1917 / 116 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 May 1917 18:00:01 GMT) scan diff

Zelt bestanden bat und sich jetzt wieder in den Beziehungen zwischen Parlament und Regrerung durchsetzt. 2‚n dem Offizterskorps selbst wollen wir nicht rühren. Die Beschlüsse des Verfassungs⸗ ausschusses siad bisher nur Material für die Z akunft. Wao wollen da keine umgaͤlzenden Dinge machen, auch keine verfassangs⸗ rechtliche Umschaltung der Verhältnisse zwischen Parlament und Regierung. Die Regierung soll durchaus nicht ein Ausschuß des Parlaments sein, und die Volksveriretung soll nicht dem Konig die Mmister eiwa aufzwiangen. Wir bewegen uns auf dem konstitutionellen Boden unserer Verfassung, an dem wir nichts ändern wollen. Wer wollen nur eine tatsächliche Aus⸗ gestaltung, unbescharet des Rahmens der Verteilung der Kräfte und der glücktchen Zusammenfassurg der Kräfte, die in unserem Volke ja vorhanden sind; wir wollen einen lebhasten Auttausch der Kräte und einte enge Füblurg zwischen Staatsleitung und Parlꝛiment. Wte wissen, was Pccußen und Deutschland seinem Beamtentum und seiner Bureaukratte schuldig ist; wenn Preußen sich grofgebungert hat, dann haben die Beamten einen großen Auteil daran. Atber wer es mit dem Organismus gut meint, muß ihn durch neue Kräfte verjürgen, die aus der Neuzeirn herausgeboren sind. Dadurch wird auch das Parlament in seinem Aasehen gehoben. All dos soll sich vollziehen aus freier Entschließung der Reichsleitung. Das preußische Verfassungsleben muß stark geaug sein, um sich aus sich seibst zu verjüngen. Das Vertrauen darauf ist uns durch die Osterborschaft besängt. Deshalb wollen mwir auch Preußen selbst die Gestaltung seines Wahlrechts überlassen. Der Abg. Kreth hat in semer scharmanten Weise auf das Wahlrecht der Gemeinden hingewiesen. Wir wollen auch vor den Gemeinden nicht Halt machen.

Der Uaterbau muß mit dem Oberbau in Einklang gebracht werden. Das gilt auch von den Landgemeinden; denn ein kommunales Leben ist nicht möglich, wenn unzureichende kleine Gemeinden mit großen Gutsbezirken zusammen sind. Hier liegt ein Grund⸗

problem der ganzen Entwicklung. Wir wollen das unvollendete Werk von Stein und Hardentberg fortsetzen. Wir wollen den Gedanken, daß der Staat weder an das Volk herangebracht wird, ausführen.

(Sehr gut! bei den Nationalliberalen.) Die Einheit im Staate (st

as letzte Zie], das erreicht werden muß, wenn ein innerlich gesunder Zustand entstehen soll (Beifall bei den Nationalleberalen). Wenn

r dem Kriege eine Walke des Mißmuts, der Verstimmung, des Unbehauens tretz des steigenden Reichtums, trotz der Fortschritte in Wissenschaft und Kanst, trotz des Lebensgenusses und der Kultur keine

reudigkert ausfkommen ließ, so lag das datan, daß sich die Kluft zwischen Regierung und Volk immer erweiterte. Deshalb muß die Brüuücke getunden werden, um diese Klaft zu überbrücken. Dieser blutige Krieg hat die Beücke geschlagen. Der Mann draußen im Felde hat die Empfindung, daß ese in sich selbst den Staat hinauskrägt, daß er ein Teil des Staates und der Staat ein Teil von ihm selver ist. Das ist der Geist der Zeit: das Reich, den Staat, will ich a frecht erhalten, nicht als Feind, sondern als Beschützer, als ein Teil von mir. Vor Jahrhunderten war der Fürst der S aal, j tzt muß das Staatebewaßrfein ia jeden Bärger hinein⸗ gebracht werden. DBas ist rie Aufgabe, der wir uns aus den Er⸗ fahrungen des Kricges heraus widmen müssen und mit Aussicht auf Erfolg widmen könner. Dasz jst der Geist des Schützengrabens, das ist das Ziel zum Heile unseres Vaterlandes. (Lebhafter Beifall bei den Nationalliberalen.)

(Schluß des Blattes.)

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Statistik und Volkswirtschaft. Zur Arbeiterbewegung. 8 Nach (iner von „W. T. B.“ übermittelten Meldung des Amster⸗ damer „Allgemcen Handeleblad“ aus London befindet sich der Ausstand in den Maschinenfabriken zur allgemeinen Enr⸗ täuschung noch immer auf dem toten Punkte. Der Ausstand bei den Londoner Omnibusgeseleschaften hat 10 000 männliche und weibliche Angestelte ergriffen. Der Streik drobt sich auch auf die Straßenbahnen und Untergrund⸗ hahnen au:zudehnen. Die Regierung hat eine Wunnung veu⸗ öffentlicht, daß die Stillegung von Verkehrsmittelr, die von Munitionsar bestern benutzt werden, die Streikenden mit dem Reichs⸗ verteidigungsgesetz in Konflikt bringen wurde.

Wohlfahrtspflege. 8 Eine Stiftung von 10 000 ermöglicht es dem Deutschen Schriftstellerverbande, Berltn N. 24, Lintenstraße 121, durch den Krieg in Rot geratene Schriftsteller zu unterslützen.

Kunst und Wissenschaft.

Im Kupferstichkabinett der Königlichen Museen ist eine neur Ausstellung eingerschtet: Erwerbungen des letzten Jahres an neuerer Graphik. 8

Nimmt die Masse der Sonne ab? Ueber diese interessante Frage, wird im letzten Heft der Halbmonatscheift süc Astroncmie und verwandte Gebiete „Pas Weltall“, die der Direkter der Treptow⸗ Sternwarte Professor Dr. Archenhold herausgibt, folgende Mit⸗ teilung gemacht: Nach Einsteins Relatwitätsprinzip verliert ein Körper, der Energie aussendet, ebensovirl an Masse wie die aus⸗ gestrahlte Energie beträgt. Hieraus folgt, daß die Sonne, die dauernd Energie abgibt, ständig an Masse verlieren muß. M. J. Boßler hat berechnef, daß die B in 30 Millionen Jahren eben⸗ sovtel Mosse verliert, wie unsere Erde überhaupt besitzt. Wenn man bedenkt, daß die so verloren gehende Sonnenmasse Gravitationsmasse ist, so folgt daraus, daß die Länge des Jahres um 6 Sekunden in einer Million Jahren zunehmen muß, und daß in derselben Zeit die mittlere Länge der Erde so stark beeiaflußt wird, daß die Aenderung ein Zehntel des Jahres betragen kann, d. h. eine Ver⸗ zögerung von 36 Tagen in den Jahreszeiten auftreten wird. Solche Veränderurgen sind zu gering, um beobachtet werden zu können. Bei Sternsvstemen mit böheren Temperaturen würde sich der Einfluß weit kesser emerkbar machen, denn die von einem Körper ausgestrahlte Energie äadert sich nach der vierten Potenz seiner absoluten Tempe⸗ ratur. Wenn, wie Nordmann glaubf, Sterne existieren, deren Temperatur die unserer Sonne um das Seche⸗ bis Siebenfache über⸗ trifft, so müßte ihre Strahlungsfähigkeit ein⸗ oder zweitausendmal so stark sein. Wenn also die Temperatur von Algol 13 800 Grad beträgt (Nordmann), so ergibt die Rechnung, daß sich die Verfinste⸗ rungen von Algol nach zweitausend Jahren um etwa 12 Minuten verzögern müssen. 1

Literatur.

Tie würdige Gestaltung der Grabstätten unserer im Wektkrieg gefahenen Krfeger ist nicht nur eine Aufgabe des pielätvollen Dankes und treuen Gecenkens, auch die Kunst ist an ihr in hohem Grade betetligt, damft die aͤußeren Erinnerunggzeichen an unsere Helden in edler und reifer Form der Daakbarkeit des Vaterlandes Ausdruck verleihn. Um solchen Ausdruck sind im Verein mit unseren Künst ern uad erfahrenen Kunstfreunden die amtlich berufenen Steuen ernstlich bembt. Auf Antegung des Deutschen Werkbundes ist es gelungen, eine Reihe berufener Persönlichkeilen und Behötden zu einer gemeinsamen Veröffentlichung zu veranlassen, die in Wort und Bild die große Aufgabe würdiger Ausgestaltung unserer Kriegergräaber in knapper Form aber eindrir glich klar stelt. Im Einvernehmen mit der Hetresverwaltung ist eine Schrisft Kriegergräber im Felde und Dabeim’ (im Verlage von F. Brückmann in München; geb. 4 ℳ) erschienen, in der in einer Reihe von Auffätzen sachgemäße Rat⸗ schläge für die Anlage und Auegestaltung der Gräber im Felde, für die würdige Anlage von Heldenfriedhöfen in der Heimat, für Grab⸗

zrichen, Pf an der Kriegerehrung, Vorbilder für Gedenktafeln und Gedächtnisstänen, grund⸗ legende Betrachtungen über die Denkmalsfrage, die Fürsorge der Hetres⸗ verwaltung und der stastlichen Beratungsstellen u. a. m. geboten werden. An den Betträgen sind beteiligt: die Architekten G. Bestelmeyer, Theodor Fischer, Welheim Keller, Edmund May, Bruno Paul und Franz Seek, der Bildhauer Ulfert Janssen, der Pastor Walter Hoffmann, der Gartendirektor Hecke, der Dr.⸗Ing. Lindner, Dr. W. Storck, Dr. G. Hartlaub und Dr. Peter Jessen, der die Schriftleitung über⸗ nommen bat. Die der Schrift beigegehenen 200 Abbildungen bringen Aufnahmen aus dem Felde, Vorschläge der in die östlichen Kampf⸗ gebiete entsandten Künstlergruppen, Friedhoftanlagen, Grabzeichen aus Holz, Eisen und Stein, Friedhofsmale, Gedenktaf⸗e In und Vorbilder aus alter Zeit. Alle Mitarbeiter baben sich freiwillig in den Dienst der Sache gestellt. Darch die Beihilse der Behörden und einer Spende von Freunden des Deutschen Werkbundes kann das Werk zu billigem Preise abgegeben werden. Die Schrift ist zugleich als Jahrbuch des Deutschen Werkbandes für 1916/17 erschienen und die Besitzer der früheren Jahrbücher können sie auch in dieser Form zu gleichem Preise durch den Buchhandel bezitehen. 8

Verkehrswesen. 8 8

ressetelegramme zu ermäßigter Gebühr sind vom 15. 9 im Herkehr mit Oesterreich und Ungarn unter Anwendung der internationalen Vorschriften zugelassen. Die Gebühr keträat nach Oesterreich 5 für das Wort, mindestens 50 für das Telegramm, nach Ungarn 6 für das Wort, mindestens 60 für das Telegramm. Die Telegramme sind vom Aoösender am An⸗ fange durch das gebührenfreie Wort „Presse“ zu kennzeichnen und werden nur in der Zeit von 6 Uhr Abends bis 9 Uhr Morgens be⸗ fördert. Von der Ausfertigung besonderer Ausweiskarten für die Auf⸗ lieferung der Telegramme wird bis auf weiteres abgesehen.

Theater und Mufik.

Königliches Opernhaus.

Im Khniglichen Opernhause sang gestern der Kammersänger Hermann ewte zum ersten Male, leider auch zum letzten Male vor seinem Sammerurlaub, den Lyonel in der kürzlich neu⸗ einstudierten Oper „Martha“ von ‚Flotow. Die Partie ist so recht dafür geeignet, die Schönheit seiner Stimme, die von Hause aus mehr lyrischen alg heldischen Charakter hat, in vollem Glanze leuckten zu lassen. Der Erfolg war denn auch sehr groß, und stürmischer Beifall bei offener Szene wurde Heirn Jadlowker, der auch dearstellerisch eine fesselnde Leistung bot, wiederholt gesvendet. Fräulein Alfermann war eine anmuttge Martha, schade nur, daß ihre Stimme neuerdings in der Kantilene durch Mängel der Tonbildung so wenig Klangreiz zu entwickeln fähig ist. Im übrigen nahm die Aufführung unter der Leitung des Generalmusikdirektors Blech und in der be⸗ kannten Besetzung der andern Hauptrollen einen guten Verlauf.

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Im Königlichen Opernhause wird morgen, Donnerstog, Abends 7 Ubr, „Margarete“ mit den Damen Artôt de Padilla, von Scheele⸗Müller, Marherr und den Herren Kirchner, Bronsgeest, Groenen und Habich in den Hauptrollen aufgeführt. Dirigent ist der Kapellmeister von Strauß. b

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Wilden⸗ bruchs vaterländisches Schauspiel Der neue Herr“ mit den Damen Coste, Schlüter, den Herren Pohl, Clewing, Mühlhofer, Leffler, Keppler, von Ledebur, Pativ, de Vogt, Zimmerer und Sachs in den Hauptrollen gegeben. Pie Vorstellung beginnt um 7 Uhr.

In der Komischen Oper stellte sich gestern Herr Gustav Jahrheck vom Hortheater in Dessau in der Partie des Rittmeisters von Bredenbrück in Gilberts Singspiel „Die Dose Seiner Majestät“ vor. Seine angenebme und vornehme Gesangeart verriet gleich seine Herkunft von der Opernbühne. Die dunkelgefärbte Tenorstimme hat einen vollen metallischen Klang, auch ist die Spielgewandtheit des Künstlers zu loben. Die Damen Leux, Felsegg, Waldoff, die Herren Werner⸗Tahle und L'itzek zeichneten sich in den anderen Hauptrollen gesanglich und darstellerisch aur. Das anmutige im fridericlanischen Berlin spielende Singspiel fand wleder lebhaften Beifall.

Mannigfaltiges

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16u6 89 8 88 Ausstellung von Kriegsgefangenenarbeiten. Der unter

dem Prcotektorate Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Frau Kronpeinzessin stehende Frauendienst der Deutschen Kriegs⸗ gefangenenhilfe“, Vorsitzende Frau Gräfin Pourtaloôs, hat in den Räumen des Justizministeriumeé, Wllhel nstraße 65, Tor 2, eine Nusstellung von Arbeiten deutscher Kriegsgefangener in Rußland und Enoland veranstaltet. Die Ausstellung ist noch morgen von 11—6 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis besrägt 1 ℳ. Mit der Ausstellung ist ein Verkauf der ausgestellten Gegenstände verbunden. Der gesamte Ertrag wird zu Gunsten der Kriegsgefangenen, besonders zur Beschaffung neuen Arbeitsmaterials, verwendet.

Musikinstrumente und Bücher werden für unsere tapferen U⸗Bootmannschaften erbeten; aach Grammophone mit Platten werden vielfach zur Unterhaltung nach angestrengtem Dienst gewünscht. Ihre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin Eitel Friedrich hat eine große Zahl dieser Wäͤnsche bereits persönlich erfüllt und richtet nun auch an alle freiwilligen Geber die berzliche Bitte, ihr Scherflein betzutragen, und wenn auch nicht neue, sondern alle alten Instrumente, die während des Krieges in versteckten Winkeln liegen, und außerdem die ausgelesenen Bücher der Sammelstelle in Berlin C. 2, Königliches Schloß, Archivsaal, oder dem Hof⸗ marschallamt Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Eitel Fiiedrich von Preußen, Wildpark, Villa Ingenheim, zu übersenden oder dort abzugeben.

Die Transportzentrale des Oberkommandos in den Marken ist am Mittwoch, den 16. Mai d. J., nach dem Hause Am Karlsbad 12/13 übergesiedelt. Alle Anträge auf Gestellung von militärischen Transportmitteln, Gespannen und Manrschaften sind fertan dorthin zu richten. Der bisher in den Räumen der Berliner Handelskammer, Dorotbeenstraße 8, geführte Geschäftsbetrieb der Transportzentrale wird vollständig eingestellt. In der Art der Tätig⸗ keit selbst ändert sich im übrigen nichts. Die Verlegung ersolgt aus Zweckmäßigkeitsgründen, die eine räumliche Vereinigung der Trans⸗ portzentrale mit der Kohlenabteilung der Krieggamttstelle in den Marken wünschenswert erscheinen ließ. Denn die hisher von der Transportzentrale zum Teil mitbearbeiteten Fragen der Kohlenversorgung sind nunmehr insolge der Errichtung einer besonderen Kohlenabteilung der Keiegsamtestelle aus⸗ schließlich dieser übertragen, sowelt es sich nicht um reine Transvortangelegenheiten bandelt, die nach wie vor Sache der Transportzentrale bleiben. Telephonisch ist die Traneport⸗ zentrale fortan unter folgenden Nummern u erreichen: Zentrum 161, 168, 12441 12445, 12483/84, 6738 6742, 10836 10837, 10874/75, 10898, 4069. Da die Anschlüsse nicht in fortlaufender Reihe numeriert sind und daber auf dem Amt nicht einheitlich kontrolliert werden, ist es zweckmäßig, fälls eine Nummer besetzt sein sohte, einen der übrigen Anschlüsse zu fordern.

Für die Deutsche Dichter⸗Gedächtnis⸗Stiftung stand das Jahr 1916 abermals durchaus unter dem Zeichen des Krieges. Setzte sie auch ihre Friedenstätigkeit fort, so lag doch das Hauptgewicht auf der Kriegsbuchtätigkeit. An Lazarette, Truppenteile in und hinter der Front und deutsche Kriegsgefangene im Ausland verteilte die Stiftung 188 272 Bände (im Vorjahre 200 171); zusammen in den Jahren

1914 1916: 454 742 Bücher. Alle Truppen ohne Unterschied wurden !

8 1 a*“];

kedacht; nicht vergessen wurden die ZW1“ die Luft⸗

schiffertruppen und die Armierungssoldaten. Die Tätigkeit der

Bibiiotheksabteilung mußte dahinter zurücktreten; doch wiesen die

Büchervertetlungen an Volksbüchereien in Dörfern und

kleinen Städten, Schulen und Fortbildungsschulen, Kranken⸗

häusern und Heeimstätten, Jugend vereine und Kinder⸗

Büchereien, Feuerschiffe und Leuchttürme größere Zahlen auf als im

Vorjahre: es wurden 29 135 Bücher im Ladenpreiswert von 30 140,35

(gegen 17 589 Bücher im Wert von 14 930,90 im Vorjahre) verteilt. Seit ihrer Begründung vergab die Stiftung in gleicher Art 730 376 Bücher im Ladenpretse von 801 915,5 ℳ. Die Verlags⸗ abteilung hatte 1916 alle Hände voll zu tun, um den Bedarf an

guten billigen Büchern zu decken. 41 schon frühber erschienene Bände mußten in Neuauflagen von 645 000 Stück heigestellt werden. wurden 3 weitere Bände der „Haubücherti“, 4 „Volke⸗ bücher“ und 2 Bände „Eichenkranz“ gedruckt. Die Gesamtzahl der von der Stiftung 1916 gedruckten Buücher betrug 825 000 Stück. Durch die Maschinen der damit betrauten Druckereien liefen zu diesem Zweck nicht wenicer gls 6 756 100 Druckbogen zu je 16 Seiten. Die Zahl der bisher insgesomt von der Stiftung gedruckten Bände beträgt 3 383 500 Stück. Tie Gewinn⸗ und Verlust⸗ rechnung aller Abteilungen der Stiftung zusammen berrug in Einnahme und Ausgabe ohre den Uebertrag des Vorjahres je 307 890,30 (1915 uur 233 955,20 ℳ). Neben der Verlagsabteilurg, die an Einnahme und Ausgahe (ohne Uebertrag) je 183 231,56 verzeichnete (gegen 118 228, 49 1915), entfält die bedeuteandste Steäigerung auf unsere Kriegsbachtätigkeit, die 66 887,04 erforderte. Dagegen verminderten sich die Jahresbeiträge von Mitaliedern in dieser schweren Z it von 25 870,53 auf 24 550,48 ℳ. Die Ortsgruppenabteilung umfaßt jetzt 200 DOrtsgruppen mit 4189 Mitgliedern (1915: 198 Ortsgruppen mit 4125 Mitgliedern). Mehre e Ortsgruppenvorsteher haben sich durch außerordentliche Tatkraft um die Büchersammlungen für Lazarette und Truppenteile hohes Verdienst erworben. Besonderen Dank schuldet die Stiftung denjenigen, die ihre Kriegsbuchtätigteit mit Sonderbeiträgen unterstütten. Inegesomt flossen ihr 1916 zu diesem Zwecke 60 010,05 (gegen 62 611,68 1915) zu. Wer Mitglied der Stiftung wird, fördert dadurch wichtige vaterländische und kalturelle Ziele. Bei einem Mitgliedsbeitrage von mindestens 2 können Stiftungeébücher im Ladenpreis von 1 als Mitgaglieds⸗ bücher gewählt werden. Drucksachen uber die Deursche Dichter⸗Ge⸗ dächtnis⸗Stiftung in Hamburg⸗Großborstel versendet ihre Kanzlei.

London, 15. Mak. (W. T. B.) „Datly Mail“ vom 11. Mat meldet, daß gen isse Londoner Distriktsgausschüsse die Weisung erhalten haben, geeignete Maßnahmen für Massenspeisungen vor⸗ zubereiten. Die Weisung besagt, der Fall könnte eintreten, daß Maßregeln auf karzfristige Benachrichtigung hin getroffen werden müßten, und empfiehlt die Aufsellung von Listen in Wirtschaften und Speisehäusern über die Zahl der von ihnen zu ver⸗ pflegenden Personen, ferner über die Zahl der in den Schulen zu speisenden Kinder und Einzelheiten uͤber Fabrikkantinen. Die englische Regierung hat, wie das „Algemeen Handelsblad“ aus London erfährt, endgültig beschlossen, das Schankgewerbe unter ihre Kontrolle zu nehmen. Lord Milner wird die Auf⸗ sicht über die Brauereten übernehmen. Eine aus acht Mit gitedern bestehende Kommission wird ihm zur Seite stehen. Ma⸗ wird versuchen, den Bierverbrauch einzuschränken.

Nr. 39 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, heraus⸗

gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, am 12. Mat 191

hat folgenden Inhalr: Amtliches: Runderlaß vom 13. April 1917,

betreffend die Ausführung des Gesetzes über einen Warenumsatz stempel. Dienstnachrichiten. Nichtamtliches: Neubau der König lichen bayerischen Landesanstalt und der orthopädischen Klinik füs krüppelhafte Kinder sowie des Kraußianums in München. (Schluß.

Beschädigung von Bauwerken durch Grund⸗ und Sickerwasser und

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von Tunnelmauerwerk durch die Rauchgase. August Böllinger Vermischtes: Wettbewerb für Baupläne zu Kleinwohnungen in

Leipug. Ratschläge für Kriegerdenkmäler und Soldatengräber. 1

Bücherschau. 8

Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.) 1.“

Theater. 8

Köͤnigliche Schauspiele. Donnerst.: Opernhaus. 130. Abonne⸗ mentsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgeboben. Margarete.

Oper in fünf Akten von Charles Gounod. Text nach Goethes Musikalische

„Faust', von Jules Barbier und Michel Carré. Leitung: Herr Kapellmeister von Strauß. Regie: Herr Oberregtsseur Droescher. Ballett: Herr Ballettmeister Graeb. Chöre: Herr Pro⸗ fessor Rüdel. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 132. Abonnementsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Der neue Perr.

Herrn Regisseur Dr. Bruck. Anfang 7 Uhr. Freitag: Opernhaus. 131. Abonnementsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Mignon. Oper in 3 Akten von Ambroise

Thomas. Text mit Benutzung des Goelheschen Romans „Wilhelm

Meiners Lehrjahre“ von Michel Cyré und Jules Barbter, deutsch

von Ferdinand Gumbert. Musikalische Lettung: Herr Kapellmeister Ballett: Herr

von Strauß. Regse: Herr Regisseur Bachmann. Ballettmeister Graeb. Chöre: Herr Professor Rüdel.

8 Uhr.

Anfang

Schauspielhaus. 133. Abonnementsvorstellung. Kyritz⸗Pyritz.

Alt⸗Berliner Posse mit Gesang und Tanz in 3 Aufzügen (5 Bildern) von 2 Wilken und O. Justinus. Musik von Gustav Michaelis. Musikalische Leitung: Herr Schmalstich. Inszenierung: Herr Regisseur Dr. Bruck. Anfang 7 ½ Uhr.

Familiennachrichten.

Geboren: Eine Tochter: Hrn. Hauptmann Ernst Himburg (Burg b. M.).

Gestorben: Hr. Generalleutnant v. d. A. Georg von Gersdorff (Dresden). Hr: Eegeralleutnant Heinrich von Vtetinghoff gen. Scheel (Straßburg). Fr. Marie Sopbhie von Schnacken⸗ berg, verw. Lambert Schnurmans, geb. von Charante Nan van Houten (Hannover). Verw. Agnes Freifr. von Müffling, geb. von Kotze (Erfurt). 16“

8”

Berantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. T vrol in Charlottenburg.

zerantwortlich für den bE1“ Der Vorsteher der Expedition, Rechnungsrat Mengerin g in Berlin.

Verlag der Expedition (Mengering) in Berlin. 44

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, 88 6

. IM —2

Berlin, Wilhelmstraße 32. Fünf Beilagen sowie die 1455. Ausgabe der Deutschen Verlustlisten

Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von Wildenbrych. In Szene gesetzt von 1

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en R.

zum Deutsche

Farlamentsbericht.“) 3 Deutscher Reichstag. 8 108. Sitzung vom 14. Mai 1917. Nachtrag.

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Die Reden des Staatssekretärs des Innern, Staats⸗

ministers Dr. Helfferich, die gestern wegen verspäteten Eingangs der Stenogramme nicht mitgeteilt werden konnten, haben folgenden Wortlaut: Die erste Rede:

Die verbündeten Regierungen teilen durchaus die Auffassung, die der Herr Abgeordnete Dr. Stresemann soeben zum Ausdruck gebracht hat, daß der schleunige Wiederaufbau unserer Handels⸗ schiffsflotte mit zu den wichtigsten Voraussetzungen gehört, deren Er⸗ füllung notwendig ist, um uns die Wiedergewinnung unserer ge⸗ samten wirtschaftlichen Position zu sichern. Ich kann auch bestätigen, daß, als der Reichstag zu der jetzigen Tagung zusammentrat, ein

Gesetz, das nach dieser Richtung hin Vorkehrungen treffen sollte, bereits vorbereitet war, sogar den Bundesrat passiert hatte. Aber

gerade Verhältnisse, wie sie auch der Herr Abgeordnete Dr. Strese⸗ amann angedeutet hat, haben uns von neuem in Erwägungen darüber eintreten lassen, ob das damals vorbereitete Gesetz der gegenwärtigen Sachlage und der weiteren Entwicklung noch entsprechen würde. Wir haben uns mit den Reedereien dahin geeinigt, daß das nicht der Fall üst, und daß ein neues Gesetz auf einer neuen Grundlage ausge⸗ arbeitet werden muß. Ueber diesen neuen Gesetzentwurf sind wir seit längerer Zeit mit den Reedereien in Verhandlungen. Ich be⸗ dauere, daß es nicht möglich war, noch während dieser Tagung den Gesetzenrwurf an den Reichstag zu bringen. Ich habe aber die

„Hoffnung, daß wir bis zum nächsten Zusammentritt des Reichstages

in der Lage sein werden, den Gesetzentwurf vorzulegen. (Bravo!)

Die zweite Rede lautet:

b Meine Herren! Auf die Frage der wirtschaftlichen Mobilmachung vor dem Kriege möchte ich heute nicht eingehen. Die Dinge liegen in Wirklichkeit doch wohl etwas verwickelter, als auf den ersten Blick erscheinen mag. Ich glaube auch nicht, daß heute schon die Zeit gekommen ist, über diese Frage in der Oeffentlich⸗ keit zu diskutieren. Es ist über dieses Kapitel noch manches zu sagen, zvas nach meiner Ansicht besser gesagt wird, wenn der Krieg abge⸗

schlossen ist, und nicht schon jetzt, während wir uns noch mitten im

Kriege befinden. (Sehr richtig!)

Meine Herren, ich komme dann zu einigen Punkten in den Ausführungen des Herrn Vorredners. Der Herr Vorredner hat, in⸗ dem er von dem „Kriegsausschuß für Ersatzfutter⸗ mittel“ sprach, die Tendenz zur Monopolisierung bemängelt, die bier zum Ausdruck komme. Ich glaube, der „Kriegsausschuß für Ersatzfuttermittel“ hat während dieses Krieges eine außerordentlich verdienstvolle Tätigkeit ennvickelt, von der ich hoffe, daß ihre Er⸗ rungenschaften uns über den Krieg hinaus auch im Frieden in großem Umfange zugute kommen werden, und daß sie auch nach dem Abschlusse dieses Krieges eine wesentliche Stärkung für unsere Wirtschaft be⸗ deuten werden. Vom „Kriegsausschuß für Ersatzfuttermittel“ ist eine Reihe von Erfindungen erprobt worden und aus der Retorte her⸗ aus möchte ich sagen in die Praxis hinübergeführt worden, Erfindungen, die wir, wie ich annehme, behalten und weiter aus⸗ nutzen werden. Mit diesen Versuchen waren aber große Kapitalauf⸗ wendungen und große Kapitalrisiken verbunden, das Reich mußte mit seinen eigenen Mitteln in erheblichem Umfange sich bei diesen Unter⸗ nehmungen beteiligen. Trotzdem hierin in mancher Beziehung der Kern zu einem Monopol für die Zukunft vorhanden wäre, stehe ich nicht an zu sagen, daß ich es für richtig halte, wenn die freie Tätig⸗ keit auch auf diesem Gebiete, sobald es die Verhältnisse irgend ge⸗ statten, Spielraum bekommt. Ich nehme an, daß die technischen Er⸗ rungenschaften, die der Kriegsausschuß herbeigeführt hat, in freier Ausnutzung am wirksamsten unserer Volkswirtschaft zugute kommen werden. (Sehr richtig! rechts.)

Was speziell die Einfuhr von Austern anlangt, so hat der Herr Vorredner bemängelt, daß in der Zeit, die im allgemeinen für die Austerneinfuhr die wichtigste und richtigste ist, die Einfuhr von der Z. E. G. nicht gestattet worden sei, und daß erst späterhin Austern importiert worden seien. Meine Herren, wir haben in Rücksicht auf die Schwierigkeiten der Beschaffung von Zahlungsmitteln für das Aus⸗ land die Politik verfolgt, für Dinge, die nicht zur absoluten Not⸗ wendigkeit der Kriegführung und des Lebens gehören, keine Valuta während des Krieges in Anspruch zu nehmen. Ich glaube, so all⸗ gemein, wie es der Herr Vorredner getan hat, wird man die Auster als Volksnahrungsmittel nicht auffassen können. (Zuruf von der fortschrittlichen Volkspartei.) Ich sage auch: leider, Herr Abgeord⸗ neter Waldstein. Auch dann, wenn wir auf den Zoll verzichtet hätten, hätten wir die Auster nicht soweit verbilligen können, daß sie während des Krieges Volksnahrungsmittel geworden wäre. Die Quantitäten sind ja auch viel zu beschränkt, als daß die Auster Volksnahrungs⸗ mittel werden könnte. Die Einfuhr ist deshalb zunächst nicht ge⸗ stattet worden. Dann hat man sich mit Holland über die Valuta⸗ frage geeinigt: der Gegenwert ist bis auf eine angemessene Frist nach dem Friedensschluß gestundet worden. Also eine Belastung der Valuta kommt nicht in Frage. Infolgedessen konnte die Einfuhr ohne Beein⸗ trächtigung unserer Valuta gestattet werden. Der Ueberschuß der

3. E. G. aus diesem Geschäft kommt das möchte ich betonen

der Verbilligung von anderen wirklichen Volksnahrungsmitteln zugute. Ich glaube, wir haben in diesem Falle die richtige Politik verfolgt.

Meine Herren, ich komme nun zu den Kriegsgesell⸗ schaften im allgemeinen. Der Herr Vorredner hat vermißt, daß

bhier eine wirksame Kontrolle durch Treuhandgesellschaften ausgeübt

werde. Ich kann dem Herrn Vorredner mitteilen, daß beim Reichs⸗

schatzamt eine eigene Abteilung für eine solche Kontrolle eingerichtet

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*) Ohne Gewähr, mit Ausnahme der Reden der Minister und

8

8 8 - 5

Erste Beilage

Berlin, Mittwoch, den 16. Mai

eichsanzeiger und Königlich Preußischen ganzeigek)

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1912.

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ist. Die Treuhandgesellschaften, über die wir verfügen, werden in großem Umfange herangezogen; abgesehen von den Treuhandgesell⸗ schaften werden kaufmännische unparteiische Sachverständige mit der Prüfung betraut. Ich glaube, auch hier sind die Dinge auf dem richtigen Wege.

Ich wende mich nun zu der Resolution auf Nr. 822, die von sämtlichen Parteien des hohen Hauses eingebracht ist und die sich auf das Wohnungswesen bezieht. Ich möchte hier zum Aus⸗ druck bringen, daß ich die Ansicht des Herren Vorredners über die Bedeutung der Wohnungsfrage und namentlich des Kleinwohnungs⸗ wesens für die Zeit nach dem Kriege durchaus teile. Ich weiß, daß hier Fragen von der allergrößten Bedeutung mit der Demobilisierung unserer Armee auftauchen werden, denen gegenüber wir rechtzeitig ge⸗ rüstet sein müssen. Auch mir erscheint es zweckmäßig, daß in dieser großen und wichtigen Materie alle in Betracht kommenden Instanzen, die Einzelstaaten, Gemeinden, Versicherungsanstalten, Baugenossen⸗ schaften usw. zusammenarbeiten und daß das Reich sich den Aufgaben, wie sie ihm durch die Resolution zugewiesen werden, nicht versagt. Das Reich ist jedenfalls in der Lage, für eine einheitliche Be⸗ arbeitung zu sorgen und damit die Sache wesentlich zu fördern. Ich kann mich also mit der Tendenz dieser Resolution durchaus einver⸗ standen erklären.

Zum Schlusse komme ich auf die Resolution auf Nr. 819 der Drucksachen, welche die Bin nenwasserstraßen betrifft, in Verbindung mit den Wünschen, die hier in der zweiten Lesung des Etats bereits geäußert worden sind. Ich bin in der Lage, mitzuteilen, daß heute dem hohen Hause ein dritter Ergänzungsetat zugegangen ist, der eine erste Rate von 1 200 000 für die Beteiligung des Reichs an Vorarbeiten für Binnenwasserstraßen vorsieht. Diese Rate enthält einmal die 700 000 ℳ, die in der in der zweiten Lesung angenommenen Resolution als erste Rate eines Beitrages des Reichs zu den Vorarbeiten des Donau⸗Main⸗Kanals beantragt worden sind. Außerdem werden vorgesehen 100 000 für die südwestdeutschen Wasserstraßen. Ich darf dabei bemerken, daß das große Projekt der Regulierung des Oberrheins und der Erschließung der Kraftquelle aus dem Oberrhein für sich besonders behandelt werden soll, daß wir dieses Projekt keineswegs aufgeben, auch wenn es im Nachtragsetat nicht eine Erwähnung findet, daß vielmehr dieses Projekt eine be⸗ sondere Behandlung erfahren soll. Ferner sind 400 000 vor⸗ gesehen da komme ich auf den Antrag Nr. 819 der Drucksachen für Vorarbeiten zum Ausbau von Wasserstraßen in Norddeutschland, namentlich im Stromgebiet der Weser, Elbe und Oder.

Ich nehme an, daß der Ergänzungsetat heute noch verteilt wird und die Grundlage zur Stellungnahme des Hauses für die Be⸗ teiligung des Reichs an den Vorarbeiten für Binnenwasserstraßen bilden wird, die nicht nur die Einzelstaaten, auf deren Gebiet sie kiegen und die für die Ausführung zuständig sind, interessieren, sondern darüber hinaus das Reich als solches. Ich nehme an, daß der Nach⸗ tragsetat den Wünschen entsprechen wird, wie sie bei der zweiten Lesung von den verschiedenen Seiten des Hauses und heute hier von dem Herrn Vorredner geäußert worden sind. (Bravo! rechts.)

In der dritten Rede führte der Staatssekretär aus:

Meine Herren! Wenn der Herr Abgeordnete Dittmann den Beweis erbringen wollte, daß der Belagerungszustand nicht aufge⸗ hoben werden kann, hätte er kaum gut eine andere Rede halten können als diejenige, die er eben hier gehalten hat. (Sehr richtig! rechts.) Ich muß annehmen, daß der Herr Abgeordnete Dittmann, wenn ihm die Redefreiheit draußen in dem Umfange zustehen würde, wie er sie jetzt, während wir den schwersten Kampf um unser. Dasein kämpfen, wünscht, in der Oeffentlichkeit nicht minder maßlos sprechen würde, als es hier von ihm geschehen ist, und ich glaube, daß solche Reden weder hier im Reichstage, noch draußen in der Oeffentlichkeit im Interesse des Reiches und im Interesse des Volkes liegen. (Zu⸗ rufe von den U. S. Glocke des Präsidenten.)

Der Herr Abgeordnete Dittmann hat von Schreckensregiment gesprochen, er hat noch andere Ausdrücke über unsere Züstände ge⸗ braucht, denen ich aufs entschiedenste widersprechen muß. (Zurufe von den U. S. Glocke des Präsidenten.)

Der Herr Abgeordnete Dittmann hat Vergleiche mit den frühe⸗ ren Zuständen in Rußland gezogen, die für das deutsche Volk in seiner Gesamtheit aufs höchste beleidigend (Zurufe von den U. S.), die eben so unmwahr wie beleidigend waren. Ich wiederhole, was ich schon bei früheren Gelegenheiten hier ausgeführt habe, daß wir Deutsche auf die Zustände stolz sein können, die vor dem Kriege bei uns ge⸗ herrscht haben und trotz des Belagerungszustandes auch im Kriege bei uns herrschen. (Zurufe von den U. S.) Sie, Herr Abgeordneter Dittmann, sind nicht schuld daran, daß unser Volk dieses Maß von Disziplin beweist, wie es sie in diesem Kriege im Heer, in der be⸗ waffneten Macht und auch im Heimatheer bewiesen hat. Sie sind nicht schuld darän, wenn die Ereignisse sich von Mitte April, auf die Sie angespielt haben, einen Verlauf genommen haben, der Ihnen nach Ihren Ausführungen durchaus unerwünscht erscheint (Zurufe bei den U. S.), nämlich den, daß die Arbeiter nach kurzer Zeit, nach wenigen Tagen wieder an die Arbeit zurückgekehrt sind. (Fort⸗ dauernde Zurufe bei den U. S.)

Ich stelle fest, daß in bezug auf den Belagerungszustand und die Zensur im Dezember aus der Initiative des Reichstags heraus Gesetze ergangen sind, ebenso wie in bezug auf die Schutzhaft, die jedem, der durch die Handhabung des Belagerungszustandes sich ge⸗ schädigt fühlt, die Möglichkeit geben, den geordneten Rechtsweg zu betreten. Ich möchte wissen, in wie vielen von den Fällen, die der Herr Abgeordnete Dittmann vorgebracht hat, überhaupt dieser Ver⸗ such gemacht worden ist. (Sehr richtig! rechts. Zurufe bei den U. S.) Ich glaube nicht, daß das in irgendwie zahlreichen Fällen geschehen ist. Es scheint dem Herrn Abgeordneten Dittmann viel mehr darauf anzukommen, diese Sachen hier zur Sprache zu bringen, als daß sie im geordneten Rechtswege zum Austrag gebracht werden. Das ist die Methode, nach der von dem Herrn Abgeordneten Ditt⸗ mann diese Din (Sehr richtigl rechts.) Schon

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deshalb, weil auf Grund der Gesetze vom Dezember vorigen Jahres der geordnete Rechtsweg erschlossen ist, muß ich es ablehnen, mich hier auf die Behandlung von Fällen einzulassen, bei denen nicht einmal der Versuch gemacht worden ist, diesen Rechtsweg zu beschreiten, (Sehr richtig! rechts. Zurufe bei den U. S.)

Die vierte Rede hat folgenden Wortlaut: 8

Meine Herren! Ich möchte im Gegensatze zu den Ausführungen, die wir von den beiden letzten Herren Rednern gehört haben, fest⸗ stellen, daß auf Grund der Gesetze über die Handhabung des Be⸗ lagerungszustandes, der Zensur und der Schutzhaft wesentliche Fort⸗ schritte erzielt worden sind. Das ist in der Kommission, wo die Besprechungen ruhig und sachlich geführt worden sind, von der weit⸗ aus größten Anzahl der Parteien durchaus anerkannt worden. Ich muß aber nochmals Einspruch dagegen erheben, daß, wenn da oder dort Verstöße vorkommen, dies ausgenutzt wird, um hier vor diesemn Hause, vor der deutschen Oeffentlichkeit und vor der ganzen Welt die Zustände bei uns als ein Schreckensregiment zu denunzieren. Es ist für mein Gefühl geradezu unerhört, daß in dieser Zeit, in der wir stehen, es möglich ist, daß aus deutschem Munde solche Worte über Deutschland gesprochen werden. (Bravo! rechts. Unruhe bei den U. S.)

Auf die Diskussion der Einzelheiten lasse ich mich nicht ein. Mit Leuten wie dem Herrn Abgeordneten Bernstein, der hier sagen kann, jeder Friede sei ihm lieber als die Fortsetzung dieses Krieges, ist für mich eine Erörterung unmöglich. (Bravo! rechts.) Ich sage: Lieber untergehen, als einen schmählichen Frieden schließen! (Lebhafter Beifall rechts.) Ich vermisse bei den Herren Dittmann und Bernstein jeden Funken von Verständnis für die Zeit, in der wir stehen, für den Kampf auf Leben und Tod, den unser Vaterland durchmacht, für die Leistungen unserer Truppen draußen, für die Ideale, für die wir kämpfen. Ich vermisse bei ihnen jeden Funken von Verständnis fuür das, was für mich und, wie ich überzeugt bin, für die große Mehr⸗ heit des deutschen Volks in dieser schweren Zeit den Grundinhalt unseres ganzen Lebens, Denkens und Fühlens bildet. (Lebhafter Bei⸗ fall rechts. Unruhe bei den U. S.) Deswegen ist es mir nicht möglich, mich mit Ihnen über diese Dinge auseinanderzusetzen.

Ich will nur eins erwähnen. Nach einer der letzten Erörterungen, die ich hier in diesem Hause mit einem der engsten Parteifreunde dieser Herren gehabt habe, habe ich einen Brief von der Front be⸗ kommen mit einer großen Anzahl Unterschriften, nicht von Offizieren, sondern von Mannschaften, und der Brief schloß mit dem Satze: Schicken Sie den Herrn nur für einen Tag zu uns in den Schützen⸗ graben! (Lebhafter Beifall rechts. Unruhe bei den U. S.)

109. Sitzung vom 15. Mai 1917, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Am Bundesratstische: der Reichskanzler Dr. von Bethmann B die Staatsminister, Staatssekre⸗ tär des Innern Dr. Helf 1 erich, Minister des Innern von Loebell, Kriegsminister von Stein und Staatssekretär des Reichsschatzamts Graf von Roedern, ferner der Staatssekretär des Reichspostamts Dr. Kraetke und de Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco.

Nach Erledigung der auf der Tagesordnung stehenden Anfragen und endgültigen Annahme der dritten Ergänzung zum Entwurf des Reichshaus haltsetats für 1917, worüber in der gestrigen Numme d. Bl. berichtet worden ist, kommen zur Verhandlung

1) die Interpellation der Abgeordneten Arn stadt (Kons.) und Genossen:

„Der Beschluß des sozialdemokratischen Parteiausschusses von 20. April d. J., der die Forderung aufstellt, einen gemeinsamen Frieden ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen abzuschließen hat mangels einer klaren Stellungnahme des Herrn Reichskanzlers dazu in weiten Kreisen des deutschen Volkes schwere Beunruhigung hervorgerufen, weil ein solcher Friedensschluß zwar internationalen Grundsätzen, nicht aber den Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes entsprechen würde.

Ist der Herr Reichskanzler bereit, über seine Stekllung zu diesem Beschlusse Auskunft zu geben?“

2) Die Interpellation der Albrecht (Soz.) und Genossen:

„Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß die provisorische Regierung Rußlands und die uns verbündete österreichisch⸗unga⸗ rische Regierung in gleicher Weise erklärt haben, zum Abschluß eines Friedens ohne Annexionen bereit zu sein?

. Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um eine Ueberein⸗ stimmung aller beteiligten Regierungen darüber herbeizuführen, deß der kommende Frieden auf Grund gegenseitigen Einverständ⸗ nisses ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen geschlossen werden kann?“ I Zür Begründung der ersten Interpellation erhält das or

Abg. Dr. Roesicke (bkons.): Während an der Westfront der Kampf weitertobt und der von unseren tapferen Truppen unter Blut⸗ strömen gewonnene Boden festgehalten wird, drängt die sozialdemo⸗ kratische Partei den Reichskanzler, sofort einen Frieden zu schließen ohne jede Entschädigung und ohne jede Annexion. (Der Reichskanzler betritt den Saal.) Die Anfrage der Sozialdemokraten, wie der Parteiausschuß geht über das Gewöhnliche hinaus und hat in weiten Kreisen des Volkes Beunruhigung heworgerufen. Diese Beunruhigung ist auch dadurch hervorgerufen, daß die Reichsleitung den Forderungen und Wünschen der sozialdemokratischen Partei in außerordentlich

weitgehender Weise entgegengekommen ist (lebhafte Zustimmung rrchts,, so daß wir sagen können, daß die sozialdemokratische Partei eine Bevorzugung vor allen anderen Parteien genießt (Widerspruch bei den Sozialdemokraten) und daß das kaiserliche Wort „Ich kenne keine nur Deutsche“ außer Kurs gesetzt ist. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) In der Erklärung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ erblicken wir einen weitgehenden Anklang an die Behaup⸗ tungen des Parteiausschusses in bezug auf das Verhältnis zu Ruß⸗ land. In dem Beschluß des Parteivorstandes heißt es, wir betrachten es als die wichtigste Pflicht der sozialdemokratischen Partei Deutsch

Abgeordneten

lands wie der Sozialisten aller anderen Länder, die Machtträume eines ehrgeizigen Chauvinismus zu bekämpfen, die Regierungen zum klaren Verzicht auf jegliche Eroberungspolitik zu drängen und so rasch wie möglich entscheidende Friedensverhandlungen auf dieser Grundlage jerzesnfäüheen Die österreichisch⸗ungarische Regierung hat Aeuße⸗

rungen durch die Presse gehen lassen, die diesen Anschauungen nicht