Bemerkung des Schatzsekretärs, daß die neuen Steuervorlagen gewissermaßen einen provisorischen Charakter tragen werden, möchte ich doch ein Frage⸗ eichen machen. (Zustimmung.) Denn werden in irgend einer Form

ie Einnahmen des Reiches erhöht, so wird es nach dem Kriege bei der allgemeinen Finanzlage seine Schwierigkeiten haben, davon abzusehen. Auch diese Erwägung weist uns auf eine gründliche Prüfung hin.

Abg. Ledebour (Soz.): Also die Regierung ist nicht in der Lage, vor dem 15. März die Vorlage fertigzustellen. Das ist der einzige Grund, der uns angeführt wird. Es sieht in Wirklichkeit so aus als ob eine Pression auf den Reichstag geübt werden sollte. Wir müssen so frühzeitig wie möglich zusammentreten und ausgiebige Zeit

zur Beratung haben. Das läßt sich ohne vorläufiges Notgesetz nicht machen, und der Reichstag wird längere Zeit auch nach dem 1. April

noch beraten müssen. Reichsschatzamts,

Staatsminister

Staatssekretär des Dr. Helfferich: Meine Herren! Wenn ich vorhin nicht ausdrücklich erwähnt habe, daß die verbündeten Regierungen Zeit zur Vorberatung der Vorlagen brauchen, so unterließ ich das nur deshalb, weil ich diesen Sachverhalt als selbstverständlich und bekannt vorausgesetzt habe. Sie wissen alle, daß wir seit Anfang Dezember, abgesehen von einer kurzen Weihnachts⸗ pause, in angestrengter Arbeit zusammen sind. Selbstverständlich be⸗ darf die Fertigstellung von Vorlagen, wenn sie auch nur provisorische sind, bei ihrer einschneidenden Bedeutung doch auch für die verbün⸗ deten Regiekungen einer genauen Durchprüfung und Ueberlegung. Es ist in der Tat unmöglich, zu einem früheren Zeitpunkt als am 15. März dieses ganze Material für die Vorlage an den Bundesrat fertigzustellen und im Bundesrat durchzuberaten. Ich nahm es als selbstverständlich an, daß bekannt sei, daß aus diesem Grunde die Vertagung bis zum 15. März beantragt werde. Ich glaube, man konnte aus meinen Worten auch nicht etwas herauslesen, was wie eine Pression aussieht, daß nämlich in den 14 Tagen vom 14. März bis zum 30. April die Vorlagen fertiggestellt werden sollen. Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es auch in Friedenszeiten mitunter vorgekommen ist, daß der Etat nicht rechtzeitig fertig wurde, und damit auch angedeutet, daß wir uns mit einer solchen Eventualität auch für dieses Mal abfinden werden. Selbstverständlich wird dem Reichstag die Gelegenheit zu einer gründlichen Beratung der Vor⸗ lagen gegeben werden. Wenn ich die Hoffnung aussprach, daß darüber doch nicht so lange Zeit vergehen möchte wie in Friedenszeiten bei der Beratung einer Finanzreform, so habe ich diese Hoffnung darauf egrlindet, daß die Vorlagen doch einen provisorischen Charakter haben werden, und daran möchte ich festhalten. Die Belastung wird min⸗ destens zu einem großen Teil bleiben. Welche definitive Form aber diese Belastung annehmen wird, darüber werden wir uns erst in Friedenszeiten verständigen können; denn organisatorische Neuordnungen im Finanzwesen jetzt während des Krieges durchzuführen, die end⸗ gültige Verhältnisse für eine Situation schaffen sollen, die wir nicht einmal in ihren großen Zügen, geschweige denn in Einzelheiten vor⸗ aussehen, ist eine blanke Unmöglichkeit. (Sehr richtig!) Was wir jetzt machen, wird in der Form also provisorisch sein, auch wenn die Belastung oder ein großer Teil der Belastung für die Folgezeit bleiben wird. Ueber die definitive Art der Deckung werden wir uns erst im Frieden unterhalten können. Abg, Dr. Spahn (Zentr.) verweist auf den Ausweg, die Bud⸗ getkommission früher, schon am 7. März, zusammentreten zu lassen. Abg. Dr. Oertel (dbkons.): Der Staatssekretär hat aus⸗ reichend begründet, weshalb der Reichstag nicht vor dem 15. März wieder zusammentreten kann; dagegen hat auch der Abg. Scheidemann nichts eingewendet. Wir müssen uns also dabei beruhigen. Mit dem Abg. Dr. Spahn wünsche auch ich, daß der Reichshaushalts⸗ ausschuß früher, vielleicht auch noch früher als am 7. März, zusammen

Staatsminister

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tzitt; die Erörterungen im Plenum dürften damit vielleicht etwas ahgekurzt werden. Aber man soll nicht alle Hoffnung aufgeben. Daß wir eventuell mit einem Notgesetz uns helfen, hat der Schatzsekretär ja selbst in Aussicht gestellt. Vielleicht geht es ohne Notgesetz, viel⸗ leicht nicht; für heute laßt sich in dieser Frage nichts weiter sagen. Meine politischen Freunde sind ebenfalls darin einig, daß auch sie eine gründliche Beratung nicht sowohl des Etats als der neuen Steuer⸗ vorlagen für unbedingt notwendig halten, sowie daß es sehr zweck⸗ mäßig und wünschenswert ware, wenn der Oeffentlichkeit schon vor⸗ ber Gelegenheit gegeben würde, dazu Stellung zu nehmen. Aber auch diese Hoffnung ist leider gering. Abg. Scheidemann (Sop): Ich bin mit dem Ergebnis der Aussprache zufrieden. Das ganze Haus ist darüber einig, daß genügend Zeit zur Beratung gegeben werden muß; ein Notgesetz ist uns eventuell auch zugesichert, und es wird schließlich nichts anderes übrig bleiben. Hinsichtlich der neuen Steuern können wir ja heute noch gar nicht wissen, was für Ueberraschungen der Schatzsekretär für uns in Bereit⸗ schaft hat.

1 Der Antrag auf Vertagung des Reichstags bis zum 15. März wird darauf einstimmig angenommen.

Sodann geht das Haus über zur Beratung der Kommissionsanträge, betreffend die Zensur. Die Berichterstattung über die Kommissionsverhandlungen

darüber war am Schlusse der gestrigen Sitzung durch den Abg. Dr. Stresemann bereits erfolgt.

2u den von der Kommission beantragten Resolutionen ist inzwischen noch die von den Sozialdemokraten eingebrachte Resolution Albrecht und Genossen getreten:

„den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß der Be⸗ lagerungszustand diise. und insbesondere die Freiheit der Presse wiederhergestellt wird“.

Abg. Dittmann (Soz.): Wie die Zensur mit unseren letzten Reden umgeht, beweist dieses Exemplar einer Zeitung (Redner weist ein Exemplar der „Halleschen Volkszeitung“ vor). Das ist verfassungs⸗ widrig und unerhört. Auf Gesetz und Verfassung wird herumge⸗ trampelt. (Vizepräsident Dr. Dove ruft den Redner zur Ordnung.) Wir können doch im deutschen Reichstage deutsch reden. (Vizepräsi⸗ dent Dr. Dove: Ich verbitte mir jede Kritik.) Unseren Halleschen Genossen wurde von der Zensur gesagt, die Wiedergabe der Parla⸗ mentsverhandlungen nehme einen zu großen Raum ein, und sie drohte bei Zuwiderhandlung ein Verbot an. er Reichskanzler hat schöne Worte gehabt, um dem Volke Freiheit zu geben. Und wie sehen die Taten aus? Wo bleibt das VFeritanen gegen das deutsche Volk? Bisher ist alles beim alten geblieben; es herrscht das tiefste Mißtrauen gegen das Volk. Statt neue Rechte und Freiheiten zu geben, hat man uns alte genommen. Ursprünglich sollten die militärischen Maßnahmen nur für die Zeit der Mobilmachung gelten. Jetzt ist im Deutschen Reich an die Stelle von Recht und Gesetz die Willkür getreten, das freie Wort in Vereinen und Versammlungen ist unterdrückt, die Presse geknebelt. So sieht die Freiheit und Brüderlichkeit aus. Es sind nicht einzelne Mißgriffe, sondern es handelt sich um ein System. Die militärische Laufbahn ist doch keine Vorbereitung für die Ver⸗ waltung. Der Burgfrieden bedingt keine Aufgabe grundsätzlicher poli⸗ tischer Anschauung: Das war die Meinung des Reichstages, und auch der Reichskanzler wollte den politischen Kampf nicht unterbinden. Die Zensur ist aus einem militärischen Mittel mehr zu einer po⸗ litischen, zu einer Meinungs⸗ und Gesinnungszensur geworden. Die Zensur wirtschaftet auf allen Gebieten wie das bekannte Tier im Porzellanladen. Die Konservativen beklagen sich darüber, daß sie am meisten unter der Zensur zu leiden haben. Das ist so wie die Klagen über die Not der Landwirtschaft. Nein, am meisten haben die Blätter der Linken und vor allem die der Sozial⸗ demokraten zu leiden. Wir dürfen die wucherischen Blutsauger nicht unter Namensnennung brandmarken. Gegen süsche Dinge gibt es kein besseres Material als die öffentliche Kritik. Der Burgfrieden dient nur dazu, die freie Meinungsaußerung der Arbeiter unmöglich zu machen, obwohl diese auf das Mittel des Streiks verzichtet haben. Die Gewerkschaften dürfen gegen die Unternehmer nichts Mißliebiges drucken. Auch der Kriegsminister hat dazu seine Zustimmung gegeben. Der Burgfriede ist für die Arbeiterklasse wirtschaftlich ein Schein⸗ friede. Die rücksichtslose Bekämpfung des Lebensmittelwuchers wurde anfangs von der Zensur unterdrückt. Auch als die Not wuchs durften nur die bürgerlichen Blätter sich dagegen wenden. Der „Vorwärts“ wurde drangsaliert, weil er angeblich den Burgfrieden störte. Dabei wurden Blättern in der Provinz die gleichen Artikel erlaubt. Die Zensur unterdrückt nicht nur die wahre Meinung der Presse, sondern sie zwingt sie zum Abdruck einer Meinung, die nicht die ihrige ist. Die Zensur ist die Handlangerin der Polizei. Landräte haben Blätter aller Richtungen zum Abdruck bestimmter Artikel aus der „Neuen Corre⸗ spondenz’ gezwungen. Das war eine Folge des ersten Erlasses des peußischen Polizeiministers. Sein zweiter Erlaß war eine Vor⸗ bereitung für die Beeinflussung der Wahlen. Man kann sich ungefähr vorstellen, wie es nach dem Kriege aussehen wird; es wird ein klein⸗ licher Polizeigeist herrschen. Den Zeitungen wird es verboten, zu sagen, daß diese Artikel ihnen aufgezwungen sind. Das ist ein un⸗ moralisches Verfahren. (Vizepräsident Dr. Dove rügt diesen Ausdruck.) Die Zensur will dem Volke vortäuschen, daß es keine Zensur gebe. Wir haben eine Präventivzensur; es besteht ein raffiniertes System. Die Freiheit der Rede ist im Lande immer mehr verkümmert worden. Die Redner müssen den Wortlaut ihrer Reden einreichen. Versammlungen werden verboten, die Besprechung der Ernährungs⸗ fragen unterdrückt. Unserem Kollegen Braun ist aufgegeben worden daß er nur über wirtschaftliche Fragen in Königsberg sprechen dürfe usw. Das kam auf ein direktes Redeverbot hinaus. Unter diesen Umständen können wir Abgeordnete keine Fühlung mit unseren Wählern unterhalten. Schließlich verlangt die Zensur auch noch die vorherige Vorlegung der Parlamentsreden. Der Kommandeur von Allenstein hat das Vereinsrecht aufgehoben. In Duisburg und an⸗ deren Orten wurde einer Anzahl von Parteigenossen vom General⸗ kommando das Reden überhaupt verboten. In einem Orte bei So⸗ lingen wurde ein Genosse vom Landrat gefragt, ob er der Mehrheit oder der Minderheit der Partei angehöre, für diese dürfe er nicht sprechen. Dazu kommt die Verhängung der militärischen Schutzhaft. Die Betreffenden werden wie Verbrecher behandelt. Sie sind oft die Opfer der schäbigsten und schmutzigsten Denunziationen. Diese Dinge sind ein Hohn auf Recht und Gesetz. Man will damit vorzeitige Friedensbestrebungen unterdrücken. Auch vor Kunst und Wissenschaft macht die Militärdiktatur nicht halt, wie das Verbot von Theater⸗ stücken in Berlin usw. beweist, während der Kitsch ruhig zugelassen wird. Die Verordnungen laufen darauf hinaus, nach russischem Muster das Parlament auszuschalten. Sie verwirren unsere ganze Rechtsordnung. Am unerträglichsten ist das Verbot der Erörterung der Kriegsziele. Die militärischen Machthaber kennen sich in ihrer Wut nicht aus, sie halten Eroberungen für selbst⸗ verständlich, sie halten Annexionen für selbstverständlich im Sinne des Vaterlandes, wie sie es vpersteben. Im Bezirke Münster fungiert ein Hyperannexionist als Oberzensor. Der Beschluß des sozialdemokratischen Parteiausschusses gegen Annexionen wurde unterdrückt, der Beschluß des nationalliberalen Parteivorstandes für die Annexionen gestattet. Nach wie vor er⸗ freuen sich die Annexionisten der obrigkeitlichen Bevorzugung. Sobald wir uns gegen die Annexion aussprechen wollen, schleudern die Ge⸗ neralkommandos den Donnerkeil des Landesverrats gegen uns Trotz der Erklärung des Reichskanzlers wird immer noch von den General⸗ kommandos zwischen Reichsfreunden und Reichsfeinden unterschieden. Die Pazifisten werden als Landesverräter hingestellt. Die Reichs⸗ leitung ist auf 25 kommandierende Generale übergegangen. Auch und Regierung sollen ihnen unterstellt werden. Wir ver⸗ angen die Freiheit der Aussprache. Der Frieden kann nicht allzu weit sein, wie die Balkanvorgänge zeigen. Wenn kein Staatsmann es wagt, das erlösende Wort des Friedens zu sprechen, so muß es das

Volk tun. Keines 88 Völker hat n Krieg gewollt, überall will es

den Frieden ohne Es sind in i Blättern Artikel des „Berliner P..-Keln 1.4 2 miemals erschienen waren. Umgekehrt erschienen aber auch bei⸗ 8 Reden unseres Genossen Macdonald, die er niemals gehalten Die Presse aller Länder muß frei ihre Meinung äußern di 8 Voölker müssen ihre Stimme erheben konnen, dann wird der . kommen. Die Reichsregierung häatte gerade von ihrem See f⸗ aus die Pflicht, den Belagerungszustand aufzuheben. Denn sie üün die Hüterin von Gesetz und Verfassung sein. Der Bel⸗ ne vu

zustand ist verfassungswidrig; denn die verfassungsmä igen setzungen dafür liegen längst nicht mehr vor. e. Feeß ist nich im Lande; die Voraussetzung trifft höchstens zu für einen kleine 1ss von Elsaß⸗Lothringen. Zum Schutz rein militärischer Intere a Tei nügen in vollem Maße die bestehenden Gesetze, namentli g. Spionagegesetz. Daß diese Gesetze unzureichend sind, ist nicht 88,8 worden. Die Regierung hätte ein neues Gesetz vorlegen maßfen wenn die alten nicht ausreichen. Statt dessen läßt sie die fürkisa. Paschawirtschaft fortbestehen. Also entweder die 8 egierung 88 nicht, oder sie will nicht; beides ist gleich kompromittierend für * Der Abg. von Hepdebrand hat gestern schon im Abgeordnetendafe gezeigt, wohin die Reise geht. Wer bürgt uns dafür, daß die R. gierung später nicht sagt, der Belagerungszustand sei notwendi 6 für die Zeit der Demobilisierung und für die Zeit des Es droht der Umsturz alles Bestehenden von oben. Wir wollen sih⸗ 8 in -S⸗ schlagen, deshalb treten wir als füch erteidiger auf und verlangen die Aufh es Belagerunas zustandes. 9 F“ Abg. Gerstenberger (Zentr.): Der Vorredner hat si gewaltig aufgeregt über die Handhabung der Zensur gegen die sone demokratische Presse. Dazu mag vielleicht in Norddeutschland Ver. anlassung sein; im Süden, speziell in München, wo die sozialdemg⸗ kratische Presse viel braver ist, erfreut sie sich einer Freiheit, um 8 sie die anderen Zeitungen beneiden. Auch die „Kölnische Velke⸗ zeitung“ könnte ein Lied singen von der auffälligen Fürsorge welck⸗ die Zensur ihr angedeihen ließ; die Zensur ist gegen jede politische Richtung eingeschritten. Auch mir ven des Lebens rauhe Ff 8 Fon 8 die krausen Kinderlocken 'ein. 2 Zu klagen ist vor allem über die Ungleichheit der Behand Erscheinung, die angesichts des Bestehens von 25 8e

gabe, diese Einheitlichkeit zu schaffen, noch nicht zu lösen vermocht Es ist doch ein merkwürdiger „Burgfriede“, wenn man sich hauen lassen muß, aber sich nicht wehren darf. Der ursprüngliche Iwed der Zensur ist immer mehr in den Hintergrund getreten. Ueber die Kriegsziele oder die Friedensziele herrschen bekanntlich die allergrößten Verschiedenheiten in der Anschauung selbst innerhalb der einzelnen Parteien, auch innerhalb der Sozialdemokratie; schon aus diesem Grunde erscheint es nicht angebracht, bei dieser Beratung darüber eine große Diskussion zu führen. Anders liegt es schon hinsichtlich der Fragen der Volksernährung. Da hat man den Zeitungen Angriffe auf die Landwirtschaft gestattet, aber die Abwehr untersagt und der⸗ boten. Geradezu lächerlich ist aber doch die Unterdrückung der Er⸗ wähnung auch ganz privater Vorkommnisse, wie z. B. Ehescheidungs⸗ angelegenheiten, durch die Zensur unter dem Vorgeben, daß dadurc der Burgfriede gestört werde. Redaktionelle Tätigkeit darf Zensur nicht ausüben. Das geschieht aber ganz direkt durch die Ein⸗ führung und Aufrechterhaltung der Präventivzensur gegen ganze Zei tungen. Damit wird der Betrieb eines Blattes aufs allerärgste ge⸗ fährdet oder ganz unmöglich gemacht, und besonders die kleinen Zei⸗ tungsunternehmungen kommen dadurch in die schlimmste Lage. Nder Zensor sollte wenigstens einmal der Prozedur des Herstellens einer Zeitung beiwohnen, um sich davon einen Begriff zu machen und ebenso einen Begriff von den Wirkungen seines Einschreitens auf dem Wege der Präventivzensur. Den schwersten Eingriff bedeutet das Verbot einer Zeitung. Die 8 Verleger durch ein solches Verbot sollten sich die Zensoren wirk⸗ lich erst klar machen, ehe sie so ein schweres Urteil fällen. Den Vorschlag der Kommission, daß eine Warnung vorhergehen muß, kann ich mich aber ebensowenig anschließen als demjenigen, daß ein Verbot nur mit Zustimmung des Reichskanzlers ergehen darf. Mit der Warnung ist gar nichts erreicht; es würde dann Warnungen nur so regnen; und der Kanzler hat keine Zeit und keine Möglichkeit die eventuellen Gründe für ein Verbot zu prüfen. Bis jetzt haben die Zeitungen mitgeholfen das schwere Problem des Durchhaltens lösen zu helfen, sie haben sich in weitestem Umfange in den Dienst der Oeffentlichkeit gestellt. Trotz alledem können wir dem Antrag der Sozialdemokraten auf Beseitigung des Belagerungszustandes und Aufhebung der Zensur nicht beistimmen. Die Zeiten sind jetzt anders als noch 1870/71; für militärische Zwecke ist jetzt die Zensur auch nach der Mobilmachung unentbehrlich. Etwas ließe sich durch ein Verbot allerdings erreichen, nämlich wenn alle Zeitungen auf vier Wochen verboten würden, aber nicht nur bei uns sondem in Ländern; dann würde der Frieden vielleicht sehr bald erreickt ein.

Abg. Fischbeck (fortschr. Volksp.): Es zeigt sich jetzt die Wir⸗ kung der Unterlassung, die darin besteht, daß nicht im Frieden die Abgrenzung der militärischen Gewalt gegen die anderen Gewalten vorgenommen worden ist. Gerade ein nichtliberaler Mann, der Senatspräsident Strutz, hat auf die Unhaltbarkeit dieses Zustandes hingewiesen. Freilich hat früher auch niemand an die Möglichket gedacht, daß wir in einen solchen Weltkrieg verwickelt werden würden. Den sozialdemokratischen Antrag können auch wir nicht annehmen

) Zei⸗

die höchste Zeit, um den bürgerlichen Rechtszustand auf dem nicht⸗ militärischen Gebiete wieder herzustellen. htanss die nh heme der Schaffung des Kriegspresseamts hat nicht die Hoffnungen erfüllt, die daran geknüpft worden sind. Verhältnismäßig harmlos liegen die Dinge noch, wenn der Zensor an dem Stil der Mitarbeiter Kritik übt, wenn Zitate umgestaltet werden; man lacht darüber, und der angerichtete Schaden ist nicht groß. Schlimmer liegt die Sache schon, wenn, wie es in Berlin geschehen ist, eine bestimmte Persen nicht angegriffen werden darf nach der Verfügung der Zensur, weil sie das Eiserne Kreuz erhalten hat. Bei dem dänischen Blatte „Heimdal“ hat der Zensor vorgeschrieben, was das Blatt zu bringen hatte, so Artikel aus der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“, der „Täglichen Rundschau“ usw. Wo bleibt da der Gedanke der Förde rung des Deutschtums in der Nordmark? Und können solche Dinge zur Hebung des Ansehens der Zensur und der militärischen Gewalt beitragen? Wesentlich schlimmer aber werden die Dinge angesichts der ungleichmäßigen und ungerechten Handhabung der Zensur, wenn die eine Zeitung denselben Artikel bringen darf und die andere nicht. Eine Ungleichheit besteht auch in der Handhabung der Präventiv⸗ zensur. In Norddeutschland ist sie aufgehoben, in Süddeutschla besteht sie weiter. Auf die Stimmung der Verleger und Redakteun an der der Militärverwaltung doch auch gelegen sein muß, wird kein Rücksicht genommen. ziele herrscht auch Verschiedenheit. Am besten kam weg das Karnickel, das damit angefangen hatte; die darauf antworteten, wurden gehindert. Charakteristisch für die Verhandlungen der Kommission war es, daß die einen die Besprechung der Friedensziele für eine Schwäche, die anderen sie für eine Stärke hielten. Wir glauben, es ist sehr richtig, wenn man hier allmählich vorgeht, den Broschüren die Er⸗ örterung dieser Ziele freigibt. Es müssen aber alle gleich be handelt werden. Am schlimmsten ist auch nach unserer Meinung das Verbot von Zeitungen für kleine Vergehen. Die ein solches Verbot erlassen, wissen nicht, was sie tun, daß sie das betreffende Blatt um den Ertrag der Annoncen bringen und auch das Publikum schädigen. Das Verbot erreicht nur das Gegenteil, es ruft Erregung und Erhitterung hervor. Es müßten wenigstens die Gründe des Ver⸗ bots mitgeteilt werden. Die Kommission hat sich dafür ausge⸗ sprochen, daß bei der Zensur eine große Sachlichkeit Platz greift. Ob die vorgeschlagenen ä helfen werden, steht dahin⸗ hoffen wir das beste. Das Verbot soll nur unter Zustimmung des Reichskanzlers erfolgen. Wir waren uns dartbber klar, daß diesen

Wunsche vechtliche Schwierigkeiten gegenüberstehen. Aber wir

Ich sehe von Einzelfällen ab.

nicht weiter wunder nimmt. Das „Kriegspresseamt“ hat seine Auf⸗

Schädigung der

aber Korrekturen müssen eintreten, dazu ist es noch Zeit, allerdings

In bezug auf die Besprechung der Friedens⸗.

wollten Protest einlegen 102 das bisherige Verfahreg, und wir wollten eine verantwortliche Stelle schaffen. Wir wollen Sicher⸗ beiten haben und haben in diesem Sinne heutoe noch einen Antrag eingebracht. Das Briefgeheimnis ist verletzt worden. Ganz ent⸗ behrt kann die Pressezensur nicht werden; die Mißgriffe müssen aber vermieden werden. Hinsichtlich der inneren Polilk ist die Zensur nicht besser, sondern schlechter geworden. Der Bemeis hierfür ist in der Kommission an zahlreichen Beispielen erbracht worden. Nach der Zensur wäre das politische Leben am besten unter der Ruhe des Kirchhofs. Die Zensur hat sich allmählich zur Dienerin aller mög⸗ lichen seainsecösen gemacht. Ich erinnere an den Fall des Leip⸗ ziger Meßpalastes. Ist denn unser Vaterland ein solches Kräh⸗ winkel, daß Meinungsverschiedenheiten über das Verhalten einer Bahn usw. uns vor dem Feinde schaden koönnten? Die Zensur ist zur Sach⸗ walterin von Privatinteressen geworden. Der Berliner Magistrat wurde in der Kohlenfrage von einem jungen Leutnant aufgefordert, die Erörterung über diesen Streit in seinem Nachrichtenblatt der Zensur zu unterbreiten. Was hat das zu tun mit der Sicherheit unseres deutschen Vaterlandes? Die Leute, die in den General⸗ kommandos sitzen, glauben, ihre Stunde sei gekommen, um die Welt in ihrem Sinne zu regieren. Die Zensur soll sich an die große Auf⸗ abe halten, die ihr gesetzt ist, die Verteidigung des Vaterlandes. as soll man dazu sagen, daß Mitglieder der Hirsch⸗Dunkerschen Gewerkschaften mit Gefängnis bestraft worden sind, weil sier sich mit anderen Mitgliedern besprochen haben? Die Regierung selber ist oft genug durch die des Belagerungszustandes betroffen worden. Ihre Anordnungen über die Ernährungsfragen sind von Generalkommandos mit einem Federstrich beseitigt worden. Wir müssen dagegen Widerspruch erheben, daß die Kommandos, wenn auch vielleicht in guter Absicht, die Pläne der Regierung durchkreuzen. Ein Volk, das so einmütig ist in dem Tragen von Lasten, darf politisch nicht am Gängelbande geführt werden. Welche Garantie haben wir, daß die 5 der neuen Steuerpläne, die heute gefordert wurde, überhaupt stattfindet? Wir haben beantragt, daß es wenigstens auf dem Gebiete der inneren Politik, der Handelspolitik die Vensarfreibein gibt. Was erreichen die Zensoren und Kommandos überhaupt mit ihrem Verbot? Sie können doch nicht die parla⸗ mentarischen Verhandlungen unterbinden? Allerdings in Sachsen und Bayern ist die Veröffentlichung der parlamentarischen Verhandlungen beschränkt worden. 5 die Zeit nach dem Kriege wollen wir erst recht Freiheit. Die Loebellschen Erlasfe mahnen zur Vorsicht. Wir wissen, wie selbst Landräte unternommen haben, die Zeitungen zur Aufnahme von Artikeln aus der „Neuen Correspondenz“ zu zwingen. War der Minister dagegen, so hätte er es vorher den Landräten sagen sollen. Wir verwehren es der Regierung keineswegs, offen und frei ihre Meinung zu sagen, sie soll es aber offen tun, damit das Volk weiß, wer zu ihm spricht. Trifft unsere Befürchtung zu, so müßten wir an den bekannten Zusagen des Reichskanzlers zweifeln. Das Verhalten der Zensurbehörde in bezug auf die inneren⸗ Ver⸗ hältnisse steht in krassem Widerspruch mit dem Inhalt der preußischen Thronrede. Wir hoffen, daß die Stimmen, die sich dem gegenseitigen Entgegenkommen widersetzen, bei der keinen Widerhall finden. Möge auf dem Gebiete der inneren Politik das Militär nicht verderben, was gute Politik geschaffen hat. Abg. Dr. Stresemann (nl.): Von dem Vertreter des preußi⸗ schen Ministers des Innern ist die Kompetenz des Reichstages be⸗ stritten worden, sich mit dieser Sache zu beschäftigen. Diese Auf⸗ fassung kann ich nicht teilen. Der Minister hat ja auf die preußischen Wahlen hingewiesen. Das preußische Wahlrecht ist ja so „ideal“, daß er an eine Beeinflussung in dieser Beziehung nicht gedacht hat. Er wird an eine Beeinflussung der Wahlen zum Deutschen Reichstage gedacht haben. Schon dies gibt uns das Recht, in dieser Sache mit⸗ zureden. Der Minister beansprucht für sich das Recht der freien Meinungsäußerung, das alle anderen haben, und er will seine Ansicht auch in einer Wahlrede ventreten. Ich würde es als einen Fortschritt im politischen Leben bezeichnen, wenn unsere Staatsminister mit ihrer ganzen Persönlichkeit im Wahlkampfe für ihre Meinung einträten, Eine Regierung wird gegenüber einer grundsätzlichen Opposition viel eher durchdringen, wenn die Minister so kämpfen wie die englischen Minister, als wenn sie sich zurückhalten oder allenfalls ihre Meinung in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ aussprechen. Das deutsche Volk liebt starke Persönlichkeiten. Aber der Erlaß des Ministers von Loebell will nicht den offenen Kampf in einer Volksversammlung oder im Parlament, sondern ein neues Offiziosentum, den Zwang zur Aufnahme gewisser Artikel. Gerade dagegen müssen wir uns wehren, daß man durch einen sehr weit gehenden landrätlichen Zwang es dahin zu bringen versucht, eine amtliche Korrespondenz einzuführen und den Abdruck gewisser Artikel zwangsweise zu verlangen, und daß man dies zu einer Zeit versucht, wo die Zensur jede Gegnerschaft verhindert Daher bitten wir das Haus, der ersten Resolution, die die Kommission vorgeschlagen hat, zuzustimmen. Wenn man die gegen die Zensur von allen Seiten erhobenen Anklagen überblickt, muß man wirklich sagen: Es ist schwer, keine Satire zu schreiben. Die Zensur hat sich tat⸗ sächlich sogar in den Dienst von Privatinteressen gestellt. Das Tollste aber ist die Anmaßung, Reichstagsverhandlungen unter ihre Zensur zu stellen; was in dieser Beziehung der Kollege Dittmann ausge⸗ sprochen hat, muß jedes Mitglied des Hauses unterschreiben; denn damit, daß unsere Aeußerungen von dieser einzigen freien Tribüne von irgend einem Generalkommando unter seine Zensur genommen werden, hören wir auf, ein Parlament zu sein. Wenn ein Zensor Goethe verbietet und Lenau umdichtet, mag er in der Geschichte des Humors der Weltgeschichte seine Rolle spielen; aber wenn das Zensur⸗ amt zu einer völligen Unterbindung der freien Meinungsäußerung sich auswächst, so liegt die Sache doch weniger heiter. Es wird von manchen Rednern die Vorlegung des Manuskripts verlangt und die Forderung erhoben, daß es verlesen oder doch ohne jede Abweichung vorgetragen wird. Damit wird jeder wirkliche Redner von der Tribüne ausgeschlossen. Denn solche Ueberwachung schießt in der ärgsten Weise über das Ziel hinaus. Zwei Generalkommandos haben eine ganze Reihe von Jugendschriften verboten, das Verbot hat den Verlag und den Betrieb getroffen; es handelt sich dabei um patriotische Jugend⸗ schriften, für die Armeeführer und Prinzen ihren Dank ausgesprochen haben; das 7. Generalkommando hat aber gefunden, daß diese Bücher nicht gehaltvoll genug wären. Professor Brunner hat gegen dieses Verbot protestiert; das Verbot bleibt bestehen, und der General von Gayl läßt den Verlag wissen, er möchte ihm diejenigen Bücher bezeichnen, die gehaltvell genug seien, er würde sie dann prüfen. Man sollte doch annehmen, daß diese Prüfung dem Verbot vorangegangen wäre. Eine Serie von 87 Werken ist auf diese Weise einfach unter das Verbot gestellt worden. Dazu sind die Herren nicht eingesetzt, um den Gehalt von solcher Lektüre für das Volk zu prüfen. Viel schawverere Eingriffe in das Gebiet der persönlichen Freiheit sind die Fälle der Verhängung von Sicherheitshaft. Gewiß muß ein solches Mittel in solchen Zeiten vorhanden sein, aber wer es handhabt, sollte sich auch der schweren Verantwortung dafür bewußt sein. Nicht bloß Anhänger der Friedensbewegung, sondern auch Anhänger der Annexionspolitik sind unter die Briefsperre gestellt worden. Das ist doch nicht die Art, wie man eine Erörterung über die Kriegsziele vermeidet, wenn man das ganze Privat⸗ und Geschäftsleben des einzelnen unter eine solche Kontrolle stellt. Sehr böse Wirkungen muß auf diesem Gebiete auch die ungleichmäßige Behandlung der Presse haben. Das YVerbot der „Deutschen Tageszeitung“, der „Post“, der „Täglichen Rundschau“, der „Crefelder Zeitung“ beweist die Willkür auf diesem Gebiete. Sogar Unterredungen mit dem Generalfeldmarschall Hindenburg sind der Zensur verfallen. Ist denn überhaupt das Staatsinteresse bedroht, wenn in der Kriegszeit politische Fragen in größerem Umfange er⸗ örtert werden? Ich bestreite das. Hat man sich den Begriff „Burg⸗ frieden“ so denken können im Volke, daß damit auch alle politischen Gegensätze ausgelöscht wurden? Nein, unter „Burgfrieden“ verstehe ich die gegenseitige Achtung der Parteien; darunter kann das Staats⸗ interesse als solches niemals in Mitleidenschaft gezogen werden. Die „Deutsche Arbeitgeberzeitung“ hat mir übrigens jetzt mitgeteilt, daß der Artikel, den ich neulich zu tadeln Gelegenheit nehmen mußte, keine redaktionelle Arbeit, sondern eine als solche ausdrücklich gekennzeichnete

denken gegen den inneren Burgfrieden haben keine Beeen. In dieser Ferebee ist uns England doch ein großer essher schon im Frieden gewesen; es hat den Wert der öffentlichen Meinung früh erkannt und stets hochgestellt, während auf diesem Gebiete bei uns große Versäumnisse liegen, auch Versäumnisse der deutschen Diplo⸗ matie; man hat uns im Inlande gegängelt, indem man uns in den Zeitungen die Dinge hören ließ, die freundlich für Deutschland klangen, während uns erst der Krieg die Augen über die wirkliche Sachlage geoffnet hat, daß wir fast überall nur Neider, Feinde und Gegner I.⸗ Wir dürfen uns nicht damit trösten, daß wir uns selbst genug sind. Die geistige Isolierung als Volk kann kein Volk vertragen. Das lehrt uns die Geschichte der letzten Zeit. Wie wir die öffentliche Meinung bisher im Ausland zu gering einschätzten, so begehen wir jetzt denselben Fehler im eigenen Lande. Das Schweigen im Walde darf nicht das Endergebnis aller Regierungsweisheit sein. Daß wir wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, weiß das Ausland aus den Maßnahmen unserer Regierung ganz genau. Es müßten Wander⸗ lehrer ins Land gehen und sagen, es geht manches schlecht, und ihr müßt euch darauf einrichten. Es muß offen ausgesprochen werden, es ist alles da, aber es wird von Wucherern verteuert und zurückgehalten. Die öffentliche Kritik in England kann schließlich nur als ein Beweis der Stärke angesehen werden. Wir können die offene Erörterung wirtschaftlicher Fragen ertragen. Die Erörterung sollte im Reichstage so lange ausgesetzt werden, bis die öffentliche Er⸗ örterung freigegeben ist. Wir stehen vor der Erneuerung unserer ganzen Handelspolitik. Die Besprechung auch dieses Problems muß sehegelen werden. Ich freue mich, daß das Naumannsche Buch über Mitteleuropa nicht auch dem Zensor zum Opfer gefallen ist. Unsere amtlichen Stellen sollten aber auch acht geben auf die Reuterschen Telegramme, die in unserer Presse veröffentlicht werden. Diese Tele⸗ gramme sind für Deutschland ad usum delphini gefälscht worden. Das hat auch in wirtschaftlicher Beziehung Verwirrung hervorgerufen. Man hat den Eindruck gehabt, daß diese Telegramme nur Be⸗ ruhigungspulver für uns sein sollten. Das gilt auch von den Kongreß⸗ verhandlungen in Washington. Ich bitte, in dieser Richtung aufzu⸗ merken, ob die Telegramme, die Reuter an uns gelangen läßt, diejenigen sind, die anderen Ländern zugesandt werden. Was die äußere Politik be⸗ trifft, so darf die Freiheit der Erörterung auch hier nicht beschränkt werden. Wir haben jetzt die „Baralang“⸗Frage im Reichstage erörtert. Es war eine geradezu befreiende Tat gegenüber der Oeffentlichkeit. Es darf nicht das Gefühl aufkommen, daß unsere Regierung schwach ist. Es muß offen gesagt werden können, auch das, was wir den Vereinigten Staaten Ebenüber e sagen haben. Unsere Staats⸗ männer unterschätzen die große Waffe der öffentlichen Meinung in Deutschland. Wäre voch die deutsche Seele ein Saitenspiel, auf der die deutsche Regierung spielen kann. Es würde einen viel größeren Eindruck in Washington machen, wenn Graf Bernstorff hätte im Namen des deutschen Volkes auftreten können und nicht bloß im Namen der deutschen Regierung. Das Echo der Rede von Noske bis Oertel im „Baralong“⸗Fall wird seinen Eindruck nicht verfehlen. Eine Erörterung der Kriegsziele im Detail mit Hilfe der Karten wäre auch nicht empfehlenswert. Aber über die Kriegsziele im allgemeinen könnte man wohl sprechen. Ueber Weltanschauungen können wir uns ruhig auseinandersetzen. Daß Differenzen hierüber bestehen, weiß das Ausland und Inland mit und ohne Zensur. Wir müssen das Volk vorbereiten auf die künftige Zeit. Sprechen wir über unsere künftige Stellung zum Panslavismus, über unser Verhältnis zu den Deutsch⸗Balten, über das Problem England⸗Deutschland. Ich sehe nicht ein, warum wir darüber nicht ruhig sprechen könnten. Die Re⸗ gierung sagt, wir geben die Kriegsziele bekannt, wartet nur ab. Lassen Sie doch jetzt die Diskussion frei über die großen geschicht⸗ lichen Gesichtspunkte. Die Entscheidung in diesem Weltkriege liegt nicht allein bei den Diplomaten, das deutsche Volk muß auch gehört werden. Wir Nationalliberale treten für das größere Deutschland ein, verwahren uns aber gegen die Unterstellung, einem leitenden Staatsmann Schwierigkeiten zu bereiten und ihm den Weg zu ver⸗ sperren für innere Reformen. In der Stärkung der Rechte des arlaments werden Sie (nach links) uns auf Ihrer Seite finden. 2e endgültigem Siege ist auch die öffentliche Meinung notwendig. Ihre Freiheit darf durch die Zensur nicht ungebührlich beschränkt werden. G“ Von den nationalliberalen und freisinnigen Abgeordneten Bassermann, Dr. Ablaß und Genossen ist folgender Antrag eingegangen: baü Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage bei Beginn des nächsten Sitzungsabschnittes einen Gesetzentwurf vor⸗ zulegen, durch welchen die auch während des Krieges unentbehr⸗ lichen Sicherheiten hinsichtlich der Eingriffe der Militärgewalt in das bürgerliche Leben geschaffen werden und die Verantwortlich⸗ keit für diese Maßnahmen geregelt wird“. .

Abg. Dr. Oertel (dkons.): Wir haben heute bisher, um mich ausnahmsweise eines Fremdwortes zu bedienen, Monologe gehalten. Das liegt in der Natur der Sache. Die verbündeten Regierungen sind als solche für den Belagerungszustand und für die auf Grund dieses Zustandes erlassenen Bestimmungen nicht verantwortlich, und die verantwortlichen Stellen sind einem anderen vevantwortlich als dem Reichstag. Wir werden also unmittelbaren Erfolg durch unsere Er⸗ örterungen kaum haben. Trotzdem halte ich sie für nötig, halte ich sie für zweckmäßig; trotzdem beteiligen sich meine politischen Freunde daran, weil sie eine offene Aussprache gewisser Beschwerden, gewisser Klagen, gewisser Wünsche mit allen anderen Parteien des Hauses für zweckmäßig erachten. Den Wunsch, den Belagerungszustand zu beseitigen und die Freiheit der Presse wieder herzustellen, können wir nicht teilen. Es ist hier behauptet worden, der Belagerungszustand, der jetzt aufrecht erhalten und gehandhabt wird, sei gesetz⸗ und ver⸗ fassungswidrig. Das ist nicht meine Meinung. Das ist auch nicht die Meinung des Senatspräsidenten Dr. Strutz. Der ist darin miß⸗ verstanden worden. Es besteht wohl einheitlich die Meinung, daß die Verfassungsmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit des Belagerungszustandes und seiner Aufrechterhaltung jetzt unbestreitbar ist. Es handelt sich bei den großen Gebieten, für die der Belagerungszustand verhängt werden kann, nicht nur um die unmittelbar bedrohten, sondern auch um die mittelbar bedrohten Gebiete, und zu den mittelbar bedrohten Gebieten gehört das ganze Deutsche Reich. Es ist schon darauf hin⸗

ewiesen worden, wie außerordentlich gefährlich doch die Spionage im Peutschen Reiche sei. Es ist auch gesagt worden, wir brauchen nicht dem Auslande gewisse Nachrichten vorzuenthalten, da dieses alles durch die Spione erfährt. Das Spionagegesetz mag ja für den Frieden genügen, aber seine Durchführung im Kriege setzt den Belagerungs⸗ zustand voraus. Ich glaube, es ist wirklich allgemeine Meinung, daß an der Gesetzmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit des Belagerungs⸗ zustandes nicht ein Zweifel sein kann. Nun gebe ich ohne weiteres zu, daß der Senatspräsident Dr. Strutz recht hat, wenn er sagt: Hätten wir ahnen können, daß einmal der Belagerungszustand für so lange Zeit verhängt werden würde, so hätten wir dafür gesorgt, daß die verfassungs⸗ und gesetzmäßigen Grundlagen breitere geworden wären, einwandfreier gestaltet worden wären. Aber darüber läßt sich heute nicht reden. Wir haben nun die Grundlagen. Ich habe nicht den Mut, zu behaupten, daß wir auf den Belagerungszustand verzichten können; und wenn ich Sie alle einzeln fragen würde, ich glaube, es würde keiner die Verantwortung dafür übernehmen, jetzt den Belage⸗ rungszustand völlig aufzuheben. Die Gefahr ist viel zu groß und muß beseitigt werden, und sie ist bisher bis zu einem gewissen Grade durch den Belagerungszustand gemildert worden. Wir müssen uns also damit abfinden. Der Antrag, den die Herren Fortschrittler und Nationalliberalen uns unterbreitet haben, verfolgt den Zweck, daß bei Beginn des nächsten Sitzungsabschnittes, also etwa am 15. oder 16. März, ein Gesetzentwurf vorgelegt werde, durch den Sicherheiten hinsichtlich der Eingriffe der Militärgewalt in das bürgerliche Leben geschaffen werden und die Verantwortlichkeit für diese Maßnahmen geregelt wird. Die Begriffe, mit denen der Antrag arbeitet, sind etwas kautschukartig. Ich habe auch aus den Worten meiner beiden Vorredner nichts genügend zur näheren Erklärung vernommen. Ich

wegs die direkte Verhandlung mit Gewerkschaftsorganen ab. Die Be⸗

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können, es sei denn, daß die genagende und aukreichende Erklärung noch nachgeholt wird. Ich bezweifle aber, ob es moglich und zweckmaäßid sein würde, jetzt im Kriege ein solches Gesetz vorzunehmen. Nach dem Kriege werden wir ernstlich zu prüfen haben, ob wir dem Gesetzentwurff eine andere Grundlage geben wellen. Wir werden uns dann der Teil⸗ nahme hieran nicht entziehen. Wenn man dem Abg. Dittmann zu⸗ gehört hat, so sollte man beinahe der Meinung sein, daß unsere stell vertretenden kommandierenden Generäle vollkommen weltfremde Leute wären, die sich nicht zurecht finden können im jetzigen Leben, die von ihrer Verantwortung nicht genügend durchdrun wären. Das ist durchaus falsch. Wir empfinden schwer den Mangel, daß wir das politische Leben nicht so entwickeln können, wie wir es dringend wünschen, gerade wir, die wir doch sagen dürfen, daß die wichtigsten Grundsaätze, die wichtigsten Hauptsaätze unserer Weoltanschauung durch diesen Krieg bestätigt werden. Wir werden ebenso von diesen Be⸗ stimmungen getroffen wie Sie. Selbst kleine Gruppen sind daran verhindert worden, Vertrauensmännerversammlungen zu veranstalten; die Veranstalter sind segar bestraft worden, Das sind Folgen, die man hinnehmen muß, die gewiß unerfreulich sind. Aber eine Beseitigun des Belagerungszustandes deswegen zu fordern, das geht weit über das Maß des Möglichen und des Perstänbigen hinaus. Wenn der Be⸗ lagerungszustand ohne Gefahr abgeschafft werden könnte, auch wi würden das mit Freude begrüßen. Denn wir sehnen uns nicht nach einer Fortdauer dieses Zustandes. Aber die stellvertretenden komman⸗ dierenden Generäle haben doch ihre großen Verdienste. Sie haben mit dazu geholfen, daß alle die wichtigen Einrichtungen, die getroffen werden mußten, geschaffen werden konnten. Das ist von allen Seiten anerkannt worden. Es ist ja sogar die Forderung gestellt worden, daß man alle unsere Ernährungsfragen in die Hand eines kemmandierenden Wirtschaftsgenerals legen sollte, Vielleicht wäre das das Beste gewesen, wenn der Mann die richtigen Ratgeber gehabt hätte. Wo er diese sich hätte suchen sollen, das will ich nicht andeuten. Auch Sie (nach links) haben verschiedentlich an⸗ erkannt, daß das Eingreifen der stellvertretenden kommandierenden Generäle segensreich gewesen ist. Ich erinnere an die Verfügungen gegen den Kmneipenbesuch der halbwüchsigen Jugend, gegen die Ver⸗ wahrlosung der Jugend überhaupt und an die Frage der Jugend⸗ schriften. Vereinzelte Mißgriffe mögen vorgekommen sein. Wie oft sind wir vor dem Kriege gemeinsam mit dem Zentrum dafür einge⸗ treten, daß gewisse Bühnenstücke verboten würden! Jetzt hat ein stellvertretender kommandierender General Sorge getragen, daß ein solches Stück, das dem Ernste der Zeit durchaus nicht angemessen ist, sonderen ihm geradezu mit der Faust ins Gesicht schlägt, von der Bühne verschwunden ist. (Zuruf links: Welches ist das?) Das ist der „Weibsteufel“. Der ist von einem kommandierenden General ver⸗ boten worden, vielleicht folgen ihm andere nach. Man darf also den Stab über die Tätigkeit der kommandierenden Generäle nicht ohne weiteres brechen. Sie sind sich ihrer Verantwortung durchaus be⸗ wußt, vielleicht mehr, als mancher andere, der ihre Tätigkeit kritisiert. Die Pressezensur empfinden wir und empfinde ich persönlich ebenso unangenehm und ebenso schwer wie Sie auf der äußersten Linken. Wenn Sie meinen, daß das nicht der Fall sei, daß die rechtsstehende Presse bevorzugt werde, so geben Sie sich einer gründlichen Täuschung hin, weil Sie eben nicht wissen, wie es uns geht. Ich möchte den Herren nicht wünschen, auch nur einen Tag auf dem sogenannten Redaktionsschemel bei uns zu sitzen, sie würden mit uns empfinden, wie das Damoklesschwert immer über uns hängt, daß wir mit einem Fuß immer an der Schwelle des Gefängnisses stehen. Früher war man vielleicht in Sorge, was man schreiben sollte. Jetzt sorgt man sich nur darüber, was man nicht schreiben darf. Die Summe dessen ist außerordentlich groß. Bei vielem, was durch meine Hande geht, weiß ich nicht recht, ob es nicht gegen ein Verbot verstößt. as geschieht beim besten Willen und bei der größten Vorsicht. Auch die Herren von der Zensur wissen oft nicht ganz genau Bescheid. Daher die Verschiedenheiten der Entscheidung in einzelnen Orten und bei einzelnen Persönlichkeiten. Wir können aber die Zensur nicht völlig beseitigen. Die Herren von der äußersten Linken meinen, daß sie be⸗ sonders bedrückt würden, daß die Zensur parteiisch sei. Auf der an⸗ deren Seite haben gerade wir den Eindruck, als ob gewisse uns ent⸗ gegenstehende Parteien weit gelinder behandelt würden als wir. Offen⸗ bar haben jedenfalls die Zensurbehörden die Absicht, unparteiisch zu sein. Es wird vielfach behauptet, daß eine Zeitung, die mir persönlich recht nahe steht, besonders bevorzugt würde. Diese Zeitung aber hat das ganze Strafregister, das es gibt, am eigenen Leibe erproben dürfen. Sie ist beschlagnahmt worden, eine Zeitlang der Präventiv⸗ zensur, der Vorprüfung, unterworfen gewesen; se ist zweimal, und zwar auf mehrere Tage, verboten worden, mehr können Sie doch auch nicht verlangen. Im Ausschuß ist gesagt worden, diese Zeitung müßte wegen Landes⸗ und Hochverrats verfolgt werden. Es wundert mich nur, daß man nicht gleich verlangt hat, daß der Hauptschriftleiter vor ein Standgericht gestellt würde. Wir vermissen bei der Zensur die Einheitlichkeit. Dieser Vorwurf kann ihr nicht erspart werden; er liegt aber in der Sache begründet. Es gibt keine allgemeine An⸗ weisung für die stellvertretenden kommandierenden Generäle und ihre Zensurbeamten. Das Kriegspresseamt sollte die Einheitlichkeit her⸗ beiführen. Es hat manchen guten Anlauf genommen, es ist in manchen Beziehungen besser geworden, aber noch bleibt viel zu erstreben. Die Einheitlichkeit muß erreicht werden. Es ist ein Unsinn und entspricht nicht dem Zwecke der Zensur, wenn in Frankfurt ruhig gedruckt werden kann, was in Berlin verboten wird. Dadurch kommt es doch auch ins Ausland. Gefährliche Dinge wirken doch gefählich überall. Alle diese Klagen beziehen sich in der Hauptsache nur auf die politischen Erörterungen, nicht auf die Erörterungen über die eigenen Heeres⸗ fragen und Fragen, die mit dem Heereswesen zusammenhängen. In diesen Fragen ist die Zensurbehörde weitherzig, sie unterdrückt nichts, sondern läßt manches durch, dessen Gestattung nicht ganz unbedenklich ist. Erfreulicherweise kann auch von dieser Stelle gesagt werden, daß wir den Berichten unserer Obersten Heeresleitung vollkommen Glauben schenken können. Die deutsche Oberste Heeresleitung hat uns nicht getäuscht, uns nichts vorenthalten, sie hat uns die Sachen so dargestellt, wie sie sich verhalten. Ich habe auch nichts dagegen, daß wir jetzt die Berichte der fremden Heeresleitungen ungekürzt ab⸗ drucken. Früher hatte ich wohl selbst Bedenken, ob es richtig sei, diese Berichte mit ihren großen Entstellungen und falschen Angaben ohne weiteres der SOeffentlichkeit mitzuteilen. Ich bin anderer Meinung geworden. Das Volk muß so weit erzogen werden, daß es die Berichte auch der Fremden einschätzt, wie sie ein⸗ geschätzt werden müssen. Die fortwährende Hinzufügung des Ver⸗ merks: „hierzu vergleiche man den Bericht der obersten Heeresleitung“ nutzt sich ab. Auch bezüglich der Reutertelegramme möchte ich nicht so weit gehen wie Dr. Stresemann. Daß Reuter der ungekrönte König der Lüge ist, darüber ist man sich nicht nur in Deutschland, sondern auch im neutralen Ausland und in England selbst völlig einig; es ist überflüssig, die Reuterdepeschen noch in usum delphini zurecht⸗ zumachen. „Reuter“ und „erlogen“ sind für uns übereinstimmende Begriffe. Würde Reuter zurechtgemacht, dann würde er von seinem wohlverdienten Renommee etwas einbüßen, und diesen seinen. Ruf Wund Ruhm wollen wir ihm doch lassen. Auch die anderen tele⸗ graphischen Mitteilungen aus anderen Quellen, die bisweilen durch jede Zusatzbemerkung bedenklich erscheinen, möchte ich nicht missen. Es ist Sache des Zeitungsleiters, seine Leser zur selbständigen Abschätzung des Wortes zu erziehen; und auch, wenn die Zensur weitherzig ist und zuläßt, was man sonst als verboten erachten mußte, so mls ich daraus keinen Vorwurf herleiten. Die großen beweglichen und be⸗ rechtigten Klagen aber richten sich gegen die politische Zensur. Nun könnte man sagen, es gibt keine politische Vorzensur. Formell aller⸗ dings nicht, aber tatsächlich, und nicht nur die sozialdemokratischen Blätter, sondern auch ein mir nahestehendes Blatt ist ihr unter⸗ worfen worden. Wenn die Zensurbehörde gewisse Erörterungen nicht wünscht, erklärt sie sie für militärische Dinge und verhängt die Präventivzensur, auch wenn die Dinge mit militärischen Dingen in einem noch so losen Zusammenhange stehen. Jede Woche mindestens ein⸗ bis zweimal erscheint eine kleine Notiz durch den Ferndrucker, daß die Behandlung der oder jener Frage nicht erwünscht oder vorläufig nicht erwünscht ist. Dann gibt es ein Merkblatt, welches lere, en

Zuschrift aus dem Leserkreise gewesen ist; die Redaktion lehne keines⸗

bin also nicht in der Lage, zu erklären, daß wir dem Antrage zustimn

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