1917 / 116 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 May 1917 18:00:01 GMT) scan diff

Fen Darkegungen, die wir unabhängigen Sozialdemokraten im Kampf gegen den Abgeordneten Scheidemann und seine Freunde nahezu zwel Jahre lang gesagt haben, ohne ihn und seine Freunde davon über⸗ heugen zu können, daß sie den Reichskanzler falsch verstehen. Wir haben damals tauben Ohren edigt. Wir haben von vorn herein verlangt, daß die Regierung sich zu einem Frieden ohne Annexionen und Entschädigungen Heren erklären sollte. Dadurch entstand ja der Zwiespalt in unserer Partei. Der Abgeordnete Scheidemann hat dazu beigetragen, daß das Volk über die annexionistischen Kriegs⸗ ziele der Reichsregierung getäuscht worden ist, indem er im Lande herumzog und sagte, der Reichskanzler wolle ja gar keine solche Pläne. Jetzt ist ihm durch die russische Revolution die Erkenntnis gekommen, daß es die höchste Zeit sei, gegen die Politik der Reichs⸗ regierung Front zu machen. Wenn den starken Worten des Abge⸗ ordneten Scheidemann, die selbst vor der Ankündigung der Revolution nicht zuxückschrecken, Taten folgen sollen, dann muß der Abgeordnete Scheidemann das Tischtuch zwischen sich und der Regierung zer⸗ schneiden und den Kampf gegen die Regierung aufnehmen. Aber ich habe wenig Hoffnung darauf, denn der Abgeordnete Scheidemann und seine Freunde sind ja Nutznießer der Unterdrückungspolitik der Reichsregierung, indem die Regierung sie schont. Wenn wir an die Bekehrung der Herren glauben sollen, dann müßte das erste sein, daß sie den den Berliner Parteifreunden widerrechtlich geraubten Vorwärts“ zuxückgeben. Die Friedensziele hängen davon ab, wie nan sich die Welt nach dem Kriege denkt. Die Friedensziele der bürgerlichen Parteien und der Entente laufen darauf hinaus, daß iach dem Kriege gewisse Mächtegruppen gegen einander stehen und ie Welt aus einer Reihe großer Ausbeutungspferche besteht. Die ele unserer Alldeutschen und der Imperialisten in den Entente⸗ ander würden nur einen bewaffneten Frieden erzeugen. Alle Völker würden sich rüsten, um einen zweiten punischen zu führen. Es st charakteristisch, daß die Annexionisten in Deutschland geradezu das Gleichnis der punischen Kriege heraufbeschworen haben. Für Deutsch⸗ and mußte es geradezu verhängnisvoll werden, wenn es im Wett⸗ bewerb mit den englischen, französischen und russischen Weltreichen Hlaubs. sich auch ein Weltreich zusammenzuplündern zu können. Man übersah, daß die Zeit dafür jetzt vorbei ist. Die Zeiten der imperialistischen Reiche sind vorüber, und alles geht auf ein Zu⸗ sammenwachsen der ganzen Welt zu einer wirtschaftlichen Einheit inaus. Indem Deutschland eine Weltpolitik inaugurieren wollte, kam es in Gegensatz zu den Weltmächten und geriet in diesen töd⸗ lichen Krieg, der auf Jahrzehnte lang die Kräfte lähmt. Deutschland hat die Zeichen der Zeit schon seit Jahrzehnten nicht richtig zu deuten verstanden. Unser Ziel ist, beim Friedensschluß einen Rechtszustand zu erreichen, in dem jeder Deutsche in der ganzen Welt die gleiche Entwicklungsmöglichkeit wie jeder andere erhäͤlt. Es ist das Gebot der Zeit, daß eine Macht sich zum ersten Male auf den Standpunkt dieser Entwicklungsmöglichkeit stellt. Ihr wird dann die Vorherrschaft der Welt gehören. Hand in Hand mit der Anbahnung einer einheitlichen Weltwirtschaft geht die Anerkennung der nationalen Toleranz. Auch sie würde den Deut⸗ schen zugute kommen, da bisher die anderen Völker genau so verfahren sind den Deutschen gegenüber, wie wir den anderen. Wenn man die Bevölkerung der besetzten Gebiete zur Zwangsarbeit beranzieht und in Munitionsfabriken steckt, so ist es eine flagrante Verletzung des Völkerrechtes. Wir fordern auch, daß die verhafteten polnischen Sozialisten sofort freigelassen werden. Wenn wir hier Kritik üben, so tun wir es nur, weil wir infolge des Belagerungs⸗ zustandes und der Zensur es nur hier ausgiebi können. Wir werden durchdringen, auch wenn wir nur eine kleine Partei sind und jetzt fast alle Mitglieder des Hauses demonstrativ das Haus verlassen haben. Das Volk will uns hören. (Widerspruch.) Wir sind der festen Ueberzeugung, daß es auch in Deutschland schließlich so kommen muß, wie in Rußland. Dafür arbeiten die Machthaber. Staatssekretär Helfferich hat in einer seiner berühmten patriotzschen Zurückweisungs⸗ reden sich gewundert, wie man unsere Verhältnisse mit russischen ver⸗ gleichen kann. Ich glaube, jetzt werden die polnischen Sozialisten in Rußland nicht das auszustehen haben wie bei uns. Selbst wenn wir zugeben wollen, daß im zur zaristischen Epoche die Zu⸗ stande bei uns besser waren, so ist das doch nur ein sehr geringer gradueller Unterschied. Das bureaukratische System ist dasselbe, wie es in Rußland war. Wenn das bureaukratische Regierungssystem bei uns nicht von Grund aus geändert wird durch das System der Demo⸗ kratie, dann wird unser Staatswesen nicht der Kateastrephe entgehen, an der jeder Staat, der an Trockenfäule leidet, zugrunde beht. Auch Fei uns gibt es reaktionäre, waschechte Stürmer wie Fürst . glitzin und Staatsmänner wie Stürmer, die als Seiltänzer zwischen Scheidemann und Westarp hin und her tänzeln. (Heiterkeit.) Auch Protopopows haben wir bei uns. Ich bin fest überzeugt, wenn es hier so weiter geht, so wird auch hier bei uns mit der ganzen borussischen Proto⸗ popowerei aufgeräumt werden. Indem die freisinnige Partei die Annexionspolitik des Kanzlers unterstützt, wird sie zu einem Lakaien⸗ anhang des Reichskanzlers. Die Vertreter der deutschen Dynastien haben seit Jahren das deutsche Interesse durch ihre persönliche Politik geschädigt. In der letzten Zeit wurde ein seit Monaten umlaufendes Gerücht wieder in den Vordergrund gerückt, die Wittelsbacher und die Hohenzollern hätten sich geeinigt über eine Aufteilung von Elsaß⸗ Lothringen. Wird so etwas beabsichtigt oder nicht? Das wäre ein schweres Unrecht an der deutschen Bevölkerung 1b Landes. Wir müssen möglichst bald in Deutschland eine Republik einführen. Wir werden beantragen, daß der Verfassungsausschuß die Vorarbeiten trifft, um das Deutsche Reich zu einer deutschen Republik umzu⸗ gestalten. (Vizepräsident Dr. Dove: Ich denke, wir sind bei der auswärtigen Politik!)) Die E1““ sind es, die die Zukunft Deutschlands und der Welt gestalten.

Abg. Dr. David (Soz.): Der Vorredner scheint zu denken, die beste Rede für den 1e ist eine solche, durch die er den Gegensatz zwischen seiner Fraktion und der meinigen verschärft. Ich weise die Behauptung zurück, daß meine Fraktionsfreunde deswegen den Saal verlassen hätten, um den Vorredner nicht hören zu müssen. Es ist nicht richtig, daß der Reichskanzler ein annexionistisches Programm verkündet hätte. Dr. Roesicke oder einer seiner Freunde wird schwerlich seine Zufriedenheit mit den Worten des Reichskanzlers aus Fhsehen können. Es ist nicht dem Frieden förderlich, wenn der Abg. Ledebour und seine Freunde sich bemühen, die Erklärungen des Reichskanzlers gleich zu setzen mit den annexionistischen Anschauungen der Alldeutschen, und wenn Herr Roesicke und die Alldeutschen im C egenteil zu beweisen suchen, daß die Ausführungen des Reichskanzlers nichts anderes dar⸗

stellten, als die Auffassung Scheidemanns und meiner Fraktion. Der Reichskanzler ist der Auffassung, die in der konservativen Anfrage zum Ausdruck kommt, nicht gefolgt. Er ist die Antwort schuldig ge⸗ blieben. Er hat es aus taktischen Geünden abgelehnt, zurzeit überhaupt sein Programm darzulegen, und er hat nichts gesagt, was unvereinbar wäre mit unserer Auffassung eines guten Friedens. Der Reichskanzler hat es ebenfalls aus taktischen Gründen abgelehnt, sich unseren Forde⸗ rungen anzuschließen. Auch die Mittoelparteien erklären jetzt, es sei nicht die Zeit, sich so oder so definitiv festzulegen. Der Reichskanzler weist darauf hin, daß die feindlichen Staatsmänner noch gar nicht gesonnen sind, mit uns in Verhandlungen einzutreten, und meint, er könne nicht diesen Regierungen einen Freibrief ausstellen. Solche taktischen Er⸗ wägungen haben einen Sinn, wenn man nur die Wirkung auf die feindlichen Staaten im Auge hat. Diese taktischen Erwägungen sind nicht glücklich, denn man muß hierbei die breiten Volksmassen in den kriegführenden Staaten im Auge haben. Unsere Taktik muß darauf ausgehen, die Friedensströmungen von unten auf in den feindlichen Ländern zu fördern. Das beste Mittel, den Hetzern drüben den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist es, wenn man von autoritativer Stelle sagt: das ist nicht wahr, was man euch sagt, wir wollen einen Frieden, in dem die Interessen aller Völker geachtet und gewahrt merden. So vie ging aber doch aus der Rede hervor, doß die Reicksleitung den annerxionistischen Absichten der rechlsstehenden Parteien fern steht. Wichtig war es, daß der Reichskanzler sich klar darüber ausgesprochen hat, daß zwischen der deutschen und der österreichisch⸗ungarischen Regierung keine Meinungs⸗ perschiedenheit besteht. Das „Wiener Fremdenblatt“ hat kürzlich zu der gemeinsamen Resolution der deutschen und österreichischen Sozial⸗

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demokralen, die ja von den Konservativen so heftig angegriffen wird, ausdrücklich erklart, „daß unsere Mongrchie keine aggressiven Plane in Rußland hat und auch nicht beabsichtigt, ihr Gebiet auf dessen Kosten zu erweitern“. Hier hat die österreichisch⸗ungarische Regierung sich offen und ohne Umschweife ausgesprochen. Deshalb freuen wir uns, daß der Reichskanzler nach wie vor die völlige Uebereinstimmung in den Kriegszielfragen zwischen Wien und Berlin erklärt. Was der Reichskanzler über die Friedensmöglichkeit gesprochen hat ist bis jetzt das Wertvollste der ganzen Besprechung eer Der Reichskanzler meint, wenn seinerseits Abstand nähme von den gewaltsamen Eroberungen und ein dauerndes, friedliches, freundschaftliches Ver⸗ hältnis zu uns wünscht, so teilten wir diesen Wunsch, und wir würden keine Forderungen erheben, die dieses Ziel gefährden könnten, die mit der Freiheit und dem Willen des russischen? Bolkes sich nicht vertrügen. Weiter hat er gelagt, daß die Regierung nicht wünsche, daß ein Keim neuer Feindschaft zwischen uns und Rußland bleibe, daß man eine ehr⸗ liche und gegenseitige Verständigung suche, die jeden Gedanken an Vergewaltigung ausschließe und keinen Stachel hinterlasse. Hoffentlich kommen die Darlegungen des Reichskanzlers unverfälscht nach Ruß⸗ land. Bis jetzt hat uns Rußland keine Friedensofferte gemacht. Die provisorische Regierung hat erklärt, daß sie von Eroberungen Abstand nehme, aber in gleichem Atemzuge, daß sie sich gebunden fühle an die Londoner Abmachungen. Sie hat also einen Sonderfrieden mit Deutschland abgelehnt. Ein Friedensangebot von Rußland besteht heute also leider nicht. Man darf sich keinen Illusionen hingeben. Koffentlich gewinnt die Strömung, die von dem Soldaten⸗ und Arbeiterrat ausgeht, die Oberhand. Der Gedanke eines Sonder⸗ friedens ist heute in Rußland nur bei einer ganz kleinen Minderheit vertreten. Dieses Wahngebilde muß zerstört werden. Rußland ist an seine Verpflichtungen gebündece aber es kann auf die Ententemächte des Westens einwirken in dem Sinne, daß Deutschland keine Er⸗ oberungsabsichten hegt. Es ist geradezu ein Verbrechen, wenn in der deutschen Presse die Regierung scharf gemacht wird, nunmehr gegen Rußland mit einer Offensive vorzugehen, um so Rußland den Frieden aufzuzwingen, der den konservativen Wünschen entspricht. Die über⸗ wiegende Mehrheit des Hauses billigt gewiß die Burütkhaltun der Regierung Rußland gegenüber. Die Illusion, daß die russische Armee nicht widerstandsfähig sei, wenn es sich um die Feinde ihres Landes handelt, sollte doch aufgegeben werden. Der russische Arbeiterrat hat von Anfang an erklärt, daß die Russen ihr Land verteidigen und nicht preisgeben wollen. Armee würde jeden Versuch, in ihr Land einzubrechen, mit aller Energie zurückweisen. Die Russen verteidigen jetzt auch ihre neugewonnene Freiheit, auch gegenüber ihren Feinden, gegen Eroberer. Rußland ist nur bereit zu einem Frieden, der seine Rechte wahrt. Die Eroberungsziele, welche von der Rechten aufgestellt werden, sind völlig aussichtslos. Auffallend ist, daß der Unabhängige Ausschuß und die Alldeutschen eine Schutztruppe in den Herren Mumm und Konsistorialrat Dr. Seeberg erhalten haben. Was dieser im Zirkus Busch im annexionistischen Sinne gesagt hat, übertrifft alles, was bisher gesagt ist. Wie lassen sich solche2 ergewaltigungspläne mit dem christlichen Standpunkt vereinbaren? Ich verstehe nicht, wie ein cchhvristlicher Prediger sich an die Spitze einer Eroberungsmahalla stellen konnte. Unsere Kriegsziele sind von Dr. Roesicke als international hingestellt worden; seine Freunde wollten einen nationalen Frieden. (Sehr richtig! rechts.) Nein, das ist sehr unrichtig. Unsere Erklärung ist eine Gegenerklärung gegen die wüsten Eroberungsforderungen der Entente. Daher auch der Widerstand der feindlichen Regierungen. Unsere Formel: ein Friede ohne Entschädigung und Annexion, ist dann im Auslande als eine deutsche Finte bezeichnet worden, als eine Irre⸗ leitung. Man bezeichnet die Stockholmer Konferenz als ein Manöver der deutsch⸗sozialdemokratischen Kaiserpartei. Solche Stimmen sind nicht nur in Frankreich, sondern auch in Rußland laut geworden. Diese Stimmen zeigen, wie falsch es ist, daß unsere Formel den deutschen Interessen widerspricht. Es ist eine durchaus einseitige unwahrhaftige Agitation, wenn man in unserem Verhalten eine Preisgabe deutscher Interessen sieht. Wir haben auch 1915 bei der Aufstellung unseres Friedensprogramms die Wahrnehmung der natio⸗ nalen Interessen und der Rechte des deutschen Volkes an die Spitze gestellt. Das würde uns auch nicht retten, wenn wir unseren Gegnern einige Milliarden abnehmen und sie zwingen, uns mit einem Wirt⸗ schaftskriege zu überziehen, uns zu boykottieren. Wir denken nicht daran, unser Volk mit einem Frieden zu bedenken, der zu seiner Ver⸗ elendung führen muß. Unsere wirtschaftliche Entwick⸗ lungsfreiheit kann aber nicht auf dem Wege erreicht werden, den die Konservativen wollen, durch eine Fort⸗ setzung des Krieges, bis die Feinde so am Boden lägen, daß sie den Frieden fressen müßten, den Sie wollen. Damit würde man die ganze Welt zu unseren Feinden machen. Das deutsche Volk würde einen solchen aus Haß und Wut gegen uns geschaffenen Ring nicht brechen können. Unser Volk würde schließlich wirtschaftlich strangu⸗ liert und verelendet werden. Die freie Bewegung für uns im wirt⸗ schaftlichen Leben der Welt zu erreichen, ist nur ein Verständigungs⸗ frieden imstande; die Bahn muß wieder frei gemacht werden für den friedlichen Handel und Verkehr. Der Gedanke der Verständigung muß verwirklicht werden in internationalen Schiedsgerichten; dieses weitere Ziel wird das Werk krönen. In diesem Sinne halten wir gerade zur Pflege der deutschen Interessen die internationale Ver⸗ ständigung hoch. Wir weisen deshalb die Anklage zurück, als ob wir nur internationalen Gedankengängen huldigten und um die deut⸗ schen Interessen uns nicht kümmerten. Die uns dessen anklagen, sind dieselben, die auch im Lande alles tun, um uns die Erreichung eines Friedens zu erschweren. Sie peitschen mit ihrer Propaganda die Leidenschaften auf und arbeiten damit auf die Verlängerung des Krieges hin; sie sind es, die von dem „frischen, fröhlichen Krieg“ ge⸗ sprochen haben, dieselben Leute sind es, die die Stimmung des Volkes zum Zusammenhalten, zum Durchhalten stören, die stets nach höheren Preisen für die Landwirtschaft rufen, und die schreien, heute noch schreien, wenn einmal die Preise heruntergesetzt werden sollen, die mit dem Produktionsstreik der Landwirte drohen, wenn die Preise nicht noch weiter erhöht werden. Diese Leute haben damit zur Ver⸗ schärfung der englischen Blockadepolitik beigetragen. Sie verlangen vom Volke starke Nerven; zu starken Nerven gehört aber auch hin⸗ reichende Ernährung. Es sind dieselben Leute, die jeden Gedanken und die freiheitliche Gestaltung des Landes bekämpfen und verab⸗ scheuen. Noch jüngst hat es die Deutsche Fraktion gewagt, eine Landtagswahl zu empfehlen, die nach dem Geldbeutel abgestuft werden soll, obwohl sie sich gleichzeitig zu der Kaiserlichen Oster⸗ botschaft bekennt; das sind die schlimmsten Feinde der Einigkeit des Volkes. Es sind dieselben Leute, die immer wieder mit der alten unverschämten Unterscheidung zwischen nationalen und nichtnationalen Parteien kommen, um ihre eigenen reaktionären Gesinnungen, ihren Haß gegen jede Erweiterung der Volksrechte zu proklamieren. Sie stellen sich als die Hüter des Thrones hin; die echt russischen Leute erklärten auch, ihre Pflicht und Aufgabe sei es, die Rechte des Zaren zu schützen. Gelingt es diesen Elementen, die innere Einig⸗ keit des deutschen Volkes zu sprengen, dann geht Deutschland dem Abgrund entgegen, dann wird das deutsche Volk ins Verderben ge⸗ rissen. Die Feinde rechneten ja zu Anfang des Krieges 1914 mit dem Ausbruch der Revolution in Deutschland, und noch beute hat die Entente diese Hoffnung nicht ganz aufgegeben. Ihre (rechts) Politik kann diese Auffassung in der Entente nur bestärken. Sie haben vorhin großen Lärm gemacht, als der Abg. Scheidemann das Wort „Revolution“ aussprach. Er hat nicht damit gedroht, (Stür⸗ mische Unterbrechungen rechts). Im deutschen Volke wie überall hat der Krieg das Bewußtsein der Wehrhaftigkeit, der Männlichkeit im Gegensatz zum Sklaventum mächtig gefördert, ihre staatserhaltende Kraft ist der Masse auch bei uns zum Bewußtsein gekommen. Der Einzelne sieht, wie sein Interesse, sein Schicksal, seine Familie, seine ganze Existenz an das Ganze gekettet ist, er begreift, was Politik machen heißt; die Massen werden politisiert, und dann ist die demokratische Wahl da. Das deutsche Volk will kein Sklavenvolk sein; es setzt sein Alles ein, um sich nicht niederwerfen zu lassen, um seine Unabhängigkeit zu bewahren, um sich seinen wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg zu sichern; ein⸗solches Volk verlangt aben Gleichberechtigung. Die Wirkung von Knechtung und Bevormun⸗

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ung ist korrumpierend für die, die knechten, und für dle, die sit knechten lassen; das System der Bevormundung korrumpiert den Herrn wie den Knecht. In diesem Sinne wollen wir das deutsche Volk zu einem Volk 85 à Pertängfegn acgen Diesem Volke ehört die Zukunft. (Lelhafter Beifall b. d. Soz.

8 Abg. 1 Graefe (dkons.): Draußen im ganzen Lande sieht heute das deutsche Volk, gespannt auf die Antwort, die von den Lippen des verantwortlichen Staatsmannes auf die Interpellationen kommen soll, das ganze deutsche Volk, auch die Neutralen, und vor allem die Massen unserer Feldgrauen. Die Behandlung der Frage hier im Hause hat den Erwartungen des Volkes draußen und an der Front doch wohl nicht ganz entsprochen. Ich kann aber auch nicht Fehaupten, daß die Antwort des Kanzlers draußen die Klarheit bringen wird, auf die man von allen Seiten geradezu mit lechzendem Durs harrt. Ich glaube nicht, daß einer im Hause dieser Klarheit um einen Schritt nähergekommen ist. Bei dieser allgemeinen Spannung und dem Wunsche nach Klarheit handelt es sich nicht um klein Meinungsverschiedenheiten, sondern darum, zu erfahren, nach welcher Richtung unsere Regierung zwischen zwei T n wählen will, die sich wie Feuer und Wasser gegenüberstehen. Solchen Fragen gegenüber gibt es nicht den berühmten Mittelweg, sondern höchstens den Platz zwischen den zwei Stühlen. Einen gewissen Erfolg billige ich unserer heutigen Interpellation zu, daß wenigstens die Gesamtheit der bürgerlichen Parteien des Hauses ein Abrücken von dem Scheide⸗ mannfrieden hat erkennen lassen. Eztürni e Zurufe.) Diese Er⸗ klärung hat eine gewist Bedeutung, da sie do b diesem Hause, wo sonst die Mehrheitsverhältnisse nicht immer der Mehrheitsverhältnissen außerhalb des Hauses entsprechen (Stürmische Heiterkeit) Einigkeit über diese Frage besteht. Die Antwort des

Kanzlers hat nun wenigstens zum Teil dahin eine Klärung gebracht, daß auch er einen Scheidemannfrieden prinzipiell nicht als Ideal

ansieht. Die Wendungen, die er dabei brauchte, sind aber, wie wir es bei ihm gewohnt sind, vielfach zu deuten. Herr David wies darauf

hin, daß er die Sache so deutete, baßt er zu einem gewissen Grade

davon befriedigt war. enn man die Worte des Kanzlers nicht mehr nach ihrem 81 Eindruck, sondern nach ihrem Kern beurteilt, dann wird man finden, daß Herr David nicht unrecht hat. Der Kanzler erklärte, daß er einen Scheidemannfrieden nicht proklamieren will. Er lehnte es ab, überhaupt eine bestimmte Stellun ie. Der Kanzler hat wiederum keine Antwort in dieser Beziehung gegeben. Ich glaube, der Eindruck im Lande wird kein beruhigender und kein befriedigender sein. Wir müssen 8 unserem Stand⸗ punkt stehen bleiben. Wir wollten Klarheit. Wird diese nicht ge⸗ geben, so können wir nicht verlangen, daß draußen im Lande Be⸗ ruhigung eintritt, die das Volk haben will. Es genügt hier nicht sich hinter allgemeine Wendungen zu begeben, die als Zustimmung aufgefaßt werden können. Wenn das Volk jemand in den Reichstag schickt, so heißt es hic rhodus, hic salta. Vielleicht wird Herr Stresemann auf der nächsten Versammlung, wenn er gefragt wird, ob er nun wisse, woran der Kanzler glaubt, erklären, weiß doch niemand, woran er glaubt. Vielleicht wird auch die Aeußerung wieder⸗ holt, daß ein Jubel sich in ganz Deutschland erheben würde, wenn der Reichskanzler erklären würde, daß Herr Scheidemann Törichtes rede. Sehr richtig! rechts.) Wie man sieht, verlangt alles nach Klarheit. es fordert auch Geheimrat Ziegler, der sagte, der Reichstag ist dazu da, daß er endlich diese Klarheit fordert und energisch durchsetzt. Das ist das Recht des deutschen Volkes. (Sehr richtig!) Es ist auch nicht der Graf Reventlow gewesen, der da sagte, das deutsche Volk verlange Gewißheit, ob wir wirkli bereit sind, möglichst schnell zu einem Frieden zu kommen und alle Puscfsänder heraus⸗ zugeben. Das sagte Georg Bernhard in der giihen Zeitung“. Auch Pfarrer Traub forderte den Kampf um solche Klarheit. Alle an⸗ ständigen Menschen finden sich da zusammen. Wir haben auch keine Klarheit darüber bekommen, ob die . rundlage, die Feükee ehe enn hen, die der Kanzler bei dem Friedensangebot im Auge hatte, noch bestehen. Der Abg. David meinte, heute hat er die Bestimmtheit, diese Be⸗

dingungen existieren noch. Wir sehen hier, wie die Worte des

Kanzlers gedeutet werden, der doch sagte, die Friedensbereitschaft besteht 8 Auch in weitesten liberalen Kreisen ist man in froßer Sorge. So fragte die Nationalliberale Korrespondenz von West⸗ falen, ob dies noch heute die Ziele der Regierun seien. Ich kann mir nicht helfen (Stürmische Zurufe), der Kanzler wird durch seine Aeußerungen in diesem Augenblick im Lande nicht die Beruhigung, die Zuversicht und den Zustand schaffen, den wir für notwendig halten, um die Stimmung im Volke wieder zu begeistern. Mir schrieben viele Leute von der Front, es sei doch ganz unerhört, daß man vorne nicht wisse, wofür man kämpfe. Sieht man eine derartige Unklarheit, dann ist es für alle die Menschen zu verzweifeln, die da glauben, daß wir keinen faulen Frieden brauchen, zumal doch unsere Lage so günstig ist, wie noch nie. Ich bin gewiß, daß der U, Bootkrieg mit seinen jetzigen geradezu begeisternden Erfolgen uns der Situation näher bringt, wo wir Friedensverhandlungen ins Auge fassen können, die uns Positives bringen. In diesem Augenblic auf alles zu ver⸗ zichten, das kann nicht im deutschen Volke Beruhigung bringen. Eine gewisse Beruhigung wird nur das Wort des Kanzlers Herorka e. als er sagte, er befinde sich bezüglich der Kriegsziele in voller Ueberein⸗ stimmung mit der Obersten Heeresleitung, wenn auch hier die Worte des Kanzlers nicht eine andere Deutung zulassen. (Präsident Dr. Ka empf ermahnt den Redner, hier nicht von Zweideutigkeiten zu reden.) Ich wollte dem Reichskanzler keine Zweideutigkeiten vor⸗ werfen. Ich hoffe, daß die Uebereinstimmung mit dem Hauptquartier andaure, und daß dadurch eine Beruhigung im Volke entstehen kann. In anderen Fällen scheint die Uebereinstimmung nicht so groß ge⸗ wesen zu sein. Man 1 uns vor, wir hätten durch unser Vorgehen der Sache nicht gedient (Sehr richtig! links). Wir können den Kanzler nicht zwingen, wir haben aber die Pflicht, wenigstens im Volke daß Vertrauen zu erwecken, daß seine Vertreter wenigstens alles versuchen, hier Klarheit zu schaffen. Das Volk verlangt von der Regierung einen Kristallisationspunkt, um den es ich scharen kann. Ein solcher fehlt uns. Traurig ist auch, daß Ko ege Scheidemann hierbei mit Drohungen kommen kann, wie sie von dieser Tribüne aus noch nicht geschehen sind. Die Haltung des Herrn Scheidemann widerspricht der Auffassung des Teiles der Arbeiterschaft, die bisher mit uns immer zusammengestanden hat. Die Begeisterung der Arbeiter⸗ schaft ist auch heute noch vorhanden, und sie verlangt, daß der Krieg nicht verlaufen darf, ohne Erfolg für upsere Zukunft. Sehr zu be⸗ dauern ist es, daß hier die Führung der egierung ausgeschaltet wird. Ueberläßt man hier die Führung den Parteipolitikern, dann wird die Stimmung sich ändern. Das ist die große Gefahr. Man steht des⸗ halb wie vor einem Rätsel, warum der Kanzler nicht sagen konnte, die Regierung denkt nicht daran, einen Frieden ohne Annexionen und ohne Entschädigung überhaupt in Erwägung zu ziehen, solange die militärische Lage so etwas nicht notwendig macht. Keiner von uns hat von Eroberung gesprochen (Heiterkeit). Hätte man vorher mit uns Fühlung genommen, dann hätte man erfahren, daß man uns mir Unrecht einen solchen Vorwurf macht. Wenn man den Scheidemann⸗ frieden ablehnt, so bedeutet das doch noch keinen Eroberungskrieg. Wir verlangten nicht, daß der Reichskanzler erklärt, was wir erobern wollen, wir verlangten nur eine Erklärung daß das deutsche Volk weiß, was und ob es von dem Lande heraus⸗ geben will, was wir mit unserem Blute erdbert haben. Das ist keine Eroberungspolitik. Man soll auch die Wirkung dieses ewigen Schreiens auf die Stimmung unserer Soldaten in 24 etracht ziehen, wenn sie sehen, wie die Angelegenheit hier behandelt wird. Hher Scheidemann hat uns hier ein schauerliches Bild gemalt. Wir ennen dieses Bild. Es gibt keinen unter uns, der nicht jene Stunde mit Dank begrüßen würde, die diesem Morden ein Ende macht. Aber Herr Scheidemann trägt doch nicht den Schluß des Krieges in seiner Toga. Sind etwa die anderen infolge ihres etwaigen Friedens⸗ geschreies um ein Atom nachgiebiger geworden? Nein, der, Friede wird durch dieses ewi e Entgegenkommen, Verzichten und Nachgeben nur verhindert. (Lebßafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten.)

(Fortsetzung in der Zweiten Beilage)

eweist, daß auch in

funden.

n Nei

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes hat die Ueberzeugung,

daß durch diese Art der Behandlung der Friede verzögert wird. (Leb⸗ hafte Zustimmung rechts.) Wir wollen auch einen Frieden, aber auf der Basis einer gesunden Dauerhaftigkeit. Der Reichstag hat dem⸗ gegenüber eine große Verantwortung. Es geht nicht an, daß jedes⸗

mal, wenn wir eine Frage an die Regierung stellen, sie uns mit

irgend welchen unklaren Verklausulierungen abfindet. Ich verstehe

nicht, wie die Herren, die sonst die Rechte des Reichstages gar nicht

hoch genug schrauben können, das ruhig hinnehmen. Es entspricht

nicht der hohen Würde eines Abgeordneten, wenn er mit vorher

überlegten vorsichtig eingewickelten Antworten abgefunden wird. In⸗ sofern befriedigt mich die Antwort des Reichskanzlers in keiner Weise. Ich fürchte, daß der Moment kommen wird, daß mancher von Ihnen sich davom überzeugen wird, daß er die heutige Antwort des Reichs⸗ kanzlers nicht richtig verstanden hat. Das deutsche Volk in seiner überwiegenden Mehrheit will keinen Scheidemann⸗Frieden. Das hätte mit ganz anderer Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht werden müssen als durch den gemeinsamen Beschluß und die Antwort des Reichs⸗ kanzlers. Ich fürchte, wir stehen doch vor einem Scheidemann⸗ Frieden, und dafür lehnen wir eine Verantwortung ab. Der Reichs⸗ kanzler hat heute keine größere Klarheit gebracht, und darum sagen wir: Kaiser, höre Dein Volk! (Lebhafter Beifall rechts.)

Abg. Mumm l(deutsche Fraktion) verzichtet aufs Wort.

Damit schließt die Besprechung der Interpellationen, des

Etats des Reichskanzlers mit Ausnahme der Fragen der

inneren Politik und der Ausgaben für den Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Persönlich bemerkt

Abg. Scheidemann (Soz.): Ich hätte gewünscht, daß man nicht von einem Scheidemann⸗, sondern von einem sozialdemokratischen Frieden gesprochen hätte, von einem Frieden, der keinen Stachel zurückläßt und ein freundschaftliches Zusammenleben aller jetzt im Kriege befindlichen Nationen in Zukunft ermöglicht. Wenn Herr von Graefe sich hier als Bataillonsführer vorgestellt hat, so kann ich nur sagen, wenn er als Bataillonsführer so tüchtig ist wie als politischer Führer, dann wünschte ich, daß man ihn nie wieder losläßt. (Heiterkeit.) Daß man meine Aeußerungen über eine gewisse Eventua⸗ lität mit so großer Entrüstung aufgenommen hat, ist mir vollkommen unverständlich. Ich würde sie nur für verständlich halten, wenn Sie es für möglich hielten, daß eine Regierung jemals ans Ruder kommt, die so bodenlos dumm wäre, so zu handeln, wie ich es im Sinne habe. Eine solche Regierung würde nicht länger als drei Tage am Werke sein können.

Abg. Mumm (deutsche Fraktion): Der Abg. Dr. David hat mich gefragt, inwieweit ich meine Stellung als Vorsitzender der Zirkus⸗Busch⸗Versammlung mit dem Christentum vereinbaren könne. Diese ernste Frage verdient eine ernste Antwort. Ich kann sie aber an dieser Stelle nicht geben. Herr David ist nicht Herr über mein Gewissen.

Abg. Dr. Roesicke (dkons.): Die Abgg. Scheidemann und David haben mich mißverstanden. Ich habe gesagt, wenn wir einen Handelsvertrag haben wollen, der uns nur Vorteile, dem Gegner nur Nachteile bringen soll, dann können wir es nur erreichen, wenn der Gegner am Boden liegt. Eine Kriegsentschädigung können wir auch erreichen, wenn der Gegner nicht am Boden liegt.

Das Haus geht über zur Besprechung der Fragen der inneren Politik.

Es liegt ein Antrag der Abgeordneten Erzberger (Zentr.), Graf Westarp (bkons.), Dr. Müller⸗Mei ningen ffortschr. Volksp.) und Stresemann inl.) vor, bei der Besprechung die alte Angelegenheit von Elsaß Lothringen und der Schutzhaft auszuschalten.

Hierüber entspinnt sich eine sehr lange Geschäftsord⸗ nungsdebatte, deren Ende der Präsident nur dadurch herbeiführen kann, daß er schließlich erklärt, nur noch vier Rednern das Wort geben zu können.

Abg. Wendel (Soz.): Der Antrag widerspricht den Ab⸗ machungen des Reichstages. Denn gestern war beschlossen worden, daß die Punkte Schutzhaft und Elsaß⸗Lothringen noch auf die Tages⸗ ordnung des Plenums gesetzt werden sollten, und der Vorsitzende der Kommission, Dr. Spahn hat ausdrücklich erklärt, daß der Sonn⸗ abend⸗Beschluß, die beiden Punkte abzusetzen, durch die gestrige Ab⸗ machung außer Kraft getreten sei. Im Interesse von Deutschlands Ansehen ist es unbedingt erforderlich, daß der Deutsche Reichstag nicht durch sein Stillschweigen die Verantwortung für das militärische Willkür⸗ und Schreckensregiment in Elsaß⸗Lothringen übernimmt. Ich bitte, den Antrag abzulehnen.

Abg. Ledebour (Ill. S.): Wenn der Reichstag eine dreimal getroffene Abrede per majora umstößt, so ist das eine Handlung wider Treu und Glauben.

Präsident Dr. Kämpf ruft den Redner wegen dieser Aeuße⸗ rung zur Ordnung und ebenso nachträglich den Abg. Wendel, der davon gesprochen hat, daß Elsaß⸗Lothringen einer militärischen Willkür⸗ und Schreckensherrschaft unterworfen sei.

Abg. Erzberger (Zentr.) stellt fest, daß der Bericht über verschiedene Schutzhaftfälle noch gar nicht festgestellt sei und daß es der Gepflogenheit des Hauses widerspreche, darüber zu verhandeln, ehe solche Fälle erledigt seien.

Der Berichterstatter über diese Frage in der Kommission Abgeordneter Stresemann bestätigt die Auffassung des Abgeordneten Erzberger, während die Abgeordneten Haase und Dittmann widersprechen. Der Letztere führt das Einbringen des Antrags darauf zurück, daß die Herren von der Regierung an die Kommission herangetreten und es ihr nahegelegt hätten, keine öffentliche Debatte über diese Sachen stattfinden zu lassen. Die Herren wollten den Militärbefehls⸗

habern eine gewisse Schonzeit gewähren. Redner erhebt

ebenfalls den Vorwurf gegen die Antragsteller, daß sie wider Treu und Glauben handeln, und wird deshalb vom Prä⸗ sidenten zur Ordnung gerufen.

Abg. Gröber (Gentr.) weist darauf hin, daß, wenn man jetzt nur ein paar Fälle herausgreife, eine doppelte Beratung über die⸗ selbe Materie stattfinden müßte. Es sei schon Dutzende Male vor⸗ gekommen, daß irgend eine Position des Etats von der Beragtung abgetrennt und für spätere Zeit verschoben worden sei. Anders läge die Sache, wenn die zuständigen Behörden in der Behandlung dieser Fälle ihre Pflicht nicht täten. Tatsächlich hätte aber eine große Zahl von Fällen im Sinne des Reichstages ihre Erledigung ge⸗

Abg. Wendel (Soz.) meint, daß trotz der feierlichsten Ver⸗ sprechungen des Staatssekretärs Helfferich und des Kriegsministers nach wie vor in einem großen Teile von Elsaß⸗Lothringen die Mi⸗

litärbefehlshaber gegen das Schutzhaftgesetz verstoßen. Es sei zu befürchten, daß diese Germanisierungspolitik dem Deutschen Reiche

nich wieder gutzumachenden Schaden zufügen könne.

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ö“ Zweite Beilage

nzeiger und Königlich Preußim

Nach weiteren Bemerkungen wird der vorhin mitgeteilte Antrag gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und eines Teils der Freisinnigen angenommen.

In der Besprechung der Fragen der inneren Politik ver⸗ zichtet zunächst Abgeordneter Fehrenbach (Zentr.) aufs Wort. 1

Abg. D. Naumann (fortschr. Volksp.): Um dem Deutschen Reiche und seinem größten Bundesstaate Preußen den Charakter des Klassenstäaates zu nehmen und ihm unter den Eindrücken des großen, alle bewegenden Krieges den Charakter des deutschen Volks⸗ staates zu geben, hat die Österbotschaft des Kaisers ein gewisses Programm kür die künftige innere Verwaltung im Frieden ausge⸗ sprochen. So sehr uns die ungeheuren Kämpfe draußen an der Front Herz und Sinne beschäftigen, so werden wir nicht darum herumkommen, auch mit den aus der Kaiserlichen Osterbotschaft her⸗ vorgehenden Maßnahmen uns zu beschäftigen, umsomehr, als gleich⸗ zeitig der Verfassungsausschuß in kurzer, aber angestrengter und er⸗ folgreicher Tätigkeit die Probleme des deutschen Verfassungswesens behandelt. Die Verhandlungen des Verfassungsausschusses haben draußen vielfach enttäuscht, zum guten Teil nur deshalb, weil die Mehrzahl der Beurteiler gar keine Vorstellung davon hat, wie kompliziert der Mechanismus der deutschen Verwaltung, die Staats⸗ verfassung, ist und an wieviel Stellen überhaupt erst wieder eine Aenderung eingesetzt werden muß, damit auch größere Verschiebungen wirklich ins Werk gesetzt werden können. Es ist immerhin nichts Unbedeutendes, daß in der vorbereitenden Arbeit für das künftige deutsche Verfassungsleben große Parteien des Reichstages eine Ein⸗ heit gefunden haben. Wenn wir einer Zeit entgegengehen wollen, in der der Einfluß des Parlaments größer wird, und die Willensbildung aus dem Parlament bis zur Regierung hinüberreichen kann, dann muß das Parlament zeigen, daß es zu dieser Willensbildung die nötigen Fähigkeiten selbst besitzt. Es wäre falsch, wenn wir die Verhandlungen mit Deklamationen über die weitestgehenden Forde⸗ rungen beginnen wollten. Es kam darauf an, erst einmal das zu finden, was gemeinsames Gut ist, und von da aus Stück für Stück weiter zu arbeiten, dem Ideal entgegen, das uns jetzt durch den Krieg geboten wird, das Volk selbst mithineinzuziehen, mitarbeiten und mitwirken zu lassen an der Lenkung der Geschicke der Nation, den Anteil der Menge, die Mitwirkung der Vielen am Staate neu zu formulieren. Erst der Krieg hob den Staat in die Höhe zu einer Autorität und Allmacht, die keiner vom früheren Geschlecht dem Staate je zugestanden haben würde. Was heute im Kriege die Staatsverwaltung gestatten kann an Zwang und Ueberwältigung des Individuums durch die Gesamtheit war unerhört für die Generation, zu deren Füßen wir alle gesessen haben. Dieses Aufwachsen der Staatsautorität wird auch mit dem Kriegsschluß nicht wieder be⸗ seitigt werden können. Die staatssozialistischen Tendenzen werden als ein Erbe des Krieges zurückbleiben. Der Krieg ist ein Volks⸗ krieg gewesen, wie alle Kriege der zivilisierten Zeit es bisher nicht waren. Selbst die Freiheitskriege holten doch nur einen kleinen Teil der Menschen heraus zum kriegerischen Zweck. Die Kriege von 1866 und 1870/71 waren nur ein Vorspiel dessen, was jetzt vor unsere Augen getreten ist, ein Krieg, in dem das ganze Volk mit⸗ schafft. Die jetzt in der vordersten Linie in Frankreich im Schützen⸗ graben liegen, die halten den Staat aufrecht. Jetzt wissen wir, was staatserhaltend ist. Dort aber gibt es keine Klassifikationen, sondern nur ein einheitliches Volk. Es ist das erste Mal, daß die Heimat in solchem Maße den Krieg mit führt. Das Volk erhebt sich an dem einen Gedanken, der Staat ist unser Staat. In den Worten Nation und Nationalität liegt die Beteiligung aller. Nationalität ist der Glaube daran, daß der letzte Mann dazu gehört und daß der letzte Mann gebraucht wird. Diesen Gedanken in Politik umzusetzen, ist das Problem, das der Krieg uns aufgezwungen hat. Der Krieg politisiert die Menschen. Aus den Untertanen werden durch den Krieg die Bürger. Diejenigen Massen, die die Träger des Krieges gewesen sind, wollen auch die Träger des Friedens werden und wollen auch die Träger des Neuaufbaues werden. Es geht durch alle Nationen und Erdteile eine allgemeine Bewegung des Volkstums, das sich in diesem Kriege auf die ihm angeborenen Rechte besinnt, und neben die ererbten Rechte stellt sich jetzt das angeborene Recht des zum Volke gehörenden Kämpfers. In den Worten des Abg. Scheidemann lag der richtige Gedanke, daß die Völker jetzt ihres eigenen Rechtes bewußt geworden sind. Die erste große Volksbewegung des Deutschtums war der Freiheitskampf gegen Napoleon, sie richtete sich aber gegen einen ausländischen Herrscher, weil der Einiger Deutschlands Napoleon ge⸗ wesen war, und vorher gegen die vielen kleinen Souveränitäten eine große Revolution nicht gemacht werden konnte. Wir konnten auch das, was andere durch Revolutionen erreichten, in kleinen Zugeständnissen schrittweise erhalten. Wir hoffen auch jetzt, daß das Hineinnehmen der Masse zur Mitwirkung am deutschen Staatsleben mit Vernunft vor sich geht, aber nicht so langsam, daß die Zeit, in der die Ge⸗ fühle entstehen, erst wieder verraucht, sonst kommen die Ent⸗ täuschungsgefühle, und aus diesen könnte sich erst wieder ein Zustand entwickeln, der unserem Vaterlande nicht förderlich wäre.

Im heutigen Kriege macht es sehr viel aus, daß man draußen eine allgemeine politische Weltmeinung aufgemacht hat, daß das Deutsche Reich politisch völlig rückständig ist, noch halb ins Miktelalter gehört und in die moderne Welt nicht mehr paßt. Das deutsche Kaisertum wird ebenfalls unter diesen Gesichtspunkt begriffen, nicht aber als der Ausdruck der Einigung der deutschen Nation in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Das Zusammenwachsen von deutscher volkswirtschaftlicher und seelischer Entwicklung mit dem neuen deut⸗ schen Kaisertum wird draußen so wenig verstanden, daß man glaubt, das deutsche Volk und den deutschen Kaiser trennen zu können. Der Eindruck, als ob der Kampf in Deutschland um die innere Politik ein Kampf zwischen Volk und Kaiser wäre, ist ein falscher; in Wirk⸗ lichkeit soll der Bureaukratenstaat kleiner und der Volksstaat in Deutschland größer werden, ein Vorgang, dem die oberste Spitze gleichmütig zuschauen kann, nicht aber diejenigen, für die der Bureau⸗ kratenstaat zu einem guten Teil die Wurzel ihrer eigenen Existenz darstellt. (Sehr gut! links.) Das Streben, diesen Gedanken zu verwirklichen, ist der Anfang der Reformen, die bei uns gefordert werden. Das Wachsen des Gedankens des Volksstaates in den Bureaukratenstaat hinein wird bei uns mit dem Worte „parlamen⸗ tarisches Regiment“ bezeichnet. Wir sind kein Einheitsstaat, wie die Engländer oder die Franzosen, sondern ein Etagenaufbau; wir haben so und so viele Volksvertretungen und Ministerien und darüber Bun⸗ desrat und Reichstag, wir haben eine Unmasse von Verwaltungs⸗ instanzen. In einen solchen Aufbau kann man das englische Zwei⸗ parteiensystem, wenn man es vorrätig hat, einfach hineinsetzen. So einfach ist das nicht; wir müssen der Bevölkerung sagen, daß dieser Uebergang ein 2 Foheß ist. Die Grundlagen für die Entwick⸗ lung sind auch in der Osterbotschaft deutlich zu erkennen. Wenn auch dort das Reichstagswahlrecht für Preußen noch nicht ganz klar aus⸗ gesprochen ist, so wird es nach diesem Kriege der Gleichheit des Todes kein Volk der Ungleichheit des Wahlrechts mehr geben; da werden alle Doktoren, die mit dem Pluralwahlrecht operieren wollen, nichts machen können, Preußen wird unter Vorantritt der Krone sich neu auf dem Boden des allgemeinen, gleichen Wahlrechts aufbauen, und die anderen Staaten, bis hin zu Mecklenburg, werden folgen müssen. (Zuruf rechts.) Was den Bundesrat angeht, so war es schon bisher staatsrechtlich nicht ganz klar, ob der Gesandte eines Einzelstaates nur Vertreter seines Monarchen oder auch Vertreter

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der Volksvertretung seines Staates war. Für die erste Periode von 50 Jahren wurden die Vorbedingungen für die Existens des deutschen Staates etwas vorsichtig aristokratisiert; jetzt beginnt die zweite Periode. Den Gedankengang, daß es kein Hinüber und kein Herüber zwischen der einen Gruppe von Menschen, den Regierungsmenschen, und der anderen, den Volksvertretern, gibt, müssen wir zunächst aus der Welt schaffen, denn sonst haben wir auf der einen Seite Menschen nur mit Autorität und auf der anderen Menschen nur mit Kritik. Es muß eine Fusion beider Gruppen herbeigeführt werden. Durch den Krieg ist die ganze Welt für den Sb Mann nicht mehr die weite, fremde Welt. Der einfachste Mann ist im Osten und im Westen, in der ganzen zentralen Welt von Europa herumgefahren und hat sich da und dort herumgeschlagen; diesem Mann wird man nicht mehr sagen können, ihm fehlte das Verständnis für die Ur⸗ elemente der Politik. Sobald wir Parlamente haben, die in Wirk⸗ lichkeit etwas zu sagen haben, werden die Talente von selbst kommen; im deutschen Volke sind rechts und links Männer genug, die etwas Großes zu schaffen imstande sind. Wenn wir der kommenden schweren Zeit gedenken, die der einzelne noch nicht erkennen kann, dann muß man dem Volke als Ganzes etwas geben, was Vertrauen ist, aber nicht patriarchalische Zutraulichkeit. So werden wir die Fähigkeiten gewinnen, die wir heute dringend nötig haben und nicht besitzen, nämlich auf andere Völker einzuwirken, mit denen wir zu⸗ sammengehen müssen. Ich rede da von den Magyaren, Polen, West⸗ slawen, Bulgaren und Türken. Unsere Gelehrten kennen diese Völkerschaften ganz genau, aber unsere Politiker konnten sich in sie noch nicht hineinversenken, weil wir noch zu nahe an jener Epoche sind, an der wir unter Kampf und Zwang Nation geworden sind. Wir hatten noch zu sehr die Unfertigkeit unserer eigenen Nationalität in den Gliedern. Wenn wir jetzt zu einer gewissen Vollendung der deutschen Nationalität kommen, dann werden wir die Freiheit kennen, gerecht und groß auch unter denen zu stehen, die erst eine Zukunft haben wollen. Diejenigen, die ihres Deutschtums sicher und frei sind, die können innere Freiheit und Geduld genug haben, um auch den anderen neben uns ihre eigene Freiheit und Entwicklung zu gönnen und zu erleichtern. Möge der Krieg das Nationale in uns allen stärken um des Vaterlandes willen, mögen Familien ruhig aussterben, wenn nur das Vaterland weiterlebt. Bringt der Krieg auch Gegensätze zwischen uns und unsere Feinde, so entstehen aber auch Freundschaften. Bei den in den Schützengräben Stehenden ent⸗ steht das Gefühl, daß es denen drüben ganz ebenso geht, und man entdeckt hinter dem Kampf eine gewisse Humanität, die meist unter dem Kriege aufwächst. Die Völker lernen sich gegenseitig achten und degehmnnen Mitleid miteinander. Diese Unterströmung gehört dazu. Beifall. 3

Abg. Graf Westarp (bkons.): Wenn ich den Abg. Naumann recht verstand, so war das Thema, die Notwendigkeit zu beweisen, um unserem Volke in weit höherem Maße als bisher die Beteiligung am Staatsleben und der Verwaltung einzuräumen. Nicht mit Unrecht wies der Abg. Naumann darauf hin, wie falsch das Ausland unsere Verhältnisse in dieser Beziehung verurteilt und wie die falschen Bil⸗ der über die politischen Verhältnisse in Deutschland uns schaden. Man darf aber nicht vergessen, daß diese falschen Bilder verschuldet worden sind zu einem sehr großen Teil durch eine tendenziöse falsche und übertriebene Darstellung unserer Verhältnisse. Wenn jetzt noch im

Auslande dieser Glaube eine so verhängnisvolle Rolle spielt, so ist ein

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Teil der Verantwortung darauf zurückzuführen, daß man es jetzt

während dieses ungeheuren Völkerringens so hinstellt, als gäbe 8 keine notwendigere Aufgabe, als plötzlich unsere ganzen Verhältnisse

auf eine neue Grundlage zu stellen. (Sehr richtig! rechts) Das muß den Eindruck erwecken, als sei unser Volk in sehr viel geringerem Maße an dem politischen Leben beteiligt, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Die Darstellung des Herrn Naumann schien mir der realen Grundlagen zu entbehren. Er wurde nicht gerecht in hohem Maße der großen Betätigung, die dem Volke bei uns vor dem Kriege ein⸗ geräumt war, und zwar infolge des Reichstagswahlrechts, der Mit wirkung bei der Selbstverwaltung usw. Dieses hohe Maß der poli tischen Mitarbeit des Volkes wurde von Herrn Naumann nicht in das richtige Licht gerückt, und sie wird auch im Auslande übersehen. Dies scheint min⸗auf einer zu geringen Einsicht zu beruhen, indem man immer wieder während dieser Zeit der Kämpfe unser Dasein an diesen Dingen rührt. Herr Naumann befaßte sich anfangs mit der Politik des Kanzlers und unserer Stellung zu ihr. Es ist sehr leicht, hier scharfe Angriffe gegen die konservative Partei zu richten. Herr Naumann weiß genau, daß die konservative Partei und die hinter ihr stehenden Kreise niemals ihre vaterländische Pflicht versäumen werden, auch wenn man ihre Wünsche nicht erfüllt. Der Kanzler wollte anfangen, während des Krieges Fragen der inneren Politik bis nach dem Kriege zu vertagen. Wenn er später weiteren Forderungen der Demokratie entgegenkam, so ging er anscheinend dabei von dem Ge⸗ danken aus, die Demokratie bei Laune zu erhalten. Diese Politik des Entgegenkommens hat ihren Erfolg nicht erzielt (Sehr richtig! rechts). Jedes Entgegenkommen wird mit neuen weitergehenden Forderungen beantwortet. In der Osterbotschaft war der Wunsch ausgesprochen, den Meinungsstreit über das Wahlrecht bis nach dem Frieden zu ver⸗ tagen. Die Demokratie erhob Einwendungen, sofort wurde die Oster⸗ botschaft ergänzt. Ich erinnere auch an die Interpellation der fort⸗ schrittlichen Volkspartei im Abgeordnetenhause, die an einem Tage eingebracht wurde, an dem die anderen Parteien andere Dinge zurück⸗ gestellt hatten, um unnützen inneren Streit zu vermeiden. Wie wir zu dem Verfassungsausschuß stehen, ist bekannt. Wir werden unsere Stellung später im Plenum vertreten. Nur eins möchte ich erwähnen. Ausgerechnet am 5. Mai, wo die größte Schlacht der Weltgeschichte geschlagen wurde, hielt man es für nötig, die rechtliche Unterlage der Zusammensetzung unseres Offizierkorps, das sich hier so bewährt hat, auf eine neue Grundlage zu setzen. Es scheint so, als ob die Par⸗ teien, die ein solches Bedürfnis zur Eile haben, nicht ganz sicher sind, ob die Millionen Männer, die jetzt draußen im Felde stehen, ein ebensolches Bedürfnis nach Reformen haben. Herr Naumann be⸗ klagte und beschuldigte uns, daß man im Auslande den Kampf um das parlamentarische Parlament als einen Kampf zwischen Kaiser und Volk betrachtet. Ein solcher ist es nicht, aber es handelt sich dabei doch um die Einschränkung der Rechte des Kaifers, des Königs von Preußen und der übrigen Bundesfürsten. Der Abgeordnete Naumann hat uns sehr interessante Darlegungen über die Möglichkeit gemacht, den Parlamenten fähige Köpfe zuzu⸗ führen. Ich möchte fragen, ist die Auswahl derjenigen Männer, die in das Parlament gewählt werden, wirklich die idealste, die man sich denken kann? Man muß bei der Beantwortung dieser Frage außer⸗ ordentlich vorsichtig sein, wenn man daran denkt wie überall da, wo das Parlament die leitenden Staatsmänner stellt, die Wahlen beeinflußt werden durch die Mächte des Kapitals und durch die Presse. Wenn ich mir vorstelle, wie diese Auslese in Amerika und Frankreich herbeigeführt wird, dann meine ich doch, daß die Auslese der leitenden Männer und Minister auf Grund einer langjährigen verantwortlichen Tätigkeit doch eine mindestens gleichwerkige ist. Die Kämpfe um die neue Richtung laufen darauf hinaus, daß das Par⸗ lament als entscheidender Faktor die leitenden Männer zu stellen hat, welche die Verwaltungsgeschäfte zu führen und die Politik zu bestimmen haben. Um diese grundsätzliche Auffassung wird gekämpft. Es liegt nun die Frage nahe, wie steht der Reichskanzler zu allen diesen Fragen? Haben wir auf dem Gebiete der inneren Politik volle Klarheit, wie wir sie auf dem Gebiete der äußeren Politik gefordert