1916 / 121 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 May 1916 18:00:01 GMT) scan diff

besondere persönliche Note zu geben, und wir haben schon von der

deutschen Grenze an feststellen können, mit welcher A das deutsche Volk unserem Besuch entgegensiebt. Wir find überzeugt, daß die Tage, die wir in Berlin verleben werden, dazu beitragen werden, die hestehenden freundschaftlichen Beziehungen mit tiefer Herz⸗ lichkeit zu erfüllen. Wir alle danken für den warmen Empfang und die herzlichen Worte, die der Präsident des deutschen Parlaments an uns zu richten die Güte hatte.

„Dann verließen die Herren den Bahnhof und begaben sich in Automobilen, von den Berlinern lebhaft begrüßt, nach dem Hotel Adlon.

Heute vormittag wurden die türkischen Parlamentarier im Rathause vom Oberbürgermeister Wermuth, Bürgermeister Dr. Reicke, Stadtverordnetenporsteher⸗Stellvertreter Geheimrat Cassel, von Mitgliedern des Magistrats und von Stadtverord⸗ neten empfangen. Schulkinder begrüßten die Gäste durch Gesang, worauf der Oberbürgermeister Wermuth das Wort zu folgender Ansprache nahm:

Die Stadt Berlin dankt Ihnen aufrichtig, daß ihr die Ge⸗ legenbeit gewährt ist, die Vertreter des türtischen Volkes zwar schlicht, wie es der Kriegszeit ansteht, aber doch mit der ganzen Herzlichkeit des Bundesgefühls zu empfangen. Wir freuen uns, Ihnen einen Rundblick über unser kriegsgehärtetes und dennoch friedlich arbeitendes Gemeinwesen bieten zu dürfen. Wie der Balkanzug, der Sie bierher führte, alle Hemmnisse feind⸗ licher Mächte durchbrochen hat und als ein eiserner, in tadel⸗ loser Genauigkeit gefügter Strang Konstantinopel und Berlin mit einander herbindet, so sind die Bewohner beider Hauptstädte, beider Völker in unverbrüchlicher Freundschaft in Not und Tod, in Kampf und Sieg zusammengeschweißt. Hrient und Occident sind nicht mehr zu trennen. Sie wissen, was sie aneinander haben. Seien

ie versichert, meine Herren, daß Berlins Bürgerschaft die leb⸗ hafteste Würdigung der schönen Taten hegt, die in diesem Weltkriege zu vollbringen der kei beschieden gewesen sind. Die Worte Galhpoli und Kut el Amara sind tief in das deutsche Herz gegraben. Ihr Klang wird das Bewußtsein unserer Waffenbrüderschaft mit der Türkei auf lange hinaus wachhalten, er macht uns jeden An⸗ gehörigen Ihres Landes von vornberein hekannt und vertraut. Darum wollen wir aus vollem Herzen, wenn die städtischen Behöcden an der Stätte ihres Wirkens Sie begrüßen, in den Ruf einstimmen: Es lebe die fopfere Türkei, es leben die würdigen Vertreter, die sie in unsere Mauern entsandt hat!

Nach einem dreimaligen brausenden Hoch erwiderte der Vizepräsident der türkischen Kammer Hussein Dfahid⸗Bey, bei seinem ersten Besuch vor 5 Jahren sei die Freund⸗ schaft mit der Türkei erst eine Hoffnung gewesen. Diese Hoffnung sei zur Tat geworden. Die innige Freund⸗ schaft habe ihre Bestätigung gefunden durch die tiefen Gefühle, die in dem herzlichen Empfang zum Aus⸗ druck gekommen seien. Diese Freundschaft werde eine dauernde sein, und die vollen reifen Früchte dieser Freund⸗ schaft würden erst unsere Kinder ernten. Er dankte dem Oberbürgermeister für die ehrenden und erhebenden Worte an⸗ läßlich der sieghaften Schlachten bei Gallipoli und Kut el Amara, beglückwünschte die brüderlich verbundene deutsche Armee zu den herrlichen Siegen, die die Grundlage für die ewige Freund schaft und Waffenbrüderschaft bilden, und schloß seine Ansprache mit einem dreifachen Hurra auf die Reichshauptstadt und das herrliche Deutsche Reich.

Hierauf hörten die Abgeordneten noch einige Gesangs⸗ vorträge, machten einen Rundgang durch das Rathaus und bestiegen dann nach herzlichem Abschied die Kraftwagen zu einer Fahrt durch die Stadt, wobei die schönsten und historisch bedeutsamen Teile, sowie auch städtische Einrichtungen be⸗ sichtigt wurden.

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Der Kriegsausschuß für Kaffee, Tee und deren Ersatzmittel G. m. b. H., Berlin, macht laut Meldung des

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„W. T. B.“ bekaännt, daß diefenigen Mengen an Rohkaffee, für die bisher die Uebernahme nicht ausgesprochen ist, unter folgenden Bedingungen freigegeben werden:

1) Die freigegebenen Mengen dürfen nur an die Verbraucher dirert oder fettens des Großhandels nur an solche Wiederverkäufer des Fachbandels abgegeben werden, die sich verpflichten, den Kaffee unmittelbar an die Verbraucher abzuführen.

2) In jedem einzelnen Falle darf nicht mehr als 2 Pfund gerösteter Kaffee verkauft werden. Der Verkauf ist nur gestattet, wenn gleichzeitig an denselben Käufer mindestens die gleiche Gewichts⸗ menge Kaffee⸗Ersatzmittel aboegeben wird.

3) Der Preis sur ½ Pfund gerösteten Kaffee und ½ Pfund Kaffee⸗ ersatzmittel duf zusammen 2,20 nicht übersteigen.

4) An Gaozverbraucher (Kaffeehäuser, Hotels, Gastwirtschaften, gemeinnützige Anstalten, Latarette usw.) darf an Kaffee nur die Hälfte desjenigen Onantums in wöchentlichen Raten verkauft werden, das ibrem nachweisbaren wöchentlichen Durchschnittsverbrauch der letzten dret Betriebemonate entspricht; es muß auch in diesem Falle mindestens die gleiche Menge Ersatzmittel verkauft werden.

5) Fertige Mischungen von geröstetem Kaffee mit Ersatzmitteln müssen mindestens die Hälfte Kaffee⸗Ersatzmittel enthalten. Wer solche Mischungen verkauft, ist verpflichtet, auf der Umhüllung (Verpackung) anzugeben, wieviel Prozent reiner Nohnenkaffee in der Mischung ent⸗ halten sind. Der Preis für diese Mischungen darf, wenn sie 50 % Bohnenkaffen enthalten, 2,20 für das Pfund nicht übersteigen. Ent⸗ halten die Mischungen einen geringeren Prozentsatz Bohnenkaffee, so ist der Verkaufepreis dementsprechend niedriger zu stellen.

Denjenigen von Kaffee, Kaffee⸗Ersatzmitteln und sonstigen Mischungen, die die obigen Bedingungen nicht ein⸗ halten, wird durch den Kriegsausschuß ihr gesamter Vorrat an Kaffee abgenommen werden. 8

Der Kriegsausschuß für Kaffee, Tee und deren Ersatzmittel G. m. b. H, Berlin, macht ferner bekannt, daß diejenigen Mengen an Tee, für die bisher die Ueber⸗ nahme nicht ausgesprochen ist, unter folgenden Bedingungen freigegeben werden:

1) Nie freigegebenen Mengen dürfen nur an die Verb’aucher direkt oder seitens des Großhandels nur an solche Wiederverkäufer des Fachhandels abgegeben werden, die sich verpflichten, den Tee un⸗ mittelbar an die Verbraucher abzuführen.

2) Im Kleinyerkauf dürfen an jeden einzelnen Käufer nicht mehr als 125 g Tee auf einmal verabzeicht werden. Schon verpackte größere Gewichtseinheiten als 125 g müssen dieser Zustimmung ange⸗ paßt werden.

3) An EGroßverbraucher (Kaffeehäuser, Hotele, Gastwirtschaften, gemeinnützige Anstalten, Lazarette usw.) darf an Tee dastjenige Quantum in wöchentlichen Raten verkauft werden, das ihrem nach⸗ weisbaren wöchentlichen Durchschnittsverbrauch der letzten drei Be⸗ triebemonate entspricht.

4) Im Kleinbandel darf für outen Konsumtee der Preig für das Pfun (900 g) 4,50 verzollt für lose Ware und 5,— verzollt ür banbelsübliche Driginslpakete nicht überschreiten. Bessere bie seinste Socten dursen der Qualnät entsprechenb zu höheren Preisen verkauft werdern, jedoch nicht höher als 8,— vdahß Psund für lose Ware und 8,50 das Pfund für gepacte Warec.

5) Bei Mischungen von schwarzem und grünem Tee ist das Mischungsverhältnis auf der Umhüllung (Verpackung) anzugeben und der Verkaufspreis entsprechend niedriger zu stellen.

Denjenigen Verkäufern von Tee, die die obigen Be⸗ dingungen nicht einhalten, wird durch den Kriegsausschuß ihr gesamter Vorrat an Tee abgenommen werden.

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8 Für die Beschaffenheit des Frachtbriefpapiers hat das Reichseisenbahnamt leichtere Bedingungen zugelassen, weil die Beschaffung des jetzt vorgeschriebenen Papiers während der Dauer des Krieges schwierig ist. Nach den neuen Bestimmungen, die demnächst im „Zentralblatte für das Deutsche Reich“ veröffentlicht werden, ist genügend geleimtes Schreibpapier zu verwenden von beliebiger Zusammensetzung, aber mit nicht mehr als 40 Proz. Holzschliff, mit einer mittleren Reißlänge von mindestens 3300 m, mit einer mittleren Deh⸗ nung von mindestens 2 Prozent und einem ziemlich großen Widerstand gegen Zerknittern. Die Farbe des Papiers muß weiß sein und sein Gewicht bei der Größe von 76 ¼ 60 c-m für 1000 Bogen (4000 Frachtbriefe) 35 bis 40 kg betragen. Das Papier muß mit einem Wasserzeichen versehen sein, das die Firma des Erzeugers erkennen läßt.

Das Hof⸗ und Staats⸗Handb uch für das Herzogtum

Sachsen⸗Meininge n ist in neuer Ausgabe für das Jahr

1916 erschienen.

Am Sonnabend, den 10. n. M., Nachmittags bleiben

die Bureaus und Kassen der Reichshauptbank ge⸗ schlossen. In der Vierten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ ist die Satzung des West⸗ fälischen Pfandbriefamts für Hausgrundstücke ver⸗ öffentlicht.

Der heutigen Nummer des „Reichs und Staatsanzeigers“ liegt die Ausgabe 989 der Deutschen Verlustlisten bei. Sie enthält die 20. Verlustliste der Kaiserlichen Schutztruppen und die 537. Verlustliste der preußischen Armee.

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Oesterreich⸗Ungarn. 8

Feldmarschall Erzherzog Friedrich hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ folgenden Armeeoberkommando⸗ befehl erlassen: chne Majestät geruhten folgendes Telegramm an mich zu r en:

„Ich habe Meinem Herrn Großneffen, Feldmarschalleutnant Erzherzog, Karl Franz Joseph in Anerkennung der glänzenden Führung seines Korps Meinen Orden der Eisernen Ktone erster Klasse mit der Kriegsdekoratton verltehen. Freudig bewegt teile Ich Ihnen dies mit und beauftrage Sie, allen Meinen heldenmütig und erfolgreich kämpfenden Führern und Truypen Meine vollste Anerkennung und Meinen wärmsten Dank und Gruß kundzugeben. Franz Joseph.“

Diese uns alle beglückende Botschaft ist sofort an die Truppen zu verlautbaren.

Das ungarische Prlament ist fün den 7. Juni einberufen worden. b

In der Generalversammlung des Bundes ungarischer Fabrikindustrieller äußerte sich der Präsident, das Magnatenhaus⸗ mitglied Franz Chorin, in der Eröffnungsrede über das künf⸗ tige wirtschaftliche Verhältnis zu Deutschland und sagte, wie „W. T. B.“ meldet:

Seiner Ansicht nach sei ein auf gegenseitiger Billigkeit berubender, ohne jeden Hintergedankem abgeschlossener und die gegenseitigen Interessen genau achtender Handelsvertrag mit gleichlautendem Tarif⸗ schema und gleichlautenden Vorschriften ein geeignetes Mittel, die polttische und militärtsche Freundschaft auch auf wirtschaftlichem Ge⸗ biete zu festigen. Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Politik Oesterreich-Ungarns müßte auf dem Balkan liegen. Den Balkan⸗ staaten gegenüber könnte man eine Politik der Absperrung nicht länger fortjetzen.

Großbritannien und Irland.

Im Unterhause fragte der Unionist Hunt, ob mit Rücksicht auf die Zehandlung der englischen Ge⸗ fangenen in Deutschland die Regierung durch Ver⸗ mittlung des amerikanischen Botschafters in Berlin der deutschen Regierung zu verstehen geben würde, daß die feindlichen Ge⸗ fangenen in Großbritannien der strengsten Behandlung und beinahe wirklicher Grausamkeit unterworfen werden würden, bis der Botschafter berichte, daß die englischen Gefangenen in Deutschland gut behandelt würden. Der Unterstaatssekretär des J Lord Robert Cecil erwiderte laut Bericht des EWEö8

Die Behandlung der englischen Gefangenen in den gewöhnlichen deutschen Lagern in der letzten Zeit set besser geworden, die Ver⸗ hältnisse in einigen Lagern industrieller Unternehmungen, in denen britische Gefangene beschäftigt würden, ließen aber viet zu wünschen übrig. Die Anregung des Mrtgliedes werde nicht aus den Augen verloren werden, aber man sei aus Gründen, die dem Mitglied ein leuchten werden, ängstlich bemüht, Vergeltungsmaßregeln möglichst zu vermeiden.

Vom „Reuterschen Bureau“ werden neun weitere Urteile des Militärgerichts in Irland gemeldet. In Dublin und in Werford ist je ein weiteres Todesurteil aus⸗ gesprochen worden, doch wurden diese Urteile in 10 bezw. 5 Jahre Zwangsarbeit umgewandelt. Von den übrigen An⸗ geklagten sind zwei in Dublin und fünf in Galway zu Ge⸗ füängnisstrafen von einenvn bis zu zehn Jahren verurteilt worden.

Eine parlameytarische Korrespondenz meldet, daß ein weiterer Kredit von 300 Millionen Pfund Sterling für Militär⸗, Marine⸗ und andere Zwecke, die sich aus dem Kriegszustand ergeben, angefordert werden wird.

Niederlande.

Von befugter Seite wird dem „Haager Korrespondenzbureau“ mitgeteilt, daß der holländische Dampfer „Maashaven“ mit ungefähr 4000 Tonnen Getreide und Baumwollsaat, der am 26. April auf eine Mine gestoßen und bei Harwich an den Strand gesetzt worden war, jetzt die Themse heraufgeschleppt und bei Gravesend an den Strand gesetzt ist. Die britischen Behörden haben bis jetzt nicht zugestanden, daß die nötigen Reparaturen von englischen Werften für Rech nung der hollandischen Reederei vorgenommen werden,

oder daß die r-“ die zu verderben beginnt, gan oder in Leichterkähne umgeladen wird, es fa denn unter der Bedingung, daß der Dampfer nach Vornahme der nötigen Reparaturen und nach Löschung der Ladung in Rotterdam an eine englische Firma vermietet wird. Außer⸗ dem wollen die Engländer die Ausfuhr von Schiffsbestandteilen, die für die auf holländischen Werften im Bau befindlichen Dampfer bestimmt sind, nur dann erlauben, wenn diese Schiffe für die Dauer des Krieges englischen Firmen vermietet werden.

Schweden.

Die Königin Viktoria, die gegenwärtig in Karlsruhe weilt, ist dem badischen „Staatsanzeiger“ zufolge am Sonntag plötzlich an einer akuten rechtsseitigen Mittelohrentzündung erkrankt, die den sofortigen Trommelfellschnitt notwendig machte. Das Allgemeinbefinden hat sich danach gebessert. Die Fiebererscheinungen sind zurückgegangen. Es bestehen noch ört⸗ liche Beschwerden am Ohr.

Griechenland.

In der Deputiertenkammer erklärte der Minister Rhallis in Erwiderung auf die Interpellation eines Abge⸗ ordneten, der über die zwischen der Regierung und der Entente bestehenden Mißverständnisse Aufklärung ver⸗ langte, laut Meldung des „W. T. B.“:

Die Regierung sei für unvermeidliche Reibungen, die vorgekommen seien und auch weiter vorkommen würden, durchaus nicht verantmortlich. Diese Reibungen seien nur deswegen unvermeldlich, weil die Entente nicht den Plan aufgegeben habe, Griechenland dazu zu zwingen, aus der Neutralität herauszutreten, damit sie sich der griechischen Armee bedienen könne.

Rhallis energische Aeußerungen wurden von der ganzen Kammer mit lebhaftem Beifall begrüßt. Der Antragsteller betonte, er stimme im großen und ganzen den Ansichten der Regierung bei.

Asien.

Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ agentur“ ist gestern ein zwischen Rußland, China und der autonomen Aeußeren Mongolei abgeschlossener Vertrag über eine Telegraphenlinie in der autonomen Aeußeren. Mongolei, namentlich auf der Strecke Kalgan- Urga Kiachta,

veröffentlicht worden. Australien.

Das australische Repräsentantenhaus hat gestern einen Gesetzentwurf angenommen, der die Regierung ermächtigt, 50 Millionen Pfund Sterling für Kriegszwecke aus⸗ zugeben.

Varlamentsbericht.*)

8 Deutscher Reichstag. 52. Sitzung vom 22. Mai 1916, Mittags 12 Uhr.

Am Buundesratstische: Staatssekretär Dr. Helfferich, Unterstaatssekretär Dr. Richter, Direktoren Caspar, Dr. Lewald, von Jonquières.

Der Platz des Abg. Dr. Spahn, der heute 70 Jahre alt wird, ist mit einem Arrangement von roten Rosen geschmückt.

Präsident Dr. Kaempf eröffnet die Sitzung um 121 ¼

Uhr mit folgender Ansprache: Dem hochverehrten langjährigen, hochverdienten Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, unserem Kollegen Dr. Spahn, habe ich zum 70. Geburtstage, den er heute begeht, die herzlichsten Glückwünsche des Hauses übermittelt und hoffe, daß Sie alle damit einverstanden sind. (Lebhafte allseitige Zustimmung.)

Die Spezialberatung des Etats für das Reichs⸗ amt des 8 nnern wird fortgesetzt.

Die Abstimmung über die vorliegenden Resolutionen soll Mittwoch, Nachmittags 4 Uhr, stattfinden.

Eine Debatte erhebt sich erst wieder beim Kapitel Reichs⸗ gesundheitsamt, zu dem die Resolution Bernstein und Genossen (S. A. G.) vorliegt: „Die verbündeten Regierungen zu er⸗ suchen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, wodurch Mutter⸗ und Säuglingsschutz sowie die Gebu rtshilfe all⸗ gemein reichsgesetzlich geregelt werden.“

Abg. Kunert (soz. Arb.⸗Gem.): Die für hygienische Zwecke ausgeworfenen Mittel sind viel zu gering. Es müßte eine Statistik über die Frage der Unterernährung aufgenommen und veröffentlicht werden. Ueber unseren Antrag ist schon in der Sonnabendsitzung gesprochen worden. Wir müssen darauf bestehen, daß diese Frage beim Reichsgesundheitsamt eingehend besprochen wird. Herr Hitze hat ihn gewissermaßen en bagatelle behandelt, dagegen muß ich den allerschärfsten Widerspruch erheben. Es handelt sich hier um eine Lebensfrage. Der Antrag Hitze sucht den Antrag Bassermann und unseren Antrag auszuschalten. Unseren Antrag kann jede Partei annehmen; der Antrag Hitze enthält einen ganzen Sack von Wünschen, die nichts miteinander zu tun haben. Man könnte auch die Auf⸗ hebung des Zölibats für Männer und für Frauen, Junggesellen⸗ steuer usw. in eine allgemeine Besprechung hineinziehen. Für uns handelt es sich vor allem um die Erhaltung und den Schutz des Lebens, das vorhanden ist in einer Zeit, die ungeheure Opfer ver⸗ langt. Daran, daß wir eine reichsgesetzliche Regelung fordern, sollte man sich nicht stoßen; wir wollen, daß die Sache auf eine breite, solide Basis gestellt wird. Der Mutterschutz ist der beste Säuglings schutz, er ist seine Voraussetzung. Ein Stückchen Mutterschutz ist ja schon da in der obligatorischen Wöchnerinnenunterstützung. Alles andere ist aber nur fakultativ. Der Mutterschutz macht nicht Halt vor der kapitalistischen Wirtschaftsordnung; aber darauf kommt es jetzt nicht an. Wir verlangen Ausdehnung des Mutterschutzes auf alle Familien, die ein Einkommen unter 5000 haben, und obliga⸗ torische Gewährung des Stillgeldes. Wir bedauern sehr, daß der Abg. Bassermann seinen Antrag zugunsten des Antrages Hitze zurück⸗ gezogen hat. Wir verlangen weiter eine Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit für weibliche Personen auf acht Stunden; Verbot aller die Gesundheit der Mütter schädigenden Arbeit. Vor Ablauf der 2Se echen nach der Entbindung darf eine Arbeiterin keine Arbeit un. der Geburtshilfe ist eine weitere Forderung. Eine Hebung des Hebammenwesens hat der Reichstag schon 1913 in einer Resolution verlangt; wir unsererseits verlangten eine reichsgesetzliche Regelung. Der Bundesrat hat auf unsere Forderung bis jetzt keine Antwort erteilt. Daß es in den Bundesstaaten in bezug auf geburtenhilfliche Dinge nicht gut aussieht, wird niemand bestreiten. Preußen ist am rückständigsten; es drückt sich um die Sache herum und hat nur eine ganz powere Summe dafür in den Etat eingesetzt. Dagegen gibt es Millionen für Remonten aus. Wir haben 4000 totgeborene Kinder, 35 000 sieche Frauen infolge von Geburten. Alles das läßt sich ver⸗ meiden. Die Zahl der Hebammen ist viel zu gering. 30 bis 40 Pro⸗ zent der Mütter gehen ihrer Entbindung ohne Hebammenhilfe ent⸗ gegen. Es sterben ganze Heere ver Säuglinge weg. Die Säuglings⸗

1r

*) Ohne Gewähr, mit Staatsfekretäre

Auznahme der Rebden und

Unentgeltlichkeit der ärztlichen Hilfeleistung, der Arznei und:

blichkeit ist bis zu einer gewissen Grenge vermeidbar. ⁵h bis prozent der unehelichen Kinder sterben mehr als ehelicke Kinker 1„Grund hierfür liegt in den sonalen Verhaltnissen. Die Kinder⸗ blichkeit ist ein Schandmal des Wirtschaftslebens, in dem wir n; es ist der Massenmord auf dem Altare des Kgpitalismus önlich hat sich auch. Schmoller ausgesprochen. Das evelit⸗ b nschenmaterial wird elend pergeudet, der wirkliche natürliche Reich⸗ des beutschen Volkes. Darum muß auch vas Reich hier ein⸗ isen. Bei jehem Geburtsakt muß ein Arzt fatig sein, die Hebamme als Gehilfin. Eine gute (Geburtshilfe beteutet mehr als eine onnene Schlacht. Es müssen Enthindungsanstalten vorhanden „die auch für Arbeiterfrauen ihre Türen öffnen. Die Finan⸗ ung der Frage ist gewiß nicht einfach, aber das (Gelt für solche le würde die allerhöchsten Zinsen tragen. Die Entbindungs⸗ lten sind die Rekrutierungsanstalten für die Schule. Nach einem sen Verfahren ärztlicher Geburtshilfe, das mit Linderungs⸗ und täaubungsmitteln das Uebermaß der Schmerzen verringert oder be⸗ ligen soll, ohne die Organismen von Mutter und Kind zu schäbi⸗ Fwird seit Anfang dieses Jahrhunderts in verschiedenen Landern rbeitet. Allerdings gibt es Gegner dieser Methode, darunter den issiventen des en. aber diesen Autoritaten stehen ere wissenschaftliche Autoritäten gegenüber. Die Regierung sollte statistisches Material über die Zahl der Kriegerfrauen mitteilen ihre Kinder selbst stillen. Ein sehr bekannter Berliner Sanitats⸗ den Namen will ich nicht nennen hatte in arztlicher Be⸗ dlung eine Frau, die an Bluthusten und Tuberkulose leidet, trotz⸗ n bestätigte er der Frau nach ihrer Entbintung die Fäahigkeit zum llen. Ein Arzt will also das Kind mit der Muttermilch vergiften. ese Fahrlässigkeit streift schon das Gebjet des Verbrecherischen. ist denn aus der Resolution des Reichs tags wegen reichsgesetz⸗ er Regelung dieser Materie geworden? Cin preußischer Kultus⸗ nister sat einmal das Problem der Geburtshilfe schlechthin für e Geldfrage erklärt. Von diesem Standpunkt braucht man sich ndings keine Mühe zu geben, solche Probleme zu losen. Wir fen aber, den gesunden Gedanken unserer Resolution in die Wirk⸗ keeit umzusetzen, früher oder später. Diese sozialen Schaten, sich in ben Volkskorper eingefressen haben, werden allerdings g nur durch den sozialistischen Gemeinsinn auszurotten sein. präsident des Reichsgesundheitsamts Dr. Bumm: Der An⸗ t F. Iheh h - im Kriege Seuchen und Krankheiten in oöhtem Maße vorkämen, muß ich mit bezug auf den jetzigen Welt⸗ eg mit aller Entschiedenheit widersprechen. Wohl noch nie ist ein jeg geführt worden, in dem die Zivilbevölkerung so wenig von uchen und Krankheiten heimgesucht worden ist, wie in dem gegen⸗ rtigen Kriege. Wir können Gott dankbar sein, wenn es so bleibt, es bisher gewesen ist. Namentlich die Pocken, die im Kriege 0/71, viele Hunderttausende von Menschen in Deutschland dahin⸗ afft haben, sind in so geringer Zahl von Fällen vorgekommen, daß nur zu begrüßen ist, daß es gelungen ist, diese Krankheit zuruck⸗ immen, An Cholera sind nur zwei aus dem Ausland eingeschleppte ile bei der inländischen Bevölkerung vorgekommen, Typhus in ver⸗ windend geringem Maße. Unserer medizinischen Wissenschaft, feren Aerzten und allen bei der Gesundheitspflege beschäftigten ten müssen wir von Herzen dankbar sein, daß die Zustänte bei so gut geblieben sind. Nur von Diphtherie und Scharlach sind einzelnen Stellen groößere Ausbrüche vorgekommen, aber die kommen der Friedenszeir ebenso vor und hängen mit dem Krieg nicht zu⸗ imen. Der Vorredner spricht von dem Massenmord der Kinder ih der Geburt. Ich unterschreibe noch heute, was ich früher von Sh Würgeengel sagte, der unsere Kinder nach der Geburt hinweg⸗ ft. Wir müssen alles tun, um die Kindersterblichkeit zu ver⸗ udern, aber das ist uns im Laufe der Jahre auch schon gelungen. hl starben von 100 lebendgeborenen Kindern alljährlich 20,7, 1913 r die Zahl schon auf 15,1 herabgesunken. Während 1907 ins⸗ 315 000 starben, sind es heute nur noch 235 000. Nach den atteilungen mancher großen Städte ist allerdings im letzten halben ihr eine Steigerung der Kindersterblichkeit eingetreten. Von ehelichen Kindern starben 1901 19,4 %, 1913 nur 14 *%o%. ne Sterblichkeit der unehelichen Kinder war immer sehr hoch, aber von 33 % im Jahre 1901 auf 22,23 % im Jahre 1913 ückgegangen. Diese Zahl ist noch immer viel zu hoch, aber es doch nicht schlimmer geworden; wir sind nicht mal auf dem en Stande geblieben, sondern haben doch einen recht erheblichen rtschritt erzielt. Die Zahl der Frauen, die infolge der Geburt torben sind, ist zwar mit einem Stande von 33 von 10 000 noch gestiegen, aber die Zahl der Sterbefälle infolge normaler burten im Kindbettfieber ist herabgegangen; nur die Todesfälle mh anormalen Fehlgeburten haben sich vermehrt. Das kommt daher, zübei Fehlgeburten oft nicht sachverständige Hände im Spiel sind; Zahl der künstlichen Abtreibungen ist gestiegen. Das Kindbett⸗ ber ist häufiger nach Fehlgeburten als nach Normalgeburten. Aller⸗ ags müssen wir die Sterblichkeitszahlen für Frauen und Kinder mit en Maßnahmen weiter herabzudrücken suchen. Einer reichsgesetz⸗ hen Regelung zur Besserstellung der Hebammen hat der Staatssekre⸗ nicht zustimmen können, weil er ein Bedürfnis zur reichsgesetzlichen egelung bei den verschiedenartigen Verhältnissen in den einzelnen Uundesstaaten nicht für erwünscht hielt. Der Reichskanzler hat aber April 1914 dem Bundesrat nach vorheriger Beratung im Reichs⸗ undheitsamt unter Zuziehung von Sachverständigen eine Vorlage terbreitet, wonach Grundsaätze für eine einheiliche Regelung des Heb⸗ menwesens für die einzelnen Bundesstaaten aufgestellt werden sollen. ese Grundsätze liegen dem Bundesrat vor; sie beziehen sich auf die fforderung für die Ausbildung der Hebammen, auf die Art des tterrichts, auf die Prüfung und Nachprüfung, auf die Vorbildung, die Anwendung gewisser verbotener Hilfsmittel, auf die Pflicht Hebammen zur Hilfeleistung, auf das Verhalien bei Todesfällen gewissen Krankheiten. Diese Vorlage hat infolge des Krieges ht mehr erledigt werden können; es ist wohl entschuldbar und zu btfertigen, wenn bei den jetzigen Kriegszustäanden dringende Vor⸗ hen vorgehen. Mit den Angriffen auf Preußen hat der Vorredner preußischen Regierung wieder unrecht getan. Der Minister des nern in Preußen hat dem Staatssekretär, als dieser wegen des Ent⸗ irfs eines Ammengesetzes mit ihm in Verbindung trat, erklärt, daß im Begriffe sei, mit einer großzügigen systematischen Frunichfons Säuglingssterblichkeit sich zu befassen, um eine gesetzliche Rege⸗ g nach dieser Richtung zu befürworten, und er bittet das Ammen⸗ etz aufzuschieben, bis die anderen Aufgaben erledigt sind. Ueber (Verringerung der Sauglingssterblichkeit finden unausgesetzt Be⸗ ungen im preußischen Ministerium des Innern statt unter Be⸗ ligung des Reichsressorts und unter Teilnahme von Sachverstän⸗ en. Das Ziel ist die einheitliche Regelung der Bekämpfungs⸗ ßnahmen. Es werden dabei erwogen die Fragen der inneren Ko⸗ isation, der wirtschaftlichen Begünstigung verheirateter und kinder⸗ cher Personen, der Mißstände auf dem Gebiet der Mittel zur pfängnisverhütung und Schwangerschaftsbeseitigung, des strafrecht⸗ hen Einschreitens gegen Verfehlungen auf diesem Gebiete usw. Preußen t also in diesem Fall tatsächlich mit aller Energie gearbeitet; daß die üchte dieser Arbeit in der jetzigen Kriegsmet nicht erscheinen können, wohl begreiflich. Von der dann erwahnten Methode der schmerz⸗ en Entbindung weiß ich, daß die Meinungen der Sachverständigen rüber geteilt sind. Von Reichs wegen oder behördlich einzugreifen, ht nicht an. Hier muß die Wissenschaft und die Praxris entscheiden. 6 Gute wird sich schließlich schon durchbrechen und zur Geltung men. Auf Einzelheiten kann ich nicht eingehen, ich bemerke nur, h die Bundesratsverordnung wegen der Wochenhilfe während des ieges noch weitere Ausdehnung erhalten hat. Ich gebe aber noch⸗ agls zu, daß auf diesem Gebiete noch weiter gearbeitet werden muß; as erfordert schon das Gebot der Staatsklugheit, einer verständigen vrzialpolitik und der Menschlichkeit. Mit der Tendenz des An⸗ mhges kann man sich zweifellos einverstanden erklären. In der Kom⸗ assion, die beantragt ist, wird sich Gelegenheit genug bieten, ein⸗ hend darüber zu verhandeln. Abg. Kunert (soz. Arb.⸗Gem.): In bezug auf die Seuchen⸗ ge habe ich nicht behauptet, was mir irrtümlich untergelegt worden ich habe nur eine Statistik gewünscht. Daß Unterernährung und

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Hungersnot Seuchen befördern, wird nicht geleugnet werden können. Auf die Verringerung der Säuglingssterblichkeit muß mit allen Mitteln hingewirkt werden. Sie muß wie in den Furstenhäuser auf 3 % heruntergedrückt werden. rinz, Prinzessin und Prole⸗ tarierkind muß da vollständig gleichstehen. Dann gewinnen wir Hunderttausende von Leben. Das gegen 5 Gesagte halte ich vollstancig aufrecht. Mit Worten, denen keine Taten folgen, konnen wir uns nicht beruhigen lassen. Lehnen Sie unsern Antrag ab, so bedeutet das für den Reichstag einen Rückschritt gegen 1913 und 1914. Darum halten wir ihn ausdrücklich aufrecht und ersuchen um Ablehnung des Antrages Hitze.

Abg, Fischer⸗Hannover (Soz.): Seit 1913 haben wir keine zuverlässige Statistik mehr über die Säuglingssterblichkeit. Sicher hat die Frauensterblichkeit auch durch die Beschäftigung der Frauen in der Schwerindustrie einen großeren Umfang angenommen, desgleichen die Säuglingssterblichkeit. Das darf nicht so weiter gehen. In anderen Ländern steht es damit besser als bei uns. Wir waren in Deutschland auf dem besten Wege, Ersprießliches zu leisten, nicht als ob die Regierung alles Erforderliche getan hätte, wohl aber weil die Krankenkassen sehr Beträchtliches geleistet haben durch Zahlung von Wochen⸗, Schwangerschaftsunterstützungen und von Stillgeldern. Alle diese guten Ansatze sind durch den Krieg zuschanden gemacht worden. Die Raichsregierung hat selbst eingesehen, daß es auf diesem Gebiete nicht so weiter gehen könne; sie ist den Wochnerinnen durch Verord⸗ nung vom 4. August 1914 zu Hilfe gekommen. Diese Verordnung muß auch nach dem Kriege in Wirksamkeit bleiben und durchgeführt werden.

Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): Wir wollen rie Anträge einer Kommission überweisen. Die Bekampfung des Ge⸗ burtenrückganges ist ein hochwichtiges Problem. Mutterschutz und Säuglingsschutz gehören zusammen. Das Problem ist ein außer⸗ ortentlich kompliziertes, nicht bloß soziale Unsitten sind schuld, es han⸗ delt sich auch um eine wichtige Frage der Sozial⸗ und Wirtschafts⸗ politik. Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hängt mit diesen Gegenständen zusammen. Ich verweise auf die Konferenz in Brüssel. Wir müssen auch hier alle positiven Maßnahmen der Behörden unter⸗ stüutzen. Es müssen Beratungsstellen für Prostituierte und Angesteckte errichtet werden. Ein Hauptziel für Deutschland ist, die von der übrigen Bevölkerung zu trenhen. Hier hat die Verwaltung eine greße Aufgabe. Das Strafgesetzbuch muß geändert werden. Das Gift der Prostitution wird dadurch immer weiter verbreitet, daß das Vermieten an Prostituierte als Kuppelei bestraft wird. Es müßte ein Notgesetz in dieser Beziehung erlassen werden. Der Bun⸗ desrat müßte die Befugnis erhalten, die schärfste ärztliche Kontrolle anzuordnen, um der Verseuchung des deutschen Volkes mit aller Energie entgegenzutreten.

bg. Kunert (soz. Arb.⸗Gem.): Der Antrag Hitze nützt uns nichts, er verschleppt unseren Antrag. Dazu können wir unsere Zu⸗ stimmung nicht geben; wir bitten, den Antrag Hitze abzulehnen.

Bei den außerordentlichen Ausgaben zur Förderung des Kleinwohnungswesens referiert Abg. Dr. Jäger (Zentr.) über die Verhandlungen der X. Kommission über das Woh⸗ nungswesen. Er führte aus:

—Es ist sicher, daß nach dem Kriege eine Wohnungsnot droht. Sobald der Friede wiederkehrt, wird das Bedürfnis nach kleinen Woh⸗ nungen stärker als je zuvor. Die Zurückkehrenden werden vielfach verlangen, daß das Vaterland, für das sie geblutet, sie nicht wieder in die Mietskasernen zurückstoßt, sondern für gesunde, licht⸗ und luft⸗ reiche Wohnungen sorgt. Die Hauptaufgabe ist, die zurückkehrenden Krieger auf eigener Schlle anzusiedeln. Reich und Gemeinden werden auf diesem Gebiete tätig sein müssen. Deshalb hat die Kommission

Reichsregierung empfohlen, dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritt Gesetzentwürfe vorzulegen zur Schaffung einer gesetz⸗ lichen Grundlage zur Errichtung von Kriegersiedlungen in Stadt und Land (Kriegerheimstätten), wobei die bisher veröffentlichten, freien Vereinbarungen entstammenden Vorschläge mitbenutzt werden können, praktische Ausgestaltung des Erbhaurechts, Sicherung der Hausbesitzer und Mieter gegen die Folgen des Krieges durch Ausdehnung der Wirksamkeit der Bundesratsverordnung, betreffend die Bewilligung von Zahlungsfristen bei Hopothekenschulden über die Kriegszeit hinaus, eine Regelung zum Schutze der Mieter gegen willkürliche, der Billig⸗ keit widersprechende Kündigung und Steigerung des Mietszinses und Förderung der unkündbaren Tilgungshypothek für städtische Boden⸗ kredite an erster und zweiter Stelle mit selbsttaätiger Vonrückung der zweiten Hypothek in die getilgten Beträge der ersten, insbesondere durch Beschränkung der Eigentümerhypothek. Weiter empfiehlt die Kommission schleunigste Schaffung öffentlicher Schätzungsämter zur Gesundung des städtischen Bodenkredits und der Errichtung von Pfandbriefanstalten (Stadtschaften) für zweite Hypotheken in größeren Städten bzw. Landesteilen, in den Bundesstaaten, wo dies noch nicht geschehen ist. Die Kommission beantragt ferner im nächsten Etat als regelmäßige Ausgabe 30 000 einzusetzen zur Unterstützung der⸗ jenigen Vereinigungen, welche die allgemeine Förderung des Klein⸗ wohnungswefens bezwecken, Ausdehnung des Reichsfürsorgefonds für Kleinwohnungen auf Kriegsbeschädigte und Witwen der im Kriege Gefallenen, Reichsunterstützung für jene Gemeinden und Kommunal⸗ verbände, welche den Kriegsteilnehmern bzw. den Hausbesitzern Miets beiträge gewährt haben und weitergewähren, Reichshilfe für die Abbürdung der während des Krieges gestundeten Mieten bzw. Hypo⸗ thekenzinsen der heimkehrenden bedürftigen Krieger unter Mitwirkung der Gemeinden. Die Kommission empfiehlt schließlich eine gesetzliche Aenderung des Zwangsversteigerungsgesetzes und ein Gesetz, betreffend Bürgschaften des Reichs zur Förderung des Baues von Klein⸗ wohnungen für Reichs⸗ und Militärbedienstete.

Abg. Prinz Schönaich⸗Carolath (nl.): Meine poli tischen Freunde sind der Meinung, daß die Wohnungsfrage, die Frage der Herstellung geeigneter, gesunder Wohnungen, endlich einmal zu einem Abschluß kommen muß. Seit dem Frankfurter Wohnungs⸗ kongreß sind zwölf Jahre verflossen. Es war ein Verdienst des in⸗ zwischen heimgegangenen Oberbürgermeisters von Frankfurt, Adickes, das Wort gesprochen zu haben: „Der Worte sind genug gewechselt, wir wollen nun endlich Taten sehen.“ Mit welchen Hoffnungen sah man damals in die Zukunft, und wie sind diese Hoffnungen getäuscht worden! An Anregungen von seiten der deutschen Vereine für Woh nungsreform hat es nicht gefehlt. Vor wenigen Jahren hat ein zweiter Wohnungskongreß getagt, an dessen Spitze der frühere Staatssekretär des Innern Graf Posadowsky stand. Wir verkennen die Schwierigkeiten, die der Regelung dieser Materie entgegenstehen, keineswegs, aber wir müssen doch vorwärts zu kommen suchen. Einen Versuch, die Sache wiederum in Fluß zu bringen, sehen wir in dem Berichte der 10. Kommission. Wir begrüßten denselben auf das wärmste. Was dort über das Bedürfnis nach kleinen Wohnungen gesagt ist, ist uns besonders sympathisch. Dem Gedanken eines Kriegerheimstättengesetzes gilt ebenfalls unsere ganze Sympathie. Wir möchten, daß ein solcher Gesetzentwurf mit möglichster Beschleunigung an das Haus gelangt, damit durch Unterstützung des Reichs von den Einzelstaaten, Gemeindeverbänden oder Gemeinden Kriegerheim⸗ stätten errichtet werden können, damit die Wehrkraft unseres Volkes erhöht und die Wohnungsfragen gelöst werden können. Voraussetzung dafür ist, daß das Reich seinen Arbeitgeberstandpunkt aufgibt, nach welchem es nur für seine eigenen Beamten und Arbeiter zu sorgen hat. Leider herrscht bei den verhbündeten Regierungen eine zu enge Auffassung dieser Frage. Das Reich ist ja eigentlich auch Arbeit⸗ geber für seine Krieger, diese sind in allererster Linie im Dienste des Reichs tätig, sie sind die vornehmsten Diener des Reichs. Wenn das Reich den Rahmen dieser Fürsorge für die Krieger als zu weit erachtet, so sollten doch mindestens die Wünsche der Kriegsbeschädigten, die im Dienste des Vaterlandes gelitten haben, Berücksichtigung sfinden. Wir würden es für außerordentlich hbedauerlich halten, wenn der Bundesrat auf seinem Standpunkt beharrt, und wir hoffen, daß die heutigen Verhandlungen dazu beitragen werden, daß der Bundesrat sein Ziel weiter stecken und unseren Wünschen entgegenkommen wird. Denn was kann es unseren Kriegern, die eine Heimftätte ver⸗ langen, helfen, wenn die derbündeten Regierungen nur mit Wohl⸗

wollen oder auch mit größtem Wohlwollen dieser Frage stehen? Dieses Wohlwollen muß doch irgendwie betätigt werden Das ist eine zu wichtige Aufgabe des Reichs, als daß wir dara vorübergehen und sagen konnten, es gehe uns nichts an. Der preu⸗ ßische Wohnungsgesetzentwurf ist nicht fertig geworden, man hor nichts mehr davon. Allerdings ist durch das Reich die Angelegenheit in den Bundesstaaten in Fluß gebracht worden. Es ist in Preußen auch viel davon gesprochen worden, daß der Wohnungsgesetzentwurf gemacht werden solle; aber wir stehen heute genau so wie vor Jahren da, ohne einen Fortschritt gemacht zu haben. Das Reich sollte doch wenigstens die Kriegerheimstatten für die Kriegsbeschäadigten unter stützen. Wir haben schon im Frieden eine Verbesserung des Schick sals unserer alten Invaliden und Veteranen verlangt, haben aver in langen Jahren erfahren müssen, daß diese Wünsche nur sehr langsam schrittweise und leider nur sehr teilweise Erfolg haben. Von Vertretern aller Parteien sind von dieser Stelle aus die verbündeter Regierungen ermahnt worden, mehr für unsere Veteranen zu sorgen. Aber die Veteranen haben noch nicht das erreicht, was wir erstreb haben. Wenn auch die letzte Erhöhung des Veteranen soldes von 120 auf 150 stieg, so ist das geringe Erhöhung, zumal bei der Verteuerung der Lebensmittel Daß die unglücklichen Manner, die ihr Blut für das Vaterland ver⸗ gossen haben, mit 150 ihre Lebensbedürfnisse decken, ist ganz un⸗ möglich. Ein weitergehender Antrag wurde damals aber von der Regierung abgelehnt, obwohl Vertreter aller Parteien wiederholt und nachdrücklich auf die große Not und das bittere Empfinden dieser treuen Männer, denen wir das Deutsche Reich zu verdanken haben, hingewiesen haben. Wir wollen den jetzt heimkehrenden Kriegern ein besseres Los bereiten als den früheren, sie sollen schon jetzt ohne Sorgen in die Zukunft blicken dürfen. Meine Freunde wünschen, daß ihnen die Enttäuschung unserer alten Krieger tunlichst erspart bleibt. Wir werden nicht aufhören, immer wieder für dieses Ziel inzutreten. Man hört von Dankbarkeit für unsere Krieger viel sprechen, keine Festlichkeit vergeht, ohne daß unsere Krieger und ihre Heldentaten gelobt werden. Wir wünschen aber, daß die Dankbarkeit in die Tat umgesetzt wird. Die Gründung von Kriegerheimstätten ist ein Weg dazu; möge er recht bald beschritten werden. Wiederholt ist vom Regierungstisch und von den Parteien gesagt worden, unsere Feldgrauen kämpften für ihre Heimat, das hat auch der Reichskanzler ausdrücklich erklärt. Deshalb hoffen wir, daß die Regierung ihren Widerspruch aufgeben wird. Die Krieger, die im täglichen blutigen Ringen der Heimat ihre Liebe bekunden, wünschen ein Heim in der Heimat ihr eigen nennen zu können; dieser Gedanke hebt sie in manchen schweren Stunden empor. Dasselbe Vaterland, das sie ver⸗ teidigen und mit ihren Leibern schützen, das sie vor dem Einbruch der Feinde bewahren, muß dankbar ihre Wünsche erfüllen. Die Vor⸗ bereitungen müssen sofort getroffen werden, wir können damit nicht bis nach dem Kriege warten. Bereit sein ist alles; hier tritt besonders die Mahnung an uns heran, bereit zu sein. Es ist mir gelungen, im Reichsverband zur Unterstützung von Veteranen in verhältnismäßig kurzer Zeit über vier Millionen zusammenzubringen, die aus großen und kleinen Gaben, zum Teil auch aus sehr großen, sich zusammen⸗ setzten. Wir dürfen jetzt nicht warten, bis die großen Ansprüche an uns herantreten, wir wollen vielmehr vorbeugen. Der Reichsverband zur Unterstützung von Veteranen hat für dieses Jahr 200 000 für diesen Zweck ausgeworfen, um für die heimkehrenden Krieger zu sorgen. Ebenso müssen wir gesetzgeberisch uns bereithalten, in der Wohnungsfrage und der Heimstättenfrage den Wünschen unserer Krieger zu entsprechen. Es handelt sich nicht um die Verwirklichung unserer Wünsche, sondern um die Erfüllung der berechtigten Wünsche unserer tapferen heldenmütigen Krieger, damit sie nicht wie früber zur Beute der Spekulation werden und von hartherzigen Vermietern aus ihrer Wohnung getrieben werden können. Eine Vorlage für die Kriegerheimstätten muß tunlichst bald kommen

Kriegsnachrichteen. Großes Hauptquartier, 22. Mak. (W. T. B.) Westlicher Kriegsschauplatz.

Oestlich von Nieuport drang eine Patrouille unserer Marineinfanterie in die französischen Gräben ein, zerstörte die Verteidigungsanlagen des Gegners und brachte einen Offizier 32 Mann gefangen zurück.

Südwestlich von Givenchy⸗en⸗Gohelle wurden mehrere Linien der englischen Stellung in etwa zwei Kilo⸗ meter Breite genommen und nächtliche Gegenstöße abge⸗ wiesen. An Gefangenen sind 8 Offiziere, 220 Mann, an Beute 4 Maschinengewehre, 3 Minenwerfer eingebracht. Der Gegner erlitt ganz außergewöhnliche blutige Verluste.

In Gegend von Berry⸗au⸗Bac blieb in den frühen Morgenstunden ein französischer Gasangriffsversuch ergebnislos.

Links der Maas stürmten unsere Truppen di französischen Stellungen auf den östlichen Aus läufern der Höhe 304 und hielten sie gegen wiederholte feindliche Angriffe. Neben seinen großen blutigen Ver⸗ lusten büßte der Gegner an Gefangenen 9 Offiziere 518 Mann ein und ließ 5 Maschinengewehre in unserer Hand. Die Beute aus unserem Angriff am Südhange des „Toten Mannes“ hat sich auf 13 Geschütze 21 Maschinengewehre erhöht. Auch hier und aus Richtung Chattancourt hatten Versuche des Feindes, den verlorenen Boden zurückzugewinnen, keinen Erfolg.

Rechts der Maas griffen die Franzosen mehrfach ver⸗ gebens unsere Linien in der Gegend des Steinbruchs (üdlich des Gehöftes Haudromont) und auf der Vaurkuppe an. Beim dritten Ansturm gelang es ihnen aber, im Stein⸗ bruch Fuß zu fassen. Die Nacht hindurch war die beiderseitige Artillerietätigkeit im ganzen Kampfabschnitt außerordentlich 88 heftig.

Unsere Fliegergeschwader wiederholten gestern nachmittag mit deobachtetem großem Erfolge ihre Angriffe auf den Etappenhafen Dünkirchen. Ein seindlicher Doppeldecker stürzte nach Kampf ins Meer. Weitere vier Flugzeuge wurden im Luftkampf innerhalb unserer Linien außer Gefecht gesetzt, und zwar in der Gegend von Werwicq, bei Noyon, bdei Maucourt (östlich der Maas) und nordöstlich von Chateau⸗Salins, letzteres durch Leutnant Wintgens als dessen viertes. Außerdem schoß Oberleutmant Boelcke südlich von Avocourt und südlich des „Toten Mannes“ den siebzehnten und achtzehnten Gegner ab. Der hervorragende Fliegeroffifier ist in An⸗ erkennung seiner Leistungen von Seiner Majestät dem Kaiser zum Hauptmann befördert worden.

Oestlicher und Balkan⸗Kriegsschauplatz. Die Lage ist im allgemeinen unverändert. Oberste Heeresleitung. G