meine Herren, diese Ansicht ist nicht zutreffend. Die Judikatur liegk sr, daß die Steuerfreiheit, die die Herren als vorhanden annehmen, rtatsächlich nicht vorhanden ist. Das Oberverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 29. April 1916 ausdrücklich dahin entschieden, daß, wenn der Dienstherr seinen Angestellten oder deren Familienange⸗
macht, diese Zuwendungen steuerpflichtig sind, auch wenn sie als Unterstützungen bezeichnet werden. Das Obervperwaltungsgericht hat dabei — ich möchte den Satz vorlesen — folgendes ausgeführt: Wenn dagegen der Dienstherr seinen Angestellten oder deren Familienangehörigen allgemein unter gewissen Voraussetzungen Zuwendungen macht, so werden diese ohne Rücksicht auf ihre Be⸗ zeichnung — Teuerungszulagen, Unterstützung, Beihilfe usw. —, falls nicht ein anderer Wille des Gebers entgegensteht, als eine den Angestellten tatsächlich gewährte Entschädigung anzusehen sein und sind deshalb als Einkommen aus gewinnbringender Beschäftigung steuerpflichtig.
Meine Herren, bei unseren Beamten liegt der Fall genau so.
Die Beihilfe an unsere Beamten wird nicht mit Rücksicht auf die Lage des einzelnen, nicht mit Rücksicht darauf, ob er unterstützungs⸗
bedürftig ist oder nicht, sondern allgemein gewährt. Genau das⸗ selbe ist bei den Lohnangestellten und den Arbeitern der Fall; jeder
einzelne bekommt diese Beihilfen, einerlei, ob er Vermögen besitzt oder nicht. Infolgedessen ist es nach dieser Entscheidung des Ober⸗ verwaltungsgerichts außer allem Zweifel, daß die Steuerpflicht vor⸗ liegt.
Wenn man nun die Steuerpflicht nicht eintreten lassen will, so ist es nohvendig, ein besonderes Gesetz zu schaffen. Meine Herren, ich habe schon in der Kommission zu Beginn meiner, Ausführungen darmuf hingewiesen, wie ungeheuer schwierig und bedenklich im all⸗
emeinen eine derartige Ausnahmegesetzgebung ist, und welche Be⸗ rufungen sie zur Folge haben würde. Dieses mein Bedenken ist
urch die Ausführungen, die wir heute von den Herren Rednern ge⸗
kört haben, wesentlich verstärkt worden. Die Staatsregierung wurde aufgefordert, darein zu willigen, daß den Beamten und Angestellten des Staates und der Kommunen, den unmittelbaren und den mittel⸗ baren Bcamten, keine Steuern für die Kriegsteuerungszulagen ah⸗ geforbert werden sollen. Kaum war dieser Antrag gestellt, so wurde sofort hieraus die Konsequenz gezogen, daß diese Maßnahme nicht auf die Beamten, die Angestellten und die Arbeiter des Staates be⸗ schränkt sein, sondern auch auf die Angestellten und Arbeiter der Privatbetriebe ausgedehnt werden solle. Meine Hetren, ich muß von vornherein erklären, daß diese Ausdehnung nach meiner Ansicht un⸗ möglich ist und daß, wenn ein derartiger Beschluß gefaßt würde, das Gesetz bei der Staatsregierung keine Annahme finden würde.
Meine Herren, diese Stellungnahme ist nicht etwa durch ein Uebelwollen oder ein mangelhaftes Empfinden für die Lage der im Privatbetriebe beschäftigten Personen hervorgerufen, sondern es liegt ihr lediglich die Erwägung zugrunde, daß es unmöglich ist, eine solche steuerliche Maßnahme durchzuführen, und besonders, daß ein solcher Beschluß eine schreiende Ungerechtigkeit weiterhin hervorrufen würde. Wenn der Staat seinen Beamten und Angestellten Steuerfreiheit gewährt, verzichtet er diesen Personen gegenüber auf eine ihm zu⸗ tommende Leistung. Diese Personen leiften ihm Dienste, und infolge⸗ dessen ist der Staat durchaus in der Lage, zu erklären, er wolle die Wohltaten, die er ihnen erwiesen habe, noch dadurch vermehren. daß er sie von der Verpflichtung, Steuern zu zahlen, entbinde. Es ist für den Staat klar, zu überseben, was bei ihnen Kriegsteuerungs⸗ zulagen, was Kriegsbeihilfen usw. sind. Das ist ahber gegenüber Privatpersonen absolut unmöglich. Bei den vielen Hunderttausenden von Arbeitgebern, die da in Frage kommen, weiß man nicht, wie der einzelne Arbeitgeber die Vergütung festsetzt. Man weiß nicht, was da die Kriegszulage, was die Teuerungszulage und was der wirkliche Lohn ist. Das ist durchaus der Willkür des Betreffenden über⸗ lassen, und keine Steuerbehörde ist — wenigstens in zahllosen Fällen — imstande, das zu ermitteln und einwandfrei festzustellen. Die Ungerechtigkeit greift dann weiter um sich. Wir haben doch nicht lediglich Arbeiter und Angestellte, sondern wir haben auch sehr viele Angebbrige der freien Berufe, welche mit ihrem Privateinkommen ebenso stehen wie die Arbeiter und die Angestellten und auch nicht mehr als diese Personen verdienen. Ich verweise z. B. auf die große Schar der selbständigen Handwerker. Es kann doch auch ein Handwerker sich in derselben Einnahmestufe befinden wie ein Ar⸗ beiter und im Laufe des Krieges aus Anlaß der allgemeinen Teuerung auch etwas mehr verdient haben, als er bis dabin verdient hatte. Soll dieser Mann nun für den Mehrverdienst die Steuer bezahlen, wähtend Arbeiter und Angestellte durch dieses besondere Gesetz frei⸗ gestellt werden? Das wäre eine ungeheure Härte, und diese Härte würde noch stärker werden, wenn jemand von seinem Einkommen etwas verloren hätte und nun von dem verminderten Einkommen die volle Steuer bezahlen müßte, während andere Personen von dem vermehrten Einkommen keine Steuer zu bezahlen haben würden. Das ist undurchführbar.
Gewiß, es ift schon eine schwere Ungleichheit, daß die Staats⸗ beamten und die Staatsarbeiter von den staatlichen Zuwendungen steuerfrei sein follen. Aber es läßt sich noch übersehen und noch recht⸗ fertigen. Dadurch, daß der Staat ihnen die Kriegsbeihilfen und Zulagen gegeben hat und seine Leistungen nun noch erhöht, ist die Gewahr gegeben, daß alles klar zu übersehen ist. Außerdem ist auch der Kreis beschränkt. Wenn wir aber weiter gehen und den Anträgen stattgeben, dann ist es uferlos, und die Ungerechtigkeit gegenüber anderen ist noch größer. Es ist der Staatsregierung aus diesen Er⸗ wägungen heraus schon von vornherein nicht ganz leicht geworden, ihre Zusftimmung dazu zu erklären, daß dieser erste Schritt gemacht werden soll. An sich will die Staatsregierung ihren Beamten und ihren Angestellten überaus wohl, sie gönnt ihnen alles und gibt ihnen gern alles, was sie vermag; aber sie sah gleich die Gefahr, die in dem ersten Schritte liegt, und die Berufungen, die daraus folgen würden. Diese Gefahr glaubie sie noch abwenden zu können, weil es sich hier um einen geschlossenen Kreis handelt. Aber weiter zu gehen und den Kreis noch zu erweitern, ohne daß er endgültig abgeschlossen werden kann, dazu kann die Staatsregierung sich nicht entschließen. Datz würhe Ungerechtigkeiten zur Folge haben, die unhaltbar sind, und deshalb muß ich erflären⸗ wenn Sie überhaupt wollen, daß den Beamten und Arbeitern des Staates und der Kommunen die Zu⸗ wendung der Steuerfrtibeit gemacht wird, dann müssen Sie den Kommissionsantragen, die sich auf sie beschränken, zustimmen. Wenn Sie aber weitergehente Anträge annehmen, dann gefährden Sie dieses
1.
Gesetz. Dieses Gesetz wird dann von der Staatsregferung nicht an⸗
genommen. Abg. Dr. Gottschalk⸗Solingen (nl.): Ein großer Teil der Arbeitgeber hat die Zulagen nicht als Teuerungszulagen, . als Lohnzulagen gegeben, die Arbeiter würden sich aber eschweren, wenn die Teuerungszukagen steuerfrei bleiben, die Lohnzulagen aber nicht. Wenn, der Staat Zulagen gibt, so werden sie genau gekennzeichnet, aber in Privpatbetrieben ist das anders. Es ist also ganz unmöglich, solche Unterschiede zwischen den Zulagen zu machen. Um eine Lösung des Problems zu finden, beantrage ich, den Gegenstand mit den Anträgen nochmals an die Kommission zurück⸗ zuverweisen. Abg. von Pappenheim (kons.): Die Ausdrücke „Kriegs⸗ teuerungszulagen“ oder „aus Anlaß des Krieges gewährte Zulagen“ ge⸗ nügen 8 um zu entscheiden, welche Leistungen vorliegen. Wir 24 dauern deshalb, um das Gesetz nicht zu gefährden und um für unsere treuen Staatsbeamten zu sorgen, den Anträgen nicht use mwes zu können. Wollen Sie jedoch in der Kommission einen Weg zur Lösung fünden und die Anträge zurückverweisen, so wollen wir nicht wider⸗ kecher. Wir werden heute für das Gesetz stimmen, aber die Anträge ablehnen. Abg. Dr. Wagner⸗Breslau (freikons.): Trotz der Ablehnung des Finanzministers sollten wir nochmals in der Kommission eine Lösung zu finden suchen. Es ist unerwünscht, daß die Arbeiter in Staatsbetrieben in steuerlicher Beziehung günstiger behandelt werden als die Arbeiter der Priyatbetriebe, das hat un⸗ günstige soziale Wirkungen. Es ist zwar schwierig, eine passende Form zu finden, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wenn man sich einfach nach den Tarifverträgen richten will, so würde darin ein Zwang zu den Tarifverträgen liegen, die doch manchen Arbeitgebern nicht angenehm sind. Ich beantrage, da der Ausschuß sicherlich eine Einigung ermöglichen wird, gleichfalls, die Anträge an den Ausschuß zurückzuverweisen. Abg. Giesberts (Zentr.): Die Beamtenschaft lehnt es ab, während des Krieges ein Privileg zu bekommen. Sie wollen die Sache an die Kommission zurückverweisen, aber die Steuerveranlagungen stehen vor der Tür, also drängt die Sache. Deshalb müssen wir heute schon abstimmen, damit Klarheit geschaffen wird. Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Hu é und Gottschalk beschließt das Haus die Zurückverweisung des Gesetzentwurfs und der Anträge an den Ausschuß. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs, durch den der Regierung ein weiterer Betrag bis zu 200 Millionen Mark zur Verfügung gestellt wird, um Ge⸗ meinden und Gemeindeverbänden zur Er⸗ leichterungihrer Ausgaben für Kriegswohl⸗ fahrt eche Beihilfen zu gewähren. In Verbindung damit werden beraten: der Antrag des Abg. Dr. König (Zentr.), betreffend Kriegs⸗ teuerungszulagen usw. für die zum Heeresdienst ein⸗ Fösgenn Beamten, und der Antrag des Abg. Schmidt⸗ Lonz (Zentr.), betreffend die Kinderbeihilfen der zum Heere eingezogenen Staatsarbeiter. Der Staatshaushaltsausschuß beantragt, die Anträge in folgender Fassung anzunehmen: , die Regierung zu ersuchen, den zum Dienst im Heere und in der Marine eingezogenen Staatsbeamten (einschließlich der Volks⸗ schullehrer), soweit 88 Gemeine oder Gefreite sind, im Bebdürfnis⸗ falle Kinderzulagen zu gewähren“
und:
„die Regierung zu ersuchen, die Familienunterstützungen für die Familien der Sta rbeiter und ⸗angestellten, die zum Dienst im Heere oder in der Marine eingezogen sind, — unter Berücksichtigung der jetzt den Staatsarheitern und angestellten gewährten Teuerungs⸗ zulagen, Kinderbeihilfen usw. — zu erhöhen“.
Berichterstatter Abg. Lippmann (fortschr. Ferbeehh Beim ersten Male wurden für diesen Zweck 110 Milllonen bewilligt, beim racan Male wurden auch 110 Millionen gefordert, aber das Haus beschloß, 200 Millionen Fna bewilligen. Das war richtig, denn schon im Juli 1916 wäre die Regierung sonst ohne weitere Mittel gewesen. Die 200 Millionen haben nicht einmal für die Bedürfnisse des ganzen Jahres 1916 gereicht, im November waren nur noch 10 Millionen übrig. Die Ausgaben für Dezember mußten schon aus den neuen 200 Millionen gedeckt werden. Das Reich sollte ein Drittel der Ausgaben den Gemeinden ersetzen, es hat bisher aber nur ein Viertel gewährt, es macht aber den Gemeinden allerlei Vorschriften über die Kriegswohlfahrtspflege. Man darf nicht vergessen, welch gewaltige Auf⸗ 22n ja gußerdem noch die Gemeinden während des Krieges zu lösen haben. Da ist in erster Linie die Kriegsfürsorge, die überall da ein⸗ zugreifen hat, wo das Reich „eh so läßt ganz besonders die Hinter⸗ bliebenenfürsorge seitens des Reiches leider sehr viel zu wünschen übrig. Hier werden Summen gezahlt, die nicht einmnal zur Be⸗ streitung des notwendigsten Unterhaltes genügen. Auch das Gebiet der Massenspeisungen und die Mietsbeihilfen verschlingen große Summen.
Abg. Dr. König (Zentr.): Durch die Annahme unserer An⸗ träge wird manche Ungerechtigkeit aus der Welt geschafft. Die Prüfung der Bedürftigkeit ist meist von dem Ermessen des zu Prüfenden ab⸗ bängig. Ferner liegt eine große Ungerechtigkeit und Zurücksetzung gegen die Leute im Schützengraben vor. Bei ihren zurückgebliebenen Ange⸗ höͤrigen muß jedesmal die Prüfung der Bedürftigkeit stattfinden, waäͤh⸗ 8 bei den Hiergebliebenen die Unterstützung ohne weiteres gezahlt wird.
Abg. Leinert (Soz.): Es muß uns doch bekannt eegeben werden, wo die 200 Millionen bleiben, welche Lieserungeecärse und wieviel sie davon erhalten, denn es gibt tatsächlich auch Verbände, die
ar nichts davon bekommen. Für manche Landkreise dürfte eine solche Nachweisung nicht sehr schmeichelhaft ausfallen. In Hannover haben sätas Landkreise die für November fälligen Beträge noch heute, im t
ebruar, nicht ausgezahlt. Die Ministererlasse, die für die Unter⸗ üücung der Kriegerfamilien ergangen sind, können wir durchweg nur billigen, sie bestreben sich, jeder Engherzigkeit bei der Ausführung der gesetzlichen Bestimmungen entgegenzuarbeiten. Aber gerade mit dieser Ausführung hapert es vielfach sehr bedenklich. Auch in den Bestim⸗ mungen finden sich Vorschriften, die in der Praxis zum Nachteil des Arbeiters ausschlagen müssen. Hier sollte sofort eine Revision eintreten. Der Arbeitsverdienst der Frauen darf nicht zur Verkürzung oder Verweigerung der Unterstützung führen, noch weniger aber zur Entziehung oder Fehlüng der Kinder⸗ beihilfen. In zahl eichen ällen haben die Lieferungs⸗ verbände dem entgegengehandelt. In der Kommission ist Prüfun dieser Fälle in Aussicht gestellt worden. Mit dem Antrage König ist in der Kommission eine starke Veränderung vorgenommen worden; auch wir müssen verlangen, daß in dem jetzigen Kommissionsantrage die Ge⸗ währung der Kinderzulage nicht an das Bedürfnis geknüpft wird, daß also die Worte „im Bebürfnisfalle“ beseitigt werden.
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. König hat den Antrag gestellt, in dem Kommissionsbeschluß, der dahin geht, den minderbemittelten, im Gemeinen⸗ oder Unteroffizierstande befindlichen Beamten die Teuerungszulage nach Bedürfnis zu gewähren, die Worte „nach Bedürfnis“ zu streichen. Meine Herreu, ich muß Sie bitten, diesem Antrage des Herrn Dr. König nicht stattzugeben, und zwan aus folgenden Gründen. Herr Abgeordneter Dr. Konig meint es ja sehr gut, indem er sagt: es sollen auch diejenigen, welche im Felde sind, dieselbe Vergünstigung für ihre Familien wie die erhalten, die zu Haus geblieben sind — das klingt ja außerordentlich zutreffend
“ 1““
und richtig —, und fühk weiter aus: es ist doch eine ungeheute Hars;
wenn bei denen, welche zu Hause geblieben sind, das Bedürfnit füß eine Kinderbeihilfe und Teurungszulage nicht geprüft werden soll während bei denen, die im Schützengraben stehen, dieses Bedür nig geprüft wird. So liegen die Verhältnisse aber nicht. Wir sind davon ausgegangen, daß die Teurungszulagen und die Kriegsbeihilfen deshalh gewährt werden, weil für die hier zu Hause gebliebenen Beanften und Angestellten ihre Bezüge wegen der Teuerung nicht mehr aus. reichen. Wir haben aber wohlbedacht die Famllien derjenigen, welche zum Heere eingezogen sind, nicht daran teilnehmen lassen, weil diese Familien dadurch, daß das Familienoberhanpt beim Heere ist, weniger Ausgaben haben, als sie haben würden, wenn das Familienbaupt im Lande wäre. Der Mann wird beim Heere verpflegt, er erhält dort seine Kleidung und seine Beköstigung, und infolge⸗ dessen wird von seinem Beamtengebalt ein ziestliche. Teil für seine Familie verfügbar. Wenn also dieser Teil für seine Bedürfnisse wegfällt und vom Reiche übernommen wird, dann ist 66 nicht gerechtfertigt, nun die Zuwendungen, die die im Lande Befind⸗ lichen erhalten, auch auf ihmn auszudehnen. Es ist aber immerhin möglich, daß die Zuwendungen für die im Lande Befindlichen dosh höher sind als derjenige Teil, der von seinem Gehalte auf ihn emt, fällt, wenn er nicht vom Reich verpflegt würde. Ich will einmal sagen: daß von seiner Einnahme der vierte oder fünfte Teil, je nach der Größe der Familie, auf ihn selbst entfällt. Dieser Teil muß z seinem Gehalt hinzugerechnet und dem gegenübergestellt werden, was durch besondere Kriegsbeihilsen denen, die im Lande geblieben sind, gewährt wird. Er kann daher in der Regel eine besondere Kriegs. beihilfe nicht bekommen. Stellt sich aber heraus, daß die Zulagen, die die Familie und er bekommen würden, wenn er nicht Soldat wäͤn, höher sind als das auf seine Bedürfnisse entfallende N oder „½, würde er durch die Vorenthaltung geschädigt, und infolgedessen haben der Herr Minister des Innern und ich eine Anordmung getroffen, daß in solchen Fällen, wo sich also im Einzelfalle das Bedürfnit herausstellt, den Abzug nicht in vollem Umfange stattfinden zu lassen, aus einem besonderen Fonds etwas für die Familie gegeben wird.
Ich will einmal annehmen, der Beamte hat fünf Kinder, und ein im Lande befindlicher Beamte mit fünf Kindern hekommt monatlich 37 ℳ Familienbeihilfe, wenn dann der Teil, der für ihn in Anrech⸗ nung gebracht wird, nicht so viel beträgt wie 37 ℳ monatlich, so soll aus diesem besonderen Fonds der Familie das Entsprechende verguüten werden. Dieser Standpunkt ist nach meiner Ansicht ganz unanfecht⸗ bar, und wir würden, wenn wir von ihm abgingen, zu Ausgaben und Berufungen kommen, die sich nicht rechtfertigen lassen. Wir haben bei der Rechtfertigung der Familienbeihikfen uns gesagt und an die Spitze gestellt: ein Einkommen in der und der Höhe reicht für die Familie nicht aus, es muß infolgedessen ein höherer Betrag gegeben werden. Wenn nun dieses Einkommen dadurch, daß der Mann bdom Militär doch auch noch etwas bezieht, noch erhöht wird, dann steht er schon über diesem Einkommen, und er bedarf nach dieser Bestimmung dieser Familienunterstützung nicht mehr.
Also, meine Herren, ich muß darum bitten, daß die Worte Bedürfnisfalle“ stehen bleiben. Der vom Herrn Minister des In⸗ nern und von mir herausgegebene Erlaß regelt diese ganze Frage in durchaus weitherziger Weise. Es soll durchaus nicht in die Verhält⸗ nisse tief eingedrungen werden, es soll sofort in sehr wohlwollenden Weise die Nachprüfung erfolgen und dann der Betrag ausgezahlt werden. Es gilt auch gar nicht als eigentliche Unterstützung, sondem es ist ein besonderer Fonds dazu zur Verfügung gestellt. Aber grund sätzlich kann der Antrag nicht so angenommen werden, daß ganz all⸗ gemein ohne Prüfung des Bedürfnisses die Beihilfe gewährt wird. Das geht zu weit.
Abg. Dr. Wagner⸗Brerslau: Ich muß leider feststellen, der Antragsteller selbst über den Umfang seines Antrages sich n. ahsolut klar gewesen ist. Da unter allen Umftänden über die Tragm⸗ des Antrages Klarheit geschaffen werden muß, und da Mißbdrau vermieden werden müssen, so stelle ich den Antrag, auch diesen Geg stand wie den vorigen an die Kommission zurückzuverweisen.
Abg. Dr. Gottschalk schließt sich diesem Antrage an.
Abg. Dr. König: Mein Antrag ist klar und präzis, nur vr dem Antrage der Kommission kann man dies vielleicht nicht sage Wir haben bisher Kinderzulagen nicht, sondern nach Kindern abge stufte Kriegszulagen. Die Erspamis der imn Felde Stehenden, do denen der Finanzminister sprach, ist keine bedeutende. In der jetzige Zeit des Kanonendonners sollte der Finanzminister sich nicht auf eine fiskalischen Standpunkt stellen. 8
Finanzminister Dr. Lentze: “
Meine Herren! Ich muß doch die letzten Aeußerungen des Hern Vorredners sehr scharf zurückweisen. Der Herr Vorredner wirft mit vor, als ob ich hier fiskalische Interessen geltend machen wollte, um in Ausübung dieser fiskalischen Interessen Wege wandelte, die sie jetzt, wo draußen die Kanonen donnerten, nicht rechtfertigen ließen Ich bedaure, daß der Herr Vorredner einen derartigen Ton in de Verhandlungen hineingebracht hat. Daß ich während des Krieges⸗ sowohl bei den perfönlichen wie auch bei fachlichen Ausgaben voer fiskalischen Interessen überhaupt abgesehen habe in allen Fällen, ich glaube, dafür habe ich hier wiederholt den Beweis erbracht, und daß man nun gerade hier bei den personellen Ausgaben plötzlich das fiskalische Moment mir unterschiebt, hätte ich nicht erwartet, das ist unbegründer und nach meiner Ansicht höchst bedauerlich.
Durch die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. König ist die Sach lage auch nicht besonders geklärt worden. Er hat bemerkt, der Aus druck „Kriegsbeihilfen“ passe hier gar nicht, sondern es handle sich um Kinderzulagen. Er hat dann selbst hinzugefügt, Kinderzulagen hätten wir aber zurzeit noch nicht. Dann ist aber doch der Antrag mit den Kinderzulagen noch unverständlicher als vorher. Ich hebe bis dahin geglaubt, daß das Wort Kinderzulagen in dem Antrage br deuten sollte, daß derjenige Teil der Kriegsbeihilfen, der sich nach der Zahl der Kinder berechnet, hiermit gemeint sein sollte. Daß aber eim⸗ ganz besondere Kinderzulage konstruiert sein sollte, die bis dahin nicht vorhanden war, ist mir unverständlich. Ich weiß nicht, was der Her Vorrebdner damit meint. Meint der Vorredner, daß man dem Be⸗ amten entweder besondere Kinderzulagen gewähren sollte oder dah der Teil der Kriegsbeihilfe, der jetzt nach der Kinderzahl berꝛchnet wird, beibehalten werden soll? Das ist mir nicht recht verständlich geworden.
Weshalb ich einen ablehnenden Standpunkt einnehme, ist, vc katsächlich ein Bevbürfnis in dieser Hinsicht nicht vorklegt, unt dc⸗ zweitens auch die Berufungen, die daraus folgen werden, ebenfalls nich von der Pand zu weisen sind, und daß drittens, wenn die Berufmgen
“ 1““
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meinden in der Kriegswohlfahrtspflege
Staats ahr 1917 ein. Der Prüsident teilt dabei mit, daß diesmal ei der Beratung des Etats ebenso wie im Vorjahre verfahren
vicht erfüllt werden können, auch wieder Mißstimmung und Erbitterung in vielen Stellen entstehen wird. 8
Meine Herren, daß Bentfungen kommen werden, haben wir aus der Rede d20 Herrn Abg. Leinert schon gehort. Die Berufungen bleibmm nichk aus. Es werden aber die Berufungen auch weiter statt⸗ fmden bei derr übrigen Beamten, welche mit anderem Maße gemessen werden. Wenn lediglich bie geringbesoldeten Beamten so behandelt werben und die andern mit anderem Maße gemessen werden sollen, werden sie sagen: bei uns liegen die Verhältnisse gerade so, auch bei uns ist die Not da, anch bei uns ist der Wunsch sehr lebhaft und die Notwendigkeit liegt vor, daß wir höhere Bezüge bekovmmen. Fragen Zie herum bei alten Beamten und Angestellten, welches Gehalt sie auch haben mögen, ob sie ihr bisheriges Gehalt für ausreichend er⸗ achten —, ich glaube, ein jeder wird antworten: nein, wir halten es für dringend erforderlich, daß wir höhere Bezüge bekommen. Also mit einer solchen Argumentation, wie sie der Herr Antragsteller eben ge⸗ macht hat, kommt man nicht aus.
Der Fall liegt aber doch so, daß die ins Feld einberufenen Be⸗ amten tatsächlich, wenn sie für die Kinder die Kriegsbeihilfen nicht bekommen, nicht schlechter stehen als die Beamten, die hier zu Hause iind. Darum handelt es sich, und ich habe erklärt, sobald sich heraus⸗ stellt, daß sie im einzelnen Falle schlechter stehen, sollen sie etwas
Tbaben. Das habe ich mit klaren Worten gesagt. In dieser Beziehung
kann man nicht behaupten, daß sie schlechter stehen, sondern sie stehen in jeder Hinsicht finanziell noch besser. Der Herr Vorredner operierte mit 33 ₰ für den Tag. Ich weiß nicht, ob diese Ziffer zutreffend ist, cch kenne die Höhe der Löhne nicht genau; ich glaube, sie ist etwas höher. Aber darum handelt es sich gar nicht. Wenn jemandem für 3) Aı eine ausreichende Verpflegung zur Verfügung gestellt wird, die ein anderer mit 3 ℳ bezahlen muß, so ist das ein sehr starker Geld⸗ betrag, der in Frage kommt. Meine Herren, es handelt sich doch darum, ob das Lebensbedürfnis dadurch gedeckt wird. Nun habe ich zsgeführt: dadurch, daß der Mann zum Heer eingezogen ist, sind für imm weber für Beköstigung, noch für Kleidung, noch für Unterkunft noch besondere Ausgaben zu machen; die werden erspart, und diese
besonderen Ausgaben werden in Geld umgesetzt und werden das meist
msmachen, was die Kriegsbeihilfen für die im Lande Befindlichen betragen. Sollte sich zeigen, daß die Kriegsbeihilfen noch höher sind, soll dem Betreffenden etwas gewährt werden. Das ist sonnenklar, das ist weder fiskalisch, noch engherzig.
Der Herr Vorredner hat von einem Erlaß gesprochen, den er nicht kennte. Ich war leider in der Kommissionssitzung nicht da und konnte deshalb den Erkaß nicht mitteilen; so viel ich aber erfahren habe, ist der Herr Vorredner von dem Inhalt des Erlasses in Kenntnis gesetzt worden. Ich bitte um die Erlaubnis, den Erlaß kurz vorlesen zu dürfen. Er ist von dem Herrn Minister des Innern und mir unterm 31. Januar 1917 ergangen und bestimmt folgendes:
Bei Gewährung der Kriegsbeihilfen und Kriegsteuerungszu⸗ lagen dürfen die im Militärdienste stehenden Beamten nach den bestehenden Vorschriften nicht berücksichtigt werden, weil in der Regel durch Lieferung von Kost, Quartier, Bekleidung usw. seitens der militärischen Stelle oder durch das erhöhte Einkommen dem Beamten eine Besserstellung oder Wirtschaftsersparnis erwächst, die über den Betrag der bei Nichtverwendung im Militärdienst gegebenenfalls zuständigen Kriegsteuerungszulagen und Kriegsbei⸗ hilfen nicht unerheblich hinausgeht. Uebrigens sind auch die An⸗ gehörigen der Kriegsteilnehmer, die ihr Gehalt fortbeziehen, grund⸗ sätzlich von der bei Bedürftigkeit eintretenden Reichsfamilienunter⸗ stützung nicht ausgeschlossen (Erlaß des Herrn Ministers des Innern vom 30. Januar 1916 zur Ausführung der Bundesrats⸗ verordnung vom 21. Januar 1916). Indes kann, vor allem bei Be⸗ amten, die in militärischen Stellen geringeren Dienstgrades ver⸗ wendet werden und eine zahlreiche Familie zu unterhalten haben, der Fall eintreten, daß der Betrag der bei Nichtverwendung beim Militär gegebenenfalls zuständigen Kriegsbeihilfen und Kriegs⸗ teuerungszulagen über denjenigen Betrag hinausgeht, der durch die militärische Verwendung des Beamten als Mehrverdienst erwächst oder im Haushalte erspart wird, ohne daß eine Reichsfamilien⸗ unterstützung gewährt wird. Die Höhe der in diesem Falle an⸗ gemessenen Zuwendung findet ihre Grenze in dem Be⸗ trage der Kriegsbeihilfen und Kriegsteuerungszulagen, die gebenenfalls zu gewähren sein würden, abzüglich desjenigen Be⸗ trages, der durch Mehrverdienst oder Abwesenheit erspart wird. Hierbei ist ein peinliches Eindringen in die wirtschaftlichen Ver⸗ hältnisse des Beamten zu vermeiden und zu berücksichtigen, daß der Kriegsteilnehmer damit rechnen kann, Liebesgaben von seinen Angehörigen zu erhakten.
Der Erlaß spricht sich sehr deutlich aus, es unterliegt keinem Zweifel, daß in dieser Hinsicht von der Staatsregierung vollständig Vorsorge getroffen ist, und wenn das Wort „nach Bebürfnis“ in dem Antrag eingefügt wird, so deckt sich das mit unserm Erlaß. Es wird ulles getroffen werden, was Sie wünschen; das Wort „nach Be⸗
dürfnis“ muß aber aufrecht erhalten werden, weil sonst Berufungen
erfolgen, die unabsehbar sind.
Abg. Cassel (fortschr. Volksp.): Die Leistungen der Ge⸗ sind allgemein anerkannt vorden. Sie werden diesen ein Ansporn sein, auch weiterhin das irige zu tun. Rach einer kurzen Bemerkung des Abg. Dr. König Jemr. wird der Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen. Der Antrug König, das Wort „im Bedürfnisfalle“ zu streichen, wird abgelehnt. Das Haus erledigt hierauf die Vorlage sofort endgültig
ohne Debatte auch in dritter Lesung.
8 ’’ tritt darauf in die zweite Beratung des
aushaltosplanes für das Rechnungs⸗
werden soll. Eine Reihe kleinerer Etats wird debattelos genehmigt, der Etat der Münzverwaltung nach einigen Bemerkungen der Ubag. Linz (Zentr.) und von Böhlendorff⸗ Nölgin (konf.). Zum (tat den „Deutschen Reichs⸗ und Preu⸗ sischen Staatsanzeigens“ bemerkt och Dr Baumar hl.) Ber der ersten Lesung des (Ftats dat der Abg. Dr. Fredderg eine hetmutfegne Rede gphakten, in der er amer 8 AIner Kritik 3 ö geiger, hat bawon nur sehr wenig gebramht, m die Rede des 1 msters nach dem Stenogramm. Kn doch ein merkwürdiges — n, einen Abgeordneien, weng er so bedeutsame Ausführungen
macht, zu einer Bedeutungslosigkeit herabzuwürdigen. Gegen ein solches Verfahren muß auf das entschiedenste Einspruch erhoben werden. (Zustimmung links.) Der „Stagtsanzeiger“ bringt auch die Zwischen⸗ tufe und die Hesterkeit in der Ministerrede. Dagegen läßt er sie bei der Rede des Abgevrbneten fort. Es ist vielleicht möglich, daß die Heiterkeit des Hauses bei den Herren Ministern und Geheimen Räten mehrfach ausgelost wird als bei den Reden der Abgeordneten (Heiter⸗ keit). Hier sollte doch noch mehr Gerechtigkeit oder wenigstens Od⸗ ektiritet vorberrschen. Entweder bringt man die Zwischenrufe voll⸗ tändig orer gar keine. Wir kürfen eine derartige unobjektive Be⸗ richterstattung nicht in einem Organ zulassen, das auf Kosten der Steuerzahler gebruckt wird. Ob der Staatsanzeiger diese Ausfüh⸗ rungen in objektiver Weise wiedergeben wird, das weiß ich nicht (Hei⸗ terkeit).
Wixklicher Geheimer Oberregierungsrat, von Rheinbaben: Meine Herren, es langjährigen Uebung, daß der „Reichs⸗ und die Reden der Minister und Staatssekretäre im Wortlaut bringt. Mir scheint, daß das ein Vorzug des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers ist, der auch allen seinen Lesern boch⸗ willkommen sein wird. Ich möchte auch glauben, daß es durchaus dem Charakter des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ als amtlichen Zentralorgans entspricht, wenn wir darin die Reden der Minister im Wortlaut wiedergeben. Wir haben daher auch bis in die letzte Zeit diese Uebung beibehalten, obgleich an und für sich die Rücksicht auf gröoßere Sparsamkeit inbezug auf Papier⸗ und Druckkosten eine kürzere Berichterstattung über die Sitzungen der Parlamente hätte nahelegen können. Ich glaube nicht, meine Herren, daß Sie das als eine Zurücksetzung empfinden werden. Wer ein Interesse daran hat, die Reden der Herren Abgeordneten in ähnlicher Ausführlichkeit zu lesen, wie die der Herren Minister, der wird in dem Hafornan⸗ das er täglich liest, stets die Reden der seiner politischen Richtung angehörigen Abgeordneten mit aller wünschenswerten Ausführlichkeit wiedergegeben finden. Für uns ist es schon aus Mangel an Mitteln einfach unmöglich, die Reden der Herren Abgeordneten mit der gleichen Aus⸗ führlichkeit zu bringen wie die Reden der Herren Minister. Ich gebe im übrigen gern zu, daß unser Verfahren mitunter zu Unstimmig⸗ keiten führen kann, und wenn diese Unstimmigkeiten wirklich so erheb⸗ lich wären, daß darüber nicht hinweggegangen, werden könnte, so müßten wir in der Tat erwägen, ob wir das bisherige Verfahren weiter fortsetzen könnten. Aber ich hoffe, meine Herren, Sie begnügen sich mit der Versicherung, daß wir uns Mühe geben werden, diese Unstimmigkeiten, die an sich natürlich und erklärlich sind, nach Möglichkert zu verhüten. Sie werden um so weniger verlangen, daß wir eine alte, langjäbrige Uebung aufgeben, als ähnliche Klagen, wie sie der Herr Abg. Beumer heute vorgebracht hat, bisher noch nie erhoben worden sind. Nun hat der Herr Abge⸗ oerdnete versucht, die ganze Sache etwas ins Lächerliche zu ziehen. Ich will darauf nicht weiter eingehen, sondern möchte nur den „Reichs⸗ anzeiger“ gegen den einen Vorwurf in Schutz nehmen, — ich weiß zwar nicht, ob ich den Herrn Abgeordneten da ganz richtig verstanden habe —, daß bei der Wiedergabe der Reden der Herren Abgeordneten im „Reichsanzeiger“ irgendwie parteitisch verfahren, daß irgendwie ein Abgeordneter vor dem andern bevorzugt werde. (Heiterkeit.) Bei Wiedergabe der Rede des Herrn Abg. Dr. Friedberg, auf die der Herr Abg. Beumer Bezug genommen hat, hat keinesfalls die Absicht ob⸗ gewaltet, ihre sickerlich höchst bedeutsamen Ausführungen den Lesern des „Reichsanzeigers“ in wesentlichen Teilen vorzuenthalten. Wenn Sie damals einen Blick in die Tagespresse geworfen haben, so werden Sie gefunden haben, daß die Rede des Herrn Abg. Dr. Friedherg all⸗ gemein in allen Berliner Zeitungen im Vergleich zu anderen Rednern verhälmmismäßig sehr schlecht weggekommen ist. Nach meiner Ansicht
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beruht das darauf, daß der Herr Ahg. Dr. Friedberg — dessen Rede z. B. dreimal so lang war als die Rede des Herrn Abg. von Hevde⸗ brand, trotztem aber in den Zeitungen einen diel geringeren Raum einnahm als jene — sich schon bei der ersten Lesung sehr in die Einzel⸗ heiten des Etats vertiefte; die parlamentarischen Berichterstatter haben sich wahrscheinlich nicht die Mühe genommen, diese Einzel⸗ heiten wiederzugeben, es vielleicht auch nicht für die Lefer ihrer Zei⸗ tungen interessant genug gefunden. (Zuruf. — Es liegt mir gar nichts daran, Ihnen interessant zu sein, Herr Abg. Hoffmann. Jedenfalls kann ich nur sagen — und das wird mir der Herr Abg. Beumer auch glauben —, daß dem „Reichsanzeiger“, der ja auch in Ermangelung eines eigenen parlamentarischen Bureaus auf parlamentarische Korre⸗ sxondenzen angewiesen ist, jede Absicht ferngelegen hat, die Rebe des Herrn Abg. Dr. Friedberg in kürzerer Form als andere Reden wiederzugeben. Wenn endlich noch Herr Abg. Dr. Beumer als be⸗ fremdlich hervorhob, daß im „Reichsanzeiger“ beiden Reden der Minister Heiterkeit, Beifall und ähnliche Iöeiscenrgse stets genau wieder⸗ gegeben seien, so weiß ich nicht, ob die Herren wirklich so viel Wert darauf legen, daß auch bei ihren Reden jede Heiterkeit und jeder Bei⸗ fall so genau wie dort mit abgedruckt werden. Die Sache erklärt sich einfach so, daß die Reden der Minister nach dem amtlichen Stenvn⸗ gramm wiedergegeben werden, in dem natürlich jeder Zwischenruf mit abgedruckt ist, während die parlamentarische Korrespondenz, die der „Reichsanzeiger“ benutzt, in dieser Beziehung weniger gewissenhaft ist. Ich will im übrigen Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen und nur nochmals hervorheben, daß wir nach Möglichkeit bemüht sein werden, Unstimmigkeiten, wie sie heute vorgebracht sind, zu ver⸗ hüten.
Abg. Adolf Hoffmann (Soz. Arb.⸗Gem.): Mit einer gewissen Schadenfreude haben wir diese Aussprache vernommen. Auch uns Scozialdemokraten wird das Wort oft abgeschnitten, oder wir werden unterdrückt. Es freut uns, daß gegen dieses Verfahren des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ Verwahrung eingelegt wird. Der Regierungs⸗ vertreter will sich bemühen, die Unstimmigkeiten abzuschaffen, will aber die alte Uebung beibehalten. Die Ministerreden werden wörtlich gebracht, aber die Rete des Abg. Friedberg nicht. Wenn er nicht interessant spricht (Zuruf und Heiterkeit), kommt er wieder mit fünf Zeilen fort. Wenn an Papier gespart werden soll, können doch auch die Reden der Minister ge⸗ kürzt werden, oder es müssen mehr Mittel bewilligt werden.
Gegen 6 ¾ Uhr vertagt das Haus die Weiterberatung auf Mittwoch, 11 Uhr.
Regierungskommissar entspricht einer Staatsanzeiger
Die Stadt Cöln im ersten Jahrhundert unter preußischer Herrschaft, 1815 bis 1915. Herausgegeben von der Stadt Cöln. I. Band, 1. Teil: Verfassungs⸗ und Wirtschafts⸗ eschichte der Stadt Cöln vom Untergange der Reichsfreibeit bis zur Frnlctong des Deutschen Reiches. Vom Geheimen Hofrat, Pro⸗ fessor Dr. Eberhard Gothein. X und 707 Seiten. I. Band, 2. Teil: Die Entwicklung der Stadt Cöln von der Errichtung des Deutschen Reiches bis zum Weltkriege. Vom Direktor des Sta⸗ tisti Amts der Stadt Cöln Dr. Georg Neuhaus. VIII und 540 Seiten. II. Band: Die Verwaltung der Stadt Cöln seit der Reichsgründung in Einzeldarstellungen. VIII und 731 Seiten. Cöln, Verlag von Paul Neubauer. Preis 25 ℳ. — Im April 1915 waren 100 Jabre verflossen, seitdem die heutige Rheinprovinz und mit ihr die Stadt Cöln mit der Krone Preußen vereinigt ist. Aus diesem Anlaß hatten die städtischen Kollegien von Cöln die Heraus⸗ 2 eines Geschichtswerks beschlossen, das die Kenntnis bedeutender enschen und Geschebnisse dieses wichtigen Zeitraums in der fast
— rigen Geschichte der Stadt den kommenden Geschlechtern liegt das Werk in zwei Bänden, von denen
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Fendee Gehelme Hofrat Dr. Eberhard Gothein, bis 1904 Ffor an der Universttät Bonn, eine lebendige Darftellung der Berfaffungs⸗ und Verwaltungs⸗ sowte der Wirtschafts
geschichte der Stadt Cöln bdis Deutschen Reichs, für die indessen nicht das Jahr der preußischen Besitzergreifung, sondern, da die Wurzeln weiteren Entwicklung Cölas in der französischen Zeit
der Untergang der Reichsfreibeit den Ausgangspunkt bi Im zweiten Halbband schildert der Direktor des städtischen Statistischen Amis Dr. Georg Neuhaus die Entwicklung der Stadt Cöln von der Errichtung des Deutschen Reichs bis zum Weltkriege, wobet das Hauptgewicht auf die städtische Verfassung und Verwaltung geleat wird und die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse nur so weit mitbehandelt werden als es zum Verständnis der Entwicklung der Stadt notwendig sstt. Wichtige Verwaltungszweige, über deren Entwicklung hier nur ein ganz kurzer Ueberdlick gegeben wird, erfahren noch eine ein⸗ gehendere Einzeldarstellung aus der Feder berufener Kräfte in dem mit zahlreichen Abbildungen und Plänen ausgestatteten letzten Bande des Jubiläumswerkes, der den Untertitel führt: „Die Verwaltung der Stadt Cöln seit der Reichs⸗ gründung in Einieldarstellungen“, insbesondere die Pflege der geistigen Kultur, das öffentliche Gesundheits⸗ und Krankenwesen, die Leistungen und die Fürsorge der Stadt Cöln auf dem Gehiete des Bauens und Wohnens, die Pflege der wirtschaftlichen Kultur, die soziale Fürsorge, die städtischen Unternehmungen, die Steuern und Finanzen. Aus einer ärmlichen Mittelstadt, die kaum den geringen Aaforderurgen einer Gemeindeverwaltung vor b recht werden konnte, ist eine glänzende, wohlhabende Groß⸗ stadt geworden, die nicht nur die allgemeinen Aufgaben jeder Großstadt erfüllt, sondern weit darüber binaus auch der Kunst und der Wissenschaft, dem Binnen⸗ und Wasserverkehr und vielen anderen Gebieten reiche Fürsorge zuteil werden läßt. Die Beyölke⸗ rung Cölns hat sich von 1817 dis 1861 von 49 276 auf 120 568, bis 1910 auf 516 540 (in der Altstadt allein 154 263) Einwohner erböht und stieg bis zum Ausbruch des Weltkrieges auf rund 630 000 Seelen. Bis 1883 umfaße das Cölner Stadtgebiet nur die Altstadt, alsdann wurden 1883 die Neustadt, 1888 18 und 1910 noch 2 Vororte eingemeindet, sodaß Cöln jetzt das größte Weichbild unter allen deutschen Städten besitzt. Die Zahl der Eheschließungen betrug im Jahre 1820 480, d. i. 8,42 %0 der mittleren Bevölkerung. Den tiefsten Stand erreichte sie 1830 mit 6,78 %, den höchsten im Jahre 1867 mit 10,76 % . 1912 betrug diese Zifsfer noch 9,22. Die Geburtenzahl, auf je 1000 Ein⸗
zur Errichtung des
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100 Jahren ge⸗
wohner berechnet, schwankte im Laufe des vorigen Jahrhunderts
zwischen 32 und 43 %0; höchsten Stand sie im Jahre 1872 mit 43,3, 1 Nachhaltiger hat sich die Geburtenabnahme erst gehend gemacht. Die Sterblichkeitsziffer betrug im vorigen Jahrhundert bis in die 90 er Jahre hinein rund 25 %; in einzelnen Jahren — so 1819, 1330, 1849, 1866, 1867 und 1871 — erhob sie sich jedoch auf 40 % und mehr unter dem Einfluß von Seuchen, wie Typhus, Cholera und Pocken. Ihren größten Tiesstand hat diese Ziffer im Jahre 1912 mit 144 gefunden; sie war damit um min. destens 10 %o gegen den Durchschnitt früherer Zeiten und zugleich unter den Durchschnitt der Gesamtsterblichkeit im preußischen Staate gesunken, der 1912 15,49 %0 betrug. Unter den Todesursachen war früher in Cöln die Schwindsucht von verhängnisvollerer Bedeutung als heute; denn es starben zu Beginn der 20 er Jahre des vorigen Jahrhunderts durchschnittlich jährlich 355 Personen an Schwindsucht bei rund 1500 Gesamttodesfällen. Die Tuberkulosesterblichkett machte also zu Anfang des vorigen Jahrhunderts 20 bis 25 % der Gesamtsterblichkeit aus, während sie zurzeit nur etwa 10 % beträgt. Die Säuglings⸗ sterblichkeit belief sich vor 100 Jahren bei einem Verluste von etwa 360 Säuglingen auf 2000 Geborene auf etwa 18 %, während die Säug⸗ lingssterblichkeitsziffer des Jahres 1912 15,18 % betrug und damit unter die Durchschnittsziffer für den preußischen Staat (16.4 %) gesunken ist. Die bedeutenden Anstalten und Einrichtungen neuzeitlicher Städte⸗ verwaltung, mit denen Cöln heute ausgestattet ist, konnten erst ge⸗ schaffen werden, nachdem die Selbstverwaltung bearündet und ausge⸗ stalter worden war, indem die brachliegenden Kräfte des Femeinsinns der Bürgerschaft wachgerufen ober in rechte Bahnen geführt murden. Aber — bemerkt der Direktor des städtischen Stattstischen Amts Dr. Neuhaus am Schlusse seiner Darstellung der Fntmwieklugmg der Stadt Göln bis zum Weltkrtege — mag man noch so Boaz Hirsen Gemelnsinn der Bürgerschaft einschätzen, daß er sich frei auswirken konnte, ist doch nur durch die Zuagehöriakeit Cölns zu einem macht⸗ vollen Staatswesen möglich geworden. Mit dem Auffteigen Preußens während des letzten Jahrhunderts ist auch Cölns Entwicklung vor⸗ wärts gegangen und hat zu der Blüte geführt, vor der wir heute bewundernd stehen.
„Mitteleuropätsch⸗türkische Eisenbahnen für den Kampf gegen England“ lautet der Titel einer Abhandlung, die der Eisenbayndirektkor a. D. Albert Sprickerhof (Berlin Grune⸗ walb) im Januarheft der Monatzschrift des Vereing deutscher In⸗ genieure „Technik und Wirtschaft“ veröffentlicht⸗ ie stellt einen Auszug aus einer von ihm verfaßten Penkschrift „Der künstige Eisenbahnverkehr zwischen den mitteleurovälschen Staaten und dem Morgenlande“ und einer im November 1916 hierzu geschriebenen Ergänzung „Rumänten“ dar. Der Verfasser führt aus: Der von England entfesselte Weltkrieg sei ein Wirtschaftskrieg, den wir mit wirtschaftlichen Machtmittein neben den militärischen bekämpsen müßten. Unser großer Bahnbesitz und dersenige unserer Ver⸗ bündeten repräsentierten bei 160 000 km Gleislänge einen Wert von 35 Milliarden Mark; mit dieser Macht, der wirksam entgegenzutreten jetzt keine Finanz⸗ oder Unternehmergrupye der Welt imstande sei, müßten wir den Wirtschaftskampf anfnehmen. Die Entstehung und den Ausbau der Bahnen bis zur Verstaatlichung hätten wir unternehmenden Männern aus industelellen und Finanz⸗ kretsen zu danken; ebenso großzügig müsse setzt die Vervollständigung der mitteleuropaͤlschen SFasenlanhn und der Ausbau eines kürkischen Bahnnetzes in Angrlff genommen werden. Nur eine Erweiterung des vorhandenen Bahnbesstzes um 6 %, nämlich um 9600 km. Glets bei 2,1 Milltarden Kasten set ezi⸗ um für unsere Heere eine unentbehrliche eisenbahntechnische Kamps⸗ bereitschaft und gleichzettlg den nolwendigen Ausgleich der Wirtschaftskräfte hberbeizuführen. Wenn von unserem und uUnserer Verbündeten gewaltigem Bahnbesig der rechte Gebrauch gemacht werde, set die Finanzterung ohne jede Belastung der verbündeten Länder, nur gestützt auf zu vereinbarende Ausnahmetarife für den Ueberlandguterverkehr, durchführbar. Die Arbeit des Berfassers be⸗ zweckt, dazu anzuregen, in einem aus Vertretern der beteiligten Länder bestebenden Arbeitsausschuffe Ausnahmetarife und die 27 ung Kofer Wagen und Lokomoöriven für einen künftigen Güterschnellzug⸗ verkehr mit dem Orient sowie die Verstärkung vorbandener und den Bau neuer Bahnen hierfür gemeinschaftlich vorzubereiten⸗
Kurze Anzeigen neu erschienener Schriften, deren Besprechung vorbehalten bleibt⸗ Einsendungen sind nur an die Rebaktion, Wilhelm⸗ straße 32, zu richten. Rücksendung findet in keinem FPalls statt.
Fliegerhauptmann Oswald Boelcke. Eimn deutsches Heldenleben von Rolf Sommer. 0,20 ℳ. Von 100 Stück an 0,10 ℳ. Potsdam, Silftungsverlag.
Die Familienbeziehungen der kriegführenden Fürsten häuser unter besonderer Berücksichtigung des Hauses Sachsen⸗Coburg und Gotha. Von M. Berbig. 1,20 ℳ. Gotha, Friedrich Andreas Perthes.
LKriegsbuch für die Jugend und das Polk. Band IfI. Enthaltend die Chronik des Welskrieges vom 1. März bis 26. Wat 1915, Erzählungen, Schlachtenschtlderungen usw. sawie Tafeln, Abbildungen und Pläne. Kart. 1 ℳ; gebdn. in Leinwand 1,25 ℳ. Seuttgart, Franckhsche Verlagshandlung. b
Kriegstiele und Moral. Bon Professor Dr. Heinrich
518. 1,20 ℳ., Freiburg i. Br, Herversche Berkagshandlung
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erreichte den niedrigsten 1912 mit 27,6. seit 1902