1918 / 34 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Feb 1918 18:00:01 GMT) scan diff

Bekanntmachung

Festsetzung von Preisen für Süßwasser⸗ ische.

Vom 7. Februar 1918. 8

§ 2 der Bekanntmachung über die 8 23. November 1916

7 2 ; a⸗ , Beaufsichtigung der Fischversorgung vom 22. September 1917

§ 1.

Beim Verkauf von Süßwasserfischen dürfen, vorbehaltlich der Vorschrift in § 4, folgende Preise für 0,5 kg Reingewicht nicht über⸗ chritten werden:

Aale von 500 gr und darüber desgl. von 250 gr bis unter 500 gr desgl. unter 250 gr. . 1“

Zander (Schill) von 1000 gr und darüber.. desgl. unter 1000 gr. 8 .

Große Maränen, Blaufelchen, Sandfelchen

(Weißfelchen), Aeschen 1 —*

Renken, Gangfische, Kilche, Schnäpel 2,30

Hechte, Schleien 1 161680

Karpfen, kleine Maränen, Welse, Maifische, Quappen (Rutten, Treischen) 1,60

Barsche, Karauschen, sofern 3 Fische 500 gr und

darüber wiegen ““ h1n desgl., sofern 3 Fische unter 500 gr wiegen 1,00

Bleie (Brachsen), Barben, Rapfen (Schiede),

Döbel (Auel, Schuppfische), Zährten (Rußnasen),

Alande (Otfen, Nerflinge, Frauenfische) von 2000 gr

und darüber.

desal. von 1000 gr bis unter 2000 ag desgl. von unter 1000 gr. 8 v

Plötze, Rotaugen, Güstern, sofern 3 Fische 500 gr.

und darüber wiegen ““ desgl., sofern 3 Fische unter 500 gr wiegen..

Nasen. .

Zoppen, Ziegen, Stinte, Kaulbarsche (Sturen),

Ukelei (Lauben), Hasel, Gründlinge sewie kleine

o˙ö˙-96759

82. 1

Die Landeszentralbehörden oder die von ibnen bestimmten Be⸗ hörden können für ihren Bezirk oder Teile ihres Bezuks die im § 1 estgesetzten Preise herabsetzen oder erhöhen. Die gleiche Befugnis

steht den Kommunalverbänden zu, soweit die Landeszentralbehörden oder die von ihnen bestimmten Behörden von der ihnen nach Satz 1 zustehenden Befugnis keinen Gebrauch machen.

Eine Erhöhung bedarf der Zusttmmung des Reichskommissars für Fischversoraung. Die Landeszentratbehörden können bestimmen, daß abweichende Preisfestsetzungen der Kommunalverbände auch der Zustimmung der Landeszeatralbehörde bedürfen.

§3.

Bei Verschiedenheit der Prebze am Orte der gewerblichen Nieder⸗ assung des Käufers und des Verkäuseis sind die für den letzteren Ort geltenden Preise maßgebend.

Wird die Ware an einen anderen Ort als an den der gewerblichen

.ℳ 3,20 8 2,8 1 1,80 2,30

2

Niederlassung des Verkäufers verbracht und dort für dessen Rechnung

verkauft, so sind die für diesen Ort geltenden Preise maßgebend.

S 4. 1“

Auf den Absatz von Süßwasserfischen, der mit Genehmigung der

nachstehend aufgeführten Stellen erfovlat, sowie auf den Weiterabsatz

dieser Fische finden die im § 1 festgesetzten Preise keine Anwendung:

1. Stellvertretendes Generalkommando des I. Armeekorps, Ab⸗ teilung Fische, in Köninsberg,

XX. Armeekorps,

2. Stellvertretendes Generlke mmando des Fischverteilungestelle, in Allenstein.

3. Fischhandelsgesellschaft Westpreußen, G. m. b. H., in Danzig,

4. Fischhandelsgesellschaft m. b. H. Hinterpommern in Köslin, Stetliner Fischhandelsgesehlschaft m. b. H. in Stettin, Kriegsfischzesellschaft Neuvorpommern und Rügen m. b. H. in Stralsund, Mecklenburg⸗Schwerinische Fischhandelsgesellschaft m. b. H. in Wismar,

Lübecker Fischhandelsgesellschaft m. b. H. in Schlutup, Schleswig⸗Holsteinische Fichhandelsgesellschaft m. b. H. in Kiel, Kriegs⸗Schaltier⸗Gesellschaft m. b. H. in Helde,

Kriegsküstenfischerei Unterelbe, G. m. b. H., in Hamburg,

. Küstenfischeret Unterweser⸗Jade, G. m. b. H., in Nordenham, Fisch⸗ und Muschelvertriebsgesellschaft m. b. H. „Ostfriesland“ in Norden,

Kriegs⸗Seefischereigesellschaft für die Nordsee m. b. H. in Geestemünde, Muscheleinkaufsgenossenschaft Cuxhaven, e. G. m. b. H., in Cuxhavev,

Muschelvertriebsgesellschaft „Unterweser“, G. m. b. H., in Geestemünde,

17. Marinefischamt Wilhelmshaven, 8

18. Kriegsfischhandel „E be, G. m. b. H., in Hamburg, 8

19. Kriegesischhandel „Weser“, G. m. b. H., in Geestemünde, 8 20. Krtegsfischversand Berliv, G. m. b. H., in Berlin,

21. Kriegsfischindustrie „Elbe“, G. m. b. H., in Altona, 22. Kriegsfischindustrie „Weser“, G. m. b. H., in Geestemünde⸗ Bremerhaven, 23. Heszsen ändüsch⸗ Kriegsfischindustrie⸗Gesellschaft m. b. H. in erlin, . Westdeutsche Fischindustrie, G. m. b. H., in Cöln, . Mecklenburgische Landesbehörde für Volksernährung, Ver⸗ „mittlungsstelle für Süßwasserfischversorgung, in Schwerin, 26. Bayperische Lebensmittelstelle, Landesvermittlungsstelle für Fischversorgung, in München, 27. 114“ für Württemberg und Hohenzollern in utigart, 28. Gr. Staiistisches Landesamt, Badische Landesvermittlungsstelle für Flußfischversorgung, in Karlsruhe, 29. Badrsche Fischversorgungsstelle in Konstanz, 30. Hessische Landesfleischstelle, Landesvermittlungsstelle für Fluß⸗ fischversorgung, in Darmstadt, 31. 11.4““ für Teichfischverwertung G. m. b. H. in erlin,

32. Flußfischhandelegesellschaft m. b. H. in Berlin,

33. Aaleinfuhr G. m. b. H. in Berlin,

34. Zentralfischmarkt Hamburg,

35. Zentralfischmarkt Altona,

Zentralfischmarkt Cuxhaven, Zentralfischmarkt Geestemünde, Zentralfischmarkt Bremerhaven, 9. Zentralfischmarkt Berlin, 8 0. Zentral⸗Einkaufsgesellschaft m, b. H. in Berlin.

Die Kommunalyerbände können für den Weiterabsatz von Fischen, die gemäß Absatz 1 dern, im § 1 festaesetzten Preisen nicht unterliegen, Preife festsetzen, insbesondere bestimmen, daß die nach § 1 festgefetzten Preise auch Für sie gelten; der § 2 Abs. 2, Satz 2 findet entsprechende Anwend ung.

Zuwiderhandlungen gogen diese Vorschriften werden nach Bee,asg,ung. über die Beaussichtiaung der Fischoer⸗ 1 28. Nov⸗ 17 caR 8 303 8 sorgung vom 53 Bovember 1919 (. 38 ) mit Gefängnis

FSg Septembe. 1917 (RSBGl. S. 859) bis zu einem Jehr⸗ und mir Geldstrase bis zu zehntausend Mark oder

8

mit einer dieser Strafen bestraft; nehen der Strafe können die Gegenstände, auf die sich die strafbare Handlung bezieht, eingezogen werden, ohne Unterschter, od sie dem Tater gehören oder nicht. 6. Diese Bekanntmachung tritt mit dem 1. April 1918 in Kraft. Berlin, den 7. Februar 1918. Der Reichskommissar für Fischversorgung. 8 von Flügge.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 20 des Reichs⸗Gesetzblatts enthält unter .

Nr. 6242 einen Allerhöchsten Erlaß, betreffend die An⸗ rechnung des Jahres 1918 als Kriegsjahr, vom 21. Januar 1918, und unter

Nr. 6243 eine Bekanntmachung, betreffend die Verlänge⸗ rung der Prioritätsfristen in Norwegen, vom 5. Februar 1918.

Berlin W. 9, den 7. Februar 1918.

Kaiserliches Postzeitungsamt. Krüer.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

den Kriegsgerichtsrat Dörken mit Wirkung vom 1. De⸗

zember 1917 ab zum Geheimen Kriegsrat und vortragenden Rat im Kriegsministerium zu ernennen.

Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten.

Dem Lehrer der Zahnheilkunde am Zahnärztlichen Institut der Friedrich⸗Wilhelms⸗Universität in Berlin Dr. Hoffen⸗ dahl ist das Prädikat Professor beigelegt worden. .

Justizministerium.

Der Rechtsanwalt Max Kükenthal in Wittstock ist zum Notar für den Bezirk des Kammergerichts mit Anweisung seines Amtssitzes in Wittstock ernannt worden

Ausführungsbestimmung

zur Verordnung über Bier und bierähnliche Getränke vom 24. Januar 1918 (nGBl. S. 55).

Als die nach § 3 der vorbezeichneten Verordnung zuständigen

Stellen werden die Regierungspräsidenten und der Vorsitzende

der Staatlichen Verteilungsstelle für Groß Berlin bestimm Berlin, den 2. Februar 1918. Preußischer Staatskommissar für Volksernährung. b J. B.: Peters 8 8

h“

Bekanntmachung. 1

In Neubearbeitung ist fertiggestellt und an die amtlichen Verkaufsstellen von Kartenwerken der Königlich preußischen Landesäaufnahme übergeben worden:

B. Karte des Deutschen Reiches 1: 100 000. (Schwarz⸗

druck): Nr 74. Pr. Eylau.

Alle Bestellungen auf Karten sind an diejenige amtliche Verkaufsstelle von Kartenwerken der Königlich preußischen b“ zu richten, in deren Bezirk sich der Besteller

efindet.

Berlin, den 4. Februar 1918. 8 6 Königlich preußische Landesaufnahme. Der Chef des Stabes. 8 Pfeiffer, Major im Generalstabe.

11“

Bekanntmachung.

Auf Grund der Bundesratsverordnung vom 23. September 1915, betreffend die Fernhaltung unzuverlässiger Personen vom Handel (RGBl. S. 603), sowie der Ausführungsbestimmungen zu pieser Ver⸗ ordnung vom 27. September 1915 habe ich dem Schuhmacher Karl Holle, Alten bochum, Wittenerstr. 105, die Ausübung jeglichen Dandels mit Gegenständen des täglichen Bedarfs wegen Unzuverlässigkeit untersagt.

Bochum, den 2. Februar 1918.

Der Landrat. Gerstein.

Bekanntmachung.

Auf Grund der Bundesratsverordnung vom 23. September 1915, betreffend die Fernbaltung unzuverlässiger Personen vom Handel (RSBl. S. 603), sowie der Ausführungsbestimmungen zu dieser Verordnung vom 27. September 1915 habe ich dem Händler Johann Saalmann, Langendreer, Rheinischestraße 2, die Ausübung des Handels mit Lebensmitteln und sonstigen Gegenständen des täglichen Bedarfs wegen Unzuverlässigkeit untersagt.

Bochum, den 4. Februar 1918. * Der Landrat.

1“ Gerstel

Bekanntmachung.

Dem Milchhändler August Deschke in Buer, Pfesfer⸗ ackerstraße Nr. 42, ist durch Verfügung der hiesigen Polizeivermaltung jeder Handel mit Milch wegen Unzuverlässigkeit verboten wordev. Die Kosten der Bekanntmachung sind von dem Betroffenen zu zahlen.

Buer i. W., 5. Fehruar 1918. *

BHBHer M GBer.

Bekanntmachung.

Gemäß § 1 der Bekanntmachung des Reichskanzlers, betr. Fern⸗ baltung unzuverlässiger Personen vom Handel, vom 23. September 1915 (RGBl. S. 603) ist 1) der Cölnischen Landenprodukte Handelsgesellschaft m. b. H. in Cöln a. Rb., 2) deren Ge⸗ schäftsführer, dem Kaufmann Gottfried Kirsch, Cöln, Roth⸗ gerberbach 13, der mit Gegenständen des täglichen Bedarfs, insbesondere Nahrungs⸗ und Futtermitteln aller Art, sowie rohen und Naturerzeugnissen, Heiz⸗ und Leuchtstoffen untersagt worden. s

Cöln, den 1. Februar 1918.

Der Oberbürgermeister.

J. V.: Tr. Best

Bekanntmachung. 8

Dem Bernhard Rotterdam in Immigrath, Kreis So⸗ lingen, Solingerstraße 37, ist auf Grund des § 1 der Bundesrats⸗ verordnung zur Fernhaltung unzuverlässiger Personen vom Handel vpom 23. September 1915 und Ziffer 1 der dazu ergangenen Aus⸗ führungsbestimmungen des Reichskanzlers vom 23. September 1915 der Handel mit Lebens⸗ und Futtermitteln sowie Ge⸗

genständen des täglichen Bedarfs vom 8. Februar 1918 ab

N.

untersagt worden. Die Kosten für die Veröffentlichung geh zu Lasten des Betroffenen. I1“ 8 Opladen, den 29. Januar 1918. 8 8 Der Landrat. J. V.: Kramer, Regierungkassessor.

———

Bekanntmachung.

Dem Händler Alerx Kampmeyer in Osterfeld, Haupt⸗ straße 1, sowie der Fräau Witwe Gertrud Landsrat, ebenfalls dort wohnhaft, und der in Essen, Grieperstraße 13, wohnenden Elise Wormstall ist auf Grund der Bundesratsverordnung vom 23. September 1915 (Reiche⸗Fesetzbl. Seite 603) und der Aus⸗ führungsanweisung vom 27. September 1915 der Handel mit Lebensmitteln und sonstigen Gegenständen des täglichen

Bedarfs wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Handelsberrteb Kampmevyer hat die durch das Verfahren ver⸗ ursachten baren Auslagen, insbesondere die Gebühren für die im §1

untersagt worden.

der obengenannten Verordnung vorgeschriebene öffentliche Bekannt⸗ machung, zu erstatten. Recklinghausen, den 5. Februar 1918. Der Landrat. J. VB.: von Bornhaupt.

Dentsches Reich.

Preußen. Berlin, 8. Februar

In der heute unter dem Vorsitz des Stellvertreters des Reichskanzlers, Wirklichen Geheimen Rats Dr. von Payer abgehaltenen Vollsitzung des Bundesrats gelangten zur Annahme: 1) die Entwürfe von Gesetzen, be⸗ treffend die Feststellung des Reichshaushaltsplans und des Haushaltsplaͤns der Schutzgebiete für das Rechnungs⸗ jahr 1918, 2) der Entwurf einer Verordnung über die Vornahme einer Viehzählung am 1. März 1918, 3) der Entwurf einer Verordnung über verstärkte Heranziehung kriegs⸗ wichtiger Betriebe und über Beitragsvorschüsse zur Unfallver⸗ sicherung, 4) der Entwurf einer Verordnung, betreffend das Schiedsgericht für Binnenschiffahrt, 5) der Entwurf von Be⸗ stimmungen über den Reichsausschuß für den Wiederaufbau der Handelsflotte, 6) der Entwurf eines Gesetzes, betreffend Aende⸗ rung des Postcheckgesetzes vom 26. März 1914, 7) der Ent⸗ wurf eines Gesetzes, betreffend Aenderung des Kriegssteuer⸗ gesetzes.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Handel und Verkehr und für Justizwesen hielten heute eine Sitzung.

Vor einiger Zeit wurde in einer großen Anzahl von Zeitungen auf die unzureichende Versorgung der Bevölkerun mit Seifenpulver hingewiesen und der bestehende Notstand darauf zurückgeführt, daß die Verteilung des Seifen⸗ pulvers der behördlichen Beaufsichtigung entbehre, so daß eine ungleichmäßige Belieferung der einzelnen Verbraucher möglich wäre. Es bestände deshalb die Notwendigkeit, die Seisenpulvern versorgung den Stadtverwaltungen zu übertragen. Wie durch „Wolffs Telegraphenbüro“ mitgeteilt wird, besteht kein Zweifel, daß die Klagen über den Seifenpulvermangel vollauf berechtigt sind und daß tatsächlich von einem Notstand in der Seifenpulver⸗ versorgung gesprochen werden kann. Esist aber unzutreffend, daß an diesen Schwierigkeiten der Mangel an behördlicher Organisation Schuld sein soll. Die Ursachen für den Seifenpulvermangel liegen einzig und allein in der völlig unzureichenden Belieferung der Seifenfabriken mit Soda. Die deutsche Sodaerzeugung wird gegenwärtig in einem ganz außerordentlichen Umfange von der Heeresverwaltung in Anspruch genommen. Anderer⸗ seits vermögen die Sodafabriken ihre Produktion infolge der Unmöglichkeit verstärkter Kohlenbelieferung nicht zu vergrößern. Die Bevölkerung muß sich olso damit abfinden, daß die Her⸗ stellung unseres Rüstungsbedarfs der Fabrikatton von Seifen⸗ pulver vorangehen muß.

Die Seifen⸗Herstellungs⸗ und Vertriebs⸗Gesellschaft tut ihr Möglichstes, um für eine möglichst gleichmäßige und gerechte Verteilung des Seifenpulvers zu sorgen. Alle organisatorischen Maßnahmen müssen aber naturgemäß versagen, wenn durch unvorhergesehene Ausfälle in der Sodabelieferung der Wirt⸗ schaftsplan nicht durchgeführt werden kann. Solange der Krieg dauert, werden wir immer mit einer schleppenden und ungleichmäßigen Versorgung der Bervölkerung mit Waschmitteln rechnen müssen. Hieran würde auch die Ver⸗ drängung des Handels aus einem weiteren Bereich seiner Tätigkeit und die Uebertragung der Seifenpulververteilung an die Stadtverwaltungen nichts ändern; denn selbst die größte Organi⸗ sationskunst vermag Ware nicht aus dem Nichts zu schaffen.

Oesterreich⸗Ungarn.

Imösterreichischen Abgeordnetenhause beantwortete der Minister des Innern Graf Toggenburg vorgestern eine Interpellation, betreffend die Lemberger Straßen⸗ kundgebungen vom 2. Februar, wobei er laut Bericht des „Wolfsschen Telegraphenbüros“ ausführte:

Die nationaldemokratische Jugend veranstaltete als Einspruch gegen eine Tagung der neugegründeten Partet nationaler Arbeit Straßenkundgebungen. Als die Wache, die mit Steinen beworfen wurde, die Demonstranten abdrängte, fielen plötzlich aus der Mitte der Angesammelten ungefähr 20 Schüsse. Auch der Feldwebel der Militärpoltzeiwachabteilung gab, von der Menge bedroht, zwei Revolverschüsse ab. Nach Vornahme von siehen Ver⸗ haftungen gelang es der Wache, die Ordnung wieder berzustellen. Wäbrend der Ausschreitungen sind ein Gyn nasialschüler und ein Hochschüler durch Revolverschüsse verletzt worden. Der lebztere erlag seiner schweren Verwundung. Wer die Revolverschüsse auf den Studenten abgegeben hat, ist bieher nicht festgestellt worden. Gegen⸗ über den in Lemberg verbreiteten Geruchten, daß gegen die Menge in der Baterygasse aus dem Gebäude der Kaiserlich Beunschen Feld⸗ poft mehrere Schüsse abgegeben worden seien, bemerkte der Minister, daß die dort untergebrochte Kaiserlich deutsche Truppe in einer Zu⸗ schrift an den Lemberger Stattkammandanten ausdrücklich erklärt hot, daß deutsche Soldaten von der Schußwaffe keinen Gebrauch gemacht

Pvrotokoll witerlegt. Nverhaltes w

ieden Preis.

Hierfür spricht auch die Feststellung, daß die Wunden des Hochschülers und des verletzten Gymnastalschülers nach Befund der Sachverständigen von einem 7 mm⸗Geschoß

in bürften, deutsche Armeerevolver 9 mm. valiber hat. Die Projekttte konnten nicht aufsefunden werden. Auch gh Gerücht, doß deutsche Soldaten aus dem zweiten Stockwerk des 8 sgebäudes in die Menge geschossen hätten, ist durch das Oeduktions⸗ Pofsg. Erhebungen zur vollen Feststellung des Sach⸗ erden eindringlichst gepflogen. Der Minister hofft, daß werde, auch die Elnzelheiten dieser Angelegenheit restlos

wogegen der

es aelingen auf, ukläten. 1

Das Abgeordnetenhaus setzte die allgemeine Beratung über den Staatshaushalt fort. Am Sitzungsschlusse er⸗ llärte der Präsident Dr. Groß:

Ih habe soeben vom Ministerpräsidenten Dr. von Seidler üie Mitfellung erbalten, daß die Regterung dem Kaiser ihre Fntlassung überreicht habe. Da die Regierung sich sonach im statu demissionis befinde, bleibt nach konstitutionellem Brauche richts anderes übrig, alg vorläufig die Sitzungen ves Hauses zu vertagen. Die nächste Sitzung wird auf schriftlichem Wege bekannt⸗ gegeben werden. 8 Im ungarischen Abgeordnetenhause stand vor⸗ gestern das Programm der Regierung zur Beratung. 8ꝗ Wie „Wolffs Tesegraphenbürg“ berichtet, erklärte Graf Julius Andrassy, daß die unter seiner Führung stehende Verfassungspartei sch vor eintgen Tagen aufgelöst babe und die große Mehrhest dieser partei in die veue Regierungsépartei eintrete. Graf Andrassy wies scdann auf die Notwendigkeit hin, eine starke einheitliche Regierunge⸗ vntei zu bilden, und sagte: „Jetzt handelt es sich nicht um klein⸗ sce Pantetinteressen, sondern die Interessen der Nation stehen nuf dem Spiel. Ich betrachte jede Fzage, die jetzt auf der Fagesordnung steht, ob sie groß oder klein ist, nur von dem Gesicht punkte aus, ob sie die Natson in dem großen Kampfe, der noch bevorsteht, stärkt. Es ist die Pflicht eines jeden Patrioten bis er Erreichung eines ehrlichen Friedens, dessen Abschluß nicht ein⸗ seitig von uns abhängt, die der Nation innenwohnende Kraft zu ver⸗ särken, die Kraft, die notwerdig ist, durchzuhalten, so lange die Nation für ihre Existenz kämpfen muß. Viele wollen den Frieden um Das wäre das größte Verbrechen gegen die Nation. [Stüärmischer Beifall auf beiden Seiten des Haufes.) Und gerade jene Elemente würden es am meisten büßen, dis man jetzt aufreizen will. Der Friede um jeden Preis nürde die Vernichtung des Selbstbewußt⸗ seins der Nation und die Lähmung unseres wirtschaftlichen Lebens zur Felge baben und würde die Kraft der Nation für lange Zeit sähmen. Alle Schichten der Gesellschaft, namentlich aber die Arbeiter, würden schwer hüßen. Es liegt im Interesse rines jeden Glierdes des Weterlandes, aller Schichten und Klassen der Bevölkerung, daß dieser Kampf nicht mit dem Niederbruch der Nation endet. Die erste Vor⸗ bedingung ist hierfür, daß wir einheitlich bis zum letzten Augenblick aushalten, daß wir alle unsere morglischen Kräfte vereinigen, um diesen furchtbaren Krieg eigem glücklichen Ende entgegenzuführen. (bebhafter Beifall auf beiden Seiten des Hauses.) Es wird tagtäglsch schwerer, die vazu notwendige Seelenkraft aufrecht zu erhalten. Es stt zwenellos, baß wir unter diesem schrecklichen Krieg viel zu leiden habken. Von Tag zu Tag mehren sich die Entbehrungen. Die Aus⸗ hungerunepolttik unserer Frinde hat in gewisser Hinsicht Früchte ge⸗ zeitigt. Sie werden aber ihr Ziel nicht erreichen. Dadurch werden sie uns nie bezwingen. Sie vermehren vielleicht unsere Leiden, sie schwächen vielleicht einigermaßen unsere Widerstandskraft, sie vermehren vielleicht die Zahl jener, die unzufrieden sind, und er⸗

„lecchtern vielleicht die Arbeit derjentgen, die in gewissenlosester Weise

iir den Frieden um jeden Preis agitieren. Unsere Feinde sehen ein, daß sie militärisch uns nicht bezwingen können und daß auch ihre Aushungerungstaktik zu keinem vollen Erfolge führen, kann. zetzt versuchen sie durch gewissenlose Agitattonen und Auf⸗ rizungen in Deutschland wie in Hesterreich und in Ungarn nvolutionäre Bewegungen zu entfachen. Es ist die Pflicht der Regierung und aller vattiolischen Elemente, gegenüber dieser Gefahr bis zum äußersten zu gehen. (Stürmischer Beifall auf beiden Seiten des Hauses.) Unsere Feinde arbeiten mit zwei Schlagworten, zunächst mit dem Selbstbestimmunghrecht der Völker. Damit wollen sie insbesondere die Monarchse vernichten. Bei ung fand glückncherweise dieses Schlagwort wenig Widerhball. Wir müssen anerkennen, daß selbst in unseren Nationalitätenkreisen dis Schlagwort seine Wirkung verfehlt hat. Ein um so größeres Echo rief es aber in Oesterreich hervor, was naturgemäß auch auf urs seine Rückwirkung ausübt, weil eire Schwäͤchung und ein Nieder⸗ bluch Qaserreichs auch zu unserer Schwächung und zu unserem Nieder⸗ hruch führt. Das zweite Schlagwort, mit dem unsere Feinde arbeiten, itt die soziale Revolution, und diese wird von der Bolschewiki⸗ vglerung unterstützt. Die Absicht der Bolschewikt wird immer kaner. Ich würde mich freuen, wenn ich mich räuschte. Allein nach meiner Ueberzeugung tragen sich die Bolschewikt nicht ernstlich mit zriedenéabsichten und wollen die Friedensverhandlungen jetzt namentlich nus taktischen Gründen fortsetzen in der Hoffnung, daß es ihnen im kaufe der Verhandlungen gelingen wird, durch Agitationen in unseren Kreisen ein Lager zu organisteren, das die Regierungen terroristeren soll. Schon lange haben die Ereignisse mich zu dieser Ueberteugung geführt. Diese Bolschewikibewegung hat ja ihre histortschen Vor sufer. Die Revolution hat ja auf zussischem Boden die größten Ueberlleferungen. Der Redner warf sodann einen historischen Ruck. lick auf den Werdegang der russischen Revolution und meinte, wenn man die Taktik der Bolschewikt auf⸗ merksam verfolge, so komme man darauf, daß ihr Vorgehen mit den Lehren der alten revolutionären Apostel Rußlands im Zusammenhange stehe. „Schon ihr Aufruf zum Frieden war nicht an die Regterungen, sondern an das Proletariat gerichtet, obwohl sie wußten, daß bei den verbündeten Mächten verfassungsgemäß die Re⸗ gerungen ermächtigt sind, die Friedensverhandlungen zu führen. Sse varen vielleicht überrascht, als sie mit Geheimen Räten und mit Uwistern verhandeln mußten. Sie haben sich vielleicht die Ent⸗ wicklung der Dinge schon damals ganz andeis vorgetellt. Es wurde lar, daß sie auch mährend der Brest⸗Lhtows ker Verhandlungen alle Mittel der Agitation benutzten, um bei uns Revolutionen zu organisieren. Sie leugneten es gar nicht Sie suchen jetzt vie Verhandlungen in die nng⸗ zu ziehen in der Hoffnung, mit der Zeit ihr Ziel erreichen zu können. 1 9 sehen, wie sie gegen die Ukraine und gegen Finnland orgehen, und wir verstehen jetzt, weshalb sie fordern, daß Polen eist dann über sein Schicksal entscheide, wenn es vog urs militärisch 1 sein wird. In diesem Falle könnte die polnische Natton hes srei vom Terror über ihr Schicksal entscheiden, sondern sie 19 sich in die Argelegenbeiten Polens ebenso eismengen, wie sie 1 jetzt in die Angelegenheiten der Ukraine und Finnlands ein⸗ b Was müssen nir nun in diesen einsten Zeiten na Nach meiner Ueberzeugung müssen wir befolgen, gtoß das „Programm des Ministerpräfidenten in VoltezeZügen enthält. Wir müssen in den weitesten Gelteschichlen das Bewußtsein erwecken, daß diese Regierung vom vetz deß neuen Zeit vollständig durchdrungen ist, daß diese Regierung fiseden nur dersenige Staat lebensfäbig ist, in dem die Massen zu⸗ nrdene sad und in dem die leitenden Kreise die großen moralischen, efe en und hygienischen Interessen der Massen zu wahren ent⸗ togken sind.“ Ver⸗Redner schloß mit der Erklärung, daß er das Hast ümm der Regierung zur Kenntnis nehme. (Anhaltender, leb⸗

er Beifall und Händetlatschen.)

Graf Michael K 1 in d arolyi (Karolvi⸗Partei) erklärte, er set nicht mgtf dage, 5 auf Grund dieses Programms der neuen Partei an⸗ diel v zeu. Er gäbe zu, daß namentlich in dem Sozialprogramm manches zweffliches enthalten sei, mit Bedauern stelle er aber fest, daß age sür darin fehle. Das Programm sei nicht geeianet, als Grund⸗ neskesandttn neue Partelbildung zu dienen. Der Redner vermißte nülnen, eie Vorkehrungen für Versorgung der Invaliden und Kriegs⸗ . Auch häͤtte er gewünscht, daß im Zusammenhang

mit dem demokratischen Wahlrecht eine Umbildung des Magnaten⸗ hauses auf die Tagesordnung gesetzt werre. In vollkommener Ueber⸗ einstimmung mit dem Ministerpräsidenten befinde er sich bezüglich der Wahländerung, er hebe jedoch ausdrücklich hervor, daß er nur eine solche Wahlänverung billige, wie sie in der jetzt im Abgeordneten⸗ hause eingebrachten Wablgesetzvorlage enthalten sei. Er könne jedoch eine Vorlage nicht annehmen, welche der Tiszapartei zultebe den Kreis der Wahlberechtigten mittels Abänderungsvorschlägen verengen werde. Graf Karolyi erklärte, er sei ein Anhänger des Bündnisses mit Deutschland, aber er sei kein Anhänger und werde kein Anbänger einer Vertiefung dieses Bündnisses sein, und zmwar aus dem Grunde, weil nach seiner Ansicht Ungarn in ein Abhängigkeitaverhältnis zu Deuischland gelangen wüͤrde, und nach seinem Hafünbalten sei auch die Bildung eines Mitteleuropas auf wirtschaftlicher Grundlage nicht heilsam, da es ein Haupthindernis bei der Einleitung von Friedensverhandlungen bilden könnte. Der wirtschaftliche Anschluß aa Deutschland, wie er jetzt den Recgierungskreisen vorschwebe, ver⸗ ursache neue Konflilte, führe zur Stefgerung der Rüttungen und hemme die Werbekraft der paffistischen Ideen, als deren begeiflerten Anhänger Graf Karolyi sich bekennt. Er fügte jedoch hinzu, er sei nicht Anhänger eines Friedens um jeden Prets. Friede um jeden Prrts sei ein ebensolcher Unsinn, wie ein Krieg um jeden Preis. Der Pazifismus werde eigenilsch erst nach Friedensschluß ein⸗ setzen und seine Gzundlage sei der Abscheu ver Menschheit vor dem Blutvergießen, welches jetzt seit 4 Jahren währe.

Hierauf ergriff der Miniflerprästbent Dr Wekerle das Wort und sagte, er müsse bestreiten, daß die neue Parteibiloung ein Miß⸗ ersolg sev. Der Abgeordnete Graf Karolyt habe von vornherein ejärt, er wolle sich der neuen Regierungspartet nicht anschließen, und deshalb hätte man auch dierbezüglich keinen Versuch machen können. Es hälte auch eine andere Ursache vorgelegen, daß Graf Karolvi nicht an der Parteibildung teilgenemmen hätte. „Die Grundlage der Parteibildung wor⸗, suhr der Ministerprästdent fort, „daß der Eintritt von der Annahme des Pasteiprogrammes abhängig gemacht worden ist. Zwischen der Regierung und der Karolyt⸗Partei bestehen jedoch kordinale Meinungsverschieden⸗ heiten. In erster Reih⸗ bezieht sich die Meinungsverschieden heit auf daz Verhältnis zu Deutschland. Jedermann, der gesehen hat, daß das Deutsche Reich vom ersten Augenblick an mit größter Hingebung und Bereitwilligkeit und mit dem größten Erfolge (allge⸗ meiner lebhafter Beifall und Händeklatschen) an der Verteidigung unseres Vaterlandes teilgenommen hat, j dermann, der jene Richtungen auf der Ententeseite bemerkt, welche die Zerstückelung upseres Landes durchsetzen wollte, der muß gerade vom nationalen Standpunkt aus eine Polttik befolgen, die sich dem Fisthalten an diesem Bündnis nicht verschließen darf. (L bhaste Zustimmurg.) Dieses Bündnis ist ausschlteßlich anf die Wahrung des Friedens und die gegevseitige Verteibigung gerichtet und besitzt keinerlei aggressive Arsicht. Von dtiesem Gesichtepunkte aus ist es unmög⸗ lich, irgend etwas gegen die Absicht einzuwenden, daß wir bdas Bündnis wirtschaftlich vertiefen, wobei ich die Grenze, bis zu der wir gehen, ausdrücklich bezeichnete, nämlich, daß wir unsere wirtschaftlichen Inter⸗ essen vollkommen wahren und sewobl unsere handelspolttische Selb⸗ ständigkeit wie die Unabhängigkeit unserer Entschließung sichern müssen. (Lebhafte Zustimmung. Zurufe: Auf dem Papter?) Das wirtschaft⸗ liche Bündnis hat keine Spitze gegen andere Staaten. Wir wünschen es in einer Weise ins Leben zu rufen, daß unsere Aktionsfreiheit und unser Verkehr mit anderen Staaten nicht beeinträchtigt wüd.“ (Leb⸗ hafter Beifall.) Der Ministerpräfident besprach eingehend die Ftage der Unabbängigkeit der ungarischen Armee und sagte: „Diesbezüglich hatte die früherne Unabhängigkeitspartei zwei Forde⸗ rungen: Daß die Armee national und dann, daß sie unabhängig sei. Ich kann versichern, daß die Armee tatsächlich national sein und alle diesbezüglichen Erwartungen übertreffen wird. Sie wird so natfonal sein, wie dies die Abgeordneten der Unabhängigkeitspartei es vor Jahren nicht zu träumen gewagt haben würden, wo sie sich noch mit mageren Brosamen in nationaler Hinsicht zu⸗ trieden gegeben hätten. Die Armee wird auch selbständig sein in jenem Maße, wie es die mit Oesterreich und unseren Bundesgenossen gemeinsame Verteidigung gestartet. Ich weiß nicht, wie man sich die Selbständigkeit einer Armee vorstellt. Ich kann nur soviel sagen, daß in der modernen Zeit militärische Kenventionen, die zwischen ganz fremden Staaten geschlossen werden, in bezug auf Oecganisation, Aus⸗ rüstung und Führung eine solche Gebunderheit fesrsetzen, daß man an eine doktrinäre Selbständigkeit nicht denken kann. (Lethafte Zustim⸗ mung.) Ich bitt⸗, versichert zu sein, daß innerhalb dee hier gezogenen Grepzen die ungarrsche Armee selbständig sein wird, wie sie im modernen Sinne nur immer selbständig sein kann.“ Der Ministerpräsident be⸗ prach dann eingehend die Frage der wirtschaftlichen Verhand⸗ lungen mit Oesterreich und wiederholte, daß, wie men auch theoretisch über selbständiges Zollgebiet und Zolleinheit denken möge, die gegenwärlige Lage und namentlich die wirtschaftliche Lage der Bildung aroßer Wirtschaftsgehiete in der Welt ungemein günsstg sei. Ahgeschlossenheit durch Zollschranken sei namentlich in heutiger Zeit vom Uebel. Urgarn könne inebesondere ohne Anschluß an ein großes Verbrauchergebiet nicht an eine Entwicklung seiner Landwirtschaft denken. Auch vom Standpunkt der Ordnurng der Finanzen und der Herstellung des Geldwertes sei ein großes Wirtschaftsgebiet empfehlenswert. Die endgült!ge Ent⸗ scheivung über alle diese Fragen bleibe dem neuen Reichs⸗ tag vorbehalten. Die Lösung der Wahlrechtsfrage sei dringend notwendig, schon um ein störendes Element aus dem öffentlichen Leben zu entfernen. Er halte unverändert an den grundlegenden An⸗ ordnungen der jetzigen Vorlagen fest, sowohl mit Bezug auf die Ausdehnung des materiellen Wablrechts als auch mit Bezug auf die Reinheit des Wahlverfahrens. (Lebhafte Zustimmung.) Das Gerücht von eiwalgen geheimen Vereinharungen und Abweichungen sei durchaus unwohr. Eine Verständigung über das Wahlrecht zwischen den Parteien fiade ihre Grenze darin, daß man die Zeichen der Zeit verstehen und von der Ueberzeugung durchdrungen sein müsse, daß die Wahlrechtsfrage nur dann auf einen Ruhepunkt gelangen werde, wenn ver Verallgemeinerung des Wahlrechts keine engen Schranken gezogen würden. (Lebhafter Beifall.)

Die unter dem Namen 48er Verfassungspartei gebildete einheitliche Regierungspartei hielt gestern eine Sitzung ab, in der ihre Konstituierung ausgesprochen wurde. Der Ministerpräsident Dr. Wekerle hielt die Eröffnungsrede, an deren Schluß er beantragte, zu Präsidenten der Partei den Grafen Julius Andrassy und den Grafen Albert Apponyi zu wählen. Graf Apponyi lehnte die Wahl mit Rücksicht darauf ab, daß er gegenwärtig Mitalied des Kabinetts sei. Graf Andrassy dankte in einer Rede, in der er sagte: „Unser Ideal ist, die demokratische und die nationale Entwicklung mit⸗ einander in Einklang zu bringen und Ordnung und Freiheit zu gewährleisten.“

Großbritannien und Irland.

Der König richtete vorgestern abend, wie das „Reutersche Büro“ meldet, folgende Thronrede an das Parlament:

Seit meiner letzten Ansprache an Sie haben sich große Ereignisse zugetragen. Wenige Wochen spaͤter beschlossen die Vereinigten Staaten von Amerika, sich an unsere und unserer Verbündeten Seite zur Verteidigung der Grundsätze von Freiheit und Gerechtig⸗ keit zu stellen. Ihr Eintritt in den Krieg, dem derjenige anderer neutraler Staaten folgte, vereinigte praktisch die ganze zivilisierte Welt in einer Kampfliga gegen den gewissenlosen Angreifer. Das hat die Kraft unserer Waffen verstärkt und gibt frisches Ver⸗ frauen auf den endlichen Triumph unserer Sache. Andererseits wird Rußland durch inneren Streit zerfleischt. Es konnte nicht im Kampfe durchhalten, bis es die Früchte seines großen Opfers ernten konnte. Gegenwärtig hat es aufgehört, seinen Anteil an der Aufgabe der Verbüͤndeten zu tragen. Die von seinem Feind eröffneten Ver⸗

handlungen haben uns bewiesen, daß der Ehrgeiz, der diesen un⸗ glücklichen Krieg hervorgerufen hat, noch immer am Werks ist. Diese tragtschen Ereignisse haben die Last ver arderen Verbündeten vergrößerl. Sie haben aber nicht die Kraft und Loyalität geschwächt, mit ber die Verbündeten weiter das gemeinsame Ziel versolgen. Mitten in der Verwirrung wechseinder Ereignisse besteht der Eanschluß der Demokratien der Welt, einen gerechten und pauerhaften Frieden zu sichern, klarer deun je. Auf allen Kriegesschauplätzen baben meine Streitkräfte zur See und auf dem Laade eine Entschlossenbeit gezeigt, die ihnen die Bewunderung meines Volkes eingetragen baben. In Frankreich wurde der Feind wiederholt mit Erfolg zurück⸗ geschlogen, und ich sehe der weiteren Evtwicklung des Kampfes mit Zuversicht entgegeu. In Palästina und Mesopotamten wurden die hetligsten und berühmtesten Städte des Orienis den Türken eni⸗ rissen, während der Feind in Afrika den letzten Rest seiner kolonialen Besitzungen verloren hat. Auf allen diesen Gebieten baben die Streitk äfte meiner Dominions und des indischen Reiches ihren vollen Anteil an den Mühen und dem Ruhm gehabt. Während dieses Jahres wurden zum ersten Male die Vertreter meiner Dominien und des indischen Kaiserreiches zu den Sitzungen eines katserlichen Kriegs⸗ kabinetts aufgesordert. Seine Beralungen waren von großer Wichtig⸗ keit für die Weiterführung des Krieges und für die Bekundung der Einheit des Reiches. Meine Herren vom Hause der Gemeinen, ich diarke Ihnen für die Bereilwilligkeit, mit der Sie für die Deckung der schweren Kriegtansgaben Sorge getragen haben. Meine Lords und meine Herren, et hat mich gefreut, meine Zu⸗ stimmung zu Ihren Vorschlägen für eine bessere Vertretung bes Volkes geben zu können. Ich vertraue, daß diese Maßrabme einer größeren Zahl meiner Untertanen im veceinigten Köntgreiche eine wirksame Stimme in der Regseruna des Landes sichern und es er⸗ möglichen wird, daß die natlonale Einheit, die ein so bemerkens⸗ wertes Zeichen im Kriege gewesen ist, auch bei dem nicht weniger schwierigen Werte des Wilederaufbaues ia den Zetten des Friedens andauert. Die Lösung dieser schwierigen Frage durch ein Abkommen läßt mih noch hoffen, daß trotz aller Verwickenthtit der Fraue eine Lösung hinsichtlich der Re⸗ gierung Irlands möglich ist, über die ein Konvent von Vertretern meines irischen Volkes gegenwärtig berär. Die erfolgreiche Fort⸗ setzung des Krieges ist noch unser erstes Ziel und Bemühen. Ich habe voll Stolz und dantbaren Herzens die urveränderte Be⸗ geisterung beobachtet, mit der alle Telle meines Volkes jeder zu diesem Zweck on sie herangetretenen Anforderung entsprochen haben und den letzten Prüfungen ins Auge blicken, die noch nötig sein

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werden, um unsere Anstrengungen fruchtbringend zu gestalten. flehe zum allmächtigen Gott, daß er uns seinen Segen geben möge.

Eine interessante Lage entstand bei dem Streit zwischen dem Unter⸗ und dem Oberhaus, als es sich um Ein⸗ führung der Verhältniswahloderdes Majoritätssystems handelte. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt, hatte sich das Oberhaus mit der Verwersung des von ihm angeregten Kompromisses, betreffend die Verhältniswahl, durch das Unter⸗ haus abgefunden, jedoch einen Plan zu einem Versuch in 100 Wahlbezirken vorgelegt, der der Genehmigung des Parla⸗ ments unterbreitet werden sollte. Gleichzeitig hatte das Oberhaus das Majoritätssystem wieder verworfen. Es entstand eine lebhafte Erörterung, als das Gesetz an das Unterhaus zurück⸗ kam. Asquith regte als äußersten Vergleich an, daß das Unterhaus die Vorschläge des Oberhauses über die Verhältnis wahl annehmen, aber gleichzeitig darauf bestehen solle, daß mit dem Majoritätssystem ein gleicher Versuch wie mit der Ver⸗ hältniswahl gemacht werde. Schließlich wurde der Vergleichs⸗ vorschlag des Oberhauses hinsichtlich der Verhältniswahl mit 224 gegen 114 Stimmen angenommen und über das Majoritäts⸗ system zur Tagesordnung übergegangen.

Das neue Gesetz über die Volksvertretung gibt dem „Allgemeen Handelsblad“ zufolge das Wahlrecht an 6 Mil⸗ lionen Frauen über 30 Jahre und 2 Millionen Soldaten und Matrosen, die Dienst im Ausland tun. Die Liberalen und Arbeiter bedauern, daß Parteierwägungen über das Schicksal des Grundsatzes des Proportionalwahlrechts entschieden haben. Besonders in der Zukunft werde es immer häufiger vorkommen, baß drei Kandidaten aufgestellt werden, und die Gefahr sei groß, daß durch die Trennung der Liberalen und Arbeiter der konservative Kandidat bel dem jetzt eingeführten Wahlrecht den Sieg behalte, weil keine zweite Abstimmung vorgesehen werde. Man glaubt allgemein, daß die Wahlpraxis bleiben werde, wie sie gewesen sei.

Niederlande. 1.“ Das „Haager Korrespondenz⸗Bureau“ meldet, daß im Monat Januar an der niederländischen Küste 239 Minen

angeschwemmt wurden, darunter 215. deutschen und 5 unbekannten Ursprungs.

Rußland. Die russische Regierung erstrebt, wie „Stockholms Tidningen erfährt, die Wiedervereinigung Finnlands mit Rußland und fordert offiziell die Soldaten und Matrosen auf, sich den finnischen Roten Garden anzuschließen. Die polnischen und ukrainischen Abteilungen, die sich weigerten, dies zu ktun, wurden entwaffnet und nach Sveaborg gesührt. Nach der gleichen Quelle trafen aus Kronstadt in Helsingfors mehrere tausend Mann von der dortigen Flotte und russische Rote Garden ein. Die Schiffe der russischen Flotte im Hafen von Helsingfors ankerten vor Sveaborg und drobten damit, die Stadt zu beschießen. Mit dem Bürgerkrieg in Finnland dauert auch der Terrorismus der Sozialisten fort. Nach dem „Svenska Telegrambyran“ sind mehr als 20 hervor⸗ ragende Persönlichkeiten in Helsingsors in fürchterlicher Weise hingerichtet worden. Täglich werden Güter und Bauernhäuser geplündert und niedergebrannt. Unbewaffnete und unschuldige Personen, besonders im südwestlichen Teile, sind getötet worden. Das Weiße Schutzkorps ist jedoch voller Hoffnung, obgleich fürchterliche Ereignisse leider nicht ver⸗ hindert werden können. Eine großer Vorteil für die Weiße Garde ist die vorgestrige Einnahme von Kemi und Tornea.

Die „Petersburger Telegraphen⸗Agentur“ meldet, daß Tammerfors vorgestern eingeschlossen worden ist. Am 5. Februar Morgens begann ein blutiger Kampf, der mit dem vollständigen Sieg der Roten Garde endete. Die von Manner⸗ heim befehligte Weiße Garde wurde nach Norden zurück⸗ geworfen und zieht sich, von der Roten Garde verfolgt, gegen die Westküste des Bottnischen Meerbusens zurück. Tammerfors wird von 10 000 Mann Weißer Garde verteidigt. Die Verluste auf beiden Seiten sind beträchtlich.

Ueber die Vorgänge bei Bildung der ukrainischen Regierung durch die Bolschewiki in Charkow wird durch die Charkower Zeitung „Nowa Hromada“ folgendes bekannt: Als einer der Vorsitzenden der neugebildeten bolschewistischen Regierung in der Sitzung des Charkower ukrainischen Rates erschien und erklärte, daß die neue Bolschewiki⸗Regierung soeben die ganze Regierungsmacht in der Ukraine übernommen habe, wurde er unter dem Gelächter der Anwesenden ohne weiteres aus dem Sitzungssaal entfern

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