1917 / 53 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Mar 1917 18:00:01 GMT) scan diff

1 Liner der Herren hat der Auffassung Ausdruck gegeben, daß sich 8 Unidersitäten gewiß gern in den Dienst der wiesenen Aufgabe stellen würde. Ich teile durchaus diese Ansicht; auch ich din der Ueberzeugung, daß sich unsere Universitäten dieser wich⸗ tigen Aufgabe bereitwillig widmen werden, von deren Lösung schließ⸗ lich die weltpolitische Zukunft unseres Volkes abhängen wird. Ich nehme an, daß wir dort keine Absage, sondern volles Verständnis und reiche Erfüllung unseres Verlangens finden werden. Dann wird das erreicht, was ich erstrebe, daß diese wichtige Aufgabe voll zur Er⸗ füllung gelangt. Sie werden aus meinen Ausführungen entnommen haben, welche große Bedeutung ich ihr beilege, und wie sehr ich es für erforderlich halte, sie zu fördern.

Das fuͤhrt mich zu den Universitäten, über die verschie⸗ dene der Herren Redner sich geäußert und mit Bezug auf die sie An⸗ regungen gegeben und Fragen gestellt haben. Da ist es mir ein Be⸗ rbürfnis, zuerst doch auch noch hier an dieser Stelle zum Ausdruck zu bringen, daß ich selbstverständlich bemüht sein werde, den Studenten, die sich draußen im Kriege befinden, wenn sie nach dem Frieden in die Heimat zurückkehren und dann wieder die Universität besuchen wollen, nach Kräften die Wege zu ebnen. (Bravo!) Ich bin nach dieser Richtung hin schon jetzt mit den Fakultäten in Verbindung ge⸗ treten, und wir suchen nach dem besten Weg, um dieses Ziel zu er⸗ reichen. Wir wollen Kurse einrichten, um die jungen Leute wieder in die wissenschaftliche Arbeit einzuführen und solchen, die noch nicht studiert haben, zu zeigen, wie sie sich am besten an den Universitäten einrichten, um da wirkungsvoll ihr Studium betreiben zu können.

Wir wollen auch sehen, wie wir die Dauer des Studiums einschränken konnen, wollen uns überhaupt möglichst bemühen, ihnen zu helfen und dafür zu sorgen, daß der Nachteil, der durch den Krieg unver⸗ meidlich für sie entftanden ist, nach Möglichkeit eingeschränkt wird. Die Kurse, die wir an den Universitäten einzurichten gedenken, werden vielleicht auch für eine gewisse Reform des Unterrichts auf den Uni⸗ versitäten vorbildlich wirken können.

Dieses Gebiet ist besonders von Herrn Abgeordneten D. Traub behandelt worden. Er hat darüber schon in der Kommission ge⸗ sprochen und da insbesondere auf eine Einrichtung hingewiesen, die sich in Tübingen befindet, hat auch die Freundlichkeit gehabt, mir darüber eine Ausarbeitung zuzusenden. Ich erwiderte ihm schon in der Kommission, daß gewisse ähnliche Einrichtungen auch bei uns bestehen. Ich bin aber sehr gern bereit, dieser Anregung zu folgen und zu sehen, was sich auf diesem Gebiete verbessern läßt. Ich glaube auch, daß es wohl notwendig ist, den Fleiß des Studenten und die Ausnutzung ihrer Studienzeit noch zu steigern, wenn ich auf der andern Seite aber doch zu meiner Freude feststellen kann, daß Fleiß nd Studium auf den Universitäten sehr viel größer und intensiser geworden sind, als das früher der Fall war. (Sehr richtig!) Und uch durch die Studentihnen ist ein Element des Fleißes an die Universitäten gekommen, was gar nicht unerwünscht ist. (Sehr ichtig!) Ja, die jungen Damen übertreiben die Arbeit sogar zu weilen auf Kosten der Gesundheit, sodaß man dort sogar vor über⸗ triebenem Fleiß warnen muß.

Ich sagte, daß wir schon gewisse ähnliche Einrichtungen, wie sie Herr D. Traub im Auge hatte, an unseren Universitäten haben. Ich erinnere mich auch, daß kürzlich an einer Universität ein Versuch ge⸗ macht worden ist, Repetenten in die Universität einzuführen. Dieser Frage hatten sich jüngere Professoren angenommen, und ich

eute mich an diesem Versuch, weil ich glaubte, daß er doch vielleicht zu einem guten Ziele führen könnte. Er ist dann aber leider an dem Widerstande der älteren Professoren gescheitert. Unsere Universitäten sind äußerst konservative Gebilde, wenn auch viele liberale Pro⸗ essoren dort Vorlesungen halten. (Sehr richtig! links.) Es ist nicht eicht, da mit Neuerungen durchzukommen.

Ich glaube, es ist Herr Dr. von Campe gewesen, der sein Be⸗ dauern darüber aussprach, daß es an Professuren für Religions⸗ geschichte mangele. Ja, meine Herren, mit der Begründung einer Professur für Religionsgeschichte ist es nicht getan; man muß auck den Professor dazu haben, und hier liegen die Schwierigkeiten auf diesem Gebiete. Wie manche andern Gebiete hat auch dies Gebiet sich so ausgedehnt, daß es ein einzelner Gelehrter nicht mehr in dem Maße zu üͤberblicken vermag, um es an der Universität vertreten zu

önnen. Immer mehr Religionssysteme sind in den Kreis der wissen⸗ schaftlichen Forschung gezogen worden, und die Erforschung der einzelnen Religionen ist so vertieft worden, daß sich das Gebiet außerordentlich erweitert hat. Es macht sich auch hier geltend, was wir sonst er⸗ fahren, daß mit der fortschreitenden Wissenschaft auch die fort⸗ schreitende Spezialisterung verbunden ist. Wenn nun in der philo⸗ sophischen Fakultät die verschiedensten Religionen in der Forschung und Lehre vertreten sind, dann ist es doch wohl am Platze, daß dort uch die christliche Religionsgeschichte vertreten wird. Ist es mir gelungen, hier in Berlin dafür eine Kraft ersten Ranges zu finden, so kann man das nur begrüßen. Und ich begrüße es auch, daß ich in dieser Kraft einen ausgesprochen christlich orientierten Philosophen gewonnen habe.

Auch Herr Abgeordneter Haenisch hat sich zu der Denkschrift zustimmend geäußert. Ich freue mich, daraus entnehmen zu können, daß auf diesem Boden sich alle politischen Parteien einigen. Aber er hat doch nicht der Versuchung widerstehen können, auch aus diese Blume Honig für seine politischen Zwecke und Ideale zu saugen. (Heiterfeit) Daß ich seiner Auffassung da nicht zustimmen kann, wird er sich selbst gesagt haben. Ich will ihm aber in den Fragen über vormärzliche und nachmärzliche Polink, die er mir mit seinen Aus⸗ führungen etmwas durcheinander zu mengen schien, nicht folgen, um den Friaben auf diesem Gebiete nicht zu stören; es gehört das ja auch nicht mmmittelhas zu ben Kulturaufgaben, die wir hier vertreten, es liegt doch wohl etwas daneben.

Er ist dann auf die Besetzungber nationalökono⸗ mischen Professunen in sprechen gekcmamen und hat die Be⸗ fürchtugsih assegeshanchen, dHach Fich Pesetzang kieser Professuren von gemwissen Neaisen abbäͤngig märe, baß gewewse mirtschaftliche Inter⸗ essen dabei maßgebent seien Die Besetzung zer naticnalokonomischen Professuren finzet pzabbängig von derartcen Mücksichten statt; das nehme ich durchaus sur mich in Anspruch. ss gubt keine einzige nationalskonomische Prefessur amn den preußgfschen Uerersitäten, die irgendwie materiell abhängig ware von krgendwelchen wirtschaftlichen Kreisen. Es werden die verschiedenen Brhzulen der Sanonalskonomie nach Möglichkeit bei der Besetzung der Lehrstühle berucksichtigt. Ich suche Möntreter für die verschiedenen Rickhtungen zu finten. Daß daber

ihnen hier zuge⸗

auch die Richtung, die stärker, um mich so auszutrücken, das Arbeit⸗

““ geberkum vertritt, ihre Berücksichtigung findet, entspricht nur der Parität, wie auf der anderen Seite, daß diejenigen unberücksichtigt bleiben, die stärker die Arbeiterinteressen vertreten. Sie werden auf den preußischen Hochschulen Vertreter beider Richtungen finden. Ich halte das auch für einen Vorteil, und dabei muß es auch in Zukunft bleiben. Politische Gesichtspunkte, parteipolitische Gesichtspunkte sind bei der Berufung von Professuren nicht maßgebend, sondern die Ge⸗ eignetheit für den Lehrstuhl, um den es sich handelt. (Bravo!) Ledig⸗ lich wissenschaftliche Rücksichten werden dabei den Ausschlag geben.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch hervorheben, daß das Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft, von dem Herr Abgeordneter Haenisch sprach, ein reines Privatinstitut ist und deshalb auch unbedenklich aus Privatmitteln unterhalten werden kann. Ein staatliches Institut ist es nicht, wenn auch ein Professor von der Universität in gewisser Beziehung zu diesem Institut steht, gewissermaßen im Nebenamtv; dagegen ist durchaus nichts einzuwenden. Wenn aber dieser Professor von Herrn Abgeordneten Haenisch als mein Vertrauensmann bei der Besetzung der Professuren bezeichnet worden ist, so kann ich ihm sagen, daß ich den Professor Harms noch niemals über die Besetzung von Professuren befragt habe, und daß ich mich von außerhalb an mich herantretenden Einflüssen bei der Besetzung von Professuren unabhängig halte.

Es ist ganz richtig, wie mein Herr Vorredner schon erwähnte, daß der hochverdiente Professor von Behring leider wegen schwerer Erkrankung seinen Lehrstuhl hat verlassen müssen. Aus dem, was ich bisher ausgeführt habe, ergibt sich eigentlich schon, daß bei der Besetzung von Professuren nicht einseitig verfahren wird, daß also auch die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Haenisch nicht zu⸗ treffen, wonach nur die Schüler von bedeutenden Professoren in Preußen Lehrstühle erhielten. Das habe ich schon früher eingehend ausgeführt, und darauf bleibe ich stehen.

Einen großen Teil der Ausführungen des Herrn Abgeordneten Haenisch bildeten die Angriffe auf das Salvarsan. Schon mein Herr Vorredner hat sich dagegen gewandt, und er hat hervorgehoben, daß man doch über diese Dinge namentlich so abfällig und so scharf nicht sprechen dürfe, ohne Sachverständiger zu sein. Ich möchte mir daher auch eine gewisse Zurückhaltung auferlegen und nur darauf hinweisen, daß doch weite Kreise sachverständiger Männer, ernste Aerzte, dieses Salvarsan dauernd angewendet haben. Es wird von der Aerztewelt und der leidenden Menschheit als ein unentbehrliches und segensreiches Mittel angesehen, wie auch wohl die weite Ver⸗ breitung im Auslande erkennen läßt. Die Angriffe, die vor einigen Jahren dagegen erhoben worden sind, haben sich als unzutreffend er⸗ wiesen. Natürlich kann ein solches Mittel auch einmal falsch ange⸗ wendet werden. Aber bei vorsichtiger Handhabung des Salvarsans, namentlich des Neosalvarsans, sind Gesundheitsschädigungen nicht fest⸗ gestellt worden, wogegen einer großen Zahl von Leidenden ein er⸗ heblicher Nutzen daraus erwachsen ist. Todesfälle durch Salvarsan⸗ anwendung sind in keinem Falle nachgewiesen worden. Der Direktor der medizinischen Abteilung des Ministeriums des Innern, Herr Professor Kirchner, hat vor zwei Jahren persönlich Feststellungen über die angeblich in Frankfurt vorgekommenen Todesfälle vorgenommen. Dabei ergab sich allerdings, daß einige Prostituierte gestorben waren; aber in keinem Falle konnte das Salvarsan als Todesursache ange⸗ sehen werden, vielmehr handelte es sich um alte Luesfälle, und der Tod war durch akute Leberatrophie herbeigeführt worden. Ich möchte das hervorheben, um den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Haenisch gegenüber die Bedeutung des Salvarsans zu betonen und zu zeigen, daß seine Angriffe auch in dem von ihm behaupteten Um⸗ fange nicht als zutreffend anerkannt werden können.

Meine Herren, ich komme dann auf die Frage des Herrn Ab⸗ geordneten Haenisch, wie es sich mit dem Privatdozenten Ver⸗ wein in Bonn verhalte. Ich bin leider außerstande, darüber eine Auskunft zu erteilen, denn ich habe erst von dem Vorgang dadurch Kenntnis erhalten, daß er hier von der Tribüne des Hauses aus er⸗ wähnt worden ist. Mir war bisher von ihm nichts bekannt, und ich weiß auch heute nicht mehr davon als das, was in den Zeitungen ge⸗ standen hat.

Ich komme dann zu dem Antrag, welcher bezweckt, wissen⸗ schaftliche Foxschungen über die Zeit der Refor⸗ mation und der Gegenreformation stattfinden zu lassen. Dieser Antrag hat namentlich durch die Art seiner Begründung Sym⸗ pathie erwecken müssen. Diese Begründung schloß sich an die voran⸗ gegangene Aussprache über das bevorstehende Re⸗ forma⸗ tionsfest an. Ich habe es ganz besonders begrüßt, daß diese Aus⸗ sprache aus der Mitte des Zentrums herbeigeführt wurde, und zwar in iner so friedlichen und versöhnlichen Weise, daß das auch das ent⸗ sprechende Echo auf der evangelischen Seite gefunden hat. Diese Aus⸗ sprache hier ist von Bedeutung. Ich freue mich darüber ganz beson⸗ ders und hoffe, daß sie mit dazu beitragen wird, daß das Refor⸗ mationsfest, auf das wir Evangelische selbstverständlich nicht verzichten können, und das zu feiern uns ein Herzensbedürfnis auch in dieser schweren Zeit ist, in einer Weise gefeiert werden wird, daß dadurch der konfessionelle Friede in keiner Weise gestört wird, daß es nach jeder Richtung hin befriedigend verläuft und auch von denen, die fernstehen, nicht irgendwie als eine Kränkung empfunden zu werden braucht. (Bravo!)

1 Bezüglich der technischen Hochschulen sind besondere Wünsche nach der Richtung hin geäußert worden, daß den Pro⸗ fes so ren dort eine andere Titulatur verliehen werden möge, als sie jetzt haben. Ich muß offen gestehen, ich bin von dem „plan⸗ mäßigen Professor“ überrascht worden und bin darüber etwas er⸗ schrocken; denn das ist allerdings kein schöner Titel. Was die Gleich⸗ stellung in der Titulatur mit den Universitätsprofessoren anlangt, so stehe ich darüber mit dem Herrn Finanzminister in Verhandlungen. Diese Verhandlungen sind bisher zu einem Abschluß noch nicht ge⸗ langt; ich hoffe aber, daß es bald geschehen wird.

Ich komme dann noch mit einigen Worten, wenn Sie gestatten, auf das Gebiet der Kunst und namentlich auf die Lage der Künstler, die ja durch den Krieg recht bedrängt sind. Es liegt mir daran, auch der Oeffentlichkeit bekannt zu geben, daß auf diesem Gebiete nach Möglichkeit versucht worden ist, Abhilfe zu schaffen. Ich habe gleich zu Beginn des Krisges, noch im September 1914, die An⸗ regung gegeben, bei der Akademie der Künste die „Akademische Kriegshilfskasse“ zu begründen. Diese hilft bildenden Künst⸗ lern und Musikern Groß⸗Berlins durch Unterstützungen, Darlehen und Ankäufe. Ich habe auch beisteuern können aus einem Fonds, der

mir für solche Zwecke zur Verfügung stand, und es sind im ganzen

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317 000 zusammengebracht worden. Daraus sind bis jetzt 137 000

an bildende Künstler und 76 000 an Musiker verausgaht worden. Außerdem sind seit Kriegsbeginn aus Ministerialfonds Beihilfen an bildende Künstler im Betrage von 33 500 und an Musiker im Betrage von 13 500 gezahlt worden. Ich nenne diese Zahlen ab⸗ sichtlich, um ein Bild davon zu geben, was auf diesem Gebiete ge⸗ schehen ist. Zuͤgunsten der Privatmusiklehrer und der Musiker ist be⸗ reits im Jahre 1914 angeordnet worden, daß während des Krieges die staatlichen Beamten und Angestellten entgeltliches Musizieren unter⸗ lassen, und daß die Lehrer bei der Uebernahme von Privatmusikunter⸗ richt Zurückhaltung üben sollen. Bei der Akademischen Kriegshilfskasse ist eine Beratungsstelle für kriegsbeschädigte Musiker eingerichtet worden.

Ich komme dann zu den An käufen für die National⸗ galerie. Der für diese Zwecke bestimmte Anteil am Landeskunst⸗ fonds beträgt jährlich 118 000 ℳ. Die Verwendung dieser Summe erfolgt auf Vorschlag der dafür eingesetzten Kommission, die zusam⸗ mengesetzt ist aus dem Vorsitzenden, einem Maler, einem Bildhauer, einem Kunstsammler, einem Kunstgelehrten und einem Vertreter meines Ministeriums. In den Jahren 1910 bis 1916 wurden von 17 lebenden Malern 29 Gemälde gekauft, von Corinth, Erler, Hage⸗ meister, A. Kampf, von Kardorff, von Keller, Lepsius, Liebermann, Looschen, Rhein, Schlabitz, Schreuer, Slevogt, Stadler, Thoma, Trübner. Das widerspricht doch den Angaben meines Herrn Vor⸗ redners. Es wurden dafür 258 000 ausgegeben, im Jahresdurch⸗ schnitt also 37 000 ℳ. In derselben Zeit sind 16 Werke von 13 lebenden Bildhauern gekauft worden, von Ebbinghaus, Elkan, Esser, Everding, Felderhoff, Geyger, Klimsch, Kolbe, Kraus, Pagels, Pe⸗ terich, Taschner, Weynand. Für diese Bildwerke wurden insgesamt 81 890 ausgegeben. Der Gesamtaufwand für Werke lebender Künstler beläuft sich demnach von 1910 bis 1916 auf 340 000 ℳ. Es ist also im Durchschnitt ungefähr die Hälfte der zur Verfügung stehenden Summe für Werke lebender Künstler ausgegeben worden.

Dabei wird das Bestreben durchaus darauf gerichtet, die Werke von den Künstlern selbst zu kaufen. Bei den 16 Bildwerken ist das auch geschehen. Bei den Bildnissen ist es aus den angeführten Grün⸗ den ja nicht leicht, da ältere Werke in der Regel schon in den Handel übergegangen sind und bei neuen Werken viele Künstler ein Ab⸗ kommen mit den Händlern haben, wonach sie alle ihre Erzeugnisse in den Betrieb der Händler geben.

Nun ist schon von dem Direktor der Nationalgalerie im Jahre 1912 angeregt worden, daß Mittel bereitgestellt werden möchten, um von jüngeren Künstlern Werke zu erwerben, die nicht für die als⸗ baldige Aufnahme in die Nationalgalerie, wohl aber für sonstige staatliche Zwecke Darleihung an provinzielle oder städtische Samm⸗ lungen bestimmt sein sollen. Dieser Wunsch ist neuerdings wieder holt worden, wird aber wohl mit Rücksicht auf die Zeitlage zurück⸗ gestellt werden müssen. Dagegen ist es mir möglich geworden, au den mir zur Verfügung stehenden Beträgen doch einmalig 50 000 zu bestimmen, um sie in diesem Sinne zu verwenden, daß also daraus Bildnisse von lebenden oder während des Krieges gestorbenen Künst⸗ lern für staatliche Zwecke gekauft werden und es dann der späteren Entscheidung überlassen wird, ob sie und welche von ihnen etwa dann in die Nationalgalerie aufgenommen werden. Es würde also dadurch der von einem Herrn Vorredner ausgesprochene Wunsch erfüllt werden.

Neben alledem steht nun der Landeskunstfonds, der be⸗ stimmt ist zur Förderung der monumentalen Malerei und Plastik sowie graphischer Kunst. Der Betrag, der für ihn zur Verfügung steht, ist auch während des Krieges nach Möglichkeit herangezogen worden, um neben den monumentalen Aufträgen auch kleinere, in den Rahmen des Fonds fallende Arbeiten und Ankäufe durchzuführen. Da sind im ganzen 100 Künstler bedacht worden, und es sind zu⸗ sammen verausgabt vom August 1914 bis Februar d. J. 494 918 ℳ, auch recht beträchtliche Summen, die alle der Künstlerschaft zugeflossen sind.

Ich komme dann noch auf die Kunstausstellu ngen zu sprechen, auf die mein Herr Vorredner auch eingegangen ist. Als Verkaufs⸗ und Auftragsgelegenheit für die verdient die Große Berliner Kunstausstellung, für die seitens des Staates das Ausstellungsgebäude am Lehrter Bahnhof unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, auch im Kriege gewiß der Förde⸗ rung. Während des Jahres 1915 war das Landesausstellungs⸗ gebäude von der Heeresverwaltung für Lagerzwecke in Anspruch ge⸗ nommen worden. Um die Kinstlerschaft schadlos zu halten, erlangte ich von der Heeresverwaltung einen Betrag von 75 000 ℳ. Für die Zwecke der Ausstellung wurde der Künstlerschaft damals die Akademie der Künste überlassen. Diese Summe von 75 000 ist folgendermaßen verwandt worden: 25 000 zu Ankäufen auf der Ausstellung, 25 000 zu Ankäufen durch Vermittlung der Akademie der Künste, 21 500 zur Deckung des Fehlbetrages der Ausstellung, und 3500 sind von mir der vorhin erwähnten Akademischen Kriegshilfskasse überwiesen worden. Also auch hier beträchtliche Be⸗ träge, die den Künstlern zugute gekommen sind.

Im Jahre 1916 konnte die Ausstellung wieder im Landesaus⸗ stellungspark stattfinden. Dank der hingebenden Arbeit der Aus⸗ stellungskommission, an deren Spitze damals Herr Schlichting stand, schloß die Veranstaltung sogar mit einem kleinen Ueberschuß. Der Wert der auf der Ausstellung verkauften Kunstwerke, der sich im Jahre 1914 nach Kriegsausbruch nur noch auf einige Tausend Mark, im Jahre 1915 nur 115 000 ohne die Staatsankäufe belief, stieg im Jahre 1916 auf 201 000 ℳ. Auf Ersuchen des Waffen⸗ und Munitionsbeschaffungsamtes wurde dann das Ausstellungsgebäude am 2. Oktober 1916 für dringenden Heeresbedarf erneut zur Verfügung gestellt. Die Verhandlungen über die Bedingungen der Hergabe sind noch nicht abgeschlossen; sie bewegen sich in der Richtung, daß mir wieder erhebliche Beträge zugunsten der Künstlerschaft zur Verfügung gestellt werden. Diese werden dann in ähnlicher Weise verwandt werden, wie das im vorangegangenen Jahre der Fall gewesen ist. Sie sehen also, daß doch nicht weniges geschehen ist, um die Künstler über die schwere Zeit des Krieges hinwegzubringen. Man kann auch aus der Steigerung der Ankäufe doch entnehmen, daß die Bedrängnis, die sich namentlich im Anfang des Krieges zeigte, all⸗ mählich nachgelassen hat. Es zeigen das ja auch die großen Einzel⸗ ankäufe, von denen man hört, die aus den Gewinnen des Krieges be⸗ zahlt werden. (Bravo!)

deutsche Künstlerschaft

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chen Neichsanzei

Zweite Beikagemwmpp ger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

1917.

Berlin, Freitag, den 2. März

—y

m (Fortsetzung aus der Ersten Beilage.] Jl Zu. banh.

Die Besprechung wird geschlossen. 7 Auf 5 Husc geh⸗ Bemerkung des Abg. Dr. von Campe (nl.) erwidert

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz:

Gegenüber den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. von Campe sehe ich mich gezwungen, festzustellen, daß der Lehrstuhl, der früher von dem Professor Pfleiderer besetzt war, nach seinem Abgange von einem anderen Professor besetzt gewesen ist, und daß erst, nachdem auch dieser Professor abgegangen war, und sich die Schwierigkeit ergab, einen Gelehrten zu finden, der das große Gebiet der Religionsge⸗ schichte so beherrschte, um es an der Universität vertreten zu können, dann die Ueberleitung dieser Professur in die philosophische Fakultät

stattgefunden hat.

Was den zweiten Punkt anlangt, den der Herr Abgeordnete Dr. von Campe berührt hat, so habe ich darauf hingewiesen, daß Männer aus der Praxis auch zur Lehrtätigkeit auf dem Gebiete der Auslands⸗ studien herangezogen werden sollen und daß diese Absicht auch schon in der Denkschrift angedeutet worden ist. Nur nebenher bin ich auch auf die Spezialität eingegangen, die der Abgeordnete von Campe hervor⸗ gehoben hatte, daß in Frankreich frühere Minister derartige Lehr⸗ stühle übernehmen.

Die durch die Worte des Ministers wieder eröffnete Be⸗ sprechung wird abermals geschlossen.

Abg. Ad. Hoffmann (Soz.) bemerkt persönlich, daß seine Rede im Schützengraben anders wirken würde, als der Abgeordnete Traub angenommen habe. Der Abgeordnete Traub möge doch bean⸗ tragen, diese Rede im Schützengraben anzuschlagen.

Abg. Haenisch (Soz.) bedauert, durch den Schluß verhindert zu sein, seine Behauptung der Todesfälle infolge des Salversans weiter zu belegen.

Es folgt die Besprechung über die höheren Lehran⸗ stalten und die Provinzialschulkollegien sowie den von Mit⸗ gliedern aller Parteien unterstützten Antrag des Abgeordneten Dr. von Campe inl.):

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, nach Eintritt des Friedens eine Konferenz aus Schulmännern aller Schulgattungen und des Schulwesens kundigen Laien aller politischen Parteien ein⸗ zuberufen zur Beratung der zweckmäßigen Ausgestaltung des höheren, mittleren und Volksschulwesens, insbesondere des Aufstieges zu den höheren Schulstufen.“

Abg. von Kessel (kons.): Unsere höheren Lehranstalten haben sich so bewährt, daß keine grundstürzenden Aenderungen vorzunehmen 18n Ein Schulmann hat mit Recht gesagt, unsere Schulen haben die

euerprobe bestanden. Für den nationalen Geist unserer Lehrer spricht es, daß von 15 000 Lehrern 8000 ins Feld gerückt sind, von denen schon 1195 den Heldentod gefunden und 200 das Eiserne Kreuz erster Klasse erworben haben. Derselbe Geist herrscht in den Schülern, die Schülerzahl in der Obersekunda ist mit dem Kriege von 15 000 auf 11 000, in der Unterprima von 12 000 auf 7000 und in der Oberprima von 10 000 auf 950 zurückgegangen. Das wird uns keine andere Nation nachgemacht haben. Um so mehr müssen wir unseren Dank dafür aussprechen, daß in den allermeisten Schulen der Betrieb voll aufrecht erhalten worden ist. Was der Minister über den größeren Eifer der Studenten sagte, trifft auch für die Schüler der höheren Lehranstalten zu. In diesem Kriege darf aber bei den Prüfungen nicht allzu streng auf die Leistungen gesehen werden. Aber der Krieg hat gezeigt, welche Leistungen von den Menschen gefordert werden, deshalb sollten wir uns vor jeder Weichheit noch mehr hüten als bisher. Den Kriegsteilnehmern das Examen zu erlassen, das würde zu ganz un⸗ haltbaren Zuständen führen, da von den anderen das Examen ge⸗ fordert wird. Die Abkürzung der Schulzeit würde ich für ganz verfehlt halten, da die zu frühe Entlassung der Jugend aus der Schule große Schäden in der Zukunft im Gefolge haben kann. Daß das Deutsch der Mittelpunkt des Unterrichts sein muß, ist selbstverständlich; dieses Ziel wird aber nicht allein erreicht durch die Anzahl von deutschen Stunden, sondern der ganze Unterricht muß darauf zugeschnitten werden. Der verstorbene Ministerialdirektor Schwartzkopff sagte ein⸗ mal, jede Schulfrage sei auch eine Lehrerfrage. Das trifft auch hier zu. Es müssen die besten Lehrkräfte berufen werden. Der Geschichts⸗ erlaß des Ministers hat allgemeine Zustimmung gefunden. Zur Entlastung des Geschichtsunterrichts muß auch in den oberen Klassen wieder eine besondere Stunde der Erdkunde gewidmet sein. Jedes Mißtrauen gegen die Jugendwehr müssen wir fallen lassen, wir müssen diese Bewegung unterstützen, das hötdert die Disziplin und die Kameradschaftlichkeit. Die geschlossenen An⸗ stalten halte ich für außerordentlich empfehlenswert, da die Schule nicht nur den Geist, sondern auch den Charakter bilden soll. Der Abg. Adolf Hoffmann hat bedauert, daß es ihm an Bildung fehlt; darauf kommt es weinger an, aber ich bedauere, daß es dem Abg. Hoffmann an Charakter, Takt und Patriotismus fehlt, um das zu unterlassen, was er hier getan hat. Wer in diesem Kriege den Kampf gegen seine eigenen Landsleute führt und unseren Truppen in den Schützengräben geradezu in den Rücken fällt, und wer um diesen Preis einen Frieden will, der will nicht einen Frieden, wie wir ihn brauchen. (Beifall rechts.)

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Der größte Teil der Schüler der höheren Lehranstalten will gar nicht bis zum Abiturienteneramen und zur Universität gehen. Diese Schüler sind für die Schulen lediglich Ballast. Für den Uebergang zur Universität müssen von vornherein die Besten ausgesucht werden, damit nicht eine Ueberfüllung der akademischen Berufe stattfindet. Es könnte in dem Unterbau der sechs Klassen bis zur Obersekunda ein doppelter Lehrgang eingerichtet werden, ein solcher, der weiter bis zum Abiturientenexamen führt, und ein in sich abgeschlossener, nur für die Schüler, die vor dem Abiturientenerxamen die Schule verlassen wollen. Die Schule muß auch den Charakter bilden, die höheren Schulen müssen das Ziel haben, den Schüler zum ganzen Menschen, zum ganzen Deutschen, zum ganzen Patrioten zu erziehen. (Beifall.)

Abg. Hinzmann (Zentr.): Arbeitsfreudigkeit und Charakter⸗ bildung, die der Minister an die Spitze seiner Dienstanweisung ge⸗ stellt hat, sind hohe Ziele, deren Erreichung ein jeder wünschen muß. Wir müssen ein Geschlecht von Gebildeten heranziehen, die den anderen als leuchtendes Vorbild dienen können. In dem neuen Lehrplan darf die Verkürzung der Religionsstunden auf keinen Fall in Frage kommen. Alle Teile des Volkes müssen nach dem Kriege ihre Kräfte anspannen, um die Schäden des Krieges zu heilen. Neben der geistigen Ausbildung müssen aber auch die Pflege des Körpers und die Erholung zu ihrem Rechte kommen. Erfreulich ist der Erlaß des Kriegsministers über die militärische Jugenderziehung, zumal bei den Sonntagsüibungen auf den Gottesdienst Rücksicht genommen werden soll. Die deutsche Nationalgesinnung muß in der Schule in den Vordergrund gerückt werden. Wir wollen nicht die brutale Macht, wie unsere Feinde uns beschuldigen, aber wir wollen die in uns wohnende nationale Kraft in Zukunft höher bewerten als bis⸗

ber. Unsere Jugend muß begeistert werden für die deutschen Tugen⸗ den, deutsche Treue, Zuverlässigkeit, deutsches Heldentum und Ein⸗ fachheit der Sitten. Die Universität braucht vollwertige Studenten, welche mit vollem Verständnis den Unterricht verfolgen können. Ueberall, wo sich das Bedürfnis herausstellt, müssen Sonderkurse für die rückkehrenden Krieger eingerichtet werden, um zum Examen vor⸗ zubereiten. Die Ai an den Technischen höheren Lehr⸗

anstalten sind noch nicht im 92 e der Teuerungszulagen. Sie

muß ihnen so schnell wie möglich gewährt werden. In bezug

auf Verleihung von Titeln müssen die Oberlehrer mit den

Richtern bis in die letzte Konsequenz gleichgestellt werden.

Wenn nach dem Kriege die Lehrpläne einer Aenderung unterzogen

werden, so muß die Erdkunde den ihr gebührenden Platz erhalten.

In den Grenzbezirken sollte der fakultative Unterricht der polnischen

bezw. dänischen Sprache eingeführt werden. Der Handelsminister

möge dieselben Einrichtungen auf den Handelshochschulen einführen.

Es ist anzuerkennen, daß die Frauen so viel neue Pflichten übernommen

haben. Der Unterricht der weiblichen Jugend muß mehr auf Haus⸗

wirtschaft und Kinderpflege ausgedehnt werden. Es muß organische

Fortentwicklung auf diesem Gebiet gefordert werden. Zum Stu⸗

dium sollten nur solche Schülerinnen zugelassen werden, die neben

geistiger Beweglichkeit eine 661 e kräftige körperliche Kon⸗

stitünon besitzen. Wir danken den Lehrern und den Schülern, die

bereits im Grabe ruhen, denen, die draußen vor dem Feinde ihre

Pflicht tun, und denen, die in der Heimat die vermehrte Pflicht auf

sich genommen boben.

Abg. Dr. Blankenburg (nl.): Der deutsch⸗nationale Geist wird nicht dadurch gefördert, daß man die Zahl der Lehrstunden ver⸗ mehrt, sondern dadurch, daß das Deutsche zu einer Art heiligem Geist ernannt wird, der alles durchtränkt. Wir müssen loskommen von dem zuviel Goethe, und Schriftsteller schon deshalb als lesenswert betrachten, wenn sie uns vom deutsch⸗nationalen Standpunkt etwas zu sagen haben, auch wenn die Form nicht vollendet ist. Die Politi⸗ sierung der Jugend, von der in der Denkschrift über die Auslands⸗ studien die Rede ist, kann mit Vorsicht auch bei der Schuljugend ein⸗ setzen. Das weltwirtschaftliche Interesse Deutschlands führt dazu, baß wir dem Englischen den Vorzug vor dem Französischen geben müssen. Man kann den Gedanken der „Kulturkreise“, wie er in der Auslandsdenkschrist zum Ausdruck kommt, auch in der Weise auf die höhere Schule übertragen, daß je nach den verschiedenen Landesteilen sakultativer Unterricht in vlämischer, spanischer und in skandinavischer Sprache eingeführt wird. Wir treten für die Einheitsbestrebungen in der Stenographie ein. Ein wissenschaftlich gegebener Steno⸗ graphieunterricht ist von hohem Werte. Im Alumnatwesen weht er⸗ freulicherweise ein frischer Wind von den freien Schulgemeinden her. Eine Verkürzung der Pausen wäre im Interesse der Schüler und der Lehrer nicht zu wünschen. Die Kurzstunde scheint sich gut eingeführt zu haben. Bei der Festlegung der Ferien muß in dieser Ausnahme⸗ zeit der Grundsap gelten: erst die Nährungsfragen, dann die Bildung. Die beantragte Schulkonferenz darf nicht eine gebundene Marsch⸗ route mitbekommen, und es muß auf ihr das Laienelement reichlich vertreten sein. Eine grundsätzliche Neuregelung der Gehaltsverhält⸗ nisse muß nicht nur die amtlichen Leistungen, sondern auch die Fa⸗ milienverhältnisse berücksichtigen. Der Oberlehrerstand hat noch immer nicht das gefunden, daß er den übrigen akademischen Berufen völlig gleichgestellt wird. An den Gedanken der Schulsekretäre sollte ernstlich herangetreten werden. Die bargeldlose Einziehung des Schulgeldes sollte gefördert werden. Es wäre zu wünschen daß junge Türken zu uns kommen, auch als Jünger der reinen Geistes⸗ wissenschaften. Die jungen Türken dürsen aber nicht isoliert unter⸗ gebracht werden, sondern es müssen mehrere zusammenwohnen können. Die Eitern der Kinder am Bosporus müssen die Gewißheit haben, daß sie ihre Kinder wiedererhalten als keine Anhänger des Islam. Wir wollen es nicht so machen wie die Franzosen, die junge Pariser aus ihren Zöglingen gemacht haben, und das wird uns weit über die Türkei hinaus Vertrauen erwerben. Das größte Uebel der Einheits⸗ schule ist ihr Name, der so unglücklich gewählt worden ist. Wir sind durchaus für Erleichterung des Uebergangs von der Volksschule auf die höheren Schulen. Solange wir noch das Volk der Hungerpastoren im Sinne Wilhelm Raabes sind, das Volk der Dichter und Denker, der spekulativen Köpfe, solange wird die geistige Welt nicht vor der technischen zurücktreten. Beides gehört eng zusammen.

Abg. Haenisch (Soz.): Meine Freunde haben den Antrag auf Berufung einer Schulkonferenz mit unterschrieben, denn wir wün⸗ schen auch die praktische Ausgestaltung des Schulunterrichts. Der Geschichtsunterricht muß sich, auch in der Volksschule, immer mehr zu einem Unterricht in der Kulturgeschichte umbilden. In den höheren Schulen muß auch die geschichtliche Entwicklung der modernen Ver⸗ fassung vorgetragen werden. Die humanistischen Gymnasien sind nur noch bedingt wertvoll. Das Leben ist darüber hinaus gewachsen. Der deutsche Unterricht muß neben dem lateinischen in den Gymnasien den Mittelpunkt des Unterrichts bilden, und die modernen Sprachen sollten wenigstens fakultativ gelehrt werden. Man muß dabei auch an die polnische Sprache denken. Auf jeden Fall müssen die verschiedenen Schulformen gleichberechtigt sein. Neben Goethe und Schiller müssen auch Dramen moderner Schriftsteller gelesen werden. Das bringt die Schüler in Kontakt mit dem modernen Leben. Eine Reform des ganzen Berechtigungswesens ist dringend notwendig. In dem Aus⸗ schuß wurde erfreulicherweise anerkannt, daß das Berechtigungswesen ein Krebsschaden ist. In den ersten Schuljahren müßte der Unter⸗ richt möglichst Anschauungsunterricht sein, um das Verständnis der Kleinen leichter zu wecken, und durch Wanderungen sollte eine Ka⸗ meradschaftlichkeit zwischen Schülern und Lehrern angebahnt werden. Der Krieg hat uns gezeigt, wie wichtig die körperliche Ertüchtigung der Jugend ist; ich empfehle deshalb dringend die Schulgesundheits⸗ pflege. Wir brauchen einen gesunden Optimismus (Zwischenruf des Abgeordneten Ad. Hoffmann), nein, Abg. Hoffmann, ohne ge⸗ sunden Optimismus kommt man überhaupt nicht weiter. Wenn man von vorn herein sagt, daß man doch nicht erreicht, was man wünscht, dann gibt man den Kampf von vorn herein auf. Ich hoffe, daß wir Reformen erreichen, und in diesem Sinne bin ich Optimist. Das Wertvolle sollen wir auch aus dem Auslande nehmen; auch aus dem feindlichen Auslande kann Gutes kommen. Endlich will ich für die freie Schulverwaltung eintreten. Der Lehrer muß auch außerhalb der Schule die Pspche seiner Schüler kennen lernen können, namentlich auch auf gemeinsamen Wanderungen und Reisen. Aus dem bishevigen starren preußischen Schulsystem sollte ein halbstarres gemacht werden. Durch die eigene Schulverwaltung und Schulgerichtsbarkeit werden die Schüler zu Persönlichkeiten erzogen. Die Vorschulen müssen be⸗ seitigt werden und alle Schüler, gleichviel welchen Standes die Eltern sind, müssen zunächst in einen gemeinsamen Unterricht gebracht werden. Die Klassengegensätze werden dadurch zwar nicht beseitigt, aber durch gegenseitiges Verstehen unter den Klassen können die Formen der Klassengegensätze gemildert werden. Das kann auf der Schule durch gemeinsamen Unterricht vorbereitet werden. Es darf niemals ver⸗ gessen werden, was die arme, große Masse mit ihrem Blute für das Vaterland leistet. Mit einer Sozialisierung und Demokratisierung des gesamten Schulwesens werden nicht die Persönlichkeiten herab⸗ gedrückt, sondern es werden Persönlichkeiten erzogen. In unserem Volke liegen noch ungeheure Schätze ungehoben. (Beifall bei den Soz.)

Darauf vertagt sich das Haus.

Abg. Ad. Hoffmann verwahrt sich in persönlichen Bemerkungen gegen den vom Abgeordneten Kessel erhobenen Vorwurf des Mangels an Patriotismus. Er kämpfe nicht gogen das

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eigene Volk, sondern gegen diejenigen, die das Volk auf der Schlacht⸗ bank verbluten lassen wollten. (Präsident Dr. Graf von Schwe⸗ rin⸗Löwitz ruft den Redner zur Ordnung.) Er habe für den Schutz gegen den Wahnsinn der Menschheitszugrunderichtung ge⸗ sprochen.

Abg. Graf von der Groeben (kons.): Der Abgeordnete Kessel ist jetzt verhindert hier zu sein, sonst würde er dem Abgeord⸗ neten Hoffmann die gebührende Antwort geben.

Schluß 4 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag, 11 Uhr. (Antrag von Heydebrandt, betreffend die ösergung⸗ des inneren Marktes durch die Zentraleinkaufsgesellschaft; Kultusetat.)

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.

(Nach den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“, Nr. 9 vom 28. Februar 1917.)

Pocken.

Deutsches Reich. In der Woche vom 18. bis 24. Februar wurden 89 Erkrankungen f stgestellt, nämlich 11 in Berltn, fe 1 in Berlin⸗Wilmersdorf und in Neuköllln, je 2 in Char⸗ lottenburg und Spandau, 1 in Brandenburg a. H. (Reg.⸗ Bez. Potsdam), 1 in Fürstenwalde (Kreis Lebus, Reg.⸗Bez. Frank⸗ furt), 3 in Grimmen (Reg.⸗Bez. Stralsund), 9 im Reg.⸗Bez. Merseburg davon 6 in Wittenberg, 2 in Klein Witten⸗ berg und 1 in Piesteritz (Kreis Wittenberg) —, 8 im Reg⸗Bei. Schleswig, nämlich je 1 in Itzehoe (Kreis Steinburg), in Süderbrarup (Kreis Schleswig), in Schinkel (Kreis Eckern⸗ förde), in Nortorf (Kreis Rendeburg), in Koperpahl (Kreis Bordesholm), in Winnert (Kreis Husum) und 2 in Ramstedt (Kreis Husum), 7 im Reg.⸗Bez Hannover und zwar 6 in Hannover und 1 in Wunstorf (Kreis Neustadt) —, 1 in Ntiedersachswerfen (Kreis Ilfeld, Rea.⸗Bei. Hideshe’m), je 1 in Celle, (Kreis Lüneburg) und Asendorf (Kreis Winsen, Reg.⸗Bez Lüneburg), 4 in Warendorf, 3 in Zocholt (Kreis Borken, Reg.⸗Bez. Münster), je 1 in Minden, 3 in Höxter (Reg.⸗Bez. Minden), 4 in Rinteln (Reg⸗ Bez. Cassel), 2 in Deesen (Unterwesterwaldkreis, Reg. Bez. Wies⸗ baden), ferner 2 in Hof a. S. (Reg.⸗Bez. Oberfranken), 1 in Lud⸗ wigsburg (Donaukreis, Württemberg), 1 in Güstrow (Mecklen⸗ burg Schwerin), 1 in Auma (Sachsen⸗Weimar), 4 in Lübeck, 4 in Bremen und 9 in Hamburg...

Außerdem wurden für die Honvüche 3 Erkrankungen nachträglich angezeigt, nämlich 1 in Osterburg (Reg.⸗Bez. Magdeburg), 1 in Hildeshetm, 1 in Sende (Kreis Wtedenbrück, Reg.⸗Bez. Minden).

Fleckfieber.

Oesterreich⸗Ungarn. In Ungarn wurden in der Zeit vom 22. bis 28. Januar 35 Erkrankungen angezeigt, davon 1 aus dem Komitate Gereg, je 2 aus den Komisaten Zips und Neutra, 5 aus Hermannstadt, 11 aus den Komitate Marmaros und 14 aus der Stadt Gran, ferner vom 29. Januar bis 4. Februar 20 Exkrankungen, nämlich 5 aus Budapest und 15 aus 1 Gemeinde des Komitats Marmaros.

Genickstarre.

Preußen. In der Woche vom 11. bis 17. Februar sind 11 Er⸗ krankungen (und 4 Todesfälle) in folgenden Regterungsbezirken sund Kreisen] gemeldet worden: Landespolizeibezuk Berlin 1 [Berlin⸗L'chtenbera], Reg.⸗Bez. Aachen 1 (1) Eupen’, Arnsberg 2 [Altena, Bochum Land je 11[, Gum binnen Hildes⸗ heim 1 [Göttingen Studt], Oppeln 1 (1) [Kosel (1), Pleß 11], Trier 3 (2) (Saarlouis, Wiesbaden 1 [Frankfurt a. M.].

Schweiz. In der Woche vom 4. bis 10. Februar 1 Er⸗ krankung im Kanton Graubünden.

Spinale Kinderlähmung.

Preußen. In der Woche vom 11. bis 17. Februar 1 Er krankung und 1 Todesfall im Reg.⸗Bez. Arnsberg (Kreis Dort⸗

mund Stadt). Schweiz. In der Woche vom 4. bis 10. Februar 1 Er⸗ Ruhr.

krankung in Bern.

Preußen. In der Woche vom 11. bis 17. Februar sind 0 Erkrankungen (und 13 Todesfälle) in folgenden n tirken sund Kreisen] gemeldet worden: Landerpolt esbezirk Berlin [Berlin Stadt’, Reg.⸗Bez. Arnsberg 27 (5) [Bochum Land 2, ortmund Land 3, Soest 21 (5). Wttten 11„ Breslau 1 (Breslau tadt]!, Cassel 34 (3) (Cassel Land 31, Falkenberg 3 (3)], Koblenz 1[Simmern)⸗, Gumbinnen 2 (Tilsit St dt, Stallypönen je 11, Köslin 1 (2) [Lauenburg 1. Bomm.), 2 [Lüben], Magdeburg 4 (Gardelegen)!, Marienwerder 3 ([Kontz], Merse⸗ burg 2 ([Bitterfeld, Torgau je 11, Münster 1 (1) [Münster Stadt (1), Recklinghausen Land 1], Oppeln 2 (1) [Leobschütz 1, Neiße Land 1 (1)), Potsdam 3 (1) [Niederbarnim]!, Schleswig 3

[Eckernförde’, Trier 2 (Saarbrücken Stadt)]. . Nachträglich gemeldet für die Vorwoche: Liegnitz 3 (2)

(Lüben]. Verschiedene Krankbeiten in der Woche vom 11. bis 17. Februar 1917 (für die deutschen Orte).

Pocken: Budapest 2 Todesfälle, Budapest, Prag und Vororte je 4 Erkrankungen; Varizellen: Budapest 56, Wien 89 Erkran⸗ kungen; Fleckfieber: Budapest, Praa und Vororte je 2, Wien 6 Erkrankungen; Rotz: Reg.⸗Bei. Cassel 1 Erkrankung; Tollwut: Budapest 1 Todesfall, 2 Erkrankungen; Bißverletzungen durch tollwutverdächtige Tiere: Berlin 1, Reg Bezirke Liegnitz 2 (Vorwoche), Marienwerder 1; Influenza: Berlin 24, Amster⸗ dam 1, Kopenhagen 5, New York 8, Wien 1 Todesfälle, Nürn⸗ berg 63, Kopenhagen 549, Stockholm 35 Erkrankungen; Genick⸗ starre: New York 3, Stockholm 1 Todesfälle, Budapest 1, Kopenhagen 2, New York 4, niederländische Orte 7. bis 13 Fe⸗ bruar) Utingeradeel, Deventer, Vollenhove Stadt je 1, Gro⸗ ningen 2, Amsterdam, Amersfort je 1, Utrecht 2, Leiren, Oisterwijk und Venlo se 1. Stockbolm 3 Erkrankungen; spinale Kinderlähmung: New YAork 3 Todesfälle, Hessen 1, New York 9 Erkrankungen; Krätze: Reg.⸗Bez. Posen 57, Kopenhagen 135 Er⸗ krankungen. Ferner wurden Erkrankungen gemeldet an: Scharlach in Berlin 35, Hamburg 30, Amsterdam 65, Budapest 55, Kopen⸗ hagen 32, New York 85, Stockholm 44, Wien 64; Masern und Röteln im Reg⸗Bez. Posen 79 (Kreis Schmiegel 72), in Nürn⸗ berg 28, Hamburg 30, Budapest 83, Kopenhagen 47, New York 55, Stockholm 26; Diphtherie und Krupp im Landespoliz tbezt ke Berlin 193 (Berlin⸗Stadt 128), in Breslau 27, in den Reg⸗Be⸗ zirken Cöln 103, F 127, Potsdam 158, Schleswig 108, in Augsdurg 32, Stuttgart 31, Baden 143, Lüdeck 22, Bremen 29 (Bremen⸗Stadt 24), Hamburg 93, Budapest 41, Kopenhagen 44, New York 189, Szockholm 40, Wien 69; Keuchhusten in Buda⸗ pest 29, New YVork 18; Typhus in Budapest 20, New York 18.

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