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es heute noch beklagen, daß das Gutachen des preußischen Finanzministers, nach welchem „die Werke altdeutscher Maler die monumentale Wirkung vermissen ließen, die sie zum Schmucke großer Säle geeignet machten und es eine Kleinkunst sei, die höchstens weniage Spezialisten interessieren könnte“, schwerer wog als Schinkels und Rauchs sachverständiger Rat. Lodwig I. von Bayern hat 1827 zum Prelse von 240 000 Gulden die Sammlung, die jetzt einen wertvollen Teil der Münchener Alten Pinakotek bilder, erworben. Das inhalt⸗ reiche Werk, auf das hier nur kurz andeutend hingewiesen werden konnte, hat die bewährte Verlagshandlung vornehm ausgestattet. So ist es nach Inholt und Form ein erfreulicher Beweis dafür, was Deurschland auf literarischem Gebiete auch noch mitten im tobenden Weltkriege zu leisten im stande ist. 8
Statistik und Volkswirtschaft. Das Durchschnittsalter der Lebenden in Preußen.
Aus den Altersangeben bei den Volkszählungen läßt sich das Durchschnitisalter der Bevölkerung lescht errechnen; man braucht nur die Zahl der Angehörigen jeder Altersklasse mit der Anzahl der Leber Sjahre, die sir aufweist, zu vervielfältigen, sodann die erhaltenen Produtte aufzurechnen und die Schlußsumme durch die Gesamtzahl der Bevölkerung z1 teilen. Diese Rechnung ist für Preußen für die Volk ⸗zählungsjohre 1875 bis 1910 vorgenommen worden. Das in der „Stat. Korr.“ veröffentlichte Ergebnis ist folgendes: Es betrag das Durchschnuttsalter der Bevölkerung in Jahren für
männl. weibl. Personen
26,18 26,88 1895 85 — 25,99 26,88 0990909 1885. 26,10 27,09 1909 „ .26,15 27,81 ““ WTTTLTIIS. 26,88 27,62. Man sieht also auffallenderweise, daß das Durchschnittsalter der Be⸗ völkerurg von allen biologisch wichligen Vorgängen: dem Rückgarg der Geburten, der Abnabme der Sterblichkeit, dem Anwachsen der mittleren Lebensdauer ufw. zunächst völlig unberührt bleibt oder nur ußerst geringe Schwaakungen aufweist. Von 1875 bis 1880 fard eine geringfügige Abnahme von 26,1s auf 25,50 Jahre beim männ⸗ lichen Geschleckte statt, darauf wieder eine kleine Zunohme auf 26,1, alsdann füc 1890 bis 1905 ein fast völliges Sichgieicheleiben. Erst 1910 zeigte sich eine Zunchme auf 26,88 Jhre. Dte Zunahme des urchschnittkalters der möͤnvlichen Bevölkerung beträgt also in
5 Jahren, von 1875 bis 1910, 0,20 Jahr, die Zunahme des Durch⸗ schnittsatterg der weiblichen Bevölkerung allerdings 0,4 Jahr (es Hieg von 26,8s auf 27,92 J. hre), ob infelze genoutrer Anschreibung — Abnahme der bekannten Neigung, sich bei Altersaagaben jünger zu machen? —, muß dahingestellt bieiben. v
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Die „Deutsche Gartenbau⸗Gesellschaft“ hielt am
26. April ihre 95. Geveralversammlung in der Köglgischen Land⸗ wirtschafilichen Hochschule in Berlin ab. Bei dieser Gelegenheit erleiht die Gesellschaft alljährlich an solche P rsönlichkeiten, die neben der allgemeinen Förderung des Gartenbaues sich arch um die ideolen Ziele der Gesellschaft verdient gemacht haben, die goldene Verdienstdenkmünze. Sie wurde Herrn Dr. Gustav Krupp von Bohdlen und Halbach in Hügel bei Essen (Ruhr) als hervorragendem Gartenfreund und Liebhaber und Herrn König⸗ lichen Hoflieferanten Emil Dietze in Steglitz als bewährtem Fachmann auf dem Gebiele der Blumentreiberei und Ge⸗ müseanzucht verliehen. Den Jah esbericht erstattete der Präsident der Gesellschaft, Wirklicher Geheimer Rat Dr. Thiel: Die General⸗ versammlang habe wieder den Charakter einer Kriegela zung. Das Endziel, ein ehrenvoller Friede, sei zwar nech nicht erreicht, aber die kämpfenden Brüder auf allen Fronten, daran zweifle niemand, würden des bedrohten Reiches Fortbestand für alle Zukunft sichern. Möge die Dankesschuld der Heimat für alle Zeiten im deutschen Gemut lebendig bleiben und in Werken der viebe einst ibren schönsten Aus⸗ druck finden. Die Gesellschaft hat im Berichtsjabre der Klein⸗ gartenbewegung, diesem wirtschaftlichen Reitungsanker für viele Familun, dem erfolgreichen Kartoffelbau, der Beschaffurg geeigneten Saatgut.8, der Gewinnung ausreichender Gemüse⸗ mengen und der gärtnerischen Frauendewegung ihre vollste Aufmerksamkeit gewidmet. Der Urvterricht an der städttschen Fachschule für Gärtner konnte trotz Kriegs⸗ und Kohlennet bei gyter Betetligung beibebalten werder. Eine Ausgestaltung des Stunden⸗ lans hat neueren Erfordernissen Rechnurg getragen. Sechs Abtet⸗ lungen für die verschiedensten Geliete des Garten baues haben gewett⸗ ei ert, lei der Lösung des schwier gen Ernährunasproblems mitzuhelfen. Die „Leusätze fur den Anfänger in der Gemüsezucht“ sind in immer steiger dem Mafße eingefordert worden; die Zahl der abgegebenen Stuͤcke hat die Viertelmihien überschritten. Mit Genugtuung wurde estgestellt, daß der dertsche Gartengedanke infolge des Krieges die Gemüter in verheißongsvoller Weise ergriffen hat und nach Auswirkung strebe. Die Deutsche Gartenbau⸗Gesellschaft wird es als ihre vor⸗ vehmste Aufgabe betrachten, diese hocherfre liche Bewegurg mit aller Krast zu foͤrdern.
männl. weibl. Personen 26,15 27,23 26,1 27,22
Verkehrswesen.
Postanweisungen für unse Krieg fangenen in Rußland können bekanntlich nicht un⸗ mittelbar an die Empfänger ausgefertigt werden, sondern sind an die Oberpostkontrolle in Bern oder auf besonderes Verlangen
es Absenders on das Schwedische Postamt in Malmö zu richten. Der mit dem Gelde bedachte Gefangene, sein Unterbringungsort sw. sind auf der Rückseite des Postanweisungsabschnitts an⸗ zugeben. Diese Angaben, die nur für die Vermittlungestelle zwecks Ausfertigung neuer Postanweisungen noch Rußland dienen, sind in beutscher Sprache, aber mit lateinischen Buchstaben zu machen. Vermerke in russischer oder einer anderen slawischen Sprache oder in russischer Schrift sind für die Beamten der Postanweisungs⸗Vermitilungsstellen in der Schweiz und in
Schweden meist unverständlich und führen zur Verzögerung der Uebermittlung oder zur Uobestellbarkeit der Postanweisungen. Die Postanstalten we den daher in Zukunft Postanweisungen
für Kriegsgefangene nach Rußland, auf
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deren Abschnitt Ver⸗ merke in fussischer Schrift oder in russischer oder slawischer Sprache stehen, von der Annahme zurückweisen.
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Der Zablungsverlebr bei Reisen läßt sich durch Be⸗ nutzurg des Postkreditbriefs wesentlich erleschtern. Der Besitzer eines Postkreditbriefs Fraucht nur einen ger naen Borbetrag mit sich zu führen, weil er in der Lege ist, seine Mittel bei jeder Postanstalt des Deutschen Reiches in enfachster Weise zu ergänzen. Postkredit⸗
hriefe werden auf jeden rurch 50 tetlbaren Betrag bis zur Höchst⸗
Deutschen 1 Postschedkunden fönnen den Betrag auf Postkredst rteftonto überweisen lassen.
summe ven 3000 ℳ ausfg⸗stehlt. Der Betrag, auf den der Kredit⸗ brief leulten soll, ist mit Zablkarte bhet einer Postanstalt des Reichs an das zuständige Postscheckamt einzuzahlen; ein für sie anzulegendes Auf dem Abschnitte der Zabl⸗
karte oder der Ueberweisung ist die Person, für die der Kredurbrief
bestimmt ist, genau zu bezeschnen.
Dieser Person wird der Post⸗ kreditbhrief in kurzester Zeit portofrei zugesanct. Abhebungen — bis zu 1000 ℳ an einem Tace — sind bei allen Poßtanssalten des
Deutschen Reichs gegen Vorlegung des Pestkreditbrie g zulä sig. Als
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Ausweis bei der Abhebung vog Peträgen dient die Post msweiskarte oder eins der für die Abholonag postlagernder Sendungen wäbrend bdes Krieges vorgeschriebenen Auswessvpapiere (oon den Poltzetbehörden
ausgestellte Ausweise, deutsche Pässe und Ausmeise zum Aufer thalt in
Seebaͤdern, sofern sie die Personalbeschreibung, die Photographie und die beglaubigte eigenhändige Unterschrift des Abhebers enthalten). Die Güultigkeitsdauer eines Postkreditsbriefs beträgt 4 Monate. An Gebühren werden erhoben: außer der Zahlkarten⸗ oder Ueberweisungs⸗ gebühr (10 ₰ oder 3 ₰) 50 ₰ für die Ausfertigung und 10 ₰ für jede Rückzahlung bis 100 ℳ, 5 ₰ mehr für je 100 ℳ bei höheren Beträͤgen. Nicht nur zu seiner elgenen Bequemlichkeit, sondern auch zur Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ollte jed R. isende von Postkreditbriefen Gebrauch machen.
Theater und Musik.
Schillertheater O. (Wallnertheater).
Im Stammhaus des Schillertheaters wurden am Monteg zum ersten Male Moli dres Komödien „Tartüff“ und „Sganarell“ aufgeführt. Hervorgegangen aus der Gegnerschaft gegen gewisse Ge⸗ brechen seiner Zeit, die in Wahrbeit die Gebrechen aller Zeiten ge⸗ wesen sind, gegen Heuchelei und Scheinbeiligkeit, vermochte der Tartüff⸗ sich bei seinen Erscheinen nur unter Kämpfen die Bühne zu erobern, um alsdann seinen Schäpfer und seine Zeit zu überdauern. Mit lebhafter Antetlnahme folgt auch heuse der Zuschauer dem Gange der Handlung, dank nameatlich ihrem glücklichen dramatischen Aufbau, über den auch Goethe sich gürstig außerte. Anerkennung dorf der Aufführung des Schillerrheaters im großen ganzen nicht versagt bleiben. Die Hauptrolle des Tartüff lag in den Händen Karl Noacks, der den anfangs so verschlage en und um Schluß in brutaler Klarbeit zutage tretenden Charakter in den verschiedensten Abstufungen gut zur Geltung brachte; eine vortreffliche Leistung war auch die seines Gegenstückes, Cleant, durch Richard Kysch. Karl Elzer, der den alliu vertrauent⸗ seligen Orgon spielte, sewe Else Wasa als seine F au wußten sich mir Geschick in ihre Rollen hineinzefinden, während Erika Nvmgau als Kammermädcken Dorine sich in ihren Bewegungen von Ueber⸗ treibungen nicht ganz frethtelt. In dem auf den „Tartüff“ folgenden minder bereut noen, mehr zur Un’erhaltung verfaßten Einakter „Sganarell“ bewäorten sich als zreffl che Darsteller wiederum besonders Karl Noack als gestrenger Vater der für seine Heiratspläne wentg empfänglichen Celia sowie Karl Elzer in der Rolle des sich betrogen wäbrnenden Sganarell. Füc ein einträchtiges Zusammenspiel in beiden F hatte der Spielleiter Adolf Kurth in einsichtt voller Weise gesorgt.
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Im Königlichen Opernhause wird morgen, Freitag, „Aĩda“ mit den Damen Kemp, Leisner und den Herren Schwarz, re Sande, Bachmann und Funck in den Hauptrollen aufgeführt. Den Radames singt der Königlich bulgarische Hofopernsänger Herr Stefan Makevonskt von der Hofoper in Sofia als Gast. Db igent ist der Kapellmeister von Strauß. Anfang 7 Uhr.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Wilden⸗ bruchs vaterländisches Schauspiel „Der neue Herr“ mit den Damen Arnstädt, Coste, den Herren Kraußneck, Pohl, Clewing, Mühlhofer, Leffler, Keppler, von Ledebur, de Vogt, Boettcher, Zimmerer und Sachs in den Hauptrollen gegeben. Die Vorstellung beginnt 7 Uhr.
Das Schillertheater Charlottenburg veranstaltet am Dienstag, den 8. Mat, eine Sondervorstellong, deren Gesamtergebnis der Nationalsttftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen zuͤgeführt wird. Im Konzertteil des 3. Aktes der zur Aufsührung gewählten Raederschen Pesse „Robert und Bertram“ wirken die Kammersaͤngerin Kläre Dux, der Kammersänger Hermann Jadlowker und Arthur Schnabel mit. Eintritiskarten ohne Vorverkaufegebuͤhr zum Preise rvon 1 bis 10 ℳ sind an den Kassen beider Schillertheater und bei A. Wertheim zu haben.
Mannigfaltiges.
Im Deutschen Opernhause wurde gestern nochmittag lum Besten der Fürsorge fur hinnverletzte Krieger der Marine und des Feldheeres der nach kwemategaphischen Aufnahmen des I. Offizters S. M. H. „Möwe“, Kapitänl utnant Wolf, von dem Bild⸗ und Filmamt zusammengestellle Film Graf Dobna und seirne Möwe“ zun ersten Mal öffentlich vor⸗ gefü—brr. Mit Ibrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Frau Kronprinressin, die mit drei Prinzensöhnen zugegen war, hatte sich eine das weite Haus bis aaf den letzten Plotz füllende Zuschauermenge ingefundea, um diese einz'gartige Kriecsurkunde kinnen zu lernen. Unter den Anwesenden besanden sich hobe Vert’eter des Heeres und der Marine, der türkische Botschafter Hakki Pascho, der bulgarische Gesandte Dr. Ri off, mehrere Minister und Stoatesek etä e und viele andere hervorrogende und bekannte Per⸗ sör lchkeiten des öffemlichen Lebens. Die Vorstellung wurde mit der von dem Blüthnerorchester unter des Kompontsten Leitung ge⸗ spielten prächtigen „Bundesouvertüre“ von Paul Scheinpflug er⸗ öffnet, an die fhh ein von Rudolf Preeber verfaßter, von dem Königlichen Schauspieler Karl Clewing mit markigem Organ gesprochener, die Märchentaten der „Möwe“ verherrlichenter Vorspruch anschloß. Es folgte der kürz⸗ lich erst gewürdigte, hier zum ersten Mal öffentlich gezeigte Fum „Ein Tag bei dem Generalfeldmarschall von Hindenburg“, der stürmischen Beifall erweckte. Die von dem B ütbhnerorchester eindrucksvoll gespielte Ouvertüre zum „Fiegenden Holländer“ leitete dann zu dem mit Spannung erwarteten „Möwe’⸗Film über, der die Sprerxgungen, Kaperungen, Ver⸗ senkurgen von 15 'eindlichen oder im feindlichen Solde fahrenden Handel⸗schiffen verführt. Es gibt keine bessere und wirksamere Wider⸗ legung der feindl chen Lügenmeldungen über die angeblichen demschen Seerauber⸗ und Greueltaten zur See, als diese Bildre he, die ihr Urbeber auf der zw iten Kreuzerfahrt der „Möwe“ ohne jede Tendenz nur aus deim Wunsch heraus aufgenommen hat, das gewaltige Schauspiel eines Schiffsunterganges in setvem ganzen Umfange festsuhaten. Immer aber sieht der Beschauer, wie nach er⸗ folater Warnung stets erst d'e Besatzurg an Bord der⸗Möwe’ genommen wird und dakei ihre Habe bergen darf. Erst dann erfolgt die Versenkune. Kein Zatiel mehr wid laut werden dürfen, daß rnsere Seeleute anderd als nach Seekri gsbrauch und Völkere cht verfahren. Auf Bitten eines britichen Kawitäns, der 17 Jahre sein Fahr egg fuhr, lies ver ritterliche Kommandeont der „Möwe“ das englische Schiff sogar mit wehender Flagge sirken. Dieses Sinken ist jedes Mal ein packendes Schau⸗ spiel, das, wie der Kapitänleutnant Wolf mittetlt, immer wieder alle Leute, soweit sie nicht der Dienst im Schiff festhielt, an Peck zog. Eine klare Vorstellung solcher Ver enkungen geben die verschiederen Filn bilder, auf denen man grrße, stolze Dompfer und berrliche vollger akelte Segler, letztere mit fast majestättscher Würde, den Bug veran in die Tiefe fahren sieht. Nicht minder fesselnd sind aber auch andere Sienen, wie das Zuwasserlassen der Boote bei hohem Seegang, das Einbringen der Besatzungen, das Sichten, An⸗ hauen und Untersuchen feindlicher Schiffe, unter denen auch die glücklich in einen deutschen Hafen gebrachte „Yarrowdase“ sich befinder. Sehr anzrehend sind ferner die Szenen aus dem Boedleben, wenn die „Möwe“ außerhalb der großen Seeverkehrsstraßen fuhr; die närrische „Linsentaufe“ und die Sportfeste an Di ck geben Zeugnis von tem tyotz aller Anffrengungen des harten See⸗ monnsdienstes, gesund gebliebenen Humor unserer blaren Jun, en. Nach dem Martnefilm bereitete daos Bild⸗ vnd Filmamt din Zu⸗ schauern roch eine wohlgelungene Ueberraschung: die zwei Stunden zuvor gefilmte Ankunft Ihrer Katserlichen und Köni lichen Hoheit der Frau Kronprinzessin vor dem Deutschen Overnhause konnte bereitts in wohlgelungener Aufnahme auf der Leinwand gez int werden. Zum Schluß sprach der Vorßztz ude der Fürsorcge für hirnverletzte Krieger“ dem Publikum Dank fur die zohlreiche Beteiligung aus und brachte emn Hurra auf den G’afen Dohna und die tapfere Möwe“⸗ Mannschaft aue. Mit dem vom. Orchester begleiteten Gesarng des Lieres „Heutschland, Deutschland über alles“, schloß die wohl⸗ gelungene Veranstaltung.
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Am Montag, den 7. Mai 1917, beginnt der Kursus für EEö1“ der vom Verband Deutscher Kinderhorte für Vertreter von Behörden und Vereinen veranstaltet wird. Neben zahlreichen Vertretern von Vereinen sind von den Regierungen und verschiedenen Städten Teilnehmer gemeldet. Die Uebernahme von Vorträgen und Referaten haben u. a. zugesagt: Generalsuperintendent D. Lahusen⸗Berlin, Fräulein Dr. von Harnack, Frauenarbeitszentrale Kriegsamt⸗Berlin, Frau Dr. Runk⸗Stegemann, Kriegsernährungs⸗ amt⸗Berlin, Professor Schloßmann⸗Düsseldorf, Dr. Mayer⸗München, Buͤrgermeister Schmidt⸗Hörde, Dr. Burhenne⸗Siemensstadt, Stadt⸗ schulrat Niemann⸗Saarbrücken, Stadtarzt Dr. Herford⸗Görlitz, Stadtarzt Dr. Gottstein⸗Charlottenburg, Pastor Hanse⸗Berlin. Die Einschreibegebühr beträgt 10 ℳ für die ganze Tagung. Anmeldungen nimmt die Geschäftsstelle des Verbandes Deutscher Kinderhorte Char⸗ lottenburg, Goethestr. 22, Fernsprecher Stpl. 5407, entgegen.
Kürzlich wurde, wie Professor J. Plaßmann in Münster i. W. den vL Nachtichten“ berichtet, ein so belles Erdlicht des Mondes bheobachtet, wie es seit Jahren nicht gesehen worden ist. Zu der günstigten Ortszeit, um 6 Uhr 13 Minuten, war es milchweiß. Zur Ertlärung, schreibt Professor Plaßmann, kann man vi lleicht an eine durch hochl’egende dichte Wolken über dem Atlan⸗ tischen Ozean und Amerika stark vermehrte Lichtreflexion der Erde denken; denn am solgenden Vormittag erschien auch in Münster der Himmel bedeckt, der Abends von der größten Durchsichtigkeit war. Die „Astronomische Zeitschrift“ möchte die Hauptursache dieses starken Erdlichtes lieber auf die um jene Zeit außerordentlich große Schnee⸗ bedeckung der nördlichen Erdhälfte zurückführen, da verbreitete Schnee⸗ flächen das Licht ungemein kräftig reflektieren und erfahrungsgemäß ein helles Erdlicht auf der Nachtseite des Mondes hervorrufen.
Wie man die Entstehung der Kurzsichtigkeit verhüten kann, zeigt Professor Dr. G. Levinsohn in der neuesten Nummer der „Umschau“, Wochenschrist über die Fortschritte in Wissenschaft und Technik (Frankfurt a. M.). Uebersichtigkeit und Astigmattsmus sind fast immer angeboren, während die Kurzsichtigkeit in der ücergfoßen Mehrzahl aller Fälle einen erworbenen Zustand darstellt. Professor L vinsohn beschäftigt sich nun mit der sFrage, ob es nicht möglich wäre, durch geeignete Maßnahmen das Zustandekommen der Kurz⸗ sichtigkeit zu verhindern. Im Tierversuch stellt er die Entstebung der Kunzsichtigkeit fest. Durch die Beugung von Rumpf und Kopf muß das Auge nach vorn fallen und, der Schwerkraft der Erde ausgesetzt, langsam gedehnt werden, etwa in dem inne, wie ein an einem festen Faden autgehängter und mit Wasser 1eg Gummi⸗ ball seine kugelige Gestalt verliert und eine elliptische Form annimmt. So kommt das gedehnte Auge des Kurzsichtigen zustande. — Um die Kuszsichtigkeit in der Entstehung zu unterdrücken, will Levinsohn während der Naharbeit die Rumpf⸗ und Kopfbeugung des wachsenden Indivir uums hintanhalten, vor allen Dingen in der Schule. Eine gute Schulbank spielt hier die größte Rolle. Verschiedene Abbildungen zeigen (ine zweckmäßige Schulbank und wie die Haltung des Schülers von dieser abhängt. 8
Christiania, 2. Mai. (W. T. B.) Der letzte Zug deutscher und ößerreichisch⸗ungarischer invalider Kriege gefangener ist aus Rußland eingetroffen. Norwegen bereitet
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unseren Kriegern an der Grenzstation Kongsvinger einen sehr hecg⸗
lichen Empfang, zu dem außer den Herren und Damen der Kaiser⸗ lichen Gesandtschaft auch Vertreter des preußi chen Kriegsministeriums und des deutschen Roten Kreuzes erschienen. Nach warmen Be⸗ grüßuangswonten des Le ters des norwegischen Sanitätswesens, Obersten Daae, hieß der Legationsrat Prinz zu Wied namens des Kaiser.
lichen Gesandten die deutschen Verwundeten willkommen und dankt
der norwegischen Regierung und allen Beteiligten, besonders dem
Obersten Daae, für die vielen Beweise wahrer Nchs enliebe.
entralblatts für das Deutsche Reich“, eichsamt des Innern, vom 27. April 1917 hat
Nr. 14 des „ erausgegeben im 8 olgenden Inhalt: Allgemeine Verwaltun gssachen: Unterstützung von Familien in den Dienst eingetretener Mannschaften. — Exröffnun eines Postscheckkonos für die Reschshaupikasse. — Handels⸗ und Gewerbewesen: Abänderung der Ausfüh ungsbestimmungen zu der Bekanntmachung, betreffend Einschränkung der Trinkbranntwein⸗ erzeugung. — Zoll⸗ und Steuerwesen: Erhöhung der ohne Steuer⸗ zuschlag herstellbaren Zündwarenmengen auf 60 v. H. der Voll kontingente. — Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete. 8
g.
Königliche Schauspiele. Freitag: Opernhaus. 117. Abonne⸗ mentsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Aida. Oper in vier Akten (7 Bildern) von G. Verri. Text von Antonio Ghislanzoni, für die deutsche Bühne bearbeiter von Julius Schan Musikalische Leitung: Herr Kapellmeister von Strauß. Regie;: Herr Oberr gisseur Droescher. Bahlett: Herr Beallettmeister Graeb. Chöre: Herr Professor Rüdel. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 119. Abonnementsvorstelung. Der neue Herr. Schauspiel in 7 Vorgangen von Ernst von Wildenbruch. In Szene gesetzt von Herrn Regisseur Dr. Bruck. Anfang 7 Uhr.
Sonnabend: Opernhaus. 118. Abonnementsvorstellung. Fidelio. Oper in zwei Akten von Ludwig van Beethoven. Text nach dem Französischen von Ferdinand Treitschke. Anfang 7 ½ Uhr.
Schauspielhaus. 120. Abonnementsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Peer Gynt von Henrik Ibsen. (In zehn Bildern.) In sreier Uebertragung für die deutsche Bühne Fefaie von Dietrich Eckart. Musik von Edward Grieg. Anfang
Familiennachrichten.
Verlobt: Frl Loit ard Buhl gen. von Seydlitz⸗Kurzbach mit Hrn. Referendar Burkard Fohrn. von Botneburg⸗cengs feld (Straßburg
Verehelicht: Hr. Regierungsrat Willibald von Seyfried mit Frl.
Lälian Schlief (Berlin⸗Grunewald). Geboren: Eine Tochter: Hrn. Regierungsassessor von Engel⸗ brechten⸗Jlow (Prenzlau).
Gestorben: ;r. Obeistleutnant a. D. Alexander von Jerin
(Köslin). — Hr. Oberstleutnant a. D. Willy von Rochow (Bad
Kissingen). — Hr. Oberstleutnant z. D. Otto von Borcke (Steglitz). — Fr. Olga von Sydow, geb. von der Osten GFant⸗ furt g. M.). — Frl. Marie von Minckwitz (Domreichenba
Hrn. Rittmeister Hanskarl von Arnim⸗Peres Sohn Wolf (Dresden).
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Verantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg. Verantwortlich für den 1“ Der Vorsteher der Expedition, Üechnungsrat Mengering in Berlin. Verlag der Expedition (Nengerinc) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, . 2 Berlin, Wilhelmstraße 32. Sieben Beilagen sowir die 1412. Ausgabe der Peurschen Verlustlisten.
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Finger
(Heiterkeit und Zurufe.)
unserer Feinde, die uns an Zahl überlegen sind.
Nationalliberalen, unterstützt von den
eutschen Neichsanz
*£ Erste Beilagen
8.
Berlin, Donnerstag, den 3. Mai
S Deutscher Reichstag. 88. Sitzung vom 2. Mai 1917, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Am Tische des Bundesrats: die Staatsminister, Staats⸗ sekretär des Innern Dr. Helfferich, und Staatssekretär des Reichsschatzamts Graf von Roedern sowie der Staatssekretär
des Reichspostamts Dr. Kraetke.
Präsident Dr. Kaempf eröffnet die folgender Ansprache: Der Zahl unserer Feinde hat sich ein neuer mächtiger Gegner hinzugefellt. Die Vereinigten Staaten von Amerika haden erklärt, daß sie sich Degtschland gegenüber als im Kriege befindlich betrachten. In einer Botschaft an den Kongreß vom 2. April versichert Prü⸗ ident Wilson, aß er gegen Deutschland Krieg führe im Interesse er Menschheit und aus Gründen der Gerechtigkeit. (Hört, bört!) Das Recht, dies zu versichern, hat er verloren, nackdem er keinen rührt hat, um England in den Arm zu fallen, als es den alles⸗ Menschen⸗ und Völkerrecht verletzenden Aushungerungskrie⸗ egen Deutschland ankündigte und ins Werk setzte. (Zustimmung. Fr hat dies Recht verloren, als er den deutschen Vorschlag ablehnte, ür bestimmte Wege das Leben amerikanischer Bürger auf amerikani⸗ chen Schiffen sicherzustellen, vorausgesetzt, daß sie keine Banmrare führten, und als er durch seine Ablehnung seine eigenen Landsleute der Todesgefahr aussetzte. (Erneute Zustimmung.) Als willenloses Werkzeug stellt Präsident Wilson das deutsche Volk dar, das in diesen Krieg getrieben worden sei durch eine Gruppe Ehrgeiziger.
Sitzung mit
Er erzählt aber nicht von den Einkreisungsmachenschaften, die jahr⸗
zehntelang gegen uns getrieben wurden (Sehr wahrh) er erzählt nichts von dem Vernichtungswillen, dem unsere Feinde erst kürzlich in kräftiger Weise Ausdruck gegeben haben, unsere Feinde, auf deren Seite sich Wilson stellt. Das deutsche Volk hat sich am 4. August 1914 wie ein Mann erhoben. (Beifall.) Wir kämpfen noch heute vr Verteidigung unserer Freiheit, unserer Unabhängigkeit und des ebens (Beifall.) Wir haben keinen Streit mit dem deutschen Volke, so sagt der Präsident, im Gegenteil, wir hegen für das deutsche Volk nur das Gefühl der Sympathie und der Freundschaft. Seine Handlungen stehen wenig im Ein⸗ klang mit diesem Gefühl der Sympathie. (Sehr richtig!) Wenn mit dieser Botschaft Präsident Wilson das Bestreben hatte, Zwie⸗ tracht in Deutschland zu säen, so ist es nichts. Als Präsident des Deutschen Reichstages, der durch das freieste Wahlrecht der Welt gewählt ist, halte ich mich als Vertreter des deutschen YVolkes für verpflichtet, zu erklären, daß dieses Bemühen an dem cesunden Sinne unseres Volkes scheitern und der Präsident Wilson mit diesem Bemühen auf Granit beißen wird. (Stürmischer Beifall.) Mit dem teuersten Herzblut unseres Volkes haben wir das deutsche Kaisertum errichtet, mit dem teuersten Herzblut kämpfen wir für Kaiser und Reich. (Stürmischer Beifall.) Auch vor einem Macht⸗ wort des Präsidenten Wilson wird nichts verrinnen, was unsere Vor⸗ väter erstritten und ersehnt und was wir auf den Schlachtseldern errungen haben. (Beifall.) Wie der oberste Beamte des Deutschen Reiches erklärt hat, daß Deutschland sich nicht einmischt in die
inneren Angelegenheiten unseres Nachbarstaates Rußland, so ver⸗
bitten wir uns von jeder fremden Regierung, welche immer sie auch sein möge, jedes Eingreifen in unsere inneren Verhältnisse. (Lebh. (Beifall.) Wenn nicht alles täuscht, naht die Entscheidung in diesem ewaltigen Kriege. Wir sehen unsere tapferen, todesmutigen ruppen unerschütterlich standhalten den wütenden Anstürmen Unsere Tauchboote und ihre heldenmütigen und den Tod verachtenden Besatzungen wer⸗ den England zeigen, welche Vergeltung Deutschland zu üben vermag für den ruchlosen Aushungerungskrieg, den England gegen uns pro⸗ klamiert hat. (Lebhafter Beifall.) Wir haben die finanzielle Kraft
durch den glänzenden Erfolg der sechsten Kriegsanleihe von neuem erprobt und erwiesen. Unge er trotzen wir den Entbehrungen, die dieser Verteidigungskampf
(Beifall.) Ungeachtet aller Schwierigkeiten uns
auferlegt. Wir in der Heimat halten fest an dem unerschütterlichen
Vertrauen und Glauben an den Stern des deutschen Vaterlandes
(Lebhafter Beifall), an einen Frieden, der uns die Sicherheit unseres Vaterlandes verbürgt und an einer glücklichen Entwicklung für jetzt und alle Zeit. (Lebhafter Beifall.)
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Beratung des Reichshaushaltsplans für 1917, beginnend mit dem Reichsschatzamt.
Zu den fortdauernden Ausgaben erster Titel, Gehalt des Staatssekretärs 44 000 ℳ, liegt folgender Antrag der übrigen bürgerlichen Parteien, vor:
„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, mit tunlichster Beschleunigung einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den es 1) dem Lieferer verboten wird, dem Abnehmer einen Zuschlag zum Preise wegen des auf die betreffende Lieferung oder deren Be⸗ zahlung entfallenden Warenumsatzstempels besonders in Rechnung zu stellen, 2) dem Abnehmer verboten wird, wegen des bei der WMeteregra gerthig zu bezahlenden Stempels seinem Lieferer einen besonderen Preisabzug von der Rechnung zu machen.“
Abg. Nacken (Zentr.): Der Haushaltsausschuß hat an diesem Haushaltsplan nichts beanstandet. Eine Erörterung hat nur statt⸗ gefunden über den immer fühlbarer gewordenen Mangel an Klein⸗ geld. Die vermehrte Prägung hat den Uebelstand nicht zu beseitigen vermocht. Im ganzen ist jetzt der Betrag von 19,54 ℳ auf den Kopf an Scheidemünzen ausgeprägt. Schuld ist an dem Mißstande die Hamsterei. Die Silbermünzen dürfen nicht mehr in Strümpfen, Kisten und Kasten verschwinden. Hier helfen nur energische Maß⸗ nahmen. In der Presse ist angeregt worden, veränderte Münzen aus⸗ zuprägen und dann mit ganz kurzer Frist die jetzigen Scheidemünzen, vor allem die Mark⸗ und Halbmarkstücke, außer Kurs zu setzen. Die elende Kleingeldhamsterei ist ebenso gefährlich wie die Hamsterei mit Lebensmitteln. Vielleicht äußert sich die Verwaltung über die Frage, ob auch bei ihr in dieser Richtung Erwägungen schweben.
Direktor im Reichsschatzamt Dr. Schröder: Es schweben tatsächlich solche Erwägungen. Die Verwaltung hat dem jetzt so stark auftretenden Mangel, der sich schon bald nach Anfang des Krieges herausstellte, damals aber bald wieder normalen Verhält⸗ nissen wich, mit allen Mitteln verstärkter Ausprägung abzuhelfen gesucht, aber vergeblich. Es sind seit Ende März 1914 bis Ende März 1917 zu den vorhandenen 98 Millionen in Halbmarkstücken mehr geprägt 38 Millionen, also eine Steigerung um 40 %; die 10⸗ und 5⸗Pfennigstücke sind um 32 % vermehrt worden. Wenn trotzdem der Mangel weiter besteht und sich noch steigert, so ist daran nicht bloß der Heeresbedarf und der Bedarf in den besetzten Gebieten, sondern vor allem auch die schuld. Es sind ernste Er⸗ wägungen im Gange, eesezisch durchzugreifen; es wird erwogen, ob neue Münzen vorbereitet werden und dann die vorhandenen mit kurzer
8 Ohne Gewähr, mit Ausnahme der Reden der Minister und Staatssekretäre.
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Frist außer Kurs zu setzen sind, die dann nie wieder in den Verkehr kommen würden. Wenn dabei die Hamster zu Verlusten kommen, braucht man kein Mitleid mit ihnen zu haben.
Abg. Stücklen (Soz.): Die entstandene Notlage muß beseitigt werden. In Berlin muß man für kleine Münzen schon Aufgeld be⸗ zahlen. Ob neue Münzen der richtige Weg zur Beseitigung sind, ist mir zweifelhaft; sie bieten vielleicht eher einen neuen Fnre, zur Hamsterei. Für die schwierige Lage der Reichsfinanzverwaltung haben wir volles Verständnis. Wir arbeiten jetzt finanziell ins Blaue hinein, der Reichstag hat keine Möglichkeit der Nachprüfung, ob eine Ausgabe notwendig und berechtigt ist Die Kriegsausgaben vorher zu etatisieren, ist eine Unmöglichkeit. Der Reichstag besteht auf Sparsamkeit; diese darf aber auch nicht am falschen Orte geübt werden. Die vom Reichstag beschlossene Erhöhung der Mannschaftslöhne und der Gewährung eines zweiten Putzgeldes sind nicht ausgeführt worden, weil das Reichsschatzamt Widerstand geleistet hat. Der Bundesrat bestreitet einfach das Bedürfnis. Man scheint an gewissen Stellen im Reiche immer noch den Reichstag als läftigen Bittsteller anzu⸗ sehen, dessen man sich mit einer Handbewegung entledigt. Das darf sich der Reichstag nicht gefallen lassen. Das zweite Putzgeld wird 30 Millionen erfordern; will man hier wirklich auf Kosten der Sol⸗ daten sparen? Bei Zuwendung an Offiziere und höhere Beamte ist das Reichsschatzamt nicht so zugeknöpft. Anderseits ist das Hotel Cumberland für 7 Millionen angekauft worden, da hat man keine Sparsamkeit geübt, auch keine finanziellen Bedenken gehabt, im Gegen⸗ teil sucht uns eine Denkschrift des Reichsschatzamtssekretärs nachzu⸗ weisen, daß das Reich dabei sogar ein gutes Geschäft gemacht hat. Nicht das Reich macht ein gutes Geschäft dabei, sondern einer der ge⸗ rissensten Grundstücksschieber. Das Luxushotel stand vor dem Bankrott. Es besteht eine gewisse Manie, derartige teure Hotels für Reichszwecke zu erwerben. Der Schatzsekretär sagt in seiner Denk⸗ schrift, das Grundstück wäre noch teurer zu stehen gekommen, wenn es beschlagnahmt worden wäre. Das kann doch nur zutreffen, wenn nicht nur der Wert des Grundstücks, sondern auch der entgangene Verdienst entschädigt wird. Auf eine solche Rechnung braucht sich aber der Schatzsekretär nicht einzulassen. Es ist merkwürdig, daß das Reichs⸗ schatzamt darauf hereingefallen ist, daß man sagte, das Hotel würde teurer werden, wenn das Reich nicht schleunigst zugriffe. Das Grund⸗ stück in der Victoriastraße ist ein Schulbeispiel dafür, wie das Reich nicht Geschäfte machen soll. Das Gebäude wurde dem Reichsschatz⸗ amt überwiesen, damit es zum Besten des Reiches verwendet würde. Jetzt ist es ausgebaut, und ich frage, welchem Zweck es eigentlich dienen soll. Was wird mit dem Cumberland⸗Hotel nach Beendigung des Krieges werden? Werden es nicht die Schieber für hilliges Geld an sich bringen? Das Etatsrecht des Reichstages ist in diesem Falle zweisellos verletzt worden. Zum mindesten hätte der Haushaltsaus⸗ schuß einberufen und ihm eine entsprechende Vorlage gemacht werden müssen. Der Schatzsekretär hat nun nachträglich die Indemnität durch einen N zum Militäretat nachgesucht. Der Reichstag muß sich aber jedenfalls nachträglich verbitten, daß sich derartige Dinge wiederholen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Schweighardt (fortschr. Volksp.): Wir werden der Resolution zustimmen. Beinahe alle Handelskammern haben den jetzt bestehenden Zustand für unhaltbar erklärt. Es leiden darunter namentlich die Kleinhändler, die gar nicht in der Lage sind, den Um⸗ satzstempel auf die Waren zu verrechnen, weil die Beträge viel zu klein sind⸗ Wir dürfen erwarten, daß die Reichsregierung bald Wandel chafft. (Beifall.) 2
Staatssekretär des Reichsschatzamts Graf von Roedern:
8ch darf zunächst dem letzten Herrn Vorredner antworten und mitteilen, daß ich hoffe, daß seinem Wunsche schon in nächster Zeit wird stattgegeben werden können. Wir erkennen die Schwierigkeiten, die von dem Herrn Vorredner hier vorgetragen worden sind, vollkommen an, und wir hoffen auch, einen Weg zu finden, wie ihnen begegnet werden soll. 1
Ich darf dann auf die Anfragen des Herrn Abgeordneten Stücklen eingehen. Er hat hier verschiedene Fragen zur Sprache gebracht, die nicht unmittelbar den vorliegenden Etat des Reichs⸗ schatzamts berühren. Ich muß es mir deshalb versagen, materiell auf diese Fragen bei diesem Etat einzugehen, bei einem Etat, bei dem die Vertreter aller anderen beteiligten Ressorts nicht zugegen sein können.
Aber, meine Herren, der Herr Abgeordnete Stücklen hat hier eine formelle Frage angeschnitten, und das ist die Frage der Be⸗ rechtigung der Reichsregierung, aus dem Kriegsfonds einen Ankauf vorzunehmen, wie es beim Hotel Cumberland der Fall war. Meine Herren, man kann über diese formelle Frage zweierlei Ansicht sein. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Wir haben Ihnen, der Herr Kriegsminister und ich, im Hauptausschuß unsere Stellungnahme dar⸗ gelegt und haben vor allen Dingen darauf hinweisen können, daß hier ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem Falle, der damals vom Reichstage moniert war, dem Falle des Kaufes in der Viktoria⸗ straße, vorlag. Damals war ein Titel für Ausgaben aus Anlaß des Krieges in der Allgemeinheit nicht vorhanden. Es mußte infolgedessen unter Ueberschreitung eines anderen Titels vorgegangen werden. Meine Herren, wir haben aber in der Budgetkommission ohne weiteres anerkannt, daß Sie, die dem Bundesrat diese weitgehende Vollmacht erteilt haben, auch die gegebenen Interpreten dieser Vollmacht sind, und da Sie glaubten, in diesem Falle anders interpretieren zu sollen als wir, so haben wir Ihnen den Nachtrags⸗ oder Ergänzungsetat vorgelegt, der Ihnen die materielle und formelle Nachprüfung der Angelegenheit ermöglicht.
Auf die materielle Frage möchte ich heute auch nicht eingehen, da sie den Etat des Herrn Kriegsministers betrifft, der heute nicht anwesend ist. Wenn die Denkschrift von mir gezeichnet vorgelegt ift, so ist das nur ein Formale, da ich in Stellvertretung des Herrn Reichskanzlers gezeichnet habe. Es handelt sich aber lediglich um eine materiell den Etat des Herrn Kriegsministers angehende An⸗ gelegenheit. 8
Dann hat der Herr Abgeordnete Stücklen nach dem Schicksal des Grundstücks in der Viktoriastraße gefragt. Ich darf ihn da verweisen einerseits auf die Bemerkungen zu Kap. 67 des diesjährigen Etats und ferner auf die Verhandlungen vom 8. April 1916. Da hat der⸗ selbe Herr Berichterstatter, der uns heute referiert hat, Ihnen mit⸗ geteilt, daß vorläufig dieses Grundstück soweit als möglich ausgebaut und für die Reichsentschädigungskommission verwendet werden sollte. Das ist geschehen, und das ist Ihnen in der Bemerkung zum Etat bei Kap. 67 Tit. 12 nachgewiesen. 3 Ich glaube, damit die Fragen des Herrn Abgeordneten beant⸗ wortet, zu haben. “ 1“
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eiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
1b Hauses beziehen.)
8. 8
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„Abg. Keinath (nl.): Die Erklärung des Staatssekretärs, daß die Regierung bald einen Gesetzentwurf zur Verhinderung der Ab⸗ wälzung des Warenumsatzstempels vorlegen will, wird in allen Ge⸗ schäftskreisen ungeteilte Genugtuung hervorrufen. Der Unwille mit den eingetretenen Zuständen hat sogar weite Kreise der Industrie er⸗ griffen. Vielfach sind durch die Art der Behandlung des Stempels Millionenumsätze unmöglich geworden. Es ist bedauerlich, daß die Behörden in gewisser Beziehung die Abwälzung des Stempels unter⸗ stützen, indem sie bei ihren Berechnungen auch den Warenumsatz⸗ stempel miteinsetzen. Durch die Abwälzung des Stempels wird der Sinn des Gesetzes verändert. Bei der jetzigen Handhabung der Ab⸗ wälzung werden besonders wirtschaftlich Schwache manchmal zwei⸗ und dreimal belastet.
Abg. Dr. Arendt (deutsche Franktion): Auch wir werden dem Antrage zustimmen. Der Ankündigung der Regierung auf Einbringung des Gesetzentmwurfes folgt hoffentlich schnell die Tat. Bezüglich des Ankaufes des Hotels Cumberland kann ich Kollegen Stücklen nicht widersprechen. Bei geschickterer Art des Vorgehens hätte man den An⸗ kauf erheblich billiger vollziehen können. Die Klagen über die Ankäufe von Hotels Unter den Linden werden bald ein Ende nehmen, da es jetzt dort wohl kaum noch eins zu kaufen gibt. (Heiterkeit.) Die Verhältnisse im Münzumlauf sind ganz außerordentlich traurig infolge der Hamsterei von Kleingeld. Dieses ist absolut unverständlich. Wir müssen aber mit der Tatsache rechnen, daß dadurch eine schwere Ver⸗ kehrsstörung entstanden ist, die behoben werden muß. Das kann nur durch schnelle Ausprägung von kleinen Münzen geschehen. Wünschens⸗ wert ist auch die Ausprägung von 2 ⁄¼ Pfennigstücken. Gegen die Ausprägung von 50 Pfennigstücken in Höhe von 10 Millionen Mark habe ich ernste Bedenken. Ich hätte nicht geglaubt, daß ich einmal in die Lage kommen würde, mich gegen die Ausprägung von Silbergeld zu wenden. (Heiterkeit.) Aber wir müssen jetzt auf unsere Silber verarbeitende Industrie Rücksicht nehmen, die sonst das Silber zu teuren Preisen im Auslande kaufen müßte. Zu erwägen wäre die Ausgabe von *½ Markscheinen. Es wäre richtiger, solche von Reichs wegen zu schaffen, anstatt hier die Initiative Kreisen, Kommunen oder Verkehrsgesellschaften zu überlassen. Wenn dieser Weltkrieg zu Ende ist, werden wir auch die bisher gemachten Erfahrungen für unsere Währung und Valuta nutzbar machen müssen.
Abg. Zimmermann inl.): Ich möchte auch befürworten, daß das Reich die Ausgabe von 50 Pfennigscheinen in die Hand nimmt un nicht den Gemeinden überläßt. Diese 50 Pfennigscheine werden ebenso Aufnahme finden im Publikum wie die Ein⸗ und Zweimarkscheine. Die Anregung, 2 % Pfernegftn. zu prägen, wäre zu begrüßen. Das Herr Dr. Arendt auf die 11“ zu sprechen gekommen ist, ann man ihm nicht verdenken, es ist ein altes Steckenpferd von ihm. Aber die Sache ist ein für allemal abgetan. Die Reichsbank hat durch die Goldwährung ihre Geschäftsführung auf die solideste Basis ge⸗ stellt. Die Goldwährung wird immer als internationale Währun zur Geltung kommen. Der Verkehr mit Briefmarken vollzieht sich nicht immer zur Zufriedenheit des Publikums. Die Außergeltung⸗ setzung der kleinen Münzen ist doch nicht ohne Bedenken. Das Publi⸗ kum muß jedenfalls wissen, ob diese Sache von dem Reichsschatzamt oder von der Reichsbank ausgeht. In der Frage des Cumberland⸗ hotels hat sich der Schatzsekretär von dem ihm gemachten Vorwurf nicht ganz rein waschen können. Er hat sich gewiß in sein neues Amt recht gut hineingearbeitet. Er hat allerdings in dem Reichsbank⸗ präsidenten und seinem Vorgänger sehr gute Ratgeber, da können allzu große Dummheiten im Reichsschatzamt nicht gemacht werden. (Große Heiterkeit.) Das Vertrauen der Reichsangehörigen muß sich auch auf die Person des Schatzsekretärs stützen. Die letzte Kriegsanleihe ist ein Beweis von der unerschütterlichen Kraft des deutschen Volkes. Da⸗ gegen können alle gegenteiligen Behauptungen von englischer und amerikanischer Seite nicht aufkommen. Die Finanziers in den Ver⸗ einigten Staaten scheinen nicht zu wissen, wo sie mit dem Milliarden⸗ segen, den sie ihren jetzigen Alliierten abgenommen haben, bleiben sollen. Wir haben allen Grund, mit dem früheren Schatz⸗ sekretär und jetzigen Staatssekretär des Innern Dr. Helfferich das Bleigewicht der Kriegskosten den Feinden aufzubürden. Dieses Gefühl wird in jedem Deutschen unerschütterlich sein. Die Kriegsentschädigung gehört auch zur Selbsterhaltung des deutschen Volkes. (Zustimmung.) Wie kapitalkräftig wir sind, beweisen die Bilanzen einiger deutscher Banken, die Höhe der Girokonten usw. Aber wir müssen auch bedenken, daß diese großen Summen zum großen Teil herrühren aus der Erschoöpfung von Vorräten, zu deren Ersatz Bargeld vorhanden sein muß. Unser Finanzsystem hat sich außerordentlich bewährt, und der Reichsbankpräsident hat daran ein großes Verdienst. An der baldigen Beendigung des Krieges haben wir nicht allein ein Interesse, sondern auch unsere Feinde, vor allem Rußland. Rußland hat ebensowenig wie wir den Krieg gewollt, es ist von Frankreich und England in den Krieg gehetzt worden. (Sehr richtig!) Den Verlust ihrer Kronen haben die abgesetzten Herrscher am letzten Ende England zu verdanken. (Vizepräsident Dr. Paa scher bittet den Redner, nicht zu sehr auf allgemeine politische Fragen ein⸗ zugehen.) Wir haben jetzt die ganze Welt gegen uns, aber das schreckt uns nicht, wir gehen den Weg der Gerechtigkeit. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Schiele (dkons.): Meine politischen Freunde schließen sich dem Wunsche an, daß das Reichsschatzamt in der Hand des jetzigen Staatssekretärs recht lange bleiben möge, und daß mit aller Kraft von ihm eine Kriegsentschädigung durchgesetzt wird. Was die Resolution betrifft, so handelt es sich hier um eine Uebergangsbestimmung. Es ist angebracht, daß durch ein Gesetz recht bald Wandel geschaffen wird. Den Schatzsekretär möchte ich bitten, die kleinen Blätter, namentlich die Sonntagsblätter, ebenso zu berücksichtigen bei der Zuweisung von Papier wie die großen Zeitungen. Allein was das „Berliner Tageblatt“ erhält, würde ausreichen, um sämtliche katholischen und evangelischen Sonntagsblätter zu unterstützen. WBlischen
Abg. Stücklen (Soz.): Die Antwort des Schatzsekretärs in der Cumberlandhotelfrage hat mich nicht befriedigt. Er schiebt formell Einwände vor und will auf die materielle Frage nicht eingehen, dies gehöre ins Kriegsministerium. Das ist doch eine Umkehrung des Sachverhalts. Ueber die Frage der Nichtberücksichtigung des Reichs⸗ tagsbeschlusses wegen Erhöhung der Mannschaftslöhnung ist der Schatz⸗ sekretär hinweggeglitten; er sollte doch präziser erklären, wie er zu der Sache steht.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Graf von Roedern:*)
Abg. Keil (Soz.): Herr Zimmermann hat in diesem Zu⸗ sammenhange auch über die U⸗Boote gesprochen und über die Kriegs⸗ entschädigung bemerkt, daß die Forderung einer solchen auch der Stimmung des deutschen Volkes entspricht. Es entspricht dieser Stimmung, wenn dem schrecklichen Blutvergießen alsbald ein Ende gemacht wird, aber es entspricht dieser Stimmung nicht, durch törichte Redensarten Oel ins Feuer zu gießen. (Vizepräsident Dr. Paasche: Ich nehme an, daß Sie diesen Ausdruck nicht auf ein Mitglied des Es ist geradezu unerhört, wenn man empfiehlt, den Versuch, eine Anzahl von Milliarden zu erlangen, mit dem Blute einer weiteren großen Zahl deutscher Väter und Söhne zu bezahlen. Wir wollen den Krieg nicht fortsetzen bloß um eines Geldbetrages willen, von dem wir doch nicht wissen, ob wir ihn kriegen werden. Die Resolution Keinath werden wir nicht ablehnen, aber einen Vorteil für die Verbraucher erblicken wir darin nicht, die Abwälzung auf sie
.“) Die Rede des Staatssekretärs des Reichsschatzamts, Staats⸗ ministers Grafen von Roedern kann wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms erst morgen im Wortlaut mitgeteilt werden.