1917 / 54 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Mar 1917 18:00:01 GMT) scan diff

und so wird es in den meisten anderen Bundesstaaten auch sein ven den Erbschaftssteuerämtern, also von den Eteusrämtnen, die den indirekten Gteuerbehörden angegliedert sind, veranlagt. Das geht auch, sie können von verhältnismäßig kleinen Behörden veranlagt werden, weil es sich nur bei der Erb⸗ schaftssteuer um die Besteuerung der Kollateralerbschaften handelt. In dem Moment, wo wir durch eine Erbschaftssteuer die Besteuerung des Deszendentenerbes einführen, müßten wir einen ganz neuen Apparat aufstellen. Daruͤber ist für mich kein Zweifel. Wir würden diesen Apparat praktisch nicht an die Erbschaftssteuerämter angliedern, sondern an die Veranlagungskommissionen; denn die Erbschaftssteuer hängt auf das engste mit Vermsgenssteuerm und Einkommenssteuern zusammen. Wir mwürden also den Veranlagungsbehörden, die in allen Bundes⸗ igaten jetzt bei der Veranlogung der Besitzsteuer, der Ergänzungs⸗ steuer in Preußen, der Kriegssteuer und der Einkommensteuer eine ganz ungewöhnliche Arbeit mit einem außerordentlich verringerten Apparat zu leisten haben, eine neue Aufgabe zuweisen, die jetzt im Kriege zweifellos nicht zu lösen ist.

Der vierte Vorschlag des Herrn Abg. Keil es waren ziemlich zahlreiche Vorschläge ging auf eine Erhöbung der Matrikular⸗ beiträge. Meine Herren, über die Matritularbeiträge ist in diesem hohen Hause schon viel geiprochen worden. (Sehr richtig! rechts.) Ich hätte diesen Vorschlag im gegenwärtigen Moment offen gestanden nicht erwartet; denn, meine Herren, wie sollen wir die Matrikular⸗ beiträge Sie wollen mehrere bundert Millionen herausholen zurzeit in dieser Höhe von den Bundesstaaten einfordern? Nach dem alten Fuß, den Sie selbst schon vor dem Kriege als recht ungerecht hier immer wieder bezeichnet haben? Welcher neue Fuß steht uns denn aber zur Verfügung? Sie werden vielleicht sagen: der Webrbeitrag. Aber da weise ich wieder darauf hin, daß der Wehrbeitrtag am 1. Januar 1914 veranlagt worden ist. Wenn wir danach die Matrikularbeiträge umzulegen hätten, dann würden jetzt die allergrößten Ungerechtigkeiten entstehen. Wir lönnen es auch nicht nach der Besitzsteuer machen, und nach der Kriegssteuer wüzden sich ebenso falsche Bilder ergeben. Während beim Wehrbeitrag das Bild bei den Hansestädten jetzt im Verlauf des Krieges viel zu günstig sein würde, würde bei der Besitzsteuer wieder ein Bundesstaat, in dem zufällig eimnal ein großer Riesen⸗ kriegsgewinn gemacht worden ist, ganz ungerecht herangezogen werden, denn die Kriegssteuer weist den Zuwachs, der geographisch zufällig eintreten kann, und nicht den vorhandenen Vermögensstand nach. Wir würden also für hohe Matrikularbeiträge keinerlei gerechte Unterlagen haben, um sie zu verteilen. Ich muß deshalb und ich glaube, mich darin in Uebereinstimmung mit fast sämtlichen Parteien des hohen Hauses zu befinden den Gedanken, die Matrikular⸗ beiträge über das Maß zu erhöhen, das wir in den letzten Etats ein⸗ gehalten haben, ablehnen.

Nun der letzte Verschlag! Der letzte Vorschlag ging auf eine Verdoppelung der Besitzsteuer. Meine Herren, hat der Herr Abg. Keil sich denn nicht überlegt, daß die Kriegssteuer gar nichts anderes ist als eine erweiterte Besitzsteuer, eine Besitz⸗ steuervervielfachung? Die Kriegssteuer fängt mit 5 % des Zuwachses an. Die Besitzsteuer faßt Nie unterste Stufe mit 0,75. Die Besitzsteuer geht bis 2,5, die Kriegsstener geht bis 50 %. (Zuruf.) Ich kenne ja Ihren Einwand, Herr Abgeordneter, mit der Erbichafts⸗ steuer. Aber für *% der Fälle, die durch die Besitzsteuer getroffen werden sollen, bedeutet die Kriegssteuer eine Verzehnfachung bis Ver⸗ zwanzigfachung der Besitzsteuersätze. Da kommt nun der Herr Abg. Keil mit der neuen Erfindung, just die Besitzsteuer zu verdoppeln, nachdem wir sie selbst bereits in der Kriegssteuer vervielfacht haben. Meine Herren, wenn der Herr Abg. Keil den Gedanken der Be⸗ ziehungen dieser beiden Steuern zu einander vorher etwas weiter ver⸗ folgt hätte, dann wäre er vielleicht auf den Gedanken gekommen, daß es nicht praktisch wäre, der Staatsregierung gerade bei diesem seinem Vorschlag den Vorwurf der Gedankenlosigkeit zu machen.

Meine Herren, zur Kriegssteuer, mit der sich ja der Herr Abg. Keil durchaus einverstanden erklärt hat, sind noch einige Bemerkungen gemacht worden, die wir sicher in der Kommission eingehend zu prüfen haben werden. Es ist vor allen Dingen darauf hingewiesen, daß die Kriegssteuer sich von dem Gedanken einer Kriegsgewiunsteuer zu weit entfernt hätte, und das muß ich nach gewissen Richtungen bin zugeben. Aber ich darf Sie auf die technischen Schwierigkeiten aufmerksam machen, die im vorigen Jahre in der Kommission gerade bei diesem Punkte so eingehend besprochen worden sind. Meine Herren, wie wollen Sie denn in einer Steuerdeklaration dem Besitz⸗ zuwachs ansehen, ob er auf Kriegsgewinn zurückzuführen ist? Man kaun sagen, das gewerbliche Einkommen allein soll herangezogen werben. Aber haben wir auch nicht Kapftalisten, die Aktien haben und dadurch unter Umstunden crhebliche Kriegsgewinne machen? Kann der Kriegsgewinn sich micht verbergen in dem Gehalt eines Prokuristen? Diese Unterscheisung wird sehr schwer fallen. Ich ehne es aber nicht ab, die Frage, die ich für so außerordentlich wichtig halte, in der Kommission bei Gelegenheit des Sicherungs⸗ gefetzes noch einmal in Erwägung zu ziehen. Ob sie bei dem Zu⸗ schlage von 20 % zu berücksichtigen sein mwird, möchte ich doch in Zweisel ziehen. Ich glaube, das hieße das ganze vorjährige Gesetz wieder aufrollen.

Ich sprach vorhin von der Beteiligung der Bundesstaagten und der Kommunen an den verschierenen Steuerauellen und tann da an einer Aeußerung nicht vorbeigehen, die vor einigen Tagen der Herr Abg. Wiemer in bezug auf das Verhäaltnis der Reicht finanzverwaltung zu den bundesstaatlichen Finanzverwaltungen gemacht hat. Der Herr Abgeordnete bezeichnete die 26 bundesstaatlichen Finanzverwaltungen dͥls W natiunliche Feinde der Reichsfinanzverwaltung. (Sehr richtig! linke) Dem widerspreche ich ganz entschieden, und aus meiner Erfabrung der letzten Monate heraus tanmng ich nur die Eikaarung abgeben, daß bei den Steuerprejekten, die Ihnen jetzt vorliegen, die Bundesstaaten unter Zurückstellung vieler berechtigzer Eigenwünsche nur das eine Ziel mit der Reichsfteebhsberwhaltung zusummen verfolgt haben, dem Reich aus schwerer Not zu helfen, und dafür bin ich den bundesstaatlichen Finanz⸗ verwaltungen dankbar. (Braro! rechts) Es wäre außerordentlich falsch, wenn sich die Reichssfinanzvermaltung in einen Gegensatz zu den bundes⸗ staatlichen Finanzverwaltungen begeben wollte. Denn, meine Herren, die Reichstaagzverwaltung muß auf diesen Finanzverwaltungen in vielfachee Beztebnag vasteren. Cbenso wie den anderen Reichs⸗ reorts sehlt err Neichefinanzverwaltung es an Organen, mit denen sie die ihrer eigenen verfolgen

. E“ Wirkungen Maßunahmen

nicht entziehen.

kann. Das natürliche Bindeglied sind auf diesen Gebieten die Bundesstaaten. Wir werden die Erfahrungen der Praxis in erster Linie durch die Vermittlung der Bundesstaaten gewinnen können, und ich halte diese Erfahrungen gerade bei den großen Auf⸗ gaben, die uns jetzt bevorstehen, doch für außerordentlich wichtig. Ich muß also für meine Person die Erklärung abgeben, daß ich das größte Gewicht auf ein verständnisvolles Zusammenarbeiten mit den bundes⸗ staatlichen Finanzverwaltungen lege, wie das in den letzten Wochen zwischen der Reichsfinanzverwaltung und den Bundesstaaten durchaus der Fall gewesen ist.

Ich durfte bereits hervorheben, daß der weitaus größte Teil der Herren Redner eine sachliche Prüfung der Steuervorlagen in der Kommission zugesagt hat. Wir werden uns Abänderungswünschen, soweit sie irgendwie mit der Tendenz dieser Gesetze vereinbar sind, Aber, meine Herren, ich hoffe, daß die Verhandlungen in der Kommission ebenso wie die Verhandlungen im Bundesrat getragen sein werden von dem Geiste der Sorge um das Gemein⸗ wohl. (Bravo!)

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald: Der Abgeordnete Henke bezweifelte im Ausschuß an Vorgänge in Frank⸗ Iut a.. I. 898 allgemein im Reiche angeordnet sei, daß bei Lohnzahlungen die Militärrenten nicht in Anspruch genommen werden dürfen. Der Reichskanzler hat für das Reichsgebiet allge⸗ mein Anweisungen ergehen lassen. Der Reichskanzler hat sich auch an sämtliche Bundesstaaten gewandt, auch ihrerseits die gleichen Er⸗ leichterungen zu treffen, und diese haben ähnliche Aufforderungen an die Kommunalverwaltungen gerichtet. Soweit mir bekannt ist, haben diese in ganz überwiegenden Fällen angeordnet, daß bei Lohn⸗ zahlungen solche Abzüge nicht gemacht werden sollen.

Abg. Dr. Spahn. (Zentr.): Das deutsche Volk wird mit Ge⸗ nugtuung davon Kenntnis genommen haben, daß alles getan werden soll, um das Los der deutschen Gefangenen zu mildern. Weiter will ich betonen, daß ich das größte und wärmste Interesse für das Schick⸗ sal der vlämischen Bevölkerung habe. Mit dem Staatssekretär Graf Roedern halte auch ich die Einführung des Segseekt während des Krieges nicht für angangig. Die Staatsregierung hat nur auf einige der hier aufgeworfenen Fragen geantwortet. Ich weiß nicht, ob ich inbezug auf meine Wünsche gegenüber der Parität, die ich für außergewöhnlich wichtig halte, den Grundsatz anwenden darf: qui tacet, consentire videtur!

Staatssekretär Dr. Helfferich:

Meine Herren! Ich hatte die Absicht, auf die verschiedenen

Fragen es sind ja nicht gerade sehr wenige gewesen —, die in mein Geschäftsbereich gehören, gelegentlich der Beratung des Etats des Reichsamts des Innern zurückzukommen, um hier die General⸗ debatte, in der vom Etat von Steuerfragen, auswärtiger Politik und ähnlichen Dingen die Rede ist, meinerseits nicht zu verlängern. Da der Herr Abgeordnete Spahn aus Gründen, die ich voll würdige, Wert darauf legt, daß ich zu seinen Ausführungen über die Paritätsfrage schon jetzt im Rahmen der Generaldiskussion Stellung nehme, so will ich mich dem nicht entziehen.

Der Herr Abgeordnete Spahn hat erst vor zwei Tagen, am ersten Tage der Generaldebatte, beklagt, daß in der Beamtenschaft des Deut⸗ schen Reichs das katholische Element der Bevölkerung in einem Ver⸗ hältnis vertreten sei, das dem Anteile der Katholiken an unserer Ge⸗ samtbevölkerung nicht entspreche. Meine Herren, ich habe keine Statistik zur Verfügung, die über das zahlenmäßige Verhältnis vollen

Aufschluß gibt, aber der Augenschein und Stichproben beweisen, daß

die Tatsache an sich richtig ist, daß in der Tat das katholische Element der Bevölkerung in unserer Beamtenschaft das gilt nicht bloß für das Reich, das gilt auch für Preußen nicht in dem Maße vertreten ist, wie man es nach seinem Anteile an der gesamten Bevölkerung er⸗ warten könnte. Ich gebe das ohne weiteres zu, und ich bedauere es. Ebenso wie vor kurzem im preußischen Abgeordnetenhause der Herr Minister des Innern es getan hat, kann ich Ihnen hier namens der Reichsleitung die Versicherung geben, daß wir unsere volle Aufmerk⸗ samkeit dieser Frage zuwenden, und daß wir ehrlich und nach Kräften bemüht sein werden, an der Abstellung dieses Mißverhältnisses zu arbeiten.

Meine Herren, diese Arbeit wird nur dann von Erfolg sein können, wenn wir uns über die Gründe dieses Mißverhältnisses im Klaren sind, und diese Gründe sind das wird der Herr Abgeordnete Spahn zugeben nicht so ganz einfach, sie liegen nicht ohne weiteres auf der Hand, sie sind komplizierter Natur. Sie beruhen zum Teil auf der historischen Entwicklung unseres Vaterlandes und seiner Einzel⸗ staaten, sie beruhen auf Neigungen und Traditionen von einzelnen Be⸗ völkerungsteilen und, ich möchte hinzusetzen, auch von einzelnen Landesteilen. Gerade, wenn Sie die Verhältnisse in Preußen nehmen und auf der Beamtenschaft der Einzelstaaten beruht ja die Be⸗ amtenschaft des Reichs, das Reich zieht ja keine eigenen Beamten beran —, dann werden Sie die Beobachtung machen, daß die Tradition, die Familientradition, die die Beamtenlaufbahn bevorzugt, in gewissen, namentlich den alten preußischen Landesteilen ganz besonders aus⸗ gebildet ist. Das sind Dinge, die sich nicht von heute auf morgen andern oder ändern lassen.

Ich will auf diese Frage bier nicht im einzelnen eingehen. Ich habe nur das Bedürfnis, das eine zu sagen, daß eine bewußte und ab⸗ sichtliche Zurücksetzung der Katholiken, einerlei, ob sie politisch zur Zentrumspartei gehören oder nicht, bisher nicht stattgefunden hat (Widerspruch im Zentrum) und auch künftig nicht stattfinden wird.

Nein, meine Herren, eine bewußte und absichtliche Zurücksetzung hat nicht stattgefunden und wird jedenfalls in Zukunft nicht stattfinden.

Eine Bevorzugung auf Grund der Konfession ist auch von dem Herrn Abgeordneten Spahn nicht verlangt worden, sie würde sich auch nicht rechtfertigen lassen das wurde ja auch von anderen Rednern aus dem Hause, die zu dieser Frage gesprochen haben, be⸗ tont durch das Bestreben, eine zahlenmäßige Parität herzustellen. Die beste Parität scheint mir die zu sein, die nach der Konfession überhaupt nicht fragt. (Sehr richtig!) Das ist der Standpunkt, auf dem auch die Zentrumspartei gestanden hat und heute noch steht. Der Artikel 2 des Toleranzantrages (Zuruf des Abgeordneten Gröber aber, Herr Abgeordneter Gröber, es handelt sich nicht daru und watum der Toleranzantrag damals abgelehnt worden ist sondern nur darum, daß auch Sie nicht die Absicht haben stimmen zu —, eine Bevorzugung treten zu lassen. Für diese Auffassung, die ich teile, spricht der Tole⸗ ranzantrag in Artikel 2, der sagte:

„Staatliche und kommunale Behörden dürfen Befragungen und Außzeichnungen über die Zugehörigkeit zu einer Religions⸗ gemeinschaft nur dann vornehmen, wenn es sich um die Geltend⸗

machung rechtlicher Pflichten orer Befugnisse handelt, welche von

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aus konfessionellen Gründen ein⸗

der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft ab⸗ hängen.“

Es liegt also ganz in Ihrem Sinne, daß eins Bevorzugung nach der Konfession ebensowenig eintreten soll wie auf dor anderen Seite eine Benachteiligung. (Zurufe.) Meine Herren, es liegt mit ja nut daran, unsere Uebereinstimmungen festzustellen. (Heiterkeit.)

Wesentlich für die von Ihnen und der Reichsleitung gewünschte Besserung des von Ihnen beklagten Mißverhältnisses scheint mir zu sein, daß die katholischen Kreise, die für die Beamtenlaufbahn in Betracht kommen und Neigung haben und auch diejenigen, die heute schon in der Beamtenlaufbahn stehen, sich davon durchdringen und

sie dürfen davon durchdrungen sein —, daß es keine konfessionelle Be-⸗

vorzugung oder Zurücksetzung im Deutschen Reiche gibt. (Hört! Hört! links.) Ich glaube, wir haben doch auf diesem Wege einige Fortschritte gemacht, nicht nur während des Krieges, sondern auch schon vorher. Ich glaube, darauf hinweisen zu dürfen, daß der schwere und starke Riß, der seit der Reformationszeit durch unser ganzes deutsches Volk ging und der das deutsche Volk in zwei Lager getrennt hat, sich in den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege überbrückt hat und zusammen⸗ geheilt ist. Das ist ein Gesundungsprozeß, den wir alle nur mit unseren besten Kräften fördern und begünstigen können.

vorwärts gebracht hat. Wir haben in diesem Kriege gelernt, er hat uns vor Augen geführt, daß wir uns vor allem als Deutsche und als

Brüder fühlen müssen, daß Parteien und Konfessionen, daß alle die

Unterschiede, über die wir uns früher gestrilten haben, zurücktreten müssen. Ich möchte die Hoffnung aussprechen, daß diese Wirkung des Krieges nicht mit dem Kriege selbst zu Ende sein wird, daß sie weiter fortwirken möge, daß das Trennende, was heute noch zwischen den Konfessionen stehen mag, mehr und mehr verschwindet. Ich bin überzeugt, daß, wenn es uns gelingt, auf diesem Wege weiter⸗ zukommen, dies auch die beste, die glücklichste und die endgültige Lösung der Paritätsfrage sein wird. Es geht auch hier gewiß nicht von heute auf morgen. Ich kann nur meine Versicherung wieder⸗ holen: Die Reichsleitung steht, genau wie es der preußische Herr Minister des Innern im Abgeordnetenhause erklärt hat, auf dem Standpunkte, daß die Frage, die der Herr Abgeordnete Spahn an⸗ geregt hat, ihre volle Beachtung verdient, und die Reichsleitung wird bemüht sein, soweit es ohne Bevorzugung überhaupt möglich ist, einen Ausgleich herbeizuführen, der dem Anteil der Katholiken an unserer Gesamtbevölkerung entspricht. (Beifall.)

Abg. Graf Westarp (dkonf.): Man hörte dem Abg. Haußmann ordentlich an, wie schmerzlich es ihm war, daß er uns die Adlon⸗ konferenz nicht an die Rockschöße hängen konnte. Er wird selber das Gefühl gehabt haben, daß das ein Versuch am untauglichen Obiekt war. Mit besonderer Betonung hob er hervor, daß er eine Be⸗ sprechung mit dem Grafen Hoensbroech gehabt habe. Ich bin lieber tot, als unhöflich. Selbst wenn ein Parteifreund des Abg. Haußmann zu mir kommt, so gehe ich auf eine Besprechung ein, und ich habe schon sehr viele Herren gesprochen, die nicht von meiner Partei waren, und deren Vorschlägen ich durchaus nicht zustimmen konnte. Dann hat der Abg. Haußmann auf den Schluß meines Briefes an den Grafen Hoensbroech hingewiesen und mir besonders zum Vorwurf gemacht, daß ich ein Eingehen auf die Vorschläge des Grafen Hoens⸗ broech nur zurzeit abgelehnt habe. Er hat aber falsch zitiert, denn er hat den Zusammenhang nicht berücksichtigt. Der letzte Absatz des Briefes bezog sich, wie aus dem vorletzten Absatz ganz klar hervor⸗ geht, lediglich auf den Vorschlag, nach welchem die konservative und die nationalliberale Fraktion ein Zusammentreten des Reichstags fordern und in dem so zusammengetretenen Reichstag die Entlassung des Reichskanzlers durchsetzen sollten. Da habe ich gesagt: Die Entscheidungen, um welche jetzt draußen gekämpft wird, und die allein durch die Leistungen von Héer und Marine und durch die geschlossene Einheit des deutschen Volkes herbeigeführt werden können, sind so schwerwiegender Natur, daß nach meiner Ueberzeugung auch das „auch“ hat der Abg. Haußmann nicht zitiert auch aus diesem Grunde parlamentarische Aktionen zurzeit jedenfalls vermieden werden müssen. Der Abg. Haußmann meint, wir müßten ihm und seinen Freunden dankbar sein, daß wir nicht am 12. Dezember das Wort ergriffen hätten, und das damit begründet, daß, wenn wir damals die Rede gehalten hätten, die wir jetzt gehalten haben, die Wirkung des Friedens⸗ angebotes geschädigt und abgeschwächt worden wäre. Ich habe damals in allen Vorbesprechungen ganz genau mitgeteilt, was wir sagen würden, und wir haben am 13. Dezember eine Fraktionserklärung veröffentlicht, aus der auch ganz klar hervorging, was wir gesagt haben würden. Da wird man kein Wort offener oder versteckter Kritik an dem Friedensangebot finden können, lediglich die Wendung, es bestehe die Gefahr, daß das Friedensangebot im Auslande lediglich als Zeichen der Schwaͤche ausgelegt würde; deshalb hätten wir es für nötig gehalten, daß der Reichstag in einer kraftvollen Aktion dem Friedensangebot zustimmte, aber mit der Zustimmung eine Be⸗ kundung seines Kampfes⸗ und Siegeswillens verbände. Ueber die Kriegsziele ist ja gesagt worden, daß, wenn die Feinde das Friedens⸗ angebot annähmen und daraufhin in Verhandlungen eingetreten würde, es allerdings erwünscht sei, daß dem Reichstag Gelegenheit gegeben würde, Stellung zu nehmen. Wir haben damals nur beabsichtigt, das in einer ganz kurzen und ruhigen Erklärung darzutun, in der die konservative Partei die Erwartung aussprechen sollte, daß die mit dem Blut unserer Tapferen erkämpften Vorteile zur Grundlage eines Friedens gemacht würden, der militärisch und wirtschaftlich unser Vaterland sicherstellt. Ich bin noch heute der Meinung, daß eine solche Aktion des Reichstags das Friedensangebot nicht nur nicht ge⸗ schädigt, sondern es sogar unterstützt haben würde. (Beifall rechts.)

dbg. Legien (Soz.): Den Gewerkschaften ist der Vorwurf ge⸗ macht worden, sie seien unduldsam gegen die Werkvereine. Die National⸗ liberalen haben nun allerdings zugegeben, daß sie auf Grund der Er⸗ fahrungen dieses Krieges die Gewerkschaften anders beurteilen müßten. Aber man kann von den Gewerkschaften nicht verlangen, daß sie die gelben Werkvereine als rechtmäßige Vertreter der Arbeiterschaft an⸗ sehen. Das wäre ungefähr dasselbe, als wenn die Gewerkschaften einige Unternehmer kauften, durch die sie eine Unternehmerorgani⸗ sation schaffen und diese dann allein als Vertreter des Unternehmer⸗ tums anerkennen wollten. Das würden die Unternehmer mit vollem Rechte ablehnen. Denselben Gesichtspunkt müssen wir aber auch für uns geltend machen. Die Werkvereine sind gräßtenteils von den Unternehmern gegründet worden und werden von ihnen unterhalten. Gegenüber solchen Organisationen kann man den Gewerkschaften nicht davon reden, daß sie unduldsam seien. Mit solchen Organi⸗ sationen, die nur Teile des Unternehmertums sind, werden wir keine Gemeinschaft eingehen. In die Ausschüsse, die im Hilfsdienstgesetz vorgesehen sind, gehören Verteter der gelben Werkvereine nicht hin⸗ ein. Wenn man das gewollt hätte, so hätte man in dem Gesetz schreiben müssen, daß die Unternehmer drei Verteter und die Ar⸗ beiter nur einen haben sollten. Die Gezwerkschaften aller Richtungen lehnen so etwas ab. Der ehemalige Sekretär des Reichsverbandes für die Sozialdemokratie hat sich selbst mit Recht als Vater des Bundes der vaterländischen Arbeitervereine bezeichnet. Heute aber verurteilt er selbst diese vaterländischen Vereine, nachdem sich die Ar⸗ beiterschaft im Kriege zum Paterlande gestellt hat. Wir brauchen in diesem Kriege offene und ehrliche Leute, die geschlossen zu ihrer Or⸗ ganisation stehen, auf die ihre Organisatlonen sich verlassen koönnen. (Beifall links.

Fortsetzung in der Zweiten Beilage.

Ich bin überzeugt, daß der Krieg uns auf diesem Wege ein gutes Stück weiter

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(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.]

Füg. Haußmann (fortschr. Volksp.): Die Gefährlichkeit Adlonbestrebungen darf nicht unterschätzt werden. In dem Pro⸗ imm wird verlangt, das preußische Abgeordnetenhaus und das renhaus sollten zu den Fragen Stellung nehmen. Jetzt zirkuliert Herrenhaus ein Antrag, der diesem Befehl nachkommt. Darin ed verlangt, die Regierung aufzufordern, dahin zu wirken, daß, nach⸗ zur Freude aller Parteien der uneingeschränkte U⸗Bootkrieg ver⸗ klicht worden ist, nunmehr ohne Rücksicht auf irgend welche Ein⸗ sse durch die kraftvolle Anwendung aller Kampfmittel ein ehren⸗ ler, die politische und wirtschaftliche des Vaterlandes eernder Friede erreicht wird, der den gebrachten Opfern entspricht. diesem Antrag wird eine Begründung gegeben, aus der man sieht, der ganze Antrag direkt im Fahrwasser der Adlonbestrebungen elt. Nachdem der Abg. Frhr. von Gamp und der Abg. Graf starp diese Herren abgeschüttelt haben, ist es erfreulich, daß sich mand in diesem Hause zu diesen Bestrebungen bekennt. Dort hat in ja ausdrücklich bedauert, daß die H im Reichstag sich der ache nicht annehmen, und erklärt, der Reichstag sei vertrottelt. Die htheit des Materials ist ja von keiner Seite bezweifelt worden. les, was wir gehört haben, sind nur Bestätigungen. Wenn auch 12. Dezember nur eine kurze Erklärung der Konservativen ab⸗ seben worden wäre, so wäre das doch in dem Geiste geschehen, in die jetzige Rede gehalten worden ist, und damit wäre der Schritt Kaisers belastet gewesen. In seiner Verlegenheit hat Graf estarp den Grafen Hoensbroech uns an die Rockschöße hängen llen, aber Graf Hoensbroech ist von dem Verein, dem er plötzlich getreten war und von dem er die schleunige Anerkennung als mindidat verlangte, nicht als zu uns gehörig anerkannt worden. Im ini 1914 hat Graf Westarp auf dem konservativen Parteitag in üstrow den Abg. Graefe als eine der wertvollsten Stützen der aktion im Reichstage bezeichnet. Es kann also nicht geleugnet rden, daß ein Zusammenhang besteht zwischen diesen Bestrebungen einem Abgeordneten, der von dem Führer der konservativen 8 der wertvollsten Stützen angesprochen worden ist. eifall links. Abg. Dr. Arendt (deutsche Fraktion): Der Abg. Legien hat bemüht, die wirtschaftsfriedliche Bewegung hier in den Schmutz ziehen. Dove: Ich habe davon nichts gehört.) .. hat von gekauften Leuten gesprochen. Ich erhebe namens dieses ßen Teiles der deutschen Arbeiterschaft, der eine halbe Million faßt, gegen eine derartige Beschimpfung Protest. (Zustimmung.) 2 Sozialdemokraten haben also nicht die gesamte deutsche Arbeiter⸗ ft hinter sich, sie haben nur das Recht, für die hinter ihnen ehenden zu sprechen. Wenn ein erheblicher Teil der Arbeiterschaft ablehnt, sich von ihnen vertreten zu lassen, so müssen sie auch sem Teil das Recht der Existenz und der Vertretung ihrer An⸗ ung zugestehen. Das ist ja eben in der Praxis die Organi⸗ onsfreiheit, wie sie sie handhaben, daß sie die Andersdenkenden st dulden wollen. Die Anschauungen des Abg. Legien über das stehen der wirtschaftsfriedlichen Bewegung sind falsch. Die Be⸗ zung ist in meinem Wahlkreis um 1890 entstanden. Es hatten eikunruhen jüngerer sozialdemokratischer Arbeiter stattgefunden, da traten ältere Bergleute zu einem reichstreuen Verein zusam⸗ um der sozialdemokratischen Verführung der jungen Arbeiter ggegenzuarbeiten. Die Leitung der Mansfelder Gewerkschaft, Ge⸗ mer Rat Loschner, war ein Gegner dieser Bewegung. (Zuruf bei h Sozialdemokraten: Maschinengewehre!) Diese Leute kamen dann mir, und mit Mühe habe ich erreicht, daß die Leitung sich dem rein nicht mehr entgegenstellte. Die Entwicklung der Bewegung bewiesen, daß ihr ein durchaus berechtigter wirtschaftlicher Ge⸗ ke lag. Es liegt ein natürlicher Fortschritt wirtschaft⸗ her Erkenntnis vor, den Sie mit allem Terrorismus nicht verhin⸗ können. (Große Unruhe bei den Sozialdemokraten. Rufe: ehrens!) Herr Behrens wird sein Unrecht bald erkennen. Es ist licht aller derer, die für wirkliche Freiheit der Organisationen ein⸗ n, auch für diese Bewegung einzutreten. (Zurufe links.) Die ternehmer würden einen solchen terroristischen Standpunkt über⸗ öt nicht einnehmen. (Gelächter bei den Sozialdemokraten.)

„Abg. Dr. Stresemann (nl.): Meines Wissens kann kein itglied der nationalliberalen Partei einer parlamentarischen Körper⸗ aft an der Adlonkonferenz teilgenommen haben. Ein großer Teil iner Freunde ist eingeladen, aber die Eingeladenen identifizieren hHdoch nicht mit den Zielen und Bestrebungen der Einladenden. oweit sie geantwortet haben, haben sie keinen Zweifel darüber ge⸗ sen, daß sie die ganze Art dieses Treibens für bedenklich halten d zurückweisen. Daß der Veranstalter nicht an uns und unsere Unter⸗ tzung dachte, geht schon daraus hervor, daß er mit Herrn Basser⸗ un höchst unzufrieden war, und ein Teil der Verhandlungen sollte der Aufgabe gewidmet sein, 82.e8e und den Grafen Westarp bes Besseren zu belehren. Graf Westarp hat mir übrigens mehrere ochen vor der Konferenz erklärt, daß er die ganze Veranstaltung d ihre Tendenz aufs schärfste verurteile. Es hat dann auf der nferenz auch geheißen, der ganze Reichstag bestände aus Trotteln eiterkeit); man soll also doch der Konferenz nicht diese Bedeutung legen, sondern sie mit Schiffer als eine politische Burleske ansehen. r Graf Hoensbroech ist vor einiger Zeit aus der fortschrittlichen Alkspartei ausgetreten, aber er konnte doch nur austreten, wenn er war. (Heiterkeit.) Die Wirtschaftsfriedlichen seien schon ge⸗ tet, meinte Herr Legien, wenn der Syndikus eines Unternehmer⸗ bandes für sie eintrete. Ich weise diese Hineinziehung meines Be⸗ jes in unsere Verhandlungen zurück; ich spreche hier als Abgeordneter i und unabhängig. Aus der großen Entwicklung der gelben Vereine be ich geschlossen, daß ein großer Prozentsatz der deutschen Arbeiter⸗ aft sich zu diesen Ideen bekennt, und daß sie also auch das Recht „Vertretung bei der Hilfsdienstorganisation beanspruchen können. i den geheimen Wahlen in Spandau haben sie es zu großen ojoritäten gebracht. In der heutigen heit kann der Arbeitgeber erhaupt keinen Arbeiter mehr in gewisse Organisationen hinein⸗ ingen. (Widerspruch und Lachen b. d. Soz.) In dem Vorgehen Gewerkschaften liegt eine Unduldsamkeit. Diese haben sie auch wiesen gegenüber dem Verbande der deutschen Eisenbahnhandwerker d. Arbeiter, der 104 000 Mitglieder zählt. Sie haben ihn boy⸗ 1 Fegelaa deshalb, weil er nicht auf ihren Ideen aufgebaut Beifall. Abg. Graf Westarp: Die Auffassung des n Legien würde richtig sein, wenn in dem Gesetz stände, daß nur Vertreter solcher beiterverbände ernannt werden dürfen, die in dem Kampf gegen die ternehmer ihren Zweck sehen, dagegen Arbeiterorganisationen, die tuben, in einem guten Verhältnis zu den Unternehmern stehen zu len, nicht. Es handelt sich bei den wirtschaftsfriedlichen Organi⸗ soonen um 500 000 Arbeiter, darunter auch die katholischen Arbeiter⸗ eine, und dieser großen Zahl pon Arbeitern macht Herr Legien den rwurf, sie seien käuflich. Ich habe während des Krieges in den erhandlungen des Reichstags kein Wort gehört, das mich so empört d betrübt hat, wie dieses. (bstemmug rechts.) Es wird nicht sstritten, daß die Arbeitgeber für diese Organisation auch ihrerseits eiträge Pna lt haben, aber unter allen Umständen wird bestritten, dadurch diese Menisation sh in Seensse enis untar die Arbeit⸗ iese Bettragg bestanden überwiegend, wenn nicht . ohlfahrtszwecke. Und das ist doch piß zu begrüßen. (Zustimmung.) Das allerbetrübendste ist aber, 8 er Abg. Legien erklärt hat, daß, wenn man den wirtschaftsfried⸗ f

als ihre E

en Arbeitern einen Sitz im Ausschuß einräume, die Gewerkschaften

Zweite Beilage

sanzeiger und Königlich Preu

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nicht mehr mittun wollen. Wir möchten dagegen den schärfsten Ein⸗ spruch erheben. . 2 s Abg. Prinz zu Schönaich⸗Carolath (nl.): Die Lage der Kriegsgefangenen hat uns auf das eingehendste beschäftigt. Ich erkenne an, daß es ein außerordentliches Verdienst Seiner Heiligkeit des Papstes ist, daß er unermüdlich für die Ver⸗ besserung des Loses der Gefangenen in allen Ländern eintritt, und wir können nur wünschen, daß er seine selbstlosen Bemühungen fort⸗ setzt. (Beifall.) Ich möchte meiner besonderen Freude Ausdruchk geben über die Anerkennung, die der Kriegsminister gestern den Ver⸗ diensten des schwedischen Roten Kreuzes hat zuteil werden lassen. Dieses Rote Kreuz hat unter unsäglichen schwierigen Verhältnissen trotz der russischen Nachbarschaft alles daran gesetzt, um das Schick⸗ sal unserer fangenen in Rußland zu erleichtern. Es wäre interessant, Einzelheiten darüber zu erfahren. Besonders möchte ich hervorheben, daß wir dem unlängst verstorbenen cwevifchen Ge⸗ sandten Grafen Taube zu großem Danke verpflichtet sind. Was die Behandlung anlangt, auf die vorhin der Abg. Spahn ingewiesen hat, so können wir uns nur dahin aussprechen, daß wir die paritätische Behandlung für selbstverständlich halten allen gegen⸗ über, und daß wir wünschen, daß diese und Gleichberechtigung allerseits ausgeübt werden möchte. Kollege Schiffer hat sich darüber schon 1 1 Abg. Behrens (deutsche Fraktion): Die Frage der Gelben ist nicht so einfach wie die Herren, die für die Gelben ein⸗ getreten sind, glauben. an muß die vielfachen Strömungen und Stimmungen kennen, wenn man nicht eine Irreführung im Lande herbeiführen muß. Den wirtschaftlichen Charakter des Eisenbahner⸗ verbandes bestreiten wir keinen Augenblick. Dieser Verband ist gös absichtlich ausgeschlossen worden, er ist nur übersehen worden. Er hatte an der Sache auch kein lebhaftes Intersse, trotzdem ist ihm die Möglichkeit gegeben worden, vertreten zu sein, ebenso den gelben Verbänden, wenn 5 anständige Mitglieder werden. Bei den wirt⸗ chaftsfriedlichen Verbänden kommen nur etwa ein Drittel Millionen rbeiter in Frage, bei den gewerkschaftlichen Verbänden dagegen etwa 4 Millionen Arheiter und Angestellte. Es handelt sich auch nicht um einen Kampf gegen die wirtschaftsfriedlichen Organisationen, sondern gegen diejenigen Verbände, die zwangsweise von Unter⸗ nehmern in v. Organisationen hineingebracht worden sind. In meiner eigenen Familie sind Blutsverwandte, die ebenfalls durch dieses Joch haben hindurchgehen müssen, um für ihre Familie Brot zu haben. (Hört, hört!) Die Arbeiter, die so in diese Organisationen hineingezwungen sind, empfinden das Unerträgliche ihres Loses ganz von selbst. Gegen diese wenden wir uns nicht. Die Unternehmer werden an dieser Organisation keine große Freude haben, denn wenn sie eine größere Masse bilden, und vom Geist der Gesamtbewegung ergriffen werden, dann gehen sie ihnen doch durch die Lappen. Lassen Sie es also so, wie die Dinge jetzt sind. Es ist zu bedauern, wenn die Durchführung des Hilfsdienstgesetzes erschwert würde, wir müssen aber jede Verantwortung ablehnen. ¹ Abg. Legien (Soz.): Selbst wenn es 500 000 Gelbe gibt, was will das besagen gegen 4 ½ Millionen Arbeiter und Angestellte der Cenersschaften Wenn ich von Käuflichkeit gesprochen habe, so hat das der Präsident bereits gerügt. Den Abg. Arendt erinnere ich daran, daß die „Wirtschaftsfriedlichen“ in seinem Wahlkreise einen osaunenchor vS atten, der immer antrat, wenn sozialistische eiter eine Versammlung abhalten wollten. Gelang es so

nicht, die Versammlungen zu sptengen, so wurde der Knüppel

angewendet. E Zwingen wir denn die wirt⸗ schaftsfriedlichen Organisationen in die unserigen einzutreten? Die Ehre der Arbeiter, die zwangsweise in die gelben Werkvereine eingetreten sind, will ich nicht angreifen. Aber den Unternehmern mache ich einen Vorwurf daraus. Begünstigt durch die schlechte Konjunktur, haben die gelben Werkvereine unter dem Druck der Unter⸗ nehmer zunehmen können, und dieser Druck wird sich vielleicht auch nach dem Kriege wieder geltend machen, wenn wir dann eine un⸗ günstige Wirtschaftslage haben. Das Agitatorische liegt auf jener Seite, aber nicht auf unserer. Wenn einmal später die Frage be⸗ handelt wird, auf welcher Seite des Hauses das starkere Festhalten am Vaterlande in diesem Kriege gewesen ist, auf der linken Seite, wo die Vertreter der Arbeiter sitzen, oder auf der rechten, dann wird sich viel⸗ leicht ein anderes Bild ergeben, als Sie jetzt glauben wollen. Wenn Sie Organisationsfreiheit wollen, dann sorgen Sie dafür, daß kein Druck von den Unternehmern ausgeübt wird.

Abg. Schiele (dkons.): Wenn von 14 Millionen Arbeitern 4 Millionen Organisierte den anderen gegenüberstehen, dann ist die jetzige Art der Besetzung der Hilfsdienstausschüsse falsch. Das Agita⸗ torische aber liegt auf der Seite der Gewerkschaften, wenn sie, wie der Abgeordnete Legien erklärt, nur mit ihresgleichen zu tun haben wollen. Auch die nichtorganisierten 7 bis 8 Millionen Arbeiter wer⸗ den ja von ihnen nicht anerkannt. Das vaterlandische Hilfsdienst⸗ gesetz darf nicht eine Monopolisierung der Gewerkschaften bringen, das wäre ja ein Organisationszwang. Wir können nicht dulden, daß Sie sagen: Wir machen in den Arbeiterausschüssen nicht mehr mit.

Abg. Ickler 1 Die große Organisation der Eisenbahn⸗ arbeiter hätte bei der Einberufung und Abhaltung der Arbeiterkon⸗ ferenz am 12. Dezember mit berücksichtigt werden .e Der Abg. Koßmann, der sc als Führer der katholischen Fachverbände sehr um eine Einladung bemüht hat, ist sogar ausdrücklich von der Ver⸗ anstaltung ausgeschlossen worden. Und sollten Sie wirklich unsere Organisation, die größte der Eisenbahnarbeiter, nicht gekannt haben? Da lag zweifellos eine Absicht vor. Das Kriegsamt wollte nur mit großen Organisationen zu tun haben, aber wir sind ja die größte Fisenbahnarbeiterorganisation. Man kommt den Staatsarbeitern stets mit schönen ebebarten. Bei der Reichsversicherungsordnung sind sie zu kurz gekommen, bei dem ee mußten die Staatsarbeiter zurückstehen, weil das Gesetz für die Privatarbeiter eine Verbesserung brachte. Auch das Hilfsdienstgesetz bringt den Privatarbeitern eine Verbesserung, denn die sozialen Einrichtungen, die jetzt geschaffen werden, werden doch nach dem Kriege nicht wieder verschwinden, und wieder sind die Staatsarbeiter zu kurz gekommen.

Abg. Bauer (Soz.): Das Reichsvereinsgesetz erstreckt sich auf alle Staatsbürger; die Staatsarbeiter werden nicht durch das Gesetz, Heben durch Maßnahmen ihrer vorgesetzten Behörden beschränkt.

ei der Einberufung der Konferenz vom 12. Dezember konnten un⸗ möglich alle einzelnen Organisationen eingeladen werden. Die Ab⸗ haltung ist ja vorher in der Presse mitgeteilt worden.

Abg. Behrens (deutsche Fraktion): Den katholischen Fach⸗ berbänden ist erst auf unsere Anregung hin eine Vertretung in Ar⸗ beiterausschüssen zugebilligt worden. Wenn der Abg. Ickler die Be⸗ schränkung der Eisenbahner im Vereinsrecht bedauert, so mag er seine eigene Rede von damals nachlesen, in der er sich mit einer bloßen Resolution begnügte. Die Folgen hat er sich nun selbst zu⸗ zuschreiben. b 4

Abg. Schiffer⸗Borken (Zentr.): Wir wollen nicht den Kampf gegen die Arbeitnehmer, aber wir wollen freie, selbständige Arbeiterorganisationen. Wir wollen Nasgätenepgee eionan die es

12 ansehen, nicht von Arbeitgebern beeinflußt und unter⸗

.1 zu werden. Und wir vorlangen endlich ein freies Koalitions⸗

Damit schließt die Debatto.

Es folgen persoͤnliche Bemerkungen.

Abg. von Graefe (dkons.): 8 muß es leider ablehnen, den Abg. Haußmann als meinen Hauslehrer anerkennen zu können, ich

sischen

Staatsanzeiger. eö”“

bedarf dessen nicht. Er hat den Zwischenruf, den ich in der Sitzun in welcher hier das Fv bekanntgemacht wurde, gema habe, als einen Mangel an Selbstbeherrschung meinerseits ansehen zu können geglaubt. Ich bedaure, ihm diesen Gefallen nicht tun zu können. Ich halte diesen Zuruf auch heute in aller Ruhe und Bestimmtheit aufrecht, weil ich mich nicht zu der Begeisterung des beschränkten Untertanenverstandes in dieser Sache aufschwingen kann, wie der Abg. Haußmann. Weiter hat der Abg. Haußmann geglaubt, durch den Hinweis darauf, daß ich die Adlonkonferenz besucht habe, mir eine Verlegenheit bereiten zu können. Aber darin irrt er sich sehr. Ich habe es nicht nötig, mich um die Meinung anderer zu kümmern, wie viel⸗ leicht außerhalb dieses Hauses manche Herren sich Aw. berechtigt halten, vertraulichen Besprechungen ihrer Mitbürger nachzuspüren. Ich habe jedem Menschen gesagt, daß ich zu der Versammlung gehen werde, und ich habe jedem gesagt, daß ich dort gewesen bin. Ich habe selbst Bewußtsein genug, um auch in eine Versammlung gehen zu können, mit der ich nicht übereinstimme. Abg. Dr. Stresemann (nl.): Der Oberst von Wrisberg ist heute auf meine gestrigen Bemerkungen über den General von Loewenfeld zurückgekommen. Nach dem Zusammenhange dieser Be⸗ merkung konnte der Ausdruck „Anmaßung nur so verstanden werden, daß der General sich ein allgemeines Urteil über das gesamte Aus⸗ landsdeutschtum angemaßt habe, obwohl ihm darüber keine Erfahrun zur Seite stehe. Oberst von Wrisberg hat einfach erklärt: 9 weise diesen Angriff zurück.“ Es ist sonst in diesem Hause Sitte, das sachlich, mit Gründen zu tun. (Vizepräsident Dove: Das ist nicht mehr persönlich.) Den Tatbestand in Zweifel zu ziehen, hat Herr Oberst von Wrisberg nicht einmal den Versuch gemacht.

bg. Haußmann Fertscr. Volksp.): Der Abg. von Graefe hat sich selbst so iert, daß ich nichts mehr veneefete habe. (Lachen rechts.) Sachlich hat er nichts zu erwidern, sonst hätte er doch wohl in der Diskussion gesprochen, die noch nicht geschlossen war. Ich habe ausdrücklich anerkannt, daß kein nationalliberaler Abgeord⸗ neter der Einladung gefolgt ist, in der gesagt war, die Zukunft des deutschen Volkes und unserer Fürstendynastie bensess die des Konflikts zwischen Hindenburg und Bethmann. Mit der Be⸗ eichnung „Burleske“ bin ich einverstanden. Graf von Hoensbroech hat 1903 in Chemnitz 12 000 Stimmen erhalten, und zwar als Kandidat der Nationalliberalen. (Stürmische Heiterkeit.)

Der Etat mit den Steuervorlagen wird hierauf dem Hauptausschuß überwiesen.

Schluß 6 ½ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag, 20. März, 1 Uhr. (Zweite Lesung des Etats.) Der Präsident wird er⸗ die Sitzung eventuell vor diesem Termin einzube⸗

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 71. Sitzung vom 2. März 1917, Vormittags 11 Uhr.

(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Am Regierungstisch: Der Staatsminister D. Dr. von Trott zu Solz.

Präsident Dr. Graf von Schwerin⸗Löwitz eröffner die Sitzung um 11 4 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Beratung des von Mitgliedern aller Parteien mit Ausnahme der Polen und Sozialdemokraten unterstützten Antrages des Abgeordneten Dr. von Heydebrand und der Lase (kons.):

die Königliche Staatsregierung wolle in der verstärkten Staatb⸗ haushaltskommission darüber Auskunft geben, wie bei der jetzigen politischen Lage die Versorgung des inneren Marktes die Zentraleinkaufsgesellschaft gefördert wird.

Der Antrag wird ohne Debatte angenommen.

8. wird die Beratung des Staatshaushalts⸗ planes für das Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten in der Be⸗ sprechung über die höheren Lehranstalten und die Provinzialschulkollegien fortgesetzt.

Abg. Cassel (fortschr. Volksp.): Die Bestellung der Feld⸗ rabbiner hat ich nach Ansicht der Heeresverwaltung bewahrt, und ich wäre dem Minister dankbar, wenn er eine Erklärung über die Stellung der Feldrabbiner abgeben würde. Die Kriegsprimaner müssen mit den nötigen Kenntnissen ausgestattet werden, um mit den übrigen den geistigen Wettbewerb aufnehmen zu können. Es ist erfreulich, daß nach den Erklärungen des Ministers die zurückgekehrten Schüler sich mit allem Ernst und Eifer dem meiteren Unterricht hingegeben haben. Auch die Sorge für die jetzt noch nicht heerespflichtige Jugend darf nicht werden. Der Schulunterricht hat erfreulicherweise aufrecht erhalten werden können, leidet aber unter den jetzigen chwierigen Verhältnissen der Zusammenziehung von Klassen und Vertretungen in dem Grade, daß die Klassen das Ziel Rüetglrn nicht erreichen. Dazu kommt, daß den Schülern die Erziehung der h, Hand fehlt, und daß viele ihren Vater nicht wiedersehen werden. Bei den Versetzungen muß daher mit der gebotenen Milde verfahren werden. Der Minister hat sich in demselben Sinne ausgesprochen. Nach dem Kriege, wenn alle Lehrer wieder da sind, kann nachgeholt werden, was jetzt versäumt wird. Bezüglich der Ausgestaltung des höheren Schulwesens stehen meine auf dem Grundsaß der vollen Gleichberechtigung aller drei höheren Schularten, der Gym⸗ nasien, der Realgymnasien und der Oberrealschulen. Ich habe biege Grundsatz in der Berliner städtischen immer vertreten. Es kommt nur an, daß die Schler aller 88 Schulen zu der geistigen Reife gebracht werden, daß sie sich nachihrem Wunsche allen Studien zuwenden können. Ale drei Schularten haben die gleiche Schulzeit, und ein Studium darf dadur nggs verhindert werden. daß diese oder jene Kenntnisse noch fehlen. Wenn die Schüler die eistige Reife erlangt haben, kann man erwarten, daß sie auf der

niversität Kenntnisse, die für ein bestimmtes Studium fehlen, nach⸗ holen werden. Die Professoren müssen Rücksicht darauf nehmen unh ihre Vorträge so halten, daß sie von allen verstanden werden. Das ft keine unerfüllbare Aufgabe. Es kann nur verlangt werden daß bei dem Abschluß der Unipersitätsstudien alle erforderlichen 95 für das Fach nachgewiesen werden, Ce ot auf welcher Schules sie erworben sind. Es ist nicht richtig ah auf den Gymnasien lediglich das Ideal der Antike gepflegt wird. Wir entnehmen aus dem Ein⸗ fluß der Antike nicht nur auf die geistigen, sondern auch auf die exrakten Wissenschaften nur, daß sie der Quell unserer Kenntnis ge⸗ worden ist. Das Gymnastum ist dem Studium der Naturwissen⸗ schaften und der Technik nicht hinderlich; große Naturwissenschaftler und Techniker der modernen Zeit sind auf dem Gymnasitum gewesen. Für das Eindringen in den 21 der fremden Völker ist die Kenntais der alten Sprachen unentbehrlich. bestreite w die Be⸗ bgeordneten von 8 litz, daß der Unterricht im t 8 r genug leiste,. Bedeutendo) roßes geleistet. Die Methoden

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auptung des 5 Peutschen auf dem Gymnasium ni Germanisten haben an den Gymnasien mge 1” mit der Zeit ganz andere geworden. Die jetzigen Methoden sind zefruchtend, und ich bestreite, daß die anderen Schulen im Deutschem mehr leisten als die Gymnasten. Der deutsche Aufsatz an den Whtas