ich erinnere Sie an die ersten Kriegstage. Da richtete sich vor uns
allen drohend das Gespenst der Arbeitslosigkeit auf.
Für uns alle entstand die Frage: wie können wir der Arbeitslosigkeit
vorbeugen, wie können wir die Folgen der Arbeitslosigkeit abmindem?
Sehr kluge Leute haben damals Vorschläge gemacht, Notstands⸗
arbeiten allergrößten Stils auszuführen, ohne Rücksicht auf den wirt⸗
schaftlichen Nutzen, nur um Beschäftigung für die feiernden Arbeits⸗ kräfte zu finden und zu schaffen. Die Sorge war nicht unbegründet.
Zuerst der Albdruck des ungeheuerlichen Geschehens und der Un⸗
gewißheit der Zukunft, dann in einzelnen Industriezweigen der Roh⸗
stoffmangel, der inzwischen fortgesetzt gewachsen ist, die Einziehung des
leitenden Personals, der Offiziere und Unteroffiziere des wirtschaft⸗
lichen Lebens — die Sorge wurde also zur Wahrheit. Ich gebe Ihnen einige Zahlen:
Von 100 Mitgliedern der Fachverbände waren arbeitslos im
Juni 1914 2,5 9%, im Juli 1914 2,9 %, dagegen im August 1914
22,4 %. Im September, nachdem der erste Schreck überwunden war,
betrug der Prozentsatz der Arbeitslosigkeit immer noch 15,7 2%, und erst
im Juni 1915 wurden die 2,7 *%, das Niveau vor dem Kriege, wieder
erreicht. Es hat also ein volles Jahr gedauert, bis das Friedens⸗
niveau in dem Verhältnis von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage wieder hergestellt worden ist. Dann hat es sich vom Juni 1915 bis
Juni 1916 ungefähr auf derselben Höhe gehalten. Seitdem ist es
weiter heruntergangen, bis auf 2 % im September. Die Entwicklung war natürlich sehr verschieden bei den Männern und bei den Frauen. Bei den männlichen Arbeitern stand
den auf Arbeitslosigkeit hinwirkenden Tendenzen die Einziehung zahl⸗ reicher männlicher Arbeitskräfte gegenüber. Trotzdem ist auch hier zunächst eine starke Arbeitslosigkeit eingetreten. Die Arbeitsnachfrage bei den Arbeitsnachweisen bietet ein Bild dafür. Auf 100 offene Stellen kamen im Juni 1914 bei den männlichen Arbeitern 158 Ar⸗ beiter, also ein starker Ueberschuß des Angebots an Arbeitskräften. Im August 1914 waren es 248 Arbeitssuchende auf 100 offene Stellen. Der Satz ging dann zurück auf 125 im Januar 1915. Im
April 1915 ist der Ausgleich erreicht: 100 Angebote auf 100 offene Stellen; dann im Oktober eine Verminderung bis zu 85 Angeboten auf 100 offene Stellen. Vom Oktober an haben wir dann eine gewisse Stabilität bis zum April 1916, dann eine Verminderung auf 77 im Juli und auf 64 im Oktober. (Hört, hört!) b Bei den weiblichen Arbeitskräften kam erstens keine Einziehung zum Heere in Betracht, zweitens eine Einschränkung und Stillegung gerade solcher Betriebe, in denen weibliche Arbeitskräfte tark beschäftigt waren. Ich erinnere nur an die Textilindustrie usw. Es ist also selbstverständlich, daß bei demn weiblichen Arbeitskräften die Entwicklung der Dinge nicht parallel gelaufen ist mit der Ent⸗ wicklung bei den männlichen Arbeitskräften. Bei den Frauen kamen auf 100 offene Stellen im Juli 1914 99 Angebote, also ein kleines Unterangebot. Nach Kriegsausbruch kamen im August 1914 202 An⸗
ebote auf 100 offene Stellen. Dann trat eine Verminderung ein 3 uf 167 Angebote im Juni 1915 und auf 165 im Juli 1915, dann kam eine neue Steigerung auf 182 Angebote im Oktober 1915, die
rklärlich ist durch die wachsende Einschränkung in der Textilindustrie.
Es folgte ein weiterer Rückgang bis zum April 1916 auf 162 An⸗
eebote, der Juli 1916 zeigt 154, schließlich im Oktober 1916 — die
etzte Zahl, die uns zur Verfügung steht — waren es noch 135 weib⸗ iche Angebote auf 100 offene Stellen. Sie sehen also, daß bei den weiblichen Arbeitskräften eine schwere
Krisis, die der Krieg brachte und die lange anhielt und sich zeitweise verschärfte, heute im wesentlichen überwunden ist. Aber ganz im Gegensatz zu den männlichen Arbeitskräften, wo das Angebot an Arbeitskräften um ein Drittel hinter der Nachfrage zurückbleibt, haben wir bei den weiblichen Arbeitskräften immer noch ein Arbeitsangebot, das die Nachfrage um ein Drittel übersteigt.
1 Dabei wirkte bei den Frauen als heilsames Gegengewicht gegen die Arbeitslosigkeit die Möglichkeit der Einschiebung in die bisher von Männern besetzten Arbeitsstellen.
Diese Möglichkeit ist bei der Industrie und Landwirtschaft in allerweitestem Umfange verwirklicht worden. Ich habe die Zahlen einer beträchtlichen Anzahl von Betriebskrankenkassen daraufhin zu⸗ sammenstellen lassen. Danach hat der Anteil der weiblichen Arbeitskräfte an der Gesamtzahl der Arbeiter vom Juli 1914 bis Juli 1916 sich folgendermaßen erhöht: in der Hütten⸗ industrie, der Metallbearbeitung, der Maschinenindustrie von 7 auf 19 c, in der chemischen Industrie von 7 auf 23 %, in der elektrischen Industrie von 24 auf 55 %. Meine Herren, das gibt Ihnen ein ungefähres Bild davon, in welchem Umfange der Ersatz männlicher Arbeit durch weibliche Arbeit in den für den Krieg arbeitenden Indu⸗ strien heute schon durchgeführt ist. Ueber die Landwirtschaft brauche ich nichts zu sagen. Sie wissen alle, in welchem Maße die Frau, von der kleinen Bauersfrau bis zur großen Gutsherrin, heute schon ihre Arbeitskraft der Landwirtschaft widmet, in welchem Maße heute schon die Frau der Rückhalt und die Stütze unserer landwirtschaftlichen Betriebe ist. (Sehr richtig! rechts.) Aber auch hier muß ich sagen: wir müssen noch weiter gehen als bisher! Jede Frau, die heute Männerarbeit verrichtet, sei es in der Landwirtschaft oder der In⸗ dustrie, sei es an der Drehbank oder in der Schreibstube, jede Frau, die heute einen Mann freimacht für das Feld oder für die Schwer⸗ arbeit, jede solche Frau ist heute sodiel wert, wie der Mann, der draußen im Schützengraben vor dem Feinde steht. (Sehr richtig!
xvechts.)
Nun lassen Sie mich zurückgreifen auf die Verhältnisse, wie sie im ersten Abschnitt des Krieges entstanden und sich entwickelten. Diesen Verhältnissen, d. h. der zunächst bestehenden Arbeitslosigkeit, mußten sich alle Maßnahmen der Behörden und des Wirtschaftslebens anpassen. Wir haben, um der Arbeitslosigkeit zu steuern, eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die, für sich genommen, das Gegenteil einer rationellen Ausnutzung der Arbeitskräfte sind. Es ist den Herren bekannt, daß wir für gewisse Betriebe, namentlich für die Textil⸗ industrie, die Verwendung von arbeitersparenden Maschinen verboten haben, daß wir für gewisse Tage in der Woche die Arbeit untersagt haben, daß wir für die übrigbleibenden Tage die Arbeitszeit gekürzt haben — das alles zum Zweck, um die Arbeit zu „strecken“, um für diese Betriebe, die in erster Linie durch die Arbeitslosigkeit betroffen waren namentlich durch den Rohstoffmangel, den Arbeitern nach Möglichkeit die Existenz zu erhalten und zu ermöglichen. Dazu kam dann die Rücksicht auf den künftigen Uebergang in die Friedenswirt⸗ schaft. Hier handelte es sich darum, diesen Industrien den not⸗ „ wendigen Stock von Arbeitskräften zu erhalten. Das waren Rück⸗
aus Rücksicht auf unsere Zukunft haben wir dort die Maßnahmen
sichten nicht mehr bestehen. Heute ist Krieg das Losungswort. Heute gibt es nichts anderes als die eine Rücksicht darauf, wie wir unseren Kämpfern draußen an der Front das notwendige Kriegsgerät ver⸗ schaffen und wie wir in der Heimat die Arbeit besorgen, damit das Volk die nötige Ernährung hat. Heute dreht sich alles um die Frage: wie schaffen wir Munition und wie schaffen wir Proviant?
Meine Herren, ich habe Ihnen vorhin angedeutet, in welchem
Maße unsere gesamte Wirtschaft sich bisher diesen großen Aufgaben angepaßt hat. Selbstverständlich haben sich die verbündeten Regie⸗ rungen genau überlegt, ob man von dem bisherigen System der Frei⸗ willigkeit zu einem System gesetzlichen Zwanges übergehen soll; aber bei gewissenhafter Prüfung haben sich die verbündeten Regierungen überzeugen müssen, daß allein mit den bisherigen Mitteln der Frei⸗ willigkeit die Aufgaben nicht zu lösen sind, die uns die jüngste Ent⸗ wicklung, die uns namentlich die Verwirklichung des sogenannten Hindenburgprogramms in bezug auf Munitionserzeugung stellt. Wir sind darauf angewiesen, jeden, der arbeiten kann, mit dem Kopf oder mit der Hand, für das Vaterland mobil zu machen, ob er will oder ob er nicht will. Es darf in dieser Zeit niemand mehr geben, der müßig geht, weil er nicht arbeiten will oder weil er auf Grund seiner Ein⸗ kommensverhältnisse nicht zu arbeiten braucht. Heute gehört jeder Arm und jeder Kopf dem Vaterlande. (Sehr richtig!) Meine Herren, das Gesetz drückt dies in seinem ersten Paragraphen folgender⸗ maßen aus: Jeder männliche Deutsche vom vollendeten 17. bis zum voll⸗ endeten 60. Lebensjahre, soweit er nicht zum Dienste in der be⸗ waffneten Macht einberufen ist, ist zum vaterländischen Hilfsdienst verpflichtet. Der Begriff des vaterländischen Hilfsdienstes selbst ist umschrieben in § 2 des Gesetzes. Es ist der Dienst bei Behörden und behördlichen Einrichtungen, in der Kriegsindustrie, in der Landwirtschaft, in Be⸗ trieben und Beschäftigungen jeder Art, die für die Kriegführung und Volksversorgung unmittelbar oder mittelbar von Bedeutung sind. Meine Herren, ich unterstreiche die Worte „ummittelbar oder mittel⸗ bar“, um zu zeigen, daß der Kreis dessen, was wir als vaterländischen Hilfsdienst ansehen und behandeln wollen, sehr weit gezogen ist. Ich möchte auf Grund von zahlreichen Anfragen, die an mich herangetreten sind, gleich hier erklären, daß wir den Begriff der Volksversorgung nicht im engen materiellen Sinne auffassen, sondern daß wir auch geistige Bedürfnisse mit einbegreifen. Wir, sehen z. B. auch in der Presse einen für die Kriegführung und Volksversorgung bedeutungs⸗ vollen Beruf. Dasselbe gilt von der Geistlichkeit und der Lehrer⸗ schaft, dasselbe gilt für die Berufsorganisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die uns in diesem Kriege so vortreffliche Dienste geleistet haben (Sehr richtig!), es gilt für die Organe der sozialen Versicherung und für ähnliche Einrichtungen. Wer in diesem so weit umschriebenen Kreise arbeitet, wird als in der Ausübung seiner Hilfs⸗ dienstpflicht tätig angesehen; wer es nicht tut, wird durch das Gesetz angehalten, sich eine solche Tätigkeit zu suchen.
Meine Herren, das Gesetz beschränkt sich auf die Männer. Den Frauen wird eine gesetzliche Verpflichtung nicht auferlegt. Ich will das kurz begründen. Einmal würde die Verwirklichung der all⸗ gemeinen Hilfspflicht, die wir den Männern unter Zurückstellung aller anderen Rücksichten auferlegen können, bei den physisch anders organisierten Frauen doch auf gewisse Bedenken und erhebliche Schwie⸗ rigkeiten stoßen, auf Bedenken, die jedermann ohne weiteres klar werden, wenn er die Sache einmal zu Ende durchdenken will. Dann aber liegt die Frage des Bedürfnisses doch bei den Frauen wesentlich anders als bei den Männern. Ich habe Ihnen vorhin die Zahlen der Arbeitsnachweise vorgeführt. Sie haben daraus ersehen, daß heute bei den Männern auf 100 offene Stellen 64 Arbeitsangebote kommen, bei den Frauen immer noch 135. Beim Manne heißt es also: woher be⸗ komme ich Arbeitskräfte für die Arbeit, die zu verrichten ist? Dagegen heißt es bei der Frau: wie schaffe ich Arbeit für die Frauen, die heute immer noch zu einem großen Teil vergeblich nach Arbeit suchen?
Um die Frage beim Manne zu lösen, dafür haben wir das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst; die Lösung bei der Frau dagegen liegt ausschließlich auf dem Gebiete der praktischen Maßnahmen, in der zielbewußten und tatkräftigen Fortsetzung dessen, was bisher schon zum Ersatz der Männerarbeit durch Frauenarbeit geleistet worden ist.
Meine Herren, auch bei den Männern sind wir uns ganz klar darüber, daß wir mit dem Zwange des Gesetzes allein nicht aus⸗ kommen werden. Dazu gehört noch atwas anderes, Der Generalfeld⸗ marschall von Hindenburg hat es neulich in einem anderen Zusammen⸗ hange ausgesprochen: „Ohne Zwang geht es nicht; aber hinzukommen muß die tatkräftige, von vaterländischem Pflichtgefühl geleitete Pflicht⸗ erfüllung eines jeden einzelnen.“ Dieses Wort gilt auch für das vor⸗ liegende Gesetz. Deshalb stellen wir auch in der Durchführung des Gesetzes den Zwang nicht an den Anfang, sondern wiy stellen den Zwang an das Ende. Jeder, der zum vaterländischen Hilfsdienst auf⸗ gerufen wird, soll sich zunächst freiwillig nach Arbeit umsehen, und erst wenn er innerhalb einer bestimmten Zeit keine Arbeit gesucht oder ge⸗ funden hat, kann ihm im Bereich des vaterländischen Hilfsdienstes eine Arbeit zugewiesen werden, die er dann annehmen muß.
Aber, meine Herren, so sehr wir auf die Freiwilligkeit rechnen, und wenn auch jeder einzelne noch so sehr durchdrungen ist von dem, was er dem Vaterlande in den schicksalsschweren Stunden schuldig ist, auch damit weichen wir nicht aus. Wir brauchen außer der Pflicht und dem guten Willen eine drdnende und organisierende Tätigkeit allergrößten Stils, eine Steigerung alles dessen, was bis⸗ her auf dem Gebiete der Umstellung unseres Wirtschaftslebens, dor Anpassung unserer ganzen Volkswirtschaft auf die Kriegsverhältnisse geleistet worden ist.
Wir wollen uns keiner Täuschung hingeben, als ob die Zahl derjenigen, die heute müßig geht, eine ansehnliche wäre. Sie ist nicht allzugroß. Gewiß, Nichtstuer machen sich da und dort aufdringlich und in einer zu dem Ernste der Zeit nicht passenden Weise breit. Abor die Müßiggänger sind keine Reservearmee, mit der wir unsere wirtschaftlichen Schlachten schlagen können. Wir sind darauf ange⸗ wiesen, die Arbeitskräfte aus Betätigungen herauszunehmen, die für die Kriegsführung und Volksversorgung von goringever Wichtigkeit sind, oder auch aus solchen Betrieben, die an und für sich für die Kriegsführung und Volksversorgung notwendig sind, die aber mit Arbeitskräften übersetzt sind. Das letztere gilt z. B. für die Textil⸗ industrie. Aus Gründen der Sozialpolitik, die ich vorhin andeutete,
sichten, die wir bisher nehmen konnten, aber heute können diese Rück⸗
Arbeit, des Arbeitswechsels.
ganisationen nötig. an, wie die Ausschüsse, die Organe zusammengesetzt sind, die in diesen Fragen die praktischen Entscheidungen zu treffen haben. natürlich ebenso für die Organe, die über die Kriegswichtigkeit der einzelnen Betriebe zu befinden haben, über die Frage, ob aus einem Betriebe Arbeitskräfte herausgenommen werden dürfen oder nicht. Ich hoffe, daß es gelingen wird, diese Organe so zu gestalten, daß sie ihrer großen und schweren Aufgabe gewachsen sein werden. lich möchte ich hier bestätigen, daß für die zu treffenden Entscheidungen im weitesten Maße die sachkundige Beratung der kommunalen Be⸗ hörden, der Handels⸗, Gewerbe⸗, Handwerker⸗ und Landwirtschafts⸗ kammern und der Berufsorganisationen von Arbeitnehmern und Ar⸗ beitgebern herangezogen werden soll.
rationellen Ausnutzung der Arbeitskräfte. Wir haben ferner durch die Unterstützung von Reich, Einzelstaaten, Kommunen, Unterneh⸗ mern dam beigetragen, daß die Arbeiter in diesen Betrieben weit über das Maß hinaus festgehalten würden, das der zu leistenden Arbeit entspricht.
Meine Herren, so berechtigt die Motive des bisherigen Vor⸗ gehens sind, die Fortsetzung des bisherigen Systems können wir uns nicht gestatten. Wir werden darauf hinwirken müssen, daß die zu schaffende Arbeit nicht mehr Arbeitskräfte bindet, als zu ihrer Er⸗ ledigung strikt notwendig ist. Daß wir dabei mit Schonung und Vorsicht vorgehen worden, daß wir nicht daran denken z. B. die Unterstützungen, die bisher für die Textil⸗, Lederindustrie usw. ge⸗ währt worden sind, nun zu entziehen, ehe für die Arbeiter neue Arbei und neuer Verdienst gefunden ist, ehe für sie eine andere Existenz⸗ grundlage gefunden ist, das glaube ich, versteht sich von selbst. Ich will es aber ausdrücklich hier feststellen, weil doch Besorgniss über diesen Punkt zu mir gedrungen sind. 8
Im ganzen Gesetze und in den Richtlinien, die ihm beigegeben werden, ist keine Rede davon, daß irgend eine Instanz ermächtigt sein soll, die Stillegung oder Zusammenlegung von Betrieben ohne weiteres zu dekretieren. Es handelt sich in dem Gesetz immer nur um die Frage, ob aus einem Betriebe Arbeitskräfte für den vater⸗ ländischen Hilfsdienst herausgenommen werden können oder nicht Darüber sollen die vom Kriegsamt zu schaffenden Ausschüsse ent scheiden, natürlich in allerengster Fühlung mit den Interessenten, Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Aber über die Zusammenlegun und Stillegung von Betrieben soll im gütlichen Einvernehmen ent schieden werden. Die Industrien, die heute Reserven für Arbeits kräfte enthalten, die für solche Reserven noch in Betracht kommen
Kriegsministerium schon deshalb in engster Fühlung, weil sie heute in der Hauptsache für die Bedürfnisse der Heeresverwaltung arbeiten Schon allein durch die Auftragserteilung hat also hier die Heeres⸗ verwaltung ein Mittel in der Hand, um dort einzuwirken, wo es etwa notwendig werden sollte. 18 8 Was nun die kleineren Leute anlangt, die kleinen Handwerker und Gewerbetreibenden, so glaube ich, auch hier ist viel unnötige Besongnis verbreitet. Das Kriegamt wird durch die von ihm res⸗
sortierenden Stellen im Lande draußen den einzelnen Fall genau an⸗
sehen lassen und auch da, wo eine unmittelbare Beziehung zum Krieg und zur Volksversorgung nicht vorliegt, prüfen, ob das, was an einzelnen Arbeitskräften etwa gewonnemn wird, im Verhältnis steht zum wirtschaftlichen Schaden, der durch die Zerstörung selbständiger Existenzen angerichtet wird.
Zum Kapitel der schonenden und gleichzeitig rationellen Durch⸗ führung des Gesetzes gehört auch ein weiterer Punkt, der wichtig genug ist, um von mir erwähnt zu werden. Es wird in vielen Fällen leichter und einfacher sein, die Arbeit zu den Leuten zu bringen als umgekehrt die Leute zu der Arbeit. Die Erfahrungen, die mit der Umwandlung von Friedensbetrieben, in Kriegsbetriebe, z. B. von Spinnereien in Munitionsfabriken, bisher gemacht worden sind, zeigen, was auf diesem Gebiete geschaffen werden kann. Wenn wir die Arbeiter von ihrer Arbeitsstelle, von ihrem Wohnort weg an andere Orte verpflanzen, so haben wir eine Reihe von besonderen Schwierig⸗ keiten zu überwinden. Wir müssen erstens einmal die Arbeiter aus ihren gewohnten Verhältnissen herausnehmen. Das tun sie nicht gern, sie gehen nicht gern heraus. Wir müssen an dem neuen Orte für Unterkunft sorgen, auch ein Problem, das nicht einfach zu lösen ist. Das kostet neue Bauten, kostet Arbeit und Material, und beides ist heute rar und teuer. Wir müssen neue Fabrikgebäude errichten, für die dasselbe gilt, wie für den Bau von Wohnungen. Das alles ersparen wir uns, wenn wir die Arbeiter dort lassen, wo sie sind, und wenn wir die Arbeit zu ihnen bringen. Wir haben den weiteren Vorteil, daß bei solchen Fabriken in der Regel auch größere Kraft⸗ anlagen, Wasserkräfte, Dampfkraftanlagen und ähnliche sich befinden, die ohne weiteres in den Dienst einer neuen Kriegsindustrie gestellt werden können. Wir haben den Vorteil, daß die größeren Fabriken über Reparaturwerkstätten und über Facharbeiter verfügen, die einen Grundstock für das bilden, was dort neu zu schaffen ist. Das alles müssen wir in der rationellsten Weise ausnutzen, um dadurch zur aus giebigsten Verwertung der vorhandenen Arbeitskräfte beizutragen und gleichzeitig die Durchführung des Gesetzes so schonend für die Arbeiter und Unternehmer wie nur irgend möglich zu gestalten.
Aber, meine Herren, auch bei aller Schonung und Rücksicht der Durchführung ergeben sich aus dem Gesetze doch notwendig die weitest⸗ gehenden Wirkungen. Die Pflicht zur Arbeit im vaterländischen Hilfsdienst bedeutet, auch wenn wir hoffen, daß sie in der weit üben wiegenden Mehrzahl der Fälle freiwillig übernommen wird, eine wesentliche Beschränkung der persönlichen Freiheit. Die Verpflichtung zur Uebernahme einer zugewiesenen Arbeit bedarf ferner zu ihrer Ergänzung einer Erschwerung des Verlassens der Nach der Absicht des Entwurfs soll zum Zwecke des Arbeitswechsels dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ein Abkehrschein ausgestellt werden. Damit werden alle diejenigen, welche heute schon im Bereiche des vaterländischen Hilfsdienstes tätig sind, dem Gesetze unterstellt, sie werden in die große, neu zu schaffende Heimarmee eingereiht.
Diese Beschränkung der persönlichen Freiheit macht einen sorg⸗ fältigen Ausbau der zur Durchführung des Gesetzes bestimmten Or⸗ Es kommt viel, um nicht zu sagen, alles darauf
Das gili
Ausdrück⸗
Aber neben den entscheidenden Organen bedarf es eines Systems
von Beschwerdeinstanzen, bedarf es eines Rechtsschutzes für diejenigen, die durch Ausführung dieses Gesetzes in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt und in ihtem Vermögen vielleicht geschädigt
getroffen, von denen ich vorher sagte, sie sind das Gegenteil einer
8
werden. Solche Beschwerdeinstanzen sind in den von den verbündeten
* u“ 5
sind und die nach ihrem Wunsche wohl in das Gesetz hineingearbeiter
sind großenteils organisiert und stehen mit dem Kriegsamt, dem
Jabhre.
8* 88* “ 8 2
Regierungen gebilligten Richtlinien vorgesehen. Ueber die Aufnahme
des Rechtsschutzes in das Gesetz und über seinen Ausbau werden die verbündeten Regierungen mit sich reden lassen. Mieine Herren, zu den weitergehenden Wünschen, die in der Vor⸗ besprechung des Gesetzentwurfs im Reichshaushaltsausschuß hervor⸗ getreten sind, kann ich in diesem Augenblick namens der verbündeten Regierungen noch keine Stellung nehmen. Ich hoffe aber, daß aus Ihren Beratungen eine Gestaltung des Entwurfs hervorgehen wird, ie die Zustimmung der verbündeten Regierungen findet, die die roßen Zwecke des Gesetzes sicherstellt und die unvermeidlichen Härten, die ein solcher Eingriff in die persönlichen und wirtschaftlichen Ver⸗ hältnisse zur notwendigen Folge hat, auf ein Mindestmaß einschränkt ein Entwurf, der schließlich auch die Zustimmung des deutschen Volkes findet, an das er sich mit seinen großen Anforderungen wendet, des deutschen Volkes, das in ernster Zeit nie versagt hat, wenn das Vaterland Hingabe und Opfer von ihm verlangte. Meine Herren, wenn diese Erwartung sich erfüllt, dann werden wir mit diesem Gesetz ein Gewaltiges zum Siege beitragen. Und nun, meine Herren, lassen Sie mich Ihren Blick auf das Ganze lenken. Das gewaltige Aufgebot, zu dem das deutsche Volk urch dieses Gesetz aufgerufen wird, geht nicht hervor aus Bedrückung nd Kleinmut, wie mancher unserer Gegner es darstellen möchte. Nein, meine Herren, im Gegenteil, die Stimmung, aus der heraus dieses Angebot ergeht, ist die siegesgewisse Kraftanstrengung eines selbstsicheren Volkes (bravo!), eines Volkes, das in 2 ½ Jahren un⸗ rhörten Ringens gewaltige Schläge ausgeteilt und den Anstürmen der Massen und Maschinen der halben Welt immer und immer wieder
siegreich und unbezwungen getrotzt hat. (Bravo!)
Und nicht nur unsere braven Truppen haben gesiegt und stand⸗ gehalten. Nein, meine Herren, auch die Heimarmee, die jetzt in dem neuen Gesetz feste Gestalt gewinnt, hat in den Stürmen des Weltkrieges gute und brave Arbeit getan. Sie hat bisher schon im Wirtschafts⸗ und Hungerkrieg ihren Mann gestanden. (Sehr richtig!) Es ist wahr, der Feind hat uns von der Welt abgeschnitten; das hat er erreicht. Aber in der Wirkung hat er sich geirrt. (Sehr richtig!)
luf heimischem Boden haben wir uns den Ersatz erarbeitet für alle ie Notwendigkeiten und Hilfsmittel, die uns vor dem Krieg die Außen⸗ welt zuführte. Auf uns allein gestellt, haben wir Leistungen voll⸗ bracht, die unsere Feinde mit der Gütererzeugung der ganzen Welt nicht zu überwinden vermochten. (Sehr richtig!) Meine Herren, ich glaube, es ist keine tote Statistik, es sind lebensvolle Zahlen, die unsere Kohlen⸗ und Eisengewinnung, die Grundlagen unsevrer Kriegsindustrie, wiederspiegeln. Ich darf Ihre Geduld noch einen Augenblick in Anspruch nehmen, um Ihnen diesen Gesamtüber⸗ 8 blick über unsere Verhältnisse zu geben. Unsere Steinkohlenförderung erhielt durch den Kriegsausbruch im er ten Augenblick einen schweren Schlag: von 16 ½ Millionen Tonnen im Juli 1914 ging sie zurück auf 8 % Millionen Tonnen im August, lso auf die Hälfte. Heute ist sie wieder auf 90 ₰% der höchsten Friedenserzeugung gestiegen. (Hört, hört!) b Unsere Braunkohlengewinnung ist im Kriege weit über das Höchstmaß der Friedenserzeugung hinausgewachsen. Unsere Erzeugung an Flußstahl wurde durch den Kriegsausbruch von 1 628 000 Tonnen im Juli 1914 auf 567 000 Tonnen im August geworfen, also um ein Drittel der Friedenserzeugung. Sie steht jetzt wieder auf rund 1 400 000 Tonnen; das sind 85 ℳ, der höchsten Friedenserzeugung. . Diese Ergebnisse wurden erreicht — man muß immer wieder daran erinnern —, während Millionen und Abermillionen der kräftig⸗ sten Arbeiter gerade aus diesen Industrien herausgenommen worden sind. 8 Meine Herren, ich will die ungeheuren Anstrengungen, die Eng⸗ land gemacht hat, namentlich im letzten Jahre, nicht einen Augenblick verkleinorn. Aber immerhin darf ich daran erinnern, daß Englands Kohlenerzeugung, die in Friedenszerten stets großer war als die unsrige, für das laufende Jahr kaum irgendwie wesentlich höher sein wird als die Kohlenförderung Deutschlands. Ich darf daran erinnern, daß die Stahlerzeugung Englands, die wir in Friedenszeiten bereits beträchtlich überholt hatten, auch jetzt im Kriege trotz der großen englischen Anstrengungen erheblich hinter unserer Stahlerzeugung zurückbleibt. Dabei arbeitet England ebenso wie seine Bundesgenossen mit Chinesen und Malaien, mit Niggern und mit anderen farbigen Völkerschaften, während uns, außer den Gefangenen, im wesentlichen nur unsere eigene Arbeitskraft zur Verfügung steht. ¹ Aber, meine Herren, ich will nicht nur von Zahlen sprechen. Unter dem Druck der Kriegsnotwendigkeiten hat unsere Industrie Fortschritte erzielt, die weit über den Notbehelf hinausgehen, dauernde Errungenschaften, deren volle Entfaltung sich erst im Frieden aus⸗ nutzen lassen. In ungeahntem Maße haben wir gelernt, Material und Kraft zu sparen, teures und ausländisches Material durch billiges und inländisches Material zu ersetzen. Die Kräfte unserer Industrie sind in diesem Kriege gewachsen wie niemals in Friedenszeiten inner⸗ halb eines gleich kurzen Zeitraums. In Monaten wurden gewaltige Anlagen geschaffen, für die man in Friedenszeiten Jahre veranschlagt hätte. Die Schule der Binnenwirtschaft, die wir jetzt durchmachen, wird bleibend und dauernd unsere wirtschaftliche Kraft, unsere Selb⸗ ständigkeit und unsere Weltstellung stärken.
Meine Herren, ich will die Landwirtschaft nicht vergessen. In zwei schweren Jahren hat sie gezeigt, daß sie mit Anspannung aller Kräfte unsere Volksernährung sicherzustellen vermag. (Bravo! rechts.) Unsere Ernährungsgrundlage für das laufende Erntejahr steht außerhalb jeder Bedrohung durch die Feinde. Trotz der schlechten Kartoffelernte können wir angesichts der guten Ernte an Körner⸗ früchten und an Futtermitteln besser, zuversichtlicher und sicherer als im vorigen Jahre in die Zukunft blicken. (Sehr wahr! rechts.) Wir stehen auch in dieser Beziehung besser und sicherer als vor einem
Aber, meine Herren, keine Illusionen, weder hier noch draußen im Volke! Wir bleiben knapp. Die sorgfältigste Wirtschaft und peinlichste Sparsamkeit, ja selbst empfindliche Einschränkungen und Entbehrungen sind und bleiben merläßlich. Ich weiß, es ist ein schlechter Trost, wenn andere gleichfalls leiden. Aber wenn diese anderen unsere Feinde sind, mit denen wir in tödlichem Ringen liegen, dann wird dieser Trost schon etwas besser. In einem Kriege, der die ganze Wirtschaftskrafk der Völker gegeneinander ansetzt, ist es keine müßige Frage, wie der andere steht, Genau wie für den Feldherrn
8
das Maß der eigenen Streitkräfte für sein Urteil, für die Entschei⸗
8
gen ebenso steht es im Wirtschaftskriege. Gewiß, meine Herren, vom Hunger der anderen ist noch niemand satt geworden. Aber in diesem Wirtschaftskriege ist es für uns nicht gleichgültig zu wissen, ob unsere Feinde im Ueberfluß schwimmen, oder ob sie darben. (Sehr richtig!) 3
Darum gestatten Sie mir einen ganz Furzen Ueberblick, einige ganz wenige Zahlen, die diese Verhältnisse beim Feinde beleuchten. Von unseren Gegnern ist England für drei Viertel bis vier Fünftel seines Bedarfs an Brotgetreide bekanntlich auf die überseeische Zu⸗ fuhr angewiesen. Aber auch Frankreich und Italien haben auf Grund der letzten Ernte einen nicht unorheblichen Ausfall. Das Haupt⸗ versorgungsgebiet für unsere Feinde ist der Norden des amerikanischen Kontinents, die Vereinigten Staaten und Kanada; daneben kommen Argentinien, Indien und Australien in Betracht. Rußland scheidet ja erfreulicherweise aus; die Dardanellen haben die anderen nicht auf⸗ brechen können.
Die Ernte in Nordamerika war nun im vorigen Jahre eine Rekordernte von nie gekannter Höhe. Dieses Jahr hat sie einen Ab⸗ sturz von gleichfalls nie bekannter Heftigkeit erlebt. Die Weizenernte der Vereinigten Staaten und Kanadas betrug im Jahre 1915 37 ½ Millionen Tonnen, im Jahre 1916 nur 21 Millionen Tonnen. Das sind 16 Millionen Tonnen weniger als im vorigen Jahr. Die Gründe sind ja bekannt: schlechte Witterung, Getreidekrankheiten, Mangel an Kalidüngung. Zu dem Ausfall in der Menge kommt noch der Ausfall in der Güte, so daß in Wirklichkeit das Ergebnis für unsere Feinde noch viel ungünstiger ist, als es nach diesen Zahlen den Anschein hat.
Meine Herren, die Vereinigten Staaten und Kanada haben bis⸗ her in der Hauptsache die Zufuhr für Westeuropa bestritten, auf die Union und Kanada kamen von der großbritannischen Zufuhr, die uns ja in allererster Linie interessiert, im Jahre 1914/15 nicht weniger als 74 %, im Jahre 1915/16 88 %. Die diesjährige Ernte macht aber eine Ausfuhr aus der Union so gut wie unmöglich, eine Ausfuhr kann nur stattfinden aus den alten Beständen, die sich rasch erschöpfen. Auch Kanada ist in seiner Exportfähigkeit schwer getroffen. (Hört, hört! rechts.) England, Frankreich, Italien brauchen also zu ihrer Versorgung den Rückgriff auf Argentinien, auf Indien und Australien, die zusammen im vorigen Jahre nur 11 % der englischen Einfuhr stellten.
In Argentinien sind die Ernteaussichten gleichfalls schlecht, man spricht bereits — ob mit Recht oder Unrecht, kann ich nicht entscheiden — von der Möglichkeit eines Ausfuhrverbots für Getreide aus Ar⸗ gentinien, ein Faktum, das in der Geschichte noch nicht da war. Vor allem aber fällt in Betracht, daß die Zufuhr von Getreide aus diesen Ländern, aus Indien, Argentinien und Australien, zwei⸗ bis dreimal so lange dauert wie die Zufuhr aus dem nordamerikanischen Kontinent (sehr richtig! rechts), daß die Zufuhr aus diesen Ländern infolge⸗ dessen in entsprechendem Maße mehr Schiffsraum verlangt.
Das Wichtigste aber ist, daß auch bei günstigem Ausfall der Ernte in Indien und Australien die Länder, die hier in Frage kommen, den Ausfall der Ernte von Nordamerika kaum werden wettmachen können. Sachverständige schätzen, daß aus der neuen Ernte dieser Länder insgesamt 4 ½ —5 Millionen Tonnen zur Verfügung stehen, dazu 2 Millionen Tonnen aus der neuen Ernte der Union und
keit aus der neuen Welternte, gegenüber einem Einfuhrbedarf von ungefähr 16 Millionen Tonnen für unsere Feinde (hört! hört! rechts) und die europäischen kleinen Neutralen. Das ist ein Defizit von 9 bis 10 Millionen Tonnen, das aus alten Beständen entnommen werden muß, und so groß sind die alten Bestände nicht entfernt.
Die Wirkung dieser Verhältnisse zeigt sich in der panikartigen Beunruhigung, die die Getreidebörsen nicht nur in England, sondern auch in Nordamerika ergriffen hat. Der Weizenpreis in Chikago ist seit Ende August bis Anfang November von 145 Cents bis auf nahezu zwei Dollars in die Höhe gegangen gegenüber einem Preise von 90 bis 120 Cents im vorigen Jahre. (Hört, hört! rechts.) In Argentinien liegen die Verhältnisse ähnlich. In England ist der Weizenpreis heute, wenn ich den gegenwärtigen Kurs zugrunde lege, doppelt so hoch wie in Deutschland (hört, hört! rechts.), und auch wenn ich den alten Sterlingkurs zugrunde lege, dann steht einem Preise von 260 ℳ bei uns ein englischer Preis von 370 bis 380 ℳ gegenüber. (Hört, hört! rechts.)
Meine Herren, Sie sehen, daß in diesem Erntejahr der Hunger, den England gegen uns als Bundesgenossen mobil machen wollte, seine dürre Hand gegen unsere Feinde erhebt. Während im vorigen Jahre die anderen schadenfroh und siegesgewiß den Monat und Tag ausrechneten, an dem wir verhungern müßten, haben sie jetzt allen Grund, sich selbst die größte Sorge zu machen. Und unsore wackeren Unterseeboote tun das Ihrige, um diese Sorge für unsere Feinde von Tag zu Tag zu vergrößern. (Bravo rechts.) Wenn also unsere eigene Ernte dank der bewundernswerten Leistung unserer Landwitt⸗ schaft uns davor bewahrt, aus Hunger kapitulieren zu müssen, so dürfen wir das als einen ganz wichtigen, für uns günstigen Punkt und gegenüber dem Vorjahre günstiger gewordenen Punkt in der Kriegslage ansehen. Der Feind hat seinen Vorsprung, den er auf diesem Gebiete uns gegenüber hatte, für das laufende Erntejahr end⸗ gültig verloren. (Sehr richtig! rechts.)
Ich habe geglaubt, Ihnen diese Ausführungen vortragen zu sollen, um Ihnen die Gesamtlage vor Augen zu rücken. Aus dieser Gesamtlage heraus haben wir den großen Wurf des vaterländischen Hilfsdienstes gewagt, um alle Kräfte für die große Entscheidung in diesem Kriege zusammenzufassen. Aus dieser Lage und aus dem Vertrauen auf das deutsche Volk entnehmen wir unsere Zuversicht.
Das deutsche Volk steht in einer Probe auf Kraft und Moral, wie nie ein Volk in der Weltgeschichte. Wir müssen die Probe be⸗ stehen, und wir werden die Probe bestehen. (Beifall.) Wir werden sie bestehen, wenn jeder Mann und jede Frau in der Heimat Stunde für Stunde derer gedenken, die draußen im Trommelfeuer der Schützengräben mit ihren Leibern für unsere Zukunft Wacht halten.
Meine Herren, der Herr Reichskanzler hat ausgeführt: kein Wort reicht an die Größe dessen heran, was unseren Truppen draußen zugemutet wird, was unsere Truppen willig dulden und leisten. Andere in ihrer Art vielleicht nicht geringere Opfer und Leistungen werden von unserer Heimt verlangt, Opfer und Leistungen bis zur Selbstentäußerung, bis zum Aufgehen des Einzellehens und des Ein⸗ zelschicksals in dem höberen Daseinszweck der Gesamtheit. Aber ieder Kampf umd jede Arheit. jedes Opfer und jede⸗ Eonthehrung wud
Kanadas, also zusammen 6 ½ — 7 Millionen Tounen Ausfuhrmöglich⸗
kämpfen, Grundsteine und Bausteine herbeischaffen für eine bessere und stärkere Zukunft unseres Vaterlandes. (Bravol) In diesem Geiste, meine Herren, wird das deutsche Volk, das hoffen wir zuver⸗ sichtlich, das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst aufnehmen und durchführen. (Beifall.)
Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Es handelt sich nicht um ein Zwangsgesetz, nicht um einen Zwang zur Arbeit, das Gesetz will nur alle Aebein einstellen auf den Krieg, jede männliche Person bis zum 60. Lebensjahr soll mithelfen im Interesse unserer. Landesverteidi⸗ gung durch Umwandlung der Rohprodukte in Munition und Waffen und in Nahrungsmittel für die gesamte Bevölkerung. Das sind die Ziele, die das Gesetz verfolgt. Das Gesetz bezieht sich nur auf die männlichen Personen und in erster Linie auf die Freiwilligkeit, ein zwingendes Bedürfnis, die Frauen einzuziehen, ist nicht vorhanden. Als vaterländischer Hilfsdienst soll von vorn⸗ herein angesehen werden die Tätigkeit aller Personen bei Behörden und behördlichen Einrichtungen in der Kriegsindustrie, in der Land⸗ wirtschaft und Forstwirtschaft, in der Krankenpflege, in den Organi⸗ sationen jeder Art oder in sonstigen Berufen oder Betrieben, die für die Zwecke der Kriegsführung oder der Volksversorgung unmittelbar odor mittelbar beschäftigt sind, soweit nur die Zahl der beschäftigten Personen das Bedürfnis nicht übersteigt. Der Staatssekretär hat besonders auf die Presse, die Geistlichen und die Lehrer hingewiesen, er sieht deren Tätigkeit als eine solche des paterländischen Hilfs⸗ dienstes an. Ich hoffe, daß auch andere Personenkreise, z. B. die Professoren der Hochschulen nicht außer acht gelassen werden. Bei der Presse dürfen nicht nur die Redakteure in Frage kommen, sondern auch das gesamte technische Personal. Der Land⸗ und Forstwirtschaft dürfen keine Arbeiter entzogen werden. Bei diesem tiefeinschneiden⸗ den Gesetz bedürfen wir der Zulassung von Beschwerdeinstanzen. Unnötige Härten müssen vermieden, die individuellen Verhältnisse müssen berücksichtigt werden. Ferner muß eine Schadloshaltung da
Die Bestimmungen müssen so gefaßt werden, daß jeder weiß, was er für Rechte hat. Wichtig ist die Mitwirkung des Reichstags bei der Durchführung des Gesetzes. Zu diesem Zweck ist der Ausschuß von 15 Mitgliedern bereits zugestanden worden. Diese außergewöhnliche Macht des Bundesrats muß aber nach dem Krieg wieder aufhören.
Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. H elfferich: Meine Herren! Der Herr Vorredner hat nach dem Schicksal der
freue mich, dem Hause mitteilen zu können, daß der Bundesrat in seiner heutigen Sitzung den beiden Gesetzentwürfen seine Zustimmung er⸗ teilt hat. (Lebhaftes Bravo!)
Abg. Dr. David (Soz.): Die Sozialdemokratie hat schon in den Vorverhandlungen keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie dem Grundgedanken der Vorlage zustimmt. Wir erkennen bereitwillig an,
Friedenssehnsucht weiter zu kämpfen und weiter durchzuhalten, bis
im deutschen Lebensinteresse annehmen können. aber nicht etwa einer Kriegsverlängerung dienen. Wenn wir Kräfte auf die Erringung eines für uns annehmbaren Friedens, so wollen wir auch keineswegs, daß üne⸗ Feldgrauen an der Somme den Mangel an Munition mit ihrem Leben und mit unnötigen Opfern bezahlen. Das enthebt uns aber keineswegs der Notwendigkeit sehr ernster Prüfung der Mittel und Wege zu diesem Zwecke.
zum Unheil Deutschlands ausschlägt. Der Zweck des Gesetzes ist nur dann erreichbar, wenn die Masse des Volkes aus sich heraus pflichtbereit und opferwillig mitmacht, mit widenwilligen Arbeitern kann die große Arbeit nicht geleistet werden. Was uns die Regierung als Entwurf vorgelegt hat, entspricht nicht diesen Anforderungen. Der Ausschuß hat eine eigene Arbeit her⸗ gestellt, die noch nicht ganz fertig ist. Sie ist viel umfang⸗ reicher als die Vorlage, denn sie hat sachlichen Inhalt; befriedigend können wir auch diese Arbeit nicht finden, es bleiben sehr große Maͤngel und ernste Bedenken, wir können daher über unsere endgültige Hal⸗ tung dazu noch nichts sagen. Wiv wünschen nicht, das Gesetz zu ver⸗ zögern, aber wir wollen es auch nicht überhasten. Es muß eine ordnungsmäßige zweite Beratung erfahren, dabei wird auf die Ein⸗ zelheiten näher einzugehen Gelegenheit sein. Das Gesetz bedeutet einen ungeheuren Eingriff in die Existenzgrundlage von Millionen. Das persönliche Selbstverfügungsrecht wird für alle erwachsenen Männer unter militärische Befehlegewalt gestellt; das ist ein Umsturz aller bisherigen Begriffe von staatsbürgerlichem Recht auf persönliche und wirtschaftliche Freiheit. Hier müssen reelle Garantien gegen Miß⸗ brauch in dem Gesetze selbst gegeben werden, bloße Worte und Er⸗ klärungen vom Regierungstische genügen nicht. Der neue Vorschlag versucht das ja auch, aber nicht hinreichend in allen Punkten. In erster Linie trifft das Gesetz mit voller Wucht die Lohnarbeiterschaft. Die Organisationen der Arbeiter und Angestellten hatten die ent⸗ sprechenden Sicherungsvorschläge ausgearbeitet und haben sie der Kom⸗ mission vorgelegt; vor dieser Arbeit der Männer der Praxis sollten die verbündeten Regierungen doch Respekt haben. Wir werden in die verbündeten Regierungen Achtung haben. Wir werden in der zweiten Beratung entsprechende Anträge zu dem neuen Vorschlage einbringen, soweit uns dieser nicht genügend erscheint. Ebenso muß eine ständige Kontrolle und Mitarbeit des Reichstags eingerichtet werden. egen eine Mitwirkung des Ausschusses in diesen
gogen das Ermächtigungsgeset von 1914. Wir haben 2 Rechte preisgegeben, wir müssen sie jetzt zurücknehmen, namentlich bei diesem Gesetz. Es muß eine Kontrollinstanz geschaffen werden, die mitbestimmt und nicht hinterher läuft.
auf die Praxis ankommen. Die Frage der Aufhebung des Gesetzes ist
auch nicht befriedigend. Es sollte eine feste Frist in das Gesetz auf⸗ genommen werden, so daß die Regierung genötigt wäre, eine Ver⸗
soll die Landwirtschaft durch einen neuen Vorschlag bevorzugt werden.
Lage, er hat nicht die großen Sorgen städtischer Arbeiter und kleiner Handwerker, vor allem nicht bezüglich der Ernährung. Jetzt gibt ihm
kräfte zuführt. Boden brach liegt
Dasselbe gilt für alle anderen Betriebe. um die
vermehren.
gewinnsteuer ist kein ausreichendes Mittel, übermäßigen
winne erzielt werden. elne Rü ndust ohne weiteres verstaatlicht werden. Dieser Krieg ist eine Facharbeiter⸗ frage. Der technische Facharbeiter ist fen den Krieg von einer Be⸗ deutung, die man früher nicht kannte.
keit der Arbeiterschaft. will bürgerlichen Rechte, die volle Gleichberechtigung vorenthalten!
schließen. werden.
des Gesetzes, die nshescefchste Mobilmachung Deutschlands, und treten an sie mit patriotischer Freudtokrit heran: Ueber die Not⸗
zungen, die er zu treffen hat, nicht allein ausschlaggebend sein kann,
“ 8 8 “ 8 “ 8
“
geheiligt durch den Gedanken, daß wir alle, die wir arbeiten und
— 8 1“ 8
wendigkeit des Gesetzes ist kein Wort zu verlieren.
1“ 8 . 1““
erfolgen, wo sie nach der Billigkeit im einzelnen Fall angebracht ist.
beiden vom Reichstag in der letzten Tagung beschlossenen Initiativ⸗ gesetze über den Belagerungszustand und die Schutzhaft gefragt. Ich
daß die harte Notwendigkeit der Tatsachen uns zwingt, trotz unserer
auch die Gegner Deutschlands zu einem Frieden bereit sind, den wir Dieses Gesetz darf
den Zweck des Gesetzes billigen, die vollständige Konzentrierung aller
Sonst laufen wir die größte Gefahr, daß das Gesetz nicht zum Heil, sondern
Fragen liegen verfassungsmäßige Bedenken nicht vor, v unsere
Die Kompetenz der vorge⸗ schlagenen Kommission ist allerdings nicht genau umschrieben; es wird
längerung des Gesetzes zu beantragen. Die Arbeitersekretariate müßten in dem Gesetz ausdrücklich genannt werden, ihre Aufrechterhaltung ist dringend notwendig im Interesse der Arbeiter. Auf der anderen Seite
Der Landwirt ist gegenüber anderen Berufen in einer beneidenswerten
der Gesetzentwurf noch einen weiteren Vorzug, indem er ihm Arbeits⸗ Gewiß müssen Arbeitskräfte da sein, damit nicht der
aber es wäre ein Mißbrauch des Gesetzes, wenn die Landwirte in die Lage versetzt würden, ihren Ertrnag ins ungeheure zu Die Kriegs⸗
*
Profite wettzumachen. Dieser Zustand wirkt perbitternd. Es muß eine ausreichende Kontrolle geschaffen werden, daß keine übermäßigen Ge⸗ Daneben könnten einzelne Rüstungsindustrien
Die Arbeiterschaft ist sich dieser ihrer Bodeutung für den Staat bewußt geworden und hat ihre Pflicht getan. Die Enfolge des Krieges verdanken Sie der Tüchtig⸗ Wie will man ihr da die gleichen staats⸗ die geistige Berufsarbeiterschaft sollte sich dieser Erkenntnis nicht ver: In diesem Geist muß auch an diesem Gesetz gearbeitet
Abg. Bassermann (nl.): Wir begrüßen den Grundgedanken
In die
CC-11——4-—— b