sprechung über die Lage in der Landwirtschaft weist der Tenps darauf hin, daß die chemischen Düngemittel sich in großen Mengen auf den Bahnhöfen anstauen und aus Mangel an Transportmitteln der Landwirtschaft nicht zugeführt wer⸗ den konnen. Von der Lösung der Transportfrage hänge nicht nur die Tatigkeit der Landwirtschaft, sondern das Schicksal des Landes ab. In England lagern in den Hafen übergroße Gütermassen, die aus dem⸗ selben Grunde nicht nutzbar gemacht werden konnen. Am schlimmsten aber sieht es in Amerika aus, dort stehen etwa 63 000 Kilometer unter Zwangsverwaltung; eine Bahn nach der anderen geht kopfüber. Die Leistungen der amerikanischen Bahnen fur Kriegszwecke sind nach einem fachmännischen Urteil ebenfalls überraschend geringe. Ueber das Rechnungsabkommen zwischen der Eisenbahn und der allge⸗ meinen Staatsverwaltung habe ich früher oft genug gesprochen; ich sehe dieses Abkommen als durchaus bewährt an und begrüße den Vor⸗ schlag seiner Verlängerung auf weitere zwei Jahre. Es beruht ja nicht auf den willkürlichen Vorstellungen, sondern auf sehr genauen Kal⸗ kulationen; die Grundlagen des Abkommens jetzt zu ändern, würde das Törichtste sein, was wir machen könnten. Die Frage, oh der Ausgleichsfonds stärker oder schwächer zu dotieren ist, iüͤteressiert augenblicklihch kaum. Er muß nur stark genug sein, um den Fehlbetrag ven 1914 gut zu machen, und das kann er; insofern hat er also seine Funktion exfüllt. Die Dotationsfrage wird man gut tun, bis nach dem Kriege zu ver⸗ tagen. Wenn man die Riesenumwälzung bedenkt, die der Krieg auf allen Gebieten des Verkehrs mit sich gebracht hat, so kann man die Verzinsung mit 3,59 % immer noch als befriedigend ansehen, und dieses Ergebnis spricht im Gegenteil für die Güte der Grundlagen, auf denen der Eisenbahnetat aufgebaut ist. Am meisten für die Gesund⸗ heit und Solidität des ganzen deutschen Wirtschaftsköwpers spricht in meinen Augen die Zunahme des Gütertransportes auch während des Krieges. Das heißt doch, daß die Produktion tatsächlich noch nicht erlahmt ist, sendern zugenommen hat, daß auch die Konsumtionskraft der Bevölkerung nicht nachgelassen hat. Wir können also getrost in die Zukunft sehen und der Hoffnung leben, daß die Eisenbahnverwaltung auch in Zukunft den gesteigerten Ansprüchen gewachsen sein wird. In den beiden schweren Kriegsjahren 1914 und 1915 hat die Eisen⸗ bahnverwaltung ihr rollendes Material um 6000 Lokomotiven, 58 000 Güterwagen, 6000 Personenwagen und 800 C“ per⸗ mehrt, eine erstaunliche Leistung und das beste Zeichen dafür, daß alle diejenigen Industrien und Hilfskräfte, die sich die Eisenbahn dienstbar machen muß, auf der Höhe ihrer Leistungen standen. Mit Pessimis⸗ mus kann man nur schlecht Politik treiben. Wenn Deutschland die Kraft besessen hat und noch besitzt, dem Ansturm einer halben Welt militärisch, finanziell und wirtschaftlich standzuhalten, dann wird es auch die Kraft in sich haben, nach dem Kriege sich weiter zu entwickeln. Man soll jeder Flaumacherei, wo man auf sie stoßt, mit aller Schärfe entgegentreten. Mir wäre es das Liebste, wenn man jeden Flaumacher ins Gefängnis sperrte, bis er Besserung gelobt hätte; hier liegt jeden⸗ falls eine Gefahr, der man begegnen muß. Auf dem sozialen Gebiet hat sich die Eisenbahnverwaltung geradezu mustergültig und bahn⸗ brechend gezeigt. Das wird sie auch in Zukunft tun. Ich bin von der Ueberzeugung durchdrungen, daß die großen Leistungen, die selbst der einfachste Arbeiter in dieser schweren Zeit verrichtet hat, zum größten Teil nur dadurch ermöglicht worden sind, daß jeder neben seinem persönlichen Patriotismus auch von dem Gefühl beseelt wurde: Du tust Deine Pflicht, weil Du weißt, daß Dir Dein Recht wird. Für die Arbeiter ein Spezialrecht zu schaffen, dafür liegt kein Bedürf⸗ nis vor. Es liegt auch nicht im Interesse der Arbeiterschaft; in ihrem wahren Interesse liegt es vielmehr, sich mit ihrem Vertrauen und Glauben dahin zu wenden, wo sie bisher schon ihr Recht gefunden haben. Wenn wir auf irgend einem Gebiete hohen, klaren, festen Blickes in die Z daft sehen können, so ist es auf dem Gebiete unserer Eisenbahnen; sie haben uns den Weg in Feindesland, sie werden uns auch zurückführen in eine gedeihliche, friedliche Weiter⸗ entwicklung.
Abg. DOeser (fortschr. Volksp.): Von dem Lobe und der Aner⸗ kennung, die wir im porigen Jahre unserem Eisenbahnwesen gezollt haben, 1 wir nichts zurückzunehmen. Auch was die Fürsorge der Staatseisenbahnen für die Angestellten betrifft, können wir uns dem warmherzigen Lob, das hier gespendet worden ist, anschließen. Da⸗ gegen glaube ich nicht mit einem Vorredner, daß ein Staatsarbeiter⸗ recht abträglich wäre; wir werden im Gegenteil zu einer Kodifikation dieses Rechts kommen müssen. Was für die drei Betriebswerk⸗ stätten als Anlernewerkstätten für die Kriegsbeschädigten geschehen ist, müßte möglichst ausgedehnt werden. Den altpensionierten Arbeitern und Beamten müssen erhöhte Teuerungszulagen gewährt werden. In bezug auf die Arbeiterdienstordnung ist ein guter Fortschritt erzielt worden dadurch, daß die besondere Spitze gegen eine politische Partei, die in den früheren Dienstordnungen vorhanden war, entfernt worden ist. Auf der anderen Seite hat der Minister mit größter Entschieden⸗ heit den Grundsatz vertreten, daß den Verkehrsarbeitern ein Streik⸗ recht nicht zuzubilligen ist. Ich glaube, alle bürgerlichen Parteien sind der Meinung, daß die Frage des Streiks bei den gemeinnützigen Betrieben doch etwas anders beurteilt werden muß als bei anderen Betrieben. Ein Massenstreik würde gleichbedeutend sein mit einem Stillstehen des Staates, des ganzen gewerblichen Lebens. Dem können wir nicht zustimmen. Allerdings muß ein Aequivalent geboten werden in einer größeren Selbständigkeit und in einem vermehrten Einfluß der Arbeiterausschüsse. Andererseits glauben wir, daß man den Angestellten das Koalitionsrecht nicht vorenthalten darf. Dieses Recht besitzen sie und müssen es behalten. Der Ausdruck in der Dienst⸗ ordnung „ordnungsfeindliche Bestrebungen“ ist ein Kautschukausdruck, der in der Praxis auch auf Bestrebungen ausgedehnt werden könnte, die sich bloß auf Werkstättenangelegenheiten beziehen und sich nicht gegen den Staat richten. Das kann unmöglich die Absicht des Ministers sein. Die von mir empfohlene Förderung des Scheckverkehrs durch die Staatsämter hat sich die Eisenbahndirektion in Frankfurt a. M. zu meiner Freude angelegen sein lassen. Hoffentlich handeln auch die anderen Staatsämter danach, obwohl der Handelsminister neulich auf meine Anregung eine Antwort nicht gegeben hat. Was das finanzielle Ergebnis der Eisenbahnen anbetrifft, so ist es bemerkenswert, daß im laufenden Jahre der Güterverkehr in einzelnen Monaten mehr ab⸗ geworfen hat als im Jahre vor dem Kriege. Allerdings sind die Ausgaben rapid hinaufgeschnellt, so die für Köhlen in einem Jahre um 50 Millionen. In bezug auf die Tarife freut es mich, daß die Kriegstarife eine Uebergangsfrist haben sollen. Wenn ich den Minister recht verstanden habe; so sind weitere Belastungen des Verkehrs zu be⸗ fürchten, das würde sehr bedenklich sein, und es würde die Wieder⸗ gesundung unseres wirtschaftlichen Lebens in Frage stellen. Wenn man von dem blühenden Baum des deutschen wirtschaftlichen Lebens Früchte ernten will, dann darf man nicht das Grabscheit an die Wur⸗
eln dieses Verkehrs legen. Einer Verlängerung des Finanzabkommens “ meine Freunde zu, aber ein endgültiges Urteil über das Abkommen wollen sie damit nicht geben. Unser früherer Führer Eugen Richter, dessen wir an seinem heutigen Sterbe⸗ tag besonders lebhaft gedenken, war ein Gegner einer derartigen Spartopfwirtschaft aus etatsrechtlichen und praktischen Gründen. Mir scheint, die feste Dotierung des Extraordinariums mit 1,15 % eine wertvolle Errungenschaft, die wir als solche nicht mehr preisgeben möchten, werl sie den Verkehrsminister in gewisser Beziehung unab⸗ hängig macht vom Finanzminister, eine Bewegungsfreiheit, die es ihm ermöglicht, den Betrieb auf der Hohe zu erhalten. Dagegen stellt das Extraordinarium eine Art von Abschreibung dar, mit der wir uns nicht befreunten können. Kein Privatbetrieb würde so verfahren, daß er auf der einen Scite abschreibt, auf der anderen Abschreibungen dem Gesellschaftskapital zurechnet und davon eine Verzinsung zahlt. Es fragt sich, ob es sich nicht empfiehlt, in solchen Zeiten wie den egenwärtigen, also in Kriegszeiten, das Extraordinarium aus An⸗ eiben zu decken. Ich stehe der Frage der Reichseisenbahnen gnders gegenü als manche meiner Kollegen. Diese Angelegenheit kann man nicht leichthin erledigen. Es handelt sich um eine deelle Frage von großer deutung im Hinblick auf die künftige Entwicklung des Verkehrs und des deutschen Vaterlandes. Dadurch, daß von allen Rednern so bestimmt davon gesprochen worden ist, erkennen sie doch die
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leicht näher als für einen leistungskräftigen Bundesstaat.
Bedeutung diefer Frage an. Es handelt sich in der T.
legenheit die nur gelost wanden kann, wenn man festen Boden unter den Füßen hat. Ehe dieser ni schaffen ist, will auch ich dazu nicht Stellung nehmen. Aber ich möchte der freien Entwicklung ihre Bahn lassen. Wir müssen uns eben fragen, wie es vielleicht in den nächsten fünfzig Jahren aussehen wird. Der ganze Gedanke ist deg Zutunftsgedanke. Mit meiner Eigenschaft als preußischer Volks⸗ dertreter würde ich es nicht verantworten können, jetzt schon für eine Uebertragung der preußischen Eisenbahnen an das Reich einzutreten. Mit einer bloßen Uebertragung der Anleihe der Einzelstaaten auf das Reich ist es nicht zu machen, da es sich auch um die Uebernahme des Mehrwertes handelt. In einer Zeit, wo schon so gewaltige Summen vom Reiche übernommen werden müssen, ist es nicht ganz gleichgültig, gleichzeitig noch einige zwanzig Milliarden mehr sich mit aufzubürden. Bei der ganzen Frage ist auch der weitere Ausbau der Eisenbahnen und der Eisenbahntarife für mich mit entscheidend. Ich fürchte, daß das Reich in der nächsten Zeit dazu nicht über die nötigen Mittel ver⸗ fügen wird. Für Sparsamkeit im Eisenbahnwesen sind auch wir, aber man muß dabei immer auch auf das Publikum Rücksicht nehmen. So kann ich in der Schnelligkeit der Züge allein nicht einen Luxus sehen. Was uns für die Zukunft nottut, das ist eine aktivpe Verkehrspolitik, wozu ich auch die Wasserstraßenpolitik rechne. Der Verkehr wird nach dem Kriege voraussichtlich sehr großen Umfang annehmen, aber eine aktive Verkehrspolitik muß auch über die Grenzen sehen. Eine Zusammenfassung der ganzen Verkehrskraft Mitteleuropas wäre nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch von großem Werte. Wenn auch die Frage der Reichseisenbahnen jetzt keine aktuelle ist, so ist es doch die einer einheitlichen zentralen Leitung des ganzen deutschen Eisenbahnwesens. Für das Wirtschaftsleben gibt es kein besseres Heil⸗ mittel als ein leistungsfähiges Verkehrssystem. Das beweist uns die Geschichte. Die Welt ist eben ein einziger großer Markt. Nur auf der Grundlage eines modernen Verkehrs war es uns möglich, an den Wiederaufbau Ostpreußens noch während des Krieges zu gehen. Wir müssen unser Verkehrswesen auf die beste mögliche Höhe bringen. Aber ein solches Mittel darf nicht durch neue schwere Lasten gehemmt werden. Der Staat, dessen Verkehrspolitik auf der Höhe steht, wird sich immer am schnellsten wieder erholen und den Vorsprung auf dem Weltmarkte gewinnen.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:
Meine Herren! Auch am heutigen Tage darf ich mit einem Dank an die Herrn Vorredner beginnen, die wiederum in außerordentlich freundlicher Weise der Staatseisenbahnverwaltung und ihrer Tätig⸗ keit im abgelaufenen Etatsjahre gedacht haben. Ich werde nicht unter⸗ lassen, diese Anerkennung zur Kenntnis des gesamten Personals der Staatseisenbahnverwaltung zu bringen. Ich bin fest überzeugt, daß hierdurch ein Gefühl freudiger Erhebung ausgelöst werden wird.
Wie vorauszusehen, hat sich die heutige Verhandlung wiederholt mit der Reichseisenbahnfrage beschäftigt. Die überwiegende Mehrzahl der Herren Vorredner hat sich gegen den Reichseisenbahn⸗ gedanken ausgesprochen. Der Herr Abgeordnete Oeser ist abweichender Auffassung, obwohl auch er starke Bedenken, und zwar neue noch nicht erörterte Bedenken zum Vortrag gebracht hat. Er hat zweifelnd hervorgehoben, ob das Reich auch die finanzielle Kraft haben werde, um die Fortentwicklung der deutschen Eisenbahnen in dem Maße zu fördern, wie es von seiten der Bundesstaaten, insbesondere von seiten Preußens, geschehe. Er hat zutreffend hervorgehoben, daß im Laufe der letzten 10 Jahre von seiten des preußischen Staates für die Aus⸗ gestaltung seiner Eisenbahnen nur durch die Anleihegesetze und das Extraordinarium nicht weniger als 5000 Millionen Mark aufgewendet worden sind, daß der preußische Staat durch diese ungewöhnlichen Aufwendungen sich in die Lage gesetzt hat, alles dasjenige zu leisten, was zjetzt im Kriege von seinen Eisenbahnen gefordert wird. Ich habe von Anbeginn an die gleichen Bedenken gehabt, ich habe sie meinerseits aus guten Gründen nicht zum Ausdruck bringen wollen; aber ich fürchte auch von meiner Seite, daß das Reich bei seiner außerordentlichen Belastung und Inanspruch⸗ nahme kaum geneigt und nur schwer in der Lage sein wird, in diesem Maße einzugreifen zur Förderung des Eisenbahnverkehrs, wie es der Bundesstaat Preußen und wohl auch andere Bundesstaaten getan haben.
Herr Abg. Oeser hat auch einer weiteren Sorge Ausdruck ge⸗ geben. Er hat gesagt, bei der außerordentlichen Belastung des Reichs auch in der Zukunft liege es nahe, daß das Reich, um seine Einnahmen zu erhöhen, an eine Erhöhung der Tarife herangehe; es liege viel⸗ Auch dieser Sorge habe ich mich bei Erwägung der ganzen Frage nicht ent⸗ ziehen können.
Ein weiteres Moment, das heute gestreift worden ist: in einem gewaltigen, das ganze Reich umfassenden Betriebe wird in der Tat eine so intime und liebevolle Pflege des Verkehrs kaum möglich sein, wie sie heute innerhalb der einzelnen Bundesstaaten auf diesem Gebiete erfolgt. Ich glaube, dieses ist kaum anzuzweifeln, weil es ein natur⸗ gemäßer Vorgang ist. Das Reich muß nach anderen und weiteren Gesichts⸗ punkten verwalten, als die einzelnen Bundesstaaten es innerhalb ihrer Netze tun. Es ist doch zu erwägen, daß heute innerhalb jedes Bundes⸗ staats völlige Freiheit besteht, Verkehrsvorteile zu gewähren, große Durchgangsschnellzüge einzulegen, wie es Preußen im Osten und Westen alljährlich in Vielzahl tut, Bahnen zu bauen nach eigenem Bedürfnis, daß aber später gerade ein solches kräftiges Vorgehen innerhalb des einzelnen Bundesstaats naturgemäß zu Vergleichen in anderen Bundesstaaten reizen wird, ob hier nicht Bevorzugungen vor⸗ liegen. Wir erleben alljährlich Gleichartiges bei Verhandlung der Nebenbahnvorlage. Es ist schon in einem großen Bundesstaat nicht leicht, solche Berufungen des einen Verkehrsgebiets auf das andere fernzuhalten. Das wird selbstverständlich im Reich nicht leichter, sondern schwieriger sein. Es sind daher den großen grundsätzlichen Bedenken hinzutretende neue Bedenken, deren Bedeutung nicht unter⸗ schätzt werden darf.
Nun ist auch im Zusammenhang mit meinen gestrigen Ausfüh⸗ rungen erneut die Frage erörtert worden: Wie haben sich die Staats⸗ eisenbahnen nach dem Kriege zu verhalten, was haben sie im Interesse der Wirtschaftlichteit zu tun, was können sie ersparen — selbstverständlich nur sparen ohne den Verkehr zu schädigen? Ich habe gestern bereits ausgeführt — und das ist der Gedankenzirkel, in dem ich mich bewege die preußischen Staatseisenbahnen werden unter allen Umständen nach dem Kriege und auch schon während des Krieges in eine sorgfältige Prüfung darüber eintreten müssen, ob ihre gesamten Verwaltungs⸗, Verkehrs⸗ und Betriebsverhältnisse den dann vor⸗ handenen Zuständen noch angepaßt sind, ob nicht nach dieser oder jener Richtung eine Einschränkung notwendig ist im Interesse der Ersparnis. Es wird kein Gebiet unserer Tätigkeit ausgeschlossen werden dürfen, wir werden unsere innere Täligkeit, die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden erneut zu kontrollieren haben, ebenso wie die Tätigkeit unserer äußeren Dienststellen, die im Verkehr und Betrieb wirken. Es ist in Erinnerung — und auch dessen wird in der mehr⸗
fach erwähnten Schrift Erwäbnung getan —, daß bei der dn 4 sation der Staatseisenbahnen im Jahre 1895 durch eine Vereinfeachung in erster Linie durch Beseitigung großer Zwischenbehörden — nict Dienststellen, sondern großer Behörden — Ersparnisse erzielt * die sich auf 20 Millionen bezifferten. Wir waren uns damglh völlig klar darüber, daß solche Ersparnisse auf die Dauer nur fo
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wirken können, wenn eine laufende starke Kontrolle darüber stat 12
findet, ob sich nicht im Laufe der Zeit die Verwaltungseinrichtungen wieder in ungemessener Weise anwachsen. Das ist geschehen. Jh glaube nicht, daß auf dem Gebiete unserer inneren Vervallm — der Staatseisenbahnverwaltung — Erhebliches bei einer Nach⸗ revision herauskommen wird.
Anders liegt es bei der Betriebs⸗ und Verkehrsverwaltun draußen. Da kann ich mir denken, daß insbesondere dann, wemn der Verkehr abnimmt, zunächst eine scharfe Kontrolle über den Bestan unseres Personals stattzufinden hat. Ich gehe davon aus, daß das gewaltige Personal der Staatseisenbahnen bei Beginn des Kriegs 2— und auch heute durchaus den Bedürfnissen des Verkehrs und Betrielt angepaßt wird. Aber bei der Vielzahl der Köpfe, die 6 in sich verkörpert, ist doch eine dauernde starke Kontrolle nuot⸗ wendig. Ich nahm in Aussicht, daß auch unsere gesamten Betriebseinrichtungen in der Richtung wie es gestern g⸗ örtert worden ist — nachzuprüfen sein werden, und ich meine, daß, ohne daß dem Verkehr Zwang angetan wird, hier manches herauszuholen ist. Ich warne aber nochmals davor, meine Henea, daran zu denken, daß in den kommenden schwierigen Zeiten an eim Reform eines so großen Verkehrszweiges, wie es der Personenverkeht ist, herangegangen werden kann; die sachverständige Verwaltung weiß daß eine solche Reform wenigstens zunächst mit ganz ungeheuerlichen Ausfällen verbunden sein wird, Ausfälle, die nur bei sehr stank steigendem Verkehr, der ja wiederum erheblichen Geldaufwand erfordert, ausgeglichen werden können, und zwar in einen Zeitraum, der gar nicht vorausgesehen werden kann. Men Gedankengang war — und ich wiederhole das bei der Bedeutung der Sache —, daß angesichts der außerordentlichen Steigerum der Ausgaben, die für uns heute schon ziffernmäßig annähernd fest stehen daß wir das, was wir etwa durch eine vernünftige Wirtschafts⸗ führung, die sich dem Verkehr anzupassen hat, ersparen, unbedingt brauchen, um wenigstens einen teilweisen Ausgleich berbeizufübren, daß wir also gar nicht in der Lage sein werden, irgendwelche Erspar⸗ nisse anderen Stellen, auch nicht dem Reiche, zur Verfügung n stellen. Ich würde wünschen, meine Herren, daß angesichts der großen Bedeutung der im Reiche schwebenden Fragen, auch der Steuerfragen, diese meine Worte beherzigt werden mögen.
Herr Graf Moltke hat sich ebenfalls mit der Möglichkeit der Ersparnisse im Betriebe befaßt und die Frage aufgeworfen, ob wir uns heute etwa dem Vorwurf aussetzen, Trausportluxus treiben. Er gab eine Reihe von Anregungen, deren ich mit kurzen Worten gedenten möchte. Meine Herren, ich gehe davon aus, daf wir in den reichen Friedensjahren, die wir durchlebt haben, bei da Staatseisenbahnen eigentlich Transportluxus nicht betrieben haben, Wir hätten ja einen Transportlurus auch nur treiben können im Inten esse der Förderung unseres Personen verkehrs. Was hier göe schehen ist, hat ganz zweifellos die Reiselust, die Freude 1 Reisen außerordentlich gestärkt. Die Schnelligkeit unserer Züge, dl Zahl der Züge, die Ausstattung der Züge hat fördernd auf den Reise⸗ verkehr eingewirkt (sehr richtig!), und ich meine, unser Bestreben nalh dem Frieden muß sein, uns Einrichtungen zu erhalten, die der Reise⸗ lust nicht Abtrag tun, sondern die Reiselust fördern. Trotzdem glaute ich, daß nach dieser oder jener Richtung Einschränkungen möglich simd ohne Schädigung des Verkehrs. Dazu rechne ich beispielsweise, da wir ganz konsequent durchführen: jeder Zug darf in maximo mnt drei Klassen führen. Wir haben ja das Prinzip aufgestellt: wir haben es noch nicht rein durchgeführt; wir fahren heute noch mit Personen⸗ zügen unter Umständen erste, zweite, dritte und vierte Wagen⸗ klasse. Ich glaube: wir werden dahin kommen müssen, aul den Personenzügen die erste Wagenklasse ganz zu beseitiger (Sehr richtig') Dann werden wir in unseren Schnellzügmn die erste und zweite oder die erste, zweite, dritte um in den Eilzügen die erste, zweite und dritte Wagenklasse fahren⸗ Es ist auch wohl erwägenswert, ob die Steigerung der Geschwindig⸗ keiten und die dadurch eintretende starke Steigerung der Betriebs kosten, die sich teils ergeben aus dem vermehrten Verbrauch an Heizkohle teils aus dem Verschleiß des Oberbaues und der Betriebsmittel, nich etwas zurückgesteckt werden muß. Wir haben bereits während des Krieges die Grundgeschwindigkeiten unserer schnellfahrenden Züge ge mindert; wir werden nach dem Kriege unsern ganzen Fahrplan nah den verschiedensten Richtungen durchzuprüfen haben; wir werde namentlich versuchen müssen, die Gespanntheit des Fahrplans zu bel seitigen im Interesse der Beseitigung von Verspätungen Ver spätungen, die ja wiederum zu gesteigerten Geschwindigkeiten der Züg führen, um Verspätungen einzuholen, und damit zu einer Steigerun der Kosten. Ich glaube nicht, meine Herren, daß wir bei der jetziget Art unseres Betriebes in der Zahl der Züge zu weit gegangen sind, auch nicht in der Zahl der Schnellzüge. Wir haben im Laufe der letzten Jaht ein von dem reisenden Publikum als zweckmäßig anerkanntes Prinzi durchgeführt, daß wir unsere großen Schnellzüge auf weiten E fernungen dann ohne Aufenthalt durchlaufen lassen, wenn sie auf de Abgangsstationen eigentlich im wesentlichen gefüllt waren. Daras wollen wir festhalten. Wir wollen solche Fernzüge, die mit groß Geschwindigkeiten beträchtliche Strecken durchfahren, auch ferner bei behalten. Wenn man das tut, muß man den Zwischenverkehr ebenst mit Schnellzügen versorgen, sodaß es kommen kann, daß ein Schnell zug, der nicht Fernzug in dem von mir gekennzeichneten Sinne ist kurz hinter dem weite Strecken schnell durchfahrenden Schnellzuge he fährt, um den Zwischenverkehr zu bedienen.
Ich bin wenn er sagte: die Zeit der Exxverimente ist keinesfalls gekommen Experimente dürfen wir nach keiner Richtung hin unternehmen Experimente, die eine Verkehrsschädigung, eine Verkehrsverschlechterun bedeuten, weil sie dem Publikum liebe Bequemlichkeiten nehmen, un Experimente, die insbesondere die Einnahmen der Staatseisenbahnen auf die wir unvedingt angewiesen sind, mindern. öu16““
(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)
mit dem Herrn Grafen von Moltke einverstanden
(ECortsetzung aus der Ersten Beilage.)
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Ich darf im Anschluß hieran eine allgemeine Frage erörtern, die der Herr Abg. Oeser als bedeutsam betonte. Er wünschte eine innigere Verbindung des Verkehrs der Wasserstraßen und der Eisenbahnen und gab der Auffassung Ausdruck, daß die konkurrenz zwischen diesen beiden Verkehrswegen beseitigt werden lle. Das ist eine Auffassung, der auch der Herr Abg. Graf Moltke heitat. Meine Herren, ich spreche es, wie schon bei anderen Gelegen⸗ eiten, aus: die preußische Staatseisenbahnverwaltung hat bei ihrer rifpolitik niemals die Absicht, den Wasserstraßen Konkurrenz zu machen; die preußische Staatseisenbahnverwaltung ist aber genötigt, unter Umständen im Interesse der Volkswohlfaͤhrt über die Interessen er Wasserstraßen hinwegzugehen, nämlich dann, wenn sie Ausnahme⸗ arife für das ganze Land einführen und dem ganzen Lande dienen rilf, auch denjenigen großen Gebieten des Landes, die von Wasser⸗
traßen nicht durchzogen sind. Dann kann es in der Tat kommen,
iß aus solchen Bestrebungen der Eisenbahnverwaltung, die mit konkurrenzbestrebungen nichts gemein haben, eine Zurückdrängung des gerkehis auf den Wasserstraßen eintritt, wie sie jetzt während des trieges, wenn auch in geringem Maße, infolge der von uns vielfältig ingeführten Kriegsgütertarife stattgefunden hat.
Ich komme nun noch einmal auf die Ausführungen des Herrn bg. Oeser zurück, der auf ein engeres Zusammenwirken der beiden poßen Verkehrswege, des Verkehrs auf den Eisenbahnen und des gherkehrs auf den Wasserstraßen, hinwies. Ich glaube nicht, daß em preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten, das für beide weige unseres Wirtschaftslebens zu sorgen hat, der Vorwurf ge⸗ ucht werden kann, daß es auf diesem Gebiete zurückhielte, daß es icht dasjenige täte, was im Interesse des Wasserstraßenverkehrs not⸗ endig und erwünscht ist. Das wird auch ferner geschehen.
Eine andere Frage ist es, in welchem Umfange der preußische taat in der Lage ist, den vielfältigen Plänen auf Ausbau unseres Lasserstraßennetzes nach dem Kriege Rechnung zu tragen.
daͤrf darauf hinweisen, daß niemals eine solche Fülle n gewaltigen Wasserstraßenprojekten dem Ministerium der entlichen Arbeiten unterbreitet worden ist, wie während s Krieges. Ich habe mir die Mühe nicht verdrießen lassen, rdie bedeutsamsten dieser Projekte bezüglich ihres Baukapitals zu⸗ mmenrechnen zu lassen, und da ergibt sich, daß für die Projekte, an nen Preußen ein unmittelbares oder starkes mittelbares Interesse it, ein Kapital von nicht weniger als 2,5 Milliarden aufzuwenden ire; dabei sind keine Kosten für Anlage von Häfen, Anschluß⸗ nen usw. eingestellt. Es folgt daraus, daß, wenn man an die wirklichung solcher Projekte herantreten wollte oder nach der nanzlage könnte, eine kritische Auswahl allerersten Ranges eintreten sßte. Ich bin mit Herrn Abg. Oeser der Meinung, das natur⸗ mäße Vorgehen wäre, daß man dann dem Ausbau der natürlichen kasserstraßen sein Hauptinteresse zuwendete. Das ist das Naheliegende, d auf diesem Wege läßt sich ja Außerordentliches erreichen. Ich innere nur an die Möglichkeiten, die der Ausbau des Rheins bis nstanz und der Ausbau der Elbe ergibt, Möglichkeiten, die verwirklicht nen können in dem Augenblick, wo wir in der Lage sind, das Gesetz über FAusbau der deutschen Wasserstraßen und die Einfü⸗ hrung vonSchiffahrts⸗ baben zu verwirklichen. Der Ausbau der Wasserstraßen ist zum il auch geradezu Voraussetzung für die Ausführung von weiteren malprojekten. Wenn auf den Ausbau des Kanals von Hannover
Elbe Wert gelegt wird, so ist Voraussetzung, daß der Elbstrom einen Stand gesetzt wird, der es den Kanalkähnen, die einen ßeren Fassungsraum haben als die Elbkähne und diesen auf dem nal ausnutzen, ermöglicht, auf dem Strome ohne Leichterung zu ben. Ich habe mir erlaubt, die Ziffern nur in großen Zahlen annt zu geben, um darzutun, um wie Außerordentliches es sich auf sem Gebiete handelt, auch wirtschaftlich so Bedeutsames, daß mein nisterium diesen Fragen dauernd besonderes Interesse entgegen⸗
gen wird und entgegenbringen muß.
Herr Abg. Oeser hat mit Genugtuung der Fürsorge der Staats⸗ nbahnverwaltung auf dem Gebiete der Kriegsbeschädigten⸗
sorge Erwähnung getan. Wir haben an drei Stellen der natseisenbahnverwaltung Vorsorge getroffen, um Kriegsbeschädigte
ihren Beruf vorbereiten zu lassen: in Frankfurt a. M., na und Breslau. Ich bemerke, daß an diesen Stellen nicht a nur Kriegsbeschädigte versorgt werden, die innerhalb dieser rektionsbezirke tätig waren, sondern daß diese Stellen ein⸗ ichtet sind, um für den ganzen Staatseisenbahnbereich Mittel⸗ kte zu bilden.
Herr Abg. Oeser hat ferner darauf hingewiesen, daß der steigende
dienst der Werkstättenarbeiter — steigender Verdienst zum Teil hinfolge der Einführung von Feiertagsarbeit und Ueberstunden — Ungleichheit, die sich für die Beamten, die Werkführer ergäbe, hren Einkommensbezügen erhöht hat. Das trifft zu. Aber für sen Zweck sind Ausgleichsfonds vorhanden, aus denen die Differenzen phlt werden. Wenn es in diesem oder jenem Falle nicht geschehen
sollte, wird es mich freuen, davon Kenntnis zu erhalten. avo!)
Meine Herren, Herr Dr. Macco hat eine Reihe von Fragen nischer Natur an mich gerichtet und von seinem Standpunkt und von meinem Standpunkt aus ganz mit Recht darauf hingewiesen, die technische Vervollkommnung der Staatseisen⸗ nen auch eines der Momente ist, die auf unsere sinanzielle ahrung einen ganz entscheidenden Einfluß mit ausübt.
Er hat auf die Ausgestaltung und Entwicklung unseres oko⸗ ivparks hingedeutet, eine Entwicklung, die in der Tat einen sen Teil der glänzenden Ergebnisse der Staatseisenbahnen vor Kriege herbeigeführt hat.
Leider bin ich nicht in der Lage, seine Hoffnung auf die Einführung selbsttätigen Kuppelung heute irgendwie als möglich istellen. Herr Dr. Macco hat auf die Vereinigten Staaten hin⸗
gewiesen. Ja, Vereinigte Staaten von Europa haben wir nicht, und die Voraussetzung für die Einführung einer selbsttätigen Kuxplung, eines Beginnens, das einen ungeheuren Kapitalaufwand erfordert von mehreren hundert Millionen Mark ist, daß die kontinentalen Eifen⸗ bahnen fast gleichzeitig mit der Einführung dieser, wie anzuerkennen bedeutsamen Verbesserung vorgehen.
Herr Dr. Maceo hat auch nach dem Stande der Ele ktrisierung der Stadtbahn gefragt. Ich kann feststellen, daß die Vorarbeiten fortschreiten, aber behindert sind durch den Mangel an Personal, was nicht gehindert hat, daß wir sehr wertvolle Versuche mit günstigstem Erfolge in Schlesien auf einer elektrisch betriebenen Teil⸗ strecke mit elektrischen Lokomotiven vornehmen, die auf unseren dem⸗ nächstigen elektrischen Hauptstrecken verkehren werden, aber auch ebenso mit für die Berliner Stadtbahn beschafften Zügen mit Triebgestellen. Die Versuche, die wir auf der Bahn Wannsee —Stahnsdorf anstellen wollten, um dort einen vergleichenden Betrieb mit Einphasenwechsel⸗ strom und Gleichstrom durchzuführen, haben leider aus Gründen, die in dem Materialmangel liegen, bisher nicht aufgenommen werden können.
Was den Erwerb vbn Braunkohlenfeldern für das große Kraftwerk betrifft, welches der Elektrisierung der Stadtbahn dienen soll, so bin ich in der Lage mitzuteilen, daß so umfassende Ankäufe erfolgt sind, um auf absehbare Zeit dieses Werk zu versorgen und gleichzeitig auch die Provinz Brandenburg und einen Teil der Provinz Sachsen mit elektrischem Strom aus diesem Kraftwerk zu versehen. Alle diese Ankäufe betreffen Braunkohlenfelder, auf denen die Braun⸗ kohle im Tagebau gewonnen wird.
Der Wunsch, auf einigen Bahnhöfen, die durch ihre Höhen⸗ lage für die Reisenden unbequem liegen und Treppen erstiegen werden müssen, Personenaufzüge einzurichten, ist schon öfter an mich herangetreten. Wir sind nicht ohne Bedenken. Die Aufzüge werden wenig henutzt werden und sind kostspielig, insbesondere in der Be⸗ dienung. Ich gebe zu, daß im einzelnen Falle ein Bedürfnis vor⸗ liegt. Wenn dieses der Fall ist, steht nichts im Wege, daß da, wo die örtlichen Einrichtungen es zulassen, auch die Gepäckaufzüge benutzt werden, wie es beispielsweise für Kranke auf der Berliner Stadt⸗ bahn geschieht.
Herr Abg. Dr. Macco hat aufklärend mitgeteilt, daß er in der Staatshaushaltskommission nicht auf eine allgemeine Ermäßigung der Tarife habe hinweisen wollen. So hatte ich ihn auch nicht verstanden. Ich gehe meinerseits davon aus, daß trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage auch nach dem Kriege die Staatsbahnen es nicht unterlassen werden, nach dem Verkehrsbedürfnis Ausnahmetarife einzurichten. Es hat mich gefreut, von dem Herrn Abg, Dr. Maceco festgestellt zu sehen, dah er diese Ausnahmetarife auch in der Form von Staffeltarifen wünscht. Ich erinnere varan, daß die Ausnahme⸗ tarife, die wir Anfang der 90 er Jahre für Getreide von Ostpreußen nach dem Westen zum großen Segen unserer ostpreußischen Landwirt⸗ schaft einführten, aufgehoben werden mußten, nicht allein weil der Südwesten Deutschlands Einspruch erhob, sondern auch der Westen Deutschlands, bin aber überzeugt, daß derartige Fragen nach dem Kriege einer erneuten Prüfung unter Würdigung der veränderten Lage unterworfen werden müssen. (Bravo!)
Abg. Leinert (Soz.): Das gute Funktionieren der preußischen Eisenbahnen während des Krieges spricht nicht gegen die Einführung der Reichseisenbahnen. Die Eisenbahnen hätten noch Besseres geleistet, wenn wir statt der acht verschiedenen deutschen Bahnen eine einzige Reichseisenbahn gehabt hätten. Preußen sträubt sich dagegen vom partikularistischen Standpunkte aus, weil es die Führung des ganzen Verkehrswesens in der Hand haben will. (Abg. von Zedlitz: Ganz falsch!) Natürlich müssen die Einzelstaaten entschädigt werden. Die Reichseisenbahnen würden nicht eine finanzielle Einnahmegquelle bilden, sondern ausschließlich dem Verkehr dienen. Nicht durch be⸗ drückende und belästigenee Verkehrssteuern, sondern durch eine groß⸗ zügige Tarifpolitik könnten die nötigen Einnahmen erzielt werden. Das Kirchhoffsche Buch ist außerordentlich überzeugend. Mit Recht weist es darauf hin, daß die Einzelstaaten immer ihre Sonderinteressen vertreten; wie es Preußen mit seinen Umleitungen gegenüber Sachsen gemacht hat, ist bekannt. Wir haben doch auch nicht eine preußische, eine sächsische Armee, sondern eine deutsche Armee, und der Balkanzug ist doch auch kein preußischer, sondern ein deutscher Zug. Gerade die gegenwärtige Zeit ist dazu angetan, um die Ueberführung der Eisen⸗ bahnen an das Reich vorzunehmen. Die Schaffung der wirtschaft⸗ lichen Einheit Deutschlands, deren Rückgrat die Eisenbahn ist, wäre das größte politische Creignis. Eine günstige Fortentwicklung des Wirtschaftslebens nach dem Kriege kann nur erfolgen, wenn die Eisen⸗ bahnen den Verkehr ausreichend bewältigen können. Um den Arbeits⸗ markt zu heben, müßte die Eisenbahnverwaltung ihre Bauten so weit vorbereiten, daß sie sofort bei Beginn einer Arbeitslosigkeit ausgeführt werden können. Den Kriegsbeschädigten dürfen ihre Renten und andere Zuschüsse nicht vom Lohne abgezogen werden. Erfreulich wäre es, wenn auch bei der Zuteilung anderer Zuwendungen die kinderreichen Familien ähnlich wie bei den Teuerungszulagen berücksichtigt werden. Auch wäre es erwünscht, diese Kinderzulagen dauernd zu gewähren. Wenn die Renten, die die Arbeiter aus ihrer Pensionskasse, zu der sie selbst zusteuern, erhalten, manchmal höher sind als die Pensionen der Unter⸗ beamten, so ist das ein Zeichen dafür, daß die Unterbeamten zu wenig Pension bekommen. Bei den hohen Lasten der Arbeiterpensionskasse für die Kriegsbeschädigtenfürsorge müßte der Staat statt ein Sechstel mindestens ein Drittel zuzahlen. Ein Staatsarbeiterrecht lehnen wir ab, da dadurch den Staatsarbeitern ihre Rechte gekürzt werden. Mit den Verbesserungen der neuen Dienstordnung sind wir einverstanden; aber sie sind nur den Verhältnissen entsprungen. Die Ablehnung der Rechten in dieser Beziehung wirft einen bezeichnenden Blick auf die kommende Neuorientierung der inneren Politik. Das Koalitionsrecht ist zweifellos ein verfassungsmäßiges Grundrecht und besteht dem⸗ nach auch uneingeschränkt für die Eisenbahnarbeiter. Deshalb hat der Ausschluß der Gewerkschaften aus den Eisenbahn⸗ betrieben in den Arbeiterkreisen große Beunruhigung hervorgerufen. Die Beseitigung des Koalitionsrechts durch einen einfachen Federstrich des Ministers hat in den Gewerkschaften große Unruhe und Erregung hervorgerufen und zu Eingaben an den Reichskanzler und den Minister gefübrt. in denen auf dieses Extraunrecht hingewiesen und seine Be⸗ eitigung verlangt wird. In Bayern hat man den bekannten Revers beseitigt, und der Ministerpräsident Frhr. von Hertling hat erklärt, da
der Teilnahme von Eisenbahnarbeitern an freien Cemettschafgg nich
in den Weg gelegt wird, wenn die Gewerkschaften dis besondsren Phlicsen der Verkehrsanstalten anerkennen. Daher ist es oppelt zu bedauern, daß man in Preußen nicht ebenso vorgegangen ist.
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Staatsanzeiger.
Der preußische Minister hat ausdrücklich verlangt, die I müßten satzungsgemäß auf das Streikrecht verzichten. Und zur selben Zeit, wo man im Reiche die Gewerkschaften von dem polizeilichen Druck durch eine Novelle zum Vereinsgesetz zu befreien sich anschickt, machen hier im See die bürgerlichen Parteien den Minister noch extra gegen die Gewerkschaften scharf. Die preußischen Eisenbahn⸗ arbeiter sind auch bei der ganzen neuen Dienstordnung nicht gehört worden. Faktisch besitzen ja die Eisenbahnarbeiter das Streikrecht, und man kann es ihnen gar nicht nehmen. Man will mit dem Verbot nur Streiks verhindern. Das würde aber weit eher erreicht, wenn man die Freiheit des Beitritts zu den Gewerkschaften den Eisenbahn⸗ arbeitern gibt. Die Meinung, daß die Gewerkschaften Streiks ledig⸗ lich um des Streiks willen herbeiführen, muß man endlich fallen lassen. Von den organisierten Arbeitern, die während des Krieges so Be⸗ wundernswextes geleistet haben, verlangt der Minister den Austritt aus ihren Organisationen, sonst läßt er sie in seiner Verwaltung nicht zu. Der Ausgang des Krieges wird auch diesen Rest reaktionärer Gesinnungen in der Staatsverwaltung beseitigen. Staatsbetriebe sind nicht etwa 1“ der bürgerlichen Parteien, auch die Arbeiter⸗ klasse hat ihren Anteil daran. 8 Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach: Meine Herren! Ich darf mit einer tatsächlichen Klarstellung be⸗ ginnen! Der Herr Abg. Leinert bezog sich, um seine Forderung zu begründen, auf § 152 der Gewerbeordnung. Es ist bekannt, ich unter⸗ lasse aber nicht, es zu wiederholen, daß die Gewerbeordnu ng für die Eisenbahnen keine Geltung hat. (Sehr richtig)) Die Eisenbahnverwaltung kann mit Befriedigung darauf hinweisen, daß sie die Bestimmungen der Gewerbeordnung, soweit es sich um den Arbeiterschutz handelt, in ihren Einrichtungen übertrifft Aber die Eisenbahnarbeiter unterliegen nicht der Gewerbeordnung und daher ist jede Bezugnahme auf die Gewerbeordnung unzutreffend
Ferner eine Richtigstellung! Der Herr Abg. Leinert bezog sich auf die Vorgänge im Königreich Bayern. Dort ist jüngst die gleiche Frage behandelt worden und hat ebenso wie in Preußen zu einer neuen Fassung der Bestimmungen gegen den Streik geführt. Das Vor⸗ gehen in Bayern und in Preußen war nicht gegenseitig bedingt. Im⸗ merhin hatte eine Verständigung über eine gleichmäßige Stellung nahme stattgefunden. Der Herr Abg. Leinert hat nur die erläuternd Mitteilung des Herrn Staatsministers Grafen von Hertling verlesen nicht die Bestimmung selbst. Diese lautet:
Die Teilnahme an Bestrebungen, die den staatlichen oder dienstlichen Interessen zuwiderlaufen, ist verboten. Darunter fällt insbesondere die Teilnahme an Vereinen, deren Zweck oder Be⸗ strebungen die Gefahr eines Ausstandes herbeizuführen geeignet sind
(Hört, hört!) Man vergleiche die neue Bestimmung der von mir er⸗ lassenen Dienstordnung, und man wird feststellen können, daß beide inhaltlich übereinstimmen.
Ich bin genötigt, auch im Plenum des hohen Hauses festzustellen, aus welchen Gründen die Staatseisenbahnverwaltung sich veranlaßt sah, diese Frage in der am 1. Januar eingeführten Dienstordnung zu regeln. Zu Beginn des Krieges glaubten wir, daß es nicht erforderlich sein werde, mit den neu eintretenden unständigen Arbeitern einen Arbeitsvertrag zu schließen, dessen Grund⸗ lage bis zu jener Zeit die gemeinsamen Bestimmungen für alle Arbeiter der preußischen Staatseisenbahnverwaltung bildeten. Der Zuzug neuer Arbeiter war über Erwarten groß, und es ergab sich sehr bald, daß wir allen diesen neueingestellten Arbeitern, wenn wir sie nicht zu ständigen Arbeitern machten, die wertvollsten Wohlfahrtseinrichtungen der Staatseisenbahnverwaltung — das sind die im Laufe der Verhand⸗ lungen oft erwähnte Pensionskasse, Abteilung B, und unsere Ver⸗ bandskrankenkasse — verschließen mußten, da an diesen nur ständige Ar⸗ beiter teilnehmen dürfen. Es mußte also ein Wandel geschaffen werden, um Tausenden von Arbeitern hier Rechte zu gewähren, die ihnen sonst vorenthalten worden wären. Nach der politischen Situation erschien es nicht angängig, die neu eintretenden Arbeiter auf die gemeinsamen Bestimmungen zu verpflichten, deren eine wesentliche Vorschrift positiv gegen die Sozialdemokratie und deren Betätigung gerichtet war, zumal auch in der Annahmeverhandlung dasselbe geschah und gleichzeitig gegen bestimmt benannte Gewerkschaften Stellung ge⸗ nommen wurde. Aus diesem Grunde ist die Neufassung der Bestim⸗ mungen erfolgt, wie sie der Herr Abg. Leinert vorhin bekanntgegeben hat.
Zwei wesentliche Vorschriften befinden sich in dieser Bestimmung, erstens, daß es den Arbeitern nicht gestattet ist, an ordnungsfeindlichen Bestrebungen, Vereinen und Versammlungen teilzunehmen, und zwei⸗ tens, daß sie Vereinen und Versammlungen, die Arbeitseinstellung als zulässiges Kampfmittel in Anspruch nehmen, nicht angehören dürfen. Was die Ordnungsfeindlichkeit anbetrifft, so ist dieser Be⸗ griff nicht neu, hat vielmehr in der Staatseisenbahnverwaltung stets gegolten und kann dahin umschrieben werden, daß die Ordnungsfeind⸗ lichkeit jedes mit den allgemeinen und besonderen dienstlichen Vor⸗ schriften und Pflichten der Eisenbahnarbeiter in scharfem. Wider⸗ spruch stehende Verhalten kennzeichnet, insbesondere dann, wenn die Interessen des öffentlichen Wohles darunter leiden und Schaden nehmen können. Auch das Ausst andsverbot ist, wie dem hohen Hause aus jahrelangen Verhandlungen bekannt ist, nichts Neues. Es ist stets verlangt worden, daß der Eisenbahnangestellte, der Eisenbahn⸗ arbeiter sich an Ausständen und Vereinen, die die Ausstände als Kampfmittel anwenden, nicht beteiligt. Diese Auffassung hat sich, wie ich während meiner Ministerzeit feststellen kann, bei allen bürgerlichen Parteien fortschreitend durchgesetzt. Ich habe es in diesem Hohen Hause und auch im Reichstag erlebt, daß auf der linken Seite des Hauses Zweifel bestanden, ob die Staatseisenbahnverwaltung darauf bestehen sollte, ein solches Verbot auszusprechen. Diese Zweifel sind im Laufe der Zeit geschwunden, offenbar in Würdigung der Aufsehen erregenden Vorgänge, die in den Nachbarstaaten sich vollzogen. Im Reichstage ist über diese Frage sehr eingehend verhandelt worden. Im
Jahre 1912 hat im Anschluß an Erörterungen über das Vereinsgesetz
eine ausführliche Debatte stattgefunden. In dieser Debatte hatte der
Herr Staatssekretär des Innern ausgeführt, daß der Staat in deor Lage sein müsse, auch im Wege des Arbeitsvertrages das Koalitions⸗
und Vereinsrecht seiner Arbeiter und Angestellten
soweit zu
beschrän⸗
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