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8 8 Abg. Frhrvon Gamp⸗Massaunen (deutsche Fraktion): Ich teile die Auffassung des Grafen Schwerin, daß der Krieg die Land⸗ wirtschaft vor ganz neue Aufgaben gestellt hat. Schon bei Beginn des Krieges mußten wir fast unseren ganzen Pferdebestand abgeben, und die Aushebungen, die in den östlichen Provinzen erfolgten, sind viel größer gewesen als in den Städten. Es wurde bei uns gleich der ganze Landsturm ausgehoben. Solcke Vorkommnisse lösen nicht gleich das volle Verständnis für die neuen Aufgaben aus. Dazu kamen unverständliche Maßnahmen der Behörden. Es wurde verhindert, daß die vertriebenen Ostpreußen nach der Heimat zurückkehrten und ihre Felder bestellten. Man kann wirklich sagen, daß Städter und Land⸗ leute sich so schroff gegenüberstehen, wie es der Staatssekretär soeben geschildert hat. Die Verhandlungen des Ausschusses haben gegeigt, daß die Auffassungen sich genähert haben. Verschiedene Anträge wurden gemeinsam angenommen. Der Herr von den Scozialdemo⸗ kraten wird finden, daß seine Ration nicht so sehr von der meinigen abweicht. Zweifellos muß die menschliche Ernährung der tierischen vorgehen. Der Umweg der Ernährung über den Tierkörper ist im Kriege unwirtschaftlich. Wollen Sie die Milchwirtschaft nicht auf⸗ geben, so müssen Sie auch die Viehwirtschaft aufrecht erhalten. Es ist nicht richtig, den Bedarf für nicht normale Verhältnisse zu be⸗ rechnen bei der Rationierung des Hafers im Heere. Man muß die normalen Verhältnisse im Auge behalten. Wir können noch mehr Hafer zur Verfügung haben. Ein Viertel der Magermilch sollte zur Käsebereitung verwendet werden. Der Präsident des Kriegs⸗ ernährungsamts wird sich überzeugen, daß das für die Volks⸗ ernährung eine durchaus richtige Maßregel ist. Die Rationierung Brotes, des Fleisghen, der Butter, der Kartoffel ist Verdienst des Präsidenten des Kriegsernährungsamts. (Zuruf b. d. Soz.) Kommen Sie mir doch nicht mit solchen Albern⸗ heiten. (Präsident Dr. Kaempf: Herr Abgeordneter, der Ausdruck Albernheiten....) Ich nehme den Ausdruck zurück. Auch die Sozialdemokratie sollte anerkennen, mit welchen Schwierig⸗ keiten die Landwicte zu kämpfen haben. Wir sind mit Ihnen der Ansicht, daß die Kartoffel zu Spiritus nur so weit verarbeitet wird, als es sich um die Verarbeitung von Spiritus zu Genußzwecken handelt. Die Kartoffeln dürfen nicht für andere Zwecke verwendet verden, als für Ernährungszwecke, für die Zwecke des Heeres. Ver⸗ fehlt wäre es, wenn die Landräte vorweg über die Kartoffeln dispo⸗ nierten, die die Brennereien haben. Die neuen Herren im Kriegs⸗ ministerium denken vielleicht über diese Fragen anders als ihre Vor⸗ gänger. Auch bezüglich der Verwendung der Gerste zu Bier war ich eigentlich erstaunt über die Aeußerungen des Abg. Schmidt, der 30 Prozent den Bierbrauereien freigeben will. Ich gehe eigentlich nicht so weit, aber ich will mich von ihm nicht trennen, wenn ich auch glaube, daß Bier ein Artikel ist, den man am ebesten entbehren kann. as Verbot des Apfelweins und des Mostes ist ganz richtig. Was den Zucker betrifft, so wird er vielfach verschwendet. Auch die Kuchen⸗ bäckereien sind in dieser Zeit nicht am Platze, sie entziehen Weizen⸗ mehl, das zur Volksernährung verwendet werden könnte. Hier werden Nahrungsmittel unnütz vergeudet. Es sollte aber gestattet werden, den Soldaten zu Weihnachten ins Feld Kuchen zu schicken. Bei einer Ra⸗ tionierung kann die freie Ausfuhr der Kartoffeln aus dem Kreise nicht gestattet werden, weil der Kreis die Vorräte nicht übersehen kann und er sonst den Aufgaben nicht nachkommen kann, die ihm obliegen. Solange die Versorgung des Heeres mit Fleisch dem Kreise auferlegt ist, kann auch nicht gestattet werden, daß Fleisch aus dem Kreise ausgeführt wird. Die Roggen⸗ preise sind jedenfalls nicht zu hoch, auch die Kartoffelpreise nicht. Möge der Präsident dabei bleiben, daß die Preise sich auf ihrer jetzigen Höhe halten, damit nicht wie im vorigen Jahre die lovalen Verkäufer geschädigt und ausgelacht werden. Es ist auf die Teuerung der Fische hingewiesen worden. Ich glaube, daß ernstlich die Herstellung von Fischkonserven verboten werden müßte, dann würden mit einem Schlage die Fischaufkäuser für die Konservenfabriken verschwinden und die Fische in den Verkehr kommen. (Zuruf.) Ich konstatiere, daß hier jemand gesagt hat, Fischkonservenfabriken könnten dabei leiden. Ich glaube, die Interessen der Verbraucher stehen höber. Die Ein⸗ bringung der Ernte muß möglichft beschleunigt werden durch Freigabe der nötigen Arbeitskräfte. Es könnte dann auch die Drusckprämie wesentlich eingeschränkt werden, das würde zu einer erheblichen Ver⸗ billigung der Nahrungsmittel führen. Die Vorräte sind vorhanden, um eine Rationierung der Hafer⸗ und Gerstefabrikate berbeizuführen. Ich möchte aber bitten, nicht ungeduldig zu sein. Ich habe auf die größere Heranziehung der Kohlrüben als Ersatz für Kartoffeln hin⸗ gewiesen, ich würde auch empfehlen, für das nächste Jahr die Anbau⸗ fläche der Kartoffel um 20 Prozent herabzusetzen und mit Kohlrüben zu besetzen. Es muß mehr System hineingebracht werden in den Anbau der Kartoffel, in die Abfuhr und in die Preise. Die Abfuhr der Kartoffeln darf nicht systemlos erfolgen. Die Frühkartoffel muß einen höheren Preis haben, weil sie weniger ertragreich ist. Die Knochen könnten in größeren Anstalten mühelos zur Fettgewinnung verwendet werden. Hausschlachtungen sind jetzt zweckentsprechend ge⸗ regelt. Eine Anrechnung des Geflügels auf die Fleischkarte halte ich nicht für zweckmäßig. Die Zuckerrübenmarmelade ist ein gutes Nah⸗ rungsmittel, ich habe selbst einige Töpfe einkochen lassen und werde den Herren Proben zur Verfügung stellen. Auf dem Lande geschieht das allgemein und ich bedaure, daß das die Frauen in den Städten nicht machen. Pflaumenmus kostet jetzt 1,60 ℳ, das ist ein unerhörter Preis. Die Herstellung der Marmelade sollte nicht den Fabriken überlassen werden, sondern den Interessenten selbst. Was den Antrag Hoff über die Rindviehhaltung anbetrifft, so kann ich mich dem nicht anschließen. Eine solche Regelung von oben her ist durchaus unmöglich. Es müssen doch die einzelnen Wirtschaften berücksichtigt werden. Die Fleischration soll entsprechend erhöht werden. 250 Gramm werden kaum erreicht werden. Unbillig ist, daß bei der Berechnung der Ration die Kinder soviel Fleisch bekommen, wie die Erwachsenen. Immer ist in Ostpreußen mitgeteilt worden, daß die He⸗resverwaltung beabsichtigt, 25 Prozent der Gefangenen den betreffenden Besitzern für den Winter zu nehmen. Ich muß auf das bestimmteste hiergegen Verwahrung einlegen, ich spreche damit, glaube ich, im Namen der ganzen ost⸗ preußischen Landwirtschaft. Bedenken Sie doch, daß Tausende von den Russen aus Ostpreußen weggeschafft worden sind, daß viele Frauen ihr Land selbst bewirtschaften müssen. Lassen Sie uns weiter so zu⸗ sammenarbeiten, wie es in der letzten Zeit geschehen ist. Wir haben gemeinsame Sorgen und wir sind genoͤtigt, Schulter an Schulter zu barecken. Lassen Sie uns auch hier mit vereinten Kräften zusammen⸗ gehen.
Abg. Wurm (soz. Arbeitsgem.): Daß der Präsident des Kriegs⸗ ernährungsamts das bisherige Vertuschungssystem nicht billigt und aufgegeben hat, ein System, das man mit Rücksicht auf das Ausland eingeführt hat, müssen wir billigen. Hätte einer von uns das gesagt, so wäre er in Schutzhaft genommen worden. Wenn man den wahren Sachverhalt nicht bekanntgab, so geschah dies aus Rücksicht auf die agrarischen Interessen. Wenn die Städte nur ein Pfund Kartoffeln pro Tag bekommen, so sollten sich die Landbewohner auch damit be⸗ gnügen; statt dessen erhalten sie 1 ⁄½ Pfund; auch sonst werden die Landbewohner, nicht bloß die Selbstversorger, bevorzugt, so beim Fleisch. Der Selbstversorger, der 6 Wochen gefüttert hat, soll drei Fünftel für sich behalten, während der Städter 250 Gramm haben soll und sie meist nicht bekommt. Ja, die Konservativen wollen das erste Schwein dem Selbstversorger ohne Kontrolle überlassen. Die Agrarier wollen auch den Unfug des Pensionsschweins zulassen. Dies widerstrebt auch dem berechtigten Wunsch nach einer weiteren Ab⸗ schlachtung des Rindviehs. Die Landwirte halten die Kartoffeln zu⸗ rück, weil sie immer noch die Hoffnung haben, daß die Preise erhöht werden. Wenn der Präsident des Kriegsernährungsamts das für seine Amtszeit in Abrede gestellt hat, so sind vielleicht schon die Minierer an der Arbeit, um ihn von seinem Amt zu entfernen. Die Milch⸗ verordnung hat dazu geführt, daß die Magermilch jetzt zu Phantasie⸗ preisen verkauft wird. Es wird jede Lücke in der Gesetzgebung von den Agrariern zum Schaden der Konsumenten verwertet. Die großen Einnahmen werden jetzt bei den Steuereinschätzungen von den Agrariern ür spätere Mindereinnahmen verrechnet. Das nennt man Kriegs⸗ ozialismus. Die Herren wollen lediglich dem Vaterlande dienen.
In Sachsen konnte die Militärverwaltung nicht das nötige Heu und Stroh kaufen, weil die Landwirte auf höhere Preise rechneten. Das ist der Patriotismus, der den sächsischen Landwirten von der Heeres⸗ verwaltung selbst bescheinigt wird. Das Kriegsernährungsamt hat an den bisherigen Mißständen der Lebensmittelteuerung so gut wie gar nichts geändert. Sie muß da viel energischer vorgehen. Der Praäͤ⸗ sident hat den Produktionszwang mit einer Handbewegung zurückge⸗ wiesen. Bei gewissen Großbetrieben ist der Produktionszwang durch⸗ aus am Platze; an die kleinsten Bauernhöfe denken wir nicht. Es läßt sich hier helfen, wenn ein energischer Wille vorhanden ist. Es ist dazu eine Statistik über den Bestand notwendig, die von unabhängi⸗ een Leuten, die nicht den Interessenten nahestehen, aufgenommen wird. die Statistik hat bewiesen, daß Deutschland vor dem Kriege nicht im⸗ stande war, sich ohne Zufuhr zu ernähren. Der Hinweis auf das Aus⸗ land nützt uns nicht, niemand wird dadurch bei uns satt, daß das Aus⸗ land hungert. Man sagt, die Vorräte reichen aus, der Hunger braucht uns nicht niederzuzwingen. Dann müssen aber die Nahrungsmittel besser verteilt werden. Die Preise sind um 100 ₰ gestiegen, der Nährwert der zur Verfügung gestellten Nahrungsmittel um ein Drittel gefallen. Deshalb verdienen nicht nur die Munitionsarbeiter eine Teuerungszulage, sondern auch andere Schwerarbeiter, denen es zur Ernährung an den nötigen Fetten fehlt. Man sollte eine Bier⸗ und Schnapskarte einführen. Wer Bier und Schnaps trinkt, müsse dann weniger von seiner Brot⸗ oder Kartoffelkarte verwenden. So nötig ist der Schnaps doch nicht, wie der Präsident meint. Ich spreche nicht als Abstinent, ich bin keiner, sondern vom Standpunkte der allge⸗ meinen Ernährung. Die Massenspeisung hat nicht den erwarteten Erfolg gehabt, weil diese Nahrung breiartig ist und nicht genügend gekaut wird. Würde den Gemeinden eine genaue Ration zur Massen⸗ speisung bewilligt werden, so würde die Massenspeisung verdau⸗ licher und nützlicher sein. Außerdem kann für 40 ₰ keine vollständige ausreichende Nahrung geliefert werden. Es müßten Getreide und Hülsenfrüchte zur Verfügung gestellt werden. Ganz Europa wird von einer Hungersnot bedroht, wenn die Kriegshetzerei so weiter⸗ geht. Die vorhandenen Vorräte müssen gleichmäßig ver⸗ leilt werden für Arm und Reich, e Stadt und Land, Alles Zureden, Herr von Batocki, hilft nichts, wenn der Magen spricht. Wir verlangen, daß das, was vorhanden ist, gleichmäßig verteilt wird. In Dresden hat am vergangenen Donnerstag das Volk gesprochen. 80 000 Menschen sind vor das Ministerium des Innern gezogen und haben gerufen: Wir verlangen Nahrung und Frieden! Der Minister erkannte die Berechtigung der Wünsche an und versprach, alles zu tun. Die 80 000 sind ruhig nach Hause ge⸗ gangen; hinter den 80 000 Menschen stehen aber Millionen Mene Tekel, Upharsin. Die Geduld des Volkes hat eine Grenze, sorgen Sie dafür, daß das Volk nicht weiter durch die Profitwut ausgesaugt wird.
Abg. von Trampczynski (Pole): 350 000 polnische Ar⸗ beiter werden hier in Deutschland zurückgehalten, das Vorgehen steht mit dem Völkerrecht in Widerspruch. Um Repressalien kann es sich hier nicht handeln. Diese Leute dürfen nicht gegen ihren Willen zurückgehalten werden. Man hat versucht, eine Menge von ihnen zu engagieren. Es wurde ihnen in der Heimat vorgeredet, daß sie als freie Arbeiter hereinkommen sollten, daß sie das Recht hätten, ihre Arbeitsstelle zu wechseln. Der 116“ in Warschau hat ver⸗ sichert, es sei selbstverständlich, daß den Arbeitern von den deutschen Behörden alle möglichen Erleichterungen verschafft werden würden. Was aus diesen Versprechungen geworden ist, ersehen Sie daraus, daß die Arbeiter nicht zurückkehten dürfen. Wir haben es schwarz auf weiß, daß im Warschauer Bezirk der Arbeitszwang eingeführt ist für die, denen Arbeitsmangel droht. Den Städten hat man verboten, öffentliche Arbeiten zu vergeben, weil die Arbeiter für die Militär⸗ und Heeresverwaltung gebraucht werden. Das hat natürlich Erregung hervorgerufen und widerspricht auch dem Völkerrecht. Vertreter des Auswärtigen Amts haben diese Maßnahmen verteidigt mit der Be⸗ gründung, daß sie zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung not⸗ wendig scien. (Vizepräsident Dr. Paasche: Das gehört doch nicht ur Ernährungsfrage.) Der Präsident von Batocki hat doch selbst ge⸗ sagt die Landarbeiterfrage sei von der größten Wichtigkeit für die Ernährungsfrage. Hoffentlich wird Herr Präsident von Batocki dafür sorgen, daß eine Besserung der von mir cerügten Umstände herbei⸗ geführt wird. Die Lage der Saisonarbeiter ist eine schlimme; sie köonnen mit ihrem Lohn nicht auskommen, sie werden schamlos aus⸗ gebeutet und mißbandelt. Solche Klagen sind uns zu Tausenden zu⸗ gekommen. Es wird geklagt über die schlechte Wohnung und Kost, über unzulängliche Bezüge. Das einzige, was wir mit unseren Be⸗ schwerden erreicht haben, ist, daß unter Umständen ein Wechsel der Arbeitsstelle zugestanden würde, aber in Wirklichkeit wurde doch nichts erreicht, weil allerlei Widerstände entgegenstanden. Die Regierung muß sich zu positiven Maßnahmen aufschwingen durch Einführung einer ausreichenden Kontrolle, Gewährung des Kündigungsrechts, Urlaubs⸗ anspruch. Wenn man den Urlaub verweigert, weil die Arbeiter nicht zurück⸗ kehren, so ist das ein Beweis dafür, wie schlecht die Arbeiter behandelt worden sind. Dies System war ein System der modernen Sklaverei, und es muß geändert werden. Wenn Sie Arbeiter haben wollen wie bisher, dann sorgen Sie, daß die Arbeiter auch menschenwürdig be⸗ handelt und nicht ausgebeutet werden. Geben Sie den bisher einge⸗ wanderten Arbeitern den gehörigen Rechtsschutz, dann werden auch andere kommen.
Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald: Ich muß gegen die Uebertreibung des Vorredners Widerspruch erheben, es sind Schauermärchen, die er vorgetragen hat. Es bestehen keine Schwierig⸗ keiten für den Ortswechsel. Polnische Arbeiter gehören einem fremden Staat an, und die Abzugsfreiheit darf man ihnen im Kriege nicht gewähren. Gewährt man ihnen Urlaub, so ist es Regel, daß sie zu⸗ nächst einmal Von 30 Arbeitern waren in einem Falle 20 nicht zurückgekehrt. Daß diese Arbeiter gut entlohnt und human behandelt werden, ist selbstverständlich. Wir werden dafür sorgen, daß dies auch geschieht.
Hierauf wird die Diskussion geschlossen. reiche Bemerkungen zur Geschäftsordnung.
Abg. Schirmer (Zentr.): Durch den Schluß der Diskussion ist es mir unmöglich gemacht, die Ausführungen für die Herabsetzung des Gerstenkontingents der Brauereien vom Standpunkte Bayerns und der Schwerarbeiter und die schiefe Darstellung über den Wert des bayerischen Bieres als Nahrungsmittel zu bekämpfen. (Zurufe.) Ja, Sie haben kein Verständnis für die bayerische Gerste! Hoffent⸗ lich macht der Präsident des Kriegsernährungsamts seine entgegen⸗ kommenden Zusagen wahr.
Abg. Held (nl.): Auch ich bin durch den Schluß der Debatte verhindert, Ausführungen im Interesse von kleinen viehzuchttreibenden Landwirten zu machen. Hoffentlich zeigt die Regierung hier Ent⸗ gegenkommen.
Abg. Mumm: Durch den Abbruch der Aussprache ist auch mir die Möglichkeit genommen, den Antrag zu begründen, den ich mit Unterstützung zahlreicher Heren aus den E“ Parteien ein⸗ gebracht habe, und den mißverständlichen Worten des Herrn von Batocki gegen die Mäßigkeitsbestrebungen entgegenzutreten. Mein⸗ Trost ist, daß der Antrag für sich selbst spricht.
Abg. Dr. Roesicke (dkons.): Der Abg. Wurm soll sehr aus⸗ führlich gegen die Agrarier Stellung genommen haben. Wir behalten uns vor, ein andermal darauf zu antworten, unser Stillschweigen bedeutet natürlich keine Zustimmung.
Abg. Dr. Cohn⸗Nordhausen (soz. Arbeitsgem.): Wäre die Exrörterung weiter gegangen, so hätte ich Gelegenheit genommen, die schönfärberische Darstellung über die Rechtslage und Behandlung der polnischen Landarbeiter richtigzustellen. Wenn Dr. Lewald diese Lage kennen lernen will, mag er nach dem Militärgewahrsam gehen, wo diese Landarbeiter zu Hunderten und Tausenden in Haft sitzen. (Die weiteren Ausführungen werden vom Vizepräsidenten Dr. Paasche als nichtgeschäftsordnungsmäßig abgeschnitten.)
Die Abstimmung über den Antrag der fortschrittlichen Volkspartei wird anig scht0 des nur noch lückenhaft besetzten Hauses ausgesetzt. ie Anträge des Haushaltsausschusses
Es folgen zahl⸗
werden angenommen, mit knapper Mehrheit auch der An⸗
trag Mumm.
Hierauf berichtet Abg. Graf Westarp (bkons.) über die Verhandlungen des Reichshaushaltsausschusses, betreffend die Familienunterstützung der Kriegerfami⸗ lienunddie Teuerungszulagen usw. Der Aus⸗
schuß empfiehlt die Annahme von Re solutionen, wonach
der Reichskanzler ersucht wird, eine Aenderung des Gesetzes über die Familienunterstützung dahin herbeizuführen, daß vom 1. November 1916 die Unterstützung für die Ehefrau auf 20 ℳ, für jedes Kind unter 15 Jahren auf 10 ℳ monatlich festgesetzt sowie daß die Lieferungsverbände verpflichtet werden sollen, Zuschläge
Ruhegehaltsempfängern und den Hinterbliebenen von Reichs⸗ beamten unter gewissen Voraussetzungen einmalige Kriegs⸗ teuerungszulagen bis zur Höhe eines Monatsgehalts oder Monatslohns zu gewähren. Ferner sollen die Familienunter⸗ stützungen der Kriegsteilnehmer, sowie die Unterstützungen an Erwerbslose den Bezugsberechtigten im Monat Dezember 1916 in doppelter Höhe aus Reichsmitteln gewährt werden. Weiter wird beantragt, die Anträge auf Ausdehnung des Bezugs⸗ scheinszwangs auf alle Waren außer denen auf Seide und Kunstseide, auf Einführung einer Bekleidungskarte, auf bessere Organisation des Verkehrs unter Belassung der Bezugsscheine gefordert, auf Ausdehnung der Beschlagnahme auf alle Häute und Leder, sowie Lederabfälle und auf die Gleichstellung der veriodischen nichtpolitischen Presse mit der Tagespresse in der Frage der Papierbeschaffung dem Reichskanzler als Material zu überweisen.
Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald: Zu dem erst vorgestern gefaßten Beschluß des Ausschusses haben die ver⸗ büßdeten Regierungen noch nicht Stellung genommen; aber ich halte isch verpflichtet zu sagen, daß die Resolution, wie sie vorliegt, keines⸗ falls Ihre Zustimmung finden wird. Die Familienunterstützung beträgt jetzt monatlich 130 Millionen Mark. Die beantragte Erhöhung- um 33 ¼6 % macht rund 45 Millionen, zusammen 175 Millionen. Soll dieser Betrag nach der Resolution am 1. No⸗ vember doppelt gezahlt werden, so würden statt 130 Millionen 350 zur Zahlung gelangen müssen. Eine solche Wirkung ist aus⸗ geschlossen, sie ist nicht beabsichtigt und nicht notwendig. Wir müssen uns fragen, welche Schwierigkeiten für die Lieferungsverbände bestehen,
die Mittel im Wege des Kredits zu beschaffen; es wird ernster Prüfung bedürfen bei einer so erheblichen Steigerung um 33 % %, ob sie dazu in der Lage sind, zumal ein erheblicher Teil der Verbände zu den Unterstützungen sehr erhebliche Zuschüsse, bis zu 100 %, gewährt hat. Ich möchte im Zusammenhange hiermit noch ausdrücklich feststellen, daß die Reichsleitung auf dem Standpunkt steht, daß der Wun ch der Resolution, betreffend die Verpflichtung der Lieferungsverbä ¹ unter Gewährung von Zuschlägen gegenwärtig bereits rechtens ist; der preußische Minister des Innern hat noch heute erklärt, daß er durchaus in der Lage sei, jederzeit die sich weigernden Lieferungs⸗ verbände durch Anweisung zu zwingen, solche Zuschüsse zu gewähren. Der Reichskanzler verschließt sich keineswegs der Tatsache, daß die Lebensmittel und Bedarfsgegenstände ganz bedeutend im Preise ge⸗ stiegen sind, daß die Länge des Krieges auf die Familien schwer drückt und eine Erhöhung der Unterstützungen in zahlreichen Fällen ein dringendes Bedürfnis ist. Daß aber in einer nicht geringen Zahl ein solches Bedürfnis nicht vorhanden ist, ist von vielen Seiten in der Kommission anerkannt worden, es muß anerkannt werden in allen den Fällen, wo es sich um Familien von Staats⸗ oder Gemeinde⸗ arbeitern handelt, denen ein erheblicher Teil des Lohnes weiter gezahlt wird. Ein sehr hervorragendes Mitglied des Hauses hat mir noch heute ausführlich dargelegt, daß hier in der Tat die Familien jetzt höhere Einnahmen haben als zu der Zeit, wo der Ernährer zu Hatse war. Es wäre daher zweifellos erwünscht, möglichst zu individuali⸗ sieren; immerhin wollen die verbündeten Regierungen doch die Mög⸗ lichkeit dazu schaffen; der Fürsorgefonds wird von 20 auf 30 Millionen monatlich erhöht werden, ebenso wird der Reservefonds erhöht werden, und damit wird den leistungsunfähigen Lieferungsverbänden die Mög⸗ lichkeit gegeben, möglichst bald einen Zuschuß zu gewähren.
Abg. Koßmann (Zentr.): Meine politischen Freunde halten es für dringend notwendig, daß die Unterstützung für die Ehefrauen auf 20 ℳ, für jedes Kind unter 15 Jahren auf 10 ℳ monatlich festgesetzt wird. Der Geldwert ist seit dem Kriege gesunken, die Lebensmittel⸗ preise sind erheblich gestiegen. Es muß so viel wie möglich einge⸗ griffen werden, da noch manche Ausgaben für den Winter zu machen sind. Auch die Gemeinden werden, wo es noch nicht geschehen ist, oder nicht genug geschehen ist, zu Zusatzunterstützungen gezwungen werden müssen. Zahlreiche Gemeinden haben ihre Pflicht gegen die Familien der Kriegsteilnehmer bisher nicht getan. Staatssekretär Delbrück hat seinerzeit die neue Bestimmung den Beteiligten als Weihnachtsgeschenk auf den Tisch gelegt. Sie ist aber den Beteiliaten erst sehr spät zu⸗ gekommen. Besonders möchte ich den Teil der Resolution empfehlen, der die Familienunterstützung der Kriegsteilnehmer sowie die Unter⸗ stützung an Erwerbslose im Dezember in doppelter Höhe aus Reichs⸗ mitteln gewähren will. Ich kann die Bedenken des Regierungsver⸗ treters nicht teilen. Die Betreffenden brauchen diese doppelte Unter⸗ stützung für den Winter, für Kleider usw. Auch der einmaligen Kriegs⸗ teuerungszulage der Reichsbeamten werden wir zustimmen; wir denken dabei namentlich an die Eisenbahn⸗ und Postbeamten und die Alt⸗ pensionäre, endlich werden wir auch der Resolution über die Beschlag⸗ nahme aller Häute und Leder sowie Lederabfälle zustimmen. Es wird mit dem Schuhwerk ein unnützer Luxus getrieben; es kann da noch sehr gespart werden.
Abg. Hierl (soz. Arbeitsgem.): Die Familienunterstützung ist mindestens ebenso wichtig wie die Frage der Ernährung. Darum be⸗ dauern wir umsomehr die wenig entgegenkommende Erklärung des Regierungsvertreters. Die 350 Millionen sind allerdings eine hohe Geldsumme, zieht man aber die ungeheure Summe der Unterstützungs⸗ bedürftigen in Betracht, so ist die Summe sehr winzig, auch gegenüber den Milliarden, die der Krieg kostet. Es handelt sich hier doch auch um eine Kriegsausgabe, ebenso wichtig wie die übrigen Kriegsaus⸗ gaben. Die Lieferungsverbände, namentlich in der Nähe großer Städte haben es bisher verstanden, die Unterstützungsbedürftigen mit schönen Worten abzuspeisen. Die Aufsichtsbehörden tun ihre Pflicht nicht. Leider entwickelt die Regierung auf diesem Gebiete eine sehr geringe Initiative und wartet erst die des Reichstages ab. Unsere ganze Zukunft wird gefährdet, wenn ein großer Teil der Bevölkerung unter⸗ ernährt und entkräftet ist. Mit der geforderten Unterstützung ist noch lange nicht alles getan. Die 350 Millionen reichen nur aus, daß sich die Familien die notwendigsten Kleider anschaffen. Was sosl man dazu sagen, wenn das Oberkommando in den Marken den arbeitsfähigen Frauen die Unterstützung entziehen will; der Fleiß wird so mit einer Strafe belegt.
Abg. Meyer⸗Herford (nl.): Wenn ich mich im wesentlichen darauf beschränke, die Anträge Ihrem Wohlwollen und dem Wohl⸗ wollen der Regierung zu empfehlen, hoffe ich mir den Dank des Hauses zu erwerben. Die Teuerunaszulagen sollten nicht kärglich be⸗ messen werden. Es ist eine Staffelung nach dem Gehalt und dem Familienbestand notwendig; die kinderreichen Familien sind zu bevor⸗ zugen. Auch diesmal handelt es sich um ein Weihnachtsgeschenk. Bis dat qui cito dat! .
Abg. Liesching sfortschrittl. Volksp.): Auch ich bedaure, daß der Vertreter der Regierung eine so wenig wohlwollende Erklärung abgegeben hat. Wenn die verbündeten Regierungem auche noch nicht Stellung zu unseren Anträgen genommen haben, so hätte doch gesagt werden können, daß auf ihre Stellung eingewirkt wird. Es würde die Stimmung an der Front wesentlich herabdrücken, wenn diese Forderung abgelehnt würde. Eine Stärkung der Kampfesfreudigkeit haben wir dringend nötig. B“ (Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)
er’ 7
hläge zu diesen Unterstützungen bis zur Behebung der Bedürftigkeit zu gewähren; ferner den Reichsbeamten und den
Zweite Beilage
Berlin, Montag, den 6. November
Hierauf nimmt der Stellvertreter Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Helfferich, das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eingangs des Ste⸗ nogramms erst in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaute wiedergegeben werden wird. Abg. Mumm: Mit der gleichen Wärme, wie die übrigen Par⸗ teien, treten auch wir auf der Rechten für die Anträge ein, die hier vorliegen. Die Regierung hätte sich doch vielleicht nicht so lange be⸗ sinnen sollen; es ist aber dankenswert, daß jetzt eingegriffem worden ist. Den Antrag wegen der Gleichstellung der Tagespresse und der Wochen⸗ presse hinsichtlich der Papierbe⸗ chaffung empfehle ich auf das leb hafteste; es handelt sich hier um die christlichen Sonntagsblätter, um die Ge⸗ werkschaftsblätter, die so verdienstlich wirken, und denen man diese Vergünstigung nicht vorenthalten sollte. . 88 Abg. Russel ssoz. Arbeitsgem.): Uns geht der Kommissions⸗ antrag, so sympathisch er uns ist, nicht weit genug, das Reich hat für den Unterhalt der Familien, denen es den Ernährer emtzogen hat, zu, sorgen; was geboten ist und was hier geboten werden soll, ist un⸗ zureichend. Die Lieferungsverbände leisten keineswegs die großen Zuschüsse, von denen der Direktor Lewald sprach; eine große Anzahl von Gemeinden entzieht sich 885 Verpflichtung noch immer gänzlich; vielfach leben die Familien der Eingezogenen in trostlosem Elend. Die Gemeinden müssen verpflichtet werden, und wir beantragen das, Zu⸗ schläge in Höhe von mindestens 50 Prozent zu gewähren. Viele Ge⸗ meinden geben Zuschläge nur an die Frauen oder an die Kinder, oft beträgt der Zuschlag für ein Kind monatlich ganze 60 Pfennig, für die Frauen nur monatlich 2 ℳ. Die Dürftigkeit muß stets ange⸗ nommen werden, wenn das Einkommen der Familie 1500 ℳ jährlich nicht übersteigt. Die Gesuche der Unterstützungsbedürftigen werden oft von Leuten geprüft, denen ein soziales Verständnis vollständig mangelt. Das System muß beseitigt und auch die Unterstützungssätze müssen erhöht werden. Der heimgekehrte Krieger darf nicht rechtlos werden dadurch, daß seine Familie der Armenpflege anheimfällt. Die von dem Ausschuß vorgeschlagenen Resolutionen werden unter Ablehnung der sozialdemokratischen Abände⸗ rungs⸗ bezw. Zusatzanträge angenommen. Schließlich berichtet Abg. Krix (Z.) über die Ausschuß⸗ beratung des Gesetzentwurfs zum Schutz der Be zeich⸗ nungen „Nationalstiftung“ und „Marine⸗ stiftung“. Der 17. Ausschuß beantragt, die Beratung aus⸗ zusetzen und eine Resolution zu beschließen, wonach der Reichs⸗ kanzler ersucht wird, der nächsten Tagung einen Gesetzentwurf zur reichsgesetzlichen Regelung des ganzen Gebiets der Reichs⸗ wohlfahrtspflege vorzulegen. Das Haus tritt ohne weitere Besprechung diesem Antrage bei. Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Präsident Dr. Kaempf: Meine Herren! Wir nähern uns dem Schluß der gegenwärtigen Tagung. In ernster Zeit begonnen, beenden wir unsere diesmaligen Arbeiten unter gleich ernsten Verhältnissen. Der Reichstag hat eingehende Kritik an den Maßnahmen der Reichs⸗ leitung geübt; das hindert nicht, daß unsere gemeinsamen, doch nur auf das Gemeinwohl gerichteten Beratungen in uns die feste Ueber⸗ zeugung und das unerschütterliche Vertrauen von neuem bekräftigt haben, daß Deutschland im Verein mit seinen treuen Verbündeten allen Aufgaben gewachsen ist, die militärisch, wirtschaftlich und finanziell dieser Krieg sondergleichen uns auferlegt. Die Pläne unserer Feinde sind gescheitert, die Pläne unserer Feinde werden auch weiter scheitern an dem inneren Bewußtsein des deutschen Volkes und an seiner inneren Stärke; sie werden scheitern in dem Augenblicke, wo uns nach wie vor zum Bewußtsein kommt, wie Großes das deutsche Volk bisher geleistet hat und zu wie großen Leistungen es auch fernerhin befähigt ist. (Beifall.) Dem Kaiser, dem Reiche, dem deutschen Volke, dem deutschen Volksheere von seiner obersten Leitung an bis zum Land⸗ sturmmann ohne Unterschied gilt in diesem Augenblicke, wo wir unsere Arbeiten schließen, der wärmste und dankbarste Gruß. (Beifall.) Gott schütze das Vaterland! (Lebhafter Beifall.)
Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Helfferich:
Ich habe dem Hohen Hause eine Allerhöchste Verordnung mitzu⸗ teilen. (Das Haus erhebt sich; die Mitglieder der sozialdemokratischen V haben den Saal verlassen.) Die Verordnung autet:
Wir Wilhelm von Gottes Gnaden, Deutscher Kaiser usw. ver⸗ ordnen auf Grund der Artikel 12 und 26 der Verfassung mit Zu⸗ stimmung des Reichstages im Namen des Reichs was folgt:
§ 1. Der Reichstag wird bis zum 13. Februar 1917 mit der Maßgabe vertagt, daß der Ausschuß für den Reichshaushalt zur Besprechung auswärtiger und sonstiger mit dem Kriege im Zu⸗ sammenhang stehenden politischen Angelegenheiten während der Zeit der Vertagung zusammenzutreten ermächtigt wird.
§ 2. Der Reichskanzler wird mit der Ausführung dieser Ver⸗ ordnung beauftragt. “
G roßes Hauptquartier, den 3. November 1916.
8 gez. Wilhelm I. R.
“ ggez. Dr. Helfferich.
Ich habe die Ehre, dem Herrn Präösidenten die Urschrift der
Allerhöchsten Verordnung zu überreichen.
Präsident: Wir trennen uns unter dem alten Rufe: Seine Majestät der Deutsche Kaiser, Volk und Vaterland, sie leben hoch! hochl hocht (Das Haus stimmt in den dreimaligen Hochruf lebhaft
ein.) Die Sitzung ist geschlossen.
Schluß 91 4 Uhr.
Nichtamtliches. (Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) Großbritannien und Irland.
Im Unterhaus hat die Regierung mit ihrem Gesetz⸗ entw
urfe, betreffend Aufstellung neuer Wählerlisten für die Parlamentswahlen, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge völlig Fiasko gemacht. Viele Abänderungsanträge waren eingebracht, darunter einer, der den Soldaten an der Front und den Seeleuten auf den Kriegsschiffen die Aus⸗ übung ihres Wahlrechts sichern wollte, der Sprecher entschied aber, daß diese Anträge gegen die Ordnung des Hauses seien. fcheeen verlor das Haus alles Interesse daran, und die Bill wird als erledigt angesehen. 8
des Reichskanzlers,
Lord Robert Cecil wandte sich im Unterhause mit er⸗ heblicher Schärfe dagegen, daß das Haus beanspruche, auf die Leitung der auswärtigen Politik Einfluß auszuüben. (Es handelte sich um die Frage der Anerkennung der Regie⸗ rung von Venizelos.) Cecil sagte:
Wir haben nicht nur unsere eigene Regierung zu ber scksichtigen, sondern auch die Regierungen unserer französischen, russischen und italienischen Verbündeten. Wir können nicht alles tun und sagen, ohne die Wirkung auf⸗ unsere Verbündeten, unsere Feinde und die Neutralen zu bedenken. Wir können nicht zugleich Verhandlungen führen und das Parlament und die Nation völlig in unser Vertrauen ziehen. Ich halte es nicht für wünschenswert, eine neue Form der Leitung der auswärtigen An⸗ gelegenheiten einzuführen, und ich zweifle, ob es wünschenswert ist, die Verantwortung der Regierung mit irgendeiner Kommission zu teilen. Wir sind uns der vielen Febhler, die wir machten, und der vielen Mängel, die uns anhaften, voll bewußt, aber wir müssen tun, was wir für richtig halten. Wir müssen die Regierung fortführen, wenn auch schlecht, aber so gut, wie wir können. Wir können die Ver⸗ antwortung nicht mit dem Unterhause oder sonst jemand während des Krieges teilen. Wenn das Haus uns für so schlecht hält, daß wir entfernt und durch andere ersetzt werden müssen, so mag das geschehen. Das ist eine vernünftige Politik und wir machen es dem Unterhause gern leicht.
— Die Regierung hat, obiger Quelle 8 olge, die In⸗ haber von argentinischen undchilenischen Wertpapieren aufgefordert, diese der Regierung zur Verfügung zu stellen.
— Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ hat Dr. Addison vom Munitionsministerium in Woolwich eine Rede über die Munitionsindustrie gehalten, in der er u. a. sagte, daß noch wenigstens 315 000 männliche und 100 000 weibliche Munitionsarbeiter nötig seien, um das große Munitionserzeugungs⸗Programm durchzuführen.
— Die Verlustlisten vom 1., 2. und 3. enthalten die Namen von 105 Offizieren (25 gefallen) und von 4350 Mann, von 135 Offizieren (51 gefallen) und von 2400 Mann und von 52 Offizieren (13 gefallen) und von 3475 Mann.
6 Frankreich.
Die Senatskommission unter dem Vorsitz Clemenceaus hielt
dem „Temps“ zufolge vorgestern eine zweite Sitzung zur Be⸗
sprechung der U⸗Bootfrage ab. Admiral Lacaze berichtete über die Verteidigungsmittel gegen die U⸗Boote und die Organisation zur Küstenverteidigung.
Niederlande.
Die Wochenschrift „Toekomst“ meldet, daß das hollän⸗ dische Unterseeboot „K. I.“ und das Begleitschiff „Witte Zee“ auf der Reise nach Indien, obwohl beide Fahrzeuge durch ihre Flaggen deutlich als holländische er⸗ ennbar waren, an der französischen Westküste von einem französischen Patrouillenfahrzeug und bei Gibraltar von englischer Seite ohne vorherige Untersuchung beschossen worden sind. Die Granaten fielen in geringer Entfernung von den Schiffen ins Wasser. Nach einiger Zeit sah man offenbar den Fehler ein und hörte mit dem Feuern auf. Die betreffenden französischen und englischen Kom⸗ mandanten haben es aber nicht für nötig gehalten, sich wegen dieses Mißgriffs zu entschuldigen oder sich zu überzeugen, ob die Schiffe durch das Feuer beschädigt worden seien.
— Das Marinedepartement teilt laut Meldung des
„W. T. B.“ mit, daß wegen der häufigen Benutzung der Route um Nordschottland das Eirland⸗Leuchtfeuer (2) wieder in Betrieb gesetzt worden ist. Es dürfe aber nicht unter allen Umständen darauf gerechnet werden, da in dringenden Fällen das Licht ohne vorherige Warnung von den Militär⸗
behörden gelöscht werden könne.
Schweden. Einer Mitteilung an die schwedischen Behörden zufolge ist russischerseits der Befehl zur Anlegung eines neuen Minen⸗ feldes im Alandsmeere an der schwedischen Territorial⸗ grenze zwischen 59 Grad 40 Minuten nördlicher Breite und 59 Grad 52 Minuten nördlicher Breite gegeben worden. ö“ “ 1“ ““ us Anlaß des zweiten Jahrestages des Eintritts der Türkei in den Weltkrieg hat der Vizegeneralissimus Enver Pascha an den Höchstkommandierenden der K. u. K. öster⸗ reichisch⸗ungarischen Streitkräfte, wie „W. T. B.“ meldet, folgendes Telegramm gerichtet:
Die Kaiserlich türkische Armee sendet ihren siegreichen ver⸗ bündeten Waffenkameraden der K. u. K. österreichisch ungarischen Armee ihre herzlichsten Grüße gelegentlich des Tages, an dem die Türkei am Weltkriege sich beteiligte, um sich und die gerechte Sache mit Blut und Leben zu verteidigen. Gottes Hand lenkte sie den richtigen Weg, und unser hoher Kriegsherr ließ die Fahnen seiner siegreichen Vorfahren wieder einmal auf dem Felde der Ehre wehen. Zwei Jahre haben die türkischen Streitkräfte für die Gerechtigkeit gesiegt, zwei Jahre haben sie siegreich den ver⸗ bündeten Heeren fest und treu beigestanden. Noch einmal war es den Türken beschieden, ihren traditionellen hohen Geist der Opfer⸗ willigkeit für ihre Heiligtümer und ihre Treue zu ihren Bundes⸗ genossen für die gemeinsame Verteidigung der Gerechtigkeit zu be⸗ weisen. Das Gottvertrauen ist im Herzen jedes Türken tief ge⸗ wurzelt, und dieser Faktor allein wird genügen, bald die Lorbeeren des endgültigen Sieges auf die Häupter zu tragen.
Enver, Feldmarschall.
Der Erzherzog Friedrich erwiderte mit nachstehendem Telegramm:
Eurer Exzellenz liebenswürdiges Gedenken zum 29. Oktober erfüllt mich mit inniger Freude. Dankbar erwidert die österreichisch⸗ ungarische Wehrmacht die Grüße des ruhmreichen türkischen Heeres. Dankbar blickt sie zurück auf die vielen Beweise treuer Waffen⸗ brüderschaft, welche die osmanische Armee und ihre Führer in zwei Jahren gemeinsamen Kampfes gegeben haben und die in dem hoch⸗ herzigen Entschluß Seiner Majestät des Sultans, osmanische Truppen für die gemeinsame Sache auch fern der Helmat fechten zu lassen, den sichtbarsten Ausdruck fanden. Gottes Segen ruhe auch weiterhin auf den von Eurer Erzellenz so erfolgreich geführten
türkischen Waffen. 1 Erzherzog Friedrich, Feldmarschall und Armeeoberkommandant.
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8 Griechenlandd. S
Einer Meldung des „Reuterschen Bureaus zufolge ver⸗ langte der Admiral Fournet die Einwilligung der griechischen Regierung dazu, daß ihre leichten Flottenstreitkräfte unter französischer Flagge und mit französischer Besatzung zum Schutze gegen deutsche U⸗Boote ver⸗ wendet würden. Das Kabinett hielt vorgestern eine Be⸗ ratung unter dem Vorsitz des Königs ab und beschloß, die Forderung des Admirals als unannehmbar abzu⸗ lehnen, da eine Einwilligung gleichbedeutend mit dem Auf⸗ geben der Neutralität sein würde.
— Wie der „Corriere della Sera“ meldet, dürfe man annehmen, daß die Gefahr einer Verwicklung wegen der Be⸗ setzung von Ekaterini durch venizelistische Truppen beseitigt sei, wenn auch die Lage noch gespannt und die Erregung groß sei. Personen aus der Umgebung des Königs hätten erklärt, daß dieser äußerst empört sei. Er halte sich nach dem revolutionären Druck, der Altgriechenland bedrohe, von allen Verpflichtungen, die er der Entente gegenüber eingegangen sei, entbunden. Er werde daher die Truppen aus Thessalien nicht zurückziehen, sondern habe bereits Befehl gegeben, nach Ekaterini Ver⸗ stärkungen zu entsenden und es um jeden Preis zurückzuerobern. Am Freitagabend hätten die Gesandten Frankreichs und Eng⸗ lands eine lange Unterredung mit dem König gehabt, wobei dieser seine Absicht bestätigt habe, mit Gewalt gegen die Revo lutionäre vorzugehen und die Truppenverschiebungen nach de Peloponnes solange aufzuschieben, bis die Revolutionäre Ekaterin wieder ausgeliefert hätten und die Entente Garantien gegeber habe, daß die Revolutionäre nur gegen die Bulgaren in Ost mazedonien operieren würden. Der „Morning Post“ zufolg wird in venizelistischen Kreisen als Grund für die Besetzung von Ekaterini die Torpedierung griechischer Schiffe mit Frei⸗ willigen an Bord angegeben, wodurch ihr Transport zu Land über Ekaterini notwendig geworden sei. —“
Laut „Eleutheros Tipos“ haben die Ententegesandten die Frage der Besetzung Ekaterinis erörtert und beschlossen, eine neutrale Zone zu schaffen, um Zusammenstöße zwischen Revolutionären und Königstreuen zu vermeiden. Da dies jedoch schon begonnen haben, haben Truppen der Verbündeten wie Reuter meldet, Ekaterini besetzt.
— Einer Meldung des „Petit Journal“ aus Salonik zufolge erörterte die provisorische Regierung die Möglich keit einer Bewaffnung der griechischen Dampfer im Inselverkehr. Ferner sei beschlossen worden, in Saloniki und Kanea einen Gerichtshof einzusetzen. 4
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Amerika. “
Die Arbeiterorganisationen haben dem „Daily
Telegraph“ zufolge in verschiedenen Teilen Kanadas gegen
den Vorschlag der Kommission für nationale Dienste au
eine industrielle Registrierung als Mittel zur Einführung
der allgemeinen Wehrpflicht Einspruch erhoben, weil dies Registrierung sich auf die Arbeiterklasse beschränke.
Afrika. Ein Telegramm des „Secolo“ aus Kairo besagt, dort be⸗ stätige sich das Gerücht von der Gefangennahme Ras Mikaels, während Lidj Jeassu nach Pankali Kale flüchtet sei. v .“
tatistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Die Besitzer der Kohlenzechen von Südwales baben, wie „W. T. B.“ erfährt, dem Arbeiterverband angezeigt, daß sie eine Herabsetzung der Löhne um 10 % vornehmen wollen. Die Bergleute ihrerseits haben eine Aufbesserung um 15 % verlangt.
Nach einer von W. T. B.“ wiedergegebenen Meldung des „Petit Journal“ aus Melbourne stellten in elf Kohlenminen⸗ bezirken von Maitland die Bergleute die Arbeit ein, da ihnen der Achtstundentag nicht bewilligt wurde.
Kunst und Wissenschaft.
Die physikalisch⸗mathematische Klasse der König⸗ lichen Akademie der Wissenschaften hielt am 26. Oktober unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Planck eine Sitzung, in der Herr Struve über Neue Untersuchungen über die Be⸗ wegungen im Saturnspstem, I. Enceladus⸗Dione, las. Eine während des vergangenen Frühjahrs ausgeführte Beobachtungsreihe der Saturnsmonde am neuen großen Refraksor der Babelsberger Sternwarte hat die Veranlassung dazu gegeben, frühere Unter⸗ suchungen über das Saturnsystem wiederaufzunehmen und in einzelnen Teilen zu vervollständigen. In der Mitteilung des Herrn Planck wurden die periodischen Störungen der Monde Enceladus⸗Dione aus ihren Längen abgeleitet und daraus Folgerungen über die Bahnelemente und Säkularbewegungen dieser Monde gezogen, die eine Verbesserung der aus den Bahnbestimmungen früher erlangten Resultate ermög⸗ lichen. — Herr Einstein legte eine Abhandlung vor: Hamilton⸗ sches Prinzip und allgemeine Relativitätstheorie. Die Grundgesetze der allgemeinen Relativitätstheorie werden nach dem Vorgange von H. N. Lorentz und D. Hilbert in einem Vartationssatz vereinigt, und es wird dargetan, inwiefern das Relativitätspostulat den Impulsenergiesatz bedingt.
In der an demselben Tage unter dem Vorsitz ihres Sekretars Roethe abgehaltenen Sitzung der philosophisch⸗histori⸗ chen Klasse sprach Herr Stumpf über Empfindung und Vorstellung beim Gesichtssinne. Der wesentlichste Unter⸗ schied liegt, wie beim Gehör, in der Intensität der Er⸗ scheinung. Die Stärke der (zu unter⸗ scheiden von ihrer Helligkeit) muß zunaͤchst für die Ürfarben definiert werden, in die eine bestimmte Farbenerscheinung, sei es anschaulich, sei es nur gedankenmäßig, zerlegt werden kann. Der Anteil einer Urfarbe ist ihre Teilstärke. Die Stärke des Ganzen kann infolge der endogenen Erregung niemals unter die des Augengrau herabfinken. Die unterhalb dieses Wertes liegenden Stärkegrade kennzeichnen die bloßen Vorstellungen. Im Vorstellungsgebiete wiederholen sich analoge Stärkeverhältnisse zwischen den Teilen. einer Farbenerscheinung. — Herr Diels überreichte eine Abhandlung Philodemos „Ueber die Götter“. Drittes Buch. Erster Teil. Griechischer Text. Es
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