1917 / 294 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 12 Dec 1917 18:00:01 GMT) scan diff

4 keträchtlich wärmeres

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Wien, 11. Degember. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: In der Nacht vem 9. auf den 10. Dezember ist S. M. S. „Wien“ durch feindlichen Torpedoangriff versenkt worden. Fast die ganze Bemannung wurde gerettet.

Flottenkommando.

Madrid, 11. Dezember. (Havas.) Der spanische

Dampfer „Claudio“, der mit einer Ladung Phosphat für Bilbao aus Amerika zurückkehrte, ist torpediert worden. Der Dampfer konnte mit eigener Kraft den Hasen etcreichen. Die Jahresbilanz des Unterseebootkrieges, dessen Verschärfung die deutsche Antwort auf die höhnische Zurück⸗ weisung des Friedensangebots vom 12. Dezember 1916 war, steht hart im Widerspruch mit dem anfänglichen Optimismus der Ententeregierungen. Von einer Welttonnage von noch nicht 50 Millionen Bruttoregistertonnen ist ein reichliches Viertel versenkt, davon allein in den 10 Monaten vom 1. Januar bis zum 31. Oktober 8 047 000 Bruttoregistertonnen. Berechnet man den Tonnenwert nur mit 1000 ℳ, so ergibt sich ein Verlust von 8 047 000 000 in diesem kurzen I Zum Ausgäleich standen der Entente Neubauten, Exp essung neutralen Schiffsraumes und Entwendnng deutscher Schiffe zur Verfügung. Die deutschen Bestände in vormals neurralen Händen sind erschöpft und die Erpressung neutraler Schiffe läßt sch nicht mehr nennenswert steigern. Die Neubaumöglichkeit eträgt im Jahre 2,5 bis höchstens 4 Millionen Tonnen. Doch schweigen die Entente⸗Schiffahrtszeitungen des Oktober auffällig über Schiffsneubauten und lussen die Erwartungen der amerikanischen Hilfe sehr gering erscheinen. (W. T. B.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Ueder den Ausstand im Loiregebiet, den der Abgeordneie Brizon in der Kammersitzung aufdeckte, gibt W. T. B.“ zufolge die „Humantté als erstes Blan Einzeibeuen. Zwischen der Regterung und der Arbeiterschaft wurde am 6. Dezember, Abends, eine Eini⸗ gung eiztelt. Darauf beschloz der Ausstandsausschuß die Arbeit wieder aufzunehmen. Ungefähr 120 000 Arbener in den größeren Munitionsfabriken des Lotregebletes hatten die Arbeit niedergelegt.

8 Kuust und Wifsenschaft.

IJn der Dezembersitzung der „Gesellschaft für Erdkunde“ sprach der Professor Otto Baschin vom Institut für Meeres⸗ kunde über Ergebnisse der letzten Südpolarexpeditionen. Seit Jabhrhunderten, so führte er enra aus, haven stets die stärksten Nanonen zugjeich mit der Erforschung der Erdober⸗ fläche ihre Kolonialgebiete zu erweitern gesucht, so daß die politische Aufteilung der iu kolonialen Zwecken brauchbaren Teile der Erdoberfläche fast vollendet erscheint. Nur die Polargegenden, die wenig wirtschaftliche Daseinsmöglichkeiten z9 bieten schien’n, waren der Jagd nach materellem Gewinn nicht zum Opfer gefallen; sie waren noch gegen das Ende des 19. Jahrhunderts hin berrenlos. Geographische Fragen, die von der fortschreitenden Wissenschaft aufgestelt wurden, und die Fortschritte der Naturwissen⸗ schaften seibst waren es, die die treibenden Kräfte wurden zur Lösang der Polarrätsel. Die Auffindung der nordwestlichen und der nordöstlichen Durchsahrt schuf lange Zeit den Antrieb zu Nordpolexpeditionen. Nachdem Jumes Ciark Roß 1831 den magnetischen Nordpol gefunden hatte, wurde der Polarforschung ein erneuter Ausschwung zuteil und wieder, nachdem Gauß 1838 die Theorie vom Erdmagnetismus dargelegt hatte. Die Aufsuchung Str. John Franklins bot fernere Gelegenheit zu neuen Fahrten zum Nordpol, während besonders die Entlaltung der phvsikalischen und der biologischen Wissensweige der „Juternationalen Polar⸗ von 1882 1883 ihre Aufgaben stellie. Sodann wechsellen

ortliche Bestrebungen mit theo etischen Untersuchungen über die

eographie des Polargebtets einander ab als die Triebfedern erneuter Volfahrten. Zum Südpol wandten sich die Seefahrer, nachdem Cook auf seiner zweiten Weltumsegelung 1773 die schon auf den mittelalterlichen Karten als terra Australis incognita bereichnete Landmasse gefunden hatte. Jam s Clark Roß mit 2 Schffen, Dumont d'Urville mit 2 Schiffen und der Amerkaner Wilkes mit 5 Schiffen suchten sodann die „Antarctica“ auf; der letztgenannte fand das Feuland um den Südpol zuerst am 19 Januar 1810. Gegen Ende des 19 Jahrhunderts suchte Georg Neumeyer schon zur Ver⸗ besserung der Schiffahrtsvertältniffe in der Südsee und im suͤdlichen Pazifik und Atlantik von neuem zur „Interualtonalen Polarforschung“ anzuregen. Die Ergebnisse, die 1901—1903 Erich von Deyaalski, Otro Nordenstjöld und C⸗pitain Scoit erreichten, siad bekannt. Diese Reuenden konnten die von de Gerlache, dem Fuhrer der „Belgien“, dei seiner Ueberwenterung in der Antarktis gemachten Erfahrungen im Winter 1898— 1899 schon benutzen. Charcoto Exvpedition, Chackletors Fahrt 1909, die heldenhaste Reise Scotts und deren tragischer Arsgang, die Auffinrung des geogrephiichen Südpols durch Amunödsen wie Filchners Forschungsreise kaben jede an ihrem Teile zur Exrtschleierung der Sürnpolargebicte Peizusteuern versucht. Zabl⸗ reich indessen sind die Probleme, die das Südpo'arfestland noch in üic, bexgt und deren Rätsel zum großen Teile auch jetzt noch nicht gelbst sind.

Von den Umrissen dieses sechsten Erdteils, der etwa die elnein⸗ halbfe che Größe Europas hat, ist uns nur die Hälste bekannt. Ver⸗ schtedene Theorten sind über den Zusammenhang der einzelnen Se⸗ birge der Antarktis aufgestellt worden. Vor allem handelt es sich um die Fragr, ob die aeehtn von Westantarktika ihre Fort⸗ sezung in der bohen Gebirgskette fiden, die Amundsen auf seiner Reise zum Südpol durchquert hat, oder ob dieses letztere Gebirge weiter ösilich in Coatsland endet. Als wichtigstes Ziel der extensiven Südpolarforschung bezeichnete der Vortragende die Ver⸗ solgung der Gebirgsketten des Grahamlandes und der sich ihm im Südwesten anschließenden, von Charcot entdeckten Küsten⸗ gebirge mit Fiordcharakter. Von besonderer Wichtigkeit sind die Probleme des Eises. Nicht aufgpekläärt ist zum Beispiel bisher der Unterschied ia der Vereisung, der überall zwiichen nord⸗ südlich und ost⸗westlich verlaufenden Küsten besteht. Unbekannt ist ferner die Geburtsstätte jener gewaltigen Eisbergriesen, deren Höhe mehrere hundert Meter beträgt. Auch die Form des Schelfeises und seine Entstehung bietet noch manche Unklarhetten. In engem Zu⸗ sammenhang mit dem Eis stebt das Klimo, das bier eine größere Veränderlichkeir aufweist, wie überall sonst auf der Erde. So wurde zum Beispiel bei der schwedischen Südpolarstarion die höchste Tempe⸗ ratur von 9,3 ° mitten im Wiater gemessen, während ein Jahr früher die niedrigste Temperatur von 41,4 nur einen Tag früher eingetreten war, Temperaturen unter 40 ° kamen an 94 Tagen, solche unter —50 °an 32 Tagen vor, und die niedrigste Temperatur von 60° ist noch 1250 km vom Süepol ent'ernt heobachtet worden, der auf einem hohen Plateau von 3000 m Höhe grlegen ist. Der Vortragende hat den Nachweis geliefert, daß die Luftmassen, die im Januar uüͤber dem Kontinent der Nordhalbkugel lagern, im Juli nach dem Innern ves Südpolarfestlands abgeströmt sind, wo der Schlüssel zuim Verständnis des allgem inen Koeislaufs unserer Atmosphäre verborgen liegt. Für die erdmagnetische Forschung ist die Exreichung des magrnetischen Südpols, dem man sowohl von Südosten wie von Nordwesten her nahe gekommen isnt, von besonderer Wichtigkeit. Pflanzenversteinerungen aus der Tetttärzeit beuten auf Klima mit üpplgem Pflanzenwuchs, das mals geherrscht haben muß. Von den Problemen der Tier⸗

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geograpbie si die Frace ds Vorkomctert gleicher Tierarten im Noed⸗

und Sädpelarcebiet von höchster Bedeutang. Die Tierwelt bat sich

den ungönstigen Verbältnissen so sehr angevaßt, daß lüdpolare Räder⸗ tierchen noch Temperaturen von 81 * Celstus zu ertragen im⸗ stande sind. 3

Der zweite Teil des Vortrages gab eine Schilderung der letzeen Südpolarreife des Australiers Mawson in den Jahren 1912 bis 1914, über die bisher, des Krieges wegen, selbst in der geogra⸗ phischen Fachltteratur so gut wie nichts bekannt geworden ist. Es wurden drei Stationen angelegt, eine auf der Mocquarieinsel und zwei Statlonen auf dem anterktischen Fefzland, die Hauptstatton füdlich von Tasmanien in Adel eland, eine Nebenstation öͤnlich vom Gaußberg auf einer schwimmenden Eietafel, äbnlich derjenigen des Roßtarriereeise. Vor allem waren es die starken Winde, die dem Klima ihr Gepräge gaben. Die durchschnittlich⸗ Windgeschwindige keit betrug im ersten Jadr mehr als 22 m in der Sekunde. Orkanstärken von 40 m in der FSekande waren keine Seltenheit, und es wurden sogar in einzelnen Windstößen Geschwindigkeiten bis zu 90 m in der Sekunde gemessen. Dabei war die Demperatur außerordentlich niedrig. Im ersten Jahre betrug sie im Durchschnitt 18 ° Celsius. Be⸗ sonders unangenehm war es, wenn starke Kälte bei hohen Wind⸗ geschwindigkeiten eintrat. So kamen gelegentlich Temperaturen von 33 ° bei Orkanen von 45 m Windgeschwindigkett in der Sekunde vor, eine Kombtnaton, die außerordenllich schwer zu ertragen war. Dabet war die Winorichtung fast ausschließlich die gleiche, aus dem Innern des Kontinents nach Norden auf das Meer hinaus gerichtet. Zabhlreiche Schlittenexpeditionen gingen von beiden Stationen aus. Man entdecte dabel gemwaltige Eletscher, die ihre schwimmenden Eis⸗ zungen weit in das Meer hinaus erftreckten, wo sie mit senkre chten Wänden abbrachen. Eme Schlittenreise führte nach Südosten in das Innere des Kontinents bis in die Nähe des magnetlschen Südpols. Bei etner anderen, die Matalon seihst mit zwei Begleitern nach Osten längs der Küste unternahm, brach der eine Begleiter, Leutnant Ninnis, mit seinem Schluten durch das Eis und verschwand spurlos in einer un⸗ (rgründlich tiefen Gletscherspalte. Auf der Rückreise storb der zweite Begleiter, Dr. Mertz, und Mawson erreichte nur mit Mühe und mit starker Verspätung die Hauptstation, die das Schiff, welches die Expedition abholen wohte, bereus wieder verlassen hatte. So war er gezwungen, noch ein zweites Jahr dort zu bleiben. Ueber die Station auf der Macquarieinsel stand er während dieses zweiten Winters in drahtloser Verbindung mit Australten, eine Annehmlichkeit, die bhier zum ersten Male in der Geschichte der Sürpolarfo schung gegeben war. Auch von der Weststatien aus batte man mehrere Schlüttenreisen aus⸗ geführt, die auch hier dorch die starken Orkane außer⸗ ordentlich erschwert wur'en. So waren die Reisenden einmal durch einen heftigen Schneesturm gezwungen, 17 Tage lang im Zelt iu verbleiben. Der westlichste Punkt, der erreicht wurde, war der von der Deutschen Südpolarexpedition uater Erich von Drygalski 1901 ertdeckte Gaußberg. Zahlreiche Lichtbilder veranschaulichten die interessanten Eisformen, sowie das Leben auf der Station. Be⸗ sonders reich war das Tierleben, in dem di⸗ Seeelefanten und die verschiedenen Arten der Pirguine weitaus vo herrschten. Mit einem Ausblick auf den wirtschaftlichen Wert der subantartischen Inselwelt, deren alle nigen Besitz sich zu sichern England zur Zeit bestrebt ist, schloß der Vortragende seine Ausführungen.

Literatur.

Unsere Volksernährung auf der Grundlage unserer Landwirtschaft. Fünfundsechzig grapbisch; Darstellungen mit er⸗ läuterndem Text, in Verb'ndung mit Professpr Dr. Max Popp, Versteher der Landwirtschaftlichen Veisuchsstation in Olben⸗ burg i. G., herausgegeben von Professer Dr. Walter Schoenichen. 58 Seiten Text und 46 Tafeln. Verlag von Quelle u. Meyer, Leipzia. Geb. 280 ℳ. Hinter den gewaltigen Eifengürteln, dte im Westen und Osten das Gebiet der Mittelmächte sichern, haben daheim unsere Geldwirtschaft, unser⸗ Industrie und Techaik und unsere Landwirtschoft eine Kraftentfaltung zur Wirklich⸗ keit werden lassen, die für den endgültigen Sieg fast in demselben Maße ausschlaggebend ist wie die Taten unseres Heeres und unserer Flotte. Von den Leistungen dieser drei zivilen“ Mitstreiter werden diejenigen der Landwirtschaft im allgemeinen weniger gewürdigt; und doch ist ihre Kenntnis nicht nur eine notwenrige Voraussetzung für das Verständris der Gegenmwart, sondern auch vom Gesichtspunkte der Heima kunde aus erschemt es als wünschenswert, daß das gesamte Volk sich mit dem Entwicklungsstaade der Landwirtschaft bekaant mache, eine Aufgabe, bei deren Lösung der Schule ein wichtiger Anteil zufallen dürfte. Das vorliegende Buch will nun belfen, ein tieferes Verständnis für die Gruntlagen der landwirtschaftlichen Kultur und für die natür⸗ lichen Voraussetzungen unserer L bensführung zu erschließen. Die Verfasser entwersfen ein anschauliches Büd von der Erzeugung der deurschen Erde und von ihrer Verwertung in Viehz ucht, Industrie und Daushalt. Dabei sind vorzugsweise die Zahlen benutzt, die für die beiden letzten Jahre vor Kriegsausbruch zur Verfügung stehen. Aus ihnen gewinnt man zwar nicht ein Bild von den Erzeugungsverhältnissen der Keiegsjahre, die unzweielhaft in vielfacher Hinsicht gegernüber dem früheren Zustande Veränderungen erfabren haben, wohl aber ein Bild von der Leistungssähigkeit der deusschen Scholle und der deutschen Landwi tschaft. Besonderes Ge⸗ wicht ist darauf geligt, die Ausnutzung der Ennte klar hervortreten zu lassen und aufzuzeigen, welche Beiträge die Ernte der einzelnen Fa g für die Ernäbrung des Volkskörpers zu liefern vermag.

ie Zahlengrößen und die mannigfaltigen Wechselbeziehungen, die zwischen Volksernährurg, Ackerbau, Viehzucht und Industrie bessehen, werden in dem Buche in einfacher Weise anschaulich und für jedemann verständlich dargeboten. Möge es zecht viele Leser finden, sie bei denkender Betrachtung der gegebenen graphischen Darstellungen zu einem gerechlen Urteil über die Loistungen der beimischen Landwirtschast, über die Bedeutung ihrer Arbeit für das Staatsganze führen und dam beitagen, das Vertrauen in unsere Kraft und die Zuversichtlichteit des Daͤrchhaltens zu stärken. Von besonrerem Werte ist die lehrreich Schrift, die geeignet erscheivt, das gegenseitige Verständnis zwischen Stadt und Land zu fördenn, für die Hand des Lebrers, der seine Aufgabe in staatsbürgerlicher Unter⸗ weisung der Jugend sieht.

Wie schaffen wir der städtischen Bevölkerung billige und ausreichende Ernährung? In Gemeinschaft mit Dr. pzil. Eduard R. Besemfelder herausgegeben von Franz Kolbe, Berlin. 95 Seiten. Verlog von Ferdinand Enke, Stuttgart. Geh. 3 ℳ. In fünf selbständigen Beiträgen, die den Inhalt dieser Schrift bilden, suchen Fachmänner auf Grund ibrer in lang⸗ jäbriger landwirtschaftlicher Proxis gesammelten Erfahrungen einen Weg dazu zu wessen, durch Zusammena beit von Stadt und Land, durch gegenseitige Unternützung, wie sie bereits in vorbildlicher Weise zwischen der Stabt Ulm und dem bayerischen Landkreise Neuulm besteht, die Versornung der städtischen Bevölkerung mit Lebensmitteln zu verbessern und sich nustehen. Die Reihe der Bei⸗ träge wird durch einen Aufsatz der beiden Herausgeber eröffnet, der ein erwesterter Abdruck einer unter dem Titel „Die Steigerung unserer Erzeugung von Lebensmittein ued die Mithilfe der Städte“ schon vor dem Kriege in den „Mitteilungen der Peutschen Landwirtschafts⸗ gesellschaft“ veröffentlichten Arbeit ist. Im Anschluß daran behandelt Dr. Besemfelder die Perwertung der städtischen Abwässer und die inländische Versorgung Deutschlands mit Stickstoff. Der Köntialiche Oberamtmarn Joref Grzimek berichtet über „städtische Selbstversorgung und fruchtbare Kolonisauon durch rationelle Abwässerverwertung“ auf Grund der Erfahrungen, die er auf Domänen bei Breslau gesammelt hat. Domaͤnen pächter Karl Schneider, Hof Kleeberg bei Hachenburg (Westerwald) zeigt neue Wege vor allem auf dem Gebiete der Vi⸗hzucht. Deu Schluß bildet ein Abdruck ber Bericht⸗üner die landwirtschastische Verwertung und Pünge wi kung der Fäkalten der Stadt Pesen, die Prefessor Dr. Gerlach und Dr. H. Thiesing der Deutschen Landwirtschafts⸗

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Uichaft erstattet haben. Wie schon diese kurze Inhalten rsenichet e iit besonderes Gewicht auf die Nutzbarmachung de stäödtischen Abwässer g⸗legt, durch die nach Ansicht der Verfaßer der Lundwirtschaft Mineratdünger in Gestalt von Stick off unh Plosphorsäure im Werte von vielen Millionen Mark jahrlich zur Verfügung gestellt werden könnte, wenn die Städte ihre Kanalisationt⸗ und Abwässerkläranlagen entsprechend umbauen. Die dazu er forderlichen Mutel könnten ohne Belastuna der städtischen Kassen durch die Räc⸗ gewinnung von Fett aus den Abwässern und Verarbeitung des Kiir. schlammes nach den Vorschlägen von Dr. Besemfelder ewomnen werden. Beachtenswert erscheint auch der Vorschlag des Oberamt⸗ manns Gizimek, ꝛwecks Sich rstellung der Selbstversorgung der Städte mit Gemüse, Kartoffeln, Obst, Milch, Fett usw. die Städte mit einem Kranz von Gärtnereikoloenen zu umgeben, denen das städtische Akwasser zur Besprengung und Düngung ihrer Felder zur Verfügung gestellt wird.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause geht morgen, Donnerstag, „Arda“ in Szene. Die Amneris bezw. den Radames singen Fräust Sabine Kaster vom Stadttheater in Hamburg und Herr Jos ph Mann vem Hoftheater in Darmstadt als Gäste auf Anstellung. Musikalischer Leiter ist der Generalmusikdirektor Dr. Strauß. Anfang 7 Uhr.

Im Königlichen Schauspielbause wird morgen „Flacht. mann als Erzieher“ in der gewohnten Besetzung gegeben. h

In der am Soauntagnachmittag im Deutschen Theater stattfludenden Vorstellung zugunsten des 2. Garderegiments . f. im Felde wirken mit; Parl ZBiensfeldt, Bruno Decarli, Else Eckersberg, Otte Gebühr, Willi Prager, Auguste Pünkösdy, Magnuß Stifter, Johanna Terwin, Hermann Thimig, Hans Waßmann und Kläre Waldoff. Aufgeführt werden das Genrebild „Kurmärker und Picarde“ und Gustav Kadelburgs Schwanr „In Zivil“. Zoschen beide Einakter ist ein bunter Teil eingefügt.

Mary Zimmermann, die Ballettmeisterin des Deutschen Opernhauses veranstaltet im Theatersaal der Kal. Hochschule für Musik am Freitag, den 14, und Montag, den 17. Dezember, Abende 7 ½ Uhr, zwei Tanzabende mit ihren Schalerinnen und den Kindem ihrer Ballettschule.

Mannigfaltiges. 1

In der Deutsch⸗Aftatischen Gesellschaft hält an 14. d. M., Abends 8 Uhr (im Künstlerhaus, Belleynestraße 3), der Missionedirektor Pfarrer Dr. J. Witte, Ktel, einen Lechtbi derrvotttag üver das Thema „Die Bedeutung der deutschen Geisteskultur für die ostasiatischen Völker und die deutschen Interessen“.

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München, 11. Dezember. (W. T. B.) Die Reshs den Waffenbrüderliche Vereinigung, Ortsgruppe München, hat ihre erne öffentliche Veranstaltung in Süddeutschland abgehalten. Seine Majestät der König, der sernen Besuch zugesagt hatte, war am Erscheinen durch den Besuch des Fürsten zur Lippe verhindert. Das Mtnistertum war anwesend. Die einleitende Ansprache hielt der Oberbürgermeister Rütter von Borscht über die Ziele der Ver⸗ einigung. Daran schloß sich die Begrüßung durch den Ministerial⸗ direktor Just⸗Berlin, der im Namen des Präsidiums der Gesamt⸗ veresnigung üͤber die Organisation swrach. Der Geheime Regserungt⸗ rat Flamm, Professor an der Technischen Hochschule in Charlotien⸗ burg, hielt einen Festvortrag über die Möglichkeiten und Ziele mittekeuropäischer Binnensch ffahꝛt alb Grundlage Mittteleuropaz. Das Hauptgewicht legte er auf den Mittellandkanal und den Rheimn- Main Donaukanal. Für den Ausbau entscheidend seien die He⸗ dürfnisse der Schiffahrt. Bezüglich der Größe der So efäße sagte er, der Wass rdau habe sich den Bedürfnissen von iffahrt und Handel anzupassen.

London, 11. Dezember. (W. T. B.) Times“ meldet aus New York, daß in Halifax sechs Hafendämme vernichtet worden seien. Von 550 Kindern, die zur Zeit der Explosion in den Schulen waren, seien nur 7 dem Tode entronnen. Lyoner Blätter melden aus Halifax Die Ueberlebenden von dem norwegischen Dampfer „Jowa“ werden wegen der von der englischen Admiralitit brbelenreren Untersuchung einschließlich Kapitän und Lotse in Haft

ehalten.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Theater.

Aönigliche Schauspiele. Donnerst.: Opernhaus. 274. Dauet⸗ beiuvgsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Aida. Oper in vier Akten (7 Bildern) von G. Verdi. Text von Antonio Ghislanzoni, für die deutsche Bühne bearbeiter von Julius Scha Musikalische Leitung: Herr Generalmusikdirektor Dr. Strauß. Spiel⸗ leitung: Herr Bachmann. Ballett: Herr Ballettmeister Graeb. Chöre: Herr Prosessor Rüdel. (Amneris: Fräulein Sabine Kalter vom Staditheater in Hambaurg als Gast. R dames: Perr Joseph Mann vom Hoftheater in Darmstadt als Gaft.) Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 279. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehrben. Flachsmann als Erzieher. Lustspiel in drei Aufzügen von Otto Ernst. Spielleitung: Herr Oken⸗ spielleiter Patry. Anfang 7 ½ Uh:.

Freitag: Opernhaus. 275. Dauerbezugsvorstellung. Martha. Romontisch⸗komische Oper ia 4 Akten von Friedrich von Flae Tert (teilweise nach dem Plane des Saint Georges) von Wilheln Friedrich. Anfang 7 ½ Uhr.

.eh ben 280. Dauerbezugsvorstellung. Nathan der Weise. Dramattsches (Gedicht in fünf Aufzügen von dessing⸗ Spꝛel⸗ leitung: Herr Dr. Bruck. Anfang 7 Uhr. 1“

Familiennachrichten. Verlobt: Frl. Anni Habedanck mit 8 tmann Ulrich vor Lb . Fehnmnh; 8 Sance mt .

Verehelicht: Hr. Christian Günther Graf von Benmstorff uüt Mrs. Marguerite Vivienne Bentker üeh. g UKonstantinopel

Geboren; Ein Sohn: Hrn. Landrat Alexander von Marttu⸗ (Darkehmen).

Gestorben: Hr. Oberst 1. D. Feitz von Malachowekl (Brahman)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Eharlottenbarg Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftefnee 8 chnungsrat Mengering in Berlin. 1

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berltn.

Druck der Nordheutschen Buchdruckerei und Verlagsenstalle 3 Serlin, Wildelmstraße . ——

Vier Beilagen. 8

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Erste Beila

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gsanzeiget und Königlich Preußischen

Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember

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NFartlamentsbericht.

Preußischer Landtag. 85 Haus der Abgeordneten. 105. Sitzung vom 11. Dezember 1917, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphen⸗Büro.) eber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt zunächst die erste Beratung der Gesetz⸗ entwürfe, betreffend die Wahlen zum Abgeord⸗ netenhause, die Zusammensetzung des Her⸗ renhauses und die Abänderung der Artikel 62 und 99 der Verfassungsurkunde, oort.

Abg. Ströbel (U. Soz.): Fengssakibe, Zentrum und Na⸗ kionalliberale wollen die demokratische Wahlrechtsreform verhindern, sie wollen das alte stockreaktionäre Preußen konservieren. Der Mi⸗ litarismus ist gewissermaßen die konzentrierte Säure, der Geist des Alten. Die Junker haben noch jeder wirklichen Reform widerstrebt. Sie erklären jetzt, daß die Zeit des Stillehaltens für die Konser⸗ pativen vorbei sei; wer sie angreife, das heißt, ihre Vorrechte antaste, soll doppelte Hiebe dafür bekommen. Die Konservpativen sind also so kampflustig wie nur je, aber die Regierung scheint keine Lust zu haben, den Kampf aufainsh men. Sonst müßte sie schleunigst Neu⸗ wahlen anordnen und die Linke, auch die unabhängigen Sozialdemo⸗ kraten ungehindert im ganzen Lande Wahlagitation treiben lassen. Wir wollten uns mit unseren Wählern verständigen, wie sie über die Wahlrechtsvorlage denken, aber das Oberkommando hat unsere Ver⸗ sammlungen verboten, während die Alldeutschen natürlich jeder Zeit öffentliche Versammlungen abhalten dürfen, auch hier im Saale des Abgeordnetenhauses. Der Minister hat erklärt, dagegen nichts machen zu können, weil die Militärbehörden diese Anordnungen tref⸗ fen. Wenn selbst die Minister ohnmächtig sind, müßte doch gegen riese allmächtige, unerhörte Militärdiktatur Sturm gelaufen werden. Aber Junkertum und Militärgewalt haben jetzt fester denn je das Heft in der Hand. Zentrum, Nationalliberale und Konservative be⸗ mühen sich, das gleiche Wahlrecht unschädlich zu machen; durch das Proportionalwahlrecht soll es verschandelt werden. Das Propor⸗ tonalwahlrecht soll nur ausnahmsweise in den großen Städten gel⸗ ten, wo die Minderheiten aus den reaktionären Elementen bestehen, damit diese zur Geltung kommen. Im ganzen übrigen Lande sollen die Minderheiten dusFcfchlesses sein. e verstorbener Freund Singer hat das Proportionalwahlrecht nur als Ausnahmezustand in Herbin abgelehnt. Die Verhältniswahl ist uns jederzeit willkom⸗ men, wenn sie allgemein im ganzen Lande eingeführt wird, aber als Ausnahme in den großen Städten allein bedeutet sie nur eine reak⸗ tonäres Manöver, um der Arbeiterschaft die paar Mandate, die sie hat, noch abzuknöpfen. Die Regierungssozialisten haben durch ihre Lobpreisungen für diese Vorlage die Re ierung förmlich aufgemun⸗ tert, sich von den Konservativen recht viel abhandeln zu lassen. Die Diskussion hier und in der Frssse befaßt sich fast endlos mit den Interessen und Rechten der Krone und wie sie am besten gewahrt werden könnten; also nicht um die Rechte und die Wohlfahrt der aüon, sondern um die Vorteile und Nachteile, um das Wollen oder Nichtwollen einer einzelnen Person dreht sich die ganze Erörterung, dovon soll schließlich die Gestaltung unserer politischen Rechte ab⸗ finzg sein! So weit geht man ja nicht einmal im Reich der Mitte, in China. Es scheint, als ob Deutschland eineinhalb Jahrtausende in der Zeitrechnung zurückgeblieben wäre. Herr von der Osten hat ein offenes Bekenntnis zu dem „und der König absolut, wenn er uns den Willen tut“ abgelegt. Die konservative Königstreue besteht in der Bevormundung der Krone, ihr Nationalismus in der Bevor⸗ mundung der Volksmassen. Die Veröffentlichung der geheimen Kriegsdokumente in Rußland benutzt man bei uns, um mit Fingern auf die gegnerische Diplomatie zu zeigen und sie an den Pranger zu stellen; aber die schlimmen Dinge, die auch unsere eigene Diplomatie auf dem Gewissen hat, darüber werden dem deutschen Volke die Augen nicht geöffnet und auch die abhängige Sozialdemokratie gehört zu diesen Hehlern und macht sich damit einer direkten Begünstigung und Stär⸗ kung des deutschen Militarismus schuldig. Die Geheimverträge der Entente sind ja zerrissen, seitdem Rußland sich vom Eroberungskrieg losgesagt hat. Auch in Deutschland sollte jetzt endlich die Stimme der Vernunft gehört werden, sollte man die friedlichen Ziele genau formulieren, sollte man alle machtpolitischen Gelüste rücksichtslos niederkämpfen. Mit Worten aber, wie denen des neuen Reichskanz⸗ jers, Zden Sieg der Waffen kann uns niemand mehr entreißen“, mit den Aeußerungen im neuesten Interwview von Hindenburg und Luden⸗ dorff, peitscht man den Kriegswillen der Gegner nur aufs äußerste aus. Man sollte ehrlich um das Vertrauen der Ententevölker werben, und zwar durch Taten. Rußland hat den ersten Schritt getan; wann wird Deutschland den zweiten tun? Die alte Heimlichtuerei muß endlich über Bord geworfen werden. Unter der allgemeinen Aechtung des Auslandes leidet das deutsche Volk aufs schwerste. Wie lange soll der Krieg noch dauern, wie viele Millionen sollen ihm noch zum Spfer fallen? Unsere Militärs denken ja, in wenigen Monaten den Hieg davon zu tragen, aber das hoffen sie doch schon seit drei⸗ einhalb Jahren. Inzwischen kommen weitere zwei Millionen Engländer und mindestens zwei Millionen Amerikaner, von denen einige Hun⸗ derttausende schon auf französischem Boden stehen, bei dem Gegner binzu, do kann, wenn der Erfolg in den nächsten Monaten ausbleibt, der Krieg noch zwei bis drei Jahre länger dauern. Es ist verhäng⸗ nisvoll, die Kraft Amerikas zu unterschätzen, und England hat trotz U⸗Bootkrieges immer noch eine ausreichende Zufuhr. England 88- Amerika können nach dem Kriege sofort die Friedensproduktion zufnehmen, da sie über Rohmaterial in Hülle und Fülle verfügen. veraüde sind gänzlich davon entblößt. Deutschlands militärische techn se sind nicht sowohl auf die Heeresleistungen als auf seine echnis eindustrielle Ueberlegenheit, seinen Reichtum an Kohle und en, sein gutes Eisenbahnnetz zurückzuführen. Dieses Verhältnis mt schon das Eingreifen Englands geändert, das Eingreifen Amerikas sold. darin eine weitere Verschiebung hervorbringen. Dieses Moment vcjan bei der Beurteilung des weiteren Verlaufs des Krieges schen Vloldens peinlich würdigen. Wir haben die Pflicht, dem deut⸗ e ke die Wahrheit zu sagen. Diese ist: Nicht baldiger Frie⸗ 18 veg sondern Verständigungsfrieden oder Zusammenbruch. und vecfähehe Regierung, die Militärdiktatur läßt nur verstümmelt Deutf vhü scht die wahre Gesinnung der russischen Regierung in Spfer deche veröffentlichen. Herr von der Osten verwies auf die e . eussischen Revolution. Diese sind ein winziges Bächlein Blut 8 von Blut während dieses Krieges. Das russische der Fne geflossen für die Freiheit, das der übrigen Nationen hat nur Revolutgh haft gedient. Man sollte doch die Kraft der russischen dher h sehs noht unterschätzen. Sie ist jetzt militärisch ohnmächtig, Wochen 6 onaten kann es anders sein. Schon hat sich in wenigen volution will zerpflegung außerordentlich gebessert. Die russische Re⸗ Dr. Frlexill den allgemeinen Frieden. Der nationalliberale Minister Verhandlunge sollte seinen ganzen Einfluß dafür aufwenden, daß die

Hanblungen mit Rußland zu allgemeinen gemacht werden. Es ist 1

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aber bezeichnend, daß die deutsche Regierung den unabhängigen Sozialisten, die nach Stockholm gehen wollten, die Pässe verweigert hat. Die Regierung glaubt wohl jetzt, die Sozialisten nicht mehr nötig zu haben. So wird es wohl auch mit dem Wahlrecht gehen. In zwei bis drei Monaten muß sich entscheiden, ob der Krieg weiter⸗ geht. Sollte sich die Hoffnung des deutschen Volkes auf einen demo⸗ kratischen Frieden nicht verwirklichen, dann werden die Massen in Europa von selbst losbrechen. Wir werden das Ende dieses Krieges nimmer erblicken, dieser Krieg verschlingt uns alle.

Abg. Dr. Rewoldt (freikons.): Von der Rede des Abg. Ströbel will ich nur das Eine sagen: Sie verdiente auf Beschluß der fran⸗ zösischen Deputiertenkammer in allen Gemeinden Frankreichs öffentlich angeschlagen zu werden. (Sehr richtig! rechts.) Was die Zusammen⸗ setzung des Herrenhauses betrifft, so hat der Deutsche Handelstag das Präsentationsrecht der sechsunddreißig Leiter größerer Unternehmungen in einer Eingabe scharf bekämpft; er will dieses Recht nur den Handelskammern einräumen. Dagegen hat nun die Industrie, vor allem durch den Zentralverband deutscher Industrieller, protestiert. In vielen großen Industriebezirken bestehe überhaupt keine Handels⸗ kammer. Der Zentralverband umfaßt eine große Zahl von Vereinen und einzelnen Mitgliedern, ebenso der Bund der Industriellen. Im Kriege haben sich die Industriellen zu einem Industrierat vereinigt. Dieser Industrierat scheint besonders geeignet, die zu Mitgliedern des Herrenhauses zu entsendenden Mitglieder zu präsentieren. Der Vor⸗ schlag des Handelstages muß daher zurückgewiesen werden. Die deutsche Industrie ist in den letzten Jahrzehnten so mächtig geworden, daß sie tatsächlich den Handel überflügelt hat, sogar in großen Provinzialstädten wie Cöln, Hannover, Magdeburg. Die Industrie verlangt, daß die Vertreter für das Herrenhaus von den industriellen Verbänden präsentiert werden. Die Berufung von Arbeitervertretern wird am besten der Berufung des Königs überlassen. Es muß un⸗ bedingt vermieden werden, daß die Tribüne des Herrenhauses zum Tummelplatze sozialdemokratischer Reden wird. Bei fortschreitender Entwicklung des Staatsbewußtseins unter den Arbeitern könnte man ja später einer präsentierten Vertretung der Arbeiter nähertreten. Die notwendige Folge der Einführung des gleichen Wahlrechtes im preußischen Staate wäre auch die in den Gemeinden. Es könnte so⸗ gar in Frage kommen, ob es nicht richtiger wäre, sie zuerst in Ge⸗ meinden, oder wenigstens gleichzeitig, einzuführen. Herr Ströbel erwähnte, die Regierung hatte noch andere Wege, es gabe auch eine Oktroyierung des Wahlrechtes. Es ist außerordentlich interessant, gerade von Herrn Ströbel solche Aeußerung zu vernehmen. In welchen Paroxismus würde Herr Ströbel geraten, wenn von anderer Seite bei einer ihm und seinen Freunden nicht passenden Angelegenheit ein derartiger Vorschlag gemacht würde. Die Drohung mit der Auf⸗ zwingung von Reichs wegen darf auf die pflichtbewußten preußischen Abgeordneten keinen Eindruck machen. Das preußische Wahlrecht ist eine Angelegenheit, die der preußische König mit seinen beiden Häusern des Landtages ganz allein abzumachen hat. Jeder Bundesstaat, groß oder klein, kann und muß verlangen, daß das Reich von den inneren Angelegenheiten der Bundesstaͤaten die Hand läßt. Jeder Minister muß gewarnt werden, mit einem solchen Gedanken zu spielen. Wohin die Reise gehen soll, das ergibt die Aeußerung über die gewünschte Beseitigung des Herrenhauses. Eine feste Verankerung des Herren⸗ hauses ist erwünscht. Es ist aber auch notwendig, daß das Abgeord⸗ netenhaus gegen eine demokratische Vorherrschaft gesichert ist. Der preußische Staat ist das feste Fundament, auf dem das Deutsche Reich aufgebaut ist. Den Bau unserer Väter wollen wir, soweit es an uns liegt, in seinem Fundamente, in dem preußischen Staate, erhalten. Diesen Bau wollen wir nach innen nicht unterminieren lassen. Wir wollen Deutschlands führenden Staat als festen Kern erhalten. Wir dürfen uns nicht den Vorwurf machen lassen, daß die Enkel verdorben haben, was die Väter aufgebaut haben. Der Grundsatz des Hohen⸗ zollernhauses ist nicht der, alles gleichmachen, sondern: „Suum cuique!“ Das soll auch der Grundsatz des preußischen Staates bleiben: „Jedem das Seine!“ (Beifall rechts.)

Ein Antrag auf Schluß der Debatte wird angenommen und die Besprechung beschlossen. .“

Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte wird mit Rück⸗ auf die Notwendigkeit einer Vertretung der polnischen Fraktion im Ausschuß die Niedersetzung eines Ausschusses von 35 Mitgliedern beschlossen, nachdem vorher der Antrag Pachnicke, zwei Ausschüsse von je 28 Mitgliedern für die Vorlagen einzusetzen, gegen eine kleine Minderheit abgelehnt. worden ist. 1

Zur Verhandlung gelangt sodann der schleunige Antrag sämtlicher bürgerlichen Parteien:

„Die Staatsregierung zu ersuchen, baldigst Maßregeln zu er⸗ greifen, wodurch der Verkauf von Kunstwerken nicht mehr lebender Meister in das Aus.⸗hand verboten oder durch entsprechende Ausfuhrabgaben erschwert wird.“

Abg. Dr. Kaufmann (Gentr.) weist zur Begründung des Antrages unter anderem auf die jüngsten Kunstauktionen in Berlin und ihre Ergebnisse hin, wodurch eine große Anzahl deutscher Kunst⸗ werke Feehn im Kriege ins neutrale und über Lübeck auch in das feindli e Ausland nach England und Amerika gewandert sind. Auf diesen Kunstauktionen hätten sich viele Mißbräuche geltend gemacht; außerdem seien in Deutschland eine Menge von Aufkäufern tätig, um Kunstwerke aufzuspüren und ins Ausland zu verkaufen; ebenso be⸗ reibe dasselbe Geschäft ein bekannter Berliner Kunsthändler von der Schweiz aus. Auf den Auktionen führe nicht mehr die Liebe zur Kunst das Szepter, sondern ein rein geschäftliches, ein Spekulations⸗ interesse mache sich breit. In diesen Versteigerungen werden auch so⸗ bald kein Stillstand eintreten; für die nächste Zeit seien schon wieder drei Sammlungen zum Verkauf angekündigt, die zehn bis zwölf Millionen Wert repräsentieren. Es stehe befürchten, daß so all⸗ mählich ein Viertel, vielleicht sogar eim Drittel aller deutscher Kunst⸗ werke unter den Hammer kommen. Diese unersetzlichen Verluste muß jetzt jeder gute Deutsche beklagen. Einer der Gründe dafür sei in dem Stande der deutschen Valuta zu suchen; das Ausland kaufe jetzt deutsche Kunstwerke zum halben Preise. Gegenüber dem unver⸗

gänglichen Werte unserer deutschen Kunstwerke hätten sonst billigens.

werte Rücksichten zurückzutreten. Die riesige Steigerung der Preise hindere den Handet gar nicht an diesem Geschäft, da er bei dem Ab⸗ satz an das Ausland doch wieder auf seine Kosten komme Die Leid⸗ tragenden wären aber zunächst das deutsche Volk, dann deutschen Kommunen und die deutschen Museen, aber auch die Besitzer der 1“ Es könne auffallen, weshalb die Regierung bis⸗ her keine Gegenmaßregeln ergriffen habe. Andere Länder besäßen selbst solche Beschränkungen, wie sie der Antrag fordere. Bahn⸗ brechend seien dabei der Kirchenstaat und Italien gewesen. Auch Griechenland und die Türkei hätten ähnliche Gesetze, und Rußland sei damit vor wenigen Monaten nachgefolgt. Einzig erfolgreich könne für Deutschland nur ein Reichsgesetz sein, aber die Staats⸗ regierung sei doch in der Lage, für die Kriegs⸗ und Uebergangszeit auf den Erlaß einer entsprechenden Bundesratsverordnung hinzu⸗ wirken. Geschützt werden müßten alle Kunstwerke, die einen hervor⸗ ragenden historischen, literarischen oder Kunstwert besitzen. Für Streitfälle müßte ein unparteiisches sachverständiges Schiedsgericht bestellt werden. Notwendig aber sei unverzügliche Abhilfe, also werde man um ein Ausfuhrverbot nicht herumkommen. Im Interesse des Handels sei abzusehen von dem Verbot des Verkaufs von Kunst⸗ werken lebender Künstler; doch sei auch hier eine Anzeigepflicht in Erwägung zu ziehen. Unsere Kultur⸗ und Kunstgüter seien keine

Handelsware, sondern ein idealer Besitz, der dem Volke gesichert wer⸗

den müsse; und jeder Mißstimmung der Handelsinteressen zum Trotz müsse hier fest zugegriffen werden. Das Haus werde hoffentlich den Antrag einstimmig annehmen.

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten Dr. Schmidt:

Meine Herren! Ich brauche nicht zu sagen, daß mir der Grund⸗ gedanke dieses Antrages sehr sympathisch ist. Ich studiere die ob⸗ waltenden Schäden seit langem und habe den kunstsinnigen und sach⸗ verständigen Ausführungen des Herrn Vorredners in sachlicher Be⸗ ziehung kaum etwas hinzuzufügen. Er selbst ist in sehr freundlicher Weise der Annahme entgegengetreten, als wenn gerade das Kultusministerium oder die preußische Kunstverwaltung diesen Zuständen gegenüber die Augen verschlösse. Die Zustände sind allerdings besorgniserregend genug. Mit Recht ist her⸗ vorgehoben, daß hier in Berlin der Kunsthandel und die Kunstauktionen zu schwindelnden Ergebnissen gekommen sind. Wir hören daneben, obgleich wir es nicht im einzelnen verfolgen können, daß auch der an Einzelwerten weniger in Betracht kommende, aber sozial wichtige ältere Besitz der Familien mehr und mehr durch Machenschaften ge⸗ schickter Händler in Fluß gerät und den Familien entzogen wird.

Nun bin ich der letzte, der der Entfaltung des Kunsthandels ent⸗ gegentreten möchte, und ich möchte ausdrücklich feststellen, daß wir die großen Ergebnisse namentlich in der Füllung unserer Museen mit der verständnisvollen Mitwirkung auch von Kunsthändlern verdanken. (Sehr richtig!) Wir haben in den letzten dreißig Jahren, wie ja auch der Herr Vorredner andeutet, sehr viel mehr Kunstwerke vom Auslande bezogen als dahin abgegeben, und wenn er speziell auf ein Ausfuhrgesetz hingewieseu hat, so war eigentlich die Haupt⸗ frage, ob wir uns dauernd ein Ausfuhrverbot wünschen können und wünschen sollen. Der Generaldirektor unserer Museen, der, wie Sie wissen, heute eigentlich der sachverständigste auf diesem Ge⸗ biete ist, hat vor dem Kriege immer abgewinkt (sehr richtig!), und ob er nach dem Kriege ein Ausfuhrverbot haben möchte, ist mir zweifelhaft. Das wird ja davon abhängen, wieviel Kaufkraft dann im Lande vorhanden sein wird und wie weit man also hoffen kann vom Auslande zu erwerben.

Diese Tatsachen stehen aber natürlich der Auffassung nicht entgegen, daß unser Vaterland sich im Augenblick im Zu⸗ stande des Ausgeplündertwerdens befindet, in einem für uns höchst bedauerlichen Zustande. Wie dem beizukommen ist, haben wir seit langem überlegt. Unter den Abhilfsmaßregeln, die der Herr Vor⸗ redner genannt hat, war, soviel ich verstand, auch eine Einschränkung der Auktionen. Das muß überlegt werden, und ich hoffe, daß wir darüber zu einer Verständigung kommen.

Im übrigen kommt für Maßnahmen auf diesem Gebiete in Frage, daß wir doch verschiedene Bundesstaaten haben und keine Zollgrenze innerhalb des Landes mehr kennen der Antrag richtet sich ja auch nicht gegen die andern Bundes⸗ staaten, sondern gegen das Ausland —, und daß wir infolgedessen vielfach gehindert sind, allein, ohne eine Verständigung mit den andern Bundesstaaten, vorzugehen, in denen die Verhältnisse sich nicht ganz gleichartig entwickelt haben, beispielsweise in Bavern, wo der Kunsthandel eine sehr große Rolle spielt und wo ja überhaupt die Kunst und die Kunstpflege so bedeutend ist, daß wir dringend wünschen möchten, zu einheitlichen Maßnahmen zu kommen.

Meine Herren, neben gewissen Beschränkungen bei den Kunst⸗ auktionen könnte man ja wohl auch an eine Inventarisation des wertvollsten Kunstbesitzes denken. Das ist ein Weg, von dem es heißt, daß er in England jetzt, während des Krieges, beschritten worden wäre. Ich weiß nicht, ob wir vielleicht dazu übergehen müssen. Immerhin möchte ich hervorheben das ist namentlich bei unserem Ausgrabungsgesetz zutage getreten —, daß auch in diesem Hause eine gewisse Scheu vor Beschränkungen des Privat⸗ eigentums obgewaltet hat, und so wenig man den Eigentums⸗ begriff irgendwie überspannen darf, so wird man sich doch fragen, wie weit man bei der internationalen Lage des Kunsthandels gehen darf, um Dinge, die nun einmal im freien Besitze eines einzelnen Mannes sind, mit Beschlag zu belegen.

Ich will auf sonstige Möglichkeiten heute nicht weiter eingehen. Die Frage des Ausfuhrverbots, wenigstens eines vorläufigen und be⸗ schränkten Ausfuhrverbots, bildet schon länger als ein Jahr den Gegenstand der Erwägungen der Staatsregierung. Die Verhandlungen schweben gegenwärtig im Bundesrat, und ich hoffe, daß sie dort zu einem gedeihlichen Abschluß kommen werden. Immerhin fühle ich mich verpflichtet, hier auszusprechen, daß die Be⸗ denken und die Zweifel, die geltend gemacht werden, nicht überschätzt werden dürfen. Es sind eben sehr schwierige Verhältnisse. Auf die Beziehungen zu den anderen Bundesstaaten habe ich bereits hin⸗ gewiesen. Die Schwierigkeit, Prüfungsstellen einzurichten, die die Ausfuhr wirklich hindern, ist gar nicht zu verkennen. Sie selbst wissen, welche ungeheuren Aufgaben unserer Zollverwaltung sonst obliegen, und daß es sehr schwer sein wird, auf diesem Ge⸗ biete besonderen Sachverstandes immer die richtigen Maßnahmen zu treffen. Wenn sie aber nicht getroffen werden, dann sind wir gern bereit, die vorkommenden Mißgriffe nicht gerade zu beschönigen, sondern in gebührender Weise zur Kenntnis der Oeffentlichkeit zu bringen. Die Prüfungsstellen, von denen der Herr Vorredner gesprochen hat, würden nach vielen Richtungen Sicherheit bieten. Aber bei der Schwierig⸗ keit, z. B. ein modernes Gemälde von einem älteren Gemälde, ein Originalgemälde von einer Kopie oder einem Kunstdruck zu unterscheiden, wird man damit rechnen müssen, daß damit eine Erschwerung der Ausfuhr auch bei solchen Dingen verbunden sein würde, die wir an und für sich gern aus dem Lande gehen lassen und auf die wir keinen besonderen Wert legen. Jetzt im Kriege bei der Ueberlastung der Behörden und bei dem Mangel an geeigneten Kräften dürfen solche Umstände nicht verkannt werden, und sie werden von anderer Seite nicht ohne Grund geltend gemacht.

Schließlich ist auch der Valuta gedacht worden. Darüber möchte ich mich heute nicht äußern. Unsere Bankperhältnisse befinden