1917 / 106 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 May 1917 18:00:01 GMT) scan diff

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Die Beschießung von Dover und das Nachtgefecht vor den Downs am 21. April 1917.

Die deutsche Torpedobootsflottille unter Führung des Korvetten⸗ Japitäns Gautier steuerte in der Nacht vom 20. zum 21. April zwischen 12 und 1 Uhr in den englischen Kanal und mansöͤvrierte sich an Dover heran. Etwa um 1 ½ Uhr begann die Beschiehung Dovers, wobei das Gelände mit Leuchtgeschossen beleuchtet wurde. Nachdem mit dem erwünschten Erfolg der Beschießung gerechnet werden konnte, ging die Flottille nahe an die auf der Reede zu Anker liegenden Bewachungsdampfer heran, von denen einer mit vernichtendem Erfolg unter Artilleriefeuer genommen wurde. Die Scheinwerfer von Dover waren bemüht, die Angreifer zu entdecken aber ohne Erfolg. Hierauf wurde die Rückfahrt angetreten, na 2 Uhr aber nochmals Kehrt gemacht und Kurs auf die Downs ge⸗ nommen, in der Absicht, auslaufende Seestreitkräfte anzugreifen. Un⸗ gefähr um 2 Uhr 40 Min. wurde etwa 4 Seemeilen sudöstlich von South Goodwin⸗Feuerschiff ein abgeblendetes feindliches Schiff gesichtet. Die Flotille ging fofort zum Angriff heran. Es kamen auch bald 1 oder 2 weitere feindliche Fabrzeuge in Sicht und es entspann sich zwischen den ersten drei deutschen und den zwei bis drei feindlichen Zernörern ein scharfes Gefecht; um ¼ vor 3 Uhr erhielt das feindliche Führerschiff einen Torpedotreffer unter der Kommando⸗ brücke. Das Schiff brach unter starker Explosion in sich zu⸗ sammen und sank mit dem Heck zuerst in die Tiefe. Nunmehr drehte der andere feindliche Zerskörer zum Raommstoß auf die vordere deutsche Grupbe von drei Booten zu. Unser Schlußboot wich aber dem Rammstoß durch ein geschicktes Manöver aus, so daß der feindliche Zerstörer durch die Lücke zwischen dem 2. und 3. deutschen Zerstörer hindurchstieß. wurde er von unserer Artillerte mit Geschossen überschüttet. Es wurde festgestellt, daß er ein gräßeres Schußloch in der Bordwand batte, daß die Kommandobrücke zusammen⸗ geschossen nach Backbord überhing und das Achterdeck brannte. Die iceger wickung des Feindes mit Torpedos und Artillerie war ohne Erxfolg. In der Dunkelheit kam dann der Gegner aus Sicht.

Während sich dieses Gefecht zwischen 2 bis 3 englischen Zer⸗ störern bezw. Führerschiffen und der deutschen vorderen Gruppe von 3 Booten abspielte, war ebenfalls die hintere deutsche Gruppe in einen beftigen Kampf mit mebreren feindlichen Zerstörerführerschiffen und Zerstörern verwickelt. Auf das vorderste Boot dieser hinteren deutschen Gruppe setzte eiwa um 2 Uhr ein feiadliches Zer⸗ störerführerschiff zum Rammstoß an, dieser wurde durch Aus⸗ weichen vermirden. Während des Passierens wurden auf den Gegner 2 Tieffer in die Back und ein Treffer in die Kommandobrücke erzielt. Die drei deutschen Boote sochten dann sich zu sammeln, wobei starke Funken aus den Schornsteinen sprühten und so in der dunklen Nacht ein verhälmmismäßig gutes Ziel für die feindliche Artillerie gebeten wurde. Hierbei gelang es auf einem feindlichen Zerstörer mit 3 Schornsteinen einen Torpedotreffer zu erzielen, der ron sofort in Flammen hüllte. Unmittelbar darauf, kurz vor 3 Uhr, erbielt das 2. Boot der hinteren deutschen Gruppe einen Torpedotreffer. Das Boot brach auseinander. Im Verlaufe dieses Eefechtes ist donn wahr'’cheinlich auch das 2. deutsche Boot, das seit dieser Zeit nicht mehr gesehen wurde, vernichser worden. Bei diesem Kampf gelang es einem der deutschen Zerstörer (wahr⸗ scheinlich dem später vernichteten), an einen feindlichen Zetstörer heranzukommen. Unsere Mannschaft enterte an Bord des Gegners, wobet es zu einem harten Kampfe Mann gegen Mann kam.

Inzwischen kamen weitere feindliche Streirkräfte in Sicht, die unsere Boote veranlaßten, dem an Zahl überlegenen Gegner auszu⸗ weichen und den Rückmarsch anzutreten.

Die in letzter Zeit vielfach verbreitete Ansicht, daß sich der ganze nächtliche Kampf zwischen 6 deutschen und nur zwei englischen Zei⸗ störern abgewickelt haben sollte, ist durchaus unmtreffend. Vielmehr war der Gegner unseren Streitkräften erheblich überlegen. Den wenigen deutschen Zerstö ern standen nicht nur eine große Anzahl von englischen Zerstörern, sondern vor allem auch neoch eigener englischer Angabe ganz erheblich an Gefechtskraft überlegene zwei Zerstörer⸗ führerschiffe gegenüber. (W. T. B.)

Wohlfahrtspflege.

Die Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen hat im vergangenen Jahr, in dem das Vermögen noch nicht die Hälfte des heutigen Standes erreicht hatte, über drei Millionen Mark für Unterstützungszoecke aus⸗ gegeben. Hand in Hand hiermit ging eine uͤber das ganze Deutsche Reich organtsierte umfangresche soziale Fürsorgetätigkeit. Für das laufende Jahr wird, den neuen Einnahmen entsprechend, eine erheblich größere Summe zur Verteilung gelangen, und auch die praktische Fürsorgearbeit der Stiftung wird die den gewaltigen Aufgaben ent⸗ sprechende Ausdehnung erfahren. Das reutsche Volk möge aber weiter in reichem Maße seine Gaben fließen lassen, damit den Hinterbliebenen derer, die ihr Blut für das Vaterland geopfert und den Feind von seinen Mauern ferngehalten haben, Hilfe und Trost zuteil werde.

Eine Spende von 10 000 in 6. Kriegsanleihe hat der Ober⸗ leutnant Trowitzsch, Inhaber der Königlichen Hofbuchdruckerei Trowitzsch u. Sohn und Verleger der „Frankfurter Oder⸗Zeitung“ in Frankfurt a O., dem Broandenburgischen Provinzialausschuß für die Nationalstiftung zum Besten der Hinterbliebenen der im Felde Ge⸗ fallenen und der Kriegsbeschädigten überwiesen.

Kunst und Wissenschaft.

Die Königliche Akademie der Wissenschaften bielt am 19. April etne Gesamtsitzung unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn von Waldeyer⸗Harp. Herr Fischer sprach über die Syntbhese der Glucoside. Er gab eine Uebensicht über seine Versuche auf diesem Gebiete mit besonderer Berücksichtigung der in den letzten Jahren erzielten Refultate. Ganz neu ist die Synthese der cvaahaltigen Glucoside vom Typus des Mandelnitril⸗ glucosids, die er gemeinschaftlich mit seinem Assistenten Dr. Max Bergmann ausführte. Sie geht über die Tetracetylglucosido⸗Dertvate des Mandelsaͤäureesters, des Mandelamids und Maadelnitrils. Dadurch wird auch die Syatbese des Amyogdalins und ähnlicher Stoffe ermöglicht. Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: W. Dittenberger, Sylloge inscriptionum Graecarum. Ed. 3. Vol. 2 (Lipsiae 1917) und das von der Akademie unterstützte Werk F. Fihr. von Schrötter, Geschichte des neueren Münz⸗ und Geld⸗ wesens im Kurfürstentum Trier 1550 1794 (Berlin 1917)

In der am 26. April unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Roethe abgehaltenen Sitzung der philosophisch⸗bistorischen Klasse sprach Herr Schuchhardt über die sog. Lausitzer Keramik, ihren Ursprung und ihre Dauer. Schon in der Steinzeit bat die Mark Bronhenbura ihre Kultur ganz von der n ittleren Elbe her erhalten. Aus diesen Einflüssen und e nem deutschen Bettroge istt auch der besondete Stil der Lausitzer Ker mik in der mittleren Bronzezeit hervorgegaagen; vom Osten hber ist gar nichts dazu⸗ gekommen; was dort on Verwandtem existiert, stammt selbst auch vom Westen und Nordwesten. Der Lausitzer Stil wird nachher langsam beeinflust durch den auf anderer Grundlage in Schlesien und Posen erwachsenen, zu dem auch die weypreußischen Gesichts⸗ urnen gehören. In langsamer Fortentwicklung, die keinerlei Bruch (Bevölkerungswechsel) erkennen läßt, können wir ihn so bis weit in die römische Kaiserzeit verfolgen und erbalten damtt die archäolvgische Bettätigung zu der aus guter Volksquelle stammenden Ueberlieferung des Tacitus, daß die Semnonen als Hanupt⸗ und Stammvolk der Sueben in diesen Gegenden von alters her eingesessen seten. Herr Meinecke überreichte sein Buch: Probleme des Weltkriegs (München und Berlin 1917).

In der an demselben Tage abgehaltenen Sitzung der physika⸗ lischmathematischen Klasse, die unter dem Vorsitz ihres Sekletars Herrn von Waldeyer⸗Hartz stetifard, sprach Herr

von Waldeyer⸗Hartz über die Entwicklung des Hinter⸗ hauptsbeins. Die neueren Mitteilungen über die Entwicklung des Hinterhauptsbeins werden besprochen und durch eine Rethe vorgelegter Präparate erläutert. Der Zusammenhang der als Os Incae bezeich⸗ neten Bildung der Menschen mit dem Ietepfrtetal⸗ der Tiere er⸗ scheint hinreichend begründet. Herr 2 obenius legte eine Arbeit des Professors Dr. Issai Schur in Berlin vor: Ein Beitrag zur additiven Zahlentheorie und zur Theorie der Kettenbrüche. In dieser Arbeit wird ein neuer Satz über die additlve Zusammensetzung der ganzen Zahlen bewiesen, mit Hilfe dessen die Eigenschaften eines bemerkenswerten speziellen Kettenbruchs unter⸗ sucht werden. Es wird insbesondere gezeigt, daß dieser Kettenbruch zur Theorie der Thetafunktionen in Beziehung steht.

Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin hält am 5. d. M., Abends 7 Uhr, im großen Saal des Architektenhauses, Wilhelmstr. 92, eine allgemeine Sitzung, in der der Geheimrat Prof. Dr. Albrecht Penck über die wirtschaftlech⸗politische Wandlung der Vereinigten Staaten von Amerika (mit Lichtbildern) sprechen wird.

Literatur.

Das Maiheft der von Richard Fleischer herausgegebenen „Deutschen Revue“ hat folgenden Inhalt: Freiherr v. Freytag⸗ Loringhoven, Generalleutnant, Dr. h. c. der Universität Berlin: Ideelle Bestrebungen und Wirklichkeitssian in Krieg und Politik. General der Infanterie a. D. Freiherr v. Woinovich: Rußlands militärisches Ende? John L. Stoddard: Englands Niedergang. Friedrich Thimme: Bismarck und Kardorff. Neue Mitteilungen aus dem Nachlaß Wilhelm v. Kardorffs. VIII. Geh. Rat Prof. Dr. Schiemann (Berlin): Die russische Revolution und ihre Aussichten. Prof. Dr. K. Bohlin (Steckholm) Ueber die Bedeutung der Komtten für die Kormologie (Schluß). Gencral der In⸗ fanterie z. D. W. v. Blume: Orgaaisation. Wolfgang Windel⸗ band: Aus dem Briefwechsel Friedrich Echhorns (Fortsetzung). Archivrat Dr. J. Lulvès: Kaiser Karls V. Anleihen bei den Fugger und ihre Bedeutung für seine Regierung. Dr. Freiherr v. Jettel: Die russische Revolution, ihre Ursachen und Wirkungen. F. von Duhn: Ein Ritt durch den nördlichen Peloponnes vor vierzig Jahren (Schluß). Geh. Rat Dr. Zingeler: Zwei Könige der Belaier: Leopold II. und Albert. Geh. Regierungsrat Neubera: Der Krieg als Förderer des Rechts. Berichte aus allen Wissenschaften. Geschichte. Oberst Freiberr v. Dalwigk (Weimar): Hermann Stege⸗ manns Geschichte des Krieges. Literarische Berichte. Etngesandte Neuigkeiten des Büchermarktes

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus. Friedrich von Flotows Oper „Martha“, die vor einigen Tagen in einer Mittagsvorstellung zum Besten der Witwenpensions⸗ kasse des Vereins „Berliner Presse“ nach fast sechzehnjähriger Pause in veuer Einstudierung in Szene gegangen war, wurde gestern dem ständigen Spielplan des Königlichen Opernbauses eingereiht. Wenn nicht alle Zeichen trügen, dürfte das einft so volketümliche Werk mit seiner teils ernsten, teils humoristischen Handlung und seiner melodienreichen Musik noch nichts ven seiner Beliebtheit eingebüßt haben und bei der vortreff⸗ lichen Besetzung der jetzigen Aufführung mit Frau Dux als Martha, Fräulein Leisner als Nanecv, Herin Schwealer als Plumkett, Herrn Bachmann als Tristan und dem für die Königliche Oper be⸗ reits verpflchtten neuen Tenoristen Herrn Hutt als Lyornel regen Zuspruch finen. Gestern sang ein interessanter Gast, Herr Tino Patttera aus Dresden, die Tenorpartie. Dieser dalmatinlsche Saͤnger, der sich gelegentlich eines Konzerts in der Pbilharmonie in Berlin berrits vorstellte, ist von der Natur mit einer besonders schönen Stimme begabt, die bei weiterer günstiger Entwicklung zu großen Hoffnungen berechtigt. Besser noch als im Konzertsaal traten gestern ihre schon früher gerühmten Vorzüge hervor. Darstellerisch ist Herr Pattiera freilich noch unfrei und auch musikalisch noch zu sehr von dem Dirigenten abhängia. Zum Teil mochte die durch das erst⸗ malige Wirken in fremder Umgebung verursachte Befangenheit daran schuld gewesen sein. Die esamtaufführung nahm unter der musikalischen Leitung des Kapellmeisters von Strauß und unter der Spiellenung des Regisseurs Hertzer eiren guten Verlauf und fand

lebhaften Beifall. Neues Operettenhaus.

Zur Beschffung von Liebesgaben für die im Wesien schwer kämpenden Truppen der Garde und der aus ihr gebildeten Truppen fand gestern unter der Gesamtleitung des Direktors Kren im Neuen Operertenhause eme erfreulscherweise gut besuchte Wohltätigkeits⸗ vorstellung mit abwechslungsreichem Programm statt. Der erste Teil des Abends brachte in bunter Folge ernste und heitere Kunst. Das Meistersingervorspiel, von dem Orchester des Hauses unter Kopellmeister Henzes Leitunng mit schörem Schwung, wenn auch naturgemäß klanglich etwas schwach vorgetragen, und Wüildenbruchs ahnungsvolles Gedicht „Deutschladd und die Welt“, gesprochen von Rudolf Lettinger, machten den Anfang. Frau Goetze vom Königlichen Opernhause und Herr Mühlhofer vom Königlichen Schauspielbause folgten dann, die erstere mit dem vollendeten Gesang Händelscher und Wagnerscher Kompositionen mit Orchesterbegleitung, letzterer mit dem zündenden Vortrag einer eigenen und einer Brennertschen Dichtung. Sehr reizvpolle Tanzszenen der Geschwister Isabela und Ruth Schwarzkopf, teils zu Zweien teils im Zusammenwirken mit den Damen Tegge und Hassiehber, sowie zwei der beliebktesten Duette aus der Operette „Der Soldat der Marie“, bei denen Paul Westermeier und die Damen Hrach und Werkmeistermitwirkten, schlossen den bunten Teil des Programms wi kungsvell ab. Der zweite Teil brachte die Erstaufführung der Wiener Operette in eirem Akt: „Der fliegende Ritt⸗ meister“, Text von Leo Stein und Béla Jenbach, Musik von Hermann Dostal. Die von leicht gewogener Musik umrahmte schwankartige Handlung ist ein lustiges Verwechslungsspiel, in dessen Mittelpunkt! ein ungarischer Rittmeister und Fliegeroffizter steht, den Gustav Matzner ebenso feurig wie elegant verkörperte. Käte Dorsch ia der weiblichen Hauptpartie, die Damen Feiner und Liebreich, die Herren Rainer und Westermeier in den wichtigeren Neben⸗ rollen standen ihm dabei mit trefflichen Leisturgen zur Seite. Bei überaus flotter Aufführung fand die Operette stürmischen Beifall, der ganz besonders der temperamentvollen Leistung Matzners galt.

Im Königlichen Opernhause wird morgen, Sonnabend, Fidelio“ mit den Damen Leffler⸗Burckard, Herwig und den Herren Uatel, Hoffmann, Groenen, Schwegler und Phtlipp in den Haupt⸗ partten aufgeführt. Dirigent ist der Kapellmeister Dr. Stiedrv.

Im Königlichen Schauspielhause ceht morgen Ibsens „Peer Gynt“ mit der Musik von Grteg in Szene. Die Titelrolle srielt Herr Müblhofer. Spielleiter ist Dr. Bruck. Die Vorstellung beginnt um 6 ½ Uhr. 1““

Mannigfaltiges. 8

Amtlich wird gemeldet: Gestern na hmittag um 4 Uhr 7 Minuten entgleiste auf dem Bahrhof Chafrlottenburg beim Stellwerk Wbf. im krummen Strang der Wesche 20 a von dem nach Stahns⸗ dorf fahrenden Stadtbahnzug 2460 der in der Mitte des Zuges laufende Wagen 2. Klasse Nr. 2896 mit 2 Achsen. Personen sind nicht verletzt. Sachschaden ist nicht entstanden. Die Ursache der Entgleisung ist noch nicht aufneklärt. Die Züge erlitten geringe Verspätunger. Die Störung war um 4 Uhr 40 Minuten Nachmittags

Im Sitzungssaal der Reichsstelle für Gemüse und Obst fand, wie diese berichtet, am Mittwoch eine Sitzung statt, die für die Durchführung unserer Gemüse⸗ und Obstversorgung auf Grund der Verordnung vom 3. r 1917 von besonderer Bedeutung ist. Die Versammlung setzte sich aus den Vertreterinnen folgender Ver⸗ bände zusammen: Frauenbeirat im Kriegsernährungsamt, Verband deutscher Hausfrauenvereine, Reichsverband landwirtschaftlicher Haus⸗ frauenvereine, Katholischer Frauenbund, Verein katholischer deutscher 1 Lehrerinnen, Natlonaler Frauendienst, Verbände der Hausfrauenvereine für Westpreußen, Ostpreußen, Provinz Sachsen, Schlesien, Schleswig⸗ Holstein, Groß Berlin, Hannover, Pommern, örtliche Haussrauen⸗ vereine in Berlin, Bremen, Altona, Hamburg, Lübeck, Karlsruhe, Lüneburg, Dresden, Chemnitz, Stuttgart, München, Cassel, Magde⸗ burg, Mannheim, Charlottenbura, Frankfurt am Ma. Berlin⸗ Wilmersdorf, Rostock, Potsdam, Verein zur Förderung des Obst⸗ und Gemüseverbrauchs in Ostpreußen, Reifensteiner Verein für wirt⸗ schaftliche Frauenschulen auf dem Lande und Verein für hauswirt⸗ schaftliche Frauenbildung (München). Der Leiter der Reichsstelle für Gemüse und Obst, Oberregierungsrat von Tilly, gab zunächst eine übersichtliche Darstellung des ganzen Planes für die Bewirtschaftung des Gemüses und Orstes und forderte die Vertreterinnen der deutschen Hausfrauenvereine auf, zu dem Erfolge der vorgesehenen Preisregulie⸗ rung ihrerseits durch tatkräftige Mitwirkung beizutragen, damit die vor⸗ geschriebenen Preise auch tatsächlich eingehalten werden. Es ergab sich nach eingehender Aussprache volle 111“ über die Er⸗ sprießlihkeit eines Zusammenwirkens. Die Hausfrauenverbände werden ihre bisher schon in dieser Richtung vielfach em tfaltete Tätig⸗ keit erheblich ausdehnen und auch auf die Orte erstrecken, in denen es bisher in Ermangelung geeigneter Vereinigungen daran gefehlt hat. Die Reichestelle ibrerseits wird dahin wirken, daß allen berechtigten Wünschen der Hausfrauen Rechnung getragen wird und ihnen namentlich bei der Preisüberwachung keine Hindernisse in den Weg gelegt werden. Wo sich zu Beschwerden be⸗ gründeter Anlaß findet, sollen solche an die zuständigen Preisprüfungs- stellen gerichtet werden, in denen die Mitwirkung erfahrener Haus⸗ 8 frauen als unerläßlich immer mehr anerkannt wird. Außerdem ist eine eigene Preisabteilung bei der Reichsstelle für Gemüse und Obst, Geschäftsabteilung, Berlin W. 57, Potsdamer Straße 75, eingerichtet worden, an die begründete Beschwerden, sofern anderweit Abhilfe nicht zu erlangen ist, unmittelbar gerichtet werden können.

Auf der Tagesordnung der gestrigen Sitzung der Stadtver⸗ ordneten standen mehrere Ausschußberichte, so über die Aenderung des 17 der Städtischen Feuersozietäts⸗ satzung jowie über die ärztliche Versorgung der Familien der Kriegsteilnehmer. Beide Vorlagen wurden im wesentlichen nach den Vorschlägen der vorberatenden Ausschüsse angenommen. Zu der Frage der Wahl Frauen in staͤdtische Deputationen gab Magisttat in einer Vorlage seine Beschlüsse bekannt. sollen im ganzen in 14 Deputationen 17 Frauen mit beratender Stimme gewählt werden. Die Vorlage wurde nach kurzer Aus⸗ sprache durch Kenntnisnahme erledigt.

Neumarkt (Oberpfalz), 3. Mat. (W. T. B.) Auf der Eisen⸗

hahnstrecke nach 1 Deuerling und Eichhofen ein Dammrutsch, wodurch ein Güterzug entgleiste. Ei Wagenwärter wurde getötet, der Zugführer und der Bremser wurden verletzt. Beide Gleise waren bis

Abend gesperrt. Odessa, 4. Mai.

(W. T. B.) Nach einer Meldung der

„Times“ aus Odessa sind infolge des Eisgangs und der Schneeschmelze in Südrußland große lUeberschwemmungen eingetreten. In

Kiew bat die elektrische Beleuchtung aufgehört. Die Wasserzufuhr ist abgeschnitten und der Straßenbahnverkehr steht still. Eine groh Inzahl von Booten wird zu Rettungszwecken gebraucht. D Ueberschwemmung hat sich durch einen Dammdurchbruch aus⸗ gebreitet. Bei Rostow stehen weite Strecken Landes am linken

Ufer des Don unter Wasser. 8 (Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Königliche Schauspiele. Sonnab.: Opernhaus. 118. Abonne⸗ mentsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Fidelio. Oper in zwei Akten von Ludwig van Beethoven. Text nach dem Französischen von Ferdinand Treitschke. Zu Anfang: „Ouvertüre zu Fidelio“. Vor der letzten Ver⸗ wandlung: „Ouvertüre Leonore (Nr. 3)“. Mustkalische Leitung: Herr Kapellmeister Dr. Stiedry. Regie: Herr Regisseur Bachmann. Chöre: Herr Professor Rüdel. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 120. Abonnementsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Peer Gynt von Henrik Ibsen. (In zehn Bildern.) In freier Uebertragung für die deutsche Bühne estaltet von Dietrich Eckart. Musik von Edward Griea. Mustkalische Herr Schmalstich. In Szene gesetzt von Herrn Regisseur Dr. Bruck. Anfang 6 ½ Uhr.

Sonntag: Opernhaus. und Freiplätze sind aufgehoben. Oper in vier Akten von Giuseppe Verdi. 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 121. Abonnementsvorstellung. Freiplätze sind böG Der neue Herr. 7 Vergängen von Ernst von Wildenbruch. In Szene gesetzt von Herrn Regisseur Dr. Bruck. Anfang 7 Uhr.

119. Abonnementsvorstellung. Dienst⸗ Violetta. (La Traviata.) Text von Piave. Anfang

Dienst⸗ und

Familiennachrichten.

Verehelicht: Hr. Hauptmann Ernft⸗Moritz von Kaisenberg mit Frl. Christa von Rathenow (Berlin).

Geboren: Eine Tochter: Hrn. Kammerherrn Ferdinand Wolf von Stülpaagel (Berlin⸗Lichterfelde). Hrn. Dipl.⸗Ingenieur und Hauptmann d. R. van der Velde (Bernburg).

Gestorben: Ehemal. schwarzburg. Staatsminister Hermann Petersen (Hamburg). gr Generalkonsul z. D. Dr. jur. Gott⸗ lasorchale (Freiburg i. Br.). Hr. Justizrat Emil Meibauer

Alm). 1

Verantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorst d iti Rechnungsrat M 5b gering bcheeeen Erp Verlag der Expedition (Mengerin g) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verl talt BBerlin, Wiͤbbelmstrae 32. Sechs Beilagen (etnschließlich Warenzeicherheilage Nr. 35)

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wieder behoben. 8 8 1

sowie die 1443 Ausgabr der

Regensburg ereignete sich heute zwischen

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Schauspiel in

Berlin, Freitag, den 4. Mai

—.,.—

anzeiger,

Parlamentsbericht.*) Deutscher Reichstag. 98. Sitzung vom 2. Mai 1917. Nachtrag.

Die zweite Rede des Staatssekretärs des Reichsschatz⸗

amts, Staatsministers Grafen von Roedern, die gestern wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms nicht mitge⸗ jeilt werden konnte, lautet, wie folgt:

Der Herr Vorredner hat bemängelt, daß ich eine materielle Ant⸗ wort auf die Frage des Grundstücks hier nicht gegeben habe, und hat gesagt, ich hätte mich sehr leicht aus der Affäre gezogen. Diese

4 materielle Antwort bin ich gerne bereit, in Gemeinschaft mit dem Herrn Kriegsminister da zu geben, wo sie gegeben werden kann. Wir haͤben Ihnen vorgeschlagen, einen besonderen Titel aufzunehmen in den Etat, und zwar in den Etat des Herrn Kriegsministers, nicht in den Etat des Reichsschatzamts. Ich bin deshalb auch gar nicht in

„der Lage, hier auf Grundlage der Materialien, die mir zu einer materiellen Beantwortung erforderlich wären, heute eine Auskunft zu geben. Die materielle Auskunft als solche wird Ihnen also nicht verweigert werden.

Was sodann die zweite Frage des Putzgeldes und der Löhnung angeht, so muß ich es auch ablehnen, heute hier eine Antwort zu er⸗ teilen. Wenn Fragen an das Reichsschatzamt bei jedem Etatstitel gestellt werden könnten, wie stellen Sie sich zu der Frage der Be⸗ willigung dieses und dieses Postens, dann könnten wir hier beim Reichsschatzamt den gesamten Etat durchsprechen, und ich muß daran sesthalten, daß Ihnen eine einheitliche Regierung gegenübertritt. Berufen, sie zu vertreten, ist der jeweilige Ressortchef, ist also in diesem Falle der Herr Kriegsminister. Wollen Sie meine Stellung⸗ nahme unter Umständen dann hören, so werde ich dann auch Antwort geben. Aber ich kann mich nicht einlassen, auf eine Frage bei irgend⸗ einem anderen Etatstitel hier die Stellung der Reichsfinanzverwaltung näher darzulegen.

99. Sitzung vom 3. Mai 1917, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

16.

Präsident Dr. Kaempf eröffnet die Sitzung nach 1 ¼ Uhr. . Eingegangen ist eine Denkschrift, Veessenn die Ab⸗ änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Kalisalzen.

Die Wahl des Verfassungsausschusses hat stattgefunden.

Der Gesetzentwurf, der die am 30. September 1917 ab⸗ laufende Frist, binnen der die Festsetzung des Ge⸗ bührentarifs für den Kaiser Wilhelm⸗Kanal Seiner Majestät dem Kaiser im Einvernehmen mit dem Bundesrat zu überlassen sei, um fünf Jahre verlängert, wird in erster Lesung ohne Erörterung erledigt und gelangt in zweiter Lesung unverändert zur Annahme.

„Das Haus setzt darauf die Beratung des Etbats fürdie Post⸗ u nd Telegraphenverwaltung fort. Die Beratung ist gestern beim ersten Titel der dauernden Aus⸗ gaben, Staatssekretär 44 000 ℳ, begonnen worden. Abg. Taubadel (Soz.): Die lange Dauer des Krieges hat für die E schwierige Verhältnisse geschaffen, namentlich in bezug aif die Transporte. Der Verwaltung ist es in der letzten Zeit nicht gelungen, dieser Schwierigkeiten Herr zu werden. Die Beschwerden haben sich vermehrt und sind berechtigt, wie auch bürgerliche Blätter anerkannt haben. Die meisten Klagen waren zu verzeichnen bei der Bestellung der Postpakete. Es sind viele Pakete verloren gegangen, und die Post hat eingeschriebene Pakete abgeschafft; ich kann aber nicht finden, daß dadurch eine erhebliche Erleichterung für die Post herbeigeführt ist. Es wird allerdings für einfache verlorene Pakete Schadenersatz geleistet, aber das reicht nicht aus. Sehr zu bedauern ist, daß eine große Menge von Postpaketen durch unredliche Elemente in der Post entwendet worden sind. Diese unredlichen Elemente müssen ausgemerzt werden, das Personal ist überhaupt ungenügend. Die Entwendung der Pakete ist um so bedauerlicher, als es sich vielfach um Lebensmittelpakete handelte. Die Verminderung der Posteinnahmen ist auf die im vorigen Jahre gegen unseren Wider⸗ spruch eingeführte Erhöhung der Post⸗ und Telegraphengebühren zurückzuführen. Ich kann nicht finden, daß das Publikum diese Er⸗ höhung gelassen hingenommen habe. Wenn er dem Reichsschatz⸗ sekretär einen Wink gegeben hat, bei künftigen Steuererhöhungen auf diese Abgabe hsefu etfon. so möchte ich dagegen ganz entschieden protestieren. Wie steht es mit der Aufhebung der Portofreiheit der Landesfürsten? Leider haben diese nicht freiwillig darauf verzichtet, vhwohl das Volk in dieser Zeit so schwere Opfer zu tragen hat. Das Volk wird daraus seine Schlüsse ziehen. Die Pfennigrechnerei bringt an den Schaltern große Unzuträglichkeiten mit sich, die es geboten erscheinen lassen, 2 ¼ Pfennigstücke auszuprägen. Wir werden dem von der Kommission beantragten Gesetzentwurfe zustimmen. Die Telephonverbindungen mit Oesterreich⸗Ungarn müßten erleichtert werden, um die Schwierigkeiten für die Presse zu beseitigen. Die Verspätungen bei Telegrammen sind sehr groß und das Geld für solche Telegramme ist nutzlos. Es wäre zu untersuchen, ob diese Verspätungen nicht durch militärische Maßnahmen herbeigeführt werden. Die Postverwaltung sollte mit allem Nachdruck daran gehen, daß solche Erschwerungen durch die Militärverwaltung künftig weg⸗ fallen, wie es auch in bezug auf den Briefverkehr im Heere ist. In bezug auf die Be⸗ oldung hat sich die Postverwaltung endlich zu einer Verbesserung entschlossen, viele berechtigte Wünsche der Postbeamten bleiben aber unberücksichtigt. Aus dem Elsaß sind zahl⸗ reiche Beamte plötzlich 8 dem Innern Deutschlands versetzt worden. Sollten diese elsaß⸗lothringischen Beamten aus politischen Gründen versetzt worden sein, so müßten wir das im höchsten Grade mißbilligen. Diese Maßregel ist zwecklos und wirkt nur verbitternd. Die Frauen und Mädchen in der Postverwaltung ersetzen die Männer vollstandig; trotzdem erhalten sie nicht die gleiche Bezahlung. Das Tage⸗ G eld von 2,90 für eine Telephonistin ist eine durchaus ungenügende

ezahlung. Diese wirtschaftliche Ausnutzung muß ein Ende haben. Die der Postbeamten müssen erhöht werden. In Hamburg hat die Behörde den Heizern 50 Pfennig pro Monat ab⸗ gezogen und ihnen sie gmabig als Teuerungszulage zurückgegeben. (Hört, hört!) Wenn tatsächlich eine Verfügung bestehen solkte, daß

*) Ohne Gewähr, mit Ausnahme der Reden der Minister und

nicht Kriegsverletzte, sondern nur weibliches Personal im Botendienst beschäftigt werden soll, so müßte sie sobald wie möglich aufgehoben werden. Bei der Post sind jetzt 120 000 Hilfskräfte beschäftigt; von deren Leistungsfähigkeit hängt der Postbetrieb ab. Darum muß auch die Entlohnung so sein, daß sie ein menschenwürdiges Dasein er⸗ möglicht, ein Grundlohn von 3 reicht dazu nicht entfernt aus. Dazu kommt, daß die Leute für Ueberstunden keine besondere Ent⸗ schädigung erhalten. Abg. Nacken (Zentr.): Wir erkennen die Leistungen der Post im Kriege rückhaltlos an, sowohl die Leistungen der Feldpost wie die der Post⸗ und Telegraphenbeamten in der Heimat. Die Post⸗ verwaltung ist auch bestrebt, die Mängel, die sich durch das Unge⸗ schulte Hilfspersonal ergeben, zu beseitigen. Bei der großen Mehr⸗ arbeit muß auch den berechtigten Wünschen der Beamten Rechnung getragen werden. Gewisse Gehaltserhöhungen sind durchaus not⸗ wendig, und die Fraktionen des Reichstags hätten Anträge auf Er⸗ der laufenden Kriegsbeihilfen eingehracht, wenn nicht die Regierung schon selbst damit vorgegangen wäre. Nach dem Kriege muß im Reiche und in Preußen für die Besserstellung der Beamten im ganzen gesorgt werden. Die Vermehrung der Stellen in diesem Etat um 14 000 reicht nicht aus. Für den Ankauf von Wohngebäuden enthält dieser Etat einen größeren Betrag als im Vorjahre; es ist guch nötig, daß die Wohnungsfürsorge, die so segensreich für die Beamten ist, immer mehr gefördert wird. Die Vorbereitungszeit muß abgekürzt werden, die Dauer des Krieges muß darauf bei den Postbeamten ebenso angerechnet werden, wie in Preußen bei den Juristen und Medizinern. Was die Postverwaltung für die Kriegs⸗ beschädigten und die K riegshinterbliebenen getan hat, ist anzuerkennen, dagegen ist zu bedauern, daß die Postbeamten auf den Bahnhöfen, die besonders schwer zu arbeiten haben, nicht auch wie die Schwerarbeiter Mhare siennsc, nicht, gisc genug für ihre Beamten eintreten. 5 fäct l 158 ung auch weiter segensreich wirken als ein itut, ersten Ranges, auch während des Krieges, um Handel, Industrie und Verkehr die Wege zu ebnen, besonders auch in dor Uebergangszeit von der Kriegswirtschaft zur Friedenswirtschaft. (Beifall im Zentrum.) Abg. Hubrich (fortschr. Volksp.): Auch wir erkennen an, daß die Post⸗ und Telegraphenbeamten aller Grade ihren Aufgaben in jeder Weise gerecht geworden sind, um den Verkehr in geregelten Bahnen zu halten. Der Dank gebührt den Beamten in allen Post⸗ anstalten, auch an der Front und in den besetzten Gebieten. Die Schnelligkeit des Verkehrs mußte natürlich im Kriege beeinträchtigt werden, weil der Eisenbahnverkehr, von dem die Post abhängt, wesent⸗ lich eingeschränkt ist und Fernsprecher und Telegraphen vor allem von den militärischen Instanzen in. Anspruch genommen sind. Mehr als 197 000 Mann hat die Postverwaltung an das Heer abgegeben, und 120 000 ungeschulte, vom Geist des Beamtenstandes unberührte Kräfte sind an die Stelle getreten. Wir wollen auch der Tätigkeit der Hilfs⸗ kräfte, der männlichen wie der weiblichen, unseren Dank zollen; auch sie sind bemüht gewesen, auf dem ihnen fremden Arbeitsgebiet ihr Bestes zu leisten. Die Aushelfer klagen aber, daß ihre Ausbildungs⸗ zeit zu kurz bemessen ist und daß sie zu früh im Schalterdienst be⸗ chäftigt werden, um die Verantwortung dafür tragen zu können. In⸗ folgedessen ergeben sich an allen Kassen Minderbeträge, die sie mit ihren bescheidenen Löhnen nicht decken können. Es wird über die Rigorosität geklagt, mit der die Minderbeträge eingezogen werden. Der bargeldlose Het aemgerertehr sollte durch Verbilligung des Post⸗ scheckverkehrs gefördert werden. Die Gebühr müßte mit der Zahl der Aufträge abnehmen. Insbesondere müßte das Porto für den Ver⸗ kehr zwischen den Postämtern und dem Postscheckamt ermäßigt werden. Weiter wünschen wir die Erleichterung der Briefbestellung durch An⸗ bringung von Hausbriefkasten; es würde eine Vereinfachung und Be⸗ beschleunigung dadurch bewirkt werden. Die Postverwaltung kann zwar die Hausbesitzer und Mieter nicht zur Anbringung solcher Kasten anhalten, aber sie kann die Anbringung anregen. Da das ganze Inter⸗ esse an dieser Anbringung bei der Postverwaltung liegt, so sollte sie auch diese Hausbriefkasten liefern; weder Hauswirte noch Mieter haben Anlaß, dieselben auf ihre Rechnung zu beschaffen. Diese Er⸗ leichterung des Bestellwesens würde eine Personalersparnis bedingen und den viesgeph een hauptstädtischen Briefträgern und Brief⸗ trägerinnen eine sehr merkliche Entlastung bringen. Nach dem Kriege wird es darauf ankommen, das Personal den gesteigerten An⸗ forderungen entsprechend besser zu besolden und eine zu starke Ver⸗ mehrung durch Verbesserung und Vereinfachung der Betriebseinrich⸗ tungen hintanzuhalten. Nicht nur bei den Aushelfern, sondern auch bei dem älteren Personal kommen noch Tagegelder von 5 Mark vor, eine gänzlich unzureichende Entlohnung. Die riesige Teuerung der Lebensmittel und Bedarfsgegenstände hat viele Postbeamte trotz Kriegsbeihilfe und Teuerungszulagen in ein sozial niedrigeres Niveau herabgedrückt. Die neueste Fürsorgemaßnahme der Verwaltung er⸗ kennen wir dankbar an; aber allgemein sind die Zulagen zu spät oder in zu homöopathischen Dosen gegeben worden. Das Vertrauen des Volkes in die Zuverlässigkeit des Postverkehrs hat bereits Einbuße erlitten, Beweis die rapide Zunahme der Einschreibepakete und die Steigerung der Summen, welche die Post für beraubte oder ver⸗ schwundene Sendungen hat zahlen müssen. Der größte Teil dieser Beraubungen entfällt zum weitaus größten Teile auf das Aushilfs⸗ personal. Erfreulich ist ja die jetzt nach zweijähriger Pause erfolgte Vermehrung des Beamtenpersonals um je 7000 Beamten⸗ und Unter⸗ beamtenstellen. Aber diese Vermehrung reicht bei weitem nicht aus. Die Anstellungsverhältnisse der Postassistenten sind alles andere eher als befriedigend. Das einzige Mittel, die Fruchtbarkeit der Beamten⸗ ehen zu steigern, nämlich die feste Anstellung in früheren Jahren, wird immer noch nicht zur Anwendung gebracht. Wie will man auf diesem Gebiete eine praktische Bevölkerungspolitik betreiben, wenn man duldet, daß Beamte selbst mit 46, 47 Jahren noch nicht definitiv. angestellt sind? Andererseits kommt es vor, daß ein noch nicht fest angestellter verheirateter Beamter in einem Jahre nicht weniger als sechsmal versetzt wird. Das kann doch wirklich nur abschreckend wirken. Auch warnt die Postverwaltung sogar direkt die Postboten vor der „vorzeitigen“ Verheiratung. Ja sie droht ihnen eventuell in diesem Falle die Entlassung an. Dabei müssen diese Boten 15 Jahre auf ihre Anstellung warten, können also erst mit 35 Jahren heiraten. Diesen breiten Zopf der Bevormundung sollte die Postverwaltung doch im Zeitalter der Neuorientierung abzuschneiden sich endlich entschließen. Der Vermehrung der Vizedirektorenstellen um 350 stimmen wir selbstverständlich zu. Die Personalreform muß nach dem Kriege auch im Sinne der Vermehrung der Beförderungsmöglichkeiten betrieben werden. Nicht bloß muß für die Zukunft durch neue Stellen eine Ab⸗ kürzung der Wartezeit herbeigeführt werden, sondern auch für die infolge der ungleichmäßigen und verzögerten Beförderung, schon jetzt geschädigten Beamten muß ein Ausgleich geschaffen werden. Auch sonst gilt für die Postbeamtenschaft nach wie vor der Satz: „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“; es gibt noch eine lange Reihe kleiner Wünsche der Beamten, denen die Verwaltung doch endlich nachkommen sollte. Die Stellvertretungskosten für die zum Heeresdienst einberufenen Postbeamten sollte die Verwaltung allge⸗ mein auf die Postkasse übernehmen. Auch das weibliche Personal in der Postbeamtenschaft hat eine Reihe von Wünschen, die man zu erfüllen nicht zögern sollte. Die Regelung der Bezüge der Post und Telegraphengehilfinnen in Krankheitsfallen ist durchaus Unzu⸗ reichend; ihnen werden nicht, wie den männlichen nicht festangestell ten Beamten, in diesen Fällen die Tagegelder unverkürzt belassen.

Staatssekretäre.

„Diese rechtliche Differenzierung erscheint durchaus unzulässig; hier

liegt für die Gehilfinnen ein wirklicher Notstand vor. Sie auf Unterstützungen zu verweisen, ist unwürdig; außerdem aber reichen die Unterstützungsfonds lange nicht hin. Die Fragen, welche jetzb die Beamtenschaft am meisten interessieren, die finanzielle Neuordnung der Personalverhältnisse und ein neues freiheitliches Beamtenrecht habe ich heute absichtlich nicht behandelt. Wir müssen uns in dieser Beziehung Zurückhaltung auferlegen mit Rücksicht auf die Finanz⸗ lage des Reiches nach dem Krioge. Umsomehr hoffe ich, daß die Post⸗ verwaltung den von mir geäußerten kleinen Wünschen Rechnung tragen wird. So kann die Berufsfreudigkeit des angestrengten Per⸗ sonals nach Möglichkeit erhalten und gefördert werden. (Beifall links.)

Abg. von Flemming (dkons.): Die Reichspostverwaltung befindet sich jetzt im Kriege in einer schwierigen Lage, das sollten die⸗ jenigen bedenken, die ihr nur schlechtes nachsagen. Die Postver⸗ waltung hat in der Feldpost enorme Leistungen bewältigt. Ich spreche dem Staatssekretär und seinen Beamten unseren Dank und unsere Anerkennung für diese Leistungen aus. Wir haben zu dem Staatssekretär das Vertrauen, daß er Mißständen mit Erfolg ent⸗ gegentreten wird. Die weiblichen Hilfskräfte haben sich redlich be⸗ müht, ihre Pflicht zu tun. Sie müssen ausreichend besoldet werden. Besonderen Dank verdienen die Briefträger auf dem Lande für ihre Pflichttreue und Aufopferung im Kriege. (Zustimmung rechts.) Ge⸗ klagt wird, daß die Feldpostsendungen unregelmäßig befördert wer⸗ den. Vielleicht läßt es sich ermöglichen, die Postsperre vorher be⸗ kannt zu geben. Beklagenswert sind die Postberaubungen an der Front und in der Heimat, wobei dahingestellt sein mag, ob diese Beraubungen auf die ungenügende Besoldung der betreffenden Post⸗ beamten zurückzuführen ist. Die Postverwaltung ist nun leider ein⸗ mal auf Hilfskräfte angewiesen. Daß soviel Postpakete nicht an die Adressaten gelangt sind, ist zum Teil auf die Schuld des Publikum selbst zurückzuführen, das die Pakete nicht genügend adressiert hat Die von den Postbeamten geäußerten und berechtigten Wünsche auf Zulagen sollten im nächsten Etat berücksichtigt werden, diese Zulagen sollten der Kinderzahl angepaßt werden. Besonders angenehm be rührt es uns, daß auch die Postagenten an den Zulagen beteilig werden sollen. Dem von der Kommission beantragten Gesetzentwur stimmen wir zu. (Beifall rechts.)

Abg. Meyer⸗„Herford (nl.): Der Wunsch des Reichstags, daß die Vermerke über Disziplinarstrafen nach angemessener Zeit in der Personalakten der Postbeamten gelöscht werden möchten, ist leider bis heute nicht erfüllt worden. Der Geist des Wohlwollens ist ja im Reichspostamt vorhanden, aber nicht überall, und manche Vorge setzten lassen sich leicht beeinflussen durch solche ungünstigen Ver⸗ merke, wenn sie auch weit zurückliegen, und gewinnen dadurch ei Vorurteil. Vergeben und vergessen sollte auch bei der Postverwal tung der Wahlspruch sein, damit von den Beamten ein Druck ge nommen wird. Der Krieg hat ja schon manche Rehabilitierung ge bracht. Man mache doch ganze Arbeit! Das preußische Abgeord netenhaus hat neulich die gleiche Bitte an die Er gexugh ge richtet und diese hat sich entgegenkommend geäußert. Wer im Kriege dem Vaterlande, sei es im Felde, sei es in der Heimat, treu Dienste geleistet hat, sollte dafür belohnt werden. Einer Postreforn im Frieden wenigstens muß jetzt schon vorgearbeitet werden. In Preußen marschiert die Reform der inneren Verwaltung schon, und die varkunft wird uns zu Ersparnissen zwingen. Wir müssen sehen welche Beamtenstellen zukünftig durch Vereinfachung des Betriebs und durch eine andere Verteilung der Arbeit erspart werden können während andererseits die Gehälter angemessen verbessert werden Die Einzelheiten der Reform müssen natürlich der Postverwaltung überlassen werden. Berücksichtigung verdienen die Wünsche der Post⸗ beamten nach drei Richtungen: 1) müssen die höheren Postbeamter den höheren Beamten in den übrigen Reichsbetrieben gleichgestellt werden, 2) die freiwerdenden Inspektorenstellen müssen als Be⸗ förderungsstellen für die Obersekretäre bereitgehalten und 3) die Zahl der gehobenen Unterbeamtenstellen vermehrt werden. Freie Bahn dem Tüchtigen, das sei auch für die Postverwaltung die Parole. Eine möglichst große Zahl von Kriegsbeschädigten könnte in der Post⸗ und Telegraphenverwaltung Unterkunft und Erwerb finden, besonders müssen die, die bereits im Postdienst tätig waren, wieder angestellt werden. Die weiblichen Postbeamten haben noch immer nicht die völlige Gleichstellung mit den männlichen Beamten erreicht. Die Post krankenkassen sind in ungünstiger Lage, die Krankenleistungen sind herabgesetzt worden. Der Grund liegt darin, daß das Hilfs⸗ personal nicht so genau auf seinen Gesundheitszustand untersucht wird. Eine Abhilfe wäre möglich durch Beseitigung der Ausnahme⸗ stellung der Post⸗ und Telegraphengehilfen. Diese sind nämlich von den Segnungen der Bestimmung des Reichsbeamtengesetzes ausge⸗ nommen, daß in Krankheitsfällen kein Abzug vom Gehalt statt⸗ findet. Diese Ausnahmestellung sollte wenigstens während Krieges aufgehoben werden. Ferner müßte den Post⸗ und Tele⸗ graphengehilfen die Unkündbarkeit ihrer Stellung zugestanden wer⸗ den. Der Zeitpunkt der Vereidigung ist ganz verschieden; die dauernd beschäftigten Anwärter sollte man nach einer bestimmten Probezeit vereidigen. Ein kurzer Erholungsurlaub sollte auch dann gewahrt werden, wenn die Vereidigung noch nicht stattgefunden hat. Die Lage der Gehilfinnen bei den Postämtern kann durch die Er⸗ höhung des Grundgehalts allein nicht aufgebessert werden, es sollte vielmehr jeder Gehilfin die Aussicht auf Erlangung einer Be⸗ amtenstelle gegeben werden. Das Interesse des Dienstes verlangt eine gewisse Stetigkeit in der Besetzung der Stellen; deshalb muß auch eine Anzahl von etatsmäßigen Stellen bei den Postämtern vorhanden sein. Die Aufwandsentschädigung der Postverwalter und Postagenten muß prozentual erhöht werden, und die Stellvertretungskosten müssen un bedingt auf die Reichskasse übernommen werden. Die Löhne der Aus helfer müssen aufgebessert werden, denn ausreichende Aushelfer be⸗ kommt man nur, wenn man ähnliche Löhne zahlt wie die Industrie. Schließlich möchte ich um eine Ermäßigung des Portos für Bücher in Blindenschrift bitten, da diese besonders groß und schwer sind, das Porto also immer sehr teuer ist. Die Mängel im Postverkehr könnten

nunmehr allmählich verschwinden, da doch die Aushilfskräfte sich mit der Zeit eingearbeitet haben werden. Den Dank, den wir den Post⸗ beamten für ihre Leistungen im Kriege schuldig sind, können wir u. a. besonders dadurch zum Ausdruck bringen, daß ihnen so viel wie mög⸗ lich Urlaub erteilt wird. Dann werden sie mit größerer Freudigkeit auch weiterhin ihre Schuldigkeit tun. (Beifall.)

Staatssekretär des Reichspostamts Dr. Kraetke: *)

8 Abg. Bruhn (Deutsche Fraktion): Der Anerkennung für die Leistungen der Postverwaltung im Kriege schließen wir uns an. Die Feldpost hat ihre volle Pflicht und Schuldigkeit erfüllt, auch die Heimatspost verdient volle Anerkennung. Die Kontrolle der Feldpost⸗ briefe der Heimat ist sehr schwierig; die Kontrolle ist sehr scharf und scheint über das Ziel zu schießen. Die Telegraphenbeamten sind zu sehr belastet mit Diensttelegrammen. Infolgedessen häufen sich die übrigen Telegramme zu Bergen an. An die Dien tstellen, auch an die Heeresdienststellen sollte, die Postverwaltung das Ersuchen richten, diese Telegramme möglichst durch Briefe zu ersetzen. Es ist nicht wegzuleugnen, daß man vielfach hörte, dies und jenes Postpaket ist verloren gegangen. Der Staatssekretär hat ja den Ausweg vorge⸗

*) Die Rede des Staatssekretärs des Reichspostamts Dr. Kraetke

kann wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms erst morgen im Wortlaut mitgeteilt werden.