Christiania, 28. April. (W. T. B.) Das Konsulat in Leith meldet, daß der Dampfer „Nidelven“ von Trondhjem gestern 10 Seemeilen nordöstlich von Coquetisland von einem vermutlich deutschen U⸗Boot versenkt worden ist.
Kopenhagen, 29. April. (W. T. B.) Das dänische Ministerium des Aeußern teilt mit: Das 52 118 che Sentlc schiff „Sokoto“, auf der Reise von Amerika nach Däne⸗ mark über England, mit Superphosphat, ist in der Nordsee versenkt worden.
Bern, 29. April. „Progres de Lyon“ meldet aus Nantes: Die Schiffe der Sardinenfischerei „Providence de Dieu“ und „Jolie Brise“ sind auf der Höhe von Audierne bei 1“ ““ deutschen Unterseeboot ver⸗ worden. Ein es Schiff konnte si 1 Hagelwetters retten. Pf ““
Wien, 29. April. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Am 28. d. M. früh haben unsere e die militärischen Anlagen von San Canziano erneut mit 8118 angegriffen und sind wohlbehalten zurück⸗ gekehrt. Flottenkommando.
Berlin, 29. April. (W. T. B.) Im Monat Mär sind nach endgültiger Feststellung insgesamt 486 EI mit 885000 Bruttc⸗Register⸗Tonnen urch kriegerische Maßnahmen der Mittelmächte vernichtet worden; davon sind 345 feindliche Schiffe mit 689 000 Brutto⸗ Register⸗Tonnen; von diesen sind 536 500 Brutto⸗Register⸗ Tonnen englisch. Ferner wurden sechs Schiffe, darunter drei feind⸗ EEEE3“ u“ Brutto⸗Register⸗Tonnen er beschä ,deren fsraum auf längere Zeit fü den Handelsverkehe ausfällt. Shf v Seit Kriegsbeginn bis 31. März 1917 sind damit und unter Hinzurechnung der im Laufe des letzten Vierteljahrs nachträglich bekannt gewordenen Kriegsverluste 5 711 000 Brutto⸗Register⸗Tonnen feindlichen Handelsschiffs⸗ raums verloren gegangen; davon sind 4 370 000 Brutto⸗ Register⸗Tonnen englisch; dies sind 23 Prozent der eng⸗ lischen Gesamttonnage der Heimatshandelsflotte zu Anfang des
Krieges. Der Chef des Admiralstabes der Marine.
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Wohlfahrtspflege.
Zu Gursten des Branden burgischen Provinzausschusses er Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen zeichnete die Füma Rütgerswerke, Aktien⸗ gesellschaft“, Berlin W. 35, 100 000 ℳ.
Bücher bedeuten für unser Heer eine geistige Macht. Das Buch, das im Schützengraben oder Lazarett gelesen wird, ist mehr als ein bloßes Mittel zur Unterhaltung und Zeitverkürzung; es schlägt Brücken zu der Welt, die zurzeit für den Soldaten nicht da ist, die
aber das Ziel seiner Sehnsucht ist. In Erzählung und Belehrung, in Scherz und Ernst will das Buch die Herzen erquicken, die trüben Hedanken verscheuchen, den Mut stärken, Schützena abeneinsomkeit und Lazarettruhe verschönen. Viele Millsonen Buücher sind hinausgesandt, aber tausendfach tönt uns der Ruf nach Büchern von den böchsten Kam⸗ mandostellen bis zum schlichten Soldaten entgegen. Für die Millionen⸗ heere sind Millionen Bücher erforderlich. Der Staatskommissar für die Regelung der Kriegs wohlfahrtspflege in Preußen hat, wie „W. T. B.“ berichtet, dem Zent alkomitee vom Roten Kreuz, Abteilung 19 (Ge⸗ samtausschuß füͤr die Verteilung von Lesestoff im Felde und in Lazaretten), für den 24. Juni einen Opfertag zu einer deutschen Volksspende zum Ankauf von Lesestoff 8 ’. ürs H. . u 8 r ne Cenehmägt., Ein 1 Arbeits⸗ ausschu gebildet, dessen Geschäftsstelle sich in Berlin W. 35, ützowstraße 89/90, befindet. fig
Literatur.
— Kriegogefangene. 100 Steinzeichnungen von Hermann Struck. Begleisworte von F. von Luschan, Berlin 1917. Dietrich Reimer (Ernst Vohsen). Hizr wird ein sehr nützliches und künstlerisch
ertvolles Werk in handlicher Form geboten. Durch Anregung des Grafen von Oppversdorf, Mitglied des Reichstags und des preußischen Herrenhauses, wurde der geschätzte Graxhiker Hermann Struck für die Auf abe gewonnen, charakteristische Typen der Än⸗ ehörigen all der mannigfochen Rassen mittels des Stiftes festzuhalter, ie unsere Gegner aus den Bewohnern aller Weltteile gegen uns ins Feld eführt haben, und die nunmehr unsere Gefangenenlager bevölkern. Die auf ¼ bis † nach den Originolen bergestellten Perkleinerungen haben neben iorem Kunswert zugleich wissenschaftliche Bedeutung. Da sind Engltänder, Schotten, Franzosen, Belgier, Russen, Tataren, Grusinier, Armenier, Jupen, Deutschrassen, Burgaren, Ba'chkirer, schuwaschen, Sibirier, Sitov, Dhaurahbra und Angehörige anderer ndischer Stamme, wie Gurkha, Gurkhamischlinge, dazu Kabvlen, Neger, Becher, Araber, Bedutnen, Nordafrikaner, Marokkaner. Voraufgeschickt hat dieser Sammlung der Geheimrat Profe fsor on Luschan eine Einführung in die Grundfragen der Anthrovpologie, de er mit 60 Tvvpenbildern nach Originalauf⸗ nahmen tllustriert hat. von Luschan bietet hier auf engem Raume eine so gediegene Darstellung der Grundfragen der modernen Anthro⸗ pologte, wie es eben nur ein erfahrener u vermag. Er lehnt alles Unsichere ab und stellt nach der in seynem Werke „Rassen und MVälker⸗ durchge führten Methode unsere neuesten Erfahrungen dar. Anregend und belebrend zugleich bietet diese gediegene Gabe, eine Frucht des Krieges, jerdem denkenden Leser hoben Genuß. Die Schrift ist in dret Auspaben erschienen: in eiver Vorzugsausgabe für einer Quartausgabe für 20 ℳ und einer Volksausgabe ür 2 ℳ.
— Von dem Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm (Verlag von S. Hirzel in Leipzig) liegt die 14. Liefervng des dreizehnten Bandes vor. Sie entbhälr die Wörter Wase bis Wasserkasten und ist von Dr. Bahder und Dr. Sickel bearbeitet.
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“ Kurze Anzeigen — nen erschienener Schriften, deren PeFerchung vorbehalten bleibi. EE“ sind nur an die Redaktion, Wilhelm⸗ straße 32, zu richten. Rücksendung findet in keinem Falle statt.
Volksabende, herausgeg. von Hermann Müller⸗Bohn. Hest 4 u. 47: Luther als deutscher Volksmann. Ein Volksabend von Dr. Hermann Mosapp. 0,80 ℳ. — Re⸗ formations Jubelseier. Ein Volksabend von Dr. Paul Conrad. 0,80 ℳ. Gotha, Friedrich Emil Perthes.
Ein gute Wehr und Waffen. Geistliche Lieder von Martin Luther. Mit einer Einführung von Paul Schreckenbach. 1 ℳ. Leipzig, C. F. Amelangs Verlag.
Milch, Fleisch, Eter und Feti durch Kleintierzucht in Eigenheim, Heimstätte und Stedelung. Kurzgefaßte Anleitung zur Zucht und Haltung von Ziegen, Schweinen, Kauinchen und Geflügel nach neuesten Grundsaͤtzen und Erfahrungen von Grosborz. Tierzuchtinspektor Aucust Hink. Mit 13 Abbildungen. Preis 1 ℳ. Stuttga . Eugen Ulmer. 8
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Land⸗ und
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8 Der frantösische Saatenstand war am 1. April 1917 gegen⸗ über demjenigen des Vorjahres bedeutend weniger zufriedenstellend. Nur in drei Departements gegenüber 33 des Vorjah es sind die Aus⸗ sichten gut, in vier sind sie ganz schlecht, in allen übrigen jiemlich gut. Ungenügende Bembestung des Bodens und der Mangel an Dung⸗ mitteln sowte Ueberfluß an Regen haben auf den Saatenstand sehr ungünstig gewirkt, was Winterkorn sowohl als auch Mengkorn, Roggen, Weuen, Hafer und Futtermittel betrifft.
Zu der am Mittwoch, den 2. Mat, Nachmittags 3 ½ Uhr, im Deuischen Opernhause vom Bild⸗ und Film⸗Amt veranstalteten Uraufführung des Marinefilmwerkes „Graf Dohna und seine Leute“ hat Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Frau Kronprinzessin ihr Erscheinen zugesagt.
Trrtz der vom Oberbesehlshaber in den Marken, Generalobersten von Kessel am 26. April 1916 veröffemlichten Warnung sind im vorigen Jahre während der Zeit der Baumblüte blühende Obsthbaum⸗ zmweige in großen Mengen abgepflückt und in den Verkehr gebracht worden. Namentlich die Ausflügler aus den Städten sind zu Tausenden mit großen Büschen blühender Obstbaumzweige zurückge⸗ kehrt. jerdurch ist der vorjährigen Obsternte urd dadurch der Volksernährung beträchtlicher Schaden zugefügt worden. Es bedarf daher in diesem Jahre schärferer Maßnahmen, um den vollen Ertrag der Obsternte sicherzustellen. Auf Grund des § 9b des Ge⸗ setzes über den Belagerungszustand bestimmt der Generaloberst von Kessel daher für das Gebiet der Stadt Berlin und der Provinz
Brandenburg:
Es ist verboten: 1) blühende Obstbaumzweige ab⸗ zupflücken; 2) hlühende Obsthaumzretge entgeltlich oder unentgeltlich abzugeben; 3) blühende Obnhaumzweige zu erwerben oder mit sich zu fübren. Dtese Verbote ge ten auch für Obsthaumbesitzer. Zun iderhandlungen gegen Ziffer I werden mit Gefängnis bis zu einem Jahr, bei Vorlieaen mildernder Umstände mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu 1500 ℳ besnart. Diefe Ver⸗ ordnung gilt für die Dauer der Obsthaumbrüte 1917.
—
Zu einem ebenso lehrreichen wie anregenden Abend, der über Zweck und Aufgaben des durch kriegsmintsteriellen Erlaß vom 30. Januar 1917 geschaffenen Bild⸗ und Filmamts Aufschluß geben sfollte, waren am Freitag eine Anzahl Vertreter der Presse und andere Ehrengäste durch die Milträrische Stelle des Aus⸗ wärtigen Amts nach dem Bankettsaale des Rheingold“ Leladen worden. Nach Begrüßung der Anwesenden und eigleitenden Bemerkungen erteilte der Leiter der milizaͤrischen Stelle Oberstleutrant von Haeften dem Oberstabsarzt Dr. Paul Metßner das Wort zum Thema des Abends. Aus seiner Dar⸗ stellung gewann man ein klares Bild der neugeschaffenen Organi⸗ sation, melche die Propaganda durch Lichtbild und Film, die die Femde schon vor dem Kriege als wirksame Waffe gegen uns perwandt haben, nunmehr zu unsern Gunsten ene gisch betreiben soll. Im Gegensatz zur fälschenden und hetze⸗ rischen Art der Gegner soll sich die Teutsche Bildpropaganda nur auf die Wiedergabe von Tatsachen in geschickter und wirksamer Auswahl beschränken. Die Erkenntnis der Notwendigkett eines solchen Vorgehens führte zunächst zur Aufstellung militärischer Filmtrupps, deren es jetzt sieben gibt, zurch die Oberste Heeresleitung, fereer zur Errichtung milttärischer Film, und Photostellen, einer Bild⸗ und Filmverwertungsstelle als einer Unterabteilung der militärischen Stelle des Auswärtigen Amtes und zuletzt zur Begründung des Bild⸗ und Filmamtes. Die Aufgoben dieser Organisation si d mannigfach. Sie dient einerseits als Sammel⸗ und Sichtungestelle für Bilder und Filme, anderseits als Ver⸗ tetlungestelle und erstreckt ihre Tätigkeit nicht nur auf die Versorgung der Presse mit geeignetem Bildermaterial und der Truppen mit Bild und Film (Feldkinos), sondern auch auf die Inlands⸗ vertretbung von Stimmunge⸗, Werbefilms und dergfeichen; außerdem ver⸗ fügt sie bereits über ein Archtv von 25 000 Lichtbildern, die für Vor⸗ träge, Augstellungen ufw. verliehen werden. Besonderes Taktgefühl erfordert ferner die Bescheckung des neutralen Auslands mit Bildern und Filmen, da jedes Land eine individuelle Behandlung erheischt. Die Hebung der Filminzustrie hat sich das Bild⸗ und Filmamt eben⸗ falls zur Aufgabe gemacht, indem es ihr nicht nur Anregungen gibt und Aufträge erteilt, sondern auch auf die Hebung der Film⸗ programme einzuwirken sucht. Der Vortzag, dem die Hörer mit Aufmerksamfeit fojgten, wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommev. Die Vorführung einkger interessanter Filmaufnahmen schloß sich an. Eine bemerkenswerte und lehrreiche Völkerschau zeigten die die Feier des Batramfestes im Wünsdorfer Mobhammedaner⸗ Gefangenen lager darstellenden Bewegungsbilder. Von besonderem Reiz war dann ein der Oeffentlichkeit noch nicht übergebener Film „Ein Tag bei Hindenburg“, der den Generalfeldmarschall beim Kartennudium mit seinem getreuen Mitarbeiter Ludendorff zeigte, ihn auf einer Fahrt zum Vortrag bei Seiner Majestät und auf einem Spaziergang mit seinem Adjutanten begleitete. Ein ausländischer Hetzfilm „Die Rache der Belgierin“ bewies, mit wie verwerflichen Mitteln unsere Feinde gegen uns arbeiten. Die Gemetnheit und Verlogenheit der in diesem Film vorgeführten Kampf⸗ und Mordsienen ist so offensichtlich, daß man kaum begreift, wie er — was lelder der Fall ist — irgendwo ernst genommen werden konnte.
„Bochum, 28. April. (W. T. B.) Auf der Zeche „Karl Friedrich in Wtemelbausen stürzte heute früh 5 Uhr 40 Minuten auf der Seilsahrt infolge Reißens des Setles der mit 42 Bergleuten besetzte Förderkorb in die Tiefe. Fine Bergung der Leichen und genauere Feststellung haben noch nicht stattfinden können. Leirer muß mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß die sämtlichen Insassen des Förderkorbes bei dem 1 gekommen sind.ʒ XX“
„London, 28. April. (W. T. B.) Das Munitions⸗ ministerium jeilt mit: In einer Munitionsfabrik in Schottland explodierten gestern sechszölltse Fronaten. Zwölf Personen, darunter 11 Frauen, wurden verletzt. Drei der verletzten inzwischen gestorben. Materialschaden wurde nicht anf⸗ gerichtet.
Bern, 29. April. (W. T. B.) Der Sonntagabend 5 Uhr von Landquart in Davos fällige Zug wurde beim Davoser See von einer gewaltigen Lawine verschüttet. Bis jetzt sind acht Tote geborgen, unter ihnen Emilie Irion aus Stuttgart.
Wintertbur, 30. April. (W. T. B.) Laut Meldung der „Schweizerischen Depeschenagentur“ wurde am Sonntagmorgen die von den Künstlern des deutschen Werkbundes unter der Aegide des Wintertburer Kunstvereins veranstaltete Ausgsrellung eröffnet. Dte Ausstellung dauert bis zum 28. Mal. Der Eröffnungs⸗ feier wohnten die Veranstalter bei, die von dem Präsidenten des Kunstvereins begrüßt wurden.
Konstantinopel, 28. April. (W. T. B.) Laut Meldung der Agentur Millt die Einweihung ves Hauses der deutsch⸗türkischen Freundschaft statt. Ismail Djenanv Bet hielt eine Rede im Namen des türkischen Ausschusses, Dr. Jaeckh im Namen des deutschen. Darauf unterzeichneten der Stellvertretende
Oberbefeblshaber Enver Pascha, der deutsche Batschafter Dr. von Kühlmann, Jemail Djenanv Bei, Pr. Schacht, Startpräsett Bedri Bei, Dr Jaeckh, Dr. Bosch, Vertreter der deutschen Stifter und Professer Dr. Schmidt die Einweihungsurkunde, die in den Grundstrin gelegr wurde. Der Imam sprach ein Gebet, indem er Gott um setenr Segen für das Einvernehmen der beiden Völker und die Bemühungen der Gründer dieses Werkes bat. Der Feier wohnten alle Minister, Armeekommandanten und andere amtliche türkische Persönlichkeiten bei⸗ In seiner Rede sagte Djenany Bet, daß auf Wunsch des deutschen und des türkischen Herrschers und mit Unterstützung der leitenden deutschen und türkischen Kreise die Türkisch⸗deursche Liga gegründet worden sei mit einem tü kisch⸗deutschen Freundschafts hause in Konstanti⸗ novel und einem deutsch⸗tückischen in Berlin, die von einander unab. hängig seien, aber an dem gleichen Ziel arbeiteten. Er sagte: Diese Organisation erstrebt besonders die individuellen und sozialen Bande zwischen Türken und Deutschen enger zu gestalten und beide Völker auf kultureller und wirtschaftlicher Grundlage wechselseitig aus ihren beiderseitigen Eigenschaften Vorteil ziehen zu lassen. Die von dem türkisch⸗deutschen Freundschaftshause erfolgfe Entsendung von Hunderten türkischer Lehrlinge in verschiedene deutsche Städte beweist, wie ernst die von dieser Liga im Smne der Verwirklichung des Programms entfolteten Bestrebungen sind und mit welcher beiderseitigen Herzlichkeit Türken und Deutsche on der Verwirklichung des Wunsches ihrer Herrscher arbeiten. Die Liga wird ebenfalls in der deutschen und türkischen Provinz Zweig⸗ anstalten eröffnen, in denen sie Zeitschriften und Bücher zur Verfügung des Publikums stellen, öffentliche Diskussionen und Vortrage veranstsalten und Sprachunterricht erteilen lassen wird. Am Schlusse erklärte Djenany Bei, daß die Ervweihung des jürkisch⸗deutschen Freundschaftshauses am Tage der Thronbesteigung des Sultans ein gutes Vorzeichen für die Zukunft dieses bedeut⸗ samen Werkes sei. Alsdann wurde ein Telegramm des Sultanz an Enver Pascha verlesen, in dem der Sultan seine Genugtuung uüber die Einweihung ausdrückt und seinen hohen Schutz verheißt, jerner den glühenden Wunsch einer baldigen Verwyklichung des Zieles dieses Werkes ausspricht, das die kulturellen Bande zwischen den beiden Völkern zu verstärken trachtet. Dr. Jaeckh hielt darauf eine Rede im Namen des deutschen Ausschusses und sagte: Das türkisch⸗ deutsche Freundschaftshaus veeh die innige Annäberung der beiden Völker in seiner Arbeit der Wiedergeburt, jedes Volk in seiner Art. Der fruchtbare Gedanke des Freundschaftshauses kam aus Stambul, und Deutschland antwortete mit freudiger Zustimmung. Seine Gründung fond statt am Jahrestage der Thronbesteigung des Sultans. Dieses Werk ist geschaffen, sich der vollen Gunst der beiden Herrscher zu erfreuen, desjenigen, der am Grabe Salah Eddins sagte, das er der Freund von dreihundert Millionen Muhamedanern sein werde, und dessen, den die Geschichte Gazi nennen wird, dank der von dentürkischen Soldaten an den Dardanellen verrichteten Heldentaten. Heute befindet sich der Großwesir, von dem der Gedanke der Liga ausgegangen ist, gerade bei dem Deutschen Kaiser im Großen Hauptquartier. Wir betrachten es als glücklsches Vorzeichen, daß in dieser Woche der tausendste türkische Studierende nach Deutschland gegangen ist, der durch Vermittlung des Freundschaftshauses abgesandt wurde. Von der Zweckmäßigkeit der Gründung dieses Friedenswerkes im Kriege sprechend, sagte Dr. Jaeckh: Ja, das Werk ist zweckmäßig; da die Waffenbrüderschaft der Deutschen und Türken nicht ein Zufall der gegenwärtigen Stunde ist, sondern eine Not⸗ wendigkeit der geschichtlichen Entwicklung. Das Werk der törkisch⸗deutschen Freundschaft trägt an seiner Stirne das Wort Goethes: „Orient und Occident sind nicht mehr zu trennen. Der Text der Einweihungsurkunde, der von den oben⸗ erwähnten Persönlichkeiten unterzeichnet worde, lautet: „Dieser Grund⸗ stein des Freundschaftsausschusses ist geuet worden als Wahrzeichen der starken und siegreichen türkisch⸗deutschen Frenndschaft gegen etne feindliche Welt in der Hoffnung auf ensgültigen Sieg und dauer⸗ baften und fruchtbaren Frieden. Der Deutsche Ausschaß stiftete dreitausend M 18 für die Volksküchen, und wohnte dem Selamlik bet. er Sultan empfing Dr. Schacht und Dr. Jaeckh in Audienz und unterhielt sich nach dem Gotttes⸗ dienst in der Moschee mit den anderen Mitgliedern.
Aus Anlaß der Grundsteinlegung des Hauses der Freundschaft liefen außer Telegrammen dis Deutschen Katsers und des Sultans Begrüßungedepeschen des Generalfeldmarschells von Mackensen, des Armeeoberkommandanten in Syrien Dschemal Pascha urd des württ mbergischen Ministermäsidenten Fr iherrn von Weizsäcker ein. Die Deutsch⸗Tünkische Vereinigung übernahm am Freitag die Kosten der Armenspeisung in allen Volksküchen. Im Anschluß an die Feier werden der Abg. Traub, der Geheimrai Marcks und der Architekt Jansen in den nächsten Tagen Vor⸗ träge halten.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Königliche Schauspiele. Dienstag: Opernhaus. 114. Abonne⸗ mentsvorstellung. Mona Lisa. Oper in zwei Akten von Max Schillings. Dichtung von Beatrice Dovskv. Musikalische Leitung: Herr Generalmusikdirektor Dr. von Schillings. Regie: Fernsdegffear Hertzer. Chöre: Herr Professor Rüdel. Anfang 1 r.
Schauspielbaus. 116. Abonnementevorstellung. Der deutsche König. Schauspiel in fünf Akten von Ernst von Wildenbruch. In Szene gesetzt von Herrn Regisseur Dr. Bruck. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Opernhaus. 115. Abonnementevorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Tristan und Isolde in drei Akten von Richard Wagner. Anfang 6 ½ Uhr.
Schauspielhaus. 117. Abonnementsvorstellung. Der neue Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von Wildenbruch. In Szene
gesetzt von Herrn Regisseur Dr. Bruck. Anfang 7 Uhr.
Familiennachrichten. 8
: Frl. Hertha von Metzsch mit Hrn. edrich Frhrn. von Kotzau (Dresden— Oberkotzau). — FrlI. Ruth von Woyrsch mit Hrn. Hauptmann Theodor von Heine (Mechwitz).
Gestorben: Hr. Oberverwaltungsgerichtsrat Walter von Tzschoppe (Berlin). — Hr. Rittergutsbesitzer Hugo von Platen (Berlin). — Fr. Melant⸗ Gräfin von der Schulenburg⸗Weolfsburg, geb. von Helldorff (Hannrver). — Fr. Henny Freifr. von Rris⸗ witz und Kadersin⸗Holtzbrinck, geb. von Holtzbrinck (Schloß Posoelwitz bei Tanndorf, Mulde). — Frl. Elisabeth von Ja⸗ strzemski (Dresden).
Verantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg.
Verantwortlich für den E Der Vorsteher der Expedition, Rechnungsrat Mengering in Berlin.
Verlag der Expedition (Mengering) in Berlin. — Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, * Berrlin, Wilbhelmstraße 32. 2
Sieben Beilagen v abe der Deutschen Verlustlißen.
Deutschen Reichsa
88 Preußischer Landtag.
b Haus der Abgeordneten.
88. Sitzung vom 28. April 1917, vormittags 11 Uhr.
3 (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Am Regierungstische: der Minister für Handel und Ge⸗ werbe Dr. Sydow. 1
Präsident Dr. Graf von Schwerin eröffnet die Sitzung um 11 ½¼ Uhr. .
Der Abg. Euler (Zentr.) ist am 26. d. M. verstorben; das Haus ehrt dessen Andenken durch Erheben von den Sitzen. Vor Eintritt in die Tagesordnung erhebt sich eine längere Geschäftsordnungsdebatte darüber, ob die Se erfolgte Ueberweisung des Antrages betreffs der Schlichtungsstellen für die Eisenbahnarbeiter, hhhr daß dem Abg. Delius das Wort zur Begründung erteilt wurde, nach der Geschäfts⸗ ordnung zulässig war oder nicht. . Abg. Dr. Pachnicke (Fortschr. Volksp.) hält diesen Beschluß für geschäftsordnungswidrig und verweist auf § 22 der Geschäfts⸗ ordnung, der besagt: der Antragsteller erhält das Wort zur Be⸗ gründung. Nach § 23 finden alle Bestimmungen über Behandlung von Gesetzentwürfen auf Initiativanträge Anwendung. Danach be⸗ 95 unzweifelhaft ein Recht des Antragstellers auf die Begründung eines Antrages, und dieses klare Recht sei verletzt worden. Nur wenn der Antragsteller auf die Begründung verzichtet hätte, konnte ohne Debatte die Ueberweisung des Antrages an die Kommission staltfinden. Der Abgeordnete Delius habe ausdrücklich der Ab⸗ weichung von der Geschäftsordnung widersprochen. Er, der Redner, würde eine Aufhebung dieses Beschlusses beantragen, wenn er dazu eine Geneigtheit im Hause erkennen würde. Jedenfalls lege er schon deshalb gegen die Verletzung der Geschäftsordnung Verwahrung ein, um jedem Präjudiz für die Zukunft vorzubeugen. (Zustimmung.)
Miöfident Dr. Graf von Schwerin⸗Löwitz: Ich bin mir vollkommen bewußt, daß dem Antragsteller das Wort zu erteilen war, wenn er es verlangte. Der Abgeordnete Delius war allerdings auch zum Worte gemeldet, er hat aber nicht den Anspruch erhoben, zur Begründung das Wort zu erhalten. Hätte er es getan, so würde ich ihm das Wort erteilt haben. Ich gebe aber zu, daß es vielleicht besser gewesen wäre, ihn besonders zu fragen, ob er auf das Wort verzichte oder nicht. Im übrigen ist wiederholt so verfahren worden, wie es gestern geschehen ist.
Ag. Adolf Hoffmann (Soz. Arb.⸗Gem.) glaubt, es bliebe nichts anderes übrig, als den gestrigen Beschluß aufzuheben und die Sache wieder auf die Tagesordnung zu setzen.
Abg. Delius (fortschr. Volksp.) stellt fest, daß er gestern aus⸗ drücklich gegen den gestrigen Beschluß protestiert habe, weil er auf die Begründung des Antrags Wert gelegt habe. ““
Abg. von Heydebrand (kons.) weist darauf hin, daß in anderen Fällen ebenso verfahren worden ist, wie es der Präsident gestern getan habe, hat aber nichts dagegen, wenn der Präsident den Gegenstand, nochmals auf eine der nächsten Tagesotdnungen setzen würde, damit der Antragsteller 18g Begründung vorbringen könne.
Abg. von Zedlitz Freikons.) ist damit einverstanden.
Abg. Dr. Porsch (Zentr.) verweist ebenfalls darauf, daß es schon mehrfach vorgekommen sei, daß ein Antrag ohne besondere De⸗ batte an die Kommission verwiesen worden sei; dazu gehöre nicht Einstimmigkeit, sondern nur die Mehrheit der Abstimmenden. Er gebe aber zu, daß dieser Modus als Regel nicht erwünscht sei. Im übrigen sei er gern bereit, dem Antrage zuzustimmen, daß der Gegen⸗ stand noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt werde. 1“
Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Dr. Pachnicke, Ad. Hais mann und Dr. Mugdan erklärt sich das Haus einstimmig mit dem Vorschlage des Präsidenten ein⸗ verstanden, den Gegenstand nochmals auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen zu setzen. 1
Das Haus tritt darauf in die Tagesordnung ein.
Bezüglich des 68. Berichts der Staatsschuldenkommission über die Verwaltung des Staatsschuldenwesens wird auf den Vorschlag des Präsidenten Entlastung erteilt.
Es folgt die Beratung des schleunigen Antrags, der von dem Abg. Grafen von Spee (Bentr.) mit Unterstützung von Mitgliedern aller Parteien gestellt ist:
„die Regierung zu ersuchen, mit allem Nachdruck dahin zu wirken, daß die Erledigung von Urlaubsgesuchen für Mannschaften
s Heeres und der Marine zur Frühjahrsbestellung mehr als
bisher beschleunigt wird und der Urlaub der bereits zur Frühjahrs⸗ stellung beurlaubten Mannschaften die infolge der ungünstigen
Vitterung notwendig gewordene Verlängerung erfährt.“
Abg. von Bockelberg (kons.) beantragt, den ersten
Teil des Antrages folgendermaßen zu fassen:
8 „die Regierung zu ersuchen, mit allem Nachdruck bei den zu⸗ ändigen Behörden dahin zu wirken, daß die Erledigung von Entlassungen, Zurückstellungen und Beurlaubungen für Mann⸗ chaften des Heeres und der Marine mehr als bisher beschleunigt vird, und“ 1
Abg. Brütt (freikons.) beantragt, den zweiten Teil des Antrags folgendermaßen zu fassen: b
„im Interesse der Frühjahrsbestellung der Urlaub der bereits hierfür beurlaubten Mannschaften, soweit militärische
Gründe es zulassen, die infolge der ungünstigen Witterung notwendig gewordene Verlängerung erfährt.” 1 Abg. Graf von Spee (Zentr.): Es ist sehr erfreulich, daß sich
alle Parteien meinem Antrage angeschlossen haben. Ich habe ausdrück⸗
lich auf die Frühjahrsbestellung Bezug genommen. Der Antrag
Bockelberg verallgemeinert dagegen den Antrag und hat keine be⸗
sondere Beziehung auf die augenblickliche Notwendigkeit. Dagegen
habe ich an sich nichts einzuwenden, ich habe aber meinen Antrag als schleunigen Antrag für die augenblickliche Notlage gestellt. Ich bin. andererseits auch nicht gegen den Antrag Bockelberg, wenn darin auf die Frühjahrsbestellung ausdrücklich Begag genommen wird. Der zweite Teil meines Antrages wegen der Verlängerung ist notwendig, weil vielfach schon Leute auf vier Wochen beurlaubt sind, aber wegen der Witterung noch nichts haben tun können. Deshalb muß dieser
Urlaub verlängert werden. Den Gesichtspunkt des Antrages Brütt,
daß militärische Gründe den Urlaub zulassen müssen, erkenne ich an
und bin mit der Aufnahme dieses Zusatzes in meinen Antrag ein⸗
verstanden. 1 “ 8 Abg. von Bockelberg Cgh⸗ Wir wollen die Sache auf eine breitere Grundlage stellen, damit wird der Absicht des Grafen Spee Eintrag nicht getan. Viel wichtiger und namentlich wirksamer als die Beurlaubnugen sind die sogenannten urückstellungen der Mannschaften. Da gibt es zweierlei: zurückgestellt kann nur werden, wer sich noch nicht im Heeresdienst befindet; wer aber schon einer
Erste Beilage nzeiger und Königlich Preuß
Berlin, Montag, den 30. April
——
militärischen Organisation . ist, muß sein Gesuch auf Ent⸗ lassung und Zurückstellung lauten lassen. Die Entlassung gilt natür⸗ lich nicht für den ganzen Verlauf des Krieges, sondern der Mann kann nach einer Zeit wieder aufgefordert werden, sich zu stellen und seinen Dienst aufzunehmen. Deshalb habe ich auch die Zurückstellung und Entlassungen g6 den Beurlaubungen in meinen Antrag auf⸗ enommen. Ferner beschränkt sich mein Antrag nicht bloß auf die Frühjahrsbestellung, die allerdings jetzt dringlich ist, sondern will überhaupt alle Behörden, nicht nur die militärischen, seen auch die Zivilbehörden, zu einem beschleunigten Verfahren für alle solche Cesuce auffordern, nicht bloß für die Frühjahrsbestellung, sondern auch für weitere landwirtschaftliche Arbeiten, namentlich die Herbst⸗ arbeit. Das ist eine wesentliche Verbesserung des Antrages Spee. Je früher die Frühjahrsbestellung ausgeführt wird, desto besser ist es für das Wachstum der Früchte. Manche Bauern sagen, im Mai wächst es doch nicht mehr. Das Verfahren muß bei allen beteiligten Behörden vereinfacht und beschleunigt werden. Der Prozentsatz der möglichen Beurlaubungen wechselt nach der Kriegslage; unter Um⸗ ständen kann, wenn die Notlage in der Heimat auch noch so groß ist, überhaupt kein Urlaub erteilt werden. Die wichtigste Rolle spielen also nicht die Beurlaubungen, sondern die Zurückstellungen, bezw. die Entlassungen und Zurückstellungen. Daß auch die Verlängerung der Urlaube ausdrücklich gewünscht wird, dagegen habe ich nichts. Der Antrag Brütt berücksichtigt die militärischen Ich bitte den ersten Teil des Antrages Spee nach meinem Antrag und den zweiten Teil nach dem Antrage Brütt anzunehmen.
Abg. Brütt⸗Rendsburg (freikons.): Nachdem Graf Spee sich mit meiner Abänderung einverstanden erklärt hat, kann ich von einer Begründung meines Antrages absehen. Ich möchte aber bemerken, daß alle diejenigen, die es angeht, sich vor Augen halten sollten, daß die Gesuche um Beurlaubung angesichts der bevorstehenden Heu⸗ und Getreideernte rechtzeitig gestellt werden sollten, und ebenso müßten sie berücksichtigen, daß Beurlaubungen aus der Front äußerst schwierig und die Beurlaubungen von Kriegsverwendungsfähigen auch nicht leicht sind. Wenn das alles berücksichtigt wird, werden auch die Klagen über mangelnde Beschleunigung sehr viel geringer werden. Im Bezirk des stellvertretenden IX. Armeekorps können wir uns in keiner Weise über mangelnde Beschleunigung der Zurückstellungsgesuche be⸗ klagen, nachdem der Stellvertretende Kommandierende General sehr weitgehende allgemeine Verfügungen über die Zurückstellung im Inter⸗ esse der Landwirtschaft erlassen hat. 1
Geheimrat Frhr. von Hammerstein⸗Lorten: Die Früh⸗ jahrsbestellung ist allerdings diesmal besonders dringlich; abgesehen von den Erschwerungen durch den Krieg war bisher die Witterung abträglich. Auch die Herbstbestellung im vorigen Jahre konnte nicht in dem üblichen Umfange durchgeführt werden. Deshalb hat der Landwirtschaftsminister schon frühzeitig im Winter die militärischen Stellen darauf hingewiesen, daß die landwirtschaftlichen Betriebsleiter und Arbeiter in möglichst weitem Umfange für die Frühjahrs⸗ bestellung zur Verfügung gestellt werden müssen. Der letzte Antrag dieser Art ist im März gestellt. Es wurde darin besonders hervor⸗ gehoben, daß allen Anträgen mit möglichster Beschleunigung stattge⸗ eben werden möge. Die Oberste Heeresleitung und das Kriegsamt haben den Anträgen des Ministers weitgehend Rechnung getragen. Es ist einmal verfügt worden: Um der Heimat die dringenden not⸗ wendigen landwirtschaftlichen Arbeitskräfte zuzuführen, ist von den in der Etappe und in den besetzten Gebieten verwendeten Landsturm⸗ bataillonen ein gewisser Prozentsatz — den ich aus militärischen Gründen nicht mitteilen darf — landwirtschaftlicher Arbeiter, Besitzer, Betriebsleiter, Gemeindevorsteher üusw. vom 10. April ab bis Ende Mai zu beurlauben. Der Prozentsatz ist ein anerkennenswert hoher. In der zweiten Hälfte des April erging an sämtliche Truppenteile der Befehl: „Die Truppenteile des Frontheeres, der Etappe, der besetzten Gebiete sowie des Besatzungsheeres haben den Urlaub für landwirtschaftliche Betriebsleiter, Facharbeiter und Arbeitskräfte in die Zeit der Frühjahrsbestellung zu legen und, soweit es die mili⸗ tärischen Interessen irgend zukassen, alle in Betracht kommenden Leute u beurlauben.“ Dasselbe wird für die Zeit der Ernte geschehen. Von ben Zivilbehörden, insbesondere dem Landwirtschaftsministerium, werden alle Anträge sofort an die Kriegswirtschaftsstellen der einzelnen Generalkommandos mit der Bitte um möglichst schleunige Erledigung weitergegeben. Der Minister begrüßt es dankbar, daß das Haus auf die Dringlichkeit der Sache hinweist. Das wird dazu beitragen, die Schwierigkeit der Arbeiterverhältnisse bei der Frühjahrsbestellung zu beheben. (Beifall.) .
Abg. Dr. Levy (nl.): Der Antrag Graf Spee ist aus der un⸗ befriedigenden Lage der Witterungsverhältnisse in diesem Frühjahr entstanden, und seine schleunige Erledigung ist geboten. Wir verkennen aber nicht, daß seine Erweiterung nach dem Antrage von Bockelberg eine wünschenswerte Verbesserung darstellt, und wir werden dafür stimmen, wenn er den vom Grafen Spee angekündigten Zusatz erhält. Trotz gewisser Bedenken sind wir auch bereit, für den Antrag Brütt zu stimmen. Wenn bereits erteilter Urlaub mit Rücksicht auf die Witterungsverhältnisse verlängert wird, so können dadurch andere Urlaubsberechtigte, deren Gesuche noch nicht erledigt sind, benachteiligt werden. Ausschlaggebend kann, aüen für uns unter den obwaltenden Umständen dieses Bedenken nicht sein. “
enc ege ich Abg. von Bockelberg für die Einschaltung der Worte „insbesondere zur Frühjahrsbestellung“ in seinen Abänderungsantrag ausgesprochen und der Abg. Graf Spee sich mit der Ersetzung des zweiten Absatzes seines Antrages durch den Antrag Brütt einverstanden erklärt hat, gelangt der Antrag Graf Spee in dieser Fassung mit großer Mehrheit zur Annahme. 1 1 “
Die Vorlage über die Gewerkschaftsfähigkeit von Kaliberg⸗ werken in Hannover und betreffend Erledigung von Reichs⸗ steuersachen beim Oberverwaltungsgericht werden in dritter Lesung ohne Erörterung endgültig unverändert genehmigt.
Es folgt die Beratung des folgenden Antrages der Frei⸗ konservativen (Abg. Dr. Arendt u. Gen.): “
„die Regierung zu ersuchen, dem Landtage möglichst bald den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, durch das die Staatsauf⸗ bicht über die Kommunalverbände, insbesondere durch Abänderung des § 55 des Kommunalabgabengesetzes und der Pa⸗
ragraphen 50 und 51 der Städteordnung vom 30. Mai 1853 und der entsprechenden Bestimmungen der anderen Städteordnungen sachgemäß eingeschränkt wird. 8 1
Abg. Frhr. von Zedlitz (freikons.) führt zur Begründung des Antrages folgendes aus: Der Antrag beabsichtigt nicht eine neue Abgrenzung des ganzen Gebiets der Staats⸗ und der Gemeindever⸗ waltung, er strebt einen Fortschritt an auf einem Ausschnitt dieses Gebiets, der so vorbereitet ist, daß ohne weiteres die Klinke zur Ge⸗ setzgebung ergriffen werden kann; er will veraltete Bestimmungen, die mit der heutigen großen Zeit nicht mehr vereinbar sind, soweit eine völlige Klärung vorhanden ist, rasch beseitigen. Hier ist die Aussaat schnittreif, und es bedarf nur noch der Schnitter, um sie in die Scheuer zu hringen. Daß es sich um völlig spruchreifes Material handelt, dafuüͤr braucht nur auf die Vorschläge der Immediatkom⸗ mission hingewiesen zu werden. Diese hat als Grundsatz aufgestellt, daß die Staatsaufsicht sich beschranken soll auf die Innehaltung der Gesetze und die Wahrung der Staatsinteressen, daß sie aber die Hände davon lassen soll, wo es sich ausschließlich um die Interessen
. *) Ohne Gewähr, mit Ausnahme der Reden der Minister uns Staatssekretäru. —
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der Gemeinden und der Gemeindeangehörigen handelt. Daher hält 1
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aatsanzeiger.
ie die Genehmigung aller Ortsstatute, Satzungen, Reglements ür müct. erforderlich, diese Genehmigung hat sich auf einzelne An⸗ eelegenheiten von grundlegender Bedeutung, die Zusammensetzung der
meindevertretung, Bürgerrecht und dergl. zu beschränken. Die Kommission hält serner dafür, daß von der Genehmigung der Ver⸗ äußerung von Grundstücken und der Anleihen abgesehen werden kann. Gerade diese Bestimmungen sind es, welche die Gemeinden in ihrer Bewegung ganz besonders beschränken. Die Immediatkommission hält auch für angängig, die Genehmigung der Gemeindezuschläge zur Staatseinkommensteuer von 100 auf 200 % heraufzusetzen. an wird hieran erkennen, daß ein weites spruchreifes Gebiet vorhanden ist, auf dem die Kommunalaufsicht eingeschränkt werden kann. Die Befürchtung, daß es dann gewissen staatsfeindlichen Elementen er⸗ möglicht werden könnte, in die Kommunalverwalktung einzudringen, kann heute nicht mehr entscheidend sein; wir dürfen dem vaterlän⸗ dischen Sinn der Gemeinden vertrauen, daß sie solche Männer nicht in die Leitung ihrer Verwaltung hineinlassen werden. In Se⸗ Rahmen kommt auch eine zeitgemäße Reform des geltenden Bestä⸗ tigungsrechts in Betracht. Es kommt darauf an, wie innerhalb dieser so eingeschränkten Grenzen die Handhabung des staatlichen Aufsichts⸗ rechts erfolgt. Auch hier müssen Rechtskontrollen zum Schutze der Bürger und zum Schutze der Freiheit der Selbstverwaltung vor⸗ handen sein. Wird die Reform in diesem Sinne in Angriff ge⸗ nommen, wie sie in der Immediatkommission vorbereitet ist, so wird dem Vaterlande ein großer Dienst geleistet werden. Unterstaatssekretär Drews: Wie sehr die Staatsregierung die Leistungen der Selbstverwaltung während des Krieges anerkennt, hat der Erlaß des Ministers des Innern bewiesen. Die Tendenz des vorliegenden Antrages begegnet sich durchaus mit der Tendens jenes Erlasses, der der Selbständigkeit der Kommunen im weitesten Maße gerecht wird. Wie Sie alle wissen, sind zwei Staatskom⸗ missare eingesetzt worden, welche Vorschläge für eine Vereinfachung der Verwaltung machen sollen. Vom Ministerium des Innern bin ich der eine dieser Kommissare. Es liegt mir ob, dem Staats⸗ ministerium Vorschläge zu machen, auch auf dem Gebiete, auf das sich der Antrag bezieht. Wenn wir eine Vereinfachung der Verwal⸗ tung haben wollen, so müssen wir nicht nur die Organisation und Geschäftsführung unserer Behörden vereinfachen und verbilligen, son⸗ dern wir müssen auch dafür sorgen, daß die Arbeit, welche den Staats⸗ behörden obliegt, eingeschränkt wird; nur dann können wir auch zu einer Reform des Behördenapparates kommen. (Zustimnaung.) Der Arbeitskreis der Staatsaufsichtsbehörden kann zweifellos eine Einschränkung erfahren. (Zustimmung.) Das Selbstverantwortlich⸗ keitsgefühl der Selbstverwaltung muß gestärkt und möglichst wenig gehindert werden, der Selbstverwaltungstrieb und die Lust sich an der Selbstverwaltung zu beteiligen, muß bestärkt werden. Die Ge⸗ nehmigungen der Kreis⸗ und Bezirksausschüsse erfordern viel kost⸗ bare Zeit und Papier. (Zustimmung.) Es wird deshalb meine Auf⸗ gabe sein, wirksame Vorschläge zu einer Vereinfachung zu machen. Ich werde in nächster Zeit dem Staatsministerium eine Denkschrift vorlegen, auf Grund deren die Ausarbeitung der einzelnen Gesetz⸗ entwürfe in relativ sehr kurzer Zeit wird erfolgen koͤnnen. Ueber die Einzelheiten meiner Vorschlaäge kann ich hier keine Auskunft geben; ich bin lediglich dazu bestellt, dem Staatsministerium Vor⸗ schläge zu machen. Man hat zwischen einer allgemeinen Staatsauf⸗ sicht und einer besonderen Staatsaussicht zu unterscheiden. Was die erstere anbetrifft, so kennt das preußische Recht keine materiellen geselichen Bestimmungen darüber, welche materiellen Grenzen dieser allgemeinen Staatsaufsicht gezogen Die Sache ist aber nicht so schlimm, daß etwa der Willkür Tür und Tor geöffnet ist. Das Oberverwaltungsgericht hat sich der verdienstvollen Aufgabe unter⸗ zogen, jene allgemein gehaltene Staatsaufsicht mit Fleisch und Blut zu erfüllen und klare Ausführungsgrenzen festzustellen, innerhalb deren sich die allgemeine Staatsaufsicht bewegt. Die allgemeine Staatsaufsicht hat sich darauf zu richten, daß die Kommunen ihre Geschäfte nch den Vorschriften der Gesetze und im Interesse des Staates erledigen. Die Kommunalverwaltung soll so geführt werden, wie es eine ordentliche Kommunalverwaltung erfordert. Das könnte nun gesetzlich festgelegt werden. Vielleicht könnte auch ein Kontrollrecht durch das Verwaltungsstreitverfahren eingeführt werden. Was die besondere Staatsaufsicht anbetrifft, so halte auch ich eine wesentliche Einschränkung für erforderlich. Mit der Tendenz der beiden vorliegenden Anträge kann ich mich einverstanden erklären. Ich hoffe, daß das preußische Staatsministerium ihnen seine Zu⸗ stimmung geben wird. Ich hoffe weiter, daß die gesetzgebenden Faktoren “ der Staatsregierung zustimmen werden. (Lebh⸗ Beifall.)
Abg. Müller⸗Koblenz (Zentr.): Der Antrag Zedlitz zieht die praktischen Konsequenzen der Beschlüsse der Immediatkommission; diese dürfen nicht im Bereich platonischer Wünsche bleiben. Der Tendenz des Antrags stimmen wir unsererseits vollständig zu, um so mehr, als der Antrag nicht eine Aufhebung der betreffenden per⸗ — graphen verlangt, sondern nur eine Einschränkung der Aufsich befugnisse. Wir haben einen Zusatzantrag zu dem Antrage Zedlitz eingebracht, weil wir der Meinung sind, daß die städtischen Ge⸗ meinden gerade durch die allgemeine Staatsaufsicht in ihrer freien Bewegung gebemmt werden. Wenn der Regierungsvertreter gemeint hat, diese allgemeine Staatsaufsicht wäre nicht so schlimm, da die Grenzen der Staatsaufsicht vom Oberverwaltungsgericht gezogen seien, so genügt uns das nicht. Der jetzige Zustand führt doch z Unzuträglichkeiten, die gezogenen Grenzen sind doch außerordentli dehnbar, und es scheint uns deshalb notwendig, hier Wandel zu schaffen dadurch, daß der allgemeinen Staatsaufsicht feste Grenzen gezogen werden. Dadurch könnte eine Unmenge von Zeit erspart werden. Von einer Kommissionsberatung könnte abgesehen und die Sache sofort im Plenum erledigt werden. (Beifall im Zentrum.)
Abg. von Werder skons.): Der Antrag Müller scheint uns do nicht ganz klar zu sein. Wir beantragen deshalb, den Antrag Zedlitz mit dem Antrag Müller der Gemeindekommission zu überweisen (Widerspruch.) Die Sache ist noch nicht genügend geprüft, und das kann nur in einer Kommission geschehen.
Abg. Fink (nl.): Auch meine politischen Freunde stimmen der Tendenz des Antrages Zedlitz durchaus zu. Wir betrachten ihn als einen Teil der Neuorientierung. 8
Abg. Hirsch⸗Berlin (Soz.): Der Antrag Zedlitz beschränkt sich auf wenige Vorschläge, es kommt aber nicht nur darauf an, daß möglichst schnell, sondern daß gut gearbeitet wird, und wir fürchten daß, wenn der Antrag angenommen wird, die Regierung daraus der Schluß ziehen könnte, daß die Mehrheit des Hauses Weitergehendes nicht wünscht. Das veraltete Bestätigungsrecht muß vollständig be⸗ seitigt werden, jeder politische Gesichtspunkt muß ausgeschaltet und der Stadtverordnetenversammlung das Vertrauen geschenkt werden, daß sie weiß, ob der Betreffende geeignet ist oder nicht. Ferner müssen die Stadtverordnetenversammlungen anders zusammengesetzt werden Wenn die Gemeinden im Kriege Gutes geleistet haben, so ist das mit ein Verdienst der Sozialdemokraten. Es müßte schon während des Krieges eine völlig neue Städteordnung vorgelegt werden, wenn man es mit einer Neuorientierung wirklich ernst meint. (Zustimmung hei den Sozialdemokraten.)
Abg. Pohlmann ffortschr. Volksp.): Es fragt sich, oh es nicht richtiger wäre, die ganze Verwaltungsreform noch etwas hinauszu⸗ chieben. Viel notwendiger ist die Reform des Wahlrechts im
(Lebhafte Zustimmung.) Selbstverständlich sind die Voen arbeiten zur Verwaltungsreform sehr dankenswert, sie darf sich aben