1917 / 19 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 Jan 1917 18:00:01 GMT) scan diff

Anerbenrecht reichlich Amwendung findet, und einzelne, wo es gar nicht in die Erscheinung tritk; aber das Anerbenrecht ist immerhin etwas anderes als fideikommissarische Bindung. Deshalb muß man jedem, mag er wohnen, wo er will, die Möglichkeit offen halten, daß er von dieser neuen Einrichtung Gebrauch machen kann.

Der dritte Teil des Gesetzes, der die Familienstiftungen betrifft, ist von verhältnismäͤßig geringerem Interesse; es ist nicht viel Neues darin gesagt. Nur das eine ist wesentlich, daß auch die Bildung der Familienstiftungen von einer Genehmigung abhängig sein soll, die in der Regel dem König zusteht, sonst aber von der Aufsichtsbehörde ausgesprochen wird, als die man sich regelmäßig das Amtsgericht zu denken hat, das den ganzen Verhältnissen am nächsten steht. Wenn das Genehmigungserfordernis auch für Stif⸗ tungen eintritt, dann ist der Möglichkeit vorgebeugt, daß diejenigen, die nicht zu der erwünschten fideikommissarischen Bindung gelangen können, nachher den Weg der Familienstiftung beschreiten und die Güter durch die Familienstiftung festlegen, um sie auf diese Weise für die Familie zu binden und aus dem allgemeinen Verkehr zu ziehen. Dem beugt das Erfordernis der Genehmigung bei Familienstif⸗ tungen vor.

Eine recht wichtige Erscheinung ist es daß, wenn d kommissarische Bindung stattfindet, das auch eine Kräftigung Familiensinnes bedeutet. Der Familienverband ist es, für den Fideikommißbesitzer das Gut als Sondergut in treuer Hand hält; er ist zwar Eigentümer des Guts, verwaltet es aber gleichzeitig im Interesse der ganzen Familie; dieses Verhältnis muß dahin führen, daß die Verbindung der einzelnen Familienglieder untereinander ge⸗ festigt wird. Und wenn so auch auf diesem Gebiete eine Stärkung des Familiensinnes erfolgt, so ist dies, glaube ich, für unseren ganzen Staat von hoher Bedeutung.

Zum Schluß möchte ich nur noch darauf aufmerksam machen, daß die Regelung der Angelegenheit in der Tat sehr dringlich ist, daß die Uebelstände, die wir jetzt haben, nicht länger bestehen dürfen, und daß diese Uebelstände aber feineswegs nur darin bestehen, daß sich jetzt Fideikommisse ohne Genehmigung bilden und erweitern, sondern daß gerade das, was ich über die Stellung der Fideikommißbesitzer sagte, immerhin zu einer schleunigen und dringlichen Erledigung führt. Nachdem wir einmal an eine organische Neuregelung des ganzen Fidei⸗ kommißrechts gegangen sind, wäre es doch sehr lückenhaft, wenn wir jetzt einen einzigen Teil herausnehmen wollten. Der Antrag, der hier gestellt ist und auch mit zur Diskussion steht, würde schließlich darauf hinauslaufen. Ich glaube nicht ich kann hier zwar nur für meine Person sprechen —, daß die Staatsregierung in der Lage sein wird, auf diesen Antrag einzugehen.

So möchte ich Sie, indem ich nochmals betone, daß das Gesetz in der Tat höchst wichtig ist und seine baldige Verabschiedung im all⸗ gemeinen Interesse dringend erwünscht ist, hiermit bitten, diesem Gesetze Ihre Zustimmung geben zu wollen. (Bravo! rechts.)

Abg. Delbrück Ich stelle den 111““ und den Antrag Aronsohn einer Kommission von 28 Mitgliedern zu überweisen. Das Gesetz war schon vor dem Kriege fast erledigt, und neu hinzugekommen ist lediglich die Materie der Stammhöfe. Di

A ch,

Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind von weittragender Bedeutung, denn sie sind wesentlich für die Bildung des großen und des kleinen Auf diesem Gebiete herrscht größte Unsicherheit, und es muß geregelt werden, wenn nicht große Mißstände eintreten sollen. Diese Miß⸗ stände können durch den Antrag Aronsohn nicht beseitigt werden. Im Kriege sind nur ganz wenige Fideikommisse neu gebildet. Eine

Frößere Freiheit für die Fideikommisse ist für die Bewirtschaftung

eineswegs gleichgültig; z. B. ist es jetzt schwer, Meliorationskredit zu bekommen. Das Gesetz widerspricht nicht der inneren Kolonisation, sondern diese soll gerade mit dieser Gesetzgebung in Einklang gebracht werden. Es ist gesagt worden, der Entwurf erleichtere die Fidei⸗ kommisse, statt sie zu erschweren. Das Gesetz geht gerade auf Erschwe⸗ rung und Beschränkung der Fideikommisse hinaus, es bringt gerade eine Entwicklung, die in der Richtung der Linken liegt, nur geht es ihr darin nicht weit genug. Das Gesetz bewegt sich entschieden in einer den modernen Verhältnissen sich anpassenden Richtung, macht also gerade im Sinne der Linken einen Fortschritt. Wir werden in der Kommission alles sachlich prüfen, denn es liegt uns natürlich daran, die Kraäfte zusammenzufassen, wir haben den besten Willen, im Sinne des neuen Geistes sachlich zu ar⸗ beiten und einen Boden zu finden, auf dem wir gemeinsam ein ge⸗ deihliches Werk zum Abschluß bringen können, auf das wir später mit Stolz zurückblicken können, weil es möglich gewesen, ist, eine solche Kulturarbeit auch in den Stürmen dieser schweren Zeit zu machen.

Abg. Bitte (Zentr.): Auch das Zentrum ist für die Verwei⸗ sung der Vorlage und des Antrages Aronsohn an eine Kommission von 28 Mitgliedern, erklärt aber schon jetzt die Ablehnung des An⸗ trages, da er mit der Tendenz und dem Zwecke des Gesetzes nicht im Einklang steht. Der neue Gesetzentwurf trägt den Wünscher Rechnung, welche in den Kommissionen der beiden Häuser des Land⸗ tages zum Ausdruck gebracht worden sind, und insbesondere dem von meinen Parteifreunden wiederholt geäußerten Wunsch, die rechtliche Bindung auch dem kleinen und mittleren Grundbesitz zugänglich zu machen. Wir können also der Regierung dafür Dank sagen, daß sie diese Materie sorgfältig und in den Einzelheiten zweckmäßig geregelt hat. In diesem C“ ist man stets darüber einig gewesen, wie nötig die Erhaltung, Festigung und Vermehrung des kleinen Besitzes für das Ganze ist, wie die innere Kolonisation eine Notwendigkeit darstellt. In diesem Hause ist das schöne Wort geprägt worden, daß der Bauern⸗ stand der Junabrunnen unserer Volkskraft und Volksgesundheit ist. Auch mit Rücksicht auf die Kriegsgewinne und die Erweiterungsbestre⸗ bungen des Grundbesitzes und der Industrie muß hier jetzt zugegriffen werden. Die Kriegsgewinne sucht man in Landankäufen anzulegen, um sich eine Jagd und andere Annehmlichkeiten, die der Grundbesitz bietet, zuzulegen. Es ist Gefahr vorhanden, daß durch die Uebermacht des Kapitals und der Industrie der kleine Besitz aufgesogen wird, deshalb ist das Stammgutgesetz nur zu begrüßen. Nun ist in einigen Landesteilen, und zwar gerade in denjenigen, die uns näherstehen, die Stammgutbildung nicht gerade sympathisch begrüßt worden. Man will dort ein freier Mann sein. Dem steht ja aber nichts entgegen; es wird niemand gezwungen, seinen Besitz zu binden, es braucht auch gar nicht der ganze Besitz gebunden zu werden. In der Kommission wird über die Einzelheiten ausführlicher zu reden sein. Die Schätzung des bäuerlichen Besitzes müßte übrigens nach anderen Grundsätzen als die des größeren Besitzes stattfinden. Es wären dafür vielleicht be⸗ sondere Kommissionen einzusetzen. Daß der Großgrundbesitz ein in unserem Wirtschaftsleben unentbehrlicher Faktor ist, hat man im Mai 1914, fast allseitig anerkangt. Aber es muß ein ge⸗ rechtes Verhältnis zwischen beiden bestehen. Die Anhäufung des Grundbesitzes ist ebenso gefährlich wie seine Zersplitterung. Darum muß der Latifundienwirtschaft energisch entgegengewirkt werden, deren perderbliche Wirkungen wir nicht nur aus dem Altertum kennen, sondern heutzutage namentlich in England sehen. In dieser Be⸗ iehung bietet die Vorlage eine große Anzahl von beschränkenden die doch alle durchaus im Sinne der Linken sein müßten.

Aba. Dr. Lohmann (nl.): Wir müssen die Wiedereinbringung des v g. ür verwunderlich, ja für befremdlich erklären. Die von dem Abg. Delbrück vorgeführten Gründe kann ich nicht als stichhaltig ansehen; um in größerem Umfange Ha zu schlagen,

t man nicht die Gesetzgebung zu bemühen. Was uns zur

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Ab⸗

lehnung des Gesetzes veranlaßt, ist, daß niemand von uns weiß, welche Ziele unsere Agrarpolitik nach dem Kriege wird in Angriff nehmen müssen. Wir halten eine so starke Erweiterung der fideikommissarischen Bindung, wie sie das Gesetz will, nicht für richtig. In den letzten fünf Jahren ist diese Bindung schon außerordentlich viel größer ge⸗ wesen als in den letzten zwanzig Jahren und im Osten stärker als im Westen. Wir werden dem Antrage der fortschrittlichen Volkspartei zustimmen und beantragen, ihn nicht an eine Kommission zu ver⸗ weisen, sondern darüber abzustimmen. Im Herrenhause hat seinerzeit Graf Yorck von Wartenburg eine Reihe von technischen Gründen an⸗ geführt, die für die Fideikommisse sprechen sollen und vor allem be⸗ hauptet, daß sie intensiver wirtschaften als der kleinere Besitz. Die Erfahrung und die Wissenschaft beweisen das Gegenteil. Der Groß⸗ grundbesitz hat eine verhältnismäßig geringe Zahl von ferden, Kühen und Schafen. Wenn Graf Yorck auf den Nutzen hingewiesen hat, unab⸗ häangige Existenzen zu schaffen, so haben meine Freunde dafür an sich volles Verständnis. Unabhängige Existenzen gibt es aber auch in jedem anderen Berufe, so im Handel und in der Gelehrtenwelt. Entscheidend ist die Frage, ob die Fideikommisse geeignet sind, einen leistungsfähigen Grundbesitz zu erhalten. Diese Frage habe ich schon verneint. Was wir brauchen, ist eine Mischung von großem, kleinem und mittlerem Besitz. In einem Zeit⸗ punkt, in dem wir alles an Steuern zusammensuchen, was nur möglich ist, da erlassen wir die Stempel in einem Gesetz, das doch gewissen Ständen ein Privilegium gibt. Außerdem liegt bei diesem Entwurf die Gefahr vor, daß unter der Flagge der Stammgüter die Zahl der Fideikommisse vergrößert wird. Das kann sicher nicht dazu dienen, die wirtschaftliche Energie unseres Bauernstandes zu steigern.

Abg. Krause⸗Waldenburg (freikons.): Die Bedenken des Herrn Lohmann teilen wir nicht. 8 ein leistungsfähiger Großgrundbesitz notwendig ist, ist anerkannt worden, ebenso aber auch, daß dies nur auf dem Wege der Fidei⸗ kommisse geschehen kann. Ich verstehe nicht, weshalb dabei nicht der Weg der Gesetzgebung beschritten werden soll. Aus der Steigerung der Zahl der Fideikommisse in den letzten Jahren geht doch das Be⸗ dürfnis hervor. Das Gesetz will dieses nun auf das nützliche Maß beschränken. Es ist auch anerkannt worden, daß das gegenwärtige Ge⸗ setz dringend verbesserungsbedürftig ist. Wir wollten anfänglich eben⸗ falls beantragen, den Antrag der Freisinnigen der zu bildenden Kom⸗ mission mitzuüberweisen. Wir haben aber nichts dagegen, daß über ihn ohne Kommissionsberatung abgestimmt wird. Es ergibt sich aus unserer Stellungnahme von selbst, daß wir ihn ablehnen werden. Ueber die Stempelfrage können wir uns ja nach dem Kriege ein⸗ gehender unterhalten.

Abg. Waldstein (fortschr. Volksp.): In der Einbringung dieser Vorlage sehen wir einen Bruch des Burgfriedens. Es gibt keine Frage, bei der die Meinungen so auseinandergehen, wie hierbei. Ihre Lösung hängt aufs innigste mit der ganzen Gestaltung unserer inneren Politik zusammen. Im Jahre 1913 beschloß der Reichstag, die verbündeten Regierungen aufzufordern, einen Gesetz⸗ entwurf einzubringen, durch den die weitere Bildung von Fidei⸗ kommissen verboten wird. Und nun kommt die preußische Regierung mit diesem Entwurf. Es heißt, die Fideikommißbildung erfahre durch das Gesetz eine starke Erschwerung, z. B. durch die Kontingen⸗ tierung, wonach nur 10 % des gesamten landwirtschaftlichen Areals des Staates fideikommissarisch gebunden werden dürften; aber davon sind Ausnahmen gemacht, so daß insgesamt 17 bis 18 % des gesamten Staatsgebiets herauskommen können. Nach dem Tempo der Fidei⸗ kommißbildung in den Jahren von 1905 bis 1912 werden die 10 % in 39 Jahren erreicht sein. Auch das Erfordernis der Königlichen Geneh⸗ migung wird die Fideikommißbildung nicht erschweren, sie wird durch die Kontingentierung entwertet, denn es wird der Königlichen Geneh⸗ migung schwer werden, innerhalb der Kontingentgrenze eine Geneh⸗ migung zu versagen. Auch die sonstigen Erschwerungen, z. B. die Ver⸗ pflichtung, auf dem Hesit zu wohnen, werden nichts nützen. Aue diese sogenannten Erschwerungen werden aber tausendfältig da⸗ durch überwogen, daß die Höhe der Kosten in einer nahezu unglaub⸗ lichen Weise durch diesen Entwurf herabgesetzt wird. Dafür ist wirklich kein Wort des Tadels zu scharf. Es handelt sich um eine Er⸗ mäßigung auf ein Drittel bis zwei Fünftel. Halten Sie es für denk⸗ bar, daß eine Steuerherabsetzung in solchem ungeheuren Umfange in der Zeit des vaterländischen Hilfsdienstes eintreten soll? Es wird so viel von der richtigen Mischung von Groß⸗ und Kleingrundbesitz ge⸗ sprochen. Welche Mischung hält die Regierung für die richtige? Daß der Großgrundbesitz mehr Boden hat, als nötig ist, erkennt die Vor⸗ lage durch ihr Erscheinen an. Eine genügende Menge Großgrund⸗ besitz wollen auch wir. Aber ist dieser nicht schon in den Staats⸗ domänen vorhanden? Sie sind doch gewiß ein genügend sicherer Be⸗ standteil der Menge von Großgrundbesitz, die wir brauchen. Vom allgemeinen Rechtsstandpunkt aus unerträglich erscheint die Be⸗ stimmung in Paragraph 70, wonach, auch wenn ein Kind während der Ehe geboren ist, seine Zugehörigkeit zur fideikommißberechtigten Fa⸗ milie wegen unehelicher Geburt bestritten werden kann, wenn der Zu⸗ gehörigkeit von der Familienvertretung oder einem Familienmitglied in öffentlich beglaubigter Form gegenüber der Fideikommißbehörde widersprochen wird, und dieser Widerspruch soll zulässig sein bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Tode des Ehemanns der Mutter. Hier wird im Gegensatz zum bürgerlichen Recht ein besonderer Be⸗ griff der Ehelichkeit des blauen Blutes für die Fideikommisse sta⸗ tuiert. Wenn der Minister der Kommission die Unterlagen darüber vorlegt, was der Krieg in dieser Hinsicht zutage gefördert hat, gesondert nach dem gebundenen und ungebundenen Grundbesitz, so wird sich daraus ergeben, daß der gebundene Grundbesitz weniger steuer⸗ kräftig, weniger Ertrag liefernd ist, also schlechter wirtschaftet. Je mehr von dem Grundbesitz gebunden wird, desto mehr muß bei dem verbleibenden Rest, der allein noch den Gegenstand des Umsatzes bil⸗ den kann, ganz unzweifelhaft eine außerordentliche Preissteigerung ein⸗ treten, die noch weiter getrieben werden würde, wenn auch der mitt⸗ lere und kleine Besitz gebunden werden kann. Dieses Gesetz hat einen Standescharakter. Es ist ein Ausnahmegesetz im Interesse einer An⸗ zahl von Namensträgern. Die Familie wird benachteiligt zugunsten eines bevorzugten Sohnes. Der Fideikommißbesitzer hat ein minderes Interesse an der Meliorierung des Grund und Bodens als der freie Besitzer, er hat ein Imteresse daran, möglichst viel herauszuwirtschaften und wenig hineinzustecken. Durch unseren Antrag wollen wir verhindern, daß vorerst die Fideikommiß⸗ bildung gesteigert wird. Er paßt sich den Kriegsverhältnissen an. Kein Mensch kann in der Tat wissen, wie sich nach dem Kriege das Bevölkerungsproblem gestalten wird. Wir werden in viel höherem Maße als bisher Menschen, Menschen und wieder Menschen brauchen. Der Großarundbesitz ist nach seiner ganzen Vergangenheit kein Mittel zur Vermehrung der Bevölkerung, sondern er befördert die Ab⸗ wanderung der Bevölkerung ins Ausland. Es erhebt sich die schwierige Frage, woher man die Menschen zur Bewirtschaftung der großen Lati⸗ fundien nehmen soll. Wir werden nach dem Kriege vor einer Neuregelung unseres wirtschaftlichen Lebens stehen, in erster Reihe unserer Agrar⸗ verhältnisse, und nun wird dieser Punkt vorweg genommen. Wenn wir diesen Gesetzentwurf hier und in der Kommission beraten, so rauben wir die Zeit zu viel wichtigeren Geschäften.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer: Bei dem Umfange der Ausführungen des Herrn Vorredners,

glaube ich Ihnen einen Gefallen zu erweisen, wenn ich auf einen großen Teil seiner Einwendungen gegen den vorliegenden Gesetz⸗ entwurf jetzt nicht eingehe, sondern dies der Beratung in der Kom⸗ mission vorbehalte (Zuruf links), welche ja auch der Herr Abge⸗ ordnete Waldstein bestimmt zu erwarten scheint. Ich möchte mich aber doch entschieden gegen die letzte Wendung des Herrn Vorredners verwahren, als wenn die Staatsregierung mit der Einbringung dieses Gesetzentwurfs sich in einem Gegensatz zum vaterländischen Hilfsdienst gestellt hätte! (Sehr gut! rechts und im Zentrum.)

gegenwärtig weggefallen.

Anklang an diese Wendung des Herrn Vorredners fand sich üe auch in der Bemerkung des Herrn Vertreters der nationalliberalen Partei, der die Einbringung dieses Gesetzentwurfs im Auftvage seiner Fraktion als befremdlich und bedenklich wenn ich ihn recht verstanden habe bezeichnete. (Sehr richtig! links.)

Meine Herren, wenn darauf hingewiesen worden ist, daß im vorigen Jahre die Staatsregierung gegenüber dem Widerstreben der fortschrittlichen Volkspartei auf eine Weiterberatung dieses Gesetz⸗ entwurfs verzichtet habe, so ist dabei außer acht gelassen worden daß es sich damals um die Frage handelte, ob bis zur Vertagung des e Landtages dieses Gesetzeswerk noch zu Ende gebracht werden könnte. (Widerspruch bei der fortschrittlichen Volkspartei.) Da die fort⸗ schrittliche Volkspartei Widerspruch erhob, und nach den bis. herigen Beratungen zu erwarten war, daß dieser Widerspruch auch eine Ausdehnung der Beratungen zur Folge haben würde, so mußte die Staatsregierung es als ausgeschlossen erachten, bei dem Wider⸗ spruch der fortschrittlichen Volkspartei die Beratung des Geset⸗ entwurfs zu Ende zu führen. Das ist der Grund gewesen, warum im Jahre 1915 der Gesetzentwurf nicht wieder vorgelegt worden ist.

Jetzt stehen wir im Beginne einer neuen Tagung, und der Grund, der damals für die Staatsregierung maßgebend war, ist Aber ich möchte auch noch etwas anderes Die Vorlage dieses Gesetzentwurfs soll einen Bruch des Burgfriedens darstellen! (Sehr richtig! bei der fortschrittlichen Volkspartei.) Meine Herren! Ein Kodex des Burgfriedens und ein Verzeichnis derjenigen Angelegenheiten, welche unter dem Schutze des Burgfriedens behandelt werden dürfen oder von demselben aus⸗ geschlossen sind, ist bis heute nicht vorhanden. (Zurufe bei der fort⸗ schrittlichen Volkspartei.) Was mit dem Burgfrieden vereinbar ist, ist wesentlich Sache des Gefühls. Ich gehöre gewiß zu denjenigen, welche mit Ihnen der Meinung sind, daß soweit wie möglich aus dem Schoße unserer Beratungen alle Erörterungen ausgeschlossen werden müssen, welche ein Aufeinanderplatzen der Parteigegensätze zur Folge haben. (Zurufe.) Ich kann aber nicht zugeben, daß dies bei dem vorliegenden Gesetzentwurf vorausgesetzt werden mußte, und ich darf mich in dieser Ansicht auf keinen geringeren als den Vertreter der Fortschrittspartei berufen, auf Herrn Abgeordneten⸗ Dr. Pachnicke, der in der Sitzung vom 12. Juni 1915, als die Weiterberatung des Fideikommißgesetzentwurfes besprochen wurde, folgende Ausführung gemacht hat der Herr Präsident wird einverstanden sein, daß ich diese kurze Ausführung hier verlese:

Die Bildung neuer und die Erweiterung bestehender Fidei⸗ kommisse hat zum großen Teil auf Grund der Kriegsgewinne eine bedrohliche Zunahme erfahren. Eine Handhabe hiergegen würde der Gesetzentwurf bieten der die landesherrliche Genehmigung für alle Fideikommisse vorsieht.

(Hört, hört! rechts und im Zentrum.)

Dieser Entwurf aber kann, da die Schließung des Landtages beliebt wird, nicht mehr zur Erledigung kommen.

Und in einer weiteren Ausführung bemerkt derselbe Abgeordnete:

Herr Abg. Dr. v. Heydebrand kann doch nicht verlangen, daß die eine Seite allein Entgegenkommen zeigen soll. Wären Sie uns entgegenkommen, so hätten wir unter Wahrung des Burgfriedens ja auch am Fideikommißgesetz weiter arbeiten können. 8

(Hört, hört! rechts und im Zentrum.) C“

Meine Herren, wenn im vorigen Jahre der Vertreter der fort⸗ schrittlichen Volkspartei der Meinung war, daß eine Weiterberatung des Fideikommißgesetzes unter dem Schutz des Burgfriedens möglich war, dann vermisse ich in den Ausführungen der Gegner des Fidei⸗ kommißgesetzentwurfs heute alle Beweisgründe, welche die Ansicht des Vertreters der fortschrittlichen Volkspartei im vorigen Jahre ent⸗ kräften können. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Ich glaube, daß man wirklich einmal vergessen muß, daß das Fideikommißgesetz seit vielen Jahrzehnten das Schreckgespenst gewesen ist, mit dem man auf die Volksmassen einzuwirken gesucht hat. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Sie können mir persönlich diese Empfindung nicht übel nehmen, da ich einer Provinz entstamme, in der das Fideikommiß oder, richtiger gesagt, die ungeteilte Vererbung des ländlichen Besitzes vom Vater auf den Sohn kein Vorrecht des blaues Blutes und des Adels ist, sondern eine Eigenart, die auch beim kleinsten Hofbesitzer und Kötter hervortritt! Ich bin stolz darauf, daß in meiner mwestfäli⸗ schen Heimat auch heute noch der kleinste Bauer seinen Ehrgeiz darin setzt, das väterliche Erbe, die heimische Scholle, einem seiner Kinder zu vererben, und unter allen Umständen den Verkauf dieses Besitztums bei der Erbteilung zu verhindern. (Zurufe.)

Wenn Sie bedenken, daß unter dem Schutze des preußischen Landrechts und schon lange vorher die Bildung der Fideikommisse in Preußen sich vollzogen hat, und daß trotzdem auch gegenwärtig die Zahl der Fideikommisse nur eine sehr langsam ansteigende und keineswegs erschrecklich gegenüber der Gesamtfläche des preußischen Staates geworden ist, dann weiß ich wahrlich nicht, woher diese so erheblichen Bedenken gegen den vorliegenden Gesetzentwurf kommen. Ich würde den Herren von der fortschrittlichen Volkspartei vielleicht recht geben, wenn es sich heute darum handelte, einen Gesetzentwurf zu beraten, der als Neuheit die Gründung von Fideikommissen einzuführen bestimmt ist! Ich würde vielleicht dann mit Ihnen sagen müssen, daß es besser sein würde, in gegenwärtiger Zeit eine so wichtige wirtschaftliche Frage nicht zur Entscheidung zu bringen! Aber, meine Herren, die wirtschaftliche Lage, um die es sich hier handelt, ist längst entschieden. Es handelt sich jetzt nur um eine Reform des Fideikommißrechts, und wie ich in der Kommission noch beweisen zu können hoffe, nicht im Sinne und Interesse der Fideikommiß⸗ besitzer, sondern im Interesse der Gesamtheit, wesentlich zu dem Zwecke, um der ungesunden Neubildung und Erweiterung von Fidei⸗ kommissen entgegenzutreten. (Bravol und sehr richtig! im Zentrum.) Wenn das wahr ist, dann kann man, glaube ich, wohl sine ira et studio an die Beratung dieses Gesetzentwurfs herantreten und wird der Staatsregierung nicht den Vorwurf machen können, daß sie eine Materie hier Ihrer Beratung unterstellt hat, die unter allen Um⸗ ständen den Burgfrieden in diesem hohen Hause stören wird.

Sind denn die Fideikommisse nun wirklich so staatsgefährlich, wie es den Anschein hat? Meine Herren, es ist schon von ver⸗ schiedenen Rednern auf die Bedeutung des Waldes und darauf hin⸗ gewiesen worden, wie wichtig es ist, daß auch der Privatwaldbesitz in pfleglicher Hand bleibt. Das wird durch den Fideikommißbesitz gewährleistet, und die Statistik zeigt uns, daß nahezu die Hälfte

hervorheben.

zer hHanzen fideikommissarisch gebundenen Fläche aus Wald besteht. Has ist kein Nachteil, sondern im Gegenteil ein Vorteil, nicht allein sn den einzelnen Waldbesitzer, sondern auch für den Staat als sechen, ein Vorteil, der sich, wie schon hervorgehoben wurde, ganz hesonders auch in diesem Kriege geltend gemacht hat. (Sehr richtigl)

Und was die Landwirtschaft und die landwirtschaftlich genutzte gläche angeht, so bin ich gewiß der letzte, der die Notwendigkeit der uneren Kolonisation leugnet und der gewiß auch mit Ihnen der geinung ist, daß es nach diesem Kriege unser ernstes Bestreben sein nuß, wieder Menschen überall da anzusetzen, wo ihr Gedeihen und kommen auf dem Lande auch nur einigermaßen gewährleistet ist. Aber sehen Sie sich die verschiedenen preußischen Staatsgebiete in, betrachten Sie, daß die Bildung der Fideikommisse im Osten und s der Mitte der Monarchie entschieden größer ist als im Westen, so mibt sich schon aus dieser Tatsache, daß sich nicht alle Gebiete gleich⸗ nißig für die Ansetzung kleiner und mittlerer Bauern eignen, daß sch die Fideikommißbildung und die Bildung größeren Grundbesitzes von selbst denjenigen Gegenden zugewendet hat, wo die Bevölkerung in Kleinbesitz sich nicht dauernd auf dem Lande halten konnte. Ich ghe nicht zu weit in der Behauptung: nicht die Fideikommisse haben die ländlichen Bewohner und die Bauern im Osten von ihrer Scholle vertrieben und nach dem Westen abgelenkt, sondern erst die ulndflucht der Bauern und der Arbeiter nach dem Westen hat es er⸗ nöglicht, daß sich auf diesen Gebieten große Fideikommisse gründen nd ihren Umfang entsprechend erweitern konnten. Ich glaube des⸗ egen auch nicht, daß die weitere Bildung von Fideikommissen in irischaftlicher Beziehung die bedenklichen Folgen äußern würde, die gie voraussetzen.

„Es ist ja auch hier die Frage gestreift worden, was der größere und der Großgrundbesitz in diesem Kriege in der Erzeugung von bebens⸗ und Nahrungsmitteln geleistet hat. Ich will darauf nicht giher eingehen. Aber auf eins möchte ich doch auch nach den Er⸗ ahrungen, die ich bisher gemacht habe, hinweisen: Wenn gegen⸗ irtig große Zweifel darüber obwalten, ob die Zuckererzeugung im lücsten Sommer noch für die Bedürfnisse der Bevölkerung genügen ir, dann wird es zweifellos nur der größere Grundbesitz noch sein nnen, der in bezug auf den Zuckerrübenanbau noch einigermaßen den Unforderungen der Gesamtheit nachkommen kann. Wer mit dem nbau von Zuckerrüben vertraut ist, wird mir recht geben in der gehauptung, daß der kleinere und kleinste Bauer gar nicht in der age ist, schon wegen der Fruchtfolge und auch aus verschiedenen neren Gründen (sehr richtig! rechts) dauernd dieselbe große Fläche git Zuckerrüben zu bestellen wie der größere Grundbesitz. (Sehr ichtig; rechts.) Und daß dem so ist, das beweisen Ihnen wieder die gerhältnisse in der Provinz Sachsen, wo sich eben infolge des Zucker⸗ übenanbaues ich sage gern dabei: bedauerliche weise im Laufe er Jahre auch eine Bauernflucht bemerkbar gemacht hat, aber diglich deswegen, weil eben die kleine Bauernwirtschaft auf die sauer mit dem Zuckerrübenanbau nicht verträglich war, weil der bauer in der Provinz Sachsen dazu überging, sein Besitztum den kübenfabriken oder größeren Gutsbesitzern zu verpachten und, nach⸗ meer sich einmal des eigenen Betriebes entwöhnt hatte, auf die hauer es vorzog, sein Besitztum zu verkaufen und in die Stadt ziehen.

Meine Herren, so liegen die Dinge in Wirklichkeit, und so iden Sie auch, wenn Sie objektiv urteilen wollen, die einschlägigen tlichen Verhältnisse nicht genügend berücksichtigen, wenn Sie ohne steres ein Verdikt über den Großgrundbesitz und seine Bedeutung Nlen! Eine gesunde Mischung von der auch Herr Abgeordneter haldstein gesprochen hat des größeren, mittleren und kleineren esitzes ist gewiß wünschenswert, aber die allgemeine Formel für se Mischung hat Herr Abgeordneter Waldstein nicht geben können, dich habe sie auch in den von ihm verlesenen Anträgen der Herren ationalliberalen und der fortschrittlichen Volkspartei nicht ent⸗ cen können. Warum, meine Herren? Weil es eine solche Formel fach nicht gibt. (Zuruf.) Das richtet sich wieder ganz nach den klichen Verhältnissen. Nehmen Sie die Provinz Hannover: sie tet wie ich schon früher einmal in diesem hohen Hause aus⸗ hren durfte im großen Ganzen das Bild einer gesunden ischung des Besitzes; aber klimatische und Bodenverhältnisse haben bewirkt, teilweise vielleicht auch geschichtliche, in der Bevölkerung ftende Traditionen. Anderwärts liegen die Verhältnisse jedoch ders, und wenn Sie im Osten der Monarchie wie auch in weiten

ws

szirken, wo nur leichter Boden vorhanden ist, wo der Kiefernwald

cherrscht, Großgrundbesitz und wenig Kleinbesitz antreffen, so ist ebenso erklärlich, wie das entgegengesetzte Verhältnis in der ovinz Hannover.

Meine Herren, auf die Rechenexempel, was in kleinem, selbst⸗

wirtschaftetem Besitz und was im großen Grundbesitz erzeugt wird,

e ich nicht allzu viel. Eine Autorität auf landwirtschaftlichem ebiete, auf die ich mich berufen kann, ist zweifellos mein Amts⸗ rgänger Herr von Arnim, der entschieden den Standpunkt ver⸗ ien hat, daß zweifellos an sich der größere landwirtschaftliche Be⸗ eb mit seinen besseren Maschinen, mit weniger Arbeitskräften und eren Düngemitteln und Saatgut mehr hervorbringen müsse an ktreide und Früchten als der kleinere Besitz. (Sehr richtig! rechts.) bezug auf Viehzucht will ich eher der Meinung des Herrn Ab⸗ idneten Waldstein beitreten: die Viehzucht kann unter Umständen iden kleinen und mittleren Besitzern in besseren Händen sein. Aber s die Erzeugung der notwendigsten Lebensmittel angeht, bin ich

mit vielen landwirtschaftlichen Autoritäten der Meinung, daß ifellos der größere Besitz an sich in der Lage ist, nicht nur mehr erzeugen, sondern auch jedenfalls mehr der Allgemeinheit zur Ver⸗ pung zu stellen. Nun ist behauptet worden, der große Fideikommiß⸗ itzer es wurde ja auch das Beispiel des Fürsten von Schwarzen⸗ ig in Böhmen vom Herrn Abgeordneten Waldstein angeführt nicht in der Lage, intensiv zu wirtschaften, weil ihm das not⸗ ndige Betriebskapibal fehle! Dem halte ich doch entgegen: wenn t landwirtschaftliche Besitz, der entweder gegen hohe Abfindung n den übrigen Geschwistern in der Familie erhalten oder zu hohem ufpreise aus dritter oder vierter Hand erworben ist, das Erforder⸗

be noch aufbringen soll, dann muß sich der Besitzer jedenfalls ge⸗

altig anstrengen gegenüber dem Fideikommißbesitzer, der sein Gut pacto et providentia majorum erworben hat, dem es mit einem Ar viel niedrigerem Preise zu Buche steht und der mit den hohen klichen Zinsen für Abfindungen und Hypotheken nicht belastet ist. kehr richtigl rechts.)

So, meine Herren verzeihen Sie meines ekwas Längeren Aus⸗ hrungen habe ich Ihnen darlegen wollen, daß alle Dinga ihre

zwei Seiten haben (Sehr richtig! links), und daß es mir jedenfalls etwas bedenklich erscheint, so abfällig über den Großgrund⸗ besitzer und den Fideikommißbesitzer zu urteilen, wie das durch den Herrn Vorredner geschehen ist. (Sehr gutV! rechts.)

Meine Herren, ich komme zum Schluß und möchte nur noch einiges über den Stempel sagen, dessen Höhe ebenfalls von dem Vor⸗ redner bemängelt worden ist. Ich beme le im allgemeinen, daß der jetzt vorliegende Gesetzentwurf mit geringen Abänderungen eine Wiedergabe der Beschlüsse darstellt, die im Herrenhause und bei der ersten Lesung in der Kommission dieses hohen Hauses gefaßt worden sind. Das bezieht sich auch auf die Stempelbestimmungen, die ent⸗ sprechend den zuletzt im Abgeordnetenhause gefaßten Beschlüssen bei⸗ behalten worden sind. Die Vorschläge der Staatsregierung erscheinen meines Erachtens deshalb gerechtfertigt, weil sie lediglich den Zweck verfolgen, die Bildung von Wald⸗ und kleinerem Grundbesitz zu Fideikommissen zu begünstigen, wogegen der größere landwirt⸗ schaftliche Besitz, falls er zum Fideikommiß gestiftet werden soll, den früheren hohen Stempel von 3 & zu entrichten hat. Ueber die ein⸗ zelnen Bestimmungen dieses Stempelparagraphen kann man sich jedenfalls auch in der Kommission noch verständigen. Ich möchte nun noch eins bemerken.

Der Herr Abg. Waldstein hat bemängelt, daß der Stempel⸗ berechnung der Ertragswert zugrunde gelegt werde. Hier ist zu berück⸗ sichtigen, daß sich der Wert des Grundbesitzes aus dem 25fachen Be⸗ trage desjenigen Ertrages zusammensetzt, den der Grundbesitz bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nach sachverständiger Meinung nach⸗ haltig gewähren kann. Wir haben auch sonst in der Gesetzgebung, besonders auch beim Anerbenrecht, den 25fachen Jahresertrag der Wertberechnung zugrunde gelegt, und landwirtschaftliche Sachverstän⸗ dige werden gern bestätigen, daß man damit auch den wirklichen Wert eines Gutes erfaßt, den es unter Brüdern hat, Konjunkturen, die sich aus der besonderen Lage in der Nähe größerer Städte, durch baldige Verwertung als Bauland ergeben, natürlich ausgeschlossen. Das ist auch in diesem Gesetze geschehen. Solchen Grundstücken, die nur vorübergehend land⸗ oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, kommen ebenfalls die Vorzüge des geringeren Stempels nicht zugute.

Zu dem Antrage, den die Herren von der fortschrittlichen Volks⸗ partei gestellt haben und dem meines Wissens auch der Redner der nationalliberalen Partei seine Zustimmung gegeben hat, hat gegen⸗ wärtig die Staatsregierung noch keine Stellung genommen. Aber ich glaube, die größere Mehrheit dieses Hauses wird gegenüber diesem Antrage doch auch das Bedenken des römischen Dichters haben: timeo Danaos et dona ferentes. (Hört, hört! links.)

Wenn es gelingen würde, bei dieser Gelegenheit einmal für einen Zeitraum von bestimmter Dauer die Errichtung von Fideikommissen ganz außer Kraft zu setzen, so liegt die Versuchung sehr nahe, diesen vorübergehenden Zustand zu einem dauernden zu gestalten. Ich muß für meine Person schon heute sagen, daß ich kaum erwarten kann, daß der Antrag der fortschrittlichen Volkspartei die Zustimmung der Königlichen Staatsregierung finden könnte. Die Staatsregierung wird sich voraussichtlich auf den Standpunkt stellen, daß der vorliegende Gesetzentwurf sehr wohl in dieser Session durchberaten werden kann, daß er allen berechtigten Ansprüchen nach rechts und links Rechnung trägt und vor allem im Sinne der Staatsregierung dahin wirken soll, eine zu weit gehende und irgendwie ungesunde Fideikommiß⸗ bildung auch in Zukunft zu verhindern und ebenso und das würde durch den Antrag der fortschrittlichen Volkspartei nicht erreicht werden auch den bestehenden Fideikommissen und ihren Besitzern größere Verpflichtungen gegenüber der Familie und der Allgemeinheit aufzuerlegen, als sie sie gegenwärtig zu erfüllen haben. Ich hoffe auch, auf Grund meiner Ausführungen die Erwartung aus⸗ sprechen zu können, daß Sie diesen Gesetzentwurf Ihrer Kommission überweisen und demnächst mit Annahme desselben eine gesetzgeberische Arbeit abschließen werden, die nun schon Jahrzehnte hindurch die Ministerien der Justiz und für Landwirtschaft beschäftigt hat, die beide sehnlichst wünschen, dieses gewaltige volkswirtschaftliche Werk endlich vollendet zu sehen. (Bravo! rechts.)

Abg. Leinert (Soz.): Dem fortschrittlichen Antrag stimmen wir zu. Die Auslegungen des Ministers entsprechen nicht dem, was seinerzeit zwischen den Parteien und der Regierung als Burgfriede erklärt worden ist. Das Gefühl hätte es der Regierung nahelegen müssen, einen solchen Gesetzentwurf nicht einzubringen. Der Entwurf wird die Fideikommisse nicht einschränken, sondern ausdehnen. Der Landwirtschaftsminister hat einfach an die Stelle des Fidei⸗ kommisses den Großgrundbesitz gesetzt, um das Gesetz zu empfehlen. Es trifft nicht zu, daß für den Zuckeranbau nur der Großgrundbesitz in Betracht kommt. In der Provinz Hannover befassen sich viele Genossenschaftsfabriken damit, bei denen der Großgrundbesitz gar keine führende Rolle spielt. Um den Kartoffelanbau hat sich der Großgrundbesitz, wie sich gerade in diesen Tagen der Kartoffelnot ergibt, fast gar nicht gekämmert. Das Gesetz hat tatsächlich den Zweck, der Neuorientierung entgegenzuarbeiten und die Junker am Ruder zu halten. Darum werden auch neue Standesvorrechte ge⸗ schaffen, was mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch absolut unvereinbar ist. Für die Stammgutsbildung im mittleren und kleineren Guts⸗ besitz ist in diesen Kreisen selbst nur sehr wenig Nei⸗ gung vorhanden. Man hat weder mit dem Hofrecht noch mit dem Anerbengesetz besonders günstige Erfahrungen gemacht, im Gegenteil nehmen die Prozesse auf diesem Gebiete kein Ende. Nur um das Privileg des gebundenen Großgrundbesitzes zu retten, soll auch der Bauer mit diesem Vorrecht beglückt werden. Die Vorlage ist auch mit den neuen Grundsätzen der deutschen Wirt⸗ schaftspolitik unvereinbar, sie kehrt den Grundsatz „freie Bahn jedem Tüchtigen“ ins Gegenteil um; nicht die Tüchtigkeit, sondern die Erb⸗ folge soll allein entscheiden.

Justizminister Dr. Beseler 8

Meine Herren! Ich habe nur ein paar tatsächliche Bemerkungen zu machen, und zwar im Anschluß an die Rede des Herrn Abgeordneten Waldstein. Herr Abgeordneter Waldstein hat dem Justizministerium wegen der vom Justizministrium in das Gesetz hineingebrachten Be⸗ stimmungen über die Legitimation von Kindern Vorwürfe gemacht. Er hat gesagt, die durch nachfolgende Ehe legitimierten Kinder, die allgemein als eheliche Kinder gelten, würden vom Entwurf nicht in Betracht gezogen. Ich meine, das ist gar nicht richtig, es steht kein Wort von den durch nachfolgende EChe legitimierten Kindern in dem Gesetzentwurf. Und wenn Herr Abgeordneter Waldstein, wie ich an⸗ nehme, auch die Motive des ⸗Gesetzes sehr genau studiert hat, so wird er auch auf Seite 94 ausdrücklich ausgesprochen finden, daß Kin⸗ der, die durch nachfolgende Ehe legitimiert sind, als Mitglieder der fideikommißberechtigten Familien zu gelten haben, oögleich es gar nicht nötig war dies hervorzuheben; es steht kein Wort, das eine andere Auslegung zuließe, in dem Gesetzentwurf. Vielleicht hat Herr Abge⸗ ordneter Waldstein mit seinen Ausführungen die für ehelich erklärten

unehelichen Kinder gemeint; diese sind allerdings ausgenommen. Das sind die durch besondere staatliche Verfügung für ehelich erklärten unehelichen Kinder. Diese sind aber keineswegs im Widerspruch mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch ausgeschlossen. In § 1737 des Bürger⸗ lichen Gesetzbuches heißt es:

Die Wirkungen der Ehelichkeitserklärung erstrecken sich auf die Abkömmlinge des Kindes, sie erstrecken sich nicht auf die Ver⸗ wandten des Vaters.

Die Ausschließung der für ehelich erklärten Kinder von der Zugehörigkeit zur fideikommißberechtigten Familie deckt sich also mit den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

Dann hat Herr Abgeordneter Waldstein auch noch darauf hin⸗ gewiesen, daß, wenn ein Anerkenntnis des Vaters erfolgt wäre, das Kind als ehelich zu gelten habe, und die Ehelichkeit dann nicht mehr angefochten werden könne. Das ist richtig, das Kind gilt dann im allge⸗ meinen auch als ehelich. Herr Abgeordneter Waldstein hat nun seine Unzufriedenheit darüber ausgesprochen, daß der Fideikommißberechtigte eine Ausnahme machen soll. Das ist jedoch wiederum ganz begreiflich; denn wenn die Befugnis des Anwärters, die Anerkenntniserklärung des Vaters anzufechten, ausgeschlossen würde, so würde es dem Vater ganz unbenommen sein, ein vollständig fremdes Kind in die Fidei⸗ kommißfolge einzubeziehen. Aus dem Grunde ist die fragliche Be⸗

stimmung des bürgerlichen Rechts absichtlich nicht hineingenommen ¾

worden. Die Frage ist im übrigen bei den früheren Kommissions⸗ verhandlungen besprochen worden, und es ist auch bei der Bearbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß diese Angelegenheit gerade in den einzelnen Bundesstaaten bei der Regelung des Fideikommißrechtes miterörtert werden solle. Meine Herren, ich weiß nicht, wie Herr Abgeordneter Waldstein seine Aus⸗ führungen hat machen können, die doch mit dem Wortlaut und dem Sinn des Gesetzes gar nicht im Einklang stehen. Ich glaube mich jedenfalls dagegen verwahren zu müssen, daß Herr Abgeordneter Wald⸗ stein so in einem etwas von oben herab klingenden Tone von meinem 8 Ressort gesprochen hat.

Herr Abgeordneter Waldstein gibt mir Anlaß zu einer ferneren tatsächlichen Bemerkung. Er hat gesagt, es wäre hier vor den Loren Berlins an Stelle eines verkauften ein großes neues Fideikommiß errichtet und genehmigt worden. Ich weiß, welches Fideikommiß er hierbei im Auge hat. Es handelte sich um ein Feideikommißgrund⸗ stück, das durch Familienbeschluß verkauft worden war. Auf diese Weise stand der Familie ein erheblicher Geldbetrag zur Verfügung. Die Familie erwarb mit dem Gelde ein anderes Grundstück, das da⸗ durch, indem nunmehr eine sogenannte Surrogation stattfand, wiederum Fideikommiß wurde. Dazu war die Familie auf Grund des geltenden Rechts in der Lage, ohne daß eine staatliche Genehmigung hierbei in Frage kam, es war ein durchaus gesetzmäßiges Vorgehen. Herr Abgeordneter Waldstein hat aber gesagt, das hätte von der Regierung nicht genehmigt werden dürfen. Eine solche Genehmigung war aber gar nicht nötig, denn das Fideikommiß entstand auf dem Wege der Surrogation, und hierbei hatten wir nicht mitzureden. Also der Vorwurf, daß solche Dinge doch auch vorkämen, trifft nicht zu. (Bravo! rechts.)

Hierauf wird die Generaldiskussion geschlossen und die Vorlage gegen die Stimmen der gesamten Linken einschließlich der Nationalliberalen einer Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen.

Schluß gegen 71 ½¼ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag, 11 Uhr. (Zweite und dritte Beratung des Diätengesetzes und der Hiberniavorlage, Anträge und kleinere Vorlagen.)

Verkehrswesen.

In nächster Zeit ist es erforderlich, eine Reihe von Gütern von der Eisenbahnbeförderung zurück⸗ zustellen. Es wird daher allgemein empfohlen, bei be⸗ absichtigter Aufgabe von Gütern sich vorher bei den Annahme⸗ stellen zu erkundigen, ob sie entgegengenommen werden können. Für besonders dringliche Güter sowie für Militärgut und Privatgut für die Militärverwaltung wendet sich der Absender am besten an die für den Verladeort zuständige Linien⸗ kommandantur.

Auch im Personenzugfahrplan treten Aenderungen ein. In dieser Beziehung wird auf die öffentlichen Bekanntmachungen der Eisenbahnverwaltungen in den Zeitungen verwiesen.

Handel und Gewerbe.

den im Reichsamt des Innern zusammen⸗ lten Nachrichten für Handel, Industrie und Landwirtschaft“.) Oesterreich⸗Ungarn.

Aufhebung der Eisenbahntarifvergünstigung für Musterkoffer von Handlungsreisendern Laut Mitteilung des K. K. Eisenbahnministeriums haben mit Kundmachung im öster. reichischen Verordnungsblatte für Eisenbahnen und Schiffahrt Nr. 127 527 31. Oktober 1916 die österreichischen Staats⸗ und Privatbahnen Ubie die K. u. K. Militärbahn Banjaluka Doberlin und die bos⸗ nisch⸗herzegowinischen Landesbahnen die im Anhang II des österreicht⸗ schen und bosnisch⸗herzegowinischen Eisenbahn⸗, Personen⸗ und Geväck⸗ tarifs, Teil I, vorgesehene Tarifbegünstigung für Musterkoffer (auch Musterkörbe mit Ausschluß von Fahrradmustern) von Handlungs⸗ reisenden mit Wirksamkeit vom 1. Januar 1917 aufgehoben.

Was Ungarn betrifft, so beabsichtigen sowohl die Königlich ungarischen Staatsbahnen, als auch die uͤbrigen ungarischen Bahnen die Musterkofferbegünstigung gleichfalls aufzuheben.

(Aus gest

Die gestrige Versammlung der Zechenbesitzer des Rheinisch⸗ Westfälischen Kohlensyndikats Essen befaßte sich laut Meldung des W. T. B.“ zunächst mit der Zusammensetzung der ständigen Ausschüfse und nahm sodann die Anmeldung der Verkaufs⸗ vereine entgegen. Die Abgabe und Entschädigung für Mehr. und Minderabsatz wurde wie bisher auf 1,50 für die Tonne und die Höͤhe der Strafen für jede Tonne der von den Beteiligten durch eigene Schuld nicht gelieferten Menae wie bisher auf 2 festgesetzt. Die Versammlung erledigte sodann auch die sonstigen zu Beginn des Jahres üblichen Gegenstände der Tagesordnung und fetzte die Betelligungsanteile für Febrnar in der bisherigen Höbe fest. Der Antrag der Gewerkschaft Graf Bismarck auf Frhöhung der Ver⸗ rechnungepreise für ihren Großkols wurde adgelehnt.