Es bat sick dort jeder zu helsen versucht, soweit es nur überhaupt ging, und ich nebme gar keinen Anstand, für meine Person zu erklä⸗ ren, daß, wo sich mir die geringste Handhabe bot, in einzelnen Fällen auf dissiplinarem Wege vorzugehen, ich das getan habe. (Bravo!) Ein Höchstmaß der Strafen bietet auch bei der Herabsetzung der Min⸗ deststrafen noch die Gewähr, daß die unbedingt notwendige Disziplin unter den Verhältnissen des Krieges aufrechterhalten werden kann. Das Bedurfnis zu diesem Entwurf ist daher in erster Linie hervor⸗ zegangen ous den Erfahrungen des Krieges selbst. Es konnte zweifel⸗ haft fein, ob es sich noch verlohnte, während des Krieges eine Aende⸗ rung berbeizuführen. Aber gerade darauf mußten wir bestehen. Denn diese Verhalmisse, die dazu führen, liegen ja eben jetzt vor.
Meine Herren, im Interesse gerade des Heeres dort draußen, aller Beteiligten, der Gerichtsherren, der Gerichte, der Beschuldigten bitte ich Sie daher, den Entwurf möglichst bald in Kraft treten zu lassen. (Lebhaftes Bravo.)
Abg. Fehrenbach (Zentr.): Wir können die vorliegende Re⸗ vision des Militärstrafgesezbuchs nur mit großer Genugtuung be⸗ rüßen. Gerade die Erfahrungen, auf die sich der Kriegsminister bezog, haben gelehrt, wie notwendig dieser Gesetzentwurf ist. Auch auf viesem Gebiete ist der Krieg ein behrmeister geworden. Ich möchte stark bezweifeln, daß, wenn wir F vorher mit einem solcher Vor⸗ schlage gekommen wären, ob alle Generalkommandos einem solchen Borschlage zugestimmt hätten. Man hätte vielleicht eine Schwächung der Schlagkraft des Heeres darin gefunden. Es handelt sich hier nicht um eine systematische Aenderung, dazu ist die Zeit nicht vorhanden. Der Kriegsminister hat ausecinandergesetzt, daß es wünschenswert wäre, mit möglichster Beschleunigung diese Abänderung des Militärstraf⸗ gesetzbuchs berbeizuführen, um die wohltätigen Wirkungen dieser Re⸗ sorm den Mannschaften zuteil werden zu lassen. Eine svpstematische Aenderung des Militärstrafgesetzbuchs ist nur möglich, nachdem ihm eine Reform des Zivilstrafgesetzbuchs vorangegangen ist. Es handelt sich nicht bloß um eine Herabsetzung der Mindeststrafen, sondern auch um eine Erweiterung des Disziplinarrechts bei geringen Strafen. Ich kann nur wünschen, daß von dieser Befugnis ein ausgedehnterer Gebrauch gemacht wird als bisber. Dadurch wird den Kriegsgerichten eine große Belastung weggenommen. Die Bestimmungen über die Vergehen im Felde haben zu außerordentlichen Härten geführt. wird die Ausdehnung der schweren Strafen auf immobile Truppen beseitigt. Die schweren Mindeststrafen wurden außerordentlich sckrwer empfunden, darum bedeutet die Herabsetzung von zehn Jahren Ge⸗ fangnis auf ein Jahr eine außerordentliche Milderung. Ich kann nur wünschen, daß dieses Gesetz mit möglichster Beschleunigung ver⸗ ahschiedet wird. Die Kommission, der ja wohl dieser Enwwurf über⸗ wiesen werden wird, kann in ein oder zwei Sitzungen damit fertig werden, und wir können im Laufe der nächsten Woche das Gesetz ohne weitere Debatte zum Abschluß bringen, denn es ist wünschenswert, daß die unter der Strafjustiz steobenden Mannschaften der Wohl⸗ taten dieses Gesetzes recht bald teilhaftig werden. Ich beantrage, den Entwurf einer Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen. Abg. Davidsohn (Soz.): Wäare man den Anregungen aus diesem Hause gefolgt, so hätte die Herabsetzung der Mindeststraten langst erledigt sein können. Wir wunschen eine Kommission von 21 Mitpliedern, um den Entwurf gründlich durchzuarbeiten. Neben erfreulichen Verbesserungen sind auch unerfreuliche Konserierungen vorgesehen, und in einem Punkte scheint sogar, wenn auch vielleicht unbeabsichtigt, eine Verscharfung vorzuliegen. Ferner operiert die Novelle noch immer mit der Todesstrafe, mit der das neue Rußland gufräumen will, und mit der lebenslänglichen Freibeitsstrafe. Die Notwehr selbst bei höchster Lebensgefahr, die bedingte Verurteilung und die Belehrungsfrift kennt die Vorlage noch nicht. Das alles ist Beratungsstoff genug für eine Kommission von 21 Mitgliedern. Abg. Nehbel (drons.): Nach den Erfahrungen des Kmeges stimmen auch wir einer Aenderung des Militärstrafgesetzbuchs zu. Auch wir haben den Wunsch, daß die Sache möglichst schnell vor sich geht und beantragen deswegen abenfalls eine Kommission von 14 Mit⸗ Miedern. Ahbg. Dr. Haas
8 4 Ietzt
(fortschr. Volksp.): Die Wahrung der
F ist durch die Höchststrafen gesichert, aber die hohen Mindest⸗ strafen bringen das Gericht in die unangenehme Lage, Strafen aus⸗ sprechen zu müssen, die in keinem Verhältnis zum Nergehen stehen. Das hätte schon im Frieden erkannt werden konnen und längst ab⸗
geändert werden sollen. Aber wir wollen froh sein, daß jetzt diese dringend notwendige Reform gemacht wird. Es muß ein Unterschied gemacht werden, ob der Soldat wirklich im Felde steht oder nicht; der Soldat hat das Gefühl, im Felde zu stehen, nur, wenn er vor dem Feinde steht. Die nach dem jetzigen Gesetz noch anhängigen Fälle müssen durchgeprüft und Härten nachträglich beseitigt werden. Wenn die sozialdemokratische Partei eine Kommission von 21 Mitgliedern wünscht, so sind wir auch damit einverstanden.
Abg. Dr. von Calker (nl.): Die Gerichte haben sehr oft die Nachteile der hoben Mindeststrafen empfunden. Das Gericht ist in der nnangenehmen Lage entweder die hohen Strafen aussprechen oder einen andaren Tatbestand annehmen zu müssen, als wirklich anzu⸗ wenden wäre. Aus dem Entwurf spricht die Stimme eines Vor⸗ gesetzten, der für das Wohl seiner Untergegebenen besongt ist. Wir begrüßen den Entwurf in der Hoffnung, daß er möglichft bald Gesetz wird, und sind mit einer Kommission von 21 Mitgliedern einver⸗ standen.
Abg. Stadthagen (soz.“Arbeitsg.): Die Vorlage geht noch nicht so weit, wie es nöͤlig wäre. Die Herabsetzung der Mindeststrafen ist nicht nur im Kriege, sondern auch im Frieden notwendig, vor allem verlangen wir, daß dem Gesetz rückrürkende Kraft gegeben wird, denn viele geradenn barbarische Strafen müssen nachträglich geändert werden. Der Mann, dessen Fall eigentlich die Veranlassung zu diesem Gesetz gegeben hat, ist wegen tätlicher Beleidigung eines Vorgesetzten, den er verhauen und hinausgeworfen hat, zu zehn Jahren und drei Wochen Gefängnis verurteilt worden. Er hat im Fieber gehandelt, aber eine Aenderung war nicht zu erreichen. Die Aemte haben er⸗ klärt, daß er unter den seelischen Einwirkungen des Krieges nicht ganz zurechnungsfähig gewesen sei. In späteren Fällen, die er in derselben Weise begangen hat, ist er übenhaupt nicht angeklagt worden. Es müßte stets eine genaue ärztliche Untersuchung angestellt werden, ehe eine Anklage erhoben wird.
Die Vorlage wird an eine Kommission von 21 gliedern überwiesen.
Hierauf setzt das Haus die Etatsberatung beim Spezialetat für die Justizverwaltung, dauernde Ausgaben „Ge⸗ halt des Staatssekretärs 44 000 ℳ, fort.
Abg. Bell (Zentr.): Auch ich enwarte mit meinem Fraktions⸗ kollegen Belzer ein energisches Einschreiten gegen den Kriegswucher und die Kriegswucherer. Bei diesen Herren ist das Portemonnaie das Empfindlichste. An ihnen soll sich das Bibelwort bewabhrheiten: „An welchem Gliede Du gesündigt hast, sollst Du gestraft werden“, und wenn dabei unserer gelobedürftigen Reichskasse erhebliche Mittel zufließen, so wird das ganz gewiß kein Schaden sein. Der von den Sokaldemokraten beantragten Resolution, betreffend die Rechtsver⸗ folgung im Falle des Kompetenzkonfliktes zwischen den Gerichten felbst, werden wir zustimmen. Das Interesse an der Justizresorm hat leider im Volte einen Rückgang erfahren; wir wünschen, daß die sehr beachtenswerten Vorschlage des Kollegen Junck in dieser Richtung auch in der Oeffentlichteit werden gewurdigt werten. Es ist dringend zu wünschen, daß nur gründlich durchgebildete Juristen zum Staats⸗ examen zugelassen werden; unter dieser Voraussetzung aber recht⸗ sertigt sich für die Kriegszeit ein weitgehendes Entgegerkommen, wie es auch in dem preußischen Gesetz, betreffend die Abküuürzgung des Vor⸗ bereitungstienstes enthalten ist. Das gleiche gilt von dem juristischen UÜniversitätsstudium; es ist hier auf eine möglichst Emnbeitliche Regelung in Verbindung mit dem Vorbereimnaebddienst hinzuwirten. Der praktischen Ausbiloung muß vor aner allzu 1hepretischen durchaus
Mit⸗
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der Vorzug gegeben werden. In eine Kritik der uns jetzt gemachten Vorlage zur Vereinfachung der Justizpflege während des Krieges schon jetzt einzutreten, empfiehlt sich nicht. Der Gedanfe der Einführung eines besonderen Güteverfahrens, das durch nichtrichterliche Personen wahrzunehmen wäre, ist uns symöpathisch, soweit damit nicht eine Einschränkung der Rechtsanwaltschaft einheugeht. Die deutschen Anwälte sind ein durchaus bewährter integrierender Bestandteil der deutschen Justizpflege. Der Vorstand des Deutschen Anwaltsvereins hat ausgesprochen, daß die Anwaltschaft es stets als ihre Pflicht erachtet hat, Rechtsstreitigkeiten vor und nach ihrer Arbhängigmachung vor Gericht zu verhüten oder gütlich zu erledigen. Durch den Krieg ist kein Stand so hart betroffen worden, als gerade der deutsche An⸗ waltsstand; er muß sich gegen Urteile wenden, wie man sie gar nicht selten zu hören bekommt: „Die Anwälte klagen über ihre Notlage, die Tatsachen beweisen das Gegenteil.“ Die Anwälte und speziell die in den Parlamenten sitzenden sind stets auch für den Richterstand eingetreten. Die Anwälte aus allen Parteien im Parlamente haben sich auch der Anregung widersetzt, wahrend der Kriegszeit eine Er⸗ höhung der Gebührenordnung eintreten zu lassen; nach dem Kriege wird eine solche Erhöhung unverzüglich zu erfolgen haben. Inzwischen werden es sich die deutschen Anwälte angelegen sein lassen müssen, zu einer wirksamen Selbsthilfe zu greifen. Eine große Anzahl von Anwälten ist seit Kriegsausbruch in richterlichen und Verwaltungs⸗ stellen in der Heeresverwaltung und in den besetzten Gebieten be⸗ schäftigt; in Hamburg hat man Anwälte als Hilfsrichter angestellt. Im feindlichen Auslande, aber auch in Ungarn hat man in den letzten Jahren mit der Zuziehung von Anwälten in die richterliche Karriere die besten Erfahrungen gemacht. Insbesondere der krigesbeschäͤdigten Amwälte sollte sich die Verkaltung in diesem Sinne annehmen. England hat seit Kriegsbeginn das Völkerrecht geradezu mit Füßen getreten. Nach englischem Kriegsrecht werden Verträge mit feind⸗ lichen Ausländern, auch wenn sie vor dem Kriege bereits geschlossen waren, einfach für nichtig erklärt. Damit untergräbt sich England den eigenen Rechtsboden. ECbenso sieht es in Rußland aus. Wie anders versäahrt dagegen die deutsche Rechtsprechung! Sie geht von dem Grundsatz aus, daß der Krieg mur gegen den feindlichen Staat geführt wird, daß der einzelne feindliche Staatsbürger in seinen Rechten geschützt werden muß. Das ist die Rache der Babaren für die unerhörten Rechtsbrüche, die England, Frankreich, Italien an den Deutschen und ihrem Eigentum in ihrem Bereich begangen haben. (Beifall im Zentrum.)
Abg. Landsberg (Soz.): Die beiden in Schutzhaft genom⸗ menen Maͤdchen, ven denen gestern hier die Rede war, sind von einem chöffengericht wegen Verbreitung von Flugblättern strafbaren In⸗ alts zu je sechs Wochen Gefängnis verurteilt worden. (Hört, hört!) n einem anderen Falle hat das Reichsgericht zwar die Angeklagten freigesprochen, der Reichsanwalt sie aber auf Grund eines Ersuchens des Oberkommandos in den Marken in Schutzhaft genommen. Damit hat sich Reichsanwalt zum Gerichtsvollzieher bergegeben und damit eine reine Polizeimaßnahme getroffen. Er hätte den Ober⸗ kommandeur sagen müssen, ich bin kein Schutzmann, wende dich an die Polizei. Der Staatssekretär hat leider nicht gesagt, welche Justizvorlagen er nach dem Kriege dem Reichstag vorlegen will. Ich kann nicht annehmen, daß die Zeit des Reichsjustizamts durch die Vor⸗ bereitung des Gesetzentwurfs zur Vereinfachung des Gerichtsver⸗ fahrens während des Krieges vollständig in Anspruch genommen worden ist, zumal da die geistigen Väter dieses Entwurfs im preußi⸗ schen Justizministerium sitzen. Wie steht es z. B. mit einem frei wahren Koalitionsrecht, wie es gestern der Abg. Junck
Ich nehme an, daß Herr Junck im Namen seiner ganzen Fraktion sprach. Der Staatssekretär kann sich einen Lorbeerkranz er⸗ werben, zu dessen Kosten meine Freunde sehr gern beitragen werden, wenn er dem Wunsche des Abg. Junck möglichst bald entspricht. Wir beantragen eine Resolution, die die Aufhebung des Kompetenz⸗ konflikts verlangt, den Anlaß dazu bot ein ganz bestimmter Fall, wo ein Arbeiter wegen eines Krankenkassenanspruchs in Preußen nicht zu seinem Rechte kommen konnte. Das Reichsjustizamt kann hier leicht Abbilfe schaffen Io könnte z. B. das Reichsgericht bestimmen, welches Gericht in solchen Fällen zuständig ist.
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der der
Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco: Meine Herren! Solche Fälle, wie sie der Herr Abgeordnete eben erwähnt hat, in denen in der gleichen Rechtssache sich ordentliche und besondere Gerichte für zuständig oder für unzu staändig erkläart baben, sind im Reichsjustizamte wohl bekannt. Solche 1 bestehenden Gesetzgebung eintreten und wir sind bereits bei den Vorarbeiten für eine Reform der Zivulprozeß⸗ ordnung in Erwägungen eingetreten, wie dem abgeholfen werden könntec. Ich meine Alerdings, daß solche Fälle immerbin selten sind und deshalb eine Regelung nicht alsbald erforderlich ist, sondern bis zur der Zivilprozeßordnung verschoben werden. kann. Der Herr Abg. Landoberg hat gleichzeitig nach meinem Zukunsts pregramm gefragt, und er hat gemeint, daß die letzten Monate doch wohl nicht ganz mit dem Gesetzennvwurf über die Vereinfachung der Rechtspflege beim Reichsjustizamt ausgefüllt gewesen seien. Es ist guch von Blutleere im Reichsinstizamt gesprochen worden. Ich kann Ihnen versichern, daß, sofern unter Blutleere Mangel an Arbeit ver standen sein sollte, deim Kriegsjustizamt eine Blutleere wirklich nicht vorhanden ist.. Wir haben genug und übergenug zu tun gehabt, vor so mehr, und noch i
Fülle können nach der
Reform
dem Kriege und besonders während des Krieges, um eine große Anzahl meiner Herren im Felde gewesen ist In der Natur der Sache liegt es, daß in der Kriegszeit keine großen Gesetze gearbeitet werden konnen, aber ich möchte Sie nur bitten — da es mir nicht ansteht die Herren meines Amtes zu loben —, sich in den anderen Aemtern zu erkundigen, in welch überreichlicher Weise das Reichsjustizamt bei den Verordnungen, die auf Grund des § 3 des Ermächtigungsgesetzes ergangen sind, wie auch bei anderen Gesetzesvorlagen, die im Reichsschatzamt, im Kriegsministerium und in anderen Aemtern ausgearbeitet sind, wertvolle Mitarbeit geleistet hat. Stets wird das Reichsjustizamt herangezogen und muß gründ⸗ lich mitwirken. Also eine Blutleere ist beim Reichsjustizamt weder vor dem Kriege vorbanden gewesen, noch wahrend des Krieges ein⸗ gelreten, und sie wird auch nach dem Kriege nicht eintreten, und ganz besonders auch dann nicht, wenn dem Amte noch weitere Aufgaben, wie es mancke Redner gewünscht haben, zugewiesen werden sollten. Wie sich hier die Entwicklung bezüglich der Verteilung der Geschäfte unter die verschiedenen Reichsämter vollziehen wird, läßt sich zur Zeit nicht übersehen.
Meine Herren, ein Zukunftsprogramm!? Es ist selbstverständ⸗ lich, daß wir auf den weiten Gebieten unseres Rechtslebens werden weiterarbeiten müssen. Sie wissen, daß Ihnen im Jahre 1909 eine Strafprozeßordnung vorgelegt war, für die die Vorarbeiten bis in den Anfang des Jahrhunderts zurückreichten. Der Entwurf ist im Reichs⸗ tag nicht verabschiedet, nachdem sich Ihre Kommission in langwierigen Sitzungen mit ihm beschäftigt hatte. In langjäahriger Arbeit ist weiter im Reichsjustizamt der Entwurf eines neuen Strafgesetzbuchs ausgearbeitet. Eine Kommission von Praktikern und Theoretikern hat lange im Reichsjustizamt getagt. Der Entwurf wurde in erster und zweiter Lesung beraten, auch ein Einführungsgesetz entworfen; ta tam der Krieg und die Arbeiten mußten abgebrochen werden. Eine Aenderung der Zivilprozeßordnung hat sich im Laufe der Zeit nach mancher Richtung hin als notwendig erwiesen. Alle diese
Reformarbeiten werden nach dem Kriege wieder aufgenommen; müssen. Also an Arbeit fehlt es uns nicht; zu jenen Aufgahen noch die vielen Arbeiten hinzu, die wir auf allen anderen 6. unseres öffentlichen Lebens in Verbindung mit den anderen d ämtern zu leisten haben: ich denke an den Wiederaufbau des nationalen Rechts, an den gewerblichen Rechteschutz an T vereine und so vdieles andere.
Mehrere der Herren Vorredner haben auch den Gesetze über die Vereinfachung der Rechtspflege erwähnt, der Ihn 10. d. M. vorgelegt worden ist. Einer der Herrten — ich es war der Herr Abgeordnete Dr. Bell — hat gemeint, da wohl das Reichsjustizamt in das Schlepptau des Königlich Preu Justizministeriums genommen worden sei. Das ist in keiner der Fall. Im Anfang Dezember vorigen Jahres fanden h= Beratungen über das Hilfsdienstgesetz statt. Am 2. Dezember von Ihnen eine Resolntion angenommen, es sollten Maßtege Einschränkung der Tätigkeit der Justisbebörden, insbesondere a Gebiect der Privatklagen und der unerbeblichen strafrechtlichen fehlungen und zur Verminderung der in den Justizbehorden! tigten Personenzahl durch organisatorische Aenderungen ge werden. Diese Resolution ist, sodiel ich mich erinnere, einst angenommen. Ich habe dann bereits am 4. Dezember die 1 Maßnahmen getroffen, um zu prüfen, was wohl gescheben könn diesem Wunsche des Reichstages gerecht zu werden. Wer d helnen Vorschläge des Entwurfs gemocht bat, ist Sache des;
ienstes und ich habe darüder keine Erklarungen abzugeben. ieser Entwurf ist unter meiner Leitung und Mitarbeit und meiner Verantwortung entstanden, und ich stebe für ihn eben wie die sämtlichen verbündeten Regierungen.
₰½ * *
Im Anschluß hieran glaube ich eine Bitte aussprechen zu Erst am 19. März ist Ihnen der vorher beratene Gesetzentwurf Herabsetzung der Mindeststrafen im Militärstrafgesetzbuch vo worden. Entwurf, betreffend die Vereinfachung der Reu pflege ist Ihnen bereits am 10. Marz zugegangen. Es schei aus den bisher gefallenen Bemerkungen hervorzugehen, daß haftem Widerstande begegnen wird, obwohl er durch die In des Reichstags selbst veranlaßt ist, und daß Sie deshalb beabst ihn erst nach der Osterpause zu beraten. Trotzdem muß ich bitt dieser Gesetzentwurf noch vor Ihrem österlichen Auseinanderge erster Lesung beraten und in eine Kommission verwiesen
(Zurufe.) D
D er 2 1
Der Herr Abgeordnete Dr. Junck schüttelt mit dem und ich muß als feststehend annehmen, daß bei Ihnen im allge wenig Lust vorhanden ist, das Gesetz zu verabschieden. 2 Meine Herren, dieser Gesetzentwurf stellt sich a Kriegsmaßregel dar. Im Deutschen Reiche sind tatsächlich 21 000
z
bolte Zurufe.)
beamte, höhere, mittlere und niedere Justizbeamte, ins Feld gescit
trotzdem sind immerhin noch im ganzen mehr als 2000 Beau den Justizbehoörden tätig, die kriegsverwendungsfähig sind u behufs Aufrechterhaltung der Geschäfte zurückbehalten und, d Militärbehörde bis zum. 31. Maärz d. J. freigestellt sind. nun dringend erwünscht und notwendig, daß viele von diestn verwendungsfähigen jungen Männern, höoheren wie mittlere Unterbeamten dem Heeresdienst zugeführt werden. Von Hiese sichtspunkt aus ist der Gesetzentwurf aufgestellt wordc, 1 kann nur die dringende Bitte an den hohben Reichstag kichte Entwurf, der Ihren Intentionen entsprechend aufgestellt ist, lichst bald, und zwar noch in der kommenden Woche, in erster! zu beraten, damit die Kommission gleich nach Ostern in Te. treten und den Entwurf durchberaten kaͤnn. (Zuruf links.) hoffe nicht, daß der Entwurf in der Kommission begraben wird; Sie einige Aenderungen daran vornehmen, immerhin wird de Gestaltung gewinnen konnen, um dem Notstand, dem er degegne. einigermaßen abzubelfen. Denken Sie bei Ihren Erwagungen daran, daß es sich lediglich um eine Kriegsmaßregel handelt, d auf kurze Zeit berechnet ist und die nach Kriegsschluß oeder cinige Zeit danach wieder außer Kraft treten soll.
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des Oberreichsanwalts angeht, so hatte ich die Depesche, die Wolffschen Depeschen stand, auch gelesen; sie lautete am Schluf
Die Strafe der Angeklagten wurde als durch die Untersuchun Bei dem Verhandlungsschluß ließ jedoc
Angeklagten verhaften, um sie in Sch
die Bemerkung des Herrn Abgcordneten Landoberg k
verbüßt erachtet.
Oberreichsanwalt die
zu nehmen. 22 h auch meine Verwunderung erre ich nicht annehmen konnte, daß der Oberreichsanwalt die Angek habe verhaften lassen, um sie in Schutzhaft zu nehmen. Ich hal halb sofort einen Bericht des Herrn Oberreichsanwalts erforder erhielt dann einen Bericht dahingehend, daß das Oberkommanld Marken die Schutzbaft gegen die beiden Leute angeordnet habe daß infolge dieser Anordnung des Oberkommandos der Marke Oberreichsanwalt die beiden Angeklagten der Militärbehöoörde zur fügung gestellt habe. (Zurufe links.)
4 1 2 3 ieser Wortlaut hat natürlich
Abg. Dr. Arendt (deutsche Fraktion): Die Resolution uc
Erhöbung der Beleihungsgrenze für Hypothekendarlehen unter Voraussetzung der Bürgschaft regelmäaßigen Tilgung ist von Mitgliedern aller Parteien beamg worden. 1 sta
Als einer Folge des Krieges einem Rückgang seie⸗ Deshalb bestehbt die Gefahr, daß beim Ablauf
Teiles des Kapitals gefordert wird.
des Krieges rücksichtslos geschehen. Durch die
Durch das preußische Gesetz über die Stadtschaften ist bereits die
leihungsgrenze der Hypotheken unter der Wirtschaft per Gema Jetzt soll durch eine weitere Vorlage!
auf 75 % erhöht worden. Landeskreditkasse in Cassel und der Landhank in Wiesbaden,
beute bis zu 50 % des Wertes beleihen dürfen, das Recht geug
werden, bis zu 60 ℳ zu beleihen und unter der Bürgschaft der. meinde sogar bis zu 75 c. Eine solche Regelung für einzelne ist nicht angemessen, es bedarf vielmehr einer allgemeinen Regelt wie sie unsere Resolution wünscht. 1t einen Zustand, der durch den Krieg wesent hat gefragt, ob überbaupt eine gesetzliche Regelung ertorderlich
da die Pypothetenbanken Beleihungen unter Garantie der Gemet
öffentlicher Körperschaften und
ter Reichstag nieint übereinstimmend, daß dem städtisc Grundbesitz gebolfen werden muß. Der auch von der Wohnungett mission des Reichstags aufgenommene Wunsch, daß die Hypothc während des Krieges und zwei Jahre nach dem Kriege für unkünmn erklärt werden, ist an dem Widerstand der verbündeten Regierunge gescheitert. Damit haben die verbündeten Regierungen die Verz wortung für die weitere Gestaltung des Realkredits. Der städtt sieht infolge des Krieges und des steigenden Zinstu Wertes entaeh er Hypotheken u nur der Zinsfuß erhöht wird, sondern auch die Rückzahlung 99 1 Das ist auch schon wahl lange Dauer Krieges besteht besondere Gefohr für die nachstelligen Hyvpotbch
sie unst ution wü Gine YVerorrugng ‚auf Erg des Grmächtigungsgesetzes ist hier am Platze, deun, es hanbdelt siche lich verschärft ist. M
bornehmen können, soweit sie dafür Kommunalobligationen ausgeben; aber sie können nicht Pfandbriefe unter Gemeindebürgschaft ausgeben, sondern nur gegen Hinterlegung von Hypotheken, und zwar nicht über 60 & des Grundstückswertes. Daher kann nur durch gesetzliche Aen⸗ deötung den vveeee. die. Befugnis gegeben werden unter Garantie der Gemeinde de Pepothekenpfamobrigfe auch bis zu 75 x ie Umktauf ag briggen. Dit Crhehung der Mündelsckerhet i n Preußen bei der Beratung des Schä ungsamtsgesetzes auf den eni⸗ schiedenen Widerstand der Justizverwaltung gestoßen. Es wäre auch gerade jetzt nicht angemessen, die Bestimmungen über die Mündel⸗ siherbeit zu ändern deshalb müssen wir die kündelsicherheit erse er durch die Burgschaft der Gemeinde. Der Gemeinde wird Ierae. Zefugnis gegeben, keine Verpflichtung auferlegt sie soll selbft be⸗ stimmen, ob sie im Interesse ihres Grundbesitzes eine solche Habe. schaft übernehmen will, sie wird es aber tun, weil sie nur dadurch eine Katastrophe vermeiden kann. Außerdem muß der Hausbesitz stundsäßllich für die Tilgungshypothek erzogen werden. ahe⸗ gesetz⸗ lichen Vorteile zugunsten des Realkredits müssen an die Forderung der Tilgung geknüpft werden, dadurch erreichen wir auch einen - für die schwergefäaͤhrdeten nachstelligen Hypotbheken Fs handelt sich nicht nur um die Großstadtr, sondern auch in den kleineren und Mittelstädten sind schwere Opfer gebracht word en Sehr drängend ist auch die Regelung der Zwangsversteigerung bei Nichtzablung fälliger Steuern. Pie Gemeinden, die im Anfang des Krieges sehr entgegenkommend die Steuern seh sich jetzt genötigt, die Steuern einzutreiben und eventuell zur Zwangs⸗ versteigerung zu schreiten. Damit werden zahlteiche Existenzen Haus⸗ besitzer wie Hypothekengläubiger betroffen; es bhandelt sich um Wert⸗ zerstörung, die unter allen Umstaͤnden vermieden werden sollte. In einem Falle ist in Weißensee, Rölkestraße, ein Grundstück mit einem gemeinen Wert von 11 250 ℳ für 500 ℳ versteigert und dem Ersteher agescklagen worden; in einem anderen Falle, wo auf Betreiben des Ueaasftrate von Fürstenwalde ein Grundstück in Ketschendorf im Werte von 3800 ℳ für 100 ℳ wegen 97 ℳ rückständiger Steuern an einen Unbeteiligten versteigert wurde, ist der Zuschlag allerdings nicht ge⸗ nehmigt worden. Die lange Dauer des Krieges hat die Verhältnisse durchaus umgestaltet; heute liegt es im Interesse der Hypotheken⸗ gläubiger, daß Enteignungen nicht stattfinden. Hier sollte der Staats⸗ sekretär schleunigst Remedur schaffen; sonst würde die Reichsjustiz⸗ verwalkung von der Mitschuld an den hier entstehenden schweren Schäden nicht freizusprechen sein. 1
gestundet haben, sehen
Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco:
Die Klagen des Hausbesitzes über die Zwangsversteigerung wegen rückständiger Steuern sind dem Reichsjustizamt seit längerer Jeit hekannt. Es schweben bereits Erwägungen, in welcher Weise den Uebelständen, die hervorgetreten sind, abgeholfen werden kann. Die Resolution auf Nr. 684 der Drucksachen werden nach den Erklärungen der Herren Vorredner einstimmig dem Herrn Re ichskanzler zur Be⸗ vickfsichtigung überwiesen werden. Ich kann nur, wie dies im preußi⸗ schen Abgeordnetenhaus auch schon zugesagt worden ist, versichern, daß diese Angelegenbeit nach jeder Richtung hin geprüft wird, und ich werde mich freuéen, wenn den Anträgen Berücksichtigung gewährt werden kann. (Bravo!)
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): Der opti⸗ mistischen Anschauung des Staatssekretärs von der Vorlage zur soge⸗ nannten Vereinfachung der Justiz muß ich doch entgegentreten. Auch vir sind füͤr eine Vexeinfachung, aber nicht auf Kosten der Justizpflege. & wir sind für Vereinfachung durch Beseitigunchder sogenannten Bandwurm⸗Urteile, durch Beseitigung des unnötigen Formel⸗ und Schreibkrams; aber nicht für eine derartige rein formalistische Ver⸗ einfachung, wie sie die Vorlage bringt. Einiges, wie die Ausdehnung des Strasbefehls, sind Verbesserungen; in der Hauptsache aber stehen derin ganz gefährliche Dinge, wie die Beseitigung der Zivilkammern und ihre Ersetzung durch einen einzelnen Richter. Pas konnte schöne Rechtszustände gehen! Dem rechtsuchenden Publikum tun wir damit sicherlich keinen Gefallen. Andere Nachteile und noch gefährlichere liegen in der ganz bedeutsamen Einschränkung des Legalitatäprinzips. Und eine solche Norlage im angeblichen Interesse von 2000 Juristen! Das Gesetz ist bloß ein Einfluß gewisser finanzieller Stroömungen in Preußen. Wir Süddeutsche wollen unsere gute Rechtspflege un⸗ angetastet laͤsfsen. Wir werden die Vorlage daber nicht im Handum“ drehen erledigen, sondern sie uns sehr genau ansehen; hoffentlich ver⸗ schwindet sie sobald wie möglich.
Abg. Gröber (Zentr.): Der Gang der Debatte zwingt auch nicht zu einer Acußerung uber die sogenannte Vereinfachung des Justiz⸗ wesens. Ich weiß nicht, wie man beute noch 2000 Juristen an die Front schicken konnte, wo doch die jungen Juristen sich alle längst an der Front befinden. Es kommen vielleicht 200, nicht 2000 in Frage; die alten Heren wird man doch nicht auch hinschicken wollen. Man moöchte durch die Vorlage Bcamtenstellen ersparen; man wird aber nicht einen einzigen ersparen. Will man Beamten sparen, da muß man die Gerichtssprengel ändern, und das kann nur in den Lnzelnen Landtagen geschehen. Man sagt, das Gesetz solle nur für die Dauer des Krieges Geltung haben. Wird einmal die Rechtspflege wabrend des Kriegges ruiniert, dann wird das auch nach dem Kriege nicht ohne Rückwirkung auf das Volk sein. Der etwaige Nutzen dieses Gesetzes kann den Schaden nicht aufwiegen, den die Rechtspflege davon erleiden wird. Ich kann nur davor warnen, der Staatsanwaltschaft die Befugnis zu geben, eine Anklage zu erheben oder nicht. Erhebt dann ein Staatsanwalt gegen einen sozial Hochstehenden keine An⸗ klage, dann wird es heißen, die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen. Danach kann ich dem Staatssekretär nicht in Aussicht stellen, daß wir das Osterei dieser Vorlage vor Ostern ausbrüten. Wenn er die Reform der Strafprozeßordnung bringen sollte, dann sollte er sich nicht mit den früheren Keonzessionen begnügen. Das Volk, die Laien, die diesen Krieg binter sich haben, wollen zur Recht⸗ sprechung mehr herangezogen werden. Das Verfahren des Reichs⸗ nwalts in dem vorhin en vhnten Falle können wir nur bebauern. Wenn so etwas bei dem höchsten Gerichte vorkommt, so hat das etwas ungemein Bedrückendes. Der Reichsanwalt ist nicht dazu da, um auf Schutzhaftlinge zu vigilieren. Ein solches Verfahren muß im Volke zroße Erbitterung bhervorrufen. Der Reichsanwalt steht dazu viel zu bech. Er ist auch zu einer solchen Maßnahme gar nicht befugt, denn bei der Schutzhaft handelt es sich nicht um eine strafbare Handlung. Jedenfalls gebort es nickt zur Aufgabe des Reichs⸗ anwalts, Vollstreckungsmaßregeln anzuordnen. Nehmen wir einmal an, der betreffende Mann bätte sich widersetzt, dazu wäre er berechtigt wesen und der Reichsanwalt hätte in einem Verfahren selber auf Freisprechung antragen müssen. In der Beurteilung des Wuchers hat sich im Reichstage wähbrend des Krieges rine vollkommene Wand⸗ lung vollzogen. Aile Parteien sind sich darin einig, daß der Wucher ein Verbrechen am Woble des Volkes ist und aufs strengste bestraft werden muß. Der Reichstag muß an einer gesetzlichen Regelung dieser Sache mitwirken und darf sich mit der an sich dankenswerten Arbeit zas Bundesrates nicht begnügen. Der Tatbestand und seine Be⸗ Ferafung läßt sehr viel zu wünschen übrig. Der Hinweis auf die Nanktlage bringt in die Wucherfrage eine große Unsicherheit. Diese Rücksicht sollte in dem Gesetzentwurf wegfallen. Man muß schon ein sehr naides Kind sein, um zu glauben, daß auf den Markt nur brabe Leute Cinfluß baben. Wir wissen vielmehr, daß arge Kriegs⸗ wuchgrer den Markt machen. Die Judikatur hat denn auch schon tschieden, daß die Marktlage nicht entscheidend sein kann bei der mifung, db Ein übermößiger Gewinn vorliegt. Die Theorie von gebot und Nachfrage beruht auf dem Irrtum, als wenn sich die Preisbildung ganz automatisch vollzieht. Die Hauptsache ist, daß der merlambte Gewinn eingezogen wird. In Oesterrsich bestebt die Vor Uecies daß die Verurteilung des Deliguenten in seinem eigenen Fadem angeschlagen wird. Hoas vordient Nachahmung. Alle diese Wucherfälle sellten den Schöffengerichten übenwiesen werden. Unsere Lmenrichter würden viel mehr auf schwere Strafen erkennen als die
Juristen. Hier, wie sonst, muß man auf die Volksan sicht nehmen. (Beifall im Zentrum.)
Hierauf wird um 2 ¼ Uhr die Fortsetzung der Etats⸗ beratung auf Montag 1 Uhr vertagt.
Oesterreich⸗Ungarn.
„Der Kaiser hat gestern in Baden und in Laxenburg die üblichen Vorträge entgegengenommen und außerdem in be⸗ sonderer Audienz unter anderen empfangen: den Landes⸗ verteidigungsminister, Generalobersten von Georgi, den ge⸗ meinsamen Finanzminister Baron Burian, den Minister des Aeußern rafen Czernin und den Ministerpräsidenten Grafen Clam⸗Martinitz.
8 Vorgestern hat in Aussig (Böhmen) die Gründungs⸗ versammlung des Oesterreichischen Arbeitsausschusses für den Großschiffahrtsweg Elbe — Oder — Donau stattgefunden.
der Vorläufer einer neuen Aera begrüßl. Alle Anhänger des alten Regimes, die Bischofssitze inne hatten, wurden ab⸗ gesetzt. — Die provisorische Regierung hat an das Volk, die Armee und die Flotte appelliert und auf die dringende Gefahr hingewiesen, die von seiten Deutschlands drohe, das sich anschicke, die inneren Schwierigkeiten in Rußland aus⸗ zunutzen. In dem Aufruf wird dem „Alaemeen Handels⸗ blad“ zufolge gesagt, daß dies für die kaum errungene Freiheit vernichtend wäre. Die freien Bürger würden Sklaven Deutschlands werden. Es müßten alle Kräfte zu⸗ sammenbalten, um diese Gefahr abzuwenden. In der Armee müsse Einigkeit und Disziplin herrschen und Ehrerbietung vor den Offizieren, aber auch die Offiziere müßten Ehrerbietung vor den Soldaten haben, die dem Offizier Gehorsam schuldeten. Der Kriegsminister Gutschkow hat einen ähnlichen Armee⸗ befehl an die bewaffnete Macht ausgegeben.
Eine vorgestern veröffentlichte Bekanntmachung der provisorischen Regierung besagt laut Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“: 1
Da die Erschütterung der Grundlagen unserer Volkewirtschaft während des Krieges dem Lande unendliche?, unheilbares U glück bringen kann, so erklärt die provisorische Regierung, daß sie allen von der alten Regierung übernom menen Geld⸗
Der Präsident der Reichenberger Handelskammer Kirchhof hob als Vorsitzender, wie „W. T. B.“ berichter, in seiner Begrüßungs⸗ ansprache hervor, daß der Arbeitsausschaß die Behörden, die maßgebenden industriellen, landwirtschaftlichen, kaufmännischen und Schiff hrtsoecreine, Schiffahrtsunternehmungen und technische Wissen⸗ schaften des Kanalgebietes umfasse, und wies auf die kürzlich ei⸗ schienene Schrift des Ezherzogs Peinrich Ferdinand über die Be⸗ deutung des geplanten Kanals für Oesteneichs wirtschaftliche Ent⸗ wickkung hin. Der Obmann des Elbevereins, Dr. Loebl, berichtete über den Kanalplan und wies nach, daß diese Wasserstraße das süd⸗ östliche Eurcpa gufs wirtschaftlichne mit Innerösterreich und Nord⸗ deutschland verbinde. Sodann wurde über die Zusammensetzung des Präsidtums Beschluß gefaßt, Unterausschösse fuͤr technische und wirtschaftlich sinanzielle Fragen gebildet und Vortreter für den mit dem Elbe Oder — Donau⸗Verein Dresden gemeinsam zu bildenden Aus⸗ sß gewählt. Der Vollzugsaueschuß beschloß sodann, den Oder — Weichsel⸗Kanal in sein Arbettsgebiet einzubezteben und der Handele⸗ und Gewerbekammer Kratau einen Sitz im Vollzugs⸗ ausschuß anzabieten.
— Gegenüber den Beschuldigungen des Landes⸗ verrats, die der oppofitionelle Abgeordnete Czmressanyi im ungarischen Abgeordnetenhaus gegen einige kroatische Abgeordnete vorgebracht hatte, gab der Ab⸗ geordnete Helljanovic, wie „W. T. B.“ meldet, namens der kroatischen Abgeordneten eine Erklärung ab. in der eine richterliche Untersuchung gefordert wurde. Da jedoch die Angelegenheit einen politischen Hintergrund besitzt und eine richterliche Schuldloserklärung noch immer Raum für politische Verdächtigungen offen läßt, wurde die Ein⸗ setzung einer parlamentarischen Untersuchungskommissiou ge⸗ fordert, worin unter Mitwirkung aller Parteien die Angelegen⸗ heit geprüft werden soll. Bezüglich der Beschuldigung, daß für die Narodna Odbrana 24 000 Kronen gesammelt worden seien, erklärte Helljanovic, daß es sich um den gleichnamigen kroatischen Verein handle, der mit der Belgrader Odbrana nichts gemein habe. Der Abgeordnete Czmressanyi
nachkommen wird,
verpflichtungen gewissenhaft und ohne Abweichungen näml’ch der Zahlung der Zinsen und Tilgung beträge der Staatsschulden, der Erfällung der Verträge mit Handels⸗ und Indurriekreisen, der Bezahlung der Gebälter und lebenslänglichen Nenten der Beamten usw. Gleicherweise sind alle Steuern, Gefälle, Zölle urd sonstigen Auflagen wie bis⸗ her zu vereimnnahmen bis zu ihrer Abänderung auf Grund neuer Gesetze. Die Regierung empfiehlt den Staatsbehörden die größte Sparsamkeit in der Verwendung der Staatsgelder und wird zu diesem Zwecke wirksame Ueberwachungsmaßregeln feststellen. Da der Krieg ungeheure besondere Kosten macht, wird die Regierung die Er⸗ höhung mehrerer Steuern nicht vmgehen können, aber das neue Sieuersystem, das im Finanzministerium ausgearbeitet werden wid, wird alle Auflagen gemäß der Finanzkraft der verschiedenen Klassen der Ste uerpflichtigen verteilen.
Der Zentralausschuß und die parlamentarische Fraktion der konstitutionellen demokratischen Partei haben sich, dem „Reuterschen Bureau“ zufolge, in einer Be⸗ ratung über die einzuführende Regierungsform für die demo⸗ kratische Republit entschieden. In der allgemeinen Ver⸗ sammlung des Parteitages in St. Petersburg am 7. April
wird ein in diesem Sinne abgefaßter Bericht vorgelegt werden.
— Der „Petit Parisien“ meldet aus St. Petersburg, daß sich ein Verband der republikanischen Offiziere ge⸗ bildet habe.
— Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, ist in den Ge⸗ fängnissen die Prügelstrafe und die Kettenstrafe ab⸗ geschafft. Bei der Befreiung politischer Gefangener in Orel durch eine revolutionäre Menge ist auch der General Grigoriew, der sich in Kowno ergab, aus dem Gefängnis entkommen, aber mieder festgenommen worden. In Cherson entwaffneten 1700 Verurteilte die Gefangenenwache brachen in einen anderen Flügel des Gefängnisses ein und befreiten noch 200 Gefangene. Zu gleicher Zeit brach die Menge die Tore
erwiderte, er verlange auch strenge Untersuchung, doch gehöre die Angelegenheit vor das Militärgericht. Der Ministerpräsident Graf Tisza erklärte, die Regierung werde sich angelegen sein lassen, in möglichst kurzer Zeit darüber Klarheit zu schaffen, ob die Angelegenheit geeignet sei zur Einleitung eines Strafverfahrens oder nicht. Demgemäß werden sie verfügen und demgemäß auch das Haus informieren und eventuell mit Vorschlägen bezüglich weiterer parlamentarischer Schritte vor das Haus treten. Bis dahin bitte er, in dieser Frage, solange als nicht volles Licht geschaffen sel, mit dem Urteil zurückzuhalten. 8
Großbritannien und Irland. Die Regierung hat beschlossen, vom 8. April ab im Ver⸗ einigten Königreich die Sommerzeit wiedereinzuführen.
Frankreich.
Die Blätter veröffentlichen ein Gesetz, wonach während der Kriegsdauer neutrale Schiffe ausnahmsweise provi sorisch unter der französischen Flagge fahren koönnen, wenn sie der Verprovtfantierung Frankreichs oder seiner Ver⸗ bündeten dienen. Die Schiffe müssen zur Verfügung und unter der Oberhoheit des französischen Staates stehen und einen Ver⸗ treter des französischen Staates an Bord haben.
Der Generalkontrolleur für landwirtschaftliche Arbeiten,
Senator Develle, erklärt in einem Bericht an das Ackerbau⸗ ministerium, daß 60000 Mann der Jahrgänge 1882 bis 1889 zu landwirtschaftlichen Arbeiten aus der Front entlassen und im Janern des Landes beschäftigt seien; er halte seine Aufgabe für erledigt und lege sein Amt nieder. — De Finanzkommission des Senats erhebt in ihrem Bericht über das Arsenal von Roanne Anschuldi⸗ gungen gegen den Minister Thomas, der beschlossen habe, das Arsenal anzulegen ohne vorherige Prüfung des Plans durch die technischen Dienste und ohne Befragung des Kriegs⸗ und des Finanzministeriums und der Kammer.
Der B schluß wurde nur mündlich getaßt, beißt es in dem Be richt laut Meldung dea „W. T. B.“, für ein Unternebmeyn, dessen Kosten sich auf beinahe 150 Mihlionen belaufen. Der Pan wurde mit solcher Leichtfertigkeit aufgenellt, daß von vter vorgesehenen Fabrikatione⸗ zweigen bereits zwei, das Stahlwerk und die Kmonenfabrik, wieder aufoegeben werden mußter. Die Fab ikation sollte im April 1917 beinnen, das Werk im Oktober in vollem Btriebe sein. Büisher siad die meisten Gebäude aber noch im Extsteben, tems ist unter Dach, niemand kann voraussehen wann der Betrteb eröffnet werden kinn. Föt die Organssation des erforderlichen großen Verwaltungsapparats war nichts geschehen, hingegen wurden eigenartige Schiehungen gemacht, um das Gebalt pes kfünftigen Direktors fest ustellen. Ein Vorteil fur die Munftionsherstellung sei von dem Arsenal nicht zu erwarten, vielmehr leide die Landes⸗ verteldigung sett Monaten infolge der ungeheuren Beansfpruchung von Arbeitskräften, Materlat, Maschinen, Transportmitteln und Geld durch den Arsenalbau.
Die sozialistische Kammergruppe hat die Abge⸗ ordneten Laffont und Moutet nach St. Petersburg ab⸗ gesandt.
Rusland.
Der Großfürst Nikolaus ist nach einer Reutermeldung seines Postens als Oberbefehlshaber enthoben worden. Der General Alexefew hat bis zur Ernennung eines Nachfolgers die Stelle übernommen.
Der neue Prokurator des Heiligen Synods Wladimir Lwow wird von den Üveralen kirchlichen Wurdenträgern als
auf und befreite weitere 300 Gefangene. — FIn Finnland herrscht nach der „Berlingste Tidende“ allgemeine Mißstimmung darüber, 8 die Aemter des
Finnland nicht mit Finnen besetzt sind. In den letzten Tagen haben wiederholt Versammlungen stattgefunden, in denen gefordert wurde, daß Finnland von Finnländern selbft verwaltet werde.
Italien. 8
Die Kammer hat einen sozialistischen Antrag, sich bis zum 3. Moi zu vertagen, mit 283 gegen 31 Stimmen abge lehnt und sich dem Wunsch der Regierung gemäß auf unbe⸗ stimmte Zeit veortagt. Belgien.
Der Generalgouverneur hat laut Meldung des „W. T. B.“ voöorgestern folgende Verordnung erlassen:
In Belgien werden zwei Verwaltungsgebiete gebildet, von venen das eine die Provinzen Antwerper, Lmburg, Oseflandern, Wesifleindern sowle die Kreise Brüssel und Löwen, das andere die Probinzen Hennegau, Lüttich, Luxemburg und Namur sowie den Kreis Nidelles umfaßt. Die Verwaltung des erstgenannten Gehiets wird von Brüsel aue, diejenige depehebessantn von Namur aus ge⸗ führt. Alle weiteren Anordüngen zur Ausführung dieser Ver⸗ ordnung, sbesondere binsichtlich der Organssation der Verwaltung beider Gebiete und hinsichtlich des Ueberganges der Gesch werden vorbehalten. 3
Norwegen. . 6
Der Vorsitzende der norwegischen Reedereivereinigung teilt laut Meldung des „W. T. B.“ mit, daß die englischen Kaufangebote für norwegische Schiffe wieder zurück⸗ gezogen worden seien. Dagegen treten jetzt als Käufer Frankreich, Italien und Amerika für große und neue Schiffe auf, für die die Verkaufserlaubnis seitens der vorwegt⸗ schen Regierung schwer erhältlich ist. Auch die Tatsache, daß im Februar die norwegische Tonnage um 64 000 Br.⸗Reg.⸗To. verringert wurde, läßt die Verkäufe untunlich erscheinen. Bulgarien.
„Der bulgarische Gesandte in Bern, Rademw, ist von seinem Posten zurückgetreten. Zum Gesandten in Bern ist in zeitweiliger Mission Passarow ernannt worden.
Amerika.
Vom „Wolffschen Telegraphenbureau“ gen zufolge sind der Präsident Wilson und das Kabinett gegen eine Kriegserklärung an Deutschland. Der Kongreß würde voraussichtlich den Kriegszustand als bestehend anerkennen. Der Eintritt in den Krieg in weitestgehendem Sinne werde indes von weiteren feindlichen Handlungen Deutsch⸗ lands abhängen. Wie die „Associated Preß“ erfährt, hereite die Regierung für den Fall, daß der Kongreß erkläne, daß ein Kriegszustand bestehe, eine sofortige kräfttge Aktion vor. Einer der ersten Schritte, der geplant werde, set die Versorgung der Entente mit Geld. Auch für die Be⸗ schlennigung der Munitionserzeugung mürden Vochereitungen
getroffen. Die Regierung habe beschlossen, die Schritte zu unternehmen, die die Lage erforders, darunter die Varbereitung einer wirksamen aggressiven Kriegsführung und Maßregeln zum Schutze der Schiffahrt.
— Nach ebner Reutermeldung † at das amerika⸗ nische Staatsdepartement foemall die Ahbhernfumg van an dem Hilfswert deterligten Persanan ang Ballg her
Minister⸗Stnatssekretärs und des Generalgouverneurs für
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rbreiteten Meldun⸗