1917 / 112 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 11 May 1917 18:00:01 GMT) scan diff

Finanzkommission, Referent Oberbürgermeister Dr.

pältnisse hier gerade so lägen wie bei den Staatsbeamken und Staats⸗ angestellten und daß große Mißstimmung entstehen würde, wenn die letzteren basset gesteilt würden, als die Privatangestellten und Arbeiter. Diese Forderung hat auch im Lande in weiten Kreisen Widerhall hervorgerufen. Während der Beratung der Gesetzentwurfes habe ich

kommen, welche dasselbe für sich verlangten und nicht einsehen wollten, die Staatsbeamten und Staatsangestellten wirtschaftlich dem Aber nach der Auffassung der Staatsregierung besteht doch ein erheb⸗ 1 Unterschied zwischen den Staatsbeamten und Staatsangestellten en Privatbeamten und Privatangestellten. Die Staatsbeamten Ftͤatsarbeiter widmen wirtschaftlich ihre Tätigkeit lediglich dem während die andern mit dem Staate bloß als Staatsbürger

Ferner kam für die Staats⸗ regierung als wesentliches Bedenken hinzu, daß bei den Privat⸗ beamten und Privatangestellten gar nicht klargestellt werden kann, was Unterstützung, wirkliche Beihilfe, Lohn und Gehalt ist. ist bei jedem einzelnen Betriebe anders, und keine Veranlagungs⸗ kommission in Preußen wäre imstande gewesen, diese schwierigen Unterschiede auseinanderzuziehen und klarzustellen. Schließlich war aber, und das war ausschlaggebend, nicht aus der Welt zu bringen, daß den Privatangestellten und ⸗arbeitern eine ganz erhebliche Bevor⸗ zugung zuteil werden würde gegenüber allen Personen, die einem freien Berufe angehören. Diese Personen sind alle venötigt, ihr Einkommen voll zu versteuern, ob sie nun gleiche oder höhere Ein⸗ nahmen haben als im Frieden, entsprechend der gestiegenen Teuerung, ja sogar auch wenn sie geringere Einnahmen haben als vorher, und deren gibt es sehr viele im Lande. Es würde also ie schreiende Ungerechtigkeit entstehen, wenn man diesem Antrage hätte stattgeben wollen, und deshalb hat sich die Staatsregierung darauf beschränken müssen, lediglich zugunsten der Staatsangestellten, Staatsbeamten und Staatsarbeiter eine Aus⸗ nahme vorzusehen. Ich betone ausdrücklich, daß dieser Schritt der Staatsregierung an sich nicht leicht geworden ist, aber sie glaubte ihn doch verantworten zu können, weil sie sonst auf der einen Seite nimmt, was sie auf der anderen Seite gibt, und weil wirtschaftlich die be⸗ dachten Personen in einem unmittelbaren Verhältnis zum Staat stehen und er ihnen durch die Steuerfreiheit aus seinen eigenen Mit⸗ teln eine weitere Zuwendung gibt. Die Finanzkommission dieses hohen Hauses hat an sich, obschon sie Bedenken gehabt hat, das Prinzip, daß die Staatsbeamten und Staatsarbeiter wegen der Teuerung steuerlich etwas besser gestellt werden sollen, anerkannt, die Bewilligung der Steuerfreiheit aber auch ein Jahr beschränkt. Aber wenn sie einmal das Prinzip anerkannt hat, so ist kein Grund vor⸗ handen, welcher dazu führen sollte, seine Anwendung nur auf ein Jahr zu bewilligen. Es kann niemand annehmen, daß nach Ablauf des Jahres 1917 die große Teuerung bereits zurückgeflutet sein wird, und wir dann schon schon wieder normale Verhältnisse haben werden. Im Gegenteil, ein jeder muß zugeben, daß wir bestimmt damit rechnen müssen, daß diese teuere Zeit noch längere Zeit andauern wird. Der Vorschlag der Finanzkommission würde daher, nachdem einmal das Prinzip anerkannt ist, daß die Staatsbeamten und Staatsarbeiter während der Teuerung besser bedacht werden sollen, zur Folge haben, daß alljährlich derselbe Beschluß gefaßt werden müßte. Welche un⸗ angenehmen politischen Folgen das aber haben würde, wenn diese gerade bezüglich der Privatangestellten und Privatbeamten umstrittene Frage alljährlich in die Parlamente hineinkommen müßte, kann ein jeder von Ihnen selbst ermessen. Ich möchte deshalb das hohe Haus bitten, die Steuerfreiheit für die Dauer der Kriegsteuerung, und nicht lediglich für das Jahr 1917 auszusprechen und demgemäß dem Gesetz⸗ entwunf in der Fassung des Abgeordnetenhauses die Zustimmung zu erteilen.

Oberbürgermeister Rive⸗Halle: Folgen wir dem Kom⸗ missionsvorschlage, so würde uns im nächsten Jahre die gleiche Vor⸗ lage wieder beschäftigen, und sie würde unbedingt auch angenommen wenden. Da erscheint es doch richtiger, die böö für die ganze Dauer des Krieges zu statuieren. Ein davon abweichender Beschluß des Hauses könnte von der Bevölkerung leicht mißdeutet werden.

Mit großer Mehrheit beschließt das Haus nunmehr die Streichung der vorgeschlagenen zeitlichen Beschränkung und nimmt den Entwurf unverändert in der Fassung des Abgeord⸗ netenhauses an.

Die Gesetzentwürfe, betr. die Abänderung der Ge⸗ setze überdie Landeskreditkasse in Casselund die Landesbankin Wiesbaden werden auf Antrag der Kommunalkommission noch nicht in Beratung genommen, sondern ihre Durchberatung und Verabschiedung wird bis zum Abschluß der Beratung der Vorlagen, betr. die Schätzungs⸗ ämter und die Stadtschaften, ausgesetzt.

Es folgt die Beratung des Antrags Dr. Hillebrandt⸗Bres⸗ lau auf Einschiebungeinespraktischen Jahres vor das akademische Studium bei der Vorbereitung der zu⸗ künftigen Verwaltungsbeamten.

Auf Antrag des Herrn von Wilmowski wird eine Kommission von 15 Mitgliedern zur Vorberatung des Antra⸗ ges niedergefetzt.

Für den Entwurf eines Wohnungsge setzes und des Gesetzentwurfes über die staatliche Verbürgung zweiter Hypotheken (Bürgschaftssicherungsgesetz) beschließt das Haus die Einsetzung einer Kommission von 21 Mitgliedern. „Beide Kommissionen werden sofort durch Zuruf gewählt; ihre Konstituierung soll alsbald erfolgen. Den Rest der Tages⸗ ordnung bilden 6 Kommissionsberichte über Petitionen.

Die Berliner Tiefbohrgesellschaft und die G. Jul. Winter in Kamen (Westf.), in Konkurs, bitten um Erlaß des im Berg⸗ gesetz von 1907 verheißenen Gesetzes über Aufsuchung und Ge⸗ winnung von Steinkohle und um Rücksichtnahme bei diesem Gesetz auf diejenigen, welche zu einer Zeit, wo die Entdeckung noch ein Mutungsrecht gab, eine solche Entdeckung gemacht und unverschuldet dieses Recht verloren haben. 88n

Die Handelskommission beantragt durch ihren Referenten,

eine

dhee Bergrat Dr. Weidtmann, die Petition im ersten

Teil der Regierung zur Berücksichtgung, im zweiten Teil 1 Erwägung zu überweisen.

„Ohne Diskussion beschließt das Haus demgemäß. Die Petition der Vereinigung der Köni

Betit glichen Polizeiwachtmeister Groß Berlins und zu Frankfurt a. R. b

8 M. um Rangerhöhung und Gehaltsaufbesserung überweist das Haus auf Antrag der Oehler⸗

Düsseldorf, der Regierung als Material.

Das

1““ 11“ 11“ 8 ber die Petition des standes der Landwirtschafts⸗ kommer zu Kiel um Zulassung der Kriegdanleihe zum Nenn wert als Zahlungsmittel wird zur Tagesordnung über⸗ gegangen.

Oberbürgermeister Dr. Rive berichtet namens der Finanz⸗ kommission über die durch den Senatspräsidenten des ö’ tungsgerichts Dr. Strutz und andere für den Sonderausschuß für Be⸗ amtenrecht und Beamtenbesoldung der Deutschen Geselksihaf⸗ für Be⸗ völkerungspolitik eingereichte Petition:

a. um Kinderbeihilfen für Beamte usw. in gesteigerten Kopfsätzen bei steigender Zahl unversorgter Kinder.

b. um statistische Erhebungen über den Familienstand der Be⸗ amten usw.

Der Kommissionsantrag auf Ueberweisung zur Erwägung gesan ohne Erörterung zur Annahme. 8 Damit ist die Tagesordnung erledigt. h

Präsident Graf von Arnim⸗Boitzenburg gibt seinem Be⸗ dauern Ausdruck, dem Hause einen ganz bestimmten Termin für die nächste Sitzung nicht vorschlagen zu können. Die Regierung lege Wert bdarauf, daß das Wohnungsgesetz noch in der Kommission möglichst beraten werde, und es sei nicht abzusehen, wann diese Beratung ab⸗ geschlossen sein werde. Voraussichtlich aber werde das Haus am 19. Mai die letzte Sitzung abhalten, und zwar mit folgender Tages⸗ ordnung: Antrag auf Vertagung des Landtages bis zum 9. Oktober; dann eventuell das Wohnungsgesetz; Antrag Graf Hoensbroech; kleinere Vorlagen; dann eventuell Antrag Hillebrandt.

Oberbürgermeister Wermuth⸗Berlin: Die Kommission für das Wohnungsgesetz hat sich soeben konstituiert und beschlossen, die erste Sitzung, damit sich die Mitglieder in diese schwerwiegende und bedeutungsvolle Materie einigermaßen einarbeiten können, am 18. Mai abzuhalten. Da auch schon eine große Reihe sehr bedeut⸗ samer Anträge vorliegen, die dem Gesetz eine bessere Gestalt geben sollen, so erscheint es doch ganz ausgeschlossen, es auch nur eventuell

sein müssen, verhunden mit einer

am 19. Mai auf die Tagesordnung zu setzen. Es wäre dem Interesse des Herrenhauses und der Bedeutung der Materie nicht entsprechend, dieses Gesetz, welches das andere Haus fast ein Jahr beschäftigt hat, binnen wenigen Tagen und ohne Bericht zu erledigen.

Präsident: Ist die Vorlage am 19. nicht fertig, so kann sie nicht auf die Tagesordnung des Plenums kommen. Ich habe meinen bezüglichen Vorschlag ausdrücklich nur „eventuell“ gemacht. Vielleicht ermächtigt mich das Haus, die Tagesordnung definitid festzusetzen. (Zustimmung.)

Schluß gegen 4 Uhr.

Wohlfahrtspflege.

Die „Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen“ teilt mit: Im vergangenen Jahr wurden bei inem Vermögensstand von 15 Millionen Mark weit über 3 Millionen Mark verteilt. Für das laufende Jahr sind bereits über 6 Millionen Mark bereitgestellt worden. Sollte sich ergeben, daß weitere Mttte! erforderlich sind, so werden auch diese bewilligt werden. Es geh! bieraus hervor, daß die Nationalstiftung ihre Unterstützungstätigkei nach Maßagabe ihrer Mittel, die naturgemäß auf lange Zeit berechnet eingehenden sozialen Fürforge in

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umfangreichster Weise ausübte.

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Kunst und Wissenschaft. 3

Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Planck am 3. Mai eine Hesamtsitzung, in der Herr Hintze über das Sostem der inneren Politik Friedrichs des Großen sprach. Er be⸗ bandelte es, wie es sich in dem Politischen Testament von 1768 dar⸗ stellt, mit besonderer Berücksichtigung der durch ebenden Abhängigkein dieses Regiecungssystems von den zußeren Lehensbedirgungen des Staates, die auch nach dem Sieebenjährigen Kriege nicht nur die strengste und sparsamste Zusammenfassung aller Kräfte, sondern auch eine Vermehrung der Machtmittel zur unabweisbaren Notwendigk n machten. Vom Heerwesen ausgebend, wies er diesen Zusammenbang in den Entwürfen zur finanztellen Kriegsbereitschaft, in den Steuer⸗ und Wirtschaftereformen, in der Bewabrung der alten ständisch ge⸗ gliederten Ge sellschaftsordnung nach. Rechlsschutz und Geistesfreihent rschienen dabei als Trost⸗ und Heilmittel gegenüber den Härten und Einseittgkeiten des militärisch⸗merkanttlistischen Poltzeist ates.

Folgende Druck chinten wurden vorgelegt: Tom. 5, Fasc. 2 des von der Savigny⸗Stiftung beravsgegebenen Vocabularium lurisprudentiae Romanae (Berolini 1917), von Heirrn Holl sein Zuch: Die Bedeutung der großen Krtege fur das religiöse und kuch⸗ iiche Leben innerhalb des deut chen Prorestantismus (Tübingen 1917), vs von dem auswärtigen Mitalied Herrn Vatroslov von Jag’”. m. Wien eingeijaadte Werk: Supplementum psalterii Bononiensis (VLindobonae 1917) und von Herrn Erman die 31. wissenschaf⸗ iche Veroffenichung der Deutschen Orieni⸗Gesellschaft: Tell el⸗ 1 deutschen Ausgrabung im Jahre 1911 von P. Timme

eipzig 1917).

Tie Galerie Eduard Schulte bringt in ihrer neuen Aus⸗ stellung zwei große Sammlungen: Eine Sonderausstellung von Profrssor Ferdinand Beütt⸗Cronberg und (ine Biloerreihe „Lie Türkei im Krtege“ von Wilh. Victor Krausz⸗Wien. Weltete Werke andten Gust. J. Buchner⸗München, Waldemar Coste⸗Frankfurt a. M., Professor F. Klein⸗Chevalter⸗Berlin, Professor Max Koch⸗Berlin und srich Nikutowski⸗Düsseldorf.

Literatur.

Bericht über die Tätigkeit der Königlich preußi⸗ schen Hauptstelle für den naturwissenschaftlichen Unter⸗ richt für die Zeit vom 1. Oktober 1914 big zum 1. Oktober 1916. 62 Seiter. (Geheftet 1, Verlag von Quelle u. Mexyer in Leipzig.) Fin Aufsatz des Geheimen Oberregierungsrats Norrenherg über die Begründung der Hauptstelle leitet den Bericht ein. Er zeigt, wie oie preufische Unterichtsverwaltung in dem letzten Menschen⸗ alter die Einrichtungen zum Weiterbilden der Lebrer der Mathe⸗ matik, Naturwissenschaften und Erdkunde zielbewußt und beharrlich jeförrert und wie die innere Entnicklung dazu gedrängt hat, die Hauptstelle zu schaffen. Der Bericht selbst legt dar, welche Einrschtungen getroffen wurden, um trotz dem Weltkriege die Aufgaben der Hauptstelle zu erfuͤllen. Man erfährt, wie die Ver⸗ anstaltungen zur Weiterbildung, die ursprünglich nur für Lehrer und Lek⸗ verinnen zunèchst Groß Berlins geplant waren, ausgedehnt wurden, welche Aus kunft⸗ über Räume, Inn neinrichtungen und Lehrmittel erteilt wurden, wie die Prüsstelle angelegt ist und wieweit die Arbeiten an den Musterverz chnissen der Lebrmittel forteeschritten sind. Für alle, die die Hille der Hauptstelle in Anspruch nehmen sollen, ist der Bericht unentbehrlich, so für Schulverwaltungen, für Lehrer und Lehrerinnen, die in Math matik, Naturwissenschaffen und Erdkunde unterrichten, für Baubehötden, für Verleger und für Geschäfte, die Lehrmittel herstellen oder damit handeln.

Verkehrswesen.

von Postpaketen nach der Türkei,

Die Annahme die vorübergehend eingenellt war, ist wieder zugelassen. Bi auf weiteres bürfen jedoch von einem Absender täglich höchstens 30 Stück eingeliefert werden. 1

Vorläufige Einstellung des Briefverkehrs nach

Spanien und den überseeischen neutralen Ländern.

Wegen Mangels an einer gesicherten Seebeförderungsgelegen⸗ heit muß der Briespostverkehr von Deutschland nach Spanie und den übersecischen neutralen Postgebieten (Mexiko, Mittel⸗ und Südamerika, China, Siam) bis auf weiteres eingestellt werden. Briefe und Postkarten („Familiensendungen“) mi

Familiennachrichten an die in Spanien in Freiheit lebenden Deutschen werden von den Postanstalten auch weiter zur Be⸗ förderung angenommen. ö1“

Theater und Musik. 88

Im Königlichen Opernhause wird morgen, Sonnabend,

„Der Troubꝛdour“ mit den Damen Dux, Leisner, Herwig und

den Herren Kirchner, Schwarz, Bachmann und Krasa in den Haupt⸗

rollen aufgeführt. Dirigent ist der Eeneralmusikdirektor Blech. Im Königlichen Schauspielhause geht morgen die Posse

„Kyritz⸗Pyritz“ in Szene. In größeren Rollen sind die Damen Coste, Dora, Hetsler, von Mayburg, Schlüter, Sussin sowie die Herren Boeticher, Eichbolz, von Ledebur, Mühlhofer, Patryp, Sachs und Spielleiter ist Dr. Bruck, musikalischer

Vespermann beschäfttat. Leiter Herr Schmalstich.

Ein Gastspiel der Darmstäbter Hofoper begann, wie at in Bukarest in Anwesenheit des Militärgouverneurs vor einem seit Tagen ausverkauften Hause mit 3 Das Publikum, n, spendete reichsten Bei⸗ fall. Ein am 6. Mat unter der Leitung des Hofkapellmeisters Oppen⸗

„W. T. B.“ meldet, am 7. Mat i

einer glänzenden Aufführung des „Lohengrin“. in dem sich auch zahlreiche Rumänen befanden,

heimer mit größtem Erfolg veranstaltetes Beethovenkonzert bildete

die Eröffnung des auf 10 Tage berechneten Gastsptels. Eman demselden Tage von der Deutschen Bukarester Schauspteltruppe in Braila begonnenes Gastsplel hatte mit einer Aufführung von Goethes

„Iphtgenie“, mit Gertrud Arnold in der Titelrolle, ebenfalls einen erfolgreichen Anfang zu verzeichngen. Oesterreichern, Bulgaren, Türken und Rumänen Zuschauerpublikum des bis auf den letzte

zusammengesetzte

einsetzende Beifallskundgebungen Ausdruck.

Mannigfaltiges.

Das synchronische Leuchten der Feuerfliegen ist eine in Amerika auftretende, aber sehr seltene Naturerscheinung, während sie bet den tropischen Lampyriden häufig ist. Die besonderen Verhält⸗ aisse der Natur, Feuchtigkeit und Luftbewegung scheinen die Insekten sehr zu heeinflussen. H. A. Allord beschretbt in der amerikanischen Wochenschrift „Seience“ das von ihm bevvachtete zeitweilige Auftreten des Leuchtens der Feuerfliegen nach einem Gewitter. Dte vLuft war sehr warm und feucht, und die Feuerfliegen tauchten in großer Mengen auf, Tausende flogen über den Boden hin und leuchteten, soweit das Auge blicken fonnte. Dies Leuchten verschwand und kehrte immer wieder, sodaß man in einiger Entfernung den Eindruck wechselnder Beleuchtung und Dunkelheit batse. Zuweilen börte das rhythmische Leuchten eine Zelt lang auf der ganzen Fläche zuf, zuweilen zeigte es sich nur on bestimmten Stellen. Obgleich sich Allard 12 Jahre lang bemühte, das Leuchten der Feuerfliegen zu ver⸗ folgen, konnte dieser Synchronismus nie wieder beobachtet werden. Je nach den Luftverhältnissen zeigen die Feuerfliegen beträchtliche Aenderungen in ihrem Flug und in ihrem L uchten. Manchmal fliegen sie ganz dicht über dem Boden, dann weeder erheben sie sich zu Myriaden bis zu den Spitzen der Bäume. Dann ist der Flug begleitet von einer langandaueruden Lichtausstrahlung, so daß die Insekten wie kleine Leuchtpunkte erscheinen, die durch Laftströmungen bewegt werden.

Pola, 10. Mai. F. K. Tel. Korrespondenzbureaus verzeichnete gestern 13 Minuten 7 Sekunden Abends der Seitmograph des Oydro⸗ graphischen Amts in Pola den Beginn eines katastrophalen Fernbebens; Maximalphase: 7 Uhr 50 Minuten Abends bei einer Bodenbewegung in Pola von 0,4 mm, Erdabstand: 4400 km.

New York, 10. Mat. (W. T. B.) Nach einer New Yorker Meldung das „Journal ist die amerikantsche Munitions⸗ abrik Hammoth in die Luft geflogen; die Zahl der Opf ist noch unbekannt. 14“

(W. T. B.) Laut Meldung des Wiener um 6 Uhr

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Beilage.)

Theater.

Königliche Schauspiele. Sonnab.: Opernhaus. 125. Abonne⸗ nentsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Der Troubadour. Oper in vier Akten von Giuseppe Verdi. Text nach em Ital enischen des Salvatore Camerano. Mustkalische Leitung: Derr Generalmusikdirektor Blech. Regie: Herr Oberregisseur Droescher. Chöre: Herr Professor Rüdel. Anfang 7 ½ Uhr.

. Schauspielhaus. 127. Abonnementsvorstellung. Kyritz⸗Pyritz. Alt⸗Berliner Posse mit Gesang und Tanz in drei Aufzügen (5 Bildern) von H. Wilken und O. Justinus. Musik von Gustav Michaelis. Musikalische Leitung: Herr Schmalstich. Inszenierung: Herr Regisseur Dr. Bruck. Anfang 7 ½ Uhr. 4

Sonatag: Opernhaus. 126. Abonnementsvorstellung. Dienst⸗ g ereglah Fesetgehaden; Der dcer Komödie für Musik, in dre en von Hugo von Hofmannsthal. Musik vo Richard Strauß. Anfang 7 Uhr⸗

Schauspielhaus. Nachmittags: 150. Kartenreservesatz. Auf Allerböchsten Befehl: Vorstellung für die Kerelerhe et4, anaf Zum 23. Male: Der Raub der Sabinerinnen. Anfang 2 ¼ Uhr. (Ueber sämtliche Plätze ist bereits verfägt.) Abends: 128. Abonne⸗ mentsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Könige. Ein Schauspiel in drei Aufzügen von Hans Müller. In Szene gesetzt von Herrn Regisseur Dr. Bruck. Anfang 7 ½ Uhr.

Familiennachrichten.

Gestorben: Hr. Generalmajor a. D. Eduard Sperlina (Berlin). Hr. Generalmajor a. O. Carl Fischer (Braunschweig). Fr. Oberstleutnant Charlotte von Berschau, verw. gew. von Beo⸗ zowe ki, ged. Holzapfel (Brandenburg, Havel). Helene Fürst, geb. Hennig (Berlin).

Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher de pedition, Rechnungsrat Mengering in Pben,n 8 Verlag der Expedition (Mengerin 9) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanst Berlin, Wilhelmstraße 32. 90 Sechs Beilagen 6 (eimschlichlich. Warenzeichenbeilage Nr. 3), e die 1450. Ausgabe der Deutschen Verlustlisten 111X“

Das aus Deutschen,

Platz ausverkauften Hauses gab seiner Befriedigung durch lebhafte, immer von neuem wieder

Natur.

Fr. Magistratsrat

dunderten geregelt hat.

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Reichsan

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Berlin, Freitag, den 11. Mai

Varlamentsbericht.“)

Deutscher Reichstag. MNachtrag. 104. Sitzung vom 9. Mai 1917.

Die Rede des Staatssekretärs des Reichskolonialamts Dr. Solff, die gestern wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms nicht mitgeteilt werden konnte, lautet:

Meine Herren! Auch ich bedauere mit dem Herrn Referenten, daß die Verhältnisse in den Schutzgebieten es ermöglicht haben, daß

wir den Kolonialetat in diesem Jahre so schnell verabschieden können. Aber auch ich schöpfe aus denselben Tatsachen Mut und Hoffnung

wie die Herren Vorredner. Die Erfahrungen, die die Kolonialver⸗

waltung trotz des Mißgeschickes in den Kolonien mit den Erfolgen

der Verteidigung gemacht hat, geben mir Mut und frohe Zuversicht r die Zukunft.

Ich danke den Herren Vorrednern insbesondere für die aner⸗ kennenden Worte, die sie für die heldenmütigen Leistungen der Schutz⸗ truppen in Sonderheit in Ostafrika gefunden haben; Sie können sicher sein, daß die Regierung sich Ihren Dankesgefühlen anschließt. Ich danke auch den Herren Vorrednern für die Wärme, mit der sie für die geschädigten Kolonialdeutschen eingetreten sind, und wenn der Herr Abgeordnete Thoma zahlreiche Zuschriften von besorgten Kolo⸗ nialinteressenten bekommen hat, so darf ich ihm den Rat geben, die Briefschreiber dahin zu bescheiden, daß die Kaiserliche Regierung die

lgeschädigten Kolonialdeutschen nicht im Stiche lassen wird, und wenn

ich das ausspreche, meine Herren, dann bin ich mir der Zustimmung des gesamten Reichstags sicher. (Bravo!)

Wie ich mich nun, meine Herren, mit dem Herrn Abgeordneten für Bremen auseinandersetzen soll, daß weiß ich nicht. Ich habe vor dem Kriege drei Jahre versucht, mich mit dem Herrn Abgeordneten Hencke über koloniale Angelegenheiten zu unterhalten. Er will nicht. Er verschließt sich allen verständigen Argumenten. Ich habe Ihnen damals entgegengehalten, es würde die Zeit kommen, und zwar sehr bald, wo die Sozialdemokratie, die damals noch zusammen war, sich der Kolonialpolitik zuwenden und mitmachen würde. Meine Herren,

Tdaß ich damals nicht falsch gesehen habe, das habe ich aus der Rede

des Herrn Abgeordneten Noske heute geschlossen. (Sehr richtig!

Und wenn der Herr Abgeordnete Noske besonders hervorgehoben

[bat, daß die Erfolge unserer Schutztruppen und unserer Ansiedler

während des Krieges nur dadurch so gute sein konnten, daß die Ein⸗ geborenen uns treu zur Seite gestanden haben, so ist es das beste Lob, das der Kolonialverwaltung gespendet werden kann, und daß es von dieser Seite kommt, freut mich ganz besonders. Von diesem Lobe möchte ich ebenso wie der Herr Vorredner, der Herr Abgeordnete Waldstein, einen Löwenanteil auf den ehemaligen Gouverneur von

Ostafrika abwälzen. Die Eingeborenenpolitik des Herrn von Rechen⸗

g, der jetzt als Mitglied diesem hohen Hause angehört (bravo! rechts), hat es jedenfalls den Afrikanern erleichtert, den feindlichen Angriffen solange Widerstand zu leisten.

Weiter habe ich heute nichts zu sagen. Ich bedauere lebhaft, daß ich nicht mehr mitteilen kann, und zugeben muß, wie traurig die Ver⸗ hältnisse in den Schutzgebieten liegen. Die Stimmung aber, die ich gestern in der Kommission empfunden habe und die heute, mit der einzigen Ausnahme des Herrn Abgeordneten für die Hansastadt

Bremen, auch hier herrscht, diese Stimmung gibt mir die Gewißheit,

daß Sie alle in Zukunft mitarbeiten werden an dem Wiederaufbau der Kolonien, den ich mit froher Zuversicht vor mir sehe.

105. Sitzung vom 10. Mai 1917, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Am Bundesratstische: Der Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Helfferich und der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Zimmermann.

Präsident Dr. Kaempf eröffnet die 11 ½¼ Uhr.

Zur ersten Lesung stehen die zwischen dem: Reiche und dem Osmanischen Reiche in Berlin am 11. Januar 1917 unterzeichneten Verträge (Konsulat⸗, Rechtsschutz⸗, Auslieferungs⸗, Niederlassungsvertrag, Vertrag über gegenseitige Zuführung von Wehr⸗ und Fahnenflüch⸗ tigen der Land⸗ und Seestreitkräfte, Verträge über Anwen⸗ dung dieser Vertragsbestimmungen auf die Schutzgebiete und auf die osmanischen Provinzen Hedschas, Jemen und Nedschd). Die Besprechung wird über sämtliche zehn Ver⸗ träge gemeinsam geführt.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Wirklicher Ge⸗ heimer Rat Zimmermann:

Meine Herren! Die Rechtsverträge zwischen Deutschland und

Sitzung um

Deutschen

[der Türkei vom 11. Januar dieses Jahres, die der Herr Reichs⸗

kanzler Ihnen teils zur Genehmigung, teils zur Kenntnisnahme mit⸗

[geteilt hat, sind ihrem wesentlichen Inhalte nach juristisch⸗technischer

Ihre Begründung nach dieser Richtung hin will ich dem Herrn Direktor der Rechtsabteilung meines Amtes überlassen, der die Verhandlungen mit den türkischen Herren Delegierten geführt und

[zum Aböbschluß gebracht hat.

Die Verträge haben aber über ihren sachlichen Inhalt hinaus noch eine hohe politische Bedeutung. Ich darf mir erlauben, Ihnen bierüber einige Ausführungen zu machen. Wie Sie wissen, verfolgen

die Verträge den Zweck, das sogenannte System der Kapitulationen

zu ersetzen, das die Verhältnisse der Fremden in der Türkei seit Jahr⸗ Ursprünglich mehr ein Ausfluß der Tat⸗ sache, daß die Angehörigen der christlichen europäischen Mächte auf

dem türkischen Boden nur geduldet wurden und in ihren rechtlichen

und

und wirtschaftlichen Beziehungen sich selbst überlassen waren, haben sich die Kapitulationsrechte im Lauf der Jahre durch eine Reihe von Verträgen zu Privilegien ausgewachsen, die den Fremden in der Türkei eine bessere Stellung sicherten, als sie die Landesangehörigen dort be⸗ saßen. Diese Bevorzugung der Fremden wurde immer mehr als eine Verletzung der nationalen Würde der Türkei empfunden, namentlich seitdem Japan die Befreiung von der Konsulargerichtsbarkeit durch⸗ setzte und als erste Großmacht nicht christlicher Kultur in den Verein des europäischen Völkerrechts aufgenommen wurde.

Dazu kam der Umstand, daß die Türkei durch die Umwälzungen des Jahres 1908 zu einem Verfassungsstaat geworden war und in⸗ folgedessen die in den Kapitulationen liegende Beschränkung der Sou⸗ veränität geradezu unerträglich erschien. Man kann wohl mit vollem Recht sagen, daß schon vor Ausbruch dieses Weltkrieges die freiung von den Kapitulationen von dem ganzen osmanischen Volke einhellig gefordert wurde. Diese Stimmung machten sich unsere Feinde zu Nutze, um der Gefahr eines Anschlusses der Türkei an die Zentralmächte durch das Angebot des Verzichts auf die Kapitulationen zu begegnen. Es ist bekannt, daß die klardenkenden und zielbewußten Leiter der türkischen Politik aus diesem Angebot eine für unsere Feinde sehr überraschende Folgerung zogen; sie erklärten, daß die türkische Neutralität nicht käuflich sei, daß aber die Kapitulationen mit der jetzigen staatsrechtlichen Lage der Türkei und der türkischen Souveränität unvereinbar seien und daß sie infolgedessen diese Kapi⸗ tulationsrechte einseitig mit Wirkung vom 1. Oktober 1914 aufhöben.

Wenige Monate später traten die Türken als Bundesgenossen an unsere Seite. Sie haben sich von diesem Augenblick an als treue Waffenbrüder bewährt (Bravo!) und durch ihre glänzende Tapferkeit Erfolge erzielt, von denen viele Seiten in den Annalen dieses Welt⸗ kriegs ruhmvoll berichten. (Bravo!) Die deutsche Regierung konnte die einseitige Aufhebung der Kapitulationen vom Standpunkte des Völkerrechts nicht als wirksam anerkennen; denn die Rechte, welche den Deutschen auf Grund des bisherigen Systems zustanden, waren durch Verträge verbrieft. Wohl aber erkannte Deutsch⸗ land an, daß die Befreiung von den Fesseln der Kapi⸗ tulationen für die Türkei das vornehmste, ja, vielleicht das einzige Kriegsziel ist; denn die Türkei ist ebenso⸗ wenig wie Deutschland in diesen Weltkrieg hineingezogen, um seine Nachbarn zu zerschmettern, um fremde Länder zu erobern und fremde Völker politisch und wirtschaftlich niederzuschlagen, sondern lediglich, um im Kreise der anderen Völker frei und sicher leben zu können. Hierzu bedarf sie eines Rechtszustandes, der es den politischen Agenten habsüchtiger Mächte in Zukunft unmöglich macht, unter dem Deck⸗ mantel der Kapitulationen ganze Provinzen der Türkei zu insurgieren und auf den Zerfall des osmanischen Reiches hinzuarbeiten, wie es die russischen Vertreter in Armenien, die englischen in Mesopotamien und die französischen in Syrien getan haben.

Daß die Türken dieses Kriegsziel erreichen, dazu will ihnen Deutschland nach Kräften helfen. Dies erfordert nicht allein die Treue, die wir unseren Bundesgenossen schuldig sind, es liegt auch in unserem eigensten Interesse. Denn vor allen anderen Mächten muß ganz besonders Deutschland aus wirtschaftlichen und politischen Gesichtspunkten Wert darauf legen, daß die ihm verbündete und be⸗ freundete Türkei sich in Zukunft kraftvoll und selbständig entwickeln kann.

Wenn die Kaiserliche Regierung daher auf den Wunsch der türkischen Regierung, in Verhandlungen über die Beseitigung der Kapitulationen einzutreten, bereitwillig eingegangen ist, so ist es doch ohne weiteres klar, daß sie sich mit dieser Negative nicht begnügen konnte. Es ist nicht leicht, Jahrhunderte alte Ordnungen einseitig zu beseitigen; sie müssen durch neue Ordnungen ersetzt werden, die dem bisherigen Zustand, so sehr sie sich auch von ihm unterscheiden, doch sorgfältig Rechnung tragen und dem Mißverständnis und Will⸗ kür in Zukunft nach Möglichkeit vorbeugen. Die Reichsleitung glaubt, durch die Ihnen vorgelegten Verträge diese Aufgabe gelöst zu haben.

Auf welchem Wege man zum Ziele gelangt ist, wird Ihnen nun⸗ mehr von verständiger Seite auseinandergesetzt werden. Im In⸗ teresse der weiteren Pflege der guten und freundschaftlichen Beziehungen zu der eng verbündeten Türkei, im Interesse unserer beiderseitigen Kriegsziele bitte ich Sie, meine Herren, den Ihnen vorliegenden 7 Verträgen nunmehr möglichst bald und möglichst einhellig Ihre Ge⸗ nehmigung erteilen zu wollen. (Lebhaftes Bravo!)

Direktor im Auswärtigen Amt Dr. Kriege: Meine Herren! Die Aufgabe, die den deutschen und türkischen Delegierten bei den Verhandlungen über das Ihnen jetzt vorliegende Vertragswerk gestellt war, erwies sich deshalb als besonders schwierig, weil nicht nur der neu zu schaffende Rechtszustand von dem bisherigen grundsätzlich ab⸗ wich, sondern auch die deutschen und die türkischen Rechtsanschauungen in wichtigen Punkten auseinandergehen. Das sogenannte Kapitu⸗ lationssystem, das, soweit Deutschland in Betracht kommt, auf dem preußisch⸗türkischen Vertrage von 1761 beruht und in dem deutsch⸗ türkischen Handelsvertrag von 1890 aufrechterhalten ist, gewährt den Deutschen in der Türkei ebenso wie den Angehörigen der übrigen Kapitulationsmächte eine privilegierte, gewissermaßen exterritoriale Stellung. Diese besteht im wesentlichen darin, daß die Angehörigen der Kapitulationsmächte mit gewissen Ausnahmen nicht der türkischen, sondern der eigenen Gerichtsbarkeit unterstehen, und daß die Konsuln, die diese Gerichtsbarkeit ausüben, Rechte und Privilegien genießen, wie sie nach allgemeinem Völkerrechte nur diplomatischen Vertretern gewährt zu werden pflegen. Nach dem Kapitulationsrecht gehören Rechtsstreitigkeiten zwischen Deutschen zur ausschließlichen Juris⸗ diktion ihrer Konsuln; aber auch Fremde, die einen Deutschen ver⸗ klagen wollen, haben sich zu diesem Zwecke an den deutschen Konsul zu wenden. Andere Rechtsstreitigkeiten zwischen Deutschen und Türken müssen allerdings vor den türkischen Gerichten anhängig gemacht werden; deoch waren auch hier die deutschen Interessen durch das kon⸗ sularische Assistenzrecht gewahrt, wonach ein Urteil gegen einen Deut⸗ schen, um rechtskräftig und vollstreckbar zu werden, der Unterschrift des bei den Verhandlungen zugezogenen deutschen Konsularbeamten bedurfte. Völlig ausgenommen von der deutschen Jurisdiktion blieben nur die Grundstückssachen, bei denen seit Jahrzehnten von den Groß⸗ mächten die türkische Gerichtsbarkeit als ausschließliche anerkannt war. Auf dem Gebiehe des Strafrechts brauchen die Deutschen nach dem Kapitulationsrecht im allgemeinen nur den deutschen Richter über sich

Bo⸗ Be⸗

anzuerkennen. Die kürkische Gerichtsbarkeit tritt allerdings ein, so⸗

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weit es sich um eine Verletzung türkischer Rechtsgüter handelt; aber auch in diesem Falle wird die Vollstreckung der Untersuchungshaft und Strafhaft von den Konsuln in Anspruch genommen. In weitem Umfang sind ferner die Konsuln der Kapitulationsmächte für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig, insbeson⸗ dere sind sie für ihre Angehörigen die Vormundschafts⸗ und Nach⸗ laßrichter. Daneben fungieren sie auch, obwohl dies mit der Kon⸗ sulargerichtsbarkeit nicht zusammenhängt, für ihre Angehörigen als Notare und Standesbeamte. Wie auf dem gerichtlichen so sind auch auf dem polizeilichen Gebiete die Angehörigen der Kapitulations⸗ mächte in der Türkei vielfach eximiert. So können sie beispielsweise ohne Genehmigung ihrer Konsuln nicht durch die türkischen Behörden des Landes verwiesen werden. Von besonderer Wichtigkeit endlich sind die auf den Kapitulationen beruhenden wirtschaftlichen Privilegien der Fremden. Die Kapitulationsmächte nehmen für ihre Angehöri⸗ gen das Recht in Anspruch, daß ihnen Steuerpflichten nur auferlegt werden dürfen, soweit dies von den Mächten ausdrücklich anerkannt ist. Auch die Wareneinfuhr in der Türkei war an bestimmte ursprünglich sehr niedrige Zollsätze gebunden, die erst allmählich unter Zustimmung. der Kapitulationsmächte erhöht worden sind. Meine Herren, man stelle sich vor, daß ein solches System auf Deutschland Anwendung sände, daß beispielsweise Franzosen und Engländer in Deutschland Privilegien in Anspruch nehmen könnten wie die Angehörigen der Ka⸗ pitulationsmächte in der Türkei, und man wird begreifen, welch' ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem deutschen Fremdenrecht und dem Kapitulationsrechte besteht, andererseits aber auch, wie ver⸗ bitternd derartige Vorrechte und Privilegien auf die Landesangehörigen wirken müssen. Denn während in anderen Ländern im allgemeinen die Landesangehörigen die bessere Stellung haben, mußten die Türken es auf ihrem eigenen Gebiet mit ansehen, wie die Fremden ihnen ge⸗ genüber eine weitaus bevorzugte Stellung einnahmen. Die Haupt⸗ forderung der türkischen Delegierten war denn auch, daß das neue Vertragsrecht auf der Grundlage des allgemeinen europäischen Völker⸗ rechts sowie in vollkommener Gleichheit und Gegenseitigkeit aufge⸗ baut werden müsse. Diese Forderung ist von der Kaiserlichen Re⸗ gierung als berechtigt anerkannt und in dem ganzen Vertragswerk loval durchgeführt worden. Wie die Herren aus den einzelnen Be⸗ stimmungen der Verträge ersehen werden, sind der Türkei gegenüber in keinem Punkte Rechte für unsere Konsuln und für unsere Ange⸗ hörigen verlangt worden, die wir nicht auch den türkischen Konsuln und den türkischen Staatsangehörigen bewilligt haben. Ohne dieses Entgegenkommen wären die Verhandlungen zum Scheitern verurteilt gewesen. Wie war es nun möglich, auf dieser Grundlage die deut⸗ schen Interessen zu wahren, die bisher durch die Kapitulationen sichergestellt waren? Es ist ja einleuchtend, daß nicht ohne Grund in der Türkei wie in anderen Ländern mohammedanischer Kultur das System der Personalität der Gerichtsbarkeit, wie es auch in den alten deutschen Volksrechten herrschte, gegenüber dem modernen System der Territorialität der Gerichtsbarkeit so lange standgehalten hat. Stärker als in anderen Ländern ist in mohammedanischen Staaten das Rechtsleben mit religiösen Anschauungen und Einrichtungen durch⸗ setzt, die eine völlige Gleichstellung der Fremden und der Einheimi⸗ schen erschweren. Dieser Eigenart der osmanischen Kultur mußte auch unter dem neuen System Rechnung getragen werden. Das ist zunächst in umfassendem Maße auf dem Gebiete der Ziviljustiz ge⸗ schehen. Hier sind die Eheangelegenheiten und die sonstigen Ange⸗ legenheiten des Familienrechts der türkischen Gerichtsbarkeit nach wie vor entzogen worden, da diese hierbei Normen würde anwenden müssen, die mit den abendländischen Anschauungen schwer vereinbar

wären. In der Tat nimmt auch die türkische Staatsgewalt selbst in

derartigen Angelegenheiten eine staatliche Gerichtsbarkeit gar nicht in Anspruch; sie überläßt diese vielmehr selbst für eigene Untertanen der Gerichtsbarkeit der geistlichen Behörden. Das gleiche wie für die Familienangelegenheiten gilt auch für die Fragen der Geschäfts⸗ fähigkeit, insbesondere der Entmündigung, da auch solche Fragen in der Türkei vielfach anders als in Deutschland beurteilt werden. So ist für alle diese Angelegenheiten die heimische Gerichtsbarkeit als ausschließliche bestehen geblieben wohl gemerkt aber eine Gerichts⸗ barkeit, die in Deutschland ausgeübt wird, und nicht etwa eine neue Konsulargerichtsbarkeit. Wenngleich auf diese Weise unseren Ange⸗ hörigen ein gewisser Mehraufmwand an Zeit und Kosten verursacht wird, so ist doch der Vorteil, den sie dabei erreichen, ein ganz über

wiegender; denn sie unterstehen in diesen für ihr persönliches Leben so überaus wichtigen Fragen nach wie vor richterlichen Behörden, die ihnen volles Verständnis entgegenbringen und nach deutschen Novmen Recht sprechen. Auf dem Gebiete des Strafrechts hat der Ausliefe⸗ rungsvertrag der Verschiedenheit der rechtlichen und sittlichen Begriffe insofern Rechnung getragen, als in die Liste der Auslieferungsdelikte verschiedene Vergehen aufgenommen sind, die nur in dem einen oder in dem anderen Lande als besonders straffällig erscheinen. Allerdings ist die Aufnahme in diese Liste so lange nur theoretisch, als der Grund⸗ satz der identischen Norm der Auslieferung entgegensteht, das heißt solange nicht die Straftat von beiden Rechtssystemen unter Strafe ge⸗ stellt ist. Es ist aber von der Türkei auf dem Gebiete gewisser Sitt⸗ lichkeitsdelikte, die hier besonders in Frage kommen, das Zugeständnis gemacht worden, daß sie hier auch über den Rahmen der identischen Norm hinaus die Auslieferung bewilligen will. Auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind den deutschen Konsuln auch nach dem Wegfall der Kapitulationen weitoehende Befuanisse verblieben, so daß sie ihre Fürsorge für unsere Angehörigen ausüben können, ohne mit der Landesgewalt in Konflikt zu kommen. Die Rechte, die hier unseren Konsuln in der Türkei und ebenso natürlich den türkischen Knsuln in Deutschland bewilligt worden sind, finden sich in drei Artikeln des Konsularvertrags, die, wie man wohl sagen darf, drei Sonderverträge von großer Bedeutung enthalten; das sind ein Notariatsabkommen, ein Vormundschaftsabkommen und ein Nachlaßabkommen. Zunächst ist im Artikel 15 des Konsularvertrags ein Notariats

abkommen enthalten. Danach hat der Konsul volle Notariatsbefug⸗ nis für Rechtsgeschäfte unserer Angehörigen unter sich sowie für Ge⸗

schäfte, die in Deutschland zur Ausführung kommen, darüber hinaus auch noch für eine Reihe anderer Fälle. Ein Vorbehalt ist für Grundeigentum in der Türkei gemacht worden; doch kommt auch dieser Vorbehalt in Megfall bei dem wichtigen Akt der Testamentserrichtung. Das zweite Abkommen ist im Artikel 18 des Konsularvertrags ent⸗ halten und betrifft das Vormundschafts⸗ und Pflegschaftsrecht. Hier ist dem deutschen Konsul im allgemeinen die Stellung des Vormund

schaftsrichters verblieben, so daß er sich gerade auf diesem wichtigen Ge

biet unserer Angehörigen in gleicher Weise wie bisher annehmen kann. Besondere Vorsorge mußte getroffen werden, die nahe

liegenden Kompetenzkonflikte mit Landesbehörden zu vermeiden, die sich namentlich auf dem Gebiete der Entmündigung sowie bei der Verwaltung unbeweaglichen Mündelvermögens ergeben können; wie dies im einzelnen geschehen ist, werden die Herren aus den Bestimmungen des Artikel 18 ersehen haben. Der wichtiaste der drei Unterverträge endlich ist das im Artikel 19 enthaltene Nachlaß

abkommen. Nach diesem Vertrage steht den Konsuln in Ansehung der Nachlässe von Reichsangehörigen das Recht zu, die Sicherung und Inventarisierung der Erbschaft herbeizuführen, ferner das Erbschafts⸗ vermögen zu verwalten, die Nachlaßgläubiger aufzurufen, die Erben zu vertreten und ihnen Erbscheine auszustellen, endlich den Nachlaß an die Erben auszuantworten. Die Landesbehörden haben ein ge⸗ wisses Mitwirkungsrecht, das sich verstärkt, soweit osmanische Staats⸗ angehörige als Miterben oder Gläubiger an dem Nachlaß beteiligt sind. Auch enthält der Vertrag eine wichtige Ausnahme von demt sonst zur Anwendung kommenden deutschen bürgerlichen Rechte in Ansehung solcher Erbschaften, die in der Türkei liegendes Grundeigene

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