Großes Hauptquartier, 10. Otiober. (W. T. B.) Westlicher Kriegsschauplatz.
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht.
Auf dem Schlachtfeld in Flandern traten gestern neben 11 britischen Divisionen wieder französische Truppen in den Kampf.
Die gewaltige Kraftanspannung der beiden verbündeten Westmächte erschöpfte sich in tagsüber währendem Ringen an der Standhaftigkeit unserer Flandernkämpfer!
Die Morgens nach stärkstem Trommelfeuer vorbrechenden Angriffe bildeten die Einleitung zur Schlacht, die sich dei ununterbrochen heftigster Artilleriewirkung bis tief in die Nacht in fast 20 km Breite auf den Trichterfelder: zwischen Bixschote und Gheluvelt abspielte. Di Gegner warfen immer neue Kräfte in den Kampf, die mehr⸗ mals, an einzelnen Stellen bis zu sechsmal gegen unsere Linien anstürmten.
8 Südlich des Houthoulster Waldes gewann der Feind bei Draaibank, Mangelare, Veldhoek und am Bahnhof von Poelkapelle etwa 1500 m an Boden, bis ihn der Gegen⸗ stoß unserer Reserven traf und seinen Anfangserfolg beschränkte.
Von Poelkapelle bis südlich von Gheluvelt haben unsere tapferen Truppen ihre Kampflinien fest in der Hand; die wiederholten feindlichen Angriffe gegen diese 13 km breite Front sind sämtlich unter den schwersten Verlusten zusammengebrochen.
Bei den anderen Armeen war die Gefechtstätigkeit gering; nur an der Aisne verstärkte sich der Feuerkampf. Südlich der Straße Laon —Soissons vorstoßende franzöfische Kom⸗ pagnien wurden abgewiesen.
. Oestlicher Kriegsschauplatz eine wesentlichen Ereignisse. “ Mazedonische Front. Südwestlich des Dojran⸗Sees warfen die
mehrere englische Abteilungen, die nach längerer ereitung angriffen, zurück.
Der Erste Generalquartiermeister. Ludendorff.
Bulgaren Artillerie⸗
Oesterreichisch⸗ungarischer Bericht. Wien, 9. Oktober. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Oestlicher Kriegsschauplatz. 1 Unverändert.
Italienischer Kriegsschauplatz.
„Bei Kal auf der Hochfläche von Bainsizza— Heiligengeist wurde gestern früh ein italienischer An⸗ griff unter starken bb’“ abgeschlagen. .““ und 7 Maschinengewehre blieben in unserer Bei Kostanievitz brachte uns ein erfolgreiches Unter nehmen 180 Gefangene ein. “”“
8 Albanien.
Oestlich von Valona wurde ein italienischer Uebergan
versuch über die Vojusa vereitelt. 8 Petge⸗ “ Der Chef des Generalstabes.
Bulgarischer Bericht.
Sofia, 9. Oktober. (W. T. B.) vom 9. Oktober.
Mazedonische Front. Artilleriefeuer von gesteigerter Heftigkeit westlich Bitolia, im Cernabogen und dem Dobropolje. Südlich der Stadt Doiran war die Feuer⸗ tätigkeit des Feindes ziemlich lebhaft.
Rumänische Front: Bei Tulcea und Isaccea mäßiges Störungsfeuer, etwas lebhafter östlich Galatz.
Generalstabsbericht
Türkischer Bericht.
Konstantinopel, 9. Oktober. bericht. Kaukasusfront. Im rechlen Flügclabschnilt fanden Patrouillenkämpfe zu unseren Gunsten statt. In Persien üͤberschritt eine aus Nestorianern und Armeniern bestehende Bande unter Führung russischer Offiziere unsere Grenze nörd⸗ lich von Rewanduz; sie überfiel und plünderte in der Nähe der Grenze friedliche Einwohner und Ortschaften. Unsere Truppen verjagten die Räuber. b An den übrigen Fronten keine besonderen Ereignisse.
A
(W. T. B.) Heeres⸗
Der Krieg zur See.
Berlin, 9. Oktober. (W. T. B.) Im Aermelkanal wurden durch eines unserer Unterseeboote neuerdings vier tiefbeladene Dampfer versenkt, die alle bewassnet waren.
Der Chef des Admiralstabes der Marine.
Parläaͤmentarische Nachrichten.
Die heutige (125.) Sitzung des Reichstags, welcher die Staatsminister, Stellvertreter des Reichslanzlers, Staats⸗ sekretär des Innern Dr. Helfferich und der Kriegsminister General von Stein, ferner der Staatssekretär des Reichs⸗ kolonialamts Dr. Solf beiwohnten, eröfsnete der Präsident
r. Kaempf mit folgender Mitteilung:
Der bayerische Generalleutnant Ritter von Wenninger ist em 8. Sepiember als Führer eines Reservekorps auf dem Felde der Ehre an der Ostfront gefallen. Wir werden dem hervorragenden Soldaten und Führer ein ehrendes Andernken bewohren. Sie haben sich eu Ehren des Dahingeschiedenen von den Pläͤtzen erhober, ich stelle das fest. —
Die von dem Ersten Staatsanwalt beim Landgericht in Tilsit beantragte Genehmigung zur Strafverfolgung des Ab⸗ geordneten Kopp (f. P.) wegen Vergehens gegen die Verord⸗ ung über Speisefette, deschloß der Reichstag gemäß dem Vorschlage der Geschäaftsordsungskommission zu versagen.
Darauf setzte das Lers die Erözterung über die Aus⸗ wärtige Politik im 2
pschluß an den Bericht des Haupt⸗ ausschufses fort. 8 4
Abg. Haußmann (f. V.): Mit Senugtuung ist zu begrüßen, deß die deutschen Mittelmächte im Ottober fester gefchlassen stehen denn je. Die Leistungen unserer Bunresgenossen werden von der ge⸗ meinsamen Krizgführung auf das böchste anekannt, ebenso daß ein⸗ ciabelt sche politische Frent mit unseren Bandesgenossen betteht. Daß Graf Czernin die Polttit aus irealen Ideen zu gestalten sich bemütt, ist ein Beginntn, dos für uns von dem höchsten Werle ist (Zustimmung). Im übrigen sind wir in den letzten Monaten in eine Periode polttischer Puhlikationen eingetreten. Tiejentgen ven feirdlicher Seite, wie die des fröheten amerrkanischen Botschasters Gerard sollten Waffen gegen Deutschland li⸗fen, als häiten wir diesen Krieg veru sacht. Farärht einen Blick in die Vergangenheit. Die Wege des Fürsten Bülow waren nicht die Wege clnes Mandes, der über die Schwierigkest der Jahte hinweg ein bestimmtes Ziel asstrebt, sonderin er hat zeitweise eine Polltik getikeben wie ein Spaziergänger, der seinen Weg auch ad und zu anders ein⸗ schlagen kann. So entstand jene Politik verwirrender Freundlich⸗ keiten und Provokationen unter dem kaprigüösen Breißaad des Heren von Holstein, dem schen der frühere Staatssekretär des Aus⸗ wärtigen Graf Herbert Bismarck nachgesagt hat, daß er zeltweitig mit Wahn vorstellungen zu kämpfen gehabt habe. Um gerecht zu sein, muß man sagen, daß auf den Fürsten Bülow mitunter Hemmungen und Antriebe eingewirkt baben, die Beunruhsgung geschafft haben, und bestimwend waren für den Grundriß der Welt. Dadurch wurde es den Gruppen in den seindlichen Länderv, die ia Erglard Fraatk⸗ reich und Rußland den Krteg wollten, möglich, unter den Volkern eine deutsche Gefohr an die Wand zu maltn. Es hätte un mals in den Kanzleien und Zeitungsredatttonen ein Defensidbändnis gegen die angebliche deutsche Bedrobung geschmiedet werden koöanen, wenn jene Pinge vicht mitgespielt hättee. Dier [pielen auch die Algecirasverhanzlungea und die Militaärmisston in Konnantinopel eine Rolle. Diese Poüutik hat die A’mospböre geschaffen, bie zu der großen Explesion von 1914 beigetragen bat. Um aber Gerechtigkeit zu üben, Zbchte ich mit Nachdreck hiazufügen: auch Fürst Bülow bat ten Ferieg vicht gewout. Er war ein großer DPiplomat, gber keiag großer Staotsmann, umgekehrt wie sein Nochfolger. zels Eaglaud seine glänzende Isolierung aufgeb und sich der Bündnispol tik zuwandte, da gab es für Englard zwei Wege. Es konnte entweder die Entente cordizle zur geößten Keiüegsdrohung Europas oder zu einem eurrpäcchen Konzecn auswachsen laseen. Im Juni 1914 -schrieb ein englischer Schriftsteler, den man den Vater der Enkente nennen kann, ein Wort für die Ergländer ins Stammbuch, worin er zugab, daß die Entente die größte Bedrohung küt den europzischen Frieden ser. Wollte England den Krieg, dann mußte es eigen Ausgleich zwischen Frarkreich und Deutschland ver⸗ binderr. Es gab in Frankreich viele besonnene Pelttiker, die nicht wollten, daß Frankreich sich für die Revaucheidee ver⸗ bluten sollte. England arbeitete nun im Interesse der fran⸗ zösischen Militärpartet. In Frankreich wuchs so des Gefühl der Sicherheit, daß die englische Hilje dem Lande sicher sei. Die Schuldigen kennt man sowohl in Frankreich, wie in England und bei uns. Die meiste Schuld trifft den Zeitungsmagnaten Lord Norteiff. Er hat fortwährend Pfeffer in vrie Wunde gerieben. Er kann sich rühmen, unaufhörlich gedohrt u haben. Das ihm nahestehenbe Neutersche Büro kat im Jahre 1911 eine Aussprache zwischen Frartreich und Deutschland auf jede Weise zu verbindern gesu St. Nach 1911 wurde der Entschluß gefaßt, den Weg zum eurrpaͤischen Konzern zu gehen. Damals war nach dem großen Schreck der Augenblick gegeben, wo eine Umkehr der Stunmungen und der Atwosphäre durch große Staatemänner bätte eingeleiltet werden könzgen. Dawals segte Sir Edward Grev, wenn der europälsche Friede gewahrt werden kann, dann ist es mein Bemühen, ein Uebereinkommen herzustellen, woran Deutschland teilnehmen kann. 1912 wurde ein Versuch gemacht. Er war staatzmänntsch angelegt, aner mit untaugkichen Mitteln und Menschen ausgeführt worden⸗ Es handelte sich damals darum, jenes trügerische Ueber⸗ gewichtsgefühl in der Entente zu zerstören, des ablein den Reravchechauvinisten die sfeste Stuͤge gab. In iene Zeit fällt der Veriuch der Bethmann Hollwegschen Formel. Is gibt Besferes, abtr fie hätte ibren Zweck erfällt, wenn sie angenommen worden wäre. Davah sollte Eogland sich verpflichten, in jedem Devtschland aufgezwungenen Krieg neuttal zu bleiber. Darauf hätte s eingehen können, ohre sich der freien Hand iu be⸗ beben, wie es das Beispul Italtens zeigt. Einmal über das andere erklärte die engitsche Regierung, daß sie frele Hand hobe. Das war technisch und Naate männisch zutreffend. Aber seiꝛdem England urter der Einwirkung Edward Erers den Schutz der französischen Nordfküste übernommen haltte, war es tat⸗ föchlich nicht mehr frei. Rußland und Fraukreich wußien Bescheid, aber nicht dat englische Bolk. Ergtand spricht so viel von der Heiligkeir der Vertraäge. Es wäre besser, daß man diese Verträge be⸗ kannt gibt, damtt man ihre Heiligkeit in der Helligkeit prüfen kann.
(Schluß des Blattes.) Berichtigung. In dem in Nr. 239 d. Bl. verössentlichten Bericht über die 122. Sitzung des Reichstags sind durch ein Versehen der Druckerei in der Rede des Preußischen Kriegs⸗ ministers, Generals von Stein deren 5 erste Absätze irrtüm⸗ lich an den Schluß gestellt. Die Rede hat mit den Worten „Eine ganze Reihe von Voraussetzungen ..“ begonnen.
Ttatistik und Volkswirtschaft. Zur Arbeiterbewegung.
Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten Meldurg der St. Peiersburger Telegraphenagentur“ aus Baku beschloß eine Versammlung der Arbeiserausschässe aller Petroleumbohrschächte an⸗ gesichts der Weigerung der Induftriellen, Arbeiter und Angestel te nur mit Zostimmung der Arbeitervereintgungen zu entlassen, für den 10. Oftober den Gesamtausstand und 1 dete zugleich einen Aus⸗
standsausschuß. Kunst und Wissenschaft.
9/10 des 17. Jahrgangs der volkstümlichen aftrono⸗ ift „Das Weliall“, Herausgeber Tr. F. S. Arcken⸗ . ber Treptow⸗Sternwante, ver ffentlicht Hans Passarge⸗ Königsberg j. Pr. eimne neue Erklärung für die mangelnde Ein⸗ heitlichkeit des Umlaufs des Planeten Jupiter. Er ist (uach dem Verfaffer) eine notwendige Folge der Doppelumdrehung (Brrotat'on) oller Himmelskörper überbaupt, von denen eine Schwer⸗ kroftwirfung im Sinne der Newtenschen Gravitation aurgeht: 1) einer ursprünglichen Umdrehung des gesamten Inrern, von Ost nach Weß; 2) einer abhängigen, lediglich der Oderfläcenschale, von West rnach Ost. Beide Umdrehungen haben gleiche Geschwindigkeit. Tie Richtigkeir dieses und äbnlicher Leitsätze erbärtet P. elnleuchtend. Eine Bestätigung bieten ferner 1) die Uebereinfllmmung der Ergeb⸗ nsse der reuen Tbecrie mit den auf bisherigem Wege gefundenen Werten für die Erdmosse, deren Begriff anders bestimmt wird; 2) die j“tt mögliche uberraschend einsache Lösung der schwebenden Fragen brtreffs des Zustandes der Sonne, der sekundären Beschleu⸗ nigung der Connemähe der Plancten und der sekundaären Be⸗ schleunigung der ewevung des Mondes. Die Doppelbrehungstbeorie woderlegt 2inen gewichtigen Eawurf gegen die Kant⸗La Plsceiche Lebre ron der Weltentstehung; sie erklärt eine Reihe erdphysifallschtr Er⸗ scheinnngen.
Land⸗ und Forsttvirtschaft.
Berr, 6. Oktober. (W. T. P.) Das italfenische Land⸗ wirtschaftemsnisterium gidr folgenre Zahien uber die dies⸗ jährige Ernte beiannt: Weizen 38 M lionen Boppelzentrer gegenüber 48 Millionen tm Durchschnitej hr; Mais 23 Millienen DHoppelzenmnes gegenüber 26 Millionen; Roaggen un] Herste zu⸗ sammen 2 Millicnen 620 000 Dopvestentner aegen 3 Millionen 450 000 DVoppelentaec; Neis 3 Milltoren 300 000 Deoppvelzentner, ungesahr wee 1916; Bohnen 3 Millionen 600 000 Doppelzentner g⸗gen 4 Millionen 600 000 Doppelzentner. Zür Kartoffeln Vnd Erbsen mird die die jäbrige Erute beträchtlich unter einer Mteieinte aukfollen, die 16 Mill onen Deppelz⸗e iner Kartoffeln und 1t Miillion Depvelzentner Eibsen berägt. Während in einigen Provinzen Oberttaliens die Einte heiter Produkte „das Mittel übe.⸗ steiost, war sie in Mittelitalitn srärlich, in Süditalien noch geringer.
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. Theater und Musik.
Im Königlichen Opernhause wird morgen, Donnergtan, „Carmen“ mit den Damen Kemp, Engell und deg Herren Kirchboff und Armsler in den Hauptrollen aufgefuͤhrt. Mustkaltscher Letter ist der Generalmusikdircktor Blech. Anfang 7 Uhr.
Im Königlichen Schauspielhause ward morgen Ibsens „Peer Gynt“ mit Herrn Mühlhofer in der Titelrolle und mit der Begleitmusik von Edward Grieg gegeben. Splelleiter ist Dr. Bryck. Anfang 6 ½ Uzr. 3 8
Mannigfaltiges.
Das Oberkommando in den Marken teillt mit: Die Erfahrungen des letzten Winters mechen 78 (1forderlich, für die Be⸗ seitigung des Schnees in diesem Jabre frühzeitig Vor⸗ kehrungen zu tecffer. Auch in diesem Winter wire es notwendig sein, in umfangreichstem Maße auf die freiwillige Meth lfe zurückzugreifen. Es muß alles aufgebeten werden, um den Straßenverkehr sofort nach dem Schneefall wiederberzustellen, sonst siockt der Verkehr oller Güter und namentlich die Versorgung mit Lebenemitteln. Jedermonn, ob jung oder alt, ob reich oder arm, muß hierfür seine Kräfte zur Verfüpung stellen. Die richtige Ver⸗ wendung dieser Kräfte ist Gegenstanbd von Beratungen, die unter Z ziehuno der Eemeinden zurzeit im Oberkommando stattfinden. Um einen Uekerbiick über die verfsigbaren Kräfte zu gewinnen, werden im Landespolizetbezirk Berlin in den nächsten Tagen Erheburgen durch Listen m jedein Hause stattfinden, in die sich alle diejenigen einzutragen haben, die bereit sind, sich fretwillig bei der Schneebeseittgung zu be⸗ teiligen. Es wird dabei auf die beieitwillige Betätigung des Bürger⸗ sinnes aller Bevölkerungskreise gerechnet.
Wliltenberg, 9. Oktoker. (W. T. B.) Der Evangelische Bund bhielt beute seine Reformationsjubelfeier in der Hetmatstatdt der Reformation, Wittenberg, ab. Zahlreiche Vertreter aug der Provinz Sachten und dem ganzen Deutschland, besonders die Vertreter der Hauprvereine clz Mitglieder des Cesamtvorstands, waren herbeigee’llt. Auch die Bevölkerung der Stadt nahm lebhaften Antell. Um 3 ½ Uhr bewegte sich der lange Festzug durch die beflaggten Straßen der Stadt zum Lutherdenkmal, no 40 Vertreter der Pauptvereine und an ihrer Spitze Dr. Everling namens des Zentralvorstanden Kränze niederlegten, wobei Dr. Everling mit markigen Wortea den Gedanken, die der Ort wachrief, Ausdruck gao. Beim Fest⸗ gottesdienst in der Stadttkirche bielt der Generalsvperintendent Dr. Stolte aus Magdeburg die Festpredigt. Abends 7 ½ Uhr fand eine Festversammlung in der Stadtkirche statt, hei der nach mehreren Begrüßungsansprachen der Geheime Konsistorialrat Prof. D. Scholz aut Berlin mit der dem feinfühltgen Gesehrten eigenen Güte und Waärme die Bedeutung der Persönlichkeit Luthers für die Vert'efung des religiäüen Empfindens der Gegenwart behandelte. Die in Anbetrackt der KMegszeit ganz eiafache, ernste Feier machte auf dem geschichtltch denkwürdigen Boden der Reformationsstadt auf alle Teilnehmer einen tiefen Eindruck.
Budapest, 9. Oktobtr. (W. T. B.) Der Börgermeister Barezy hat dem Bürgermeister von Gerdauen zuaesi zert, daß die Summe von 250 000 Kronen, welche die ungarische Hauptstadt ihrer Patenstadt bisheec gewidmit hat, auf 350000 Kronen erhöht werden wird.
Theater.
Königliche Schauspiele. Donnerst. Opernhaus. 216. Daner⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplaͤtze sind aufgehoben. Cormen. Oper in vier Akten von Georges Bizct. Text von Henry Metlhac und Ludovic Svy nach einer Novelle des Prosper Merimoe. Mustkalische Leitung: Herr ESeneralmusikdirektor Blech. Spiel⸗ leitung: Herr Hertzer. Ballett: Herr Ballettmeister Graͤeb. Chöre: Herr Professor Rüdel. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 218. Dauerbezugsvorslellung. Dienst⸗ und Freipläze sind aufgehoben. Peer Gynt von Henrik Ibsen. (In zehn Bildern.) In freier Uebertragung für die deutsche Bühne gestaltet von Dietrich Eckart. Musik von Edward Grieg. Muskalische Leitung: Herr Ka⸗pellmeister Dr. Besl. Spielleitung: Herr Dr. Bruck. Anfang 6 ⅞ Uhr.
Freitaa: Overnhaus. 217. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Mignon. Oper in drei Akten von Ambrolse Thomas. Text mit Benutzung des Goetheschen Romans „Wilhelm Meisters Lehrfahre“ von Michel Carré und Jules Barbier, deutsch von Ferdinand Gumbert. Anfang 7 ½ Uhr.
Schausptelbaus. 219. Dauerbezugsvorstellung. Zum 30 0. Mol⸗: Rachan der Weise. Dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen von Lessirg. Spielleitung: Herr Dr. Bruck. Anfang 7 Uhr.
Familiennachrichten.
Verlobt: Geösin Clisabeth von Oriosa mit Hra. Oberleutnant
Hans⸗Theodor von Ravenstein (. Zt. Gleiwitz — im Felde).
Verebelicht: Hr. Kammerherr und Rittmeister Hans Frhr. ven Könttz mit Fel. Ingeborg Troost (W.esbaben). — Hr. Forst⸗ assessor, Oberleutnant d. Res. Adolf Dresler mit Frl. Noro Schübel (Kreuztal).
Geboren: Eine Tochter: Hrn. Oberlehrer, Leutnant d. Res. Dr. Drepper (Schweldnttz).
Gestorben: Hr. Kenrad von Scheliha (Deutsch Würbitz O. S). —
Hr. Rechnungsrat Johann Przybyllot (Breslau). — Hr. Bünger⸗ meister Peier Grund (Zuichau). — Fr. Erbscholttferbestger Elsctede Sandmann, geb. Schneider (Seifersdorf). — Frl. Sophie von Lekow (Lekow, Kr. Pleschen). — Hrn. Rittmsister Joachim von Blücher Sohn Friedrich (Pemmin).
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Veremtwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil; Der Vorsteher der Geschäftsstelle, J. V.: Rechnungsrat Reyher in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (J. V.: Reyher) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, 88 8 Berlin, Wilhelmstraße 32. Vier Beilagen.
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Berlin, Mittwoch, den 10. Oktober
241.
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Parlamentsbericht.*)
Deutscher Reichstag.
124. Sitzung vom Dienstag, 9. Oktober 1917, 8 Vormittags 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Büro.)
N. Frledigung der Anfragen der Abgeordneten Nac ragalasten (Fortschr. Volksp.), Muman (D. F.) d Dittmann (U. Soz.), worüber in der gestrigen Nummer Reichs⸗ und Staatsanzeigers berichtet worden ist, setzt das die Besprechung über die Interpellationen der weordneten Antrick und Genossen, betreffend Agitation rch Vorgesetzteim Heere zugunsten alldeut⸗ er Politi 1 Nach dem Abgeordneten Dittmann Soz.), dessen Rede gleichfalls gestern bereits mitgeteilt ist rreift das Wort der b 8 Reichskanzler Dr. M ichaelis:
Meme Herren! In der gestrigen Verhandlung des Ausschusses die Fragen, die am Sonnabend die Geister erregten, in weitem fange geklärt worden. Der Herr Abgeordnete Dittmann hat heute ganzen Stoff von neuem behandelt. Ich will dem Abgeordneten tmann bloß zweierlei entgegenhalten, einmal, daß er der Letzte ist. ich das Recht zugestehe, über Agitation im Heere und in der tne zu sprechen. (Sehr wahr! rechts.) Der Herr Staatssekretär Reichsmarineamts wird nachher auf die Anfragen, die der . nnete Dittmann an ihn gerichtet hat, Mitteilungen machen, die die „Begründung dieses meines Worts dartun werden. (Hört, hört! 8.) Sodann hat mir der Herr Abgeordnete Dittmann mein Wort gegengehalten, daß ich mit voller Objektivität allen Parteien und tzungen gegenüberstehen wolle. Er hat vergessen, den Zusatz mit Ausdruck zu bringen, den ich dabei ausgesprochen habe. Ich habe agt, allen politischen Parteien und Richtungen, sofern sie nicht Bestand des Deutschen Reiches und Staates gefährdende Ziele folgen. Die Partei der Unabhängigen Sozialdemokraten steht für hjenseits dieser Linie. (Hört, hört! und große Unruhe und lebhafte sccenrufe bei den Sozialdemokraten. Beifall rechts. — Glbcke hisdenten.)
Fh komme auf die gestrigen Verhandlungen zurück. In der nllation des Reichstags war die Anfrage an den Reichskanzler icte, ob ihm bekannt sei, daß im Heere von Vorgesetzten eine tig Agitation zugunsten alldeutscher Politik und namentlich auch sen Beschlüsse des Reichstags getrieben wird, und die Frage ist indlich arauf ausgedehnt worden, ob ihm bekannt sei, daß von homten in unzulässiger Weise Propaganda für die vaterländische riei getrieben werde.
Pas zunächft die Frage betrifft, ob im Heere Propaganda ge⸗ teen worden sei, so ist gestern in weitem Umfange von dem Herrn iegsminister und mir auseinandergesetzt worden, in welcher Weise Heere Aufklärungsarbeit getrieben wird. Daß Aufklärung für die seten unbedingt erforderlich ist, daß eine geistige, sittliche Für⸗ gfür dio Soldaten im Felde ein dringendes Bedürfnis ist, das terchreiben alle, die die Verhältnisse draußen kennen, und das er⸗ nen die Soldaten selbst am dankbarsten an, und auch die Herren sgeordneten, die die Soldaten draußen besucht haben, haben sich von segensreichen Einrichtungen überzeugen können und einen vollen noruck davon gewonnen. (Sehr richtig! rechts.) Die ganze Auf⸗ tungsarbeit ist einheitlich organisiert. Es sind uns gestern von n Herrn Kriegsminister die Leitsätze mitgeteilt worden, die für se Aufklärungsarbeit im Heere gelten, und diese Leitsätze haben der ehrzahl der Mitglieder des Ausschusses die volle Ueberzeugung ver⸗ afft daß das, was geplant ist, und das, was geschehen ist, durch⸗ segensreich ist, und daß es sich in dem Rahmen hält, der für eine artige einheitlich organisierte Aufklärungsarbeit im Heere bestehen rh. Ich will, da man heute erneut diese Arbeit aufs schärfste an⸗ 18 hat, nicht verfehlen, aus diesen Leitsätzen das wesentlichste tzuteilen.
Dis wesentlichsten Gebiete der Aufklärung sind nach dem Willen Obersten Heeresleitung: 111“ “
Die Ursachen des Kriegs.
Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands, ihre Bedeutung und die Folgen eines verlorenen Kriegs, besonders auch für den beuishen Arbeiter.
Die Gesamtgröße unserer bisherigen Erfolge rechtfertigt das Vertrauen auf den endgültigen Sieg. eSiegesbewußtsein, Pflichttreue und Mannesstolz sind zu
ndem.
die Entscheidung ist schon zu unseren Gunsten gefallen; es IM sie endgültig zu sichern.
Notwendigkeit und Bedeutung der Führung auf allen Ge⸗ deen: militärisch, Regierung, Verwaltung. Daraus folgt: Not⸗ beendigkeit der Autorität einerseits, der Unterordnung andererseits. Schwierigkeiten der Wirtschaft durch Lebensmittel und Kohlen⸗ nappheit sind vorhanden und anzuerkennen, besonders in der Deimat; sie werden aber mit Sicherheit überwunden. Notwendig⸗ eit der Lebensmittelbeschränkung und Kohlenverteilung durch Maß⸗ nahmen der Behördenist zu erläutern. Fehler sind früher selbst⸗
n
verständlich, aus anfänglicher Unkenntnis der zu bewältigenden
Aufgaben, oft auch gerade in dem Bestreben größerer Gerechtigkeit gemacht worden. Kleinere Härten bleiben unvermeidlich. „ Sodann: Ausgleich der Verstimmung zwischen Stadt⸗ und — andbedölkerung. Vewerflichkeit des Kriegswuchers. Das eigene Ich muß zurücktreten vor dem gemeinsamen großen Ziel. gefährden den Sieg und kosten das Blut der Truppen. üfklärung darüber, daß unsere Gegner, wenn sie den Krieg aussichtslos aufgeben müssen, versuchen werden, uns die Früchte rer militärischen Siege zu entreißen und insonderheit unsere
acisgüng Gewähr, mit Ausnahme der Reden der Minister und
als unse
wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten zu erdrosseln. (Sehr richtig! rechts.) Es muß jedem Soldaten klar gemacht werden, daß wir auch da bereit sein müssen, den Kampf jederzeit wieder auf⸗ zunehmen, um unser Kriegsziel, d. h. die Sicherstellung unserer Zukunft, zu erreichen.
Volk und Heer müssen bis zum end ültigen Friedensschluß in voller Stärke und Einigkeit hinter den Führern des Reiches stehen.
Diese Gegenstände der Aufklärung sollen erreicht werden durch Vorträge, Unterhaltungsabende, es sollen auch Theateraufführungen veranstaltet, es sollen Kinos eingerichtet werden, Armeezeitungen, Feld⸗ predigten, Feldbüchereien, Feldbuchhandlungen. Diese ganze Organi⸗ sation ist hinausgetragen bis an die letzten Stellen, wo Deutsche kämpfen, bis nach Mazedonien hinein und wird durch Soldatenheime gefördert, in denen die Feldgrauen draußen einen gewissen Ersatz für die Heimat bekommen sollen; sie wirken, wie das auch draußen an⸗ erkannt wird, zum vollen Segen, und die Feldgrauen danken es der obersten Heeresleitung und allen denen, die daran mitarbeiten hier im Innern, und die ganze Organisation und ihre Arbeit bleibt ein Bindeglied zwischen dem Feld und der Heimat von fruchtbarster Wirkung. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.)
Es ist ausdrücklich gesagt worden — und das ist durch die neuesten Orders der obersten Heeresleitung noch ganz besonders scharf betont worden —, daß diese ganze Tätigkeit mit politischen Fragen nicht in Verbindung gebracht werden soll. Es handelt sich um vater⸗ ländischen Unterricht, wie wir ihn auch im Frieden zur Vertiefung der Vaterlandsliebe und zur Anerziehung selbstloser Hingabe bei den Truppen pflegten. An einer anderen Stelle heißt es in derselben Order: Erörterungen über Kriegsziele sind an sich nicht Gegenstand des vaterländischen Unterrichts. Der Herr Kriegsminister hat ohne weiteres zugegeben, daß bei einer Aufklärungsarbeit, die hinaus⸗ geht an Millionen von Soldaten und getrieben wird von den ver⸗ schiedensten Leuten, die selbstverständlich für diesen Zweck nicht ein⸗ heitlich vorgebildet sind, daß da selbstverständlich gegen die Tendenz, die der Feldmarschall will, daß Politik nicht hineingetragen werden soll, verstoßen werden wird, daß solche Verstöße vorkommen und daß sie auch in größerer Zahl vorkommen. Aber der Herr Kriegsminister hat ausdrücklich erklärt, daß da, wo in unzulässiger Weise die Politik hineingetragen wird, Remedur geschaffen wird. Es wird darüber ge⸗ wacht werden, daß der vaterländische Unterricht nicht zum Mittel politischer Beeinflussung benutzt werde, Uebergriffe werden gerügt wer⸗ den, und insbesondere darf nicht geduldet werden, daß Abgeordnete wegen ihrer Stellungnahme zu den Kriegszielen herabgesetzt und be⸗ leidigt werden.
Was die Beamten betrifft, über die auch Klage geführt wurde, daß sie in unzulässiger Weise zugunsten der Vaterlandspartei Propa⸗ ganda getrieben haben, so habe ich die allgemeinen Grundsätze, die nach dieser Richtung hin von mir innegehalten werden, auseinander⸗ gesetzt. Beamte haben das Recht auf politische Gesinnungsfreiheit, sie können jeder Partei beitreten unter der Voraussetzung, die ich vorhin unterstrich, daß sie keine Bestrebungen verfolgen, die dem Be⸗ stande des Deutschen Reiches und Preußens gegenüberstehen. Ir⸗ gendwelcher Mißbrauch nach der Richtung hin, daß ein Vorgesetzter die ihm nachgeordneten Beamten veranlaßt, Anschluß an eine poli⸗ tische Partei zu suchen, ist unbedingt unzulässig, und ich wünsche nach keiner Richtung hin einen Druck gegen die Beamten seitens ihrer Vorgesetzten nach irgendeiner politischen Seite. — Diese Bestim⸗ mungen gelten für alle Parteien.
Meine Herren, wenn wir diese Ziele innehalten, dann werden wir selbstverständlich auf einen gangbaren Weg des beiderseitigen Wirkens kommen. Wir würden sehr viel weiter kommen, wenn auch die⸗ jenigen, welche die Friedenskundgebung des 19. Juli bekämpfen, und welche behaupten, daß diejenigen, welche einen Frieden in diesem Sinne wollen, einen Hungerfrieden erstrebten, dieser Resolution ge⸗ rechter würden. (Sehr wahr! links und im Zentrum.)
Die Ziele, die in der Kundgebung liegen, müssen wir in ihrem positiven Sinne, nach ihrer kraftvollen Seite herausarbeiten, wir müssen uns klar machen, was damit gewollt ist, wir müssen unter⸗ streichen, was dort gesagt ist: „Das deutsche Volk wird wie ein Mann zusammenstehen, unerschütterlich ausharren und kämpfen, bis sein und seiner Verbündeten Recht auf Leben und Entwicklung gesichert ist. In seiner Einigkeit ist das Deutsche Reich unüberwindlich.“ Ich selbst habe mib Zustimmung des Reichstags an den selben Tage die Ziele nach der Richtung hin umschrieben, daß ich sagte: wir müssen die Lebensbedingungen des Deutschen Reiches auf dem Kontinent und über See garantieren, wir müssen uns davor sichern, daß sich der Waffenbund unserer Gegner nicht zu einem wirtschaftlichen Trutz⸗ bund auswächst.
Meine Herren, wir können in diesem Rahmem einen Frieden
irchsetzen, der dem Bauern den Lohn seiner Scholle gewährleistet, dem Arbeiter Lohn, Verdienst und die Grundlage sozialen Auf⸗ chwungs gibt, der der Industrie Absatz verschafft, der unsere stolzen Schiffe aus Bremen und Hamburg wieder frei fahren, anlegen und Kohlen nehmen läßt in aller Welt, einen Frieden weitester wirt⸗ schaftlicher und kultureller Entwicklung, einen wirklichen Frieden der
Kraft — den können wir in diesem Rahmen erreichen. (Lebhafte Zu⸗
stimmung links.) Solange unsere Gegner uns mit Forderungen gegenübertreten, die jedem einzelnen Deutschen als unannehmbar er⸗ scheinen, solange unsere Gegner an den schwarzweißroten Pfählen rütteln wollen, solange sie mit der Forderung an uns herantreten, daß wir von deutschem Lande etwas geben sollen, solange die Gegner den Gedanken verfolgen, zwischen das deutsche Volk und seinen Kaiser einen Keil zu treiben, solange, meine Herren, bergen wir unsere Friedenshand in den verschränkten Armen. (Bravo!l rechts.) Wir warten ab, wir können warten. (Lebhafter Beifall.) Die Zeit läuft für uns. (Erneuter lebhafter Beifall.) Bis das geschieht, bis die Feinde einsehen, daß sie diese Forderungen zurückstellen müssen, so lange müssen die Kanonen ihre Arbeit tun und das U⸗Boot. (Leb⸗ hafte Bravorufe.) Und unser Friede wird doch kommen. (Wieder⸗
bolter lebhafter Beifall rechts, in der Mitte und links.)
Staatssekretär des Reichsmarineamts von Capelle:
Meine Herren! Es ist leider eine traurige Tatsache, daß die russische Revolution auch einigen wenigen Leuten an Bord unserer Flotte die Köpfe verwirrt und revolutionäre Ideen bei ihnen groß⸗ gezogen hat. (Hört, hört! rechts.) Der wahnwitzige Plan dieser wenigen Leute ging dahin, auf allen Schiffen Vertrauensmänner zu werben und die ganze Flotte, die sämtlichen Mannschaften der Flotte zur Gehorsamsverweigerung zu verleiten (Hört, hört! rechts, in der Mitte und links), um auf diese Weise eventl. unter Anwendung von Gewalt, die Flotte lahmzulegen und den Frieden zu erzwingen. (Pfui⸗ rufe bei den Nationalliberalen und links.) Es ist eine Tatsache, daß diese Leute Beziehungen mit der Unabhängigen sozialdemokratischen Partei angeknüpft haben. (Erneute Pfuirufe. — Glocke des Präsi⸗ denten.)
Es steht aktenmäßig fest (Na, na! bei den U. S.), daß der Haupt⸗ agitator hier im Reichstage (Stürmische Rufe: Hört, hört!) im Fraktionszimmer der Unabhängigen Sozialdemokraten den Abgeord⸗ neten Dittmann, Haase und Vogtherr seine Pläne vorgetragen und Billigung gefunden hat. (Pfuirufe. — Erregte Zurufe von den U. S.) Die Abgeordneten haben zwar auf das äußerst Gefährliche des Vor⸗ gehens hingewiesen und zur größten Vorsicht gemahnt (Hört, hört! rechts), aber ihre volle Unterstützung durch Uebermittlung von Agi⸗ tationsmitteln zur Aufreizung der Flotte zugesagt. (Pfuirufe rechts. Große Erregung. — Glocke des Präsidenten.)
Dieser Situation gegenüber war es meine erste Pflicht, das Ein⸗ dringen des versprochenen Agitationsmaterials der Unabhängigen sozialdemokratischen Partei in die Flotte möglichst unmöglich zu machen. (Bravo! rechts und links.) Ich habe daher die zuständigen Kommandostellen ersucht, die Verbreitung dieses Agitationsmaterials in der Flotte mit allen Mitteln zu verhindern. (Erneuter lebhafter Beifall!)
Meine Herren, auch über die weiteren Vorgänge in der Flotte will ich mich hier nicht auslassen. Einige wenige ehr⸗ und pflichtver⸗ gessene Leute haben sich schwer vergangen und sind der verdienten Strafe zugeführt worden. Trotzdem will ich hier von der offenen Reichstagstribüne aus sagen, daß die umlaufenden Gerüchte, die auch natürlich mir hinterbracht worden sind, maßlos übertrieben sind. Die Schlagfertigkeit der Flotte ist auch nicht einen Augenblick in Frage gestellt worden (Bravol), und so soll und wird es auch bleiben. (Leb⸗ haftes Bravo.)
Abg. Dr. David (Soz.): Der außerordentlich schweren An⸗ klage des Staatssekretärs gegen Mitglieder des Hauses gegenüber fällt es mir schwer, zu glauben, daß sie in dem von ihm vorgetragenen Sinne begründet ist. Jedenfalls ist da die äußerste Zurückhaltung am. Platze, und mindestens müssen die Angeklagten gehört werden. Der Reichskanzler stellt die Parter der unabhängigen Sozialdemokraten jenseits der von ihm gezogenen Grenze der Parität und ist dabei offen⸗ bar von diesen Mitterlungen des Staatssekretärs des Marineamts be⸗ einflußt worden. Wir müssen für jede Partei volle staatsbürgerliche Parität verlangen, auch in der Behandlung durch die Behörden. Es ist keine gute und keine kluge Politik, davon abzugehen. Bismarck hat damit gegenüber der Sozialdemokratie und auch gegenüber dem Zentrum Fiasko gemacht. Wenn der Abg. Dittmann meine Partei auffordert, jetzt doch endlich in die Wege der von ihm befolgten Politik einzulenken, so hat unsere Politik bisher das Interesse des Volks und der Arbeiterschaft ausschließlich wahrgenommen, was man von der Politik der „Unabhängigen“ nicht sagen kann. Die nächsten Wahlen werden das beweisen. Politische Bewegungsfreiheit bestreiten wir auch den Alldeutschen nicht, aber wir verlangen, daß ihrer Bewegung nicht amtlich Vorschub geleistet wird. Für die unerfreuliche Wirkung der Debatten von Sonnabend und heute sind die Herren Alldeutschen und die von der Vaterlandspartei verantwortlich. Macht doch Graf Reventlow in der „Deutschen Tageszeitung“ dem Abg. Dr. Landsberg den Vorwurf, seine Rede vom Sonnabend sei eine mit allen Mitteln unternommene Demonstration gegen die Wahrheit und ihre Ver⸗ breitung, wobei er zugleich das von Dr. Landsberg vorgetragene Material und die ganze Rede des Abg. Haas unterschlägt! Ein solcher Mangel an Wahrheitsliebe kann nur noch pathologisch wirken. In einer anderen Presseäußerung wird der. Reichskanzler aufgefordert, gegen die Freunde des Verständigungsfriedens mit eiserner Faust, also wohl mit dem Staatsstreich, durchzugreifen, ohne daß die Zensur dagegen eingeschritten wäre. Als ich im „Vorwärts“ dagegen Front machen wollte, wurde dem „Vorwärts“ mit dem Verbot gedroht. Wer ist es also, der die Schuld dafür trägt, wenn die Cinigkeit des Vaterlandes zerrissen wird? Die Deutsche Vaterlandspartei hat die Aufgabe, in sämtliche Parteien der Verständigungsmehrheit einzu⸗ dringen und deren Einheit aufzulösen. Sie ist eine Zersetzungspartei, die die Einheit des Volkes zertrümmern und das Volk in angebliche Vaterlandsfreunde und Vaterlandsfeinde trennen will. Demagogische Rabulistik ist es, wenn die Partei sagt, sie wolle keine Partei sein. Zu ihr gehören alle, die noch keinen Frieden und keine innere Neu⸗ ordnung wollen. Daß die Partei, wie behauptet wird, aus der Tiefe des Volkes kommt, sieht man an den Namen: Herzog von Mecklen⸗ burg, Großadmiral von Tirpitz, Generallandschaftsdirektor Kapp, dann Prinzen, Fürsten, Grafen, Barone, die hohe Bureaukratje, der frühere Minister von Schorlemer, dann Kommerzienräte, Ritter⸗ gutsbesitzer, Geheimräte, Oberbürgermeister, Generalsekretäre, Pro⸗ fessoren, alles Leute, die man gewöhnlich als Proletariat bezeichnet. (Heiterkeit.) Die Vaterlandspartei ist eine ausgesprochene Partei der oberen Zehntausend, ausgerüstet mit Millionen und mit großem Ein⸗ fluß in amtlichen Kreisen durch ihre Verwandtschaft und sonstigen Beziehungen, die Partei derer, die am wenigsten durch die Kriegs⸗ verlängerung verlieren. Die Leitsätze über die Aufklärung im Heere enthalten eine ganze Reihe von Stellen, die in das politische Gebiet. hineinführen müssen. (Der Redner führt eine ganze Reihe von Bei⸗ spielen an, in denen bei dem Aufklärungsdienst Politik getrieben worden ist.) Es geht nicht, daß man mit solchen Direktiven weiter⸗ arbeitet. Es geht den Leuten bis ins innerste Herz, wenn ihnen ihre politische Ueberzeugung ausgerissen werden soll. Die Mannschaften bekommen das Gefühl, daß ihre Offiziere ihre politischen Gegner sind. In politischen Dingen darf es keine Vorgesetzten und keine Untergebenen geben. Es wirft ein eigentümliches Licht auf die Kampfesweise des Herrn von Tirpitz, wie er sich gegen die Ausführungen des. Herrn Kollegen Haas über die U⸗Boot⸗Prophezeiung wandte. Er muß doch wissen, daß die Stelle aus einer Schrift stammt, die mit Einwilligung des Herrn v. Tirpitz in Tausenden von Eremplaren unter der Marine verbreitet worden ist. Das Volk mit Illusionen aufrecht zu erhalten, ist im Kriege noch verwerflicher als im Frieden. Nun beruht aber das ganze Fundament der Vaterlandspartei, der Tirpitz⸗Kappschen Kriegspartei, auf Illusionen. Bei Beginn des U⸗Bootkrieges rechnete man auf drei oder sechs Monate, ehe England auf die Knie gezwungen würde. Dann schob man den Termin immer weiter hinaus. Daß die Gegner noch immer keine Friedensgeneigtheit zeigen, müßte nach
d Rätsel sein, soll doch die
der Auffassung der Alldeutschen ein