leicht sogar noch besser geht. Das ist nicht zu verstehen. In uns allen steht doch die Ueberzeugung fest, daß nur die Wieder⸗ und Entwicklung unseres Handels und unserer Industrie Deutschland nach dem Kriege wieder den Aufschwung bringen kann, er die ihm vom Kriege geschlagenen Wunden heilt. Da können wir ein Vorgehen, das mit neuen Verkehrssteuern vergebt, nicht für ganz rationell ansehen. Ader wir verstehen, daß man Geld braucht, daß man Geld haben muß, und wir werden uns mit dieser Forderung abzufinden haben, wenn gleichzeitig auch der Besitz gerecht ogen wird. Unsere Truppen schützen an den Fronten gleichmäßig Besitzende und Besitzlose; sie schützen aber den Besitzenden mehr als den tzlosen, nämlich ihren Besitz. Daraus ergibt fis ohne weiteres die sücberung einer gerechten Heranziehung des Besitzes zu den Kriegslasten. Es t jedoch keineswegs sicher, wie nach dem Friedesgs uß die große Steuerreform ausfallen wird. Ieß die Besitzlosen 88 jetzt, während des Krieges, mit höheren Lasten erangezogen werden sollen, muß in der Bevölkerung wie an der Front das gleiche Befremden und den gleichen Widerspruch hervorrufen. Man darf sich nicht Fviglich darauf berlassen, daß späterhin auch die Besitzenden einmal angehalten werden sollen, ihr Scherflein beizutragen. Man weiß, welche Einfluͤsse dann sich geltend machen können, wie man auf den alten, geheiligten Grund⸗ satz an dem nicht gerüttelt werden dürfe, zuxückverweisen wird, wo⸗ nach die direkten Steuern den Einzelstaaten vorbehalten sind. Wir halten für unmöglich, die “ und abtragung im Reiche ertig zu bringen, wenn wir das Reich auf die indirekten Steuern beschränken wollen. Die Matrikularbeiträge sind ja doch auch nichts anderes als die indirekte Hetazichühn der Landessteuern zu den Be⸗ dürfnissen des Reiches. Die kleineren Einzelstaaten müssen doch ein⸗ sehen, daß dieser geheiligte Grundsatz ihnen unter Umständen direkt zum Verderben gereichen würde, wenn das Reich sich schließlich ge⸗ zwungen sähe, zur Heshs seiner Verpflichtung die Matrikular⸗ beiträge gewaltig zu erhöhen. Darum zweifeln wir nicht, daß das Reich u direkten Steuern hen muß. Lange genug hat es ja gedauert. nser Antrag auf Einführung einer Reichsvermögenssteuer ist schon alt. Ob die Reichseinkommensteuer weiter gänzlich im Hintergrunde wird bleiben können, steht dahin. Aus praktischen, tochnischen Grün⸗ den, die in der jetzigen Kriegslage begründet sind, sehen wir von der Wiederholung unsexes Antrages zurzeit ab. Auch an eine Reform der Erbschaftssteuer wird nicht heranzutreten sein; kommen wird sie ja doch, sie braucht nicht heute schon zu kommen. Mit den Sozialdemo⸗ kraten fordern auch wir einen Wehrbeitrag in der bescheidenen Höhe, daß er wenigstens die geplanten Perbracs⸗ und Verkehrssteuern er⸗ setzen kann. Wenn man uns auch hier immer wieder mit den Rück⸗ sichten auf die Einzelstaaten kommt, so sind ja tatsächlich dort und in manchen Kommunen Steuererhöhungen eingetreten, die aber nicht so⸗ wohl aus dem tatsächlichen Bedürfnis, als aus einer gewissen Vor⸗ sicht dem Reiche gegenüber entsprungen waren; ist dem so, dann wäre das für uns der allerdringendste Anlaß, hier einen iegel vorzu⸗ schieben. Spätestens bei der großen Reform nach Friedensschluß würde ja doch den bisherigen Zensiten des Wehrbeitrages wieder eine olche Steuer auferlegt werden, warum also jetzt, da sie schon zwei Jahre lang daran gewöhnt worden sind, ein Vakuum eintreten lassen? Die Kriegsgewinnsteuer ist gewiß sehr gerecht, aber sie ist keine all⸗ gemeine gleiche Besitzsteuer, sie hat mit einer solchen schon deshalb nichts zu tun, weil sie nicht dauernd erhoben wird. Wezzhalb sollen denn 80. % frei ausgehen, die unter Umständen außerordentlich leistungsfähig sind? Das ist nicht logisch und nicht zweckmäßig und verstimmt; denn es widerspricht direkt dem allgemeinen und berech⸗ tigten Verlangen der Bevölkerung. Die bisherigen Wehrsteuerpflich⸗ tigen müßten sich ja wundern, wenn man ihnen auf einmal ein Ge⸗ schenk machte. Die Stunde der Gefahr, auf welche jene Steuer be⸗ rechnet war, ist doch nicht verschwunden, der Nähen an die Opfer⸗ fähigkeit ist heute notwendiger als jemals. Der Wehrbeitrag könnte mit soundso viel Prozent festgesetzt werden bis zu dem Zeitpunkte, wo das Provisorium zu Ende ist und etwa die neue Reichssteuerreform gemacht wird. Die Veranlagungsschwierigkeiten wären nicht allzu ro Es ist nicht unsere Absicht, neben den Verbrauchssteuern die Wehrsteuerquote zu bewilligen, sonbern diese zu verwenden, um einen Teil der Abgaben zu ersparen, die dem Verbrauch und dem Verkehr auferlegt werden sollen. Von allen Steuern scheint uns die Quittungssteuer die schlechteste zu sein. Ob man auf die Brücke treten kann, die der Abg. Spahn empfohlen hat, einen Proßressip- ttemper einzusetzen, darüber möchte ich mir heute kein Urteil erlauben. ch habe zum Schluß nur eine Bitte an die verbündeten Regierungen: nehmen Sie die Sache nicht so leicht. Ich habe die Empfindung, daß sich die Regierung die Sache zu leicht gemacht hat. Die Bevölkerung vor und hinter der Front wird sich nicht ohne lebhaften Widerspruch mit den vorgeschlagenen Steuern abfinden. Regierung und Reichstag sollten alles tun, was in ihrer Hand liegt, um eine Verstimmung im Volke zu vermeiden. Dies kann nur durch die Tat, durch eine pari⸗ tätische Steuergesetzgebung geschehen. Hoffentlich gelingt es uns, den Steuervorlagen die schlimmsten Stachel zu nehmen.
Staatssekretär des Reichsschatzamts, Dr. Helfferich:
Meine Herren!. Ich will bei der vorgeschrittenen Zeit Ihre Geduld heute nicht mehr allzu lange in Anspruch nehmen, glaube aber doch auf die Ausführungen, die Sie hier gehört haben, wenigstens einige Worte antworten zu sollen.
Ich bin zunächst in der erfreulichen Lage, feststellen zu können, daß bei den drei Herren, die bisher aus dem Hause gesprochen haben, Uebereinstimmung darüber besteht, daß die Prinzipienfrage, ob jetzt zur Deckung des Defizits in unserem Budget Steuern gemacht werden sollen oder nicht, bejaht wird, und das ist immerhin ein Boden, auf dem man arbeiten kann.
Allerdings, sehr viel weiter scheint die Uebereinstimmung der Meinungen zwischen den drei Herren, die bisher gesprochen haben, nicht zu gehen. Ich habe aus den drei Herren eigentlich drei ver⸗ schiedene Meinungen herausgehört. Immerhin hat auch der Herr Redner der Sozialdemokratie einen Gedanken ausgeführt, der mir ja in der letzten Zeit in der öffentlichen Diskussion wiederholt begegnet ist und der auf Grund der Erfahrungen dieses Krieges ja auch nicht allzu fern liegt, einen Gedanken, der freilich für die Partei, für die der
Staatsminister
Herr Abgeordnete Keil gesprochen hat, bisher etwas abseits vom Wege lag, nämlich den Gedanken, daß auch die Besteuerun gdes Ver⸗
mögens und Einkommens nicht überspannt werden dürfe. Es ist in seinen Ausführungen doch die Idee durchgeklungen, daß an der Erhaltung der Kapitalbildung unter den Verhältnissen, unter denen
wir nun einmal leben, ein allgemeines Interesse besteht. Das ist in
der Tat der Fall. An der Erhaltung der Kapitalbildung, die mit ein Bestandteil der Grundlagen unserer Volkswirtschaft, unseres
ganzen Wirtschaftslebens ist, hat nicht nur der einzelne Unternehmer
ein Interesse, sondern daran hat der letzte Arbeiter ein ebenso großes
Interesse (Sehr richtigt rechts), und das ist ein Gesichtspunkt, den
wir bei den schwierigen Fragen, mit denen wir uns jetzt befassen und die in Zukunft nicht leichter sein werden, nicht aus dem Auge lassen
dürfen, wenn wir nicht das Steuer aus der Hand verlieren wollen. Ich
habe allerdings vermißt, daß der Herr Abgeordnete Keil aus dieser
Erkenntnis die Folgerung gezogen hat. Ich habe in seiner Rede leider
vergeblich auf die Fortsetzung dieses leise anklingenden Gedankens ge⸗ wartet und statt dessen schließlich doch nur eine summarische Ver⸗ urteilung von Verkehrs⸗ und Verbrauchssteuern herausgehört, weil sie sich angeblich nicht der Leistungsfähigkeit anpaßten. Also so Lanz klar scheinen hier die Dinge doch nicht m k n.
v1 .“
Von dem dritten Herrn Redner habe ich auch zunächst die Be⸗ jahung der Prinzipienfrage gehört, ob die Steuern überhaupt gemacht werden sollen oder nicht. Der dritte Herr Redner hat ferner — im Gegensatz zum ersten — nicht etwa rundweg abgelehnt, auf den Boden der Vorschläge zu treten, die die vexrbündeten Regierungen dem hohen Hause unterbreitet haben. Der Herr Abgeordnete von Payer hat zwar speziell über den Quittungsstempel, der wirklich sehr wenig populär zu sein scheint, außerordentlich harte und bittere Worte gesagt (Heiterkeit), aber immerhin ist er doch nicht zu einer Gesamtverurteilung von Ver⸗ brauchs⸗ und Verkehrssteuern in der gegenwärtigen Situation ge⸗ kommen. Dagegen hat er es allerdings für notwendig erachtet, daß die Mischung doch eine erheblich andere werden müsse als diejenige ist, die die verbündeten Regierungen Ihnen porgesetzt haben.
Der zweite Herr Redner, der Herr Abgeordnete Dr. Spahn — diesen Eindruck habe ich wenigstens aus seinen Ausführungen ent⸗ nommen — hat sich nicht nur in der prinzipiellen Frage, sondern auch
Hinsichtlich der Zusammensetzung der Steuerentwürfe mehr der Auf⸗
fassung der verhündeten Regierungen genähert.
Nun, meine Herren, die grundsätzliche Frage, daß neue Steuern erhoben werden müssen, können wir also wohl als erledigt ansehen. Es handelt sich also noch um die Frage, ob dasjenige, was wir Ihnen vorgeschlagen haben, in der Tat die radikale Verurteilung verdient, die von sozialdemokratischer Seite erfolgt ist, oder auch nur die halbe Ver⸗ urteilung, die sie pon seiten des Herrn Abgeordneten von Paver er⸗ fahren hat, oder ob nicht doch pielleicht dieses hohe Haus sich mit den Vorlagen schließlich wird befreunden können.
Meine Herren, der Herr Abgeordnete von Payer hat gemeint, er habe den Eindruck, wir hätten es uns etwas zu leicht gemacht. Dem muß ich widersprechen. Leicht haben wir es uns ganz gewiß nicht ge⸗ macht. Das sollten Sie uns lassen, auch dann, wenn Ihnen die ein⸗ zelnen Steuern nicht gefallen. Nehmen Sie alle die Klarlegungen und Verhandlungen, die einem so weitschichtigen und umfangreichen Gesetzgebungswerke vorausgehen müssen, zu alledem hinzu, was uns der Krieg Tag für Tag, von früh bis spät Abends an Arbeit und Sorge auferlegt, und Sie werden uns diesen Vorwurf gewiß nicht machen wollen. Leicht haben wir es uns nicht gemacht, und ich kann an das hohe Haus nur die Bitte richte: Machen Sie es uns nicht zu schwer!
Wir haben sehr wohl die hier vorhandenen Klippen und Tiefen erkannt; aber wir haben uns nach reiflicher Ueberlegung und ein⸗ gehender Prüfung entschlossen, diesen Weg zu gehen. Ich habe Ihnen neulich die großen Gesichtspunkte auseinander gesetzt, und ich darf wohl heute noch einige meiner damaligen Ausführungen ergänzen.
Zunächst möchte ich dabei eins zurückweisen: Es ist uns nicht Feingefallen, dem Reichstag ein Konglomerat von Vorschlägen vorzu⸗ setzen, das willkürlich gegriffen ist und das nur aus Verkehrs⸗ und Verbrauchssteuern besteht. Mitunter hatte ich das Gefühl, daß dem so sei, als ich den Redner von der Sozialdemokratie hörte, mitunter auch aus den Ausführungen des Herrn Abgeordneten von Paver. In Wirklichkeit liegt die Sache erheblich anders. Wenn Sie sich allein auf die Vorlagen beschränken, die Sie hier im Reichstag bekommen haben, auf die Steuern, die im Reiche selbst zu erledigen sind — und das Reich ist nicht allein auf der Welt —, so trifft selbst dann eine solche Charakterisierung nicht zu; denn die dickste und schwerwiegendste Vorlage, die Sie bekommen haben, ist die Kriegsgewinn⸗ steuer. Die Kriegsgewinnsteuer ist, wie der Herr Abgeordnete von Paper auch bereits ausgeführt hat, keineswegs eine bloße Be⸗ steuerung der Kriegsgewinnsteuer, sondern eine Besteuerung eines jeden Vermögenszuwachses, der überhaupt in den drei letzten Jahren eingetreten ist. Meine Herren, das ist ein außerordentlich starker Ausbau des bestehenden Besitzsteuergesetzes, das Sie vor drei Jahren beschlossen haben und auf das Sie so stolz waren (Widerspruch rechts), manche Herren vielleicht auch nicht. (Heiterkeit.) Jedenfalls werden diejenigen Herren, die jetzt an der Kriegsgewinnsteuer porübergehen, als habe sie nicht viel zu bedeuten, sich beim genaueren Zusehen doch wohl überzeugen müssen, daß hier in der Tat ein starkes Gegengewicht gegenüber den Verkehrs⸗ und Ver⸗ brauchssteuern vorliegt. Wenn Sie die alte Besitzsteuer, wie sie geht und steht, im einzelnen betrachten und mit dem vergleichen, was wir jetzt in dem Kriegsgewinnsteuergesetz vorschlagen, so finden Sie das Folgende:
Erstens haben wir den Kreis derjenigen, die von diesen Besitz⸗ steuern getroffen werden, erheblich erweitert, indem wir die juristi⸗ schen Personen einbezogen haben. Von den juristischen Personen allein werden wir wohl einige hundert Millionen Mark an Kriegsgewinn⸗ steuer bekommen. (Hört, hört!) Das ist wenigstens der Eindruck — ich will nicht prophezeien —, den ich aus den bisher veroffentlichten Bilanzen einer großen Anzahl von Unternehmungen gewonnen habe. Also ganz unbescheiden ist die Ausdehnung des Terrains, auf das wir die Besitzbesteuerung erstrecken, ganz gewiß nicht.
Zweitens haben wir auch bei den physischen Personen eine Reihe von Dingen mit in die Besteuerung hineinbezogen, die im Besitz⸗ steuergesetz nicht erfaßt werden, Luxusgegenstände, Schmuckgegenstände und ähnliche Dinge mehr, auch alte Kunstwerke und sonstige Wert⸗ sachen, die bisher außerhalb der Besteuerung standen.
Drittens bitte ich Sie, die Sätze zu betrachten. Der Herr Ab⸗ geordnete Keil hat zwar die Sätze kritisiert, als wenn sie eine Lappalie wären; aber ich glaube wirklich, auch der Herr Abgeordnete Keil müßte zugeben, es ist nicht ganz so schlimm, wie er es dargestellt hat. Wir kommen doch imerhin bei den höchsten Sätzen bis in die Nähe von 50 %. Wenn Sie den Höchstsatz beim Besitzsteuergesetz nehmen, so betvägt er 1 ⁄¼ % als Grundtaxe und 1 %, das dazu kommt, bei einer Vermögenshöhe von — ich glaube — 10 Millionen Mark, also ein Maximum von 2 „½ %. Hier, bei der Kriegsgewinnsteuer, kommen Sie in die unmittelbare Nähe von 50 %. Das ist 20mal so viel, als der Höchstsatz der Besitzsteuer beträgt. Das ist zwar nicht in allen Stufen der Fall, aber wenigstens in den höchsten Stufen bedeutet die Kriegs⸗ gewinnsteuer ungefähr eine Verzwanzigfachung der Besitzsteuer. Das ist doch, bei Licht betrachtet, ein ganz herzhafter Griff auf dem Gebiet der direkten Besteuerung, ein ganz kräftiger Ausbau der einzigen direkten Steuer, die heute im Reich besteht. Ich glaube, man sollte diese Tatsache nicht so leicht nehmen und sollte nicht den Eindruck in die Welt binausgehen lassen, daß die böse Regierung hier dem Reichs⸗ tag eine Steuervorlage gemacht habe, die ausschließlich gus Verfehrs⸗ und Verbrauchssteuern bestehe. Das ist nicht der Fall, dem muß ich
Ich habe mir bereits das letzte Mal hier auszuführen erlaubt, daß
nach unserer uffassung in dieser schatsen Bestruerung des Bermogens⸗
zuwachses während des Krieges — ich vermeide jetzt das Wort Kriegs⸗ gewinnsteuer — ein sehr starkes und wohl für sich ausreichendes Gegen⸗ gewicht gegen eine Besteuerung des Verbrauchs und Verkehrs liegt namentlich wenn diese Besteuerung von Verbrauch und Verkehr so ah. gestuft ist, daß nicht in ersten Linie die großen Massen getroffen werden. Und das trifft doch auf die Steuern, die wir Ihnen vorschlagen, zu.
Man hat in der Presse darüber gespottet, daß die Vorlage den Tabak als ein „enthehrlicheres Genußmittel“ bezeichnet hat. I meine Herren, wenn der Tabak kein entbehrlicheres Genußmittel r dann sage mir jemand, wo ich ein entbehrliches Genußmittel suchen soll. (Sehr richtig!) Der Herr Abg. Dr. Spahn hat ja vorhin schon im Scherz gesagt: ich rauche nicht, und mir geht es trotzdem ganz gut. Ich möchte hinzufügen: es soll schon vorgekommen sein, daß der und jener an Nikotinvergiftung gestorben ist, aber daß jemand am Nicht⸗ rauchen gestorben ist, habe ich noch nicht gehört. (Große Heiterkeit) Ich will damit nichts Feindseliges gegen den Tabak sagen. Der Tabak⸗ genuß ist, wenn man sich daran gewöhnt hat — ich bin auch Raucher — etwas sehr Angenehmes, aber nichts, was derartig uneinschränkhar st wie etwa das Brotessen. Darüber kann man doch im Ernst nicht streiten. Wenn die Vorlage sagt, der Tabak gehöre zu den entbehrlicheren Ge⸗ nußmitteln, so soll das heißen: wenn hier eine neue Belastung kommt dann ist der einzelne in der Lage, ihr je nach seinen Verbältnissen etwas auszuweichen und seinen Genuß zu beschränken. Das soll die Begründung bedeuten, und ich glaube, die Begründung ist zutreffend. (Sehr richtig! rechts.) Also eine Besteuerung, die die notwendigen Lebensmittel der breiten Massen trifft, ist nicht vorhanden. Die Be. steuerung ist überdies so gegliedert, daß die teueren Tabaksorten, die von den Wohlhabenden geraucht werden, sehr viel stärker getroffen werden als die billigen Tabake, namentlich auch die Rauch⸗ und Kau⸗ tabake, die zum großen Teil aus inländischem Material hergestellt werden. Wir haben also bei der Ausgestaltung der Tabakbesteuerung selbst dafür Sorge getragen, daß hier eine Abstufung nach gewissen sozialen Gesichtspunkten Platz greift.
Nun hat man gesagt: ja, der Raucher kann es schließlich noch vertragen, aber der Arbeiter! Meine Herren, glauben Sie doch nicht, daß wir die Arbeiterinteressen bei der Vorlage außer acht gelassen hätten. Es ist uns gesagt worden, wir hätten nur mit den Arbeit⸗ gebern verhandelt. Gewiß haben wir mit den Industriellen der⸗ handelt. Aber ich glaube doch, im allgemeinen von der deutschen Industrie, die ich einigermaßen kenne, sagen zu dürfen, daß das ein schlechter Arbeitgeber und, Gott sei Dank, ein seltener Arbeitgeber ist, der für seine Arbeiter kein gutes Herz hat. Lebhafte Zustimmung rechts und links. — Nal nal bei den Sozialdemokraten.) — Meine
Herren, widersprechen Sie nicht, ich glaube, wir können in Deutsch⸗
land stolz darauf sein, was in sozialer Beziehung bei uns nicht nur vom Staat, sondern auch von den einzelnen Unternehmern geleistet worden ist. (Lebhafte Zustimmung.) In den Besprechungen, die wir mit den Industriellen hatten, ist allerdings die Frage, wo der Arbeiter bleibt, sehr eingehend überlegt worden. Ich habe mich auch mit Vertretern der Tabakarbeiter selbst über die Dinge unterhalten. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) — Ich bedaure, ich habe den⸗ Zwischenruf nicht verstanden. 1
Was nun die Arbeiter anlangt, so ist behauptet worden, sie⸗ würden durch die Erhöhung der Steuer insofern getroffen, als ein Rückgang des Konsums infolge der Steuer unvermeidlich sei. E5 ist dabei auf frühere Fälle exemplifiziert worden, wo diese Entwicklung eingetreten und der Arbeiter der Leidtragende gewesen sei. Meine Herren, das stimmt ja nicht! Ich habe hier die Zahlen, wie die letzte Tabaksteuererhöhung von 1909 gewirkt hat. Man kann nickt auf das einzelne Jahr gehen. Wenn in Friedenszeiten eine steuerung kommt, so sickert das vorher durch; man trifft Vor tungen, — monatelange Verhandlungen im Parlament, starke versorgung, forciertes Arbeiten, und nachher, wenn die Läger sind, wird abgestoppt; d. h. in der Zeit vorher geht die Konju in die Höhe und nachher herunter; und wenn Sie die Zeit p und nachher vergleichen, finden Sie natürlich höhere Löhne unm bar vorher und eine Senkung der Löhne unmittelbar nachher. sind aber bisher niemals dauernde Störungen gewesen, sondern Uebergangsschwierigkeiten. Sie müssen, wenn Sie der Sache den Grund gehen wollen, größere Zeiträume heranziehen. Die Erhöhung der Tabaksteuer hat 1909 stattgefunden. Um ihre Wir auf die Arbeiterverhältnisse zu prüfen, vergleiche ich die Jahre 1902 bis 1906 und die Zeit von 1907 bis 1911; in die Mitte letzten fünf Jahre ist die Erhöhung der Tabaksteuer gefallen. habe ich als Zahlen der durchschnittlich versicherten Tabakarkb für die erste Periode 147 800 und für die zweite Periode 1677 also eine Vermehrung der Arbeiterzahl; ich habe ferner als du schnittlichen Arbeitslohn im ersten Falle 547 ℳ und im zw 616 ℳ, also auch eine Steigerung des Lohnes. Der Jahresd schnitt der tatsächlich verdienten Löhne war 1902 bis 1906 81 Millionen, 1907 bis 1912 rund 103 Millionen Mark.
Also wollen wir uns doch durch die kurzen Wellenbewegungen, die in der Uebergangszeit eintreten, nicht irre machen lassen, sondern auf das Ganze sehen. Gerade was die Frage der Arbeiter anlang ist jetzt die Zeit des Krieges für die Erhöhung der Tabaksteuer ja doch kommen muß — es ist doch gewiß niemand hier im Saal der glaubt, daß wir um die Erhöhung der Tabaksteuer herumkommen (Sehr richtig!) —, nach unserer Ansicht und der des weitaus größt Teiles der Fabrikanten der günstigste Zeitpunkt. Jetzt kommen auf mehr als 200 offene Stellen nur etwa 80 Arbeitsgesuche, also Konjunktur für den Tabakarbeiter, wie sie noch nie da war. We jetzt die Tabaksteuer durchgeführt wird, so wird der Arbeiter vir weniger getroffen, als wenn Sie sie in Friedenszeiten machen. ist die Preisbewegung im Flusse, alle die anderen Verhältnisse, die der Herr Abgeordnete Dr. Spahn erwähnt hat, lassen die Steuererhöhung zurücktreten. Die Preise sind hoch, aber sie werden bezahlt. T Zoll macht nur einen Bruchteil von den andern Faktoren aus, d jetzt auf die Preisgestaltung einwirken. Wenn nachher der Fr. kommt und wir den Tabak wieder billiger kaufen können, und m. dann die holländische und amerikanische Valuta wieder herunter geht so wird das den Fabrikanten und den Arbeitern den Uebergang ers leichtern. Also eine bessere Zeit, um den Uebergang zu höhern Steuersatzen relativ schmerzlos durchzuführen, als die jetzige, könnem Sie nach Friedensschluß gar nicht finden.
Aber ich habe mich länger, als ich es wollte, beim Tabak⸗ gehalten und komme jetzt zu den Verbrauchs⸗ und Verkehrssteus zunächst dem Quittungsstempel. Ich gebe zu, daß Quittungsstempel unbeliebt ist, aber er ist nicht so schlimm, daß d⸗
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üblich der Post mit dem Herrn Abgeordneten Dr.
T
brden ist, unterdrückt oder ernstlich schädigt. England hat doch ch einigen Verkehr und lebt wohl seit 200 Jahren mit dem Quit⸗ ngsstempel; der Verkehr ist in England durch den Quittungsstempel nz gewiß nicht unterdrückt worden. Wenn England den Quittungs⸗ mpel ertragen kann, können wir ihn auch ertragen. Der Stempel
gering, es wird niemand durch den Stempel so belastet, daß er te Last nicht ertragen könnte. Ueber die Methode der Erhebung erden wir uns verständigen. Der Entwurf, den Ihnen die verbün⸗ nen Regierungen vorgelegt haben, ist ja ziemlich lang und kom⸗ tjiert, da er sich vielgestaltigen Verhältnissen anzupassen hatte. ielleicht ist Ihnen aber trotzdem der Paragraph nicht entgangen r dem Bundesrat in bezug auf die Bestimmungen über die Er⸗ bung der Steuer sehr weitgehende Befugnisse gibt. Es hat wohl inen Zweck, hier im Plenum über diese zum Teil sehr schwierigen inge zu verhandeln; dafür ist die Kommission da. Jedenfalls wird r deutsche Verkehr durch den Quittungsstempel nicht zugrunde hen; die 80 Millionen aber, die wir daraus ziehen können, werden rF Reichskasse sehr zustatten kommen.
Was die anderen Verkehrssteuern anlangt, so stimme ich be⸗ Spahn durchaus erein. Das Reich hat hier einen riesengroßen Betrieb, der jetzt der Kriegszeit und auch später in der Uebergangszeit mit schwieri⸗
Verhältnissen zu arbeiten hat. Jede Leistung ist ihres Lohnes rt, auch wenn sie der Staat vollbringt, und ich sehe nicht ein, rum, wenn das Reich Geld braucht und einen solchen Betrieb zur rfügung hat, wo es, ohne neue Beamten einzustellen, ohne eine neue ganisation zu machen, mit einer Erhöhung von 20 % der Brutto⸗ nahmen einen Betrag von 200 Millionen herauswirtschaften kann, warum da das Reich nicht zugreifen soll. Ich glaube auch hier sen zu können, daß der Verkehr die neue Last ohne Schaden tragen ed und daß die große Masse der Bevölkerung nicht in erster ie mit den 200 Millionen getroffen wird. Auch hier ist doch eine bisse selbsttätige Anpassung an die Leistungsfähigkeit gegeben. Die ßen Briefschreiber, die die Post am stärksten in Anspruch nehmen, t nur mit Briefen, sondern auch mit Drucksachen und Tele⸗ mmen, das ist nicht die große Masse der kleinen Leute. Das
d die großen Betriebe, die ihren geschäftlichen Vorteil dabei
den und weiter finden werden. Wer aber zum Vergnügen schreibt telegraphiert, der kann erst recht bezahlen.
Der Frachturkundenstempel steht, wie der Herr Ab⸗ adnete Dr. Spahn ausgeführt hat, zu der Gesamtheit der Eisen⸗ neinnahmen in einem solchen Verhältnis, daß, wie ich schon neulich st habe, er so gut wie spurlos vorübergehen wird. Gewiß, die öfennige auf den Doppelzentner — die Höchstbelastung des neuen empels auf Eilgutwagenladungen — stellen gewiß etwas anderes wenn es sich um die Versendung von Kartoffeln oder wenn ich um die Versendung von Gold handelt; aber die 3 Pfennige tun bei den Kartoffeln’ nicht wehe; nicht einmal bei den Kohlen, die n gleichem Gewicht einen noch wesentlich geringeren Wert dar⸗ en. Diese 3 Pfennige sind etwas, was der Verkehr nach meiner en Ueberzeugung spielend und ohne jede Beeinträchtigung auf⸗ igen wird. Wenn bisher der Stempel noch viel niedriger war, ist das kein Grund, warum wir ihn jetzt nicht erhöhen sollen, um wir nicht jetzt auf diese Reserve zurückgreifen sollen. Auch liegt es ähnlich wie bei der Post. Der Stempel wird je nach Inanspruchnahme der öffentlichen Verkehrseinrichtungen gezahlt. Möglichkeit der Abwälzung auf den Verbraucher ändert daran ts wesentliches. Es handelt sich ja keineswegs nur um Massen⸗ kel des unmittelbaren Verbrauchs, sondern in großem Umfang Rohstoffen und Hilfsstoffen der Produktion, um Frachten, die in Industrie von einer Produktionsstelle zur anderen zu bewegen sind, denen ein großer Teil auch nach dem Ausland geht und in denen isbildung der Frachturkundenstempel bis zur Unmerklichkeit vex⸗ inden wird.
Gegenüber den so konstruierten Verbrauchs⸗ und Verkehrssteuern
—: ¹
in Sie innerhalb des Kreises des Reichs selbst den sehr starken bau der Reichsbesitzsteuer, wie er in der sogenannten Kriegsgewinn⸗ rr, richtiger, der Kriegsvermögenszuwachssteuer, gegeben ist. Ich be, auch das Deutsche Volk wird verstehen, daß darin in der Tat ausgleichende Gerechtigkeit liegt. Aber darüber us muß ich doch immer und immer wiederholen: das Reich steht öffentliche Körperschaft nicht allein, es umschließt nicht unser ge⸗ es öffentliches Leben. Das Reich steht auch nicht etwa neben den selstaaten und Kommunen als etwas Fremdes, die selstaaten und Kommunen stehen nicht etwa außerhalb des Reichs Gebilde, die das Reich nicht weiter zu interessieren brauchen. Das hh besteht vielmehr aus den Einzelstaaten und Kommunen. Die elstaaten und die Kommunen sind Teile des Reichs. Ihr Wohl Wehe wirkt auf das Reich zurück. Einzelstaaten und Kommunen ee immer wieder auf dieselben Steuerzahler, auf dieselben Steuer⸗ kte zurückgreifen wie das Reich. Und nun, meine Herren, können doch bei dieser Situation nicht derartig wirtschaften, daß wir im he Steuern erheben, ohne uns darum zu kümmern, was bei den elstaaten, was bei den Kommunen geschieht. Da ist eine Ver⸗ igung notwendig, und da ist so etwas wie ein Programm not⸗ ig, auch in Kriegszeiten. (Sehr richtig!) Zu dieser Verständigung ist der Weg vorgeschrieben durch die ehnung, welche die Reichssteuern im Laufe der Jahrzehnte er⸗ n haben. Was ist denn den Einzelstaaten und Kommunen an Steuerquellen geblieben? Nahezu nichts als die direkten tern. Also woher sollen die Einzelstaaten und die Kommunen jetzt tiege, wo die Einzelstaaten und Kommunen doppelt große Auf⸗ zu erfüllen haben, wo wir ihnen den Rat geben und sie er⸗
nicht auf den Geldmarkt zu gehen, keine Anleihen zu machen,
das Geld, das auf diese Weise aufgebracht werden kann, das für seine Kriegführung in Anspruch nimmt, — woher sollen e Einzelstaaten und die Kommunen das Geld nehmen, das sie hen, um ihren Betrieb aufrechtzuerhalten, um auch die großen aben in der Wohlfahrtspflege zu erfüllen, die ihnen jetzt ob⸗ zZwie sollen sie sich Geld beschaffen anders als dadurch, daß de direkten Steuern erhöhen? Und diese Erhöhung der direkten
ist ja kein Bild, das in der Zukunft liegt; sie ist zum schon vorgenommen, sie ist zum Teil im Zug, und sie wird, wie lrchte, noch in stärkerem Maße kommen. Also mit dieser starken Lanz einseitigen Vorbela stung der direkten Steuern Linzelstaaten und Kommunen haben wir als mit einer gegebenen
8 nicht
ht abzuändernden Tatsache zu rechnen, es sei denn, daß das enwa von seinen indirekten Steuern den Kommunen und Einzel⸗
“
Verkehr, wie vorhin von dem ersten Herrn Redner behauptet
staaten etwas abgeben wollte, und einen solchen Vorschlag habe ich
bisher noch nicht gehört. Ich würde ihn auch zurückweisen.
Also diese Vorbelastung der direkten Steuern hat stattgefunden und findet weiter statt. Und wie wirkt diese Vorbelastung? Ich habe neulich schon erwähnt, daß Zuschläge von 200, 250, ja selbst 300 % heute keine Seltenheit mehr sind; ich will aber heute etwas genauere Zahlen geben. Bereits vor dem Krieg, im Jahre 1911, waren in Preußen allein 12 208 Städte und Landgemeinden, nahezu zwei Drittel der Gesamtzahl, gezwungen, über 200 % Kommunal⸗ steuerzuschläge zu erheben, davon 296 Städte und 5751 Landgemeinden zwischen 200 und 250 %. 250 bis 300 % Zuschlag erhoben 85 Städte und 3762 Landgemeinden. Ueber 300 % haben erhoben 20 Städte und 2294 Landgemeinden. Das sind im ganzen in der ersten Kategorie 16 %, in der zweiten Kategorie etwas über 10 %, in der dritten Kategorie über 6 % der sfämtlichen Städte und Landgemeinden gewesen.
Heute ist die Sache bereits erheblich anders. Für heute habe ich noch keine zusammenfassende Statistik; aber die Dinge liegen heute so, daß der durchschnittliche Zuschlag, der erhoben wird, bereits im Jahre 1915 200 % erreichte, und daß er im Jahre 1916 über die 200 % sicher ganz erheblich hinausgehen wird. Das müssen Sie also zu der direkten Steuerbelastung in den Einzelstaaten hinzurechnen; dann kommen Sie, wenn Sie die Kirchensteuern noch mit hinzunehmen, die durchschnittlich wohl ungefähr 20 % der Kommunaleinkommen⸗ steuer beträgt, auf folgende Sätze:
Bei einem Einkommen von 30000 ℳ an Staatsein⸗ kommensteuer, Kommunalzuschlag und Kirchensteuer 11,55 %. Und wenn die Herren, die unsere Steuerverhältnisse so gern mit denen Englands vergleichen, wissen wollen, wie hoch die direkte Steuer in England ist, so kann ich sagen: in England sind es bei dem gleichen Einkommen 12,25 % Staatssteuern. Kommunalsteuern werden dort als Zuschläge zur Einkommensteuer bekanntlich nicht erhoben. Bei 100 000 ℳ Einkommen beträgt bei uns die Belastung des Ein⸗ kommens, wenn ich rechne, daß die 100 000 ℳ lediglich aus Arbeits⸗ einkommen stammen, daß also Vermögenssteuer nicht dazukommt, 16,8 %, und wenn die 100 000 ℳ aus Vermögen stammen, 18,5 %. Ich bemerke: das sind Zahlen, die sich verstehen auf der Grundlage des neuen preußischen Gesetzes, das ja gestern im Ab⸗ geordnetenhaus in zweiter Lesung angenommen worden ist. Also 18,3 % bei 100 000 ℳ, wenn die 100 000 ℳ fundiertes Ein⸗ kommen sind! In England ist der Satz für 100 000 ℳ 20,6 %. Aber bitte, meine Herren, überlegen Sie sich folgendes: Damit ist ja die direkte Besteuerung bei uns nicht erschöpft, sondern, wenn der Mann noch Gewerbetreibender ist oder Hausbesitzer oder Grund⸗ besitzer überhaupt, dann kommen noch die Realsteuern der Kommunen hinzu, die die Belastung doch noch ganz wesentlich steigern. Soweit ich sehen kann, waren doch schon vor dem Kriege und also vor den Kriegszuschlägen von den Gewerbe⸗ treibenden, den Industriellen und auch von Landwirten an direkten Steuern Sätze aufzubringen, die in keineswegs seltenen Fällen 22 und selbst 25 % erreichten oder gar überschritten. (Sehr richtig! rechts.) Also meine Herren, davon kann gewiß nicht die Rede sein, daß das Gebiet der direkten Besteuerung bei uns in Deutschland geschont werde. Wenn Sie zu den Sätzen, die ich eben nannte, von 22 bis 25 % noch die starke Erhöhung durch die Kriegssteuern hinzurechnen, dann komme ich über die so viel berufene Kriegssteuerbelastung in England hinaus.
Aber bei einem solchen Vergleich ist auch noch ein anderes Moment zu berücksichtigen.
Ich habe einmal durchrechnen lassen, wie der Aufbau des englischen Volksvermögens und des englischen Volkseinkommens sich verhält gegenüber dem Aufbau unseres deutschen Volksvermögens und Volkseinkommens. Die Resultate sind sehr interessant und erklären zu einem sehr großen Teile, warum England aus seinen direkten Steuern namentlich während des Krieges soviel hat herauswirtschaften können.
Beim Volksvermögen ist die Vergleichung nur durchführbar für die Zensiten mit mehr als 10 000 ℳ, da in England für die darunter liegende Schicht das Material fehlt. Da liegen nun die Dinge folgendermaßen: Von den sämtlichen Zensiten, die ein Ver⸗ mögen von mehr als 10 000 ℳ haben, entfallen in Deutschland auf die Zensiten mit mehr als 100 000 ℳ 9,7 %, in England dagegen 22 %. Auf die Vermögen von 1 Million und darüber entfallen in Deutschland 0,52 % der Zensiten, also rund ½ %, in England dagegen 2,15 %. Das heißt, der Raum, den die Millionäre im englischen Volksvermögen einnehmen, ist viermal so groß wie der Raum, den sie im deutschen Volksvermögen einnehmen.
Um die Gliederung etwas deutlicher zu machen, will ich Ihnen auch die Vermögensbeträge nennen, die auf die einzelnen Gruppen kommen. Von den gesamten privaten Vermögen von 10 000 ℳ und mehr entfallen bei uns in Deutschland auf die Vermögen von 10 000 bis 100 000 ℳ etwa 73 Milliarden, in England bloß 37 Mil⸗ liarden, auf die Vermögen von 100 000 ℳ bis 1 Million dagegen entfallen bei uns 65 Milliarden, in England 77 Milliarden, und auf die Vermögen von über 1 Million entfallen bei uns 43 Milliarden Mark, in England 87 Milliarden. Ja, meine Herren, nehmen Sie die erste und die letzte Stufe von 10 000 bis 100 000 ℳ bei uns mit 73 Milliarden, in England mit 37 Milliarden, so hat also England halb soviel wie wir in dieser untersten Stufe. Nehmen Sie dagegen die oberste Stufe der Vermögen von einer Million und darüber, so haben wir 43 Milliarden, England 87 Milliarden. Das Verhältnis ist genau umgedreht: in England doppelt soviel wie bei uns.
Was das Volkseinkommen anlaugt, so stehen die Dinge folgendermaßen. Die Einkommen bis 3300 ℳ — entsprechend etwa 160 Pfund Sterling — betrugen bei uns 23,5 Milliarden Mark, nahezu 70 % der gesamten zur Steuer veranlagten privaten Eintommen, in England 16,5 Milliarden, das sind 48 %, also nicht einmal ganz die Hälfte der gesamten Ein⸗ kommen. Wenn Sie die Einkommen von mehr als 14 500 ℳ nehmen, so betrugen bei uns diese Einkommen insgesamt 5,2 Milliarden = 15,4 % der gesamten veranlagten Einkommen, in England da gegen 11,6 Milliarden, das sind 34 %. (Zuruf: Das liegt auch ein bißchen an der Veranlagung!) Das liegt nicht an der Ver anlagung. Denn ich glaube, diese große Vermögen sind relativ leichter zu fassen und zu veranlagen. Ich glaube auch nicht, daß der Eng länder in dieser Beziehung gewissenhafter ist als der Deutsche. (Heiterkeit und Zustimmung.) Ich halte es für gänzlich unbestreitbar, daß das Bild, das in diesen Zahlen zum Ausdruck kommt, das richtige trifft. Jeder, der die Verhältnisse und das tägliche Leben hier und
dort kennt, wird das bestätigen. Aber wenn die Dinge einmal so liegen, werden Sie auch verstehen, wieviel leichter es für England ist als für uns, aus der direkten Besteuerung und namentlich einer hohen Besteuerung der Einkommen, die über 100 000 ℳ liegen, große Beträge herauszuwirtschaften. Uebrigens wird der berühmte Kriegs⸗ steuersatz von 34 % in England bei den Einkommen von2 Millionen Mark im Jahre erreicht —, bei den Einkommen, nicht etwa bei den Vermögen! Mir scheint, alles in allem ist der Aufbau des Volksvermögens und und Volkseinkommens bei uns gesunder als in England. Wir haben einen breiten Unterbau und eine solide Mittelschicht. Darauf können wir, glanbe ich, stolz sein: das hat uns geholfen, die wirtschaftliche Arbeit zu leisten, die Deutschland in den letzten Jahrzehnten geleistet hat, und wir wollen uns das auch durch den Krieg hindurch erhalten!
Meine Herren, wenn Sie diese Verhältnisse in ihrer Gesamtheit überblicken und wenn Sie sich dann vor Augen halten einmal die Tatsache, daß wir mit der Kriegsgewinnsteuer bereits ein sehr statt⸗ liches und ansehnliches Gegengewicht gegen die Verbrauchs⸗ und Verkehrssteuern, die wir Ihnen vorschlagen, geschaffen haben, und zweitens die Tatsache, daß die ganze unvermeidliche Mehrbelastung der Einzelstaaten und der Kommunen während des Krieges ausschließ⸗ lich auf dem Gebiete der direkten Besteuerung erfolgen muß, so werden Sie, glaube ich, nicht finden können, daß man dem Projekt, das die verbündeten Regierungen Ihnen vorgelegt haben, den inneren Zusammenhang und die sachliche Begründung absprechen kann.
Ich habe bei der Einbringung der Vorlagen hier zum Ausdruck gebracht, daß die verbündeten Regierungen in Würdigung der Vex⸗ hältnisse, die ich soeben die Ehre hatte, vor Ihnen auseinanderzusetzen, der bestimmten Ansicht sind, daß außer der Kriegsgewinnbesteuerung eine weitere direkte Besteuerung für das Reich im Kreise dieser Vorlagen nicht in Frage kommen kann. Ich kann das heute nur wiederholen.
Um nun noch ein Wort über die Gerechtigkeit zu sagen! Eine Steuer, die an sich absolut gerecht wäre, gibt es überhaupt nicht⸗ Auch die Einkommen⸗ und die Vermögenssteuer ist an sich nicht gerecht. Da gehen viel zu viel einzelne Gesichtspunkte zwischen den Fingern durch, ohne daß man sie fassen kann. Vor allen Dingen ist eine Einkommensteuer doch nur denkbar und durchführbar, wenn die unterste Schicht der Bevölkerung davon freigelassen wird, wie es ja bei uns tatsächlich der Fall ist. Indirekte Steuern haben im allgemeinen die entgegengesetzte Tendenz: sie haben die Tendenz nach der breiten Masse hin, während unsere direkten Steuern so ausge⸗ staltet sind, daß sie nach oben hin stark belastend wirken. Wenn Sie beides kombinieren, zu einem System zusammenfassen, so kommen Sie zu einer Annäherung an die Steuergerechtigkeit, die durch eine einzelne Steuer nie verwirklicht werden kann. Ich glaube, in diesem Sinne werden Sie auch das, was die verbündeten Regierungen Ihnen jetzt vorschlagen, als gerecht anerkennen dürfen.
Ich möchte also dringend bitten: machen Sie nicht den Versuch, an dem Gesamtkonzept, das ich Ihnen noch einmal entwickelt und, wie ich glaube, begründet habe, allzuviel zu ändern. Ich fürchte, daß dadurch der Zweck, den wir erstreben, nämlich die notwendigen Mittel, um die Reichsfinanzen auch während der Kriegszeit gesund zu er⸗ halten, rasch und prompt bereit zu stellen, gefährdet werden würde. (Lebhafter Beifall.)
Hierauf wird um 6 ½ Uhr die Fortsetzung der Beratung
—
auf Donnerstag, 11 Uhr, vertagt. 1.““
Preußischer Landtag. 8 Haus der Abgeordneten. 32. Sitzung vom 22. März 1916, Vormittags 11 Uhr.
(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer dieses Blattes bervichtet worden. 1 Bei der dritten Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend den Ausbau der Wasserkräfte des Mains, zu der der Antrag der Abgg. Dr. Fried⸗ berg (nl.) und Leinert (Soz.) vorliegt die Regierung zu ersuchen, bei den Vorarbeiten zur Aus⸗ führung des Deisterwerkes die Interessen der Städte Han⸗ nover und Linden in bezug auf die Rentabilität ihrer Elektrizitäts⸗ werke eingehend zu berücksichtigen und eine Verständigung darüber mit beiden Städten herbeizuführen, — erklärt der 8
Unterstaatssekretär. Dr. Freiherr von Coels von der Brügghen: Das Deisterwerk soll sich in das große Netz von Elektrizitätswerken eingliedern, das bis zur Nordsee geschaffen ist und eine Reihe von Städten und Landkreisen mit elektrischer Energie versorgen soll. Wenn Herr Leinert sich mit den Beteiligten ins Benehmen gesetzt hätte, so hätte er gefunden, daß seine Befürchtungen nicht zutreffen. Es ist keineswegs die Absicht der Regierung, in be⸗ stehende Werke einzugreifen und ihre Lebensinteressen zu schädigen, sondern einträchtig mit den Interessenten vorzugehen, sowohl mit denen, die mit Elektrizität versorgt sind, wie solchen, die eine solche Versorgung noch nicht genießen. Insbesondere haben wir schon eine vorläufige Vereinbarung mit den Hannoverschen SZ ge. troffen. Wir befinden uns vollständig auf dem Wege, den die Reso⸗ lution Friedberg⸗Leinert vorschlagt, so daß diese Resolution eigentlich vollständig überflüssig ist. Die Annahme, daß Millionen außerhalb des Etats ohne Genehmigung ausgegeben werden könnten, ist nicht zutreffend. 88
Abg. Leinert (Soz.): Ich hätte mich gern mit den Beteiligten ins Benehmen gesetzt, wenn ich eine Ahnung gehabt hätte, daß diese Sache gestern in der Kommission beraten werden würde. Die zweite Lesung ging mir so schnell vorüber, daß ich nicht mehr gegen die Re⸗ solution Einspruch erheben konnte. Heute ist die Sache in Minuten abgemacht, die gestern die Kommission drei Stunden lang beschäftigt hat. Der Minister hat in der Kommission gesagt, daß er durch die Kenntnisnahme seitens des Hauses zum Ankauf von Grund⸗ stücken ermächtigt sei, weil dieser zu den Vorarbeiten gehöre. Deshalb durfte das Haus diese Resolution nicht annehmen, da Geldausgaben erst auf Beschluß des Plenums in einer Kommission vorgeprüft werden müssen. Wir haben alle Veranlassung, das Geldbewilligungsrecht des Abgeordnetenhauses zu wahren. Herr von Pappenheim hat gestern in der Kommission selbst Bedenken gehabt, aber heute geht die freiwillige Aufgabe des Budgetrechts gerade von einem Abgeordneten der Volks⸗ partei aus. Das macht die Sache noch viel bedenklicher. Damit die Regierung gebunden wird durch einen Beschluß des Hauses, die Inter⸗ essen von Hannover und Linden wahrzunehmen, bitte ich, die Reso⸗ lution anzunehmen, die ich mit dem Arz. Friedberg zusammen ein⸗ gebracht habe. Ich kann nicht zustimmen, wenn die Interessen meiner Heimatstadt. Hannover nicht gewahrt sind.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Der Verlauf der Verhandlungen hat der Regierung gezeigt, wie be⸗ denklich es ist, so vorzugehen, wie sie in diesem Falle vopgegangen ist. Es handelt sich aber allein darum, daß die Registung sich die nötigen Gelände durch Vorverträge sichern kan- Die Resolution Friedberg⸗ Leinert ist nach den Erklärungen des Regierungsvertreters entbehrlich,
und die Ausführungen des Vortedners könnten dazu führen, in der