1916 / 257 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 31 Oct 1916 18:00:01 GMT) scan diff

nungsschluß, waren 5177,5 Mill. Mark, aleich 48,6 % der Gesamt⸗ zeichnungen, eingezahlt; bis zum ersten Pflichtzahlungstage sind statt der verlanäten 30 % eingezahlt worden: bei der I. Anleihe 54,3 %, bel der II. 67 %, bei der III. 68 %, bei der IV. 75,5 %, bei der V. 74,1 %. Von diesen bis zum ersten Pflichtzahlungstage eingezablten Beträgen waren mit Hilfe der Darlehnskassen beschafft: bei der I. Anleibe rund 25 %, bei der II. 8,5 %, bei der III. (bis 23. Oktober 1915) 6,5 %. bei der IV. (bis 22. April 1916) 4,8 %, bei der V. (bis 23. Oktober 1916) nur 2,8 % Am 28. d. M. waren auf die fünfte Kriegsanleihe bereits 8636 Mill. Mark, d. h. 81,1 % der Gesamt⸗ zeichnungen, eingezahlt. Auch darin zeiat diese Anleihe dasselbe Bild wie ihre Vorgängerinnen, daß die mit ihr verbundenen gewaltigen Geldbewegungen dank der soragsamen Vorbereitungen der beteiligten Kreise und dank der von der Reichsbank durch Rediskontierungen be⸗ wirkten starken Bindung der flüssigen Geldmittel keinerlei Erschütte⸗ rung des Geldmarktes hervorgebracht und ihre Spuren nur in den safhnoßaften Bewegungen der Ziffern der Reichsbankausweise hinter⸗ In der jetzten Septemberwoche stieg der Notenumlauf um fast 510 Mill. Mark auf seinen bisherigen Höchststand von rund 7370 Mill Mark, das Konto der Wechsel und Schatzanweisungen um 3181 Mill. Mark auf seinen ebenfalls bisher höchsten Stand von 10 758 Mill. Mark, in der Hauptsache durch die als erste Einzahlung auf die Anleibe zurückfließenden, von der Reichsbank vorher begebenen Schatzanweisungen. Andererseits führte die vorbereitende Verstärkuna der privaten Guthaben zu einer Erhöhung der fremden Gelder um 2587 Mill. Mark auf den Stand von 6266 Mill. Mark, der ihren bisherigen Höchststand vom 31. März d. J. noch um mehr als 1900 Mill. Mark überstieg. Beides hatte eine vorübergehbende stärkere Minderung der Deckungsverbältnisse zur Folge. Die Golddeckung der Noten ermäßigte sich von 36,0 auf 33,7 %, die Metalldeckung von 36,3 auf 34 %, die Deckung aller täglich sälligen Verbindlichkeiten durch Gold von 23,5 auf 18,2 %. Die folgenden Wochen haben dann aber mit den stetig wachsenden Einzahlungen auf die Anleihe zu einer starken Abdeckung der Schatzanweisungen und einer starken Ver⸗ minderung der privaten Guthaben geführt und eine beträcht⸗ liche Erleichterung des Status gebracht. Der Notenumlauf senkt⸗ sich bis zum 23. Oktober wieder um 336 Mill. Mark auf 7033 Mill. Mark, Wechsel und Schatzanweisungen um 3143 Mill. Mark auf 7615 Mill. Mark, die fremden Gelder um 2680 Mill. Mark auf 3586 Mill. Mark. Der Goldbestand, der sich seit dem 23. September in sehr erfreulicher Weise um fast 32 Mill. Mark vermehrt hat, deckt die Noten wieder mit 35,6 %, die Metalldeckung der Noten bat sich wieder auf 35,8 % und die Golddeckung der sämtlichen täglich fälligen Verbindlichkeiten auf 23,6 % gehoben 8 Auch der Bestand der Darlehnskassen an Darlehen hat mit 2520 Mill. Mark am 23. Oktober seinen bisher höchsten Stand er⸗ reicht. An Darlehen für alle fünf Kriegeanleihen liefen am 23. Oktober noch 1086 Mill. Mark, also nur rund 2,4 % aller bis dahin eingezahlten Anleihesummen. An Darlehnskassenscheinen waren am 23. Oktober ausgegeben 2520,4 Mill. Mark, davon im freien Verkehr 2053,7, für gedeckte Kassenscheine zurückgestellt 120, in den Beständen der Reichsbank 346,7 Mill. Mark.

Der Zentralausschuß genehmigte mit Rücksicht auf § 32 d des Bankgesetzes die Erhöhung des Betrages, bis zu dem die Fonds der Bank zum Ankauf von Effekten für eigene Rech⸗

nung verwendet werden können, auf 120 Mill. Mark.

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(Weitere Nachrichten über „Handel u. Gewerbe’ s. i. d. Ersten Beilage.)

Wohlfahrtspflege.

Zusatzrente für Kriegsinvalide.

Von Reichs wegen ist ein besonderer Fonds geschaffen worden, aus dem Kriegsbeschädigte, die Kriegszulage beziehen, eine Zusatzrente erhalten können. In Frage kommen solche Fälle, in denen das gegen⸗ wärtige Einkommen aus Rente, Kriegszulage, Arbeitsverdienst usw. erheblich hinter dem Einkommen zurückbleibt, das der Betreffende in dem Jahre vor dem Kriege gehabt hbat. Bei der Bemessung der Rente soll die bisherige Lebensführung berücksichligt werden; es soll sowohl ein Herabsinken der Beschädigten in die Armenpflege verhütet, als auch sozial höher gestellten ein gewisser Ausgleich gegeben werden. Es kommen wesentlich monatliche Unterstützungen in Betracht, die nach den bisherigen Entscheiden zwischen 3—4 und 40 50 schwankten. Grenzen sind jedoch nicht gesetzt, es kann in Sonderfällen auch höhere Unterstützung gewährt werden. Daneben werden einmalige Zuwendungen gemacht, die in der Regel so gedacht sind, daß sie rückwirkend als Ersatz dafür anzusehen sind, daß die Rente erst zu einem späten Zeitpunkte einsetzte; es kann also auch rückwirkend Rente gewährt werden. Meldungen sind an den Bezirks⸗ feldwebel zu richten. (Korrespondenz für Kriegswohlfahrtspflege.)

Schulgeldbefreiung für kriegsinvalide Fachschüler.

8 Um bedürftigen und würdigen Kriegsinvaliden den Besuch der regelmäßigen Kurse der gewerbiichen Fachschulen zu erleichtern, soll, einem Erlaß des preußischen Ministers für Handel und Gewerbe zu⸗ folge, ihnen das Schulgeld von vornherein und über die sonst nach dem Etat feststehende Grenze von 10 oder 5 % der Isteinnahme an Schulgeld hinaus ganz oder teilweise erlassen werden. Nur solchen kriegsinvallden Schülern darf Schulgelderlaß gewährt werden, die nach ihrer Vorbildung und sachverständiger Berufsberatung durch die hierfür bestellten Organe der Kriegsinvalidenfürsorge sowie nach dem netan der Lehrkräfte der Anstalt sich zum Besuch der Fach⸗ ule eignen.

Als Ergebnis einer weiteren von Spaniern in Palma de Mallorca veranstalteten Sammlung für das deutsche Rote Kreuz sind, wie dem „W. T. B.“ berichtet wird, der deutschen Bot⸗ schaft in Madrid 2333,65 Peseten überwiesen worden. Die Kaiser⸗ iche Botschaft hat den warmherzigen Gebern ihren Dank aus⸗

gesprochen. Literatur.

Die Gedankenwelt des Orients. Lebensweisheit und Weltanschauung der Dichter und Denker des naben und fernen Ostens. Herausgegeben von Professor Dr. Wilhelm Schulte (Verlag von Haude und Spener in Berlin; geb. 4 ℳ, in Ganzleinen 5 ℳ). Daß die Kultur im Osten vor Jahrtausenden eine reiche Blüte ge⸗ eitigt hat, daß diese Kultur in mannigfacher Beziehung als Quelle er westlichen gelten darf, ist ein sicheres Ergebnis wissenschaftlicher Forschung, das auch in jüngster Zeit durch Ausgrabungen erneute Be⸗ lätigung gefunden hat. Diese uralten Beziehungen kommen uns aber aum noch zu lebendigem Bewußtsein und die Kenntnis der Kunst und Literatur des Nahen und Fernen Ostens ist auf enge Kreise beschränkt. Die vorl egende Sammlung will die Gedankenwelt der östlichen Völker, wie sie in den Literaturen zum Ausdruck kommt, weiteren Kreisen zugänglich machen und ihnen einen Ein⸗ in die Lebene⸗ und Weltanschauungen der östlichen

Völken erschließen. Der Herausgeber hat dabei die Literaturen Chinesen, Japaner, Inder, Aegypter, Juden, Araber, Perser und Türken herangezogen und aus ihren Werken solche Proben in deutscher Uebersetzung geboten, aus denen ihm die geistige Eigenart jener Völker besonders deutlich zu sprechen schien. Neben Stellen ous Schriftwerken wurden besonders die Sprichwörter berücksichtigt, n deren knappen Sätzen sich das Wesen eines Volkes ja besonders anschaulich widerspiegelt. Eine Fürfe Anzahl der aufgeführten Stellen erscheint dabet zum ersten Male in deutscher Sprache. Der Sammlung ist eine kurze Einführung vorausgeschickt, in der die

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zeichnet wird. Ueber die einzelnen Dichter und Schriftsteller werden ebenfalls kurze Angaben gemacht. Inhaltsverzeichnis und Sachregister erleichtern den Gebrauch der Sammlung.

Das von Rudolf Kögel, Emil und Wilhelm Bauer begründele, jetzt von Adolf Bartels und Julius Kögel herausgegebene Jahrbuch „Neue Christoterpe“ liegt in seinem 38. Jahrgang für 1917 vor. (Verlag von Richard Mühlmann in Halle a. S., geb. 4 ℳ, mit Goldschnitt 4,50 ℳ.) Es enthält zu der bevor⸗ stehenden Jubelfeier der Reformation Aufsätze von Joh. Herßletther über Luthers Gaben an das deutsche Volk und von Ad. Bartels über Lutherstätten. Aus dem übrigen Inhalt des reichhaltigen Bandes seien eine Studie von E. Bruhn über Heimat und Jugend Theodor Storms als psychologischer Hintergrund seiner Dichtung und ein Erinnerungsblatt zu Marie Nathusius' 100. Geburtstag von ihrer Nichte Dörthe Kögel, ferner eine Abhandlung des D. Julius Kögel über das Rätsel des Leidens und den Weltkrieg, hervorgehoben

FTheater und Musik.

Deutsches Theater.

Der „Deutsche Zyklus“ des Deutschen Theaters wurde giten fortgesetzt. Auf Reinhold Lenz folgte Friedrich Maximilian Klinger (1752 1831), der mit seinem Drama „Sturm und Drang“ dem Zeitabschnitt, dem er als Dichter angehörte, den Namen gegeben hat. Aber nicht dieses bezeichnende Erzeugnis seines Schaffens wurde gestern aufgeführt, sondern sein 1775 er⸗ schienenes Werk „Das leidende Weib“, und auch dieses nicht in der ursprünglichen Fassung, sondern in einer freien Bearbeitung Karl Sternheims, der eine Fälschung begeht, wenn er die ver⸗ stlegenen Empfindsamkeiten dieses Jugenddramas in die eiserne g. der Freiheitskriege verlegt, die für Wertherei wahrlich keinen Sinn mehr hatte. Doppelt unwahr aber wirkt diese Apotheose einer Ehe⸗ brecherin in unseren Tagen des gewaltigsten Kampfes der Weltgeschichte. Von der ungebändigten Kraft, dem Sturm und Drang der Natur Klingers ist in der Fassung, die der moderne Aesthet Sternheim dem Werke gegeben hat, fast nirgends etwas zu spüren, um so mehr aber wird eine weichliche Empfindelei hervorgekehrt, die auf die Be⸗ sucher der gestrigen Aufführung weniger abstoßend als komisch wirkte. Der „Gesandtin“, die, obwohl sie glückliche Gattin und Mutter ist, den ritterlichen jungen Hauptmann Dietrich von Brandt kurz vor seinem Ausrücken ins Feld in ihre Nähe bannt und in ein Liebesabenteuer verstrickt, glaubt man einfach die Behauptung nicht, daß sie keine „gewöhnliche Ehebrecherin“ sei, und erst recht nicht die sophistische Begründung, warum sie es nicht sei, weil kelnerlei psychologische Notwendigkeiten mildernd für sie sprechen. Einige andere Gestalten des Stückes: der philosophierende Gatte, ferner ein schwärmerisch beanlagter Bruder der „Gesandtin“ und ein ihrer Tugend nach⸗ stellender verschmähter Liebhaber, die unmotlviert auf der Szene er⸗ cheinen, wenn sie gebraucht werden, und ebenso verschwinden, wenn sie entbehrlich sind, wirkten fast parodistisch. Am sympathischsten ist die Figur eines alten kernigen Majors, der den jungen Brandt als soldatisch gerader Mahner und Helfer durch das Stück geleittet, das zwar traurig endet, aber keine der Forderungen, die man an eine Tragödie stellen muß, erfüllt. Umsonst bemühten sich Lucie Höflich und Paul Hartmann, für das Liebespaar wärmere Anteilnahme zu erwecken, und ebenso vergeblich versuchten die Herren Decarli, Delius, Riemann u. a den Nebenfiguren Leben ein⸗ zuhauchen. Das gelang einzig Eduard von Winterstein mit der freilich recht dankbaren Rolle des Majors. Zum Schluß gab es eine kleine Schlacht zwischen Klatschern und Zischern, die beide Recht hatten, wenn man die Mißfallsäußerungen auf das Stück, den Beifall auf die Aufführung bezieht.

Künstlertheater.

Ludwig Thomas Komödie „Moral“, deren Wirksamkeit bereits im „Kleinen Theater“ und im ‚Schiller⸗Theater“ in Berlin erprobt wurde, ging gestern neueinstudiert auch über die Bühne des „Künstler.Theaters“. Thomas fest anpackende Satire, seine urwüchsig⸗ frische Art, Personen und Handlungen wie im Hohlspiegel zu sehen und in dieser Verzerrung unterhaltend zu schildern, fesselte und be⸗ lustigte von neuem, half über die Dürftigkeit der Handlung hinwe und verschlelerte die Einseitigkeit der Thomaschen Satire und au die Grenzen seines Könnens, die im ersten Akt, in dem die noch nicht entlarpvten Moralheuchler theorelisch bekämpft werden, sich bemerkbar machen. Die flotte Darstellung hob alle belustigenden Umstände und Pointen wirkungsvoll hervor, und da ein scharfes Herausarbeiten ihres satirischen Inhalts dem Wesen dieser Komödie und der Absicht ihres Verfassers durchaus entspricht, kann dabei von einem Zuviel kaum die Rede sein. Nur die Darsteller des Herzog⸗ lichen Kammerherrn und des Polizeischreibers gingen in ihrer Maske und ihrem äußeren Gebahren über die Grenze des als möglich Denk⸗ baren erheblich hinaus. Besonders belustigend wurde der Gymnasial⸗ lehrer Wasner von Herrn Sternberg und der Polizeiassessor Ströbel von Herrn Adalbert dargestellt.

Morgen, Mittwoch, geht im Königlichen Opernhause zum ersten Male Richard Strauß' Oper „Ariadne auf Naxos“ in der Neubearbeitung des Komponisten in Szene. Die musi⸗ kalische Leitung liegt in den Händen des Generalmusik⸗ direktors Blech. Spielleiter ist der Oberregisseur Droescher. Die Besetzung der Erstaufführung ist folgende: Ariadne (im Vorspiel: Primadonna): Frau Hafgren⸗Waag, Zerbinetta: Frau Hansa, Najade: Fräulein Herwig, Dryade: Fräulein Leisner, Echo: Frau Engell, Bacchus (im Vorspiel: Tenor) Herr Kirchner, Harlekin: Herr Habich, Scaramuccio: Herr Sommer, Truffaldin: Herr Krasa, Briahella: Herr Henke; ferner im Vorspiel: Komponist: Fräulein Artot de Padilla, Musiklehrer: Herr Bronsgeest, Tanzmeister: 55 Bergman, Perückenmacher: Herr Bachmann, Ossizter: err Funck, Haushofmeister: Herr Sachs, Lakai: Herr Henke. Hermann Jadlowker, der zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen in Berlin wieder eingetroffen ist, wird zum ersten Male am Freitag in Verdis „Maskenball“ als Graf Richard

auftreten.

Morgen wird im Königlichen Schauspielhause „Die Rabensteinerin“ zum 250. ale gegeben. Die Hauptrollen werden von den Damen Abich, von Mayburg und Schlüter, den Herren Kraußneck, Eggeling, Leffler und Lucas dargestellt. In der Neueinstudierung von Hebbels „Judith“, die am Freitag mit Frau Durieux in der Titelrolle in Szene geht, sind die übrigen ] mit den Damen Pategg, Schlüter, Sussin und den

erren von Ledebur, Kraußneck, Pohl, Boettcher, Eggeling, Engels, Keppler, Leffler, Lucas, Mühlhofer, Vespermann, de Vogt und Zimmerer besetzt. Spielleiter ist Dr. Bruck.

Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater wird am kommenden Sonntag, Nachmittags, als Volksvorstellung „Figaros Hochzeit“, neu einstudtert, aufgeführt. In den Hauptrollen sind u. a. die Damen Garden, Osten, Diedel⸗Laaß sowie die Herren Berndsen, Kraus und Seim beschäftigt. Die musikalische Leitung hat der Kapellmeister Oppenheim, die szenische der Direktor Friedrich übernommen.

Mannigfaltiges

1“ 3 8 1“ Im Lessing⸗Museum (Brüderstraße 13) fiadet morgen, Mittwoch, den 1. November, ein Kammermusikabend des Steiner⸗ Rothstein⸗Quartetts unter Mitwirkung der Königlichen Sängerin Hermine Finck d'Albert statt. Am Donnerstag trägt Elisabeth Albrecht plattdeutsche Dichtungen der im Kriege gefallenen Poeten August Seemann und Gorch Fock vor. Karl Seemann spricht ein⸗ führende Worte. Else Knüttel singt plattdeutsche Lieder.

1“ 8 11““ 1114“ 1 * Literatur der einzelnen Völker nach ihrer Eigenart knapp gekenn⸗

Halle, 30. Okteber. (W. T. B.) Seine Hoheit de

seinen Flügeladjutanten aus Anlaß des Todes des Fliegerhaupt⸗ manns Boelcke der Familie Boelcke seine Anteilnahme aus

sprechen lassen. Der? 8 Militärbehörden gebeten, die Beisetz ung der sterblichen Hülle Boelckes auf dem Ehrenfriedhof der Stadt Dessau vornehmen zu dürfen.

Der Oberbefehlshaber einer Armee, General der Infanterie vo n Below, veröffentlicht folgenden Nachruf für den Hauptmann Boelcke: „Mitten im schärfsten Angriff fiel unbesiegt am 28. Oktober 1916 infolge Beschädigung seines Flugzeuges der kühne Fliegerhaupt⸗ mann Oswald Boelcke, Führer einer Jagdstaffel, Ritter des Ordens Pour le Mérite. Tief erschüttert stehen wir, und mit uns das ganze deutsche Volk, an der Bahre dieses sieggewohnten, unvergleichlichen Helden Vorwärts weist uns das Leben und Sterben dieses unerschrockene tapferen Streiters, der unzählige Male hoch oben zwischen Himmel und Erde sich todesmutig einsetzte för des Vaterlandes Ehre. Mi Stolz, Bewunderung und Dankbarkeit wollen wir allezeit den Name unseres Boelcke nennen. Sein rücksichtsloser Angriffsgeist bleibe All gemeingut unserer Armee!“ 1X1AXA4X“

Warschau, 31. Oktober. (W. T. B.) Seine Majestät der König von Baäyern am Sonnabend in den Nachmittagsstunden die Universität. In Abbvesenhei des Rektors Dr. von Brudzinskt übernahm der Prorektor Professor Dr. von Kowalski die Führung. Der Kurator der Universität Graf von Hutten⸗Czapski und Oberregierungsrat Schauen⸗ burg von der Unterrichtsabteilung begrüßten den König. Am Sonntagvormittag fand Gottesdienst in der Kathedrale auf dem Sachsenplatz statt, daran anschließend wurden die hier befind⸗ lichen bayerischen Landesangehörigen vorgestellt. Um 11 ¼ Uhr empfing Seine Majestät im Palais Potocki den Erzbischof von Warschau Alexander Kakowski, in Audienz. Um 12 Uhr wurde bei dem Ver⸗ waltungschef von Kries im Palais Radriwill das Frühstück ein⸗ genommen. Der Nachmittag war Besichtigungen gewidmet. Abends 6 Uhr 30 Minuten gab der König im Schloß eine Tafel Am Montag 8 Uhr 30 Minuten fuhr der König mit Gefolg auf der Weichsel nach Modlin. Nach Besichtigung de Festungsanlagen wurde um 1 Uhr das Frühstück bei dem Kom⸗ mandanten der Festung eingenommen und um 3 Uhr mit Sonderzug die Rückfahrt nach Warschau angetreten. Um 6 Uhr 30 Min. 8 Seine Majestät im Kasino des Generalgouvernements im Kreise de Abends wurde die Weiterreise nach Brest⸗Litows angetreten.

Kowno, 30. Oktober. (W. T. B.) Seine Majestät de König Friedrich August von Sachsen verweilte auf einer Be sichtigungsreise im Osten einen Tag als Gast des Gouverneurs in Kowno. Um 9 Uhr früh begrüßte Seine Majestät auf dem Bahn⸗ hofe die Truppen, auf deren rechtem Flügel die Angebörigen des sächsischen Heeres und auch diejenigen sächsischen Staatsange⸗ hörigen, die in preußischen Truppenteilen stehen, aufgestellt waren.

An diese Truppenbesichtigung schloß sich eine Rundfahrt durch die

Stadt an, der ein Frübstück auf der Wilhelmhöhe folgte. Von der Wilhelmhöhe aus machte Seine Majestät einen Ausflug nach dem schön gelegenen Kloster Pozajseie. 8

Kopenhagen, 30. Oktober. (W. T. B.) „Berlingske Tidende“ meldet aus Malmö: Der Austausch von Sanitäts

soldaten zwischen den Mittelmaͤch ten und Rußland hat

egonnen. Der erste Transvort, bestehend aus 329 Mann, unter ihnen

20 Aerzte, traf gestern aus Rußland ein. Er setzt morgen die Reise 8

über Malmö nach Saßnitz fort.

Mit einer einzigen A hme sämtliche Personen Oesterreicher.

Konstantinopel, 29. Oktober. (W. T. B.) Der erst Transport rumänischer Gefangener auf dem Wege nach Anatolten kam gestern durch die Straßen Konstantinopels. Di rumänischen Soldaten machten durch ihr elendes Ausseben und ihr Niedergeschlagenheit einen beiammernswerten Eindruck. Die den Durchzug der Gefangenen betrachtende Menge bewahrte überall würdige Ruhe.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Theater.

Königliche Schanspiele. Mittwoch: Opernhaus. 232. Abonne⸗ mentsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Zum 1. Male: Ariadne auf Naxos. Oper in einem Aufzuge nebst einem Vorspiel von Hugo von Hofmannsthal. (Neue Bearbeitung.) Must von Richard Strauß. Musikalische Leitung: Herr General⸗ 5 Blech. Regie: Herr Oberregisseur Droescher.

7 r. Schauspielhaus. 239. Abonnementsvorstellung. Zum 250. Male: Die Rabensteinerin. Schauspiel in vier Akten von Ernst von Wildenbruch. Regie: Herr Rupprecht. Anfang 7 ½ Uhr.

Donnerstag: Opernhaus. 233. Abonnementsvorstellung. Lohen⸗ grin. Romantische Oper in drei Akten von Richard Wagner. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 240. Abonnementsvorstellung. Doktor Klaus. Lustspiel in fünf Aufzügen von Adolph L'Arronge. Anfang 7 ½ Uhr.

Familiennachrichten.

Ve ehelicht: Hr. Hermann von Hertell⸗ Daugzin mit Frl. Mathilde von Btsmarck (Berlin). Hr. Aslegor Briesen mit Frl. Frida Schultz von Dratzig (Ndr. Langenöls).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Kapitän z. S. Karl von Restorff (Berlin⸗Lichterfelde). Eine Tochter: Hrn. von Möller

(Kupferhammer bei Brackwede). 1

Gestorben: Hr. Hans Christian Heinrich August von Gadow⸗ Hugoldsdorf und Neuhof (Hugoldsdorf). Hr. Hermann von Horn (Heidelberg). Hr. Pastor em.

Hrn. Karl Frhrn. von Müfflings Sohn Wolfgang (Aachen).

Verantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg.

Verantwortlich für den öö Der Vorsteher der Expedition 1 Rechnungsrat Mengering in Berlin.

Verlag der Expedition (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32.

Fünf Beilagen (einschließlich Warenzeichenbeilage Nr. 86)

und die Inhaltsausgabe Nr. 43 zu Nr. 5 des öffentlichen

Anzeigers

8 8

sowie die 1237. und 1238. Ausgabe der Deutschen Verlustlisten.

Herzog von Anhalt⸗Dessau hat am Sonntagnachmittag durch

Anfang .

August Matthes (Kolberg). Frl. Clara von Schuftzendorff (Altenburg, S.⸗A.).

*

.

zum Deu

8

Parlamentsbericht.“*) b

Deutscher Reichstag. 70. Sitzung vom 30. Oktober 1916, Nachmittags 3 Uhr. Am Bundesratstische: Die Staatssekretäre Dr. Helfferich, Graf von Roedern.

Erster Vizepräsident Dr. Paasche eröffnet die Sitzung nach 314 Uhr mit der Mitteilung, daß dem Präsidenten Dr. Kaempf gestern durch den Tod seine Gattin nach schweren Leiden entrissen worden ist. 1““

„‚Wir nehmen alle den herzlichsten Anteil an seinem Geschick, und Sie haben sich zum Zeichen Ihrer Teilnahme von den Plätzen erhoben. Ich stelle das fest und bitte um die Ermächtigung, unserm allverehrten Herrn Präsidenten von dieser Ihrer Anteilnahme Mit⸗ teilung machen zu dürfen.“ (Allgemeine Zustimmung.)

Vor der Tagesordnung erhält das Wort 1 Abg. Dittmann (soz. Arbeitsgem.) um zu erklären, daß die

on dem Staatssekretär Dr. Helfferich gegebene Darstellung der Vor⸗ gänge in der Kommission hinsichtlich des Falles der beiden in Schutz⸗ haft genommenen Mädchen den Tatsachen nicht entspreche. Ich habe nicht auf einen solchen Fall „angespielt“, sondern von vornherein den konkreten Fall unter Namensnennung und Angabe der wesentlichsten Einzelheiten erwähnt. Einer Aufforderung, den Fall vorzutragen, bedurfte es deshalb nicht; ich weiß auch nichts von einem bezüglichen Zuruf. Ebenso wenig habe ich darauf geantwortet. Ich habe vielmehr von selber meiner Darstellung hinzugefügt, ich würde im Plenum aus einem Briefe Stellen verlesen, aus denen hervorgeht, wie das Zu⸗ sammensperren mit Prostituierten auf die Mädchen gewirkt habe. Ich stelle ferner fest, daß in der Kommission gegen meinen Wider⸗ spruch die Diskussion über die Schutzhaft geschlossen wurde, daß ich die Absicht hatte, darauf zurückzukommen und noch weitere Fälle vor⸗ zubringen. Es hat also nicht an mir gelegen, wenn ich in der Kom⸗ mission mein weiteres Material nicht habe vorbringen können. Die Herbeischaffung der Akten für das Plenum wäre jedenfalls möglich gewesen.

Der Staatssekretär des Innern Dr. Helfferich bittet ums Wort.

Vizepräsident Dr. Paasche: An eine Erklärung vor der Tagesordnung kann sich eine Debatte nicht knüpfen; die Mitglieder des Bundesrats können aber jederzeit das Wort verlangen. Der Staatssekretär Dr. Helfferich hat das Wort.

Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Helfferich:

Gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Dittmann muß ich bei meiner Darstellung, die ich vorgestern gegeben habe, verbleiben. Er hat im Ausschuß einen Fall vomn zwei Mädchen erwähnt, die wegen Verteilung von Handzetteln glaube ich —, die zu De⸗ monstrationen aufforderten, in Schutzhaft genommen worden und mit Prostikuierten zusammengesteckt worden seien. Daß er die Namen genannt hat, ist mir nicht erinnerlich. Ich habe sie jedenfalls nicht gehört, und auch Herr Ministerialdirektor Dr. Lewald, den ich nicht erst jetzt, sondern vorher darüber befragt habe, hat keine Namen ge⸗ hört. Ich habe dem Herrn Abg. Dittmann zugerufen ich gebe zu, daß er es vielleicht nicht gehört hat —, legen Sie uns doch das Material vor. Darauf hat er gesagt: Ich habe noch Briefe, aber die vorzubringen behalte ich mir für das Plenum vor, und dabei ist er trotz eines erneuten Zurufs von meiner Seite geblieben.

Meine Herren, ich glaube, Sie werden mit mir einig sein, daß es für die Sache förderlicher gewesen wäre, diese Briefe in der Kom⸗ mission vorzutragen und nicht hier im Plenum. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Wenn Herr Dittmann darauf aufmerksam macht, es sei ihm durch einen Beschluß der Kommission ich unter⸗ streiche: nicht durch uns, sondern durch einen Beschluß der Kom⸗ mission das Wort abgeschnitten worden und er sei deshalb nicht in der Lage gewesen, das Material vorzutragen ja, meine Herren, ist denn der Weg zu uns so weit in einem solchen Falle? Ich hätte es mit Dank anerkannt, wenn das Material, das uns wirklich die Grundlage bietet, mit Namensnennung und allen genauen Einzel⸗ heiten uns so zugänglich gemacht worden wäre, daß ich vorgestern in der Sitzung hier in der Lage gewesen wäre, auf den Fall auch wirklich einzugehen, das, was davon stimmt, zuzugeben, und das zu widerlegen, was nicht stimmt. In dieser Lage war ich nicht, weil der Fall in der Kommission nicht voll vorgetragen worden war und trotz der Aufforderung, die ich ebenso wie der Ministerialdirektor Lewald Herrn Dittmann zugerufen habe, uns das Material nicht mitgeteilt worden ist. (Zurufe von der soz. Arbeitsgem.)

Hierauf tritt das Haus in die Tagesordnung ein: Bera⸗ tung der Anträge des Reichshaushaltsausschusses, betreffend die Zensur und den Belagerungszustand.

Im Ausschusse ist folgender Entwurf eines Gesetzes, be⸗ treffend die politische Zensur, eingebracht worden:

§ 1. Wird im Deutschen Reich auf Grund des § 5 des

reußischen Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851

der eines an dessen Stelle tretenden Reichsgesetzes eine Zensur

er Presse eingeführt, so geht die vollziehende Gewalt in Angelegen⸗ eiten der politischen Zensur auf den Reichskanzler über, der damit die Verantwortung für die Handhabung der politischen Zensur über⸗ immt. Die Bestimmungen des § 4 des Gesetzes vom 4. Juni 1851 bleiben für das Deutsche Reich nur insoweit anwendbar, als es sich um die Zensur militärischer Angelegenheiten handelt. Die Festsetzung der für die Ausübung der politischen Zensur erforder⸗ ichen Organe erfolgt durch Bundesratsverordnung.

Kaͤfe Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündigung in

Kraft.

Der Haushaltsausschuß beantragt, diesen Gesetzentwurf derselben Kommission zu überweisen, die mit der Vorberatung des Gesetzentwurfs, betreffend die Schutzhaft während eeinnes Kriegszustandes, betraut wird.

Ein weiterer Antrag desselben Ausschusses geht dahin, an die erwähnte Kommission auch die nachstehende Resolution zu verweisen:

„Den Reichskanzler zu ersuchen, daß im Art. 68 der Reichs⸗ verfassung in Aussicht gestellte Gesetz über den Belagerungs⸗ zustand unverzüglich dem Reichstage vorzulegen.“

Ddie Sozialdemokraten (Abgg. Albrecht u. Gen.) bean⸗ tragen folgende Resolution:

„Den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß der Be⸗

agerungszustand aufgehoben und insbesondere die Freiheit der Presse⸗

wieder hergestellt wird.“

*) Ohne Gewähr, mit Ausnahme der Reden der Minister und Staatssekretäre.

1“

Erste Beilage

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eiger und Königlich Preußischen S aatsanzeiger.

Berlin, Dienstag, den 31. Oktober

Die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft (Abgg. Bern⸗ stein u. Gen.) legen folgende Resolution vor:

„Den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß der Be⸗ lagerungszustand aufgehoben und insbesondere die Freiheit der Person und der Presse sowie das Vereins⸗ und Versammlungsrecht her⸗ gestellt wird.“

Vom Zentrum (Abgg. Gröber, Erzberger u. Gen.) ist folgender Entwurf eines Gesetzes über den Kriegs⸗ zustand eingebracht:

Einziger Artikel. Bis zum Erlaß des im Artikel 68 der Reichsverfassung angekündigten Gesetzes über den Kriegszustand wird gegenüber den Anordnungen der Militärbefehlshaber eine mili⸗ tärische Zentralinstanz als Aufsichtsstelle und Beschwerdestelle errichtet. Der Reichskanzler erläßt die näheren Anordnungen. Vor⸗ stehende Bestimmung findet auf das Königreich Bayern keine An⸗ wendung.

Berichterstatter Abg. Dr. Stresemann (nl.) macht eingehend Mitteilung über die Verhandlungen der Kommission, die sich u. a. auch auf eine Kritik der Vorlegung des Manuskripts vor Erteilung der Genehmigung zum Abhalten von Versammlungen, auf das rigorose Vorgehen der Behörden gegen die Propaganda der Friedensgesell⸗ schaften, auf die verschiedene Behandlung der einzelnen Parteien be⸗ zogen. Einen weiten Raum in den Verhandlungen der Kommission nahmen die Mißstände auf dem Gebiete der Pressezensur ein. Be⸗ sonders gerügt wurde, daß die Zensur sich sogar auf die Inserate über Heilmittel erstreckt. Der Zweck der Zensur, die Einheitlichkeit des Volkswillens durch den Burgfrieden aufrecht zu erhalten, sei nicht erreicht worden. Von seiten der Regierung sei darauf hingewiesen worden, daß die Zensur jetzt milder gehandhabt würde, es seien vom 1. Juni bis 30. September in ganz Deutschland nur 9 Zeitungen verboten worden.

Abg. Gröber (Zentr.): Wir werden dem Antrage der Kom⸗ mission auf Ueberweisung des Gesetzentwurfs an die Schutzhaft⸗ kommission zustimmen. Wir werden in dieser Kommission versuchen, mitzuarbeiten und ein Gesetz zustande zu bringen, das dem Rechts⸗ gefühl des deutschen Volkes entspricht. Uns scheint die Hauptaufgabe in der Gegenwart nicht das Suchen nach einer Neuregelung des Kriegszustandsgesetzes zu sein, als vielmehr dem geltenden Kriegs⸗ zustand die erforderlichen Grenzen zu ziehen. Wir haben die Ueber⸗ zeugung, daß das Kriegszustandsgesetz in einer Weise angewendet wird, die über seine beabsichtigte Bedeutung hinausgeht. Die Pressezensur darf nur soweit gehandhabt werden, als es die Sicherheit des deutschen Volkes erfordert. Die Pressezensur darf also nicht für Zwecke ver⸗ wendet werden, die in der Reichsverfassung nicht vorgesehen waren. Es dürfen ihr also nur unterworfen werden militärische Angelegen⸗ heiten im weitesten Sinne des Wortes einschließlich der Frage der Kriegsziele und der Kriegsbedingungen. In diesem Aushungerungs⸗ kriege gehören die Fragen der Kriegswirtschaft und der Volksernährung zu den militärischen Angelegenheiten, alles übrige aber nicht. Diese Auffassung ist nicht nur die unsrige, sondern auch die des früheren Generalstabschefs von Falkenhayn und des Reichskanzlers auf eine Eingabe des Reichsverbandes der deutschen Presse wegen Aufhebung der Pressezensur. Der Generalstabschef hat erklärt, daß die Presse⸗ zensur die Pressefreiheit nur so weit beschränken solle, als die Krieg⸗ führung in Betracht kommt, und der Reichskanzler hat erklärt, daß die Zensur in solchen politischen Angelegenheiten, die nur lose mit der Kriegführung zusammenhängen, so wenig wie irgend möglich ange⸗ wendet werden solle, und daß die Presse, die in dieser schweren Zeit ihre Aufgabe voll erfüllt habe, so wenig wie möglich behindert werden solle. Am 10. Juni schrieb der Reichskanzler in einer Antwort an eine Zeitung, daß er die Zensur außerhalb des militärischen Gebiets nur insofern als nötig ansehe, als sie dem Zwecke der siegreichen Durchführung des Krieges nütze. Von der Zensur sollte also die Be⸗ handlung der innerpolitischen Fragen frei bleiben. Noch weniger als das Verhältnis der politischen Parteien untereinander dürfte als zensur⸗ bedürftig und nach der Verfassung als zensurzulässig die Erörterung des Gegensatzes zwischen der Regierung und den Parteien anzusehen sein. Auf diesem Gebiete ist die Zensur sogar für die Regierung schädlich, denn sie untergräbt das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Regierung. Dieses Vertrauen ist unendlich viel mehr wert als alle vermeintlichen Vorteile der Zensur. Die Fühlung zwischen Regierung und Volk kann in einem Volkskrieg nicht entbehrt werden. Die Regierung kann die richtigen Maßnahmen nicht treffen, wenn sie von der Stimmung im Volke keine richtige Kenntnis hat, sondern durch die Augengläser der staatlichen Bureaukratie sehen muß, was im Volke vorgeht. In diesem Volkskrieg liegt zwischen der Regierung und dem Volke eine wahrhafte Zensur⸗ bureaukratie, die das Volk nicht verstehh und vom Volk nicht verstanden wird. In nichtmilitärischen Dingen sind die mili⸗ tärischen Befehlshaber nicht die berufenen Männer, sie sind deshalb darauf angewiesen, die Zivilbehörden zu befragen, und deshalb sind alle ihre Verordnungen eigentlich Verordnungen der Zivilbehörden. Wenn auch im Kriege die Sicherheit des Vaterlandes in einer Hand liegen muß, so sollen damit doch nicht die Aufgaben der Zivilbehörden an die Militärbehörden übergehen. Es ist eine Schädigung des Kaisers, wenn ein militärischer Befehlshaber „im Namen des Kaisers“ über seine verfassungsmäßige Zuständigkeit hinausgeht. Eine ganze Anzahl von Offizieren und Sanitätsoffizieren sind wegen ihrer Stellungnahme zum Duell aus dem Heere entlassen worden, aber während des Krieges wieder in den Heeresverband aufgenommen worden. Das ist dankbar begrüßt worden, aber die Zensur verbot die Veröffentlichung dieser Nachrichten, weil daraus geschlossen werden könne, daß das Kriegsministerium jetzt zur Duellfrage eine andere Stellung einnehme als früher. Kaiserliche Gnadenakte dürften doch so nicht von der Zensur behandelt werden; vielleicht macht das auf die Beteiligten mehr Eindruck, wenn ich auf diese Konsequenz hin⸗ weise. Das Gouvernement Mainz hat einen Artikel mit der Ueber⸗ schrift „Vertrocknete Herzen“ nicht zugelassen, weil er gegen die Be⸗ stimmung des Merkblatts für die Presse verstoße, wonach die aus⸗ wärtige Politik in dieser kritischen Zeit durch keine offene oder ver⸗ steckte Kritik gestört oder behindert werden dürfe; Zweifel an der Festigkeit dieser Politik schade den Interessen des Vaterlandes, das Vertrauen müsse vielmehr gehoben werden. Wenn diese Politik nicht durch ihren sachlichen Inhalt gehoben wird, sondern durch die Zensur gehoben werden muß, dann ist es bös um sie bestellt. Rein wirt⸗ schaftliche Fragen ohne jeden Zusammenhang mit der Kriegsführung sollen zugelassen sein, aber Inserate, wodurch industrielle Arbeitskräfte gesucht wurden, wurden verboten. Es bedeutet pekuniär sehr viel für die Zeitungen, wenn ihnen alle diese Inserate genommen werden. Wegen angeblicher Verstöße gegen dieses Chiffre⸗Inseratenverbot sind den Zeitungen die größten Schwierigkeiten gemacht worden, sind ihnen Verwarnungen und die Androhung der Vorzensur zuteil geworden. Ebenso mischt sich die Zensur mit ihren Maßnahmen parteiisch in den Kampf zwischen approbierten und nichtapprobierten Aerzten zugunsten der ersteren ein, obwohl da ein Zusammenhang mit der Sicherheit des Reiches beim besten Willen nicht mehr konstruiert werden kann; auf der gleichen Linie liegt das Verbot einer Zeitung, welche die Impfgegner herausgegeben haben, für die Dauer des Krieges. Ebenso hat die Zensur die Auslegung von Büchern usw., welche aus dem feindlichen Ausland stammen, in Bibliotheken während des Krieges verboten. Was soll in aller Welt damit erreicht werden? Aus alledem ergibt sich die Notwendigkeit, die Pressezensur wieder in ihre Schranken zurückzuweisen, ganz von selbst. Nun hat man uns auf

eine Verfügung des Kanzlers vom 1. August verwiesen, welche eine Milderung der Handhabung der Zensur enthalten haben soll. Die Presse hat inzwischen nichts von einer Milderung wahrgenommen, eher ist die Zensur verschärft worden. Welchen Wortlaut hat die Verfügung, und welche amtlichen Erfahrungen sind in der Richtung der Milderung der Zensurhandhabung damit gemacht worden? Wir haben, um aus diesem Zensurelend herauszukommen, einen Gesetz⸗ entwurf beantragt, der sich auf den Boden des geltenden Rechts stellt, aber eine Verbesserung des Verfahrens anbahnt. Wir halten die sofortige Annahme dieses Gesetzentwurfs, welcher die Einheitlichkeit der Zensurhandhabung für das ganze Reich gewährleistet, für geboten. Die clausula bajuvarica in unserem Entwurf bedeutet kein Privileg für Bayern, sondern beruht darauf, daß sich Bayern einer Regelung des Belagerungszustandes erfreut, die solche Bedenken nicht gegen sich hat. Mit der „souveränen Selbständigkeit“ der Generalkommandos, die auch im militärischen Interesse gar nicht wünschenswert ist, geht es so nicht weiter. Auch die Verhandlungen über die Schutzhaft lassen die sofortige Aenderung des gesetzlichen Zustandes in der Richtung unseres Antrages geboten erscheinen; der üble Eindruck der vorgestrigen Verhandlung des Hauses darf nicht bleiben. Sehr befremdet hat die kühle, ge⸗ schäftsmäßige Art, mit der der Staatssekretär die vorgetragenen Be⸗ schwerden abwehrte. Wir wünschen nicht bloß Remedur, sondern auch Vorbeugung der Wiederholung so schrecklicher Fälle, wie sie uns hier vorgetragen worden sind. Eine solche Wiederholung wird doch sehr erschwert, wenn eine Zentral⸗Aufsichts⸗ und Beschwerdestelle existiert. Was wir hier auf dem Boden des geltenden Rechts vorschlagen, muß noch in dieser Woche gemacht werden; das Volk muß die Gewißheit haben, daß alles Menschenmögliche geschieht, um die Wiederholung solcher Vorkommnisse zu verhindern. Das wird zur Beruhigung der großen Aufregung dienen, welche sich der Bewölkerung bemächtigt hat.

Vizepräsident Dr. Paasche ersucht mit Bezugnahme auf einen einstimmigen Beschluß des Seniorenkonvents die nachfolgenden Redner, ihr Material möglichst präzise vorzutragen.

Abg. Geck (Soz.): Ich werde mich bemühen, dieser Ermahnung des Präsidenten nach Möglichkeit Folge zu leisten. Dem preußischen Gesetz über den Belagerungszustand, das nur ganz allgemeine Vor⸗ schriften enthält und über die Ausführung fast gar nichts sagt, ist bei Kriegsausbruch so ziemlich alles in Deutschland unterstellt worden. Wir haben jetzt in Deutschland den Zustand des Absolutismus, ge⸗ mildert hier und da durch etwas mehr oder weniger Verständnis der⸗ jenigen, welche die Handhabung leiten oder dafür verantwortlich sind. Ganz im Gegensatz zu den Fundamentalgrundsätzen der Staatsverwal⸗ tung im Frieden wird hier die Entscheidung über die ganze bürgerliche Rechtsordnung Soldaten übertragen, die vielfach den Dingen mit vollendetem Unverständnis gegenüberstehen. Er herrscht die schlimmste Rechtsunsicherheit, ja Rechtlosigkeit, ein Uebelstand, der für das Durchhalten in moralischer Beziehung sehr stark ins Gewicht fällt. Welche hemmungslose Willkür in der Verhängung der Schutzhaft be⸗ steht, haben wir am Sonnabend gesehen. Je eher wir das Scheusal des Belagerungszustandes in die Wolfsschlucht werfen, um so besser, sonst könnte es zu inneren Katastrophen führen. Im Reichslande hat ein Etappenkommandeur eine Verfügung erlassen, worin es heißt, wenn die Bevölkerung in den zwei Jahren noch nicht die deutsche Sprache beherrsche und sich in herausfordernder Weise des Französischen bediene, so müsse das streng bestraft werden. Die Folge ist, daß die Bevölkerung Lothringens wie taubstumm sich verhält und ihre Be⸗ stellungen beim Kaufmann schriftlich vorbringt. Durch solche Zu⸗ stände machen wir uns einfach lächerlich. Die Zivilbehörden in Elsaß⸗ Lothringen sind außer sich über das Verhalten der Militärbehörden. Es ist ganz falsch, den Gebrauch der französischen Sprache in Lothringen als einen Ausfluß deutschfeindlicher Gesinnung anzusehen. Es ist sogar von militärischer Seite vor dem Kriege anerkannt worden, daß zwar die Sprache in Lothringen französisch, die Gesinnung aber deutsch und loyal sei. Man schädigt die Interessen Deutschlands, wenn man es so darstellt, als sehnten sich die Lothringer nach einer Einverleibung nach Frankreich. Wir müssen alles tun, daß die Sütht auch nach dem Kriege als Deutsche fühlen. Das Verbot des Gebrauchs der französischen Sprache muß also so bald wie möglich außer Kraft gesetzt werden. Die Handhabung des Vereins⸗ und Versammlungsrechts gegenüber Mitgliedern des Pene stellt eine vollkommene Entrechtung und Bevormundung dar. Von Leuten, die im politischen Leben stehen, wird verlangt, daß sie erst ihr Manuskript zur hochnotpeinlichen Prüfung vorlegen, ehe sie auf das „Publikum losgelassen werden“. Die Reden dürfen nur gehalten werden, wenn der Zensor sein Plazet gibt. Der Redekandidat wird vom Zensor auf Herz und Nieren ge⸗ prüft. Ich spreche da aus persönlichen Erfahrungen. Es fehlt nur, daß man uns vorschreibt, wie unsere Krawatte sitzen soll. Solchen unwürdigen Vorschriften kann sich niemand unterwerfen, der noch etwas auf Selbstachtung hält. Die Friedensbewegung der sozial⸗ demokratischen Partei, ihre Versammlungen, die Unterschriften⸗ sammlungen werden von den Militärbehörden in rigoroser Weise unterdrückt, namentlich im Gebiete des XIV. Armeekorps. Das deutsche Volk hat bisher mit zäher Ausdauer die schweren Lasten des Krieges getragen und will aushalten bis zum Ende. Voraussetzung ist aber, daß der Krieg nicht ohne Not fortgesetzt wird. Macht das Volk Erfahrungen, die das Vertrauen erschüttern, so können sich daraus sehr üble Folgen ergeben. Das Petitionsrecht wird von den Militärbehörden mit einem Federstrich beseitigt. Die Immunität der Abgeordneten wird durch Haussuchungen verletzt, die ohne Ge⸗ nehmigung des Reichstages vorgenommen werden. Das Parlament darf sich ein solches hemmungsloses Herumfuhrwerken nicht länger ge⸗ fallen lassen. Die militärische Pressezensur ist eins der unerfreulichsten Kapitel. Die Willkür der Zensur ist eine Versündigung an der Menschheit. In diesem Wust von Presseanweisungen kann sich kein Redakteur zurechtfinden. Sollte ein Preis dafür ausgeschrieben werden, niemand würde ihn gewinnen. Die Militärs haben von den Pflichten und Rechten des Redakteurs nicht die mindeste Ahnung. Eine Ueber⸗ wachung der militärischen Nachrichten im Interesse der Landesvertei⸗ digung und Sicherheit des Vaterlandes ist selbstverständlich; das verstehen die Militärs besser. Aber es geht nicht, daß sie sich in alles und jedes einmischen, was mit der Sicherheit des Reiches nichts zu tun hat. Nicht durch öffentliche Erörterungen von Mißständen wird die öffentliche Meinung erregt, sondern durch die Tatsachen an sich, und diese Erregung wird noch verschärft, wenn dem Volksempfinden nicht ein Ventil geöffnet wird und wenn nicht Besserung in Aussicht gestellt wird. Geradezu unglaublich ist, wie gegen die Zeitungen durch die sogenannte Vorzensur gesündigt wird. In Mülhausen im Elsaß hat bekanntlich der Zensor es fertig bekommen, die Reichstagsberichte im strikten Gegensatz zur Reichsverfassung zu zensurieren und alles herauszustreichen, was ihm nicht in den Kram paßte; erst heute wird uns gemeldet, daß die Ausführungen des Abg. Bernstein vom vorigen Freitag aus dem Reichstagsbericht restlos gestrichen worden sind. Das ist ein geradezu unerhörtes gesetz⸗ und verfassungswidriges Ver⸗ fahren. Von den Zeitungsverboten der letzten Zeit ist besonders charakteristisch dasjenige des „Vorwärts“ wegen grober Verletzung des Burgfriedens, obwohl es in der Frage der auswärtigen Politik des Reichskanzlers schon seit langen Monaten keinen Burgfrieden mehr gibt, auch der betreffende Artikel in zahlreichen anderen Blättern un⸗ beanstandet erschienen war. Nicht besser begründet war das letzte Ver⸗ bot des „Berliner Tageblatts“. Man hat den Eindruck, als ob hei diesen Maßnahmen ohne jedes Verständnis für das Wesen der Presse vorgegangen wird. Mit dem Verbot einer Zeitung schädigt man nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch Tausende, ja eventuell Hunderttausende von Lesern. Die Schuld an diesen groben Miß⸗ ständen trifft nicht jedesmal die Militärbehörden, sondern oft sind es