1918 / 13 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Jan 1918 18:00:01 GMT) scan diff

Rat, 1883 zum Geheimen Oberregierungsrat und 1897 zum Wukichen Geheimen Oberegierungerat und Direktor der Domär enabteilung auf; 1907 wurde ihm der Charakter als Wi kicher Geheimer Rat mit dem Prädeket Exzellenz verliehen. Am 1. Okrtober 1911 trat er in den Ruhestand und erhielt bei deser Gelegenbeit den Roten Adlerorden I. Kasse mit Eichenlaub. Den Krieg 1870/71 machte er als Kriegsfreiwillige im 2 Schweren Reservereiterregiment mit, trotzdem er 10 Jahre früher als Einjährig⸗Freimilliger wegen eines Armbruchs als dienstuntaualich entlaseen war. Während des Krieges wurde er zum Offizir befördert und erwarb das Eiserne Kreuz. Thiels Täutigkeit als Ministerialreferent war in erster Luie der Entwicklung des landwirtschafilichen Unter⸗ richtswesens gewidmet, dessen Ausbau auf allen Sufen hauptsächlich sein Verdienst ist. Daneben ließ er sich die Förderung der praktischen Landwirtschaft, gestützt auf eigene Erfabrung und im Verein mit den ersten Männern der lan wirtschaftlichen Proxis und Wisse schaft, angele en sein. Durchdrungen von der Ueberz ugung, doß die Interessen der Lanodwirtschaft nur dann genügende Berücksichtigung im öffent⸗ lichen Leben fir den werden, wenn sie einer gesetzlich geordneten Vertretung nicht entbehrte, wurde er der Vater des Gedankens der Landwirtschaftskammern, an deren Einrichtung in den ver⸗ schiedenen Provinzen er hervorragenden Anteil hat. Be⸗ sondere Aufmerksamkeit wandte er der Moor⸗ und Oedland⸗ kultur zu, und wenn heute weite Flächen, die ehemals ertraglos lagen in fruchtbares Nutzland umgewandelt sind und werden, so ist das zu nicht geringem Teil des Verdienst Thiels, der irsbesondere als lanagjähriger Vorsitzender der Zentral⸗ moorkommission alle Forischrute der Moorkulmur förderte und überoll wertvolle Arregugen gab Tviels Werde⸗ gana und sein umfassender wirtschaftlicher Blick lußen es nicht zu, daß en sich als Direktor der Domänen⸗ abteilung darauf beschräukte, in den Staatsdomänen ledig⸗ lich eine direkte Einnahmequelle für den Staat zu er⸗ bl cken. Ausgehend von der Totsoche, daß in denjenigen Landesteilen, wo die Landwirtschaft in höchster Blüte stand, letztere zu einem guten Teil der vorbildlichen Täligkeit der staͤatlichen Domänenpächter zu verdanken war, suchte er auch in jenen Provinzen, wo Domänenbesitz nicht vorhanden, aber wirtschoftlich ermwünscht war, diesen zu begründen. Er ist der Schopfer der Eifeldomänen, die für jenen landwutschaftlich zurückgebliebenen Landesteil anregende Vorbilder eines guten Betriebes aemworden sind. Auch im Osten des Stoate geb eis hat er den Domänenbesitz zur Förderung des landmirtschaftlichen Betriebes und zur Stärkung des Deutschtums erhebl ch vermehrt. Andererseits hat er me gezögert, für die innere Kolonisation, deren eifriger Förderer in Wort und Schrift er war, Domänen bereitzussellen. De bahnbrechen en ersten Domärenaufteisungen in Neu Vorpommern sind seu Werk. Den siagatlichen Wem bau hat er im Mosel⸗ und Naheg biet ein eführt. Im großen Umfange hat er hier geringwertige Eicher schälwaldungen in Weinberge ver⸗ wandelt, die heute dem Stact reiche Erträge bringen und besonders zur Hebung des Rufes des Naheweines hervorragend beigetragen haben. Mit der die Reiche houptstadt Berlm nahe berühren den Umwandlung der Tomäne Dahtem in eine Landhauskolonie und Stätte der Wissenschaft und Forschung ist Thieis Name eng verknüpft. Er trat 1900 als erster dafür ein, daß Dahlem nicht weiter verpachtet, sondern aufgeteilt werde. Und den genialen Planen Althoffs, der zoblreichen wsssenschaft⸗ lichen und Forschungsinstituten in Dahlem eine Heim⸗ stätte schaff n wollte, brachte Thiel, der ehemalige Hochschulprofessor, volles Verständnis enigegen. As Vor⸗ sitzender der Kommission zur Auflteisung von Dahlem hat Thiel auf die G staltung der neuen Kolonie 10 Jah e hindurch entscheidenden Emfluß geübt, nur zum Heile des großen Unter⸗ nehmens Die nach ihm benaunten Pätze und Alleen haben seinen Namen in ganz Berlin populär gemacht. Dem boch⸗ verehrien Mann wird nicht nur im Preußischen Landwirtschafts⸗ ministerium, dem er fast 40 Jahre angehört hat, sondern in der ganzen deutschen Landwirlschaft immerdar ein ehrendes Andenken bewahrt werden.

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Bayern. Dem Landtag ist die m der Rede des Finanzministers zum Haushalt angekündigte Vorlage zur Fortführung der Aenderung der direkten Steuern zugegangen. Die

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gesetzes, eines Gesetzes zur Abänderung des Einkommensteuer⸗ esetzes, eines Gesetzes zur Abänderung des Hauessteuergesetzes, eines Gesetzes zur Abänderung des Umlagengesetzes, eines Ge⸗ setzes zur Abänderung des Kapitaltentengesetzes, eines Gesetzes zur Abänderung des Ei führungsgesetzes und endlich emes Gesetzes zur Abänderung der Kircheng meindeordnung und der beiden Gemeindeordnungen für die Landesteile rechts und links des Rhems. Die Vorlage trägt in ihrer Gesamtheit sozialen Gesichtspunkten Rechnung.

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ESFroßbritannien und Jrland. b

Der Erste Lord der Admiralität Sir Eric Geddes teilte im Unterhause mit, daß ein vom Oberbefehlshaber der großen Flotte eingesetzter Untersuchungsgerichtshof sich mit den Umständen beschäftiat habe, unter denen der Angriff auf den skandinavischen Geleitzug im Jahre 1917 statt⸗ gefunden habe, in dessen Verlauf der Torpedobootszerstörer „Potidge“ gesunken und der To pedobootszerstörer „Pelew“ heschädiat mworden sei. Geddes teilte weiter dem „Reuterschen Büro“ zufolge mit:

Oer Aomitartatsrat habe den Befund des Gerschts hofs, der aus den Admiralen Sturdee, d- Robeck und Goodenough bestand, nach sor fälliger Erwägung b stätigt und sei der Meinuno, daß de Glit⸗ schiffe ihr Bestes getan kätten, um den Zug zu schützen. Sie hätten in rechter Seemannswe se cekän pft. Die anderen S estreirkrofte, die zu jener Zeit in der Nor see kreuzten, hätten all⸗ l'ichen Schritte getan, um zu Hilfe zu kommen und ein Entweichen des Feindes zu verhindern. „Auf Grund der Meinung des Admirals Beatty bin ich in der Lage zu erklären“, fuhr Geddes fort, „daß der Admi⸗ ralitätsrat ferner der Meinung ist, daß die Umstände, die die Be⸗ deckungskräfte daran hinderten, im Augenblick des Ang iffs zur Stelle zu sein, nicht vermieven werden konnten. Der Rat ist der Meiaurg, daß dite Marnahmen des Oberkommandierenden die besten ge⸗ wesen seien, die mit den zur Verfuvung stehenden Streitkräften getroffen werden konnten. Was den Anariff des Feindes auf einen Geleitzug vor der Nordostküste von England anlangt, so wurde di ser auf zwei neutrale Schiffe unternon men, die im Dunkel der Nacht vom 11. zum 12. Dezember von ihrem Geleitzuge, der

Vorlaae bringt, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, sieben Gesetzentwürfe, nrämlich den Entwurf eines Vermögene steuer⸗

in den frühen Morgenstunden des 12. Dezember angegriffen und ver⸗ senkt. Dee Mannschaft wurde gerettet bis auf zwei Maschinisten, die mit dem Schiff unte gingen. Kurz danach wurde das ancere neutral⸗ Sciff, das vom Helitzug abgekommen war, gleichfalls angeg eiffer. Die Manrschaft verließ das Schäff, das in zwet Tetle broch und in diesem Zutand in den Hafen geschlerpt wurde. Die Begleissch ff⸗ haiten ven dies m Angriff infolge der Entfernung, in der er sich voll⸗ zog, ke ne Kenntnis.“

Der Minister für Nationaldienst Sir Auckland Geddes führte im Unterhause zur Begründung des Mannschafts⸗ gesetzes (Men Power Bill), wie das „Wolffsche Telegraphen⸗ büro“ meldet, u. a. aus:

Es ist klor, daß wir uns vorberelten müssen, auf dem Schlacht⸗ eld eire größere Rolle zu spielen, bis Amerika herankommt, das bedeutet mehr Maͤnner für die Armee. Wenn wir die Marirne ond die Luftwaffen so vermehren, wie wir beabsichtigen, und die Armeen im Feld aufrechterhalten, ist es notwendig, angenblick⸗ ich daran zu ceben, im Lande 420 000 bis 450 000 Mann aus solchen, die jett im burgerlichen reben stehen, ouszuhbeben. Diese Z hien müssen als absolutes Mmimum brtiachter we den und es mag sehr meohl sein, daß die A sprüche der militä ischen nage Iim Jahre 1918 die Lushebuvng einer noch größeren Anzahl von Männern aus den Reihen der Industr earbeiter votwendig machen. Zu gleicher Z it merden wir jedoch eine große Zahl von Leuten aus den Truppenkörpern dem bürgerlichen Leben zurückgeben, sodaß die Verminrerurg unserer industriellen Stärke viel gertncer sem wire, als die Sesamtzahl der Neuausbebungen.“ Geddes kündigagte on, daß nicht beabsichtigt set, die untere Grenie des Dienstalters her⸗ ahzusetzen oder de orere Grenze zu erhöhen oder den Dienstzwang in Irland einzuführen. Auf die Beratungen mit den Gewerksch ften bezugnehmend, sagte Geddes, er würsche die Gelegenheit zu ergreisen, um seine bohe Anerkennung für den Grist, der, wie er gefunden h⸗be, die Führer der or anisierten Arbeit beseele, mit denen er fortlaufend die Bedürsnisse der Naion durchgesprochen hake, zum Ausdruck iu b ingen. Er boffe, daß das Land auf denelben Geist des Werständ isses absch bei den Mossen rechnen könne, denen von ihren Fuhrern ker dieser oder jener Gelegerheit, soweit ausführbor, die gleiche Opferwellixkeit gezeigt worden sei. Das Gesetz werde die selbständige zweimonatige Verlängerung der Befretung, deren sich g- genmwärtt gewiss⸗ Lebte in gewissen Beschäftigungen erfreuten, be⸗ seitigen. Der zoweite Pagraph sei dazu bestimmt, der Regierung durch Ve fügurg die Mackt zu geben, lle B freiu gsbesch ini ungen, die auf Grund der Beschaftigung erteilt wüörden, zurückzuziehen Heddes fügte binzu, solche Maßnahmen seien billigerweise notwendig, denn (s sfeien gegenwärng über eine Mihien Männer in Besitz von Beschein’'gungen, die sie vor dem Mili⸗ ärdtenst schüzten, die tatsächlich ungültig gemacht werden fönntn. Im Anschluß an die Rekrutierung t England sei erheb⸗ liche Arbeit dabi geleistet worden, die britischen Untertanrn, die ihren Wohr sitz auß rhalb des vereinte ten Königreichs außer den autonomen Dominten bätten, zu rekrutieren. Indem er nun die indust ielle Seite der Menschenf age bebandelte, sage G ddes, es seien Vereim⸗ karungen mit den Revierun sstellen getroffen, die für sich über 90 000 Männer verlangen. Der voraussichtliche Bedarf des Muni⸗ tionsministeriums, der Aemiralität und der anderen Apteilungen, die Arbeiter verwenden, betrage 439 000 und der Bedarf an Frauen sei 119 000. Von allen diesen Anforderungen sei di⸗ wichtigste die für die Arbeit in den Schiffswerften zum Bau von Schiffsraum für den Hondel. Gerdes e klärte, es sei eine erböhte Gelegenbeit gegehen, die Dienste verbündeter und neutraler Ausländer für Arbeit von nationaler Wichtigkeit in Gebrauch zu nehmen.

Der Arbeitsminister Roberts hat in Croydon eine 88 gehalten, in der er dem „Reuterschen Büro“ zufolge agte:

Alle wünschten das Ende des Krie⸗ges berbei, man könne aber nicht das Recht irgend einer Neton auf Weltberrschaft anerkennen. Während des Krieges babe er die Politit der Partei aufgeoeben und set einfach enalischer ger. Er kenne niemanden in der Regi⸗rung, der nicht nächtes Jahr den Krieg beenden würde, wenn es vereinbar wäre mit den bei Beginn des Krieges aufgesteltten Kriegszielen. Ehe die U sachen, die den Frieden ge stö t bätzen, nicht beseutgt seien, könne der Frieden nicht geschlossen werden. Er glaube nicht daran, daß die Soldaten als Revoluttonäre aus dem Felde zurücktehren wurden. Der vollkon mene Staat könne nur durch allmähliche Ent⸗ w ck ung zustande kommen. Die Wohlhabenden würden sich mit gatngerem Besitze begnügen, damit alle genug bätten. Er glaube nicht an Gleichh tt, aber es sei die Pflicht jeder geordneten Gesell⸗ schaft, dafür zu sorsen, daß jede Familie genug habe, um auskömmlich leben zu können.

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Frankreich.

Die Kammer erörterte gestern die Interpellation des sozialistischen Abgeordneten Lafont über die Maßnahmen, die die Regierung zu treffen gedenke, um den Rechtsgrundsätzen in der Angelegenheit der Untersuchung im Falle Caillaur Achtung zu verschaffen. 8 Laut Bericht der „Agence Havas“ wies Lafont darauf hin, daß gewisse Untersuchungen in Italien nicht ig Uebereinstimmung mit dem geltenden Recht stattgefunden hätten. Eme Formalität sei unbrachtet gelassen worden, nämlich die Anwesenheit des Angeklagten. Dieser könne darum die Echtheit des aufgefaͤnden n Schrif stückes bestreiten. Der Unterstaatssekretär IJ-nace erklärte, als man vor eint en Tagen von dem Vorhandensein eines dem Angeklagten ge⸗ börender Geldschrankes erfahren habe, hätte der Unten suchungsrichter die Behörden um Ernennung eines Untersuchungsausschusses gebeten, der sich an die italtenlsche Regierung zu wenden hätte. Von diesem

Augenolick an stände den Justizbehörden des fremden Landes die Oeff⸗ nung bes Geldschrankes zu. Dies sei in aller Ordnung und auf

loyale Weise gescheben. Die äußerste Linke erhob Emspruch. Die Mehrheit der. Kammer blieb ruhig. Der Ministerpräösident Clemenceau answortete von seinem Platze aus, er könre Lafont dasselbe atworten, was Jenace ihm gesa t habe, nämlich, daß die französische Justiz nur auf fion⸗ zösischem Gebet souvnän sei. Clemerceau sagte weiter: „Wir ordneken den Ausschuß an die italtenische Regierung ab. Diese ist eire ehrenbafte Regierong. Wir haben kein Recht zu den italienschen Bramten kein Vernauen zu baben und nicht zu glauben, daß die italtenische Regierong nicht nach dem Gesetz ver⸗ faecren ist. Und wenn sie es getan hätte, so wären wir nicht dafür verantwortlich.“

Die einfache, von der Regierung gebilligte Tagesordnung wurde mit 369 gegen 105 Stimmen angenommen.

Rußland.

Nach einer Meldung der „Agence Havas“ aus St. Peters⸗ burg wurden der rumänische Gesandte Diamandi und das Personal der Gesandtschaft am Sonnabend auf Befehl der Volksbeauftragten verhaftet und in der Peter⸗Paul⸗ Festung interniert. Die Ursache sei unbekannt. Die Ver⸗ haftung habe große Erregung hervorgerufen. Da aus Anlaß des Jahreswechsels kein Blatt erschien, sei sie nicht allgemein bekannt geworden. Das diplomatische Korps, auch das neutrale sei vom Doyen, dem amerikanischen Botschafter Francis, dringend zusammenberufen, um Einspruch zu erheben. 3

Der Volksbeauftragte Antonow meldet dem „Ni ksbeauftrac e ieuwe Rotterdamschen Courant“ zufolge, daß das Poueh⸗Vecen von Kaledins Truppen gesäubert und die Kohlen⸗ erzeugung in Händen der Bolschewiki sei. Das Getreide sei

südwärts ging, abgetrennt worden waren. Eins dieser Schiffe wurde

zur Versendung nach dem Norden beschlagnahmt worden.

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Die „Nationaltidende“ meldet, russischerseits sei finnischen Senat mitgeteilt worden, daß die russischen en satzungen von den finnischen Lotsenposten und Leughi türmen während des Krieges nicht zurückgezogen 8b würden. In der letzten Zeit seien Versuche unternommen worden, Telegramme auf schwedisch von Schweden nach Finen land zu senden; sie müßten den Weg über St. Peterbsün⸗ nehmen. „Stockholms Dagblad“ fordert nun die große nordisch Telegraphengesellschaft ouf, eines ihrer vier Ostseekabel für 2. schwedisch⸗finnischen Verkehr zur Verfügung zu stellen. .

Italien.

Wie der „Corriere della Sera“ mitteilt, wurde in dem vorgestrigen vierstündigen Ministerrat grundsätzlich ver einbart, daß der Ministerpräsident Orlando wahrscheinlich noch vor der Kammereröffnung ähnlich wie Wilson, Llon George und Pichon eine Rede halten soll, um den Stand punkt Italiens zur Friedensfrage festzulegen. Offiziös 8 lautet, die Kriegsziele sollten im wesentlichen in unveränderter Form bestätiat werden. Der Ministerrat soll auch einen vor⸗ zeitigen Zusammentritt der Kammer erörtert, jedoch abaelehnt haben, da Orlando bereits für die Teilnahme an der Parseer Beratung verpflichtet sei. .

Schweden.

Der Reichstag ist gestern zusammengetreten. de Staatsminister Eden teilte mit, der König habe den Grafen Hamilton zum Präsidenten und Odelberg zum Vize⸗ präsidenten der Ersten Kammer wiederernannt, und den früheren Vizepräsidenten Persson (liberal) zum Präsidenten und Herman Lindquist (Sozialdemokrat) zum Vizepräsidenten der

weiten Kammer ernannt. Die Kammern beschlossen, Glück⸗ wunschtesegramme an den Präsidenten des finnischen Landtags abzusenden. Heute wird der Reichstag mit einer Thronrede

eröffnet. Schweiz.

Ueber das am 29. Dezember abgeschlossene und vom Bundesrot genehmigte Wirtschaftsabkommen mit Frank⸗ reich macht das Volkswirtschaftsdepartement nach der „Schwei⸗ zerischen Depeschenagentur“ folgende Mitteilung:

Die Scywetz übernimmt durch dieses Abkommen die Verpflichtung, ene zu bildende schweizerische Fmanzorganisasion zur Gewahrung monatlicher Vorschusse an ein französisches Banke konso tium zu ermächtigen. Die Vorschüsse werden gegen Hinterlegung den Wartschriften und geuen Ausstellung von Dreimonazswechseln g⸗währt, die zwei erstklassige franzssische Unterschriften nagen. Die Rückzohlung des Vorschusses hat srätestens in dres Jahren zu ersolgen. Ein Teil des Kredits ist al⸗ Gegen⸗ leistung füͤr die Einfuhrbeweilligung gewisser schweizerischer Industrie⸗ erzeugnisse nach Frankreich anzusehen, hierunter fallen vamentlich die E zeugnisse der Uhren⸗, Bijouterie⸗, Stickeret⸗ und Texit industzie. Die monatliche Kreditsumme, die behufs Erleichterung der schwe ize ischen Einfuhr Frankeich zugestanden worden sst, beträgt 2 ½ Millionen Franken. Im übrigen ist die Höhe des Monatekredits, ähalch wie dies im Kohlenabkommen mit Deutschland bestimmt wurde, abhängsg von der Menge der ans und durch Frankreich in die Schweiz em⸗ geführten Waren. Eine gewisse Ginfuhr, ungefähr das Drittel der durchschnittlich in Betrocht kommenden Menge, bleibt vorschußfrei, für weitere Mengen werden Kredite gewährt, die mit der Zu⸗ nahme der Einfuhr nach einer bestimmten Skala progressid ansteigen. Teffen somit die für die Schweiz notwendigen Wmen nicht ein, so hat diese auch entsprechend kleinere Kredite zu genähren. Frankresch verpflichtet sich, der Schweiz eine gewifse Erleichterung auf wirtschaftlichem Gebtet⸗, und zwar in erster Linie für die Versorgung mit Lebensmitreln u d Rohstoffen, zu gewähren und daneben bestimmte Waren, wie z. B. die für die schwetzerische landwirtschaftliche Er⸗ ie gung unentbehrlichen Sämereien, zu liefern. Ist die Zuuhr be⸗ fredigend, so dürfte sich der gesamte Monatskredit, der seitens der Schweiz an das französische Konsortium zu leisten ist, ungetähr auf 12 ½ Millionen Franken belaufen. Mit böheren Einfuhrzißern kann kaum gerechnet werden, im Gegenrell steht zu befünchten, daß sich die Einfuhr unter diesen Ziffern halten wirdr.

Amerika. b

Der Präsident Wilson empfing am 10. d. M., wie „Daily Mail“ meldet, im Weißen Hause eine aus einer Reihe der angesehensten amerikanischen Buͤrger irischer Abkunft bestehende Abordnung, die ein Bronzestandbild des großen irischen Revolutionärs Robert Emmet überreichte. Phelan, Senator von Kalifornien, der an der Spitze der Abordnung vand, führte in einer kurzen Ansprache aus, daß die Iten das schwere, ihnen von England in der Vergangenheit zugefügte Unrecht zu vergessen bereit seien, falls man ihnen gemäß dem erklärten Kriegsziel der Verbündeten Freiheit oder auch nur Autonomie gewähre. Der Präsident nahm das Standbild dankend entgegen, enthielt sich aber jeder Erörterung der irischen Frage. Er machte lediglich eine freundliche und hoffnungsvolle Andeutung, daß der in Dublin tagende Irische Konvent bemüht sei, die Frage der zukünftigen Regierung Irlands zu lösen.

Auf Grund der Ergebnisse des Kriegsrats der Ver bündeten in Paris hat das amerikanische Schiffahrts. amt, wie „Reuter“ meldet, beschlossen, in London, Paris und Rom Vertretungen zu schoffen und in fast allen bedeutenden atlantischen Häsen Zweigstellen zu errichten. Es soll damit nicht nur die Kontrolle über die amerikanische Handelsschiffahrt wirksamer gemacht, sondern auch die vollständige Zusammen

werden.

Der persische Konsul in Tiflis teilt, dem Blatte „Weischerni⸗ zufolge, mit, daß die Entfernung der russischen Trupyen aus Persien schneller vor sich gehe, als man zu hosfen wagte. Nach amtlichen Angaben der persischen Regierung haben die russischen Truppen in Urmia alles geplündert und vernichtet. Folge dieser Pogrome ist, daß die Perser sich auf russisches Gebiet hinüberretten. 29

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Friedensverhandlungen in Brest⸗Litowsk.

. .“ 15. Januar. Am 14. Januar um 5 Uhr Nachmittags hielt die deusc⸗ österreichisch⸗ungarische⸗russische Kommission zur Beratung de territorialen Fragen ihre vierte Sitzung ab. b Sstaatesekretär Dr. von Kühlmann teilte mit, 9. die verbündeten Regierungen zu dem Entschlusse gekoma,

seien, die formulierten Vorschläge der russischen blich ordnung ihrerseits gleichfalls in formulierter Form mün 9 zu beantworten. Er müsse aber neuerlich darauf hi

weisen, er halte die Art, daß die Abordnungen gegen

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seilig mit formulierten Schriftstücken verhandeln, für außer⸗ ordentlich zeitraubend und den Erfolg wenig fördernd. Wenn man wirklich zu einem friedlichen Abschlusse gelangen wolle, o werde es sich in Zukunft empfehlen, die Materien durch⸗ zusprechen und dann von jeder Seite je einen Herrn nur mit der Redaktion zu beauftragen. Diese beiden Herren müßten als Redaktionskomitee zusammen versuchen, wieweit sie eine gemeinsame Fassung suchen könnten und, falls dies nicht möglich wäre, im Einvernehmen miteinander die gegenseitigen Differenz⸗ kie festlegen und schriftlich festzulegen.

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Hierauf gelangte die materielle Antwort der Verbündeten zur Vorlesung, die folgenden Wortlaut hat:

Die der deutschen und österreichtsch⸗ungarischen Abordnung über⸗ mittelten Vorschläge der russischen Abordnung, betreffend die Ent⸗ wicklung der Dinge in den von den Zentralmächten besetzten Gebieten Rußlands, weichen dermaßen von deg Ansichten der Verhündeten ab, daß sie in der vo liegenden Form als ungnnehmbar bezeichnet werden muffen. Ohne des näheren auf die äußere Form dieser Vorschläge eingehen zu wollen, kann doch nicht unbemerkt bleiben, daß sie nicht den Charakter des von den Mittelmächten angestrebten Vergleichs tragen, sondern sich vielmehe als eine einseitige russische Forderung darstellen, die den Wunsch vermissen läßt, die berechtigten Gründe der Gegenseite in Berechaung zu ziehen. Trotzdem sind die zfterreichisch⸗ungarische und die deutsche Abordnung berrit, nochmols und diesmal formuliert, ihre Anschauungen über die schwebenden Fragen klar zum Ausdricke zu beingen und noch einen Versuch zu urternehmen, ob der von ihrnen angestrebte Vergleich eine Ausfich auf Verwirklichung bieten kann.

Ueber einen Teil der von den Verbündeten besetzten Gebiete ist in Ziff’r 1 des dentschen Entwurfs gehandelt worden. Diete Materie ist durchberaten, bedarf alfo keiner weiteren Erörterung. Die Froge⸗ nach den zurzeit von den Verhündeten besetzten Gebieten, die eigenes staatliches Leben besitzen, wäre rein zetilich in vier Stadten zu gliedern: Der Zettpunkt zwischen dem Abschluß des Friedens mit Rußland und der Beendigung der russischen Demobilisterung, der Zelpunkt zwischen dem russischen Frieden und dem allgemetnen Fieden, der Zettpunkt des Uebergangssladiums für die neuen Völker, endlich das endgültige Stadium, in dem die nevpen Staaten die vohe Ausgestaltung ihrer Staatsorgantfation durchführen. Es muß wiederbolt darauf hingewtesen werden, daß für die Mittelmächte cbweiched von dem, was für Rußland der Fall ist mit dem Abschlusse des Friedens mit Rußland keineswegs auch der allgemeine Frirden verbunden ist, daß sie vielmehr ge⸗ zwungen sind, mit anderen Gegnern den Krieg weiferzuführen. Gegeyüber der russischen Regjerung erklärrn die verbündeten Ab⸗ ordnungen aufs neue, daß sie der Anschanung sind, die verfassunge⸗ 1” zuständigen Organe in den veuen Staotsgebilden seien vor⸗ läufig als vollkkommen befugt anmsehen, den Willen breiter Kreise der Bevölkerung ouszudrücken. Von großer Bedeutung für die Frage der Ent⸗ stehung einer Staatspersönlichkeit ist das Urteil des Obersten Gerichtshofes in Washington vom Jahre 1908, in dem aus eführt worden ist „daß die souperänen Rechte der Vrreinigten Staaten von Nodamerika als voll und ganz beftehend anerkannt werden müssen vom Tage der Ver⸗ küngung ibrer Unabhängigkest ab, d. b. seit dem 4. Juli 1776 gonz unabhängig von itrer Anerkennung se tens Englands im Ver⸗ trage vom Jahre 1782.“ (Fiore, droit international codiflé, p. 160.)

Die verbündeten Ahordnungen nehmen Akt von der Er⸗ klärung, daß

„die russische Regierung aus der Tatsoche der Zugehörigkeit der besetzten Gebiete zum Bereiche des früheren russt chen Kaiser⸗ reiches keine Schlüsse zieht, die irgendwelche staatzrechtliche Ver⸗ pflichtung der Beyölkerung dieser Gebiete im Verhältnis zur russischen Republik auferlegen würden, und daß die alten Grenzen des früheren russischen Kaiserzeiches, die Grenzen, die durch Ge⸗ walttaten und Verbrechen gegen die Völker gebildet murden, ins⸗ besondere gegen das polnische Volk, zusammen mit dem Zarismus verschwunden sind“;

edenso davon, daßs

„für die russische Regierung deswegen die Grundaufgabe der

jetzt geführten Verhanrlungen nicht darin besteht, um in irgend welcher Weise das weitere zwangswesse Verbleiben der genannten Gebiete im Rahmen des zussischen Re chs zu vertesdigen, sondern in der Sicherung der wuklichen Freiheit der SEeibstbestimmung, Se fageres Staatseinrichtung und internatsonalen Lage der Gebiete.“

In diesem Zusammenbhange wäre die Frage aufzuwerfen, aus welchem Rechtsverhältnisse die gegenwärtige russische Regierung ihre Berecht Lung und Verpflichtung ableitet, für die Sicherung der wirklichen Frachett der Selbsthestimmung dieser Gebiete bis zum äußersten, das heißt, unter Umpänden bis zur Fortsetzung des Krieges einzutreten. Wenn die vagseche daß die hesetzten Ge⸗ birte zum Bereiche des Süheren russischen Kaiserreichs gehörten, keinerlet Verpflichtung der Bevölkerung dieser Gebiete gegen die russische Repeblik begründet, ist nicht ohne weiteres ersichtlich, worauf die russische Republik threrseiig ihre Rechte und Pflchten gegen diese Bevpölkerung gründen will. Siellt man sich aber, wie die russische Ahrrdnung pies tut, guf den Standvunkt, daß die russische Republik ein derartiges Rect besitzt, so sind in der Tat: Unsang des Gebietes, vpolitische Voraussetzung für die Aus⸗ übung des Selbstbestim mungrechts, Urbergangsregtme und Form der Willenskundgebung, die vier Punkte, über die versucht werden muß, Einigkeit zu erzielen.

Zu 1. Die Bebhcuptung, das Selbstbestimmungsreckt stehe Natienen und nicht guch Teilen von Nattoven zu, entspricht nicht unserer Auffassung des Selhstbesttmmyngsrechts. Auch Teile von Nationen können Selbständigkeit und Absonderung rechtmäßtg be⸗ schließen. Es ist hierbei keineswegs angenemmen, daß die Okkupations⸗ grenze für die Abgrenzurg dieser Teile maßgebend sein foll. Kurland, Litauen und Polen bilden, auch historisch angeseben, völkische Einheiten. Deulschland und Oesterzeich⸗Ungarn haben nicht die Absicht, sich die setzt von ihnen besetzten Gebiete einzuverleiben. Sie beabsschtigen nicht, die fraglichen Gebiete zur Annahme dieser oder jener Staats⸗ form zu nöltgen, müssen aber sich und den Völkern der besetzten G⸗ biete für den Abschloß von Verträgen aller Art freie Hand behalten.

Zu 2. Was die Ausführungen hierzu betrifft, so geben sie an dem grundlegenden Unterschied vorbei, auf den die verbündeten Abordnungen immer wieder bingewiesen haben. Eine Zurückziebung der Heere ist, solarge der Welikrieg dauert, unmöglich, jedoch kann angestrebt werden, die Truppen, falls es die militärischen Umstände gestauten, auf diejenige Zahl zurückführen, die zur Aufrechterbaltung der Ord⸗ nung und der technischen Beteiebe im Lande unbedingt nötig ist. Die Bildung einer vationalen Gendarmerie kann angestreht werden. Was die Rückkehr der Flüchtlinge und der während des Krieges Evakuierten beirifft, so wird wohlwollende Prüfung von Fall zu Fall zugesagt. Diese Frage konn, da sie ncht von ausschlaggebender de itef Bedeutung ist, einer besonderen Kommission überwiesen

erden.

zu 3. Der russische Vorschlag ist in seinen Einzelheiten nscht klar genug und bedarf der weiteren Aufbellung. Es ist aber ohne weiteres zuzugeben, daß mit der fortschreltenden Annäherung des all⸗ gemeinen Frsedens den gewählten Vertretern der Bevölkerung des Landes in immer steigendem Umfange die Mitwirkung auch an den Verwaltungsaufgaben eingeräumt werden soll. 1

zu 4. Die verbündeten Avordnungen sind grundsätzlich bereit, zuzustimmen, daß ein Volksvotum auf breiter Grundlage die Beschlüͤffe über die staatliche Zogehörigkeit der Gebitte sanktionieren soll. Eine Aseitige Festiegung auf ein Referendum erscheint unpraktisch.

lich das Votum einer auf breiter Grundlage gewaählten und er⸗ gänzten repräsentativen Körperschaft würde nach 2 nschauung der verbündeten Abordnungen genügen. Es mag darqguf ingewiesen werden, daß auch die von der Regierung der Volkekommifsare mefkannken Staalenbildungen innerhalb des ehemaligen russischen Kaiserriches, wie jum Veispiel der Ukraine und Finnlands,

nicht im Wege eines Referendums, sondern durch Beschlüsse von auf breiter Grundlage gewählten Nationalversammlungen erfolgten. Von dem Wunsche beseelt, es neuerdinge zu verluchen, zu einer Verständigung mit der russischen Regserung zu gelangen, haben die Regierungen Deutschlands und Oesterreich⸗Ungarns diese weitgebenden Vaschläge gemacht, fügen jedoch gleichzeitig hinzu, daß sie den zußersten Rahmen bilden, innerhalb dessen sit eine friedliche Verständigung noch erhoffen können. Sie waren bel der Entwicklung dieser Grundsätze ebenso von der pflichtgemäßen Absicht durchdrungen, die eigene Wehrfähigkeit nicht schwächen zu lassen, solange der unsetige Krieg noch fortgeht, als auch von der Absicht, einige Völker, die an ihr Gebiet angrenzen, iasland zu setzen, endgültig und selbständig über ihre eigene Zukunft zu entscheiden, ohne dabei in einen Zustand der äußersten Not, des Elends und der Verzwelflung zu geraten. Eine Verständigung zwischen Rußland und den Mittelmächten über diese schwierigen Fragen jedoch ist nur dann möglich, wenn auch Rußland den ernstlichen Willen zeigt, zu einer Vereinbarung gelangen zu wollen, und wenn es anstatt des Versuchen, einseitig Diktate zaufzustellen, sich bemüht, die Frage auch von der Gegen⸗ seste aus zu betrachten und jenen Weg zu finden, der alleia zu einem friedlichen Ergebnis führen kann. Nur unter der Voraussetzung solcher Intentionen können die Abordnungen der verkündeten Mächte boß an der Hoffnung einer friedlichen Beilegung des Streites fest⸗ alten.

Hierauf ergriff Herr Trotzki das Wort und erklärte:

Er boffe, doß die eben verlesene Antwort der Zentralmöchte jedenfalls die Zweifel über die formalen Schwierigkeiren beseittgt habe, die für die russische Abordnung durch die in der vorigen Sitzung vebaltene Reve des Generals Hoffmann entstanden wären. Die russische Abordnung sei der Ansicht, daß sie im vorliegenden Falle Verhandlungen mit einer Partei führe, die verkörpert werde durch die deutsche Regiterung. Der Heir Staotssekretär habe darauf hingewiesen, daß alle Punkte dieser Verhandlungen aus dem allemigen prlitischen Willen der deutschen Regterung herrühren. So⸗ lange biese Ansicht von niemandem formell widerlegt sei, sebe die russische Abozenung dies als eine sormale Erklärung an. Wenn Genrral Hoffmann darauf birgewfesen habe, daß die russische Regierung sich auf ihre Machistellung berufe vnd mit Gewalt rorgrhe gegen alle anders Denkenden, die sie als Gegen⸗ vevolut onäre und Bougevis stempele, so müßfe allerdings bemerkt werden, daß auch die russische Regierung auf der Macht suße. In der genzen Geschichte kenne man bisher keine anderen Regierungen. Solange die Gesellschaft aus kämpfenden Klassen bestehe, folange werde sich die Macht der Regierung auf Kraft begründen und durch Gewalt ihre Herrschaft behaupten. Er müsse aber auf das be⸗ stimmt sie gegen die Bebauptung Einspruch erheben, deoeß seine Regierung jeden andes Denkenden fuür pogelfrei er⸗ kläre. Das, was die Regierungen anderer Laͤnder bei den Handlungen der tussischen Regterung abstoße, sei die Richtung, in der sie von ibrer Macht Gebrauch mache und in der sie sich durch nichts beirren lasse. So hätten er und seire Freunde, als die rumänische Regierung versucht habe, auf russischem Gebiete Ge⸗ walie maßregeln gegen revolutionäre Soldaten und Arbeiter anzu⸗ wenden, von hier aus der Petersburger Regierung vorgeschlagen, den rumänischen Gesandten, sein ganzes Gesandtschaftspersonal und die rumänische Militärmission zu verhaften, und sie häͤtten die Antwort erholten, datz dies bereits geschehen sei.

Anschließend daran führt Herr Trotzki folgendes aus: „Was die beiden Beispfele anbenifft, die General Hoffmann angeführt hat, so charakter sieren diese in keiner Welse unsere Polltik auf dem Gebiete der nationalen Fragen. Wir haben Erkundigungen eingezogen über den weißrussischen Kongreß. Dieser Kongreß septe sich zusammen aus den Vertretern der weßrussischen Agrarier und hatte ver⸗ sucht, sich aller derjenigen Stützpunfte iu bemächtigen, die das Eigentum des weißrusßschen Volkes sein mussen. Und wenn er auf Widerstand gestoßen is;, so rühnt dieser Widerstand von Soldaten her, unter deren in gleicher We se Großrussen, Welz⸗ rossen und Kleinrussen vertreten waren. Ich wies schon in metner sormalen Erklärung darauf hin, daß diejenigen Streettfäste, die zwischen uns und der Ukraine enista den waren und die zu meinem Bedauein noch nicht vollständig besettiet sind, in keiner Weise das Recht des ukratnischen Volks auf Selbstbestimmung beschränken können und uns in keiner Weise daan gehindert baben, die unabhängige ukrainische Republik anzuerkennen.“ 1

Herr Trotzki kam hierauf auf das Schicksal der besetzten Gebtete zu sprechen und meinte, aus den bisherigen Ausführungen der deutschen Vertreler den Schluß ziehen zu können, daß die Entscheidung des Schicksals dieser Gebiete erfolgen solle ohne Rücksicht darauf, ob das eigene Volk bereits imstande sei, die Entscheidung in die eigene Hand zu nehmen. Er möchte demgegenüber der Meinung Ausdruck geben, daß die geäußerte Ansicht nur die Ansichten der russischen Abordnung be⸗ stärken kann über die sehr untergeordnete Rolle, die die Rechts⸗ philosopbie in der Froge der Ennscheidung des Schicsals von Völkern spiele. Das beziehe sich genau ebenso auf die Rechtephtlosophie des Obersten amerikanischen Gerichtshofers. Wer die Geschichte der Entscheidungen dieses Obersten Gerichtshofes genau gelesen habe, der wisse, doß dieser Gerichtshof seine Rechtsphilosophie sehr häufig in diesem oder jenem Sinne geändert habe, je nochdem es nörig gewesen sei, des Gehiet der Vereinigten Staaten zu erweitern ober nicht. Er glaube, daß keüglich dieser Frage es viel interessanter wäre, nicht eine Parallele zu zieden mit der Entscheidung des Obersten amerikanischen Gerichts⸗ hofes, sondern mit den Arnsichten und Aussprüchen der⸗ jenigen englischen Juristen, die ihr Recht begründeten und herleiteten, ihre amerikantsche Kolonie in der Hand zu behalten. Was die Foꝛm des Ve handelns anlange, so halte es die russische Abordnung für notwendig, gerade diejenigen Punkte in den Vorder⸗ grund zu stellen, die den Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten bilnen und dies mit aller genügenden Entschlossenheft, weil nur in diesem Falle eine gerechte Löfung gefunden werden könne.

Der Vorsitzende der deutschen Abordnung babe gefragt, aus welchen Ooellen die rufsische Abordnung die Berechtigung herleite, sich für das Schicksal der besetzten Länder zu interessieren, da sie erklärt habe, daß deren frühere Zu⸗ gebörigkeit zu Rußland ihnen keinerlei pölkerrechtliche Ver⸗ pflichtung gegenüber Rußland auferlege. Aber sin Recht, sich für das Schicksal dieser Gebiete zu interessieren, habe der Herr Staatssekretär nicht aus der nackten Tatsache der Besetzung heroeleitet, sondein aus dem Grundsatz des Selbstbestimmungörechts der Völker, den er allerdings etwas begrenzt interpretiere. Dieser Grund⸗ satz gelte aber nicht weniger für die russische Abordnung und bevründe hinreichend ihr Interesse an dem Schickjal der⸗ jenigen Völker, deren Ausscheldung aus dem Bestande des früheren russischen Kaiserresches sie nicht verhindere. Herr Trotzki schloß mit der Bemerkung, daß sich die russische Abordnung selbstverständlich fas Recht vordehalte, eine genaue Aeußerung abzugeben über den Charakter der Erklärungen, die heute verlesen worden seien.

Hierauf ergriff der Staatssekretär von Kühlmann das

Wort und führte nachstehendes aus:

Was die Rede des Herrn Generals Hoffmann betrifft, möchte ich sowohl für mich als für den Herrn General Hoffmann ausdrücklich das Recht vorbehalten, auf diese Angelegenheit zurückzukommen. Die staatsrechtliche Zuständigkelt des Deutschen Reiches hat der Herr Vorredner mit der genauen Kenntnis internationaler Verhältnisse, die er besitzt, vollkommen richtig charakterisiert. Der Herr Reichs⸗ kanzier, der einzige verantwortliche Reichsmnister’; erteilt auf dem gesamten Gebiete der aus wärtigen Politik die für seine Organe maß⸗ gebenden Instruktionen. Uebrigens ist es bei der engen politischen Uebereinstimmung, in der ich mich mit dem Herrn General Hoffmann befinde, vollkommen selbstvetständlich, daß zwischen unseren Auffassungen keinerlet Zwiespalt besteht. Der grund⸗

legende Unterschied zwischen unserer Auffassung und der der russischen Abordnung ist, daß wir im Gegensatze zu ihr auf dem Vorhandenen aufbauen, daß wir ohne Bruch und gewalt⸗ samen Uebergang in senen Gegenden ein geordnetes Staatsleben entftehen lassen wollen, und daß wir es ablehnen, aus reiner Liebediemrei gegen die Theorie eist einen luftleeren Raum zu schaffen und in einer bisher näher nicht bezeichaneien Weise in diesem luftleeren Raum den Staat sich bilden zu lassen. Ueberrascht hat mich die geringschätzige Bewertung der Ueteile des Obersten amerikanischen Gerichtshofes durch Henn Trotzki. Mir erschien die Geschichte der Greündung dieser großen Republik und ein Urteil ihres obersten Gerschtshofts über einen Pankt dieser Geschichte für die Beurteilung der zwischen uns schwebenden Streitfrage immerbin vicht ohne Bebeutung. Wenn der Herr Vorsitzende der im übrigen nehme ich aber mit Be⸗ friedigung Notiz von dem Schlusse der Ausführungen des Heren Vor⸗ redne’8, daß er und seine Abordnung nunmehr gesoanen sind, in die wirkliche Erörterung und Klärung der Einzelheiten der uns trennenden Auffassungen einzutreten. Dahin ist mein Bestreben von der ersten Stunde unseter Arbeiten an gegangen, und ich war der Aaschauung, daß die beiden schrifalich festgelegten Darstellungen der. gegenseitigen Srandpunkte, wie sie vor der Weihnachtspause erfolgt waren, als Unterlage für die Erörterung gevügende Formulterung geboten harten. Jetzt schlage ich vor, uns an die wettere von der russischen Abordnung vorgeschlagene Arbeitsmethode zu balien, um über die vier Punkte, wie sie in unsere Antwort aufgenommen worden sind, nun wirklich in die Einzelbesprechung einzutreten. Ich boffe, daß wir dann in wenigen Tagen so weit sind, mit voller Klarheit und in dem vollen Gefühl der Verantwortlichkeir zu sagen, ob die Schwierigkeiten übermwunden werden können ober der hier gemachte Versuch aufgegeben werden muß.

Herr Trotzki erklärte hierauf:

Seines Erochtens köͤnne man jetzt zu der Beratung der beiden

Aatmworten, die vorgeschlagen worden stien, übergeden. Er müsse

jedoch nochmals betonen, daß er in der Frage der Zurückziehung der Truppen in keiner Weise der Ansicht des deuischen Vorsitzenden bei⸗

treten könne, baß angeblich die Entfernung der Besatzungs trupden hinter sich einen leeren Raum 8 Diejenigen Völker, die das Gebiet Polens, Litauens und Kurlands

kewohnten, würden in keiner Weise in einer polinsch schwiert en Lage

sich befinden, wenn die Besatzungstruppen sie sich seibst überlassen

würden. Jowtieweit es sich um technische Schwierigkeiten handele,

wie das Fehlen einer eigenen Eisenbahn, Post usw., so fkönne man in solchen Fragen wetz zu einer Eintgung gelangen auch ohne Kontrolle

von Besatzungstruppen.

Demgegenüber wies der Staatssekretär von Küöhlmann technischen Gründen auch die Gründe der Sicherheit, die in dem verlesenen Terte angeführt worden seien, in den betreffenden Gegenden eine sehr gewichtige

darauf hin, daß neben den

Rolle spielten. Sodann beantragte der Staatssekretär von Kühlmaun, nunmehr über die von der russischen Abordnung selbst vor⸗

geschlagenen vier Punkte in der pon ihr angeregten Ordnung in eine geschäftsmäßige Behandlung einzutreten. Nachdem sich

Herr Trotzki diesem Vorschlaa Segefehbecsen hatte, wurde die Sitzung beendet und die nächste Sitzung für den folgenden Tag 11 Uhr Vormittags anberaumt. (W. T. B.)

Kriegsnachrichten. Berlin, 15. Januar, Abends. (W T. B.) Zwischen Brenta und Piavpe vielfach Feuerkampf. Von den anderen Kriegsschauplätzen nichts Neues.

Großes Hauptquartier, 16. Januar. (W. T. B.) Westlicher Kriegsschauplatz.

Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Deutscher

Kronprinz.

Bei und südlich von Lens war die Artillerietätigkeit ge steigert. In einzelnen Abschnitten Erkundungsgefechte; suͤdö von Ornes wurden Gefangene gemacht. 6

Heeresgruppe Herzog Albrecht.

Nach mehrstündiger Feuerwirkung stießen französische Ab⸗ teilungen nördlich von Badonviller vor und drangen vor⸗ übergehend in unsere vorderen Gräben ein.

Eigene Aufklärungstruppen brachten in den oberen

Vogesen Gefangene ein.

Oestlicher Kriegsschauplatz. Nichts Neues.

Mazedonische Front. Im Cerna⸗Bogen erhöhte Gefechtstätigkeit.

Italienische Front.

Zwischen Brenta und Piave vielfach lebhafter Feuer⸗ kampf, mit besonderer Heftigkeit im Gebiet des Monte

Asolone. Die Italiener haben ihre erfolglosen Angriffe nur südlich vom Monte

wurden abgewiesen.

In den Piave⸗Abschnitten nördlich von Montello

verstärkte sich das englische Artilleriefeuer. Der Erste Generalquartiermeister. 1— Ludendorff.

I11“ v

8 Oesterreichisch⸗ungarischer Bericht. Wien, 15. Januar. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet:

Zwischen der Brenta und dem Mt. Pertica ging der Trommelfeuer gesteigerter Artillerievorbereitung zum Infanterieangriffe uͤber. Nach sehr heftigen Nahkämpfen gelang es dem Feinde, an einzelnen Stellen in unsere Gräben einzudringen. Im Gegenstoße wurde er jedoch aus diesen geworfen. Im ganzen Angriffsraume ist die vorderste Kampflinie voll in unserm

Italiener nach starker, zeitweise zum

Besitze. Der Gegner erlitt schwere Verluste. An der

unteren

rasch zum Stehen gebracht. e 1A4“

Der Chef des Generalstabes.

Tarkischer Bericht.

Konstantinopel, 14. Januar. (W. T. B. Tagesbericht. I1

zurücklassen würde.

heftiger

stlich

Fontana Secca wiederholt; sie

Piave wurde ein feindlicher Vorstoß bei Bressanin

S