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Bei der Räumung von Orischaften unseres Gebiets seitens des Feindes scheint auch die italienische Bevölkerung teilweise mitzugehen. Leute, die so ihr Vaterland verlassen, werden ihren Anschluß an den Feind strafrechtlich zu verantworten
n.
Der Stellvertreter des Chess des Generalstabes. von Hoefer, Feldmarschalle mnant.
9*
Sofia, 24. Mai. (W. T. B.) Be es Haupt⸗ quartiers über die Lage auf dem mazedonischen Kriegs⸗ schauplatz. Seit zwei Monaten haben die englisch⸗französischen Truppen begonnen, das befestigte Lager von Saloniki zu ver⸗ lassen und sich unserer Grenze zu nähern. Die Haupt⸗ streitkräfte der Engländer und Franzosen sind im Wardartal aufgestellt und breiten sich ostwärts über Dova Tepe bis zum Strumatal und westwärts über die Gegend von Subotsko und Vodena bis nach Lerine (Florina) aus. Ein Teil der wiederhergestellten serbischen Armee ist schon in Saloniki gelandet. Seit einem Monat ungefähr herrscht fast täglich Geschützfeuer an der Front Doiran — Gewagheli, aber die Engländer und Franzosen haben bis jetzt noch an keiner Stelle die Grenze überschritten. Vorgestern wurde eine französische Aufklärungsabteilung von unseren Patrouillen im Dorfe Gorni Garbale unter Feuer genommen. Die Reiter ergriffen die Flucht und ließen ihre Pferde im Stich, die von unseren Soldaten eingefangen wurden.
Der Krieg der Türkei gegen den Vierverband.
Konstantinopel, 24. Mai. (W. T. B.) Amtlicher Bericht. An der Irakfront keine Veränderung. Die russischen Streitkräfte, deren Vormarsch in der Richtung Kasri Schirin auf Kankin (Hanikin?) gemeldet worden war, sind ge⸗ zwungen worden, ihr Vordringen in der Gegend der Grenze einzustellen. In einem Gefecht mit russischen Abteilungen, die an der persischen Grenze gerade nördlich von Suleimanieh bemerkt worden waren, brachten wir diesen einen Verlust von mehr als 200 Mann bei.
An der Kaukasusfront auf dem rechten Flügel im Abschnitt von Bitlis unbedeutende Patrouillengefechte. Im Zentrum und auf dem linken Flügel wurden Ueberfallsversuche des Feindes gegen unsere Vorhutstellungen in der Nacht zum 23. Mai mühelos abgewehrt.
An der Halbinsel Gallipoli wurde ein Torpedoboot, das sich Kütschük⸗Kemikli zu nähern versuchte, durch unser Geschützfeuer in die Flucht gejagt.
Eines unserer Wasserflugzeuge n8c auf einem Fluge in der Richtung auf Imbros erfolgreich Bomben auf einen Monitor, den es im Hafen von Kephalo bemerkt hatte, auf die Einrichtungen im Hafen und auf Flugzeugschuppen und rief dort einen Brand hervor, welcher genau festgestellt wurde
Auf den anderen Fronten keine Veränderung.
&
Der Krieg zur See.
Tarragona, 24. Mai. (W. T. B.) 21 Matrosen des griechischen Dampfers „Istros“, der von einem österreichisch⸗ ungarischen U⸗Boot torpediert worden ist, sind heute vormittag im Hafen von Palmas (Mallorca) in einem Boot angekommen.
Berlin, 25. Mai. (W. T. B.) Deutsche Seeflug⸗ zeuge haben am 22. Mai im nördlichen Aegäischen Meer zwischen Dedeagatsch und Samothraki einen feind⸗ lichen Verband von vier Schiffen .“ und auf einem Flugzeugmutterschiff zwe Volltreffer erzielt. Die feindlichen Schiffe entfernten sich darauf in der Richtung nach Imbros.
Der Chef des Admiralstabes der Marine.
Literatur.
— Von der bei Quelle und Mever in Leipzig erscheinenden Sammlung „Wissenschaft und Bildung“ liegen drei neue Bändchen vor, die auf Interesse in weiteren Kreisen g. e⸗ dürfen. Im Bändchen 77: „Die Indogermanen“ von Professor Dr. O. Schrader bietet der Verfosser in knapper, volkstümlicher Form einen Ueberblick über die wissenschaftlichen Ergebnisse auf dem Gebiete der indogermanischen Altertumskunde, die die Herkunft und ältesten Kulturzustände der Vörker unseres Sprach⸗ tammes zu ermitteln sich bestrebt. Das Büchlein fußt auf den größeren wissenschaftlichen Arbeiten des Verfassers, die die Früchte einer über Jahrzehnte sich erstreckenden Forschertärigkeit darstellen, es enthält aber auch eine Reihe neuer, vorher noch nicht verarbeiteter sprachlicher und sachlicher Beobachtungen. In der Gesamtdarstellung ist die schon öfter erörterte matertelle Kultur der Indogermanen nur kurz berücksichtigt, während die seltener behandelten Fragen, die das Gesellschaftsleben, das Recht, die Sitte und Religion des Ur⸗ volkes aufgeben, ausführlicher untersucht werden. Der Leser wird in dem Büchlein den klaren Ausführungen eines wohl⸗ unterrichteten Fachmanns über die Sitten unserer Urvorfahren mit Interesse folgen und in ihnen auch marcherlei finden, was sich unter den durch die lange Entwicklungszeit bedingten Umwandlungen bis in die Gegenwart erhalten hat. Die Schrift ist ein trefflich s Lesebuch für den gebildeten Laien auf dem Gebiet der Sprach⸗ und Kulturgeschichte. Ein beigegebener Literaturnachweis erleichtert dem Leser eine eingehendere Beschäftigung mit dem interessanten Stioffgebiet. — Auch die in derselben Sammlung (als Band 107) erschienene „Geschichte der Philosophie im Altertum und Mittelalter“ von Professor Dr. A. Messer kann als volks⸗ tümliche und doch zugleich wissenschaftlich sichtende und zusammen⸗ fassende Darstellung empfohlen werden. Der dem Laien spröde Stoff ist sachlich und auch der Form nach so übersichtlich und klar ver⸗ arbeitet, daß das Büchlein wohl geeignet erscheint, dem wieder er⸗ wachten Bedürfnis nach philosophischer Schulung zweckmäßig zu dienen. Obwohl in der knappen Fassung nur die Hauptsachen hervor⸗ ehoben werden konnten, wird doch der geschichtliche Zu⸗ ammenhang gewahrt und die Beziehung der Philosophie zur alloemeinen Kulturlage überall berücksichtigt. — In einem dritten Bändchen (130) gibt der Professor Dr. von der Pforten, dem wir bereits wertvolle Mozart⸗ und Beethovenbiographien ver⸗ danken, unter dem Titel Franz Schubert und das deutsche Lied“ eine Lebensbeschreibung Schuberts und eine Würdigung seiner Werke unter besonderer Berücksichtigung der Lieder. In einem Rück⸗ blick und Ausblick werden die großen späteren deutschen Lieder⸗ komponisten Robert Franz, Felix Mendelssohn⸗Bartholdy, Johannes Brahms und Hugo Wolf kurz in ihrer Eigenart gewürdigt. In einem Anhang sindet der Leser alle Dichter, von dem Schubert Texte vertont hat, nach den Nummern der Gesamtausgabe der Schubertschen Werke aufgeführt. Ein Literaturanhang vervollständigt das lesens⸗ werte Büchlein. Jeder Band der Sammlung „Wissenschaft und Bildung“ kostet geb. 1,25 ℳ.
18.;
Nr. 10 des „Eisenbahnverordnungsblatts“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 20. Mai 1916 hat folgenden Inhalt: Eisenbahnanleibesetz vom 17. April 1916. — Allerhöchste Uirkunde vom 14. Juli 1914, betreffend die Erhöhung des Grundkapitals der Ruppiner Eisenbahn⸗Aktiengesellschaft. — Bekannt⸗ machung des Reichseisenbahnamts vom 18. April 1916, betreffend Aenderung der Anlage G zur Eisenbahnverkehrsordnung. — Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 7. Mai 1 16, betreffend Eisenbahntöchterhort. — Nachrichten. 8
Theater und Mufik.
Im znig11 Opernhause wird morgen „Aida“, mit den Damen Kemp, Schreiber a. G. und Herwig sowie den Herren Kirchner, Schwarz, Bachmann und Schwegler in den Hauptrollen, aufgeführt. Dirigent ist der Generalmusikdirektor Blech.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen das Lust⸗ spiel — schn mit den Damen Arnstädt, Heisler, def Ressel und den Herren Bruck, Böttcher, Eggeling, Eichholz,
artstein, von Ledebur, Leffler, Patry und de Vogt in den Haupt⸗
rollen, gegeben.
Die Ausgabe der Dauerbezugskarten für Juni und August für je 31 Vorstellungen im Königlichen Opernhause und im Königlichen Schauspielhause findet in der König⸗ lichen Theaterhauptkasse gegen Vorzeigung der Dauerbezugsverträge von 9 ¼ — 1 Uhr statt, und zwar: am 29 d. M. für den J. Rang, das Parkelt und den II. Rang des Königlichen Opernhauses, und am 30. d. M. für den III. dlang des Königlichen Opernhauses und für alle Plätze des Königlichen Schauspielhauses.
In den Kammerspielen des Deutschen Theaters be⸗ ginnt die Sommerspielzeit am 1. Junk. Frau Lucie Höfklich ist für einige Vorstellungen verpflichtet worden. Die Künstlerin wird vom 1. bis 4. Juni in Schönherrs „Weibsteufel“ die Titelrolle spielen. Am 5. Juni beaginnt ein Wedekind⸗Zyklus unter Mitwirkung Frank Wedekinds und seiner Gattin.
In der Volksbühne (Theater am Bülowplatz) kann die Posse „Die Mottenburger’ von Kalisch und Wetrauch nur bis zum 31. d. M. in Szene gehen, da an diesem Tage die Winterspiel⸗ zeit endet.
Das Theater in der Königgrätzer Straße beendet am 31. d. M. die Winterspielzeit. Es wurden in diesem Winter Werke von Goethe, Schiller, Kleist, Ibsen, Gustav Wied, Biäörnstjerne Biörnson, August Strindberg aufgeführt, und zwar wurde „Götz von Berlichingen“ 38 mal, „Maria Stuart’ 22 mal, „Amphitryon 10 mal, „Ueber unsere Kraft“ 17 mal, „Kameraden“ 61 mal, „Ein Traumspiel 56 mal, „Der Vater“ 44 mal, „Rausch“ 45 mal, „Gläubiger“ 14 mal, „Eine Abrechnung“ 14 mal, „Königin Christine“ 2mal, „Hedda Gabler“ 3 mal gespielt.
Auf Einladung des deutschen Botschafters in Konstantinopel Grafen von Wolff⸗Metternich fanden sich gestern, wie „W. T. B.“ meldet, die gebildeten Kreise der türkischen Hauptstadt zu dem ersten Abend des deutschen Musikfestes im Orient, das von deutschen Freunden der Türkei veranstaltet wird, zusammen. Die Auffahrt bot ein glänzendes Bild. Der Saal des Wintertheaters war autschließlich mit den türkischen Farben geschmückt. Anwesend waren mehrere türkische Prinzen, der Großwesir, der Minister des Aeußern und des Innern, der Kammerpräsident, viele Senatoren und Abgeordnete, ferner die Herren der deutschen Botschaft und des Generalkonsulats, an ihrer Spitze der Graf von Wolff⸗Metternich uvnd der Generalkonsul. Mertens, hohe Offiztere, deutsche Professoren. Auf der Galerie wohnten die Schüler türkischer Lehranstalten dem Konzert bei. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Publikum folgte den Vorträgen mit großer Aufmerksamkeit. Emmi Leisner hatte glänzenden Erfolg mit Brahmeschen Liedern, die auf das türktische Publikum tiefen Ein⸗ druck machten, ebenso Karl Clewing mit seinen Soldatenliedern. Das Reußische Hoforchester spielte vorzüglich Haydns Militär⸗ svmphonie sowie den „Hohenfriedberger Marsch“, der das Andenken an Friedrich den Großen, den Freund der Türkei, wachrief. Allge⸗ mein hatte man den Gesamteindruck eines starken Erfolges.
(Der Konzertbericht befindet sich in der Ersten Beilage.)
Mannigfaltiges.
Der im preußischen Abgeordnetenhause tagende Gesamt⸗ verband der „Frauenhilfe“, der bisher eine Abteilung des „Evangelisch ⸗kirchlichen Hilfsvereins“ gebildet hat, nach seiner bedeutenden Erstarkung aber nunmehr selbständig — worden ist, genehmigte im weiteren Verlaufe seiner Verhandlungen die neuen Satzungen und wählte einen aus 12 Mitgliedern bestehenden Hauptvorstand. Dann sprach der Generalsuperintendent von 2 D. Blau über die vielerörterte Frage des weiblichen ienstjahres. Er kam zu einer Ablehnung. Der ganzen Idee liege eine Verwechslung von Staats. und Volksgemeinschaft zu Grunde. Die Frau habe wobl Pflichten gegen diese, nicht aber direkte E die ja Rechte nach sich ziehen würden. Der Gedanke berücksichtige auch viel zu wenig den natürlichen Unterschied der Geschlechter. Für die wetbliche Jogend gelte es heute, sie zu Persönlichkeiten im evan⸗ aelisch⸗christlichen Sinne heranreifen zu lassen. Eine Schemati⸗ sierung durch den Staat sei abzulehnen, vielmehr sei gerade Einzelanpassung notwendig. Für die sogenannten „höheren Töchter’ forderte der Vortragende ein Pflichtjahr in einer Frauenschule, für die übrigen etwa Lehrgänge von sechs Monaten möglichst am Wohnorte. Bei der Besprechung stimmte der Kabinettsrat a. D. Dr. von Behr⸗Pinnow dem Berichterstatter im wesentlichen bei und forderte an Stelle des „Dienstjahres“ einen Ausbau der Fortbildungsschule, Ver⸗ besserung des Unterrichts der höheren Töchterschulen usw. Nach weiterer längerer Aussprache wurde eine Erklärung im Sinne der Ausführungen D. Blaus angenommen, die zwar die Form des Dienst⸗ jahres ablehnt, aber gewisse Ausbildungserfordernisse, vor allem jedoch ““ und Pflege der sittlich⸗religiösen Werte für notwendig
Die Berliner Kirchlich⸗soziale Frauengruppe (Vor⸗ sitzende: Frau von Braunschweig) hält ihre letzte Mitgliederversamm⸗ lung vor der Sommerpause am Dienstag, den 30. Mai, Nachmittags 5 Uhr, im großen Saale, Schellingstraße 12. Um 5 ½ Uhr spricht der Pastor Dibelius über den Wiederaufbau der Familie nach dem Kriege“. Hierzu sind auch Gäste willkommen.
Der Botaniker, Professor Molisch hat kürzlich der Wiener Akademie der Wissenschaften eine Arbeit vorgelegt, aus der hervor⸗ geht, daß man Azetylen mit Erfolg zum Treiben von Pflanzen verwenden kann. Die Arbeit stammt von einem Dr. Weber und wurde im Pflanzenphysiologischen Institut der Universität Graz aus⸗ geführt. Versuche an Syringa (Flieder) und Tilia (Linde) zeigten, daß durch 48 stündigen Aufenthalt in mit Azetylen stark C-evee . Luft die Ruhepause im Wachstum wesentlich abgekürzt wurde. ie Azetolenmethode dürfte sich nach Ansicht Dr. Webers infolge der aus⸗ gezeichneten Wirkung und wegen ihrer Einfachheit zur praktischen Verwendung eignen.
———— —
Der zur Zeit besonders großen Bedeutung der Obst⸗ und Gemüseverwertung trägt die Königliche Gärtnerlehr⸗ anstalt in Berlin⸗Dahlem, Post Steglitz, durch Abhaltung
1“ I1 —
eines theoretischen und praktischen Kursus in der Zeit vom 19. bit 24. Juni 1916 Rechnung. Das reichhaltige Programm umfaßt das gesamte Gebiet der Obsi⸗ und Gemüseverwertung. Pläne über den Kursus mit Angabe der Unterrichtszeit versendet die genannte Anstalt. Anmeldungen sind an ihren Direktor zu richten. Das Unter⸗ richtsgeld beträgt für Deutsche 9 ℳ, für Ausländer 18 ℳ nebst 5 9 Postbestellgeld. — Unabhängig von diesem Kursus findet außerdem vom 3. bis 15. Jult ein Spezialverwertungskursus für Haus⸗ haltungslehrerinnen und dergleichen Vertreter des Lehrstandes statt. Entsprechend der längeren Zeitdauer ist das Unterrichtsgeld auf 18 ℳ für Deutsche, 36 ℳ für Ausländer fest⸗
gesetzt. 1
Im Wissenschaftlichen Theater der „Urania“ wird der Vortrag „An den Grenzen von Südtirol und Italten“, der die Kampfgebiete des österreichisch⸗italienischen Krieges unter Berück⸗ sichtigung der neuesten Ereignisse als auch die landschaftlichen Schönheiten gerade dieser Gegenden an künstlerisch ausgestatteten Bildern schildert, am Sonnabend und Sonntag wiederholt werden, und zwar wird am Sonnabend der Verfasser des Vortrags, Direktor Franz Goerke ihn persönlich halten.
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Paris, 24. Mai. (W. T. B.) Wie „Matin“ meldet, kam es Imn Paris zu lärmenden Kundgebungen der Hausfrauen in den Markthallen wegen maßloser Fleischpreise, die dazu füchrten, daß bedeutende Mengen ündesanft blieben und am andern Toge von den Fleischbeschauern als verdorben der Abdeckerei über⸗ wlesten wurden. Hausfrauen, die der Fortschaffung zusahen, gaben ihren Unwillen durch entrüstete Protestrufe zu erkennen. Sie forderven dringend Kühlanlagen sowie ein behördliches Eingreifen, um durch angemessene Preisermäßigung ähnliche Vorkommnisse zu ver⸗ meiden — Auch aus zahlreichen Provinzstädten liegen Meldungen über Mungel an Fleisch und große Preistreibereien vor, die vielfmh zur Maßregelung der Händler seitens der Behörden und infolgedessten zu Streiks der Schlächter führten.
Le Havre, 24. Mai. (W. T. B.) „Petit Parisien“ meldet aus Le Havve: Auf der Reede erfolgte ein Zusammenstoß zweier Dampfer, durch den der französische Dampfer „Iles Chaussey“ buchstäblich dyrchgeschnitten wurde und sofort sank Von der Be⸗ satzung sind 12 Mann gerettet, 6 Personen werden vermißt. — In der Bretagne erfolgten mehrere Erdstöße, die jedoch JFeinen größeren Schaden anrichteten.
Vlissingen, 24. Mai. (W. T. B.) Der Lazarettzug mit verwundeten englischen Kricasgefangenen ist hier 1 Uhr 45 Minuten angekommen. Das Sospitarschiff „St. Denis“ kam um 3 Uhr 45 Minuten mit 109 verwundet en deutschen Kriegsgefangenen hier an. In Vertretung des Kaiserlich deutschen Gesandten Herrn von Kühlmann begrüßte der Milltärattaché⸗ Oberst⸗ leutnant Renner die deutschen Verwundeten. Sie wurden von der Vlissinger Transportkolonne des Niederländtschen Roten Kreuzes nach dem bereststehenden Zuge gebracht, der um 8 Uhr 30 Minuten nach Eschen abfährt. Das Hospttalschiff fährt morgen um 10 Uhr früh nach England zurück. 8
Kopenhagen, 24. Mai. (W. T. B.) „Politiken“ meldet aus Esbjerg: Die großen Mengen von Fischen locken beständig dänische Fischer in das deutsche Kriegsgebtet und zuweilen auf deutsches Seegebiet. Nachdem die Deutschen lange nachsichtig gewesen sind, scheinen sie jetzt energischer vorzugehen. Die Fisch⸗ kutter „Selmer“ und „Vikina“ wurden, nachdem sie mehrmals vorher verjagt worden waren, vor drei Wochen nach Hamburg ge⸗ führt, wo ihr Fang beschlagnahmt wurde Nachdem die Fischer eine Geldstrafe bezahlt batten, konnten sie zurückkehren. Am Sonntag wurde abermals eine Anzahl Kutter von den Deutschen verjagt und der Kutter „Energie“ südwärts mitgenommen.
Sofia, 23. Mai. (W. T. B.) Laut Meldung der bulgarischen Telegraphenagentur fanden heute in allen Städten des geeinigten bulgarischen Vaterlandes Festlichkeiten zur Feier des Ge⸗ dächtnisses der beiden nationalen Apostel Cyrill. und Method, der Schöpfer des bulgarischen Alphabets sowie der slawi⸗ schen Kultur, statt. Die ganze Bevölkerung, insbesondere die Schul⸗ jugend, nimmt an der Feier teil. Im ganzen Lande, namentlich in den neu erworbenen Gebieten, in denen die Bevölkerung diesen nationalen Festtag zum ersten Male in Freiheit begeht, herrscht allge⸗ meine Begeisterung.
Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Theater. Königliche Schauspiele. Freitag: Opernhaus. 136. Abonne⸗
entsvorstellung. Aida. Oper in vier Akten (7 Bildern) von G. — Teg⸗ von Antonio Ghislanzoni, für die deutsche Bühne bearbeitet von Julius Schanz. Musikalische Leitung: Herr General⸗ musikdirektor Blech. Regie: Herr Oberregisseur Droescher. Ballett: Herr Ballettmeister Graeb. Chöre: Herr Professor Rüdel. (Amneris; Kammersängerin Frau Frieda Schreiber vom Großherzoglichen Hoftheater zu Schwerin als Gast.) Anfang 7 ½ Uhr. Schauspielhaus. 142. Abonnementsvorstellung. Rosenmüller und Finke. v-en Herrn Regisseur Dr. Bruck. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend: Opernhaus. 137. Abonnementsvorstellung. Mona Lisa. Oper in zwei Akten von Max Schtllings. Dichtung von Beatrice Dovsky. Anfang 7 ½ Uhr. Reettoee Schauspielhaus. 143. Abonnementsvorstellung. lhelm Tell. Schauspiel in 5 Aufzügen von Friedrich Schiller. Anfang 7 ½ Uhr.
Die Ausgabe der Juni⸗ und August⸗Abonnementskarten für 31 Vor⸗
jellungen im Königlichen Opernhause und 31 Vorstellungen im Königlichen Enunfedhase findet an der Königlichen Theaterhauptkasse gegen Vor⸗ zeigung der Abonnementsverträge von 9¼— 1 Uhr statt, und zwar an 29. d. M. für den 1. Rang, das Parkett und den 2. Rang des König⸗ lichen Opernhauses und am 30. d. M. für den 3. Rang des
Königlichen Opernhauses und für alle Plätze des Königlichen Schau⸗
spielhauses.
Familiennachrichten. Eine Tochter: Hrn. Regierungsra Engelbrecht (Oppeln).
torben: Hr. Oberverwaltungsgerichtsrat Friedrich Ritgen ge . — Diakonissin Anna von Rantzau⸗Horst (Altong)
Geboren:
—
Verantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg. Verlag der Expedition (Mengering) in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, 8 Berlin, Wilhelmstraße 32. —
ͤ sowie die 991. u. 992. Ausgabe der De
8
zhen heute noch eine volle Vorstellung von den atwierigkeiten aller Art, die zu überwinden, die zu bemeistern waren,
Lustspiel in drei Aufzügen von Carl Töpfer. In Szene
Erste Be
ilage
sanzeiger und Königlich Preußischen
Deutscher Reichstag.
33. Sitzung vom 24. Mai 1916, Nachmittags 1 Uhr.
Am Tische des Bundesrats: Staatssekretär des Helfferich.
55 Dr. Kaempf eröffnet die Uhr. h (Ein Schreiben des Reichskanzlers macht von den n. in 22. Mai vollzogenen Neuernennungen der Besetzung der eichsämter Mitteilung. 8 8 1
Vor Eintritt in die Tagesordnung nimmt das Wort aatssekretär des Innern Dr. Helfferich:
Meine Herren! Ich habe heute zum ersten Male die Ehre, in inem neuen Amte vor Ihnen zu erscheinen. Ich darf Sie deshalb jen, mir für einige Worte Gehör zu schenken.
Das hohe Haus hat bereits vor einigen Tagen durch seine Wort⸗ hrer die hohe Wertschätzung und Dankbarkeit bekundet, die der ichstag und die das deutsche Volk meinem hochverehrten Herrn ttsvorgänger zollt. Der scheidende Staatssekretär hat mich beauf⸗ gt, Ihnen für diese Bekundung seinen herzlichsten und aufrichtig⸗ i Dank auszusprechen.
Meine Herren, ich brauche nicht hinzuzufügen, wie hoch die ver udeten Regierungen die Verdienste meines Herrn Amtsvorgängers schätzen, und wie hoch ich selbst die Verdienste des Herrn Staats⸗ retärs Dr. von Delbrück stelle. Nur wer in der Kriegszeit un⸗ erbrochen und unmittelbar in fortgesetzter Verbindung mit dem aatssekretär Dr. von Delbrück gestanden hat, kennt das volle Maß Kriegsverdienste, die Exzellenz Delbrück den großen historischen ndiensten seiner Friedensarbeit hinzugefügt hat. Was Delbrück er Einsetzung seiner vollen Kraft und Gesundheit, unter Auf⸗ erung seiner ganzen Person im Kriege geleistet und geschaffen hat, ür fehlt denjenigen, die nicht ganz nahe bei den Dingen stehen, te noch der richtige Maßstab. Die Wenigsten in unserem Volke⸗ gewaltigen
Innern
Sitzung nach
das wirtschaftliche Durchhalten in diesem Kriege zu sichern. (Leb⸗ te Zustimmung.) Die Sorge des Tages, die überall drückt, ver
skelt vielfach das, was erreicht worden ist. Erst die Geschichte wird
gerechten und vollen Würdigung kommen, und im Lichte der Ge⸗ chte wird der Name Clemens Delbrück hell erstrahlen unter den een Namen dieser großen Zeit. (Lebhafter Beifall.)
1 Meine Herren, das Vertrauen Seiner Majestät des Kaisers hat
h zum Nachfolger dieses Mannes berufen. Es war für mich — edürfen mir das glauben — ein schwerer Entschluß, die Fort⸗ rung seiner Arbeit zu übernehmen. Schwer wegen dessen, was
„mir liegt, schwer aber auch wegen des Arbeitsfeldes, das ich ver⸗
Wenn mir etwas den Abschied von meinem bisherigen Amt ichtert, dann ist es das Bewußtsein, daß die Reichsfinanzverwal⸗ g in gute und starke Hände übergeht, und daß dem neuen nne außer dem eigenen Stabe in der Reichsbank und ihrem sidenten eine unübertreffliche Mitarbeit in der Kriegsfinanzierung Seite steht, eine Mitarbeit, die an den unter meiner Amts⸗ rung erzielten Erfolgen einen gar nicht hoch genug zu veran⸗ agenden Anteil hat. (Lebhafter Beifall.)
Erleichtert wird mir der Abschied ferner durch das Bewußtsein, unsere finanzielle Kriegsführung sich in gesicherten Bahnen be⸗
(Bravol), daß rund 90 % unserer bisherigen Kriegsausgaben langfristigen Anleihen konsolidiert sind, während in England r als die Hälfte und in Frankreich mehr als zwei Drittel der egsausgaben ungesichert auf kurzfristigen Krediten stehen. (Hört, ! rechts.)
Wenn Sie nun in den nächsten Tagen die Steuervorlagen zum chluß bringen, auf der erweiterten Grundlage, wie sie die beiden missionen beschlossen haben, so werden Sie einen weiteren festen ck in das Fundament unserer Kriegsfinanzen eingefügt und meinem folger die Arbeit erleichtert haben.
Trotzdem wird es mir hart, mich von dem mir liebgewordenen
ukungskreis mit den sehr großen und wichtigen Aufgaben zu
nen, die mir auf dem Gebiete der Reichsfinanzen noch bevor⸗ ben. Noch schwerer wird mir der Entschluß angesichts der er⸗ kenden Fülle und Wucht der Aufgaben, die mich in dem neuen erwarten. Ich gebe mich keinerlei Täuschung hin. Ich weiß der stetigen Berührung mit dem Arbeitskreise des neuen Amtes, ich auf mich genommen habe; ich weiß auch, daß ich nur dann n darf, diesen Aufgaben einigermaßen gerecht zu werden, wenn meine Herren, mir Ihre Mitarbeit und Ihr Vertrauen in dem⸗ n weitherzigen Maße, wie in dem alten Amt, so auch in dem n Amt gewähren. Um diese Mitarbeit, um dieses Vertrauen te ich Sie herzlich und eindringlich bitten. In einträchtigem emmenwirken wird es uns mit Gottes Hilfe gelingen, den Krieg bzuhalten, den Frieden wirtschaftlich vorzubereiten und durchzu⸗ en und im Frieden ein gesichertes und freies Feld für die Wieder⸗ ahme der segensreichen Arbeit zu schaffen, die uns in der Ver⸗ eenheit groß gemacht hat, und die unser Volk auch in Zukunft auf⸗ s führen wird. (Lebhaftes Bravo.) Das Haus setzt darauf die zweite Lesung des Reichs⸗ nShaltsetats für 1916 fort und nimmt zunächst die ichterstattung über die zu dem Etat für das Reichsamt Innern eingegangenen Petitionen entgegen. Die Pe⸗ n der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands (Luise z) und des Arbeiterinnensekretariats der Generalkommission Gewerkschaften Deutschlands in Berlin um Aufhebung des gesetzes vom 4. August 1914 bezüglich der Außerkraft⸗ ng der Schutzvorschriften für Frauen, Jugendliche und der und um Einführung des Achtstundentages für Frauen,
Q˖—
*) Ohne Gewähr, mit Ausnahme der Reden
er und atssekretäre.
Berlin, Donnerstag, den 25. Mai
mindestens in der Schwerindustrie, soll nach dem Antrage des Haushaltsausschusses dem Reichskanzler zur Berücksichtigung überwiesen werden. Zur Erwägung überweisen will der Aus⸗ schuß die Petitionen der Deutschen Seidenbau⸗Gesellschaft in Berlin um Gewährung einer Beihilfe zur Erreichung ihrer Aufgabe, die deutschen Seidenfabrikanten in ihrem Rohstoff⸗ bezuge vom Ausland unabhängig zu machen, sowie die Pe⸗ tition des Gemeindevorstehers in Misdroy um Gewährung eines Notstandsdarlehns an die Gemeinde Misdroy. Eine Reihe weiterer Petitionen, die sich großenteils auf die Familienunterstützungen beziehen, soll dem Reichs⸗ kanzler als Material überwiesen werden. Uebergang zur Tagesordnung beantragt der Ausschuß übor die Petition der Pyrophor⸗Metall⸗Gesellschaft in Essen um Aufhebung des Ausfuhrverbots auf Cereisen und des Herrn Klein in Berlin und Genossen um Verbot aller unnötigen Zeitungen und Zeit⸗ schriften zur Hebung der Papiernot.
Referent ist Abg. Hoch (Soz.).
Abg. Jäckel (Soz.): In der Unterstützungsaktion für die Textilarbeiter, namentlich für die Heimarbeiter, bestehen in vielen Orten große Mißstände. So hat der Landrat in Neurode in Schlesien seine gesetzliche Pflicht, eine dortige Firma zur Gewährung der Unterstützung zu veranlassen, nicht erfüllt. Eine Beschwerde darüber ist an die vorgesetzte Instanz gegangen; wir warten ab, was darauf geschieht. Es muß endlich verhindert werden, daß die nachgeordneten Instanzen systematisch der Unterstützungsaktion Widerstand entgegen⸗ setzen. Wenn aber von oben herab eine Verfügung ergeht, so fallt es den nachgeordneten Instanzen durchaus noch nicht ein, sie durch⸗ zuführen. In Oberfranken ist z. B. die Unterstützung der Heim⸗ arbeiter bis heute noch nicht durchgeführt, obwohl die bayerische Re⸗ gierung die unteren Verwaltungsbehörden dazu angewiesen hat. Ge⸗ rade angesichts der ausgedehnten Notlage der Heimarbeiter in der Textilindustrie sollten doch die Vorschriften dazu da sein, ausgeführt zu werden. Die Unternehmer denken zuerst an die Beschäftigung der Arbeiter in ihren Fabriken selbst, während die Heimarbeiter immer erst in zweiter Linie kommen. Das Verlangen des Schneider⸗ verbandes, daß die Unterstützungen erhöht werden, ist durchaus be⸗ rechtigt. Bei einer Unterstützung von nur 10 bis 15 ℳ in der Woche müssen die Familien in Schulden geraten. Wir müssen von dieser Stelle aus alle, die es angeht, ersuchen, daß sie die untergeordneten Behörden anhalten, die Unterstützungen zu gewähren. Die Terxtil⸗ industrie befand sich schon vor dem Kriege in einer Krisis, die Textil⸗ arbeiterschaft war also schon außerordentlich geschwächt, und beim Ausbruch des Krieges schlossen viele Unternehmer ihre Fabriken ohne Rücksicht auf die Arbeiter. Die Textilarbeiter haben auch keinen Ge⸗ winn von der Kriegskonjunktur gehabt, und mit Teuerungszulagen sind die Textilindustriellen nicht weitherzig gegen ihre Arbeiter ge⸗ wesen. Was gewährt worden ist, ist ein Pappenstiel gegen die unge⸗ heure Not. Gegen die Kürzung der Unterstützungen durch die unteren Verwaltungsbehörden erhebe ich ganz entschieden Einspruch; nicht eine Kürzung, sondern eine Erhöhung der Unterstützungen ist not⸗ wendig für die Textilarbeiter, die viel ärmer aus dem Kriege heraus⸗ gehen werden, als sie hineingegangen sind.
Berichterstatter Abg. Hoch (Soz.) Im Ausschuß ist anerkannt worden, daß die Unterstützungen genügend sind und die Not beseitigt ist. Den Gemeinden sind lediglich Mittel gewährt worden, damit sie die Arbeiter unterstützen können. Es ist dabei ausdrücklich festgesetzt, daß die Heimarbeiter in derselben Weise unterstützt werden sollen wie die Fabrikarbeiter, und daß niemand von der Unterstützung um des⸗ willen ausgeschlossen sein soll, weil er Heimarbeiter ist.
Ueber die Verhandlungen des Haushaltsausschusses, be⸗ treffend die Zensur,erstattet Abg. Dr. Stresemannäinl.) mündlichen Bericht. Der Ausschuß hat seine an die Kom⸗ mission zurückverwiesene Resolution:
„Den Reichskanzler zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß das Verbot einer Zeitung nur mit Zustimmung des Reichskanzlers erfolgen darf“,
wiederum zur Annahme empfohlen; ebenso hat er die Re⸗ solution Ablaß⸗Bassermann:
„Den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstag bei Beginn des nächsten Sitzungsabschnittes einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die auch während des Krieges unentbehrlichen Sicher⸗ heiten hinsichtlich der Eingriffe der Militärgewalt in das bürger⸗ liche Leben geschaffen werden und die Verantwortlichkeit für diese Maßnahme geregelt wird“,
unverändert angenommen. Ausschusses gehen dahin:
a. den Reichskanzler zu ersuchen, dafür zu sorgen, daß das Ver⸗ SS. Nv. 8 . arTc. . . eins⸗ und Versammlungsrecht und die Preßfreiheit nur insoweit eingeschränkt werde, als dies im Interesse siegreicher Kriegführung unbedingt geboten ist, daß eine gleichmäßige Handhabung der Zensur sichergestellt wird, und daß, wo von Zivilbehörden auf die Hand⸗ habung der Zensur ein Einfluß geübt wird, die zuständigen Be⸗ hörden und Beamten, kraft der ihnen obliegenden Verantwortung, die getroffenen Maßnahmen nach Maßgabe der behördlichen Mit⸗ wirkung vertreten;
b. den Reichskanzler zu ersuchen, alsbald die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, durch welche b
1) die Verhängung der Schutzhaft auf das aus rein mili⸗ tärischen Gründen absolut gebotene Maß beschränkt wird;
2) bei Verhängung der Schutzhaft dem Verhafteten ein Recht⸗ schutz gewährt wird, welcher mindestens nicht zurückbleibt hinter dem im Strafverfahren vor den ordentlichen Gerichten dem Unter⸗ suchungsgefangenen zustehenden Rechtschutz. Endlich soll die Pe⸗ tition des Professors Stahlberg in Berlin⸗Steglitz, den durch die Beschlagnahme der Eingabe von Professor Dr. Schäfer, betreffend den U⸗Boot⸗Krieg, vollzogenen Eingriff in das Petitionsrecht als zu unrecht erfolgt zurückzuweisen und dafür einzutreten, daß dem deutschen Volke das Petitionsrecht auch unter dem Gesetz über den Belagerungszustand in vollem Umfange gewährleistet werde, dem Reichskanzler zur Berücksichtigung überwiesen werden.
Berichterstatter Abg. Dr. Stresemann (nl.): Im Ausschuß wurde von verschiedenen Rednern über die ungleichmäßige Behandlung der Zeitungen durch die Zensur geklagt, z. B. darüber, daß Organe der Hauptstadt nicht Artikel bringen dürften, die der Provinzpresse gestattet seien, daß manchen Zeitungen die Wiedergabe von Ausfsätzen aus anderen Zeitungen verboten sei, aber manchen Zeitungen gestattet worden sei, gegen solche Aufsätze zu polemisieren. Es wurde ferner beklagt, daß die Zensur keine Rücksicht auf die technische Fertigstellung der Zeitungen nehme. Die Klagen richteten sich nicht so sehr gegen die militärische als vielmehr gegen die politische Zensur, und es wurde gewünscht, daß von dem Verbot der Erörterung der Kriegsziele min⸗ destens die Erörterung der wirtschaftlichen Kriegsziele ausgenommen werde. Die Regierung führte aber aus, daß derartige Erörterungen jetzt nicht zugelassen werden können. Es wurde ferner gewünscht, daß man in der Besprechung der Ernährungsfragen den Zeitungen
.
Die weiteren Resolutionen des
volle Freiheit geben solle, dann könne die Presse darin nützen. Auch die zugesagte Freiheit in der Erörterung der Steuerfragen sei nicht
vollkommen durchgeführt; in Versammlungen seien wohl Vorträge über die Steuerfragen, aber keine Erörterungen darüber gestattet worden. Die ausländischen Zeitungen seien bei uns bevorzugt, weil sie ohne Zensur ins Land kämen und Dinge behandeln könnten, die der beutschen Presse nicht gestattet seien. Die Regierungsvertreter betonten, daß ohne Zensur nicht auszukommen sei, daß sie in parlamentarisch regierten Ländern sogar noch strenger gehandhabt werde. Phal⸗ der S. nahme der Petition des Professors Dietrich Schäfer wurde die volle Se. des Petitionsrechts der Staatsbürger verlangt. Gegen die Briefsperre und namentlich deren schikanöse I wurde Ein⸗ spruch erhoben. Auf das Verlangen, daß bei Reisen in die ver⸗ bündeten Länder die Paßschwierigkeiten nicht über das notwendige Maß ausgedehnt würden, erwiderte die Regierung, daß bei dem Verkehr von Tausenden von Personen eine Ueberwachung wegen der Spionage notwendig sei. Bei der Schutzhaft wurde dringend gefordert, daß die betroffenen Personen erfahren müßten, wessen sie beschuldigt werden. Bezüglich der Verantwortung für die Zensur wurde auf die Exrklärung des preußischen Ministers des Innern hingewiesen, wonach die Zivil⸗ behörden die Verantwortung übernähmen, wenn sie auf Ersuchen der Militärbehörden die Zensur selbst ausgeübt hätten oder soweit sie darüber Gutachten an die Militärbehörden erstattet hätten. Eine Aenderung des Gehes über den Belagerungszustand erklärte die Re⸗ gierung im Kriege für unmöglich.
Abg. Dr. Pfleger (Zentr.): Das bisherige Ergebnis unserer Verhandlungen und Beschwerden über die Handhabung der Zensur ist geradezu gleich null. Nur hinsichtlich der direkten Eingriffe in den technischen Betrieb der Zeitung scheint eine kleine Besserung einge⸗ treten zu sein. Die Reichsverfassung gibt dem Kaiser im Interesse der öffentlichen Sicherheit das Recht zur Erklärung des Gebiets oder von Gebietsteilen des Reichs in Kriegszustand; es gilt dann das preußische Gesetz über den Belagerungszustand, womit gleichzeitig gewisse Artikel der preußischen Verfassung außer Kraft gesetzt werden. In Bagyern gilt dann ein Gesetz von 1912, welches die des § 9 des preußischen Gesetzes einfach abgeschrieben hat, aber kein Wort davon enthält, daß irgendwelche Artikel der bayerischen Ver⸗ fassung außer Kraft gesetzt werden sollen. Bei den Verhandlungen im bayerischen Landtage ist gefragt worden, was unter „Interesse der öffentlichen Sicherheit“ zu verstehen ist, und da haben die Vertreter der bayerischen Regierung auf eine Anzahl von Einzelheiten hinge⸗ wiesen, welche sich aber alle ausschließlich auf das militärische Gebiet beziehen; niemand hat daran gedacht, daß über diesen Bereich hinaus⸗ gegangen werden könne. So sollte denn auch zwischen Bayern und dem übrigen Reiche eine Verschiedenheit der Handhabung herrschen; diese Verschiedenheit sucht man aber vergebens, indem auch in Bayern die betreffenden Verfassungsbestimmungen praktisch außer Geltung gesetzt worden sind. Mit einer solchen allgemeinen und vielseitigen Aus⸗ legung des Begriffs des „Interesses der öffentlichen Sicherheit“ deckt sich so ziemlich das ganze öffentliche und politische Leben. Dieser Rechtszustand ist deshalb so bedenklich, weil die Gerichte ein Nach⸗ prüfungsrecht gegenüber den getroffenen Anotdnungen gar nicht haben; selbst die fahrlässige Zuwiderhandlung gegen Verfügungen der Generalkommandos hat man bereits mit Strafe belegt. In dieser Beziehung haben wir Dinge erleben müssen, die alle Be⸗ griffe übersteigen. Ist die Beschränkung des Gebrauchs der Fremd⸗ wörter im Deutschen Reiche eine Maßnahme im Interesse der bffent⸗ lichen Sicherheit? Die Klagen über die Henühab tmg der Zensur richten sich vor allem gegen Maßnahmen, die teils unverständlich, teils zu weitgehend und deshalb schädlich sind. Einem Redakteur, der einen Artikel gebracht hat, der dem Zensor nicht gefiel, sind die Zusatzbrotkarten entzogen worden. Wenn einer Zeitung, wie es vorgekommen ist, auf 4 oder 6 Wochen das Erscheinen verboten wird, so ist das unter Umständen gleichbedeutend mit der Vernichtung des Blattes. Hier ist unbedingt geboten, daß ein solches Verbot einmal an die Genehmigung des Kanzlers gebunden wird, und dann, daß es nur auf ganz kurze Zeit erfolgen darf. Die ganze Kommission war sich ferner darüber einig, wenn die Zensur etwas weniger schroff gegenüber der Kritik von wirtschaftlichen Maßnahmen gewesen wäre, so hätten wir manches von den jetzigen unerfreulichen Zustanden auf diesem Gebiete nicht zu beklagen. Manche Zensoren sind soweit ge⸗ angen, die Veröffentlichung von Resolutionen, welche in öffentlichen Versammlungen gefaßt waren, zu verbieten, wenn sie nicht zuvor dem Zensor vorgelegen hatten; eine solche Ueberempfindlichkeit der Zensoren ist doch 2.Je. nicht angebracht. Andererseits hat die Zensur Ge⸗ schmacklosigkeiten und Roheiten, z. B. bei der Ankündigung von kine⸗ matographischen Vorführungen, zugelassen, daß die betreffenden Zensoren als solche charakteristert werden müssen, die durchaus ihren Beruf verfehlt haben. Ebenso hat man die ärgsten Angriffe auf die Katho⸗ liken passieren lassen, auch solche des Evangelischen Bundes, Angriffe, die in der heutigen schweren Zeit geradezu an Landesverrat grenzen. Aehnliches ist selbst in Friedenszeiten von katholischer Seite nicht unternommen worden. Das r 20 an den Pranger gestellt werden. Die Verhängung der Schutzhaft hat man durch das Belagerungsgesetz zu Die Art der meisten Persönlichkeiten, über die die Schutzhaft verhängt worden ist, läßt die Maßregel, abgesehen von der grundsätzlichen Frage, begreiflich erscheinen. Gegen eine ganze Anzahl von Personen dag aber gar kein Spionageverdacht vor. Es wider⸗ spricht dem deutschen Volksempfinden, daß für diese Schutzhaft keine Rechtsgarantien geschaffen sind wie für andere Fälle. Wir haben deshalb in der Kommission eine Resolution beantragt, die diese Frage regeln will. Wir bitten Sie, diese Resolution, der sich die Kom⸗ mission angeschlossen hat, anzunehmen. In der Kommission hat der Regierungsvertreter erklaͤrt, die Reichsregierung übernehme für die Anordnungen des Kommandos keine Verantwortung, diese seien dem Obersten Kriegsherrn verantwortlich. Als preußischar Minister⸗ präsident übernimmt der Reichskanzler die Verantwortung, als Reichs⸗ kanzler selbst aber nicht. Dieser Zustand ist unbefriedigend vom politischen Standpunkte aus unbegreiflich. Die Sttellung des Reichs⸗ kanzlers wird dadurch herabgesetzt. Als Reichskanzler ist er abhängig von den Armeekommandos. Diese glauben das Recht zu haben, An⸗ ordnungen des Reichskanzlers, die sie mit der öffentlichen Sicherheit für unvereinbar halten, außer Kraft zu setzen. Das ist eine unwürdige Stellung, und bestände sie zu Recht, 0 müßte dieser Zustand sofort auf gesetzlichem Wege heseitigt werden. Der Kanzler ist dazu da, die Verantwortung zu übernehmen und so den Kaiser zu schützen. Wenn solche Dinge, wie ich sie vorhin erwähnt habe, geschrieben werden dürfen, wie muß das im Lande und im feindlichen und neutralen Aus⸗ lande wirken, nachdem der Kaiser bei Beginn des Krieges gesagt hat, er kenne keine Parteien mehr. Die Unterdvückung einer Eingabe an den Reichstag hat sicherlich nicht dazu beigetragen, unser Ansehen im Inlande und Auslande zu stärken. Das ist ein Eingriff in die Rechte des Parla⸗ ments. Der Versuch, das Einsammeln von Unterschriften für eine Eingabe an den Reichstag zu händern, ist des freien deutschen Volkes unwürdig. Damit schafft man die Frage, die diese Männer erörtert haben, nicht aus der Welt, sondern erschüttert die Freudigkeit des Durchhaltens im ganzen Volke. Den Antrag der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft, den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, den Belagerungszustand aufzuhehen und insbesondere die Freiheit der Presse wiederherzustellen, kann ich nicht annehmen, weil er ein Schlag ins Wasser ist. Wenn aber der neue Staatssekretär das Belagerungs⸗ zustandsgesetz abmildern wollte, dann würde er sich ein dauerndes Verdienst erwerben. Gins können wir jedenfalls verlangen: die voll⸗ kommene Freigabe der politischen Zensur. Ein Volk, das sich im Kriege so dewährt hat, eine Presse, die ihre Aufgaben so hoch und