1917 / 48 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Feb 1917 18:00:01 GMT) scan diff

9 kommen kennt, wie er sich nach dem 23. Januar entwickelt hat, so

kann man ihm nicht zumuten, darüber Auskunft zu benz aber das eine muß ja doch klargestellt werden, daß, wenn der Ierst Militär⸗ befeblsbaber einen Befehl gegeben dat, er geachtet wird, und damit ist nach militärischen und nach unseren Begriffen die Sache erledigt, und wehe dem, der ihn nicht beolgt: nicht nur im Kxriege, sondern auch im Frieden! Wir werden also davor, daß ein Militärbefehls⸗ haber in der Ausführung eines Gesetzes zurückhaltend ist oder es in das Gegenteil verkehrt dat, nicht halt machen; es muß dafür gesorgt werden, daß auch von ihm das Gesetz geachtet wird, und die utige Debatte mit den neuen Mitteilungen, die wir erhalten haben, gidt uns erneute Veranlassung, zu überlegen, ob die Garantien, die wir haben a 2 Fen. genügend sind, oder ob sie erweitert werden mssen. fall.

Abg. Ledebour (soz. Arb⸗⸗Gem.): Ich glaube mir den Dank des Stzatssekretärs und des Obersten dvon Wrisberg zu verdienen, ich Ihrem lebhaften Bedürfnis, Fälle mitgeteilt zu erhalten,

kechnung trage. Der Abg. Lsvéque hat mir mitgeteilt: Ich sitze seit acht Monaten in Schutzhaft und habe bis heute auf alle meine schwerden keine Antwort erhalten. (Stürmisches Hört, hört! links und im Zentrum.) Jetzt bitte ich die beiden Herren, sich über diese Patsache, die Sie wohl nicht bestreiten werden, zu äͤußern. Herr Rijesser hegt doch eine etwas naive Anschauung, wenn er es so auf⸗ scig findet, daß irgendein militärischer Vorgesetzter einem Befehl eine Folge leistet. Die Auffassung, daß das unbedingt zu gescheben habe, gilt nur für die unteren Chargen und gegenüber dem Ziwvil; gerät aber ein höberer Militär, und zwar bis zum Leutnant herunter, mit dem Zivpil in Konflikt, so wird das mit dem militärchristlichen Mantel der Liebe zugedeckt. 8. Wir, die wir Zabern erlebt haben, Flauben keinen Aupenblick, daß diese für den Militarismus nieder⸗ schmetternden Enthüllungen an den Dingen irgend etwas ändern würden. (Glocke des 1““ ; Ermahnung an den Redner, bei Sache zu bleiben.) Diese Vorkommaisfe erbringen den ingendsten Beweis, daß der Belagerungszustand unter allen Um⸗ üäünden aufgehoben werden muß, denn solange wir den haben, werden

ch guch derartige Uebergriffe der Kommandogewalt wiederholen. Oberst von Wrisberg: Ich habe gedeten, daß mir vorber

solche Fälle mitpeteilt werden, damit ich sie prüfen kann. 1 Abg. Hauß (Els.): Ich bin in der Lage, einen Fall mitzu⸗ teilen, aus dem hervorgeht, daß auch nach dem 23. Januar dem Fesehl der Obersten Militärgewalt nicht entsprochen worden ist. Kin Beigeordneter einer Gemeinde in Lothringen wurde wegen Frriegsverrats angeklagt und zweimal vom Kriegsgericht freigesprochen. Er wurde schließlich ausgewiesen. (Hört, hört!) Sein Schwager be⸗ mühte sich wiederholt, ihn aus der Schutzhaft herauszubringen; alle seine Versuche waren erfolglos. Schließlich wandte er sich an das Generalkommando und nahm auf das Reichsgesetz vom 4. Dezember 1916 Bezug. Es wutde ihm am 29. Januar eröffnet, daß das Gesuch nach Prüfung der Sachlage zu weiteren Maßnahmen keinen Anlaß ebe. (Hoört, bört) Sein Schwager sei auf Anordnung des Obersten Besebi abers auf Grund des Kriegsrechts in Schutzhaft genommen. Hieraus ergibt sich, daß das Gesetz vom 4. Dezember auch beute noch

nicht maßgebend ist. 16 8 Die Abgg. Ledebour (soz. Arb.⸗Gem.) und Schultze⸗ Bromberg (Rp.) verzichten aufs Wort. 8

b In der Abstimmung werden die sozialdemokratischen An⸗

träge abgelehnt und die Vorlage unverändert angenommen. In der sich 818 dritten Beratung erklärte Abg. Stadthagen, daß seine Freunde trotz dieser Ablehnung

für das Gesetz stimmen würden.

1 Das Gesetz wird in der Gesamtabstimmung unverändert endgültig angenommen.

b Es folgt die erste Beratung des Reichshaus⸗ 86 Itsetats und des Haushaltsetats für die Schutzgebiete

für das Rechnungsjahr 1917 in Verbindung mit der ersten

Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Erhebung eines Buschlages zur Kriegssteuer, betreffend Si che⸗ kungder Kriegssteuer, betreffend die Erhebung einer Ko 6- ensteuer und betreffend eine weitere Kriegs⸗ ab gabe der Reichsbank für 1916.

Staatssekretär des Reichsschazamts, Staatsminister Graf von Roedern: *)

Der Praäsident teilt mit, daß der Abg. Ledebour zur dritten Beratung der Kreditvorlage namentliche Abstimmung beantragt hat.

Abg. Dr. Spahn (Zentr.) beantragt, die weitere Debatte

über die jetzt zur Beratung stehenden Entwürfe zu unterbrechen

und erst in der noöchsten Woche fortzusetzen, dagegen sofort in die Beratung der Kreditvorlage einzutreten. DHamit ist das Haus einverstanden. (Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend sostseülung eines dritten Nachtrags zum Reichs⸗ aushaltsetat für 1916, wodurch 15 Milliarden neuer Kredite gefordert werden. Abg. Ebert (Soz.): 1

as folgende Erklärung abzugeben: Durch die Ablehnung der von

eutschland und seinen Verbündeten angebotenen Friedensverhand⸗ lungen haben die feindlichen Mächte eine schwere Verantwortung für wie Forisetzung des Krieges auf sich geladen. Sie wollen, wie sie nunmehr unperbüullt ausgesprochen haben, Evoberungsziele durch etzen, die eine Zertrüͤmmerung und eine dauernde Niederhaltung der Mittel⸗ mächte bebeuten würden. Angesichts dieser Tatsache erklärt die sann Sozlaldemokratie, mit erncuter fester Entschlossenheit auszu⸗

Ich habe namens meiner politischen

arzen his zur Exreichung eines die Lebensinteressen des deutschen lolkes sichernden Friedené. Kebhafter Beifall.) Wir führen diesen Friog zur Verteidigung des Landes, wollen aber auch beute unserer eIveh Ausdruck geben. Wir erwarten auch von der seichsleitung, daß sie unbeirrt festbält an der in ihrer Note vom 12. Dezember 1916 bekundeten Friedensgencigtheit und daß sie jeder⸗ eit bereit sein wird, in Verhandlungen einzutreten mit dem Ziele, e Lebensrechte der Völker zu wahren und damit die Gewähr eines dauernden Friedens zu sichern. Aus diesen Erwägungen heraus geben wir den geforberten Krediten unsere Zustimmung. Ahg. Ledebour (Soz. Ard.⸗Gem.): Wer der Regierung die Kriegskredite bewilligt und ihr damit das staͤrkfte Vertrauensvotum erteilt, übernimmt die Mitverantwortung für die Kriegsziele der Re⸗ jerung und für die Maßnahmen, die sie für die Erreichung dieser slele ergteift, Ein solches Vertrauensvotum der Regierung zu geben, iht eine solche Blankovollmacht auszuftellen, eine solche Nitverant⸗ wortung für ihre Kriegsziele zu übernehmen, sind wir auch jetzt nicht in der Lage. (Zustimmung bei der Soßz. Arb.⸗Gem.) Ein dauernder Friede ist der sehnlichste Wunsch aller VBölker. Alle Lippenbekennt⸗ nisse, auch das Friedensangebot der Reichsregierung vom 12. De⸗ üeer v. J., entsprechen nicht den Anforderungen, die em uͤhre Zweck⸗ senlichkeit gestellt werden müssen. (Widerspruch.) Die Inhalts⸗ lesigkeit des 1..—. schmälert seinen Wert. Ein leeres beegebe widerspricht der Forderung, das in jeder derartigen Kundgebung enthalten sein müßte, daß auf alle Annexionen verzichtet werde. Die erzwungene Angliederung von Ländern oder Landesteilen an einen anderen Staat steht im schroffen Widerspruch 1 dem soäia⸗ listischen Grundsatz des Selbstbestimmunasrechts der Wölker. (Zu⸗ immung bei der Soz. Arb.⸗Gem.) Die Verwirklichung einer solchen orperung würde anstatt eines dauerhaften Friedens nur einen Haffenstillstand herbeiführen, der den Keim cines neuen Redanche⸗ kdeges in seinem Schoße birgt. Desbalb können wir dem Kredit ünsere Iastimmung nicht geben. Unsere sozialistischen Frrunde in allen Läͤndern des Zehnerbundes bitten wir, die friedensvereiteln⸗ EEEE“““ 8 1 8 *) Di Rede des Staatssekretärs des Rrichsschotzamtes, Staats⸗ hintsters Grafen von Roedern kann wegen verspäteten Eingangs Stenogramms erst übermorgen im Wortlaut mitgeteilt werden.

den Machenschaften ihrer heimischen Machthaber weiter b -2F9 Das Selbsthestimmungsrecht der Völker wird auch verletzt durch die Art und Weise, wie das Deutsche Reich mit Oesterreich⸗Ungarn die Neubegründung eines polnischen Staates in die Wege geleitet hat. (Schlußrufe.) Die Proklamierung des Königreichs Polen muß ee hervorrufen und die Anbahnung des Friedens er⸗ schweren. Den rücksichtslosen U⸗Bootkrieg haben wir von Anfang an entschieden bekämpft.

Wir fordern heute noch seine Einstellung. (Gelächter.) Er entspricht ebensowenig den Geboten der Mensch⸗ lichkeit wie die von England gegen Deutschland betriebene Aus⸗ hungerungspolitik. Unsere Friedensfreunde in Amerika bitten wir, unbeirrt weiter zu arbeiten, um den Krieg mit Amerika und damit die uferlose Erweiterung des Völkergemetzels noch in letzter Stunde zu verhindern. Ebenso wie zur en Politik der Reichsregierung

8 22 8 8 1“ II“

8—

stehen wir auch zu ihrer inneren Politik im Gegensatz. Dies gilt namentlich von der Lehensmittelversorgung. Seit 2 ⁄% Jahren wird das Volk mit leeren Versprechungen vertröstet. Den Einwand, daß die Kriegszeit für Gesetzesanderungen nicht geeignet sei, widerlegt die preußische Regierung selbst durch die Einbringung des Fideikommiß⸗ esetzes. Die rechtliche Stellung der Arbeiter wurde während der riegszeit noch weiter verschlechtert durch das Hilfsdienstgesetz, das der arbeitenden Klasse die Freizügigkeit und das Koalitionsrecht be⸗ einträchtigt und sie mehr als im Frieden dem Unternehmertum zur Mehrung der Profite ausgeliefert hat. Schließlich würden wir gegen⸗ über den sozialistischen Arbeitern auch deshalb die Unterstützung der Re⸗ gierungspolitik nicht verantworten können, weil den Versprechungen zu Beginn des Krieges zuwider der Belagerun szustand noch immer nicht aufgehoben ist, sondern im wachsenden Maße mit Wissen der Regierung zur Unterdrückung der freien Meinungsußerung mißbraucht wird. Versammlungen werden verboten, Zeitungen unterdrückt, oppositionelle Sozialdemokraten sind einer quälerischen, militärischen und polizeilichen Verfolgung ausgesetzt und, wie wir heute erst wieder vernommen haben, werden auch Bürgerliche auf Grund des Belagerungszustandes ihrer persönlichen Freiheit und ihres Staats⸗ bürgerrechtes beraubt. Man darf Vertretern von Arbeitern nicht ein Vertrauensvotum für eine Regierung zumuten, die selbst durch ihre Taten dem Volke das größte Mißtrauen bekundet und fortgesetzt im Kriege die wichtigsten Entscheidungen selbstherrlich trifft, ohne den Volksvertretern irgend welchen Einfluß darauf zu gestatten. Indem wir der Reichsregierung die geforderten 15 Milliarden ablehnen, ichten wir gleichzeitig an die gequälten Völker die Aufforderung, gemeinsam zu wirken für einen dauernden, auf gegenseitiger Ver⸗ ständigung gegründeten Frieden. (Große Unruhe; Beifall bei der Serindesokcakifchen Arbeits⸗Gemeinschaft.)

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Ein Wort des Vorredners wingt mich, Verwahrung einzulegen. Wenn gesagt worden ist, das Friedensangebot sei inhaltlos und wertlos gewesen, so ist das ein Irrtum. Wir waren bereit, Frieden zu schließen unter Bedingungen, bei denen die einzelnen Staaten ihre Ehre wahren konnten, das mußte genügen. An der Erkenntnis der Einzelheiten unserer Friedensbedingungen hatten ja schließlich nur die Gegner Interesse. Diese habe ausdrücklich abgelehnt. Durch diese schnöde Abweisung ist unser damgliges Friedensangebot hinfällig geworden. (Lebhafter Beifall., Wir können darauf nicht mehr zurückkommen und werden unsere Bedingungen erhöhen müssen. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Graf von Westarp (dkons.): Ich kann mich diesen Ausführungen nur anschließen. Auch ich würde nicht das Bedärfnis gehabt haben, zu diesem Punkte Ausführungen zu machen. Meine

politischen Freunde halten die Zustimmung zu der Vorlage für so

selbstverständlich, daß sie sich ohne jede Begründung dafür ausge⸗ sprochen hätten. Dem Abgeordneten Ledebour möchte ich noch er⸗ widern, daß all das, was er vorbrachte, heute nicht zur Frage steht. Es handelt sich nicht um Vertrauen oder Mißtrauen, um Wahlrecht oder Fideikommißgesetz, sondern darum, ob wir unsern Truppen die Mittel zuführen wollen, die sie nötig haben, um das Vaterland, um Weib und Kind zu verteidigen. (Beifall.) 1

Abg. Prinz zu Schönaich ⸗Carolath inl.): Auch ich habe keinen Ansaß auf die Ausführungen des Herrn Ledebour näher einzugehen, das muß ich den nationalliberalen Fraktionsrednern bei der Ctatsberatung überlassen. Dieselben Gründe, die meine politi⸗ schen Freunde veranlaßten, den uns bisher vorgelegten Krediten zu⸗ zustimmen, bestehen fort. Wir werden auch dieser 6. Kreditvorlage zustimmen im Bewußtsein ibrer Notwendigkeit und in fester Sieges⸗ üversicht und in der Ueberzeugung, daß das deutsche Volk in allen behen Schichten im datrionischen Sinne bereit sein wird, auch dieser Kreditvorlage zu einem vollen und hoffentlich glänzenden Erfolge z verhelfen. Wir sind überzeugt, daß jeder Deutsche seine Pflicht voll nd ganz erfüllen wird. ifall.)

Abg. von Paper G(eortschr. Volksp.): Auch wir sind der Meinung, daß eigentlich gar kein Grund vorliegt für die einzelnen Fraktionen, hier Erklärungen abzugeben. Es ist für uns eine ganz elbstverständliche Pflicht, daß wir dieser Vorlage zustimmen, und es handelt sich um eine selbstverständliche Pflicht eines jeden Einzelnen bier im ganzen Hause. (Widerspruch bei der Sozialdemokratischen Arbeits⸗Gemeinschaft.) Wir können es nicht verstehen, daß man in inem solchen Augenblicke, in dem sich die Welt zu den entscheidenden Kämpfen rüstet, dem Vaterlande diejenigen Mittel verweigern will, die es doch notwendig braucht, um sich und seine Angehörigen zu soüftben und die es auch braucht, wenn man zum Frieden kommen oll. (Sehr richtig!) Wir meinen, daß jetzt nicht der Augenblick ist, sich über Friedensverhandlungen und Friedensziele zu unterhbalten. (Sehr richtig!) Der Augenblick wird auch noch kommen. Wer jetzt den Frieden will, muß auch die Mittel bewilligen, damit der Kampf zu einem siegreichen Ende gebracht wird. Mit den Aus⸗ führungen des Abg. Ledebour mich im einzelnen zu befassen, habe ich keine Veranlassung. Was er gesagt hat, muß ich bedauern, nicht wegen des Eindrucks, den es im Deutschen Reiche machen wird, der kann nicht sehr groß sein, aber ein Schaden im Auslande entsteht immer durch derartige Erklärungen. (Sehr richtig! und Widerspruch bei der sozialdemokratischen Arbeits⸗Gemeinschaft.) Leider kann ich ihm in einem Punkte nicht widersprechen, als er darauf hinwies, daß es ein Unrecht war, jetzt, wo wir so dringende Aufgaben zu lösen haben, mit der Fideikommißvorlage zu kommen, so daß eine einzelne rage in den Vordergrund des politischen Lebens gezogen wird. (Widerspruch rechts.) Das durfte nicht passieren, hat aber mit der jetzigen Frage nichts zu tun. Wir können im gegenwärtigen Augen⸗ blick mit den Vordrednern das Haus nur bitten, recht einstimmig die Vorlage anzunehmen. (Beifall.)

Abg. Mertin (Deutsche Fraktion): Auch namens meiner Frak⸗

tion kann ich nur unsere Zustimmung zu der Vorlage und u den Ausführungen der Vorredner aussprechen. Wer das deutsche Vater⸗ land lieb hat, der wird mit uns gern bereit sein, alle Opfer zu bringen, einen Frieden zu erringen, der den unermeßlichen Strömen des ver⸗ ossenen Blutes entspricht. 8 sümn Lede v (soz. Arb.⸗Gem.): Der Abgeordnete von Paver statutert Grundsätze, die mit der Einrichtung des Parlaments un⸗ verträglich sind. Daß es die Pflicht jedes Abgeordneten sei, den Kriegskrediten zuzustimmen, hat vor zwei Jahren Graf Westarp auch behauptet, aber damit nur bei seinen eigenen Freunden Zustimmung gefunden. (Widerspruch.) Heute hören wir dasselbe von dem Führer der freisinnigen Volkspartei. Damit würde während der Kriegszeit das Parlament ein⸗ für allemal ausscheiden. Jeder Regierung, welche Politik sie auch betreiben möge, würde Vollmacht gegeben, das Deutsche Reich und das deutsche Volk zugrunde zu richten, wenn sie es für zweckdienlich hielte. (Stürmischer Widerspruch.) Das wäre der Re⸗ gierungsabsolutismus, wie er leider in Oesterreich besteht, wo man das Parlament mit Ausbruch des Krieges ignoriert. Wir werden den Kampf für die Volkbrachte auch gegen diese durch die Kriegspsvychose vollkommen entwurzelten Liberalen aufnehmen. (Lachen.)

Abg. Ebert (Spz.): Wir haben diese Bewilligung nicht als eine Frage des Vertrauens oder Mißtrauens für oder gegen die Re⸗ gierung betrachtet; wir sprechen die Bewilligung aus, weil wir das für eine Pflicht gegen unser Land und unser Volk ansehen. (STtür⸗ mischer Beifalll.) Die Rochte der deutschen Arbeitertlasse und des Boltes werden wir bei der . Entschi wahrzunehmen wissen.

11 Uhr.

chiedenheit

Damit schließt die erste Beratung. In zweiter Bera wird die Bewilligung der 15 Milliarden ohne Debatte allen gegen die Stimmen der 18 anwesenden Mitglieder) sozialdemokratischen LrHggs angenommen. P Antrag des Abg. Dr. Spahn wird sofort in die dritte Lefun⸗ eingetreten. wird nicht genügend unterstützt.

Mit der gleichen überwältigenden Mehrheit wie bei z,

zweiten Lesung erfolgt unter lebhaftem Beifall des Hause

die endgültige Bewilligung.

Schluß 5 ½% Uhr. Nächste Sitzung Dienstah (Fortsetzung der ersten Lesung des Etats.)

Preußischer Landtag. 8

Haus der Abgeordneten. 8

„Sitzung vom 23. Februar 1917, Vormittags 11 Uhn (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung, in der zunächst die zweh

Beratung des Sonderhaushalts der Ve rwaltun

der direkten Steuern fortgesetzt wird, st gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden

Finanzminister Dr. Lentze: Meine Herren! Durch die Ausführungen der sämtlichen Hem

8—

Redner ging laut oder weniger laut das Motiv hindurch, der di jährige Etat wäre eigenklich von mir sehr viel ungünstiger ane stellt, als er tatsächlich wäre, und unsere Einnahmen wären sehr di

besser, als dies im Etat zur Erscheinung gekommen wäre. M. Herren, es liegt mir daran, diese Ueberzeugung bei ihnen als

irrige zu bekämpfen. Verursacht ist diese Meinung von der überan günstigen Finanzlage wohl dadurch, daß die Uebersicht über das G. gebnis der Veranlagung aus dem Jahre 1916 mit einer sehr di höheren Summe abschließt, als wie das Steuersoll ausmacht, n wir für das Jahr 1917 in den Hausbaltsplan eingestellt baben. d

bedarf der Aufklärung. Die Uebersicht über das Vetanlagmngs

des Jahres 1916 ist bei weitem noch nicht das Ist der wirkliche Eingänge für das Jahr 1916. (Glocke des Präsidenten.) Da m.

uns im Kriege befinden, müssen bei der Veranlagung zur Steuer a die gesamten Steuern der Personen mit veranlagt werden, die n

Heere eingezogen worden sind, und zwar vor allen Dingen auch 8 jenigen Personen, die als Gemeine oder Unteroffiziere dem Heere a

gehören. Nach einer positiven Bestimmung unseres Einkomn

steuergesetzentwurfs sind für alle Personen des Beurlaubtenstane

die als Gemeine oder Unteroffiziere dem Heere angehören, h Steuern außer Hebung zu setzen. Infolgedessen ist von den w⸗

anlagten Steuern ein sehr großer Betrag wieder außer Hebung;

setzen, weil die betreffenden Personen sich im Felde befinden, da nun immer noch mehr Personen ins Feld einberufen werden, si noch weitere Steuern außer Hebung zu setzen. Wir haben infolg

dessen durchaus nicht ohne weiteres damit zu rechnen, daß das Se

auch wirklich das Ist werden wird, und wir haben deshalh m

pflichtmäßigem Ermessen und sorgfältiger Abwägung aller Umstan den Betrag in dieser Höhe eingestellt, wie er eingestellt ist, numin Der Herr Generaldirektor der rette

mit 500 Millionen Mark. Steuern hat in der Kommission schon ausgeführt, daß wir erfabung gemäß immer im zweiten halben Jahr mit den Eingängen dessebe Ist rechnen können, welches wir im ersten halben Steuerjahn; habt haben, und da ergibt sich, daß wir tatsächlich nicht an Eingänge rechnen können, als wir bei der neuen Aufstellu sehen haben. Es ist also gerade durch die Uebersicht, glaub dielen das Gefühl hervorgerufen worden, als ob unser Haushalt sehr viele stille Reserven enthielte, als ob er sehr viel ungünttg aufgestellt wäre, als er in Wirklichkeit ist. Ich muß diese Amhn als unzutreffend und irrig zurückweisen und auch bekämpfen. Nun ist auch darauf hingewiesen worden, es wären stille R serben in dem für die Vergütungen, die wir für die Erhebung der neuen Rei

Hau-

steuern zu bekommen haben, überhaupt keinen Betrag in den Hu

——

haltsplan eingestellt hätten, obschon nach dem Reichsgesetze b Vergütung zu gewähren ist. Meine Herren, das ist zutreffan

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Aber wir waren ganz außerstande, irgend eine Summe zu geif. weil die Vergütung prozentual von der Reichssumme feftgesett ih Reich in seinem Haushaltsplan selbst gar keine Sumn

und das eingesetzt Reich in

hat, wir also gar nicht wissen, auf welchen Ertrag

Wirklichkeit rechnet.

ich hiermit offen. nahmen vorgesehen oder Einzelausgaben nicht so hoch vor, welche zweifellos durch die Wirklichkeit sich zu unseren Un anders entwickeln werden.

die Kriegsläufe uns sehr wohl in dem kommenden Jahr

Schuldenvermehrung bringen können, welche mehr als 50 Milliom

neue Schuldenzinsen erfordern. Also, was auf der einen Seite

leicht als stille Reserve erscheint, wird auf der anderen Seite vin⸗ durch Risikoposten, die wir im Haushalte haben und die zweifel

nicht ganz zutreffen, wieder ausgeglichen.

Dann ist von verschiedenen der Herren Vorredner das Ve longe gestellt worden, doch so hald wie möglich wieder aus den Zufchlam

herauszukommen. Der Herr Abgeordnete Bredt hat sogar d derung erhoben, daß während des Krieges ein neues Eint n steuergesetz vorgelegt werden möchte. Meine Herren, daß 1 Steuerzuschläge haben erheben müssen, hat der Krieg mit sich g und wenn wir vielleicht in einem Jahre, im Jahre 1915

günstigeren Abschluß gehabt haben, so beweist das noch gar n 8

dafür, daß wir in den folgenden Jahnen auch weiterhin diestr⸗

günstigen Abschlüsse haben werden. Die wirtschaftlichen Verhäln haben sich auch in diesem Jahre so sehr verändert und verändem i täglich noch so sehr, daß wir in keiner Weise damit rechnen psm. daß dieselben Ginnahmen, die wir im vorigen Jahre gehcht her⸗

in den folgenden Jahren überhaupt wiederbekommen können

verweise in der Hinsicht nur darauf, bvaß zahllvse Betriebe 8

weiterhin stillgelegt werden müssen, und daß sich überhaupt die P

wirtschaftlichen Berhältnisse immer weiter verschieben. Daß dem Kriege, meine Herren, natürlich nicht weiterhin mit Zu

Der Antrag auf namentliche Abstimmumg

Haushaltsplan insofern vorhanden, als wir 3. 5

In dieser Hinsicht werden wir 1 einzelnen Stellen in Zukunft mehr Einnahmen haben. Das rrldc Wir haben aber an anderer Stelle auch Em

Wir haben z. B. bei den Gerichtstoste noch immer einen so hohen Betrag an Einnahmen eingestellt, n. er voraussichtlich in dieser Kriegszeit keinesfalls einkommer 2 und wir haben ferner bei der Staatsschuldenverwaltung nur n; einem Mehr an Schuldenzinsen von 50 Millionen gerechnet, währs

Peiten werden, ist selbstverständlich. Ich hahe schon wieberholt hier kum Ansbvruck gebracht, daß dem hohen Hause nach dem Kriege ein neues Einkommensteuergesetz vorgelegt werden muß, aber ich habe auch

immer betont, es wäre unmöglich, dieser Frage jetzt während des

Krieges nüherzutreten. Ich muß auch trotz der Ausführungen, des Herrn Abgeordneten Dr. Bredt bei dieser meiner Auffassung ver⸗ leiben. Der Herr Abgeordnete Dr. Bredt hat gemeint, meine Behaup⸗ kung, die Vorlegung eines neuen Einkommensteuergesetzes sei um des⸗ illen nicht möglich, weil wir noch gar keinen Ueberblick über den Bedarf hätten, den wir zu decken hätten, wäre doch nicht ausschlag⸗ gebend, weil das Wesentliche bei dem neuen Einkommensteuergesetz weniger der Tarif als die Grundsätze wären, nach denen die neuen Steuern zu veranlagen sind. Meine Herren, ich gebe zu, daß einiges von dem zutrifft, was der Herr Abgeordnete Dr. Bredt sich dabei gedacht hat. Aber, meine Herren, doch nur einiges. Denn nach meiner Ueberzeugung ist es absolut unmöglich, ein Steuergesetz zu machen, ohne daß man zu gleicher Zeit weiß, was man denn mit dem Steuer⸗ gesetze schließlich an Ertrag herauserzielen will. (Sehr tichtig! rechts.) Ohne daß man ein Bild von dem erstrebten Ertrag hat, kann man auch ein Steuergesetz nicht aufbauen, so gute Ideen man sonst heraus⸗ bringt.

Der Herr Abgeordnete Dr. Bredt hat hervorgehoben, es sei dringend erwünscht, daß unser bisheriges Einkommensteuergesetz einen organischen Ausbau erführe; alle Versuche, die bis dahin gemacht worden wären, seien nur Versuche zur Verbesserung, zur Verfeinerung gewesen, aber zu einer organischen Ausgestaltung wäre bis dahin noch kein Versuch gemacht. Meine Herren, was ist organische Ausge⸗ staltung? Man kann eine Reihe neuer Ideen bei unserem Ein⸗ kommensfteuergesetz mit zur Anwendung bringen, aber die Hauptsache ist und muß bleiben, daß wir eine Einkommensbesteuerung haben, und zwar nach der Leistungsfähigkeit. (Sehr richtig! rechts.) Wenn ich die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Bredt richtig ver⸗ standen habe, so will er auch davon nicht abweichen, der organische Ausbau soll auch nach ihm eine bessere Erfassung der Leistungsfähig⸗ keit bedeuten. Aber, meine Herren, so etwas spricht sich auch sehr viel leichter aus, als es sich durchführen läßt. (Sehr richtig! rechts.) Man ist nicht imstande, ohne daß man ein vollständig klares Bild über die gesamten Verhältnisse, mit denen man zu rechnen hat, besitzt, schon diese Vorarbeiten endgültig abzuschließen. Zum richtigen Aus⸗ bau eines Steuergesetzes gehört doch, daß man weiß, wie weit der ein⸗ zelne Steuerzahler im übrigen belastet ist und durch welche An⸗ forderungen im allgemeinen, durch welche sonstigen Abgaben das Ein⸗ kommen des einzelnen geschmälert wird. Meine Herren, es unterliegt doch keinem Zweifel, daß nach dem Kriege jeder einzelne von uns sowohl durch Abgaben an das Reich, wie durch Abgaben an die Kommunen, wie auch durch Abgaben an den Staat in sehr viel höherem Maße wie bisher belastet werden wird. Es ist deshalb ganz unmöglich, ein Steuergesetz so, wie es sich der Herr Abgeordnete Dr. Bredt denkt, losgelöst von allen diesen Verhältnissen, auszu⸗ arbeiten und wirklich zum Abschluß zu führen. Es muß Klarheit darüber bestehen, wie weit die Anforderungen des Reiches und die Anforderungen der Kommunen neben den Anforderungen des Staates gehen. Ich bin außerstande z. B., von dem sogenannten Einkommen des Ueberflusses ganz besondere Leistungen zu verlangen, wenn ich nicht weiß, wie der Ueberschuß im übrigen auch schon getroffen werden wird.

Nach meiner Ueberzeugung kann eine richtige Steuergesetzgebung bei uns in Deutschland endgültig nur so erfolgen, daß das Reich und der Staat sich gleichzeitig klar über das Programm sind, das sie vorlegen wollen. (Sehr richtig! rechts.) Reich und Staat müssen genau wissen, wie weit und auf welchen Wegen sie vorgehen wollen, was für Bedürfnisse und mit welchen Mitteln sie diese decken wollen. ECs muß dabei auch berücksichtigt werden, in wie weit den notleidenden Kommunen und das sind durch den Krieg ja fast alle auch die nötigen Einnahmen zugeführt werden können. (Bravo! rechts.) Nur auf diese Weise ist es möglich, in angemessener und richtiger Weise ein neues Steuergesetz auszuarbeiten. Aber jetzt während des Krieges, ohne Kenntnis der Verhältnisse, solange diese Verhältnisse nicht ge⸗ klärt sind, ein neues Steuergesetz vorzulegen, halte ich für ganz un⸗ möglich. (Sehr richtig!) 2

Darin ftimme ich mit dem Herrn Abg. Dr. Bredt überein, daß eine Junggesellensteuer als Steuer für sich selbstverständlich gar nicht erhoben werden kann. Als ich in der Kommission gefragt wurde, wie ich einer Junggesellensteuer gegenüberstände, habe ich ge⸗ antwortet, ich stände einer Junggesellensteuer sympathisch gegenüber, diese Frage müßte aber mit dem neuen Einkommensteuergesetz zusam⸗ men gelöst werden. Das ist meine Ueberzeugung auch heute; ebenso wie wir auf der einen Seite Steuererleichterungen durch Kinder⸗ privilegien und Berücksichtigung sonstiger Verhältnisse einführen, müssen wir auf der anderen Seite Steuerbeschwerungen und Mehr⸗ belastungen für besondere andere Verhältnisse herbeiführen, das er⸗ gibt sich von selbst. Das muß aber alles im Rahmen desselben Steuergesetzes geschehen.

Und dann noch ein Wort über die Q3 uotisierung. Meine Herren, die Quotisterung steht ja heute nicht zur Entscheidung, ich will deshalb nicht in größerem Umfange auf diese Fragen eingehen. Ich mochte aber, da immer wieder die Forderung erhoben wird, bei einem neuen Steuergesetz die Quotisierung einzuführen, doch betonen, daß die Staatsregterung darauf nicht eingehen kann (Sehr richtig! rechts), und zwar im wohlderstandenen Interesse der Landesfinanzen. (Sehr richtigt vechts.) Ich habe schon wiederholt ausgeführt, daß gerade der Umstand, daß unsere Einnahmen begrenzt sind, daß man sie nicht villkürlich erhöhen kann, doch wesentlich dazu beiträgt, daß unsere Staatsausgaben nicht ins Ungemessene wachsen. Meine Herren, überall mird der Ruf nach Staatshilfe laut; der Staat soll an allen Ecken und Enden bezahlen. Ich kann hier nicht in diesem hohen Hause erscheinen, ohne daß an mich von allen Seiten Forderungen ge⸗ sichtet werden; die Staatsmittel sollen überall zur Verfügung ge⸗ stellt werden, ja ich soll sogar zuweilen auch auf Staatseinnahmen verzichten.

8 Meine Herren, es ist eine typische Erscheinung geworden, daß sich die Parlamente immer mehr dazu ausgewachsen haben, daß sie die Staatsregierung zu Ausgaben drängen, während man sich ursprünglich ver der Errichtung der Parlamente gedacht batte, sie sollten die Staatbausgaben beschneidem. Der umgelehrte Fall ist also eingetreten. die Staatsregierung muß eigentlich immer gegen Ausgabeansprüche kampfen, die aus dem Parlament heraus erhoben werden. Wenn nun

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die Quotisierung eingeführt wird, so veclierk bie Staatsregierung in der Hinsicht viel von der Möglichkeit eines Widerstandes.

Aber, meine Herren, nicht nur dem Parlament gegenüber wird die Stellung der Staatsregierung geschwächt, sondern auch imerhalb der Staatsregierung die Stellung der Finanzverwaltung. Ich habe hier im hohen Hause schon oft das Gefühl gehabt, wenn die eine oder andere Forderung sehr lebhaft befürwortet wird, daß mancher der Herren, der schließlich dafür gestimmt hat, im stillen die Hoff⸗ nung hegte, na, der Finanzminister tut es doch nicht! (Heiterkeit.)

Meine Herren, ich halte es für einen Segen, daß in Preußen eine Finanwerwaltung vorhanden ist, die die Moöglichkeit und die Pflicht hat zu erklären: wir gehen nicht weiter. Wenn nun die Quotisierung eingeführt wird, dann ist diese Stellung des Finanzministers den übrigen Verwaltungen gegenüber geschwächt. Die übrigen Ver⸗ waltungen haben alle ihre Ansprüche; auch sie richten an die Staats⸗ kasse immerzu ihre Forderungen, und da diese Ansprüche, wie ich schon wiederholt bemerkt habe, sehr oft begründet und wünschenswert sind, so würde der Finanzminister, wenn eine Quotisierung möglich wäre, bei weitem nicht die Widerstandsmöglichkeit und Witerstandsfähigkeit haben, die er heute besitzt, wenn er sagen kann: ich habe kein Geld. Denn sobald die anderen Verwaltungen dem Finanzminister nach⸗ weisen können, daß er Geld beschaffen kann, muß er schließlich dem Drängen nachgeben. Also, meine Herren, so ideal und so schön es klingt: die Quotisierung der Steuer muß in das Steuergesetz hinein, so wenig praktisch und wünschenswert wäre ihre Erfüllung; denn sie würde zueiner ganz wesentlichen Steigerung der Staatsausgaben führen. Aus diesem Grunde kann ich nicht zusagen, daß im neuen Steuergesetz die Quotisierung vor⸗ gesehen wird.

Dann hat Herr Graf von der Groeben noch eine Sache zur Sprache gebracht, die uns schon in der Kommission beschäftigt hat. Dort wurde darauf hingewiesen, daß in dem Vordruck für die Ein⸗ schätzung zur Kriegssteuer ein Fehler wäre. Damals konnte innerhalb der Kommission nicht gleich klargestellt werden, ob die Behauptung des betreffenden Abgeordneten richtig war oder die Ansicht der Regierungs⸗ vertreter. Ich habe aber die Sache nachprüfen lassen, und es hat sich dabei ergeben, daß die Ansicht des Abgeordneten zutreffend und in dem Vordruck tatsächlich ein Fehler enthalten ist.

Nun hat Herr Graf von der Groeben gestern gemeint, es wäre diese Berichtigung doch wohl nicht genügend bekannt gemacht, es wäre zwar in der Neuen Politischen Korrespondenz ein offiziöser Hin⸗ weis erschienen, daß ein Fehler in dem Veranlagungsformular ent⸗ halten sei, aber im übrigen sei die Berichtigung nicht in die Zeitungen übergegangen, und es bestehe für manche die Gefahr, daß sie irriger⸗ weise zu einer Besteuerung herangezogen würden, zu der sie nicht verpflichtet seien. Meine Herren, außer der Veröffentlichung in der Neuen Politischen Korrespondenz ist die Veröffentlichung auch in ver⸗ schiedenen Tageszeitungen erfolgt. Zudem möchte ich mitteil n, daß an sämtliche Vorsitzende der Berufungskommissionen die Anweisung ergangen ist, die Steuerpflichtigen ihres Bezirkes in geeigneter Weise auf diesen Fehler aufmerksam zu machen. Ich bin überzeugt, daß dieser Hinweis auch von den Vorsitzenden der Berufungskommissionen in entsprechender Weise vorgenommen ist. Sollte jemand bei seiner Veranlagung durch das Formulat zu einer falschen Angabe verleitet worden sein, die gegen sein eigenes Interesse ist, so ist er in der Lage, bis seine Veranlagung abgeschlossen ist, noch eine Ber richtigung seiner Steuererklärung einzureichen. Die Vorsitzenden der Berufungskom⸗ missionen sind angewiesen, sie dann noch immer anzunehmen. Ich glaube, daß damit die Befürchtungen, die Herr Graf von der Groeben hatte, beseitigt sind.

1 5 Dr. Heilbrun n (fortschr. S2. Das Wirtschafts⸗ jahr 1915 ist ein außerordentlich günstiges gewesen. Das ist ein Be⸗ weis für die Stärke der deutschen Wirtschaft in Stadt und Land. Allerdings beruht das vielfach auf der Kriegskonjunktur. Wähtend der Kriegszeit hat leider gerade der Mittelstand gelitten; in den Steuerstufen des Mittelstandes ist ein Rückgang in der Steuerver⸗ Phlagung, estzustellen. Im großen ganzen ergibt sich aber, daß der Wirtschaftskampf mit unverminderter Kraft gefü ort wird und die silbernen Kugeln noch bei uns vorhanden sind. Fen beeaa⸗ Steuer⸗ etat weist auch in sozialer Beziehung eine gesunde Grundlage auf. Bei der Steuereinschätzung arbeitet der Berufungsapparat sehr mangelhaft. Der Standpunkt des Abgeordneten Bredt zur Quoti⸗ sierung ist nicht ganz logisch; er führt aus, daß in den Kommunen die E zu einer Steigerung der Ausgaben geführt hat, während der Abgeordnete Hirsch meinte, daß die Notwendigkeit der Erhöhung der Steuerzuschläge die Kommunen von Ausgaben zurückgehalten hätte. Mir scheint die Wahrheit in der Mitte zu liegen. Es ist auch nicht richtig, daß gerade die Luxusausgaben in den Kommunen auf dieses Syvstem zurückzuführen wären. Diese Ausgaben schlagen in den Kom⸗ munen nicht zu Buch, sondern am meisten sind die Kommunen belastet durch die Schullasten, Armenlasten, Krankenhauslasten. (Sehr wahr! links.) Die direkte Steuerbelastung in Staat und Kommunen beläuft sich im Jahre 1915 bereits auf 40 ro Kopf, und damit ist man wohl schon an die Grenze der kerfiene Cesgkes gekommen. Im großen ganzen hat sich unser Steuer ystem bewährt, es beruht auf gesunder Grundlage, und man soll sich nicht burch seinen Reformeifer zu immer neuen Abänderungen drängen lassen. Einen Gegensatz zwischen Stadt und Land wünschen wir gewiß nicht, aber wir verlangen, daß die Einschätzungsmethode auf dem platten Lande die gleiche ist, wie in der Stadt. Die Einschatzung der land⸗ wirtschaftlichen Betriebe ist steuertechnisch sehr schwierig, sie ist kom⸗ plizierter als die der kaufmännischen Betriebe. Darum muß gerade auf dem Lande ein selbständiger Steuerkommissar die Schätzung vor⸗ nehmen. (Zustimmung links.) Die Steuereinschätzung sollte nicht in der Hand eines politischen Beamten wie des Landrats liegen. Der Abg. Hirsch meinte, er könne sich dem vermögenskonfiskatorischen Ge⸗ danken gegenüber nicht ablehnend verhalten. Er verwies auf die Be⸗ lastung der Arbeiter durch indirekte Steuern. Jede übermäßige Erhöhung der indirekten Steuern hat eine Gehaltsregulierung und damit eine Erhöhung der direkten Steuern in den Bundesstaaten zur Folge. Gegen eine Konfiskation der Vermögen müssen wir uns ent⸗ schieden erklären. (Zustimmung links.) Um sein Vermögen der Steuer zu entziehen, wird jetzt schon das Geld planlos vergeudet. Will man dies noch durch solche Pläne fördern? Wir brauchen nach dem Kriege Kapital. Es heißt jetzt: Arbeit und Sparsamkeit. Davon hängt auch das Schicksal der Arbeiterschaft ab. (Zustimmung links.) Die Steuergesetzgebung in Staat und Reich darf nicht durch übermäßige Anspannung zur Verschwendung anreizen. (Beifall links.) Ein Schlußantrag wird abgelehnt, zum Worte gemeldet ist noch Abg. Hofer. (Zuruf des Abg. Adolf Hoffmann,; Abg. Pappenheim ruft. Wir sind nicht auf der Straße, Abg. Haffmann. Abg. Adolf Hoffmann: Aber Sie betragen sich so.)

(Cg. Hese r (Soz. Arb.⸗Gem.): Gerahe jotzt während des Krieges ist der Stne. besonders veexene denn die Land⸗ vate sind überlastet. Die Arbeiter auf dem Lande boechen unter der tast der inditekten Steuern zusammen. Hie (Erhöhung der Löhne steht in gar keinem Verhältnis zu ihrem Bedarf, sie werden zu den

direkten Steuern bis auf den letzten Heller herangezogen. Die großen

und

Massen sind niemals umnkerbrückker und behrückter FFesen wie in diesem Kriege. (zustimmung b. d. Sos) Proß der übt es bei uns Millionen, ge ein Einkommen unter 900. haben.

elbft ein Einkommen von 3000 bedeutet beute nicht so blel wie 2000 vor dem Kriege. Die große Masse des Volkes muß sich auf dem Schlachtfelde verbluten, damit wenige Reiche i ihrem Vesitzstand erhalten werden und sich noch weiter bereichern. ill die Regierung warten, bis die 9 kommen? Für malichen ist der Krieg ein luktatives eschäft. Es ist ja vom Re vFJ5 davon ge⸗ sprochen worden, daß dem jetzigen ersten punischen riege ein zweiter und dritter folgen werde. (Der Präasident ersucht den Redner, zur Sache zu sprechen, Zuruf b. d. sozialbemokratischen Arbeitsgemein⸗ schaft Die ungeheure Mebrheit der preußischen Steuerzahler hat vom Kriege nur Not und (lend. Sie wird von wachsendem Abscheu gegen den Krieg erfüllt. (Sehr wahr! b. d. sozialdemokratischen Ar⸗ beitsgemeinschaft.) Ueber 90 % der Zensiten hat nur ein Einkommen bis zu 3000 ℳ. Die breiten Massen dürfen durch indirekte Steuern nicht weiter belaftet werden, wie es jetzt im Reiche beabsichtigt ist. Wit erheben dagegen den schärfsten Protest. (Zustimmung b. d. Soz.) Ist das der neue sosiale Geist? Es ist der Geist der Juͤnker, der muß an den Pranger gestellt werden. Diejenigen müssen in erster Linie die Kriegslasten tragen, die von ihnen profitieren und die ihn veranlaßt haben. (Lebhafte Zustimmung b. d. Soz.) England ziebt die Besitzenden heran, bei uns wird die Lammsgeduld des Rolkes ein⸗ mal ein Ende hahben. Auch der U⸗Bvotkrieg ist nur ein Versuch, etwas zu erreichen. Es ist der letzte Prumpf. Berlieren sie das Spiel, dann muß die große Masse die Kosten tragen, nicht die Be⸗ -5„ Die Kapitalisten haben ein Interesse an der Verlängerung es Krieges. (Beifall b. d. Soz.)

Det Etat der direkten Steuern wird bewilligt.

Die Uebersicht der Ergebnisse der Veranlagung zur Ein⸗ kommensteuer für 1916 wird durch Kentnisnahme für erledigt erklärt. Die Petition der Landwirtschaftskammer in Kiel um Zulassung der Kriegsanleihe zum Nennwert als Steuerzah⸗ ungsmittel, wird der Regierung als Material überwiesen.

Die Etats der Staatsarchive und der Staatsschuldenver⸗ waltung werden ohne Debatte genehmigt.

Ueber den Etat der Königlichen Seehandlung

(Preußi schen St aatsbank) berichtet Abg. Dr. Rewold (freikons.), daß in dem Ausschuß der Gedanke der Errichtung eines Reservefonds der Seehandlung ausgesprochen sei und Zustimmung gefunden habe. Abg. Brütt (freikons.): Der Staat muß sich der Verwaltung des Vermögens der Leute annehmen, die in solchen Dingen uner⸗ fahren sind. Der Staat kann nicht mit verschränkten Armen daber stehen, wenn viele Leute nur infolge ihrer Unerfahrenheit ihr Ver⸗ mögen verlieren. Die Schwierigkeiten kännen nicht erkannt werden, aber die Frage muß von der Regierung ernstlich geprüft werden.

Finanzminister Dr. Lentze:

Ich halte den von dem Abgeordneten Brütt ausgesprochenen Ge⸗ danken für durchaus erwägenswert. Es wäre sehr schön, wenn es möglich wäre, eine Stelle zu schaffen, welche für alle, welche Geld anzulegen haben, als unparteiische und sichere Beratungsstelle dienen könnte. Die Frage ist aber nicht so leicht zu lösen: denn wenn eine

derartige Beratungsstelle da ist, so übernimmt sie zu gleicher Zeit auch eine Verantwortung für ihren Rat, und die Verantwortung für den Rat würde auf den Staat zurückfallen, und der Staat würde dafür haften. Also, sehr leicht ist diese Frage nicht. Ich bin aber gern bereit, in eine Prüfung einzutreten. Ob schließlich der Wunsch erfüllbar ist, kann ich noch nicht übersehen. Ich habe mich seit der Kommissionssitzung wiederbolt mit dieser Frage in Gedanken be⸗ schäftigt, habe aber noch keinen Weg gesehen, nach dem es möglich sein könnte, die schwerwiegenden Folgen, die daraus für den Staat entsteben könnten, zu beseitigen. Die Stelle muß doch schließlich immer eine lebendige Beratungsstelle bleiben. Wenn der Berater

immer nur sagte: lege dein Geld in Staatspapieren, also mündelsicher, an. Damit ist den Leuten aber nicht immer gedient, das könnten sie sich selber sagen. Also einfach ist diese Frage nicht. Schließlich köonnte auch selbst aus einem derartigen Rat wieder ein Vorwurf

war zwar sicher, aber er hat eigentlich mir sehr wenig genützt, wenn ich mein Geld anders angelegt hatte, dann wäre es gerade so sicher gewesen, und ich würde sehr viel mehr Zinsen dafür bekommen haben. Die Frage ist sehr schwierig, aber sie soll geprüft werden

„Abg. Dy. Z rbringer (ul.) befürwortet seinen mit Unter stützung seiner Partei gestellten Antrag: die Regierung zu ersuchen, in Erwägung zu ziehen, ob notigenfalls unter Mitwirkung der Preu ischen Seehandlung und unter Beteiligung von Staatsmitteln ein Kreditinstitut für Gewährung von Schifebdarlehen auf preußische Fengelsschtffe für See⸗ und Binnenschiffahrt zir errichten sei. Die Finführung von Schiffshnpotheken in DPeuischland ist eine dringende Notwendigkeit. Holland hat bereits Schieffsbypotheken, auch für die Binnenf iffahrt, eingeführt. Der Anrrag soll eine Anregung sein, die in der Kommission für Handel und Gewerbe weiter verfolgt werden kann.

Fnesmnent der Seehandlung von Dombois: Diese Ange⸗ legen berten wurden aus dem Rahmen der Tätigkeit der Seehandlung vollständig herausfallen. Die Seehandlung ist in erster Linie preu⸗ ßische Staatsbank, d. h. sie hat die Anleihen des Staates zu be⸗ geben. Die Seehandlung nimmt nur kurzfristige Gelder an und kann sie daher grundsätzlich auch nur kurzfristig, aber nicht in Hypotheken anlegen. Diese bankmäßigen Grundsätze sind 1907 ausdrücklich in einer Resolution des Hauses auf Antrag Friedbergs festgestellt wor⸗ den. Die Seehandlung könnte also keine Schiffshppotheken geben. Ob die Angelegenheit mit Unterstützung von Staatsmitteln durchgeführt werden kann, das zu entscheiden, din ich nicht zuständig; aber in der Leßeefe füͤr Handel und Gewerbe kann die Frage weiter gepruft werden.

Abg. Dr. Erüger⸗Hagen (fortschr. Volksp.): Wir haben in Deutschland noch keine Institute, die Schiffsbypotheken geben. In Holland bestehen solche Finanzinstitute, aber die Reeder sind infolge⸗ dessen auch von diesen Instituten abhängig. Es liegt kein Grund vor. den Staat in Anspruch zu nehmen, es ist Sache des Privatkapitals. dieses Bedürfnis zu befriedigen. Aber es ist zu begrußen, daß die Frage in der Kommission für Handel und Gewerbe erörtert merden soll. Die Einrichtung von Beratungsstellen des Staates für Ver⸗ mögensanlagen würde hiermit eine neue. Wirtschaftstätigkeit dem Staate zuweisen. Für diesen Zweck bestehen Privatinstitute. Wir müssen danach streben, daß jeder Einzelne wirtschaftlich o selbständig wie möglich ist, die Anregung des Abgeordneten Brütt wurde aber dem Einzelnen die Verantwortung für sein Vermögen abnehmen. Die Seehandlung entwickelt sich zu einem Konkurrenzinstitut für die privaten Depositenbanken, hoffentlich jst dies aber nur ein Ueber⸗ gangszustand für die Kriegszert. Es könnte für unsere Privatwirt⸗ schaft lastig sein, wenn ein solches mächtiges Jentralkrevditinstitttt im den privaten Wetthewerd einträte. Hoffentlich wird die Seeband⸗ lung nach dem Kriege wieder zu ihren eigentlichen Aufgaben zurüuck⸗

Der Ctat der Seehandlung wird bewidlig. Der Antrag Fuürhringoe wird der Kommissihn für Hande werhe überwiesen.

Der Etat der Preußischen Zentralge⸗

nossenschaftskasse wird ohne Debatte bewilligt.

vorsichtig sein will, dann könnte es sehr leicht dazu führen, daß er

gegen den Staat erhoben werden, indem gefagt würde: ja, dieser Ahih