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stärker verwickelt.
Oesterreiche⸗nngarn Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht Kaiserliche Hand⸗
schreiben an den Minsterpräsidenten Dr. von Seidler sowie
an den Unterrichtsminster Cwiklinski und den Minister Twardowski, wonach der Kaiser gemäß dem Antrage des Ministerp äsidenten dem Ansuchen des Unterrichtsministers Cwiklinski und des Ministers Twardowski um Eathebung vom Amte keine Folge gidt und die beiden Minister seines fort⸗ dauernden Vertrauens versichert.
— Das „Wolffsche Telegraphenbüro“ erfährt aus dem K u.
K. Kriegepressequartier: Der Rat der Volkskommissare hat die von den Vierbundmächten in Brest⸗Litowsk aufgestellten Friedens⸗
bedingungen ohne jedweden Vorbehalt angenommen. Die hier⸗
mit erzielte neue Wendung im Osten ist ausschließlich dem ohne
Zögern erfolgten militärischen Vorgehen gegen die großrussische Repablik zu danken. Es ist selbstverständlich, daß diese mili⸗
tärische Aktion, die bisher an den Fronten unternommen wurde,
aus dem Einvernehmen der beiden Mittelmächte begründet war.
Wenn bisher nur das Vorgehen deutscher Kräfte gemeldet
wurde, so ergibt sich dies aus der Tatsache, daß das Schwer⸗ gewicht der österreschisch⸗ungarischen Streitkräfte an dem süd⸗ lichen Teil der Ostfront liegt. Nördlich des Pripjet stehen nuür deutsche Truppen, auch beiderseits der Bahn Kowel —Rowno waren zur Stunde des Einsetzens nur deutsche Verbände zur Verfügung Ein Eingreifen unserer Truppen hängt lediglich von der örtlichen Lage und Kräftegruppierung ab.
— In der vorgestrigen Sitzung der christlich⸗sozialen Partei hod der Obmann das Verdienst des Ministers des Aeußern Grafen Czernin um das Zustandekommen des ukrainischen Friedens hervor. Aus der Aussprache ergab sich ein einhelliges Vertrauensvotum für den Grafen Czernin. Der Ob⸗ mann wurde beauftragt, den Leiter der auewärtigen Politik persönlich im Namen des Klubs zu seinem Erfolge beim Friedensschluß zu beglückwünschen und ihn des unbedingten Vertrauens der christlichsozialen Partei zu versichern.
— In einer Beratung der ungarischen rungspartei gab der Ministerpräsident Dr. Wekerle, uͤber das Los der Kriegsgefangenen in Rußland befragt, eine Schilderung der russischen Zustände. Er erklärte, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ berichtet:
In den unser der Herrschaft der Bolschewisien stehenden Ge⸗ bieten sei die gesellsch ftliche uns politische Ordnung vpöllig aufgelöst. Die Herrschaft der Bolschewisten dehne sich auf die Umgebung von Petersburg uad Moskau aus. In den übrigen Teilen Rußlands sei kaum eine Ye derung eingelnreten. De Regierung treffe alle Maß⸗ nahmen zur Lnoecung des Loses der Kriegsgefangenen. Er hoffe, daß der militärische Sch itt, der jetzt von deutscher Seite unternommen werde, wie er vielleicht, wenn auch nicht in Rußland, so doch in der Ukraine, auch von Oesterreich⸗Ungarn ertolgen könne, die Lage lindern und klären werde und daß man mstande sem werde, den traurigen Zuständen bald ein Ende zu machen. .
Großbritannien und Irland.
Bei Einbringung des Voranschlages für das Heer
im Unterhause betonte der Premierminister Lloyd George, wie Reuter meldet, daß die in Verf illes gefaßten politischen Entschlüsse einstimmig seien. Das Haus solle heute entweder dem Vorgehen der Regierung seine Billigung aussprechen, in⸗ dem es diese Beschlüsse unterstütze, oder es solle eine andere Regierung suchen, die die Verantwortung für eine Ablehnung von Entschlüüssen übernehmen würde, die er für die Sicherheit des Landes für wesentlich erachte (Beifall.) Asquith kritisierte die militärische Maschinerie zur Durchführung der Versailler Beschlüsse, erhob aber keine Ein⸗ wendungen gegen die Erweiterung der Besugnisse des Kriegs⸗ rats. Die Beratung war außerordentlich eingeschränkt, und es ereigneten sich keine öb Das Haus beriet nach Er⸗ örterung über den Versailler Kriegsrat verschiedene Heeres⸗ fragen. Die Vertrauensfrage wurde nicht gestellt. Lloyd George teilte dem Hause mit, daß Sir Henry Raivlinson zum britischen Vertreter beim Versailler Kriegsrat ernannt worden sei.
— Im Oberhause gab Lord Derby eine ähnliche Er klärung wie Lloyd George ab, in der er sagte, daß er im Hiablick auf seine bisherige Unterstützung Robertsons Lloyd George seinen Rücktritt angeboten habe, daß aber der Premier⸗ minister ihn ersucht habe, im Amte zu bleiben, um bei der Ausführung des Planes zur Herstellung einer besseren Einig⸗ keit der Kriegsziele der Verbündeten zu helfen. Er habe zu⸗ gestimmt, weil er der Ansicht sei, daß der Versailler Plan zu einem Erfolg gemacht werden könne und wesentlich zur Ge⸗ winnung des Krieges beitragen würde.
— Die interalliierte sozialistische Tagung gestern eröffnet worden. Die Verhandlungen werden geschlossenen Türen stattfinden.
Rußland.
Die „Petersburger Telegraphen⸗Agentur“ meldet, daß der General Kaledin in Nowotscherkask Selbstmord verübt hat. Er tötete sich im Laufe einer Sitzung der Don⸗Regierung, die versuchte, die Angelegenheiten des Don⸗Gebietes zu leiten. Nach langen Beratungen entschloß sich die Regierung, ihre Vollmachten zugunsten des Sowjets niederzulegen, Kaledin begab sich darauf in einen anderen Saal und schoß sich eine Kugel ins Herz. Zu seinem Nachfolger wurde der General Wasarow ernannt, der den Befehl zur allgemeinen Mobi⸗ lisierung der kosakischen und nichtkosakischen Be⸗ völkerung zum Kampf gegen die Truppen der Sowjets er⸗ teilte.
— Wie „Aftonbladet“ aus Finnland erfährt, sind in Helsingfors wieder mehrere Männer in hervorragenden Stellungen von den Roten Gardisten erschossen worden, darunter der Häradshöoding Freiherr Erd von Born. Nach dem gleichen schwedischen Blatt sind Ermordungen in Helsingfors noch immer an der Tagesordnung. Auch diejenigen Arbeiter werden verfolgt, die unter Einspruch gegen die Gewalttaten aus der sozialdemokratischen Partei ausgetreten sind.
Die Lage auf Aland hat sich in den letzten Tagen immer Wie „Stockholms Dagblad“ vom Marine⸗ minister erfährt, ist besonders durch die Ankunft von 500 Weißen Gardisten eine wesentliche Veränderung eingetreten, da diese einerseits der Bevölkerung von Aland nicht sehr willkommen sind, andererseits an Stärke hinter den Russen zurückstehen. Außerdem sind durch ihr Frscheinen angelockt auch Rote Garoisten eingetroffen. Es befinden sich jetzt also vier ver⸗ schiedene Parteien auf der Jasel Russische Truppen, Weiße Gardisten, Rote Gardisten und die Schmweden, die gleich⸗ falls durch Truppen verstärkt wurden. Außerdem nimmt auch der Vertreter der Bolschewikiregijerung in Stockholm
Regie⸗
Voroosky an den Verhandlungen teil. Gleichfalls nach „Stock⸗ holms Daablad“ dauern die Feindseligkeiten zwischen Weiß⸗ gardisten und russischen Soldaten fort. Dabei ziehen erstere den kürzeren, da die Russen von ihren Befestigungen auf Aland
die ganze Insel beschießen können.
— Von „Wolffs Telegraphenbüro“ übermittelten Mel⸗ dungen aus Reval zufolge sind die baltischen Barone in Estland von den Sowjets der Arbeiter und Soldaten für
außerhalb des Gesetzes stehend erklärt und verhaftet worden.
Der Volksbeauftragte für Justiz machte den Somjet von Reval darauf aufmerksam, daß es nicht zulässig sei, einen ganzen Stand ohne Prüfung der persönlichen Vergehen außerhalb des Gesetzes zu stellen. Der Volksbeauftragte verlangte eine eingehende Untersuchung und ein Verfahren, welches den revolutionären Vorstellungen mehr entspräche. Die russische Revolution werde nicht den Weg der Ausrottung ganzer menschlicher Klassen verfolgen. Sie bestrafe Personen, die gegen die revolutionären Interessen verstoßen, aber ihr Hauptziel bestehe in der Vernichtung von Einrichtungen, welche die Arbeitermasse unterjochen.
Portugal. 8
Im Ministerrat wurde der „Agence Havas“ zufolge vollkommene Uebereinzimmung der Ansichten festgestellt. Die Minister beschlossen, binnen kurzem zur Wahl eines Präsi⸗ denten der Republik durch direkte Abstimmung zu schreiten. Dieser wird gleichzeitig Abgeordnete und Senatoren mit be⸗ sonderen Vollmachten zur Revision der Verfassung auswählen.
.“ NKriegsnachrichten. Berlin, 20. Februar, Abends. (W. T. B.) 8 Im Osten gehen die Bewegungen vorwärts. Deutsche Truppen sind in Estland eingerückt. Wenden wurde in östlicher Richtung durchschritten. Von den anderen Kriegsschauplätzen nichts Neues.
Großes Hauptuartier, 21. Februar. (W. T. B.) Westlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Deutscher Kronprinz. Vielfach Artillerie⸗ und Minenwerferkampf. Ein Vorstoß in den Argonnen hatte Erfolg.
Heeresgruppe Herzog Albrecht.
An der lothringischen Front war die Kampftätigkeit
in vielen Abschnitten zwischen der Selle und Plaine gesteigert. Starke französische Abteilungen griffen am Abend unsere Stellungen bei Moncel, Richecourt und Monaucourt an. An einzelnen Stellen drang der Feind ein. Unsere Infanterie warf ihn im Gegenstoß wieder hinaus und machte eine größere Anzahl Gefangener.
Südwestlich von Martirch brachten Sturmtrupps von einer Erkundung Gefangene zurück.
Oestlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe Eichhorn.
Von der Insel Moon aus sind unsere Regimenter nach Ueberschreiten des zugefrorenen Sundes in Estland ein⸗ gerückt und haben Leal besetzt.
In Vormarsch am Rigaischen Meerbusen entlang wurden Permigel und Lemsal errreicht. Bei Lemsal kam es zu kurzem Kampf, in dem 500 Gefangene gemacht und 20 Geschütze erbeutet wurden. Wenden wurde durch schritten, unsere Truppen stehen vor Wolmar.
Zwischen Dünaburg und Pinsk sind wir im Vordringen nach Osten.
Heeresgruppe Linsingen.
Die Bewegungen gehen vorwärts. An der ganzen Front baan wichtige Bahn⸗ und Straßenknotenpunkte
esetzt.
Rowno wurde vom Feinde gesäubert.
Die Beute läßt sich noch nicht annähernd übersehen. Bisher wurden gemeldet:
An Gefangenen: 1 kommandierender General, mehrere Divisionskommandeure, 425 Offiziere und 8700 Mann.
An Beute: 1353 Geschütze, 120 Maschinengewehre, 4—5000 Fahrzeuge, Eisenbahnzüge mit etwa 1000 Wagen, vielfach mit Lebensmitteln beladen, Flugzeuge und sonstiges unübersehbares Kriegsgerät.
Von den anderen Kriegsschauplätzen nichts Neues.
Der Erste Generalquartiermeister. Ludendorff.
Oesterreichisch⸗ungarischer Bericht. Wien, 20. Februar. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Auf dem Monte Pertica scheiterte ein feindlicher An⸗ griff unter schweren Verlusten für den Gegner. An der übrigen Front stellenweise lebhafte Artillerietätigkeit. Die Truppen der Heeresgruppe Linsingen sind in der Richtung
Rowno weiter vorgerückt. Der Chef des Generalstabes.
6 ö1111“ .“ Sofia, 20. Februar. (W. T. V.) Generalstabsbericht
vom 19. Februar.
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Mazedonische Front: An der gesamten Front mäßige Feuertätigkeit. Oestlich vom Wardar und beim Butkov osee verjagten wir durch Feuer mehrere englische Erkundungs⸗ abteilungen. Dobrudschafront Waffenstillstand.
Tärkisch er Bericht.
Konstantinopel, 20. Februar. (W. T. B.) Amtli Heeresbericht. 8 ) Amtlicher Sicherungsabteilungen unserer Kavallerie sind gestern abend
in Baiburt eingerückt,
nachdem sie feindliche Banden ver⸗ trieben hatten 8-
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Der Krieg zur See.
Berlin, 20 Februar. (W. T. B.) w Mittelmeer erzielten unsere U Boote neue 6. olge ge den italtenischen Transportverkehr. 23 000 Br. feindlichen Handelsschiffsraumes wurden von ihr 8 vernichtet. Unter den versenkten Schiffen befanden sich . italienische Dampfer „Harlaw“ mit Kohlen von Marsenke nach Lworno, die bewaffneten englischen Dampfer Ne 5 minster Abbey“ (3114 Br.⸗R.⸗T.), „Sturton“ (4406 Br.⸗R.⸗T) und „Celia“ (5004 Br.⸗R⸗T.), der englische Dampfer „Aboukir“ (3660 Br.⸗R.⸗T) und der italienische Seagler „Voloanta di Rio“, dieser mit Kartoffeln nach Tunis. Vier von den versenkten Dampfern wurden aus ein und demselben gesicherten Geleitzug, einer aus Zernörerbedeckung herausgeschossen. Von dem bewaffneten italienischen Dampfer „Harlaw“ und dem englischen Dampfer „Aboukir“ wurden die Kapitäne als Gefangene eingebracht. 1
Der Chef des Admiralstabes der Marine.
Rotterdam, 20. Februar. (W. T. B.) meldet: Der englische Dampfer „Glodale“ tonnen) ist gestrandet und auseinandergebrochen. Dampfer „Kounyn Maru“ (3179 Br.⸗T) ist nach einem Zusammenstoß gesunken. Der englische Lotsenkutter „Sham⸗ rock“ ist nach einem Zusammenstoß mit einem norwegischen Dampfer gesunken. Der amerikanische Sealer „Ellenville“ (858 Br.⸗T.) und das englische Flscherfahrzeug „Gordon“ aus Lowestoft sind gesunken. Der amerikanische Schlepp⸗ dampfer „Mattie Sargent“ wurde durch Feuer vollständig zerstört. Die englische Bark „William and Eleanor“ ist gesunken. Der Segler „Finnland“ (1674 Br.⸗T.) ist wrach geworden.
„Maasbode“ (1919 Netto⸗ Der japanische
Parlamentarische Nachrichten.
In der vorgestrigen Sitzung des H auptausschusses des Deutschen Reichstags ergriff der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. von Kühlmann laut Be⸗ richt des „Wolffschen Telegraphenbüros“ das Wort zu fol⸗ genden Ausführungen:
Meine Herren! Vor allem möchte ich vorausschickend wenige Worte des Bedauerns darüber sagen, daß es noch nicht gelungen ist, heute schon die sämtlichen Drucksachen und Unterlagen zu beschaffen. Der Herr Vorsitzende dieses hohen Ausschusses hat die Gründe dafür be⸗ reits angegeben. Die Ereignisse drängen sich in der jetzigen Zeit un⸗ gewöhnlich schnell, und selbst bei angespanntester Arbeit aller beteilig⸗ ten Organe ist es nicht möglich, wie es unser Wunsch wäre, in dieser Beziehung auch alle ö“ rechtzeitzg zu erfüllen. Der Friedensvertrag, der Ihnen morgen mit einer Begründung zugehen wird, ist durch die Presse so ausführlich veröffentlicht, daß ich bei der kurzen Besprechung, die ich ihm vorauszuschicken gedenke, mich auf die Presseveröffentlichungen beziehen kann.
Als ich das letzte Mal die Ehre hatte, im Ausschuß dieses hohen Hauses den Herren die politische Lage zu schildern, wies ich darauf hin, daß die Verhandlungen mit den Bolschewitt und dem Kommissar für auswärtige Angelegenheiten G Trotzki wenig vehe c. h verlaufen seien, während das Verhalten der ükrainischen Delegierten und die Unterhandlungen mit ihnen sich in einem aussichtsreichen Stadium befänden. Die ungünstige Voraus⸗ sage über die Haltung und die Absichten der Petersburger Delegation — ich sage dies mit aufrichtigem Bedauern — ist eingetroffen. Herr Trotzki hat mit einer theatralischen 11.“ einen Zustand geschaffen, der in der Geschichte ohne Beispiel ist. Auch die genauesten Nach⸗ forschungen haben einen Präzedenzfall nicht finden lassen. Er hat ein⸗ seitig erklärt, er halte den Kriegszustand für beendet und wolle die Demobilisation befehlen. Diese Erklärung war nur ein Mittel, um sich aus einer für ihn unhaltbar gewordenen Situation zu befreien. Daß die Absichten bei dieser Erklärung keine solchen waren, auf denen die verbündeten Mächte irgendwie ein erträgliches Verhältnis aufbauen konnten, ging für uns aus einer ganzen Reihe von Symp⸗ tomen hervor.
Im zweiten Teile der Beratungen seit dem Eintreffen des Volks⸗ kommissars Trotzki — ich habe in der vorigen Sitzung mir darau hinzuweisen erlaubt, wie schon in den Aeußerlichkeiten, die schließlich bei einer solchen Verhandlung eine wesentliche Rolle spielen, seit dem Eintreffen des Herrn Trotzki erhebliche Veränderungen vorgegangen waren — hat ein wohl den meisten hier vertretenen Parlamentariern genügend bekannter Mann namens Radek eine zweifellos sehr be⸗ deutende Rolle gespielt und, wie ich vermute, die Ene ee ungen der russischen Delegation maßgebend mit beeinflußt, offenbar, weil er in der russischen Delegation als ein genauer Kenner der politischen Ver⸗ hältnisse in den Mittelreichen galt. Herr Radek hat vor Herrn Trotzki die bekannte Erklärung in Brest⸗Litowsk abgegeben, die in der „Is⸗ westija“ erschien. Ich habe die Nummer selbst nicht hier, sondern die Wiedergabe aus Stockholm:
Die Friedenspolitik der russischen Revolution muß auf die
Herbeiführung der europäischen Revolution gerichtet sein. Jeden⸗
falls muß man mit einem Stillstand oder einem Abbruch der jetzigen
Verhandlungen rechnen. Werden wir dann den Kampf aufnehmen?
Die sofortige Demobilisierung ist nötig. Man muß die alte Armee
— ihre Auflösung ist so groß, daß alle Versuche, sie in den Schützen⸗
gräben zu halten oder zum Kampf zu zwingen, vergeblich wären —
sofort auflösen, das Kriegsmaterial zurückführen und die lebens⸗ fähigen Teile des Heeres an rückwärtigen Punkten als Zentren für die neue sozialistische Armee zurückbehalten. Diese ist sofort aus
Arbeitslosen, Flüchtlingen usw. zu bilden. Ein neuer deutscher
Feldzug in das Innere Rußlands ist infolge der politischen Zweck⸗
losigkeit und der Gefahren, die er für die Deutschen bringt, nach
unserer festen Ueberzeugung unmöglich. Der Freischarenkrieg revo⸗
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8 5 il
Kräfte erfordern, daß wir eine solche Absicht politisch für sehr wenig wahrscheinlich halten. ist natuf lich möglich. Ein Kompromiß in der Friedensfrage wäre für die russische Revolution das Gefährliche. Ihre Losung muß sein: Wer wagt, gewinnt; jede Nachgiebigkeit schwächt die russische Re⸗ volution. Iu“
Dieses alles miteinander zu den Erklärungen des Herrn Trotzki genommen, wird Ihnen, meine Herren, ein sehr klares Bild darüber geben, wie diese Erklärungen aufzunehmen sind und was ihr eigent⸗ licher Sinn war.
Herr Trotzki hat auch durch seine Verhandlungsmethode, welche niemals auf die eigentlichen Fragen eingegangen ist und niema unsere Forderungen in irgend einer Weise durch ein Angebot oder eine Gegenopposition erwidert hat, klar gezeigt, daß es ihm eben auf diesen von Radek gepredigten und befürworteten Bruch in einer aller⸗ dings wenig offensiven Form ankam, nicht aber auf Abschluß. Die Form dieser Erklärung ist gleichfalls durch amtliche Mitteilungen be⸗ reits bekannt geworden. 88 8
Wie ich mir sofort nach Entgegennahme der Trotzkischen Er⸗ klärung in Brest⸗Litowsk auszuführen erlaubt habe, war der Waffen⸗ stillstandsvertrag ausdrücklich auf den Abschluß eines Friedens e9 gestellt. In dem Moment, wo der Abschluß des Friedens von duf Gegenpartei formell abgelehnt war, entfiel mit der Grundlage, ac- welcher der Waffenstillstandevertrag ruhte, auch dieser, und 8 2 2 seitige Kündigung war nach der hier von den maßgebenden Ste 9 eingenommenen Ansicht nicht nötig. Wir haben die russische Rente
rung von dieser Auffassung verständigt, und die siebentämige Fei⸗ wurde von dem Abend der Trotzkischen Erklärung und unserer Geg
lutionärer Abteilungen würde den Einsatz so erheblicher deutscher
Besetzung einiger Punkte ist natür⸗-⸗
„klärung an laufend gerechnet. Die Zustände im Innern Rußlands npen sich seit meinen letzten Darlegungen im Ausschuß dieses hohen zauses ganz erbeblich verschlechtert. Mehr und mehr hat sich gezeigt, hauser Wort vom Selbstbestimmungsrecht der Völker von den Bol⸗ ühwikis nicht ilih Fer. Es haben sich im russischen Reiche ußer zahlreichen Shee. eubi ungen, welche ich andeutungsweise gs letzte Mal erwähnen konnte, zwei staatliche Gebilde kristallisiert, velche alle Voraussetzungen für ein gedeihliches staatliches Leben atten, nämlich Finnland und die Ukraine. Finnland war mit Zu⸗ immung der bolschiwistischen Regierung sowohl von dieser selbst wie on einer Reihe europäischer Großmächte, darunter Deutschland, als nabhängiges Staatswesen mit allen Attributen eines solchen an⸗ kannt, und auch bei der Ukraine lag. solche Anerkennung lange vor der isch die Mittelmächte ausgesprochenen, z. B. von der französischen kpublik, vor. Diese hat sogar einen Herrn im Gesandtenrange als ertreter nach Kiew entsandt. Leider hat sich aber herausgestellt, daß bolschiwistische Regierung durchaus zentralistischen und absolutisti⸗ scen Neigungen huldigte, daß sie in einer schärferen und grausameren korm, als dies früher das Zartum versucht hatte, entschlossen war, bstandige freie Bildungen im Gebiete des ehemaligen russischen Kaiserreichs nicht aufkommen zu lassen. Ich weiß nicht, ob das Zu⸗ mmentreffen ein zufälliges ist. Von dem Augenblicke an, wo es lar war, daß die Mittelmächte sowohl mit Finnland als mit der ükrainischen Volksrepublik zu Friedensverhandlungen kommen würden, at die Gewalttätigkeit, die Verwendung von Truppenmassen gegen Finnland und die Ukraine in erschreckendem Maße überhandgenommen. Uuch die furchtbaren Bedrückungen, Plünderungen, Mordtaten, unter denen Estland und Livland zu leiden hatten, haben im Laufe der letzten Pochen eine immer schwerere und immer gefährlichere Form an⸗ genommen. Aus diesen verschiedenen Gegenden sind uns schon seit fanger Zeit herzerschütternde Hilferufe zugegangen, und in den letzten Tagen sind aus hen genannten Gebieten wahrheitsgemäße ernste Schil⸗ derungen der vollkommen unerträglichen Zustände auch in die breiter Oeffentlichkeit gedrungen. 8
Es wäre für uns eine verfehlte Politik gewesen, hätten wir auf Grund der einseitigen und keineswegs bindenden Erklärung des Volks⸗ kommissars für auswärtige Angelegenheiten uns nunmehr in dem Wahne gewiegt, daß ohne weiteres Rußland unbedingt friedlich ge⸗ sennen sei. Rußland hatte keine unserer Bedingungen anerkannt, sondern sich in jeder Beziehung freie Hand vorbehalten, und für mich besteht kein Zweifel darüber, daß die Absicht auch dahin ging, sämtliche Fragen offen zu lassen, um dann bei dem noch immer erhofften großen Kongreß, auf welchem sämtliche gegen uns verbündeten Mächte zu⸗ sammentreten würden, mit den ehemaligen Bundesgenossen zusammen auf uns zu drücken und unsere Wünsche und Lebensnotwendigkeiten aufs äußerste zu beschneiden.
Die Erwägung, daß es unbedingt notwendig sei, den Frieden mit der Ukraine auch nach seiner ökonomischen Seite hin auszuführen — scch werde auf die ökonomische Seite ‚später noch ausführlicher zu sprechen kommen —, die Erwägung, daß wir nicht dulden können, daß das junge Staatswesen Finnland, an dem wir kulturell und auch in wirkschaftlicher Beziehung ein außerordentlich großes Interesse haben, zerstört und vergewaltigt wird, die Erwägung endlich, daß in den un⸗ mittelbar vor unseren Grenzsicherungen liegenden Gebieten Estland und Livland, Zustände herrschen, deren Fortdauer länger mit anzusehen unmöglich war, hat zu dem Entschluß geführt, durch gewisse militärische Operationen, deren Einleitung bereits bekannt gegeben ist, soweit es an uns liegt, für die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung in diesen Gebieten einzutreten.
Wenn ich gleich vorwegnehmen darf, wie die nächste Zukunft in dieser Beziehung, d. h. in Beziehung auf unser Verhältnis zu der Petersburger Regierung, sich entwickeln wird, so glaube ich, ist es nicht übermäßig optimistisch, zu erwarten, daß die Erkenntnis, Deutsch⸗ land sei fähig und gewillt, wenn es sein muß, auch unter nochmaliger Gewaltanwendung eine Anerkennung seines gerechten und mäßigen Standpunktes in der Friedensfrage zu erzwingen, in Petersburg außerordentlich ernüchternd wirken wird. Ich glaube, daß man dort in dieser Beziehung noch bis zuletzt an Wahnvorstellungen festgehalten hat, und ich glaube, daß, wenn die nüchterne Erkenntnis der Lage, wie sie wirklich ist, in Petersburg durchgedrungen ist, dann der Wille zun einem klaren und für uns annehmbaren und brauchbaren Frieden sich in allerkürzester Zeit entwickeln wird. Die Ereignisse pflegen in solchen Zeiten schnell zu schreiten, und ich hoffe deswegen, daß wir in allernächster Zeit schon in dieser Beziehung ausreichend klar sehen, um neue Entschlüsse fassen zu können. Das stehe ich nicht an heute 8 zu sagen: die Kaiserliche Regierung hat seinerzeit durch den Mund des Herrn Reichskanzlers auf den ersten Funkspruch der Ratsregie⸗ rung in Petersburg hin ihre Bereitwilligkeit erklärt, mit der gegen⸗ wärtigen ge facto⸗Regierung in Rußland Frieden zu schließen. Wir haben diesen Entschluß der leitenden Reichsstellen in wochenlangen, außerordentlich mühsamen Verhandlungen durchzuführen versucht, in denen von seiten der verbündeten Mächte an gutem Willen und Ge⸗ duld alles geleistet worden ist, was einem Menschen überhaupt zu⸗ semutet werden kann. Wir sind aber auch heute noch bereit, einen Frieden zu schließen, wie er unseren Interessen und unseren gerechten Ansprüchen entspricht — heute und jederzeit. Aus dieser unserer Be⸗ reitschaft, in eine ehrliche und aufrichtig gereichte Friedenshand ein⸗ zuschlagen, von wo immer uns dieselbe entgegengestreckt werde, ist der Friede entstanden, mit dem zunächst die heutigen und die morgigen Verhandlungen sich zu beschäftigen haben, der Friede mit der Ukraine. Lange unterjocht durch das zaristische Regiment hat der ukrainische Staatsgedanke in den wenigen Monaten seit der Befreiung Rußlands von den Fesseln der Zarenherrschaft in der ganzen Ukraine festen Fuß gefaßt. Die Begeisterung, der nationale Schwung, welche die ukrai⸗ nischen Abgeordneten, mit denen wir verhandelt haben, beseelten, gaben hierfür ein beredtes Zeugnis, und genau dieselbe Beobachtung haben auch die Herren an der Front gemacht, die mit ukrainischen Lffizieren und ukrainischen Truppenteilen zu tun hatten. Das Stammesbewußtsein, das Nationalbewußtsein, der Stolz auf den Ftaat und der Wille, diesem Staat alle Opfer zu bringen, ist im Verhältnis zur Jugend dieses neuen Staatsgebildes ein schönes und erhebendes Bild, ein Bild, das unsere Entschlüsse jedenfalls mit be⸗ einflußt hat; denn abgesehen davon, wie die Ereignisse im einzelnen aufen mögen, das glaube ich, können wir mit Sicherheit annehmen, daß der ukrainische Staatsgedanke und der ukrainische Staat einen zauernden Faktor in der Entwicklung des ehemaligen russischen Kaiserreichs heute schon bilden und in Zukunft bilden werden. Dieser ükrainische Staat, der das Deutsche Reich an Fläche nicht unerheblich übertrifft und schätzungsweise 30 Millionen Einwohner haben dürfte, umfaßt die wertvollsten Teile des ehemaligen russischen Kaiserreichs sowohl in landwirtschaftlicher als in bergbaulicher und industrieller Peziehung. Man kann sagen, vom wirtschaftlichen Standpunkt aus ster das eigentliche Herz Rußlands. Trotz der schweren Kriegszeiten imt, wie uns von den verschiedensten Seiten glaubwürdig versichert worden ist, auch jetzt noch dieses reiche Land erhebliche exportfähige leberschüsse, insbesondere Ueberschüsse an Brotgetreide, an Futter⸗ nitteln und anderen Rohstoffen, welche für die Volksernährung der Ferbündeten und die Kriegswirtschaft der Verbündeten von großem Bert sein würden.
Fies Diese ökonomischen Gesichtspunkte haben bei Abschluß, des 1s gecäle erhebliche Beachtung gefunden, und es wird sich bei der Lurchsprechung der Einzelheiten ergeben,
5 C
auch der 5 daß, wie ich glaube, keib ber ökonomische Teil des Vertrags mit Sorgfalt und Gründlich⸗ so stoearwbeitet worden ist, um unsere und die ukrainischen Interessen 9 stark wie möglich anzunähern und den Interessen der Mittelmächte eem umschriebenen Rahmen zu dienen. 1“ die Für die Zukunft glaube ich, die Tatsache, daß die Mittelmächte meersten. waren, welche mit diesem innerlich starken und zukunfts⸗ welchn Staatswesen — stark und zukunftsreich trotz der Wirren, ercr jebt venteils auf Betreiben ver D11“ dort Uneh ie Tatsache, daß die? littelmächte als erste mit diesem aigen. Stoatswesen ausführliche Verträge geschlossen haben, daß sich bealicn den Vertretern der Ukraine und der Mittelmächte ersoͤnlich
seute und vertrauensvolle Beziehungen angebahnt haben, wird für
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unsere zukünftige Ostpolitik immer einen wertvollen Faktor bilden,
Das große russische Reich, mit dem wir uns gewöhnt hatten, im
Laufe so vieler Jahre als feststehendem Faktor zu rechnen, besteht zur⸗ eit nicht. Ob und wann es wieder einmal entstehen wird, ist eine Frage, die, glaube ich, auch der politisch scharfsichtigste Beobachter zur⸗ zeit nicht mit der geringsten Wahrschernlichkeit beantworten kann; also wird, glaube ich, auch der, der der Pflege unserer Beziehungen zum Ssten die größte Sorgfalt entgegenbringt und der die Pflege dieser Beziehungen für eine der wichtigsten Aufgaben der deutschen Gesamt⸗ politik hält, nicht umhin können, anzuerkennen, daß der Friedensschluß, die Herstellung vertrauensvoller Beziehungen, auch von Handels⸗ beziehungen, zu dem stärksten und zukunftsreichsten der Gebilde, die sich im Gebiete des ehemaligen russischen Kaiserreichs jetzt schon kristallisiert haben, ein verstandiger Schritt ist auf dem Wege einer weitsichtigen, auch mit der Zukunft rechnenden Ostpolitik.
Um auf den materiellen Inhalt des Vertrags, soweit er politi ist, einzugehen, so waren die Verhandlungen dadurch erleichtert, territoriale Fragen zwischen der Ukraine und den Mittelmächten
in sehr beschränktem Umfange vorlagen. Die Ukraine hatte Grundsatz aufgestellt, und dies war in Uebereinstimmung mit Grundsätzen, die uns während der Verhandlungen geleitet haben, daß das völkische Moment für die Ziehung der Grenzen des neuen Staates ausschlaggebenden Einfluß haben sollte. Im großen und ganzen hat dies zu Reibungen und Differenzen nicht geführt. An einer Stelle waren die Verhandlungen schwierger. Das war etwa auf der Linie zwischen der Grenze Oesterreick⸗Ungarns und der Feste Brest⸗Litowsk, in welcher die Verhandlungen stattfanden. Hier liegt das schon in der Vergangenheit viel umstrittene russische Gouvernement Cholm auf dem westlichen Bugufer und hier machte die Ukraine Ansprüche auf dieses ganze Gouvernement in einer so nachdrücklichen und hartnäckigen Weise geltend, daß die Unterhändler sich des Eindrucks nicht erwehren konnten, an dieser Frage könne und werde der ganze Vertrag scheitern, wenn die ukrainischen Ansprüche nicht in weitgehender Weise unterstützt werden könnten. Selbstverstandlich sind die deutschen Interessen an der dort getroffenen Lösung sehr große und wichtige und haben im Laufe der Verhandlungen auck immer die gebührende Betonung er⸗ fahren; es ist aber nur billig und entspricht unserer bundesfreundlichen Gesinnung, anzuerkennen, daß die österreichischen Interessen an der ge⸗ troffenen Lösung und an ihren politischen Folgen die unsrigen noch er⸗ heblich übertreffen. Es ist deswegen in diesem Punkte von mir mit ganz besonderer Sorgfalt so verfahren worden, daß auch nicht der ge⸗ ringste Anlaß vorliegen könnte, in unser Bundesverhältnis, das auch in diesen Verhandlungen sich so trefflich bewährt hat, auch nur den⸗ leisesten Schein einer Trübung gelangen zu lassen. Alle Entschließun⸗ gen sind, um nicht mehr zu sagen, in allervollkommenster Ueberein⸗ stimmung zwischen den beiden bevollmöchtigten Delegierten der Mittel⸗ mächte, die an diesen Verhandlungen beteiligt waren, getroffen worden. Es konnte nicht ausbleiben, daß die unmittelbar an das Gouverne⸗ ment Cholm angrenzenden Polen sich z. T. durch den Vertragsabschluß Interessen verletzt fühlten. Die Auswirkung dieser Gefühle
in ijbron IIl n' 2 5
18s ist den Herren ja aus der Tagespresse bekannt. Die Aufgabe war, ab⸗ zuwägen, ob ein Scheitern des ukrainischen Vertrages mit seiner un⸗ geheuren Wichtigkeit sowohl für die Ernährungspolitik, wie für die Strategie und die Gesamtpolitik im Osten verantwortet werden könnte, falls die ukrainischen Ansprüche in dieser Gegend sich nicht zu⸗ rückschrauben ließen. Die verantwortlichen Regierungen haben die⸗ jenigen Entscheidungen getroffen, die sie pflichtgemäß treffen mußten, und deren Gründe ich Ihnen in Kürze eben darzulegen ich mir er⸗ laubt babe.
Ich glaube, es ist für Sie von Interesse, meine Herren, wenn ich Ihnen auszugsweise die wichtige und bedeutsame Rede mit⸗ teile, welche der österreichische Ministerpräsident heute in Wien im Reichsrat halten wird. Sie werden aus dieser Rede er⸗ sehen, daß die österreichisch⸗ungarische Regierung ebenso wie wir weit davon entfernt ist, die Schwierigkeiten, welche etwa durch die Cholmer Abmachung des ukrainischen Vertrags hervorgerufen sind, zu unter⸗ schätzen, sie ist im engen Einvernehmen mit uns bestrebt gewesen, die Beschwerden und Klagen, welche eventuell erhoben werden könnten, so⸗ weit als möglich auf ein erträgliches Maß zurückzuführen. Wenn ich kurz einige Sätze aus der Rede des Heren von Seidler vortragen darf: Er führt zunächst aus, wie die österreichisch⸗ungarische Regierung über den ukrainischen Vertrag denkt, eine Materie, die hier auch inter⸗ essieren dürfte, und geht dann zu dem wichtigen Punkt des Cholmer Vertrags über. „Bei dem Friedensschluß mit der Ukraine“, sagt Herr von Seidler, „sind zwei Momente von ganz besonderer Bedeutung. Vor allem ist darauf hinzuweisen, daß lt. Artikel 9 des Friedensvertrags sämtliche Bestimmungen desselben ein unteilbares Ganze bilden. Was in diesem Vertrag der eine Teil an Zugeständnissen gemacht hat, hängt somit davon ab, daß auch der andere Teil seine Verpflichtungen erfüllt. Die Verpflichtung, welche die ukrainische Volksrepublik über⸗ nommen hat, besteht vor allem darin, daß sie uns ihre Ueberschüsse an landwirtschaftlichen Produkten zur Verfügung stellt. Wir erwarten vorn dieser Bestimmung des Friedensvertrags eine Erleichterung der Lebensverhältnisse in der Monarchie durch die Lieferung von Getreide und anderen Lebensmitteln aus der Ukraine. Es steht außer Zweifel, daß die in der Ukraine lagernden Getreidevorräte unvergleichlich größer sind als das Quantum, welches wir augenblicklich transportieren können. Im Sinne des Friedensvertrages ist die Ukraine verpflichtet, uns und unseren Bundesgenossen diese Ueberschüsse zur Verfügung zu stellen. Die Frage, ob und was wir von der Ukraine an Getreide erhalten, ist somit lediglich eine Frage des Erfassens des Getreides und des Trans⸗ ports. Alle diesbezüglichen Vereinbarungen sind bereits getroffen, und es ist die Hoffnung vorhanden, daß die Lieferungen uns noch im gegenwärtigen Wirtschaftsjahr zugute kommen werden. Die ukrai⸗ nische Republik hat ein wesentliches Interesse daran, uns die angefor⸗ derten Getreidemengen zu liefern, denn im entgegengesetzten Fall würden auch jene Teile des Bündnisvertrags, welche unsere Zugeständ⸗ nisse an die Ukraine enthalten, hinfällig sein. Natürlich dürfen wir dabei nicht vergessen, daß ganz Rußland und auch die Ukraine von den Krämpfen des Bürgerkrieges gerüttelt werden, und daß die Schwie⸗ rigkeiten des Transports unter diesen Verhältnissen ganz außer⸗ ordentlich große sind.“
Ich übergebe die weiteren Ausführungen, da sie zu lang würden. In bezug auf die Cholmer Frage fährt der österreichische Mi⸗ nisterpräsident fort: „Der andere wichtige Punkt des Vertrags ist die Cholmer Klausel; von dem Vertreter der ukrainischen Rada und der K. K. Regierung wurde gestern eine ergänzende interpretierende Er⸗ klärung zum Friedensvertrag unterfertigt, wonach das Cholmer Geu⸗ vernement nicht an die ukrainische Republik fällt, sondern über das Los seinerzeit durch eine gemischte Kommission nach ethnographischen Grundsätzen und nach Anhören der Wünsche der Bevölkerung be⸗ stimmt werden soll. Der diesbezügliche Passus lautet:
„Zur Vermeidung von Mißverständnissen bei Auslegung des Punktes 2 des Art. 2 des am 9. Februar in Brest⸗Litowsk zwischen Deutschland, Oesterreich⸗Ungarn, Bulgarien und der Türkei einerseits und der ukrainischen Volksrepublik anderseits ceschlossenen Friedens⸗ vertrags wird festgestellt, daß die im zweiten Absatz dieser Vertrags⸗ bestimmungen vorgesehene gemischte Kommission bei Festsetzung der Grenzen nicht gebunden ist, die Grenzlinie durch die Orte zu legen, sondern das Recht besitzt, auf Grund des Punktes 2 des Artikels 2 des Friedensvertrags die sich aus ethnographischen Verhältnissen und den Wünschen der Bevölkerung ergebenden Grenzen auch östlich der Linie zu führen. Die erwähnte gemischte Kommission wird aus Ver⸗ tretern der vertragschließenden Teile und aus Vertretern Polens ge⸗
bildet werden, und es wird jede dieser Parteien eine gleiche Anzahl Delegierte in die Kommission entsenden. Die vertragschließenden Teile werden einverständlich bestimmen, in welchem Zeitpunkt diese Kom⸗ mission zusammentreten wird. Eine andere Lösung der national um⸗ strittenen Cholmer Frage war nicht möglich, ohne den Frieden zu ver⸗ derben.“ — Soweit die Ausführungen, die, wie ich vermute, für den Ausschuß des hohen Hauses von lebhaftem Interesse sein werden. Außer dieser Frage, über welche ich mir eben erlaubt habe, ein⸗ gehende Erläuterungen zu geben, bietet, glaube ich, der ukrainische Ver⸗ trag, soweit ich es jetzt uͤbersehen kann, in seinem politischen Teil keinen Punkt, welcher noch weitere Darlecungen von meiner Seite augen⸗ blicklich göͤtig machen würde, Ich bin aber selbstverständlich gern be⸗
t, falls in der Diskussion solche Punkte auftauchen sollten, soweit es tunlich ist, einzugehen und die notigen Aufkläarungen zu geben. Ich möchte die Annahme dieses Vertrages, von dem ich mit gutem Gewissen jagen kann, daß ich ihn für nützlich halte, und von dem ich glaube, daß er für unsere Gesamtpolitik auch für die Zukunft von tief⸗
greifenden Wirkungen sein wird, dem Ausschuß dieses hohen Haués
empfehlen.
Im Verlauf der Sitzung des Hauptausschusses ergriff der Staatssekretär Dr. von Kuüͤhlmann nochmals das Wort, um auf einige Fragen zu antworten:
Der Ausschuß hat die Mahnung seines Vorsitzenden, Fragen zu stellen, in so ausgiebiger Weise befolgt, daß es mir nicht leicht sein wird, obgleich mir jedes Ausweichen vollkommen fern liegt, nun wirklich jede einzelne Frage, die heute angeschnitten worden ist, er⸗ schöpfend zu beantworten. Ich werde versuchen, auf Grund meiner Notizen so genau als möglich auf die gestellten Fragen zu antworten.
Der Herr Abgeordnete Groeber hat zunächst angeregt, unsere Drucksachen möchten auch mit dem entsprechenden Karten material versehen sein. Es tut mir leid, sagen zu müssen, daß das aus technischen Gründen voraussichtlich nicht möglich sein wird. Meine Bevollmächtigten sind aber gern bereit, mit den Herren in Verbindung zu treten, wo zweckmäßigerweise Uebersichtskarten auf⸗ gelegt werden können, auf denen die betreffenden Linien so eingetragen sind, daß jeder, der für diese Fragen Interesse hat, sich an der Hand dieser Karten die nötige Uebersicht verschaffen kann. An sich genügt ja jeder Handatlas, um die hier besprochenen Punkte durchzugehen.
Was die polnische Vertretung bei den Verhandlungen mit der Ukraine betrifft, so ist dies ein Punkt, der zwischen den Bundesgenossen ausführlich erwogen worden ist. Wäre nicht die Schwierigkeit gewesen, zu den Verhandlungen mit den Russen polnische Vertreter zuzuziehen — über den Verlauf dieser Angelegenbeit sind die Herren durch die in den Zeitungen veröffentlichten Protokolle der Brest⸗Litowsker Verhandlungen ja ausreichend unterrichtet worden —, so wäre keine Schwierigkeit gewesen, die an sich zugezogenen Herren auch zu den Verhandlungen mit der Ukraine zu berufen. Tatsächlich haben auch gerade auf ukrainischer Seite Bedenken bestanden, für den Frieden mit der Ukraine einen offiziellen Vertreter der polnischen Nation nach Brest⸗Litowsk zu berufen. Es ist aber nur dem ver⸗ hältnismäßig sehr raschen Abschluß der Verhandlungen zu verdanken, daß ein offizieller Gedankenaustausch zwischen Ukrainern und Polen nicht stattgefunden hat. Private Fühlungnahme einzelner Mitglieder der ukrainischen Delegation mit polnischen Politikern hat, glaube ich, stattgefunden. Ich kann darüber etwas ganz Gewisses nicht sagen.
Ferner ist die Frage gestellt worden, wie wir denn die Ge⸗ treidemengen festgestellt haben, die sich noch in der Ukraine bofinden. Festgestellt ist in dieser Beziehung nichts und es ist bei den Verhältnissen, wie sie liegen, nicht möglich, etwas einzelnes fes stellen. Wir haben uns bei diesen Dingen auf die Ansicht von F leuten der Getreidebranche gestützt, welche nach ihren Berecknungen annehmen, daß in der Ukraine noch ansehnliche Mengen übrig sein müssen, die das ganz auf Ausfuhr eingestellte Rußland seit der Schließung den Dardanellen nicht mehr hat exportieren können. Ferner haben wir uns auf die Aussagen der der ukrainischen Dele⸗ gation beigegebenen Herren gestützt, welche durchaus den Eindruck der Ehrlichkeit gemacht haben, und ferner haben wir uns auf die Ansichten
gestützt, welche im Norden Rußlands über die Verpflegungszustände in der Ukraine bestehen. Das Faktum, daß die Bolschewikiregierung mit so großen Machtmitteln und mit solchem Nachdruck sich gegen die Ukraine gewendet hat, ist zweifellos hauptsächlich neben den politischen Motiven, die sie getrieben hat, auch daraus zu verstehen, daß die Bolschewikiregierung sich eben dieser Vorräte bemächtigen will, welche noch vorhanden sind. Es ist darauf hingewiesen worden, daß zeitweise auch in Kiew selbst Mangel geherrscht hat, das, meine Herren, ist kein Beweis dafür, daß nicht tatsächlich im Lande noch große Vorräte vorhanden sind, denn jeder weiß, daß die größte Schwierigkeit schon in hochorganisierten Ländern wie z. B. in Deutschland häufig in der Verteilung liegt, und bei den leider immer noch recht wenig be⸗ friedigenden Transportverhältnissen, wie sie heute in der Ukraine liegen, werden derartige Erscheinungen in noch viel schärferer Weise zutage treten. Also ein Nachweis ist nicht möalich. Anderseits sind aber auch die Transportmittel beschränkt. Wir haben auf Grund der Daten, die uns zur Verfügung standen, ungefähr berechnet, was in der Zeit von jetzt bis zur nächsten deutschen Ernte trans⸗ portiert werden kann, und ich habe keine einzige Stimme von irgend einer Seite gehört, die es nickt für wahrsckeinlich oder sicher gehalten hätte, daß die Mengen, die wir transportieren können, tatfächlich vor⸗ handen sind. Dafür, daß sie an die Sammelplätze kommen, daß sie verladen und hereingebracht werden können, kann natürlich niemand eine Garantie übernehmen. Es wäre aber bei der Verpfleaungslage, wie sie nun einmal ist, ein schuldhaftes Unterlassen jeder Regierung, wenn sie irgend eine Möglichkeit, die Verpflegung zu verbessern, ver⸗ säumen würde. 1
Es ist ferner darauf hingewiesen worden, es möchte Auskunft gegeben werden, wieweit die Interpretation sowohl des Artikels über die tatsächliche Abgrenzung des Cholmer Kreises als auch derjenigen Erklärungen zu fassen sei, die ich heute bekannt gegeben habe. Ich glaube, schon aus dem ursprünglichen Artikel war ohne weiteres die Frage des Herrn Abg. Groeber, ob auch ganze Bezirke unter diesen Vertragsbedingungen verschoben werden können, zu be⸗ jahen. Ich glaube, nach dem, was ich heute bekannt gegeben habe, diese Frage auch meinerseits unbedingt bejahen zu können. Ebenso möchte ich die Frage bejahen, ob wir beabsichtigen, die Okkupations⸗ linie vorläufig stehen zu lassen, wo sie steht. Die Aufrechterhaltung der jetzigen Okkupationslinie ist aus zahlreichen Gründen, von denen ich nur die seuchenpolizeilichen anführen möchte, eine absolute Not⸗ wendigkeit, und auch die Ukraine ist damit einverstanden.
Wenn ich mich nun zu den Ausführungen des Herrn Abg. Seyda wende, so beziehe ich mich auf das, was ich eben über die Vertretung der polnischen Regierung gesagt habe. Der Herr Abg. Seyda hat den Ausdruck gebraucht, „mein Wort in Ehren“, es schiene aber mit der Forderung der ukrainischen Delegation nach den Grenzen, die ihnen zugebilligt worden sind, doch nicht so zu liegen, wie ich das hier dar⸗ gelegt habe. Wenn das eine Insinuation enthalten soll, daß ich hier amtlich sprechend nicht die Wahrheit gesagt habe, so möchte ich diese Insinuation mit aller Schärfe zurückweisen. Ich habe vorhin bei den historischen Ausführungen dargelegt, daß die Ukraine sehr weit⸗ gehende territoriale Wünsche an den Tag gelegt hat und in der Aus⸗ legung dessen, was sie noch als Ukraine in Anspruch nehmen konnte, außerordentlich anspruchsvoll war.
Ich kann eine später gestellte Frage des Herrn Abg. Naumann schon jetzt dahin beantworten, daß selbstverständlich die deutsche Dele⸗ gation, und selbst wenn der Herr Abg. Naumann der deutschen Dele⸗ gation diese große politische Unwissenheit zutraut, ganz bestimmt die österreichisch⸗ungarische Delegation genau gewußt hat, daß die Ab⸗ grenzungslinie, wie sie gezogen worden ist, auf polnischer Seite schwere Bedenken und Widerspruch erregen würde. Das liegt auf der Hand. Es war die Aufgabe, pflichtgemaß abzuwägen, nach welcher Seite hin die deutschen Interessen, wie der Herr Abg. Fischbeck gesagt bat, und nach welcher Seite hin die großen Interessen des Vierbundes lagen, und diese Abwägung ist mit größter Sorgfalt getroffen worden. Den Piederschlag dieser Sorgfalt kann der Herr Abg. Naumann im zweiten Teil des betreffenden Artikels finden, und den Niederschlag kann der Herr Abg. Naumann in der Zusatzbestimmung finden, die ich vorhin verlesen habe, daß die verbündeten Regierungen bestrebt waren, nicht erst, wie der Spektakel in Polen losging, sondern vom ersten Anfang an in dieser Beziehung von der Ukraine Konzessionen zu erlangen, soweit solche eben mit dem Zustandekommen des Vevrtrags noch ver⸗ einbar waren. Das kann ich hier ganz objektiv versichern: Die An⸗ schauung, als seien die Ukrainer wie bescheidene Knaben gekommen, enen wir Provinz auf Provinz aufdrängten, ist eine absolute Fiktion. Gs seiten des Herrn Abgeordneten Seyda auch die Frage nach Wilna gestellt worden und ebenso von zwei Seiten, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, die Frage nach eventuellen G renzberichti⸗ gungen im Westen und heutigen Polen. Diese Fragen haben sich noch