Form zu antwerten. Aber, meine Herren, ancke der Ausfükrungen des Herrn Abgeordneten Dr. Herzfeld zwingen mich schon jetzt zu einer Erwiderung.
Er hat zunächst dem § 5 des Belagerungszgesetzes eine etwas seltiame Auslegung gegeben. Er hat erklärt — nicht gerade in diesem Zusammenhang, aber bei einer anderen Gelegenheit —: auf die Meinung der Juristen kommt es ja nicht an. Ich glaube aber doch, daß man diese Frage mit juristischen Augen prüfen muß. Der Herr Abgeordnete Herzfeld war der Meinung, da die Worte „wird bei Ertlarung des Belagerungszustandes für erforderlich erachtet, die Artikel so und so der Versassungsurkunde außer Kraft zu setzen“ be⸗ denteten, daß entweder diese Außerkraftsetzung sämtlicher Artikel de Verfassungsurkunde gleichzeitig bei Erklärung des Belagerungs⸗ zustandes ersolgen müsse oder überhaupt nicht mehr statthaft sei. Eine derartige Auslegung ist unrichlig. Es wäre ja auch eine ganz merkwürdige Bestimmung des Belagerungsgesetzes, wenn es nur erlaubte, sämtliche schweren Folgen des Belagerungszustandes direkt mit einmal auszusprechen, und es nicht zuließe, schrittweise vorzugehen und nur diejenigen Verfassungsbestimmungen außer Krast zu setzen, die sich im Augenblick nicht aufrecht erhalten lassen.
Meine Herren, der Herr Abgeordnete ist dann auf die Vogänge eingegangen, die mit der Verhaftung und Verurteilung des Herrn Abgeordneten Dittmann zusammenhängen. Ich will nach dem Urtteil kurz doch folgende Tatsachen feststellen. Der Streik ist bekanntlich am 28. Januar aufgeflammt. Am 29. Vormittags erging eine Ver⸗ ordnung des Oberkommandos der Marken des Inhbalts, daß die Streikleitung aufgelöst und jede Bildung einer neuen Streikleitung untersagt werde. Dieses Verbot war auch auf den Abgeordneten Dittmann gemünzt; denn er war bekanntlich Mitglied des Aktions⸗ ausschusses. b
Dem Herrn Abgeordneten Dittmenn ist nach den Feststellungen des Urteilts diese Bekanntmachung und dieses Verbot des
Oberkommandos am Vermittag des 31. Jannar zugegangen. Un⸗ mittelbar darauf begab sich der Herr Abgeordnete Ditnmann, wie es in dem Urteile beißt, in den Treptower Park, wo sich eine größere Volksmenge angesammelt hatte, und hat da an die versammelte Menge eine Ansprache gerichtet. Diese Menge wurde von den über⸗ wachenden Polizeibeamten zum Auseinandergehen aufgefordert, während der Herr Abgeordnete Dittmann sprach. Herr Dittmann sprach weiter. Ob er die Aufforderung gehbört hat oder nicht, steht dahin. Jedenfalls wurde noch wähbrend seiner Ansprache, da die Ver⸗ sammlung sich nicht auflöste, ein Polizeibeamter beauftragt, den Ab⸗ gfordneten Dittmann festzunehmen. Der Polizeibeamte begab sich zu Herrn Dittmann und hörte — immer nach den Feststellungen des Miteils —, unmittelbar neben Herrn Dittmann stehend, die von Dittmann an diese Menge gerichtete Aufforderung, durch⸗ zuhalten und den Streik bochzuhalten. Herr Dittmann sollte dann abgeführt werden. Er hat sich nach den Fest⸗ stellungen des Urteils widersetzt. Er selbst behauptet, das sei noch nicht seine Absicht gewesen, er habe nur ecinen Schirm ge⸗ sucht, den er augenblicklich nicht habe finden können.
Nun, meine Herren, das Urteil hat festgestellt, daß sich der HKerr Abg. Dittmann vergangen habe eimmal gegen die Bestimmung des Oberkommandos, die unter der Herrschaft des Belagerungsgesetzes reechtsgültig Herrn Dittmann verbot, sich weiter an der Streikleitung zu beteiligen. Es hat weiter festgestellt, daß sich Herr Dittmann strafbar gemacht habe wegen Widerstandsleistung gegen die Staats⸗ gewalt; in der Aufforderung, durchzuhalten und den Streik hochzu⸗
dalten, bat das Gericht den Versuch des Landesverrats erblickt und auch deshalb den Hermn Dittmann verurteilt. e11““
Meine Herren, dies das Urteil. 1 ““
Nun hat der Herr Abg. Dr. Herzfeld juristische Ausführungen daran geknüpft, daß nach Artikel 31 der Reichsverfassung der Reichs⸗ tag berechtigt sei, die Freilassung des Hertn Abg. Dittmann zu ver⸗ langen. Auch diese Rechtsausführungen, meine Herren, sind irrtümlich. Der erste Absatz des Artikel 31 lautet:
Ohne Genehmigung des Reichstags lann kein Mitglied des⸗ selben während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe be⸗ drohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verbaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der Tat oder im Laufe des darauf solgenden Tages ergriffen wird. 1
Meine Herren, diese letzte Ausnahmebestimmung traf zu. Herr Dittmann durfte verhaftet werden. Der dritte Absatz lautet:
Auf Verlangen des Reichstags wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Untersuchung oder Zivilhaft für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben.
Nun, meine Herren, besteht seit langer Zeit, seit geraumen Jahren Uecbereinstimmung in der Wissenschaft und in der Praxis des Reichstags, daß unter diesem „Strafperfahren“ nicht mitzuverstehen ist die Vollstreckung eines rechtskräftigen Urteile. Ich bin in der Lage, Ihnen eine ganze Reihe von Beschlüssen des Reichstages zu nennen, wenn es erforderlich sein sollte. Sie decken sich mit der Stellungnahme der Wissenschaft, die in einer Reihe von Kommentaren die Ansicht vertritt: in dem Moment, in dem die Rechtskraft ein⸗ getreten ist, sindet der Artikel 31 der Verfassung keine Anwendung mehr, sodaß, meine Herren, auch der Herr Reichskanzler nicht in der Lage wäre, hier der Vollstreckung des Urteils in den Arm zu fallen.
Nun hat der Herr Abg. Dr. Herzfeldt von der Not des Krieges gesprochen. Ja, unter der Not und dem Ernst des Krieges leiden wir alle; davon ist wohl niemand ausgenommen. Wenn gesagt worden ist, daß die Not des Krieges befonders auf den Schultern der Armen lastet, so gebe ich das zu; aber es sind auch andere Stände als die Arbeiter, die nicht minder darunter leiden, der ganze
Mittelstand (Sehr richtig!), besonders auch das große Beamtenbeer mit den für die jetzige Teuerung geringen Gehältern, die Reich und Staat gewähren können.
Der Herr Abg. Herzfeldt hat weitere Angriffe gegen die Polizei gcrichtet und hat von dem unschuldig geflossenen Blut gesprochen. Meine Herren, das Blut, das unschuldig geflossen ist, war in den Adern des Polizcibeamten. (Sehr richtig! rechts.) Es ist festgestellt, daß der Schüß, der den Polizeibcamten niederstreckte, der erste Schuß
wear, der aus der Volksmenge gefallen ist. (Lebhafte Zrischenrufe bei
den U. S. — Glocke des Präsidenten.)
Wenn es dann weiter in Berlin zu Unruhen gekommen ist, wenn besonders Jugendliche und halbwüchssge Jungen und Mädchen selbit an Angestellten der Straßenbahn sich vergriffen, die unter den schwierigsten Umständen den Verkehr aufrechterhalten und wahrhaftig
. ¹
den Massen dienen, die auf sic angeriesen sind ssehr richtig! Zurufe von den Sczialdemokraten), wenn es da zu Zusammenstößen und zu den Folgen kam, die mit solchen Unruben immer verknüpft sind, dann tragen diejenigen die Schuld, die die oöͤffentliche Ordnung stören, nicht aber diejenigen, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung berufen sind. Für die Erfüllung ihrer Pflicht verdient die Polizei unsere Anerkennung und unseren Dank. (Bravo!)
Und nun noch eins, meine Herren! Wenn wir aus den Sorgen des Krieges herauekommen wellen und es ist unser aller Wunsch, zu einem ehrendollen Frieden zu gelangen —, müssen wir das richtige Mittel dazu wäblen. Der Streik ist ein falsches Mittel. (Sehr richtig! Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Dadurch wird das Ausland nur ermutigt, den Krieg fortzusetzen, und es wird nur Zwie, tracht in unsern Reihen dadurch gesät. Wir haben ein anderes Mittel: das Mittel heißt einig bleiben und den Weg gehen, den wir in diesen Tagen anzutreten bereit sind. Wir verhandeln nachher über
——
einen Frieden, der uns wenigstens einen Teil des Krieges beendet und
uns und unsere Nahrungsverhältnisse verbessert. Wir wollen diesen Frieden schaffen. Damit sorgen wir auch besser für den allgemeinen
Frieden, als durch Debatten, wie sie eben hier hervorgerufen worden sind. (Lebhaftes Bravo.)
Abg. Ebert (Soz.): Ich hätte gewünscht, daß der Gu“
sich von einer politischen Erörterung ferngehalten Hätte. Wenn man die Frage aufwirft, od es richtig war, in den Streik zu treten oder nicht, dann tritt man damit in 8 ganze Materie hinein. Ich bin der Ansicht, daß der Streik hervorgerufen worden ist durch eine unhalt⸗ dare Politik der Reichsregierung, die sich nicht bemüht, in der Fricdensfrage für Klarbeit zu sorgen, die Klagen über den Belage⸗ nungszustand zu berücksichtigen und die Not in den Ernährungsfragen zu lindern. Bedenkt man zum Schluß, wie die Verhandlungen im Abgeordnetenhause kurz vor dem Streik so provokatorisch geführt worden sind, dann versteht man die Empüörung der Arbeiter. Die Regierung hat also keinen Grund, den Arbeitern Moral zu prchigen. (Sebhr, richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die vorliegende Frage bedarf allerdings einer gründlichen und nachdrücklichen Besprechung. Von den Kriegsgerichten ist in den letzten Tagen ein förm⸗ liches Wüten ausgegangen, das die schärfste Kritik herausfordert. Gegen das ganze Verfahren gegen den Abgeorneten Dittmann und gegen das Urteil müssen wir den allerschärfsten Proteft ein⸗ legen. Ueber die Frage der Anwendbarkeit des § 31 bat im Hause niemals eine einheitliche Uebereinstimmung geberricht. Das Zentrum stellte sich im Jahre 74 im Fall Majunke auf den Standpunkt, daß der §. 31 auch auf den Strafvollzug amrvendbar ist. Die Immunität ist kein persönkiches Privileg, sendern eine Sicherstellung der Rechte der Wähler. Es soll dadurch verhindert werden, daß der Reichstag nicht vollzählig ist. Die Parteizugehörigkeit eines Mitglieder muß dabei vollständig außer acht gelassen werden. Die vornehmste a des Parlaments ist der Schutz der Minderheiten. Wir können uns bei Anwendung des Artikels 31. nicht der Auffassung anschließen, daß mit dem Urteil das Strafverfahren zu Ende sei. Nach meine Mesi ßehort auch der Strafvollzug zum Strafverfahren. Bei der Untersuchungshaft kann der § 31 Platz greifen. Dies sollte doch bei dem Strasvollzug, bei dem wedar Ver⸗ schleierung noch Heußenkeeinflussun in Frage kommt, erst recht mög⸗ lich sein. Der Verfassungsausschuß des Reichstags hat sich ja schon
in diesem Sinne ausgesprocken, Der Reichstag hat die Pflicht hier Antrag Albrecht
aeanunmn mundg
völlige Klarheit zu schaffen. Wir werden für den und Genossen eintreten.
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (Forlschr. Volksp.): Ich will allgemeinen Debatie üder den Streik nicht vorgreifen, sele mich aber doch veranlaßt, namens meiner Freunde einigen Ausführungen des Abgeordneten Eberte tgegenzutreten. Ich erinnere daran, daß die Gewerkschaften, insbesondere auch die freien Gewerk⸗ schaften, edenso wie die politischen Parteien, auch die sozialdemokratische Partci, übereinstimmend festgestellt paben, daß sie von der Streik⸗ agitatiom vollftändig überrascht worden seien, und daß dieser Streik brvorgerufen sei durch anonyme und unverantwortliche Elemente. (Sehr richtig!) Auch das Korrespondenzblatt der freien schaften hat dies ausdrücklich festgestellt. Angesichts dieser Tatsache sind die heutigen Erklärungen des Abgeordneten Ebert nicht recht ver⸗ ständlich. Einer Behaupmng des Abgeordneten Herzfeld möchte ich nit aller Schärfe entgegentreten. Er hat den Parreien, die gegen den
8 297
MAnirmae v5 2 I eIe- N.⸗ 1 Antrag sird, den Verwurf gemacht, sie beabsichtigen eine kenden⸗
ziböse Ausschließung eines mußliebigen Abgeordneien. Namens meiner Freunde muß ich gegen diesen Vorwurf aufs aller⸗ schärfste Verwahrung einlegen. (Zustimmung bei der Veolks⸗ partci.) Es handelt sich hier lediglich um die objektive Fest⸗ stelung einer Rechtsfrage, und da stehen meine Freunde auf dem
Standpunkt, daß der Artikel 31, 3 in keiner Weise auf den Fall Ditt⸗ mann zutrifft. Hier handelt es sich weder um Untersuchungshaft, noch um ein laufendes Verfahren, sondern um ein Verfahren, das durch ein rechtskraͤftiges Urkeil abgeschlossen ist. Daher ist dem Reichstag gar keine andere Entscheidung möglich als die Ablehnung des Anrrags Albrecht und Genossen.
Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. von Krause:
Der Herr Abg. Herzfeld hat mit einer Handbewegung die Juristen etwas bei Seite geschoben. Ich glaube allerdings, daß in diesem Falle die Juristen garnicht das letzte Wort für sich in An⸗ spruch nehnen wollen. Doch nehme ich an, daß auch der Laie die Auslegung, die der Herr Aba. Herzfeld dem Art. 31 Abs. 3 gegeben bat, kaum wird billigen können. Gestatten Sie mir als Jurist nur, wie man zu sagen pflegt, das thema probandum noch mit einem Wort festzustellen.
Der Antrag wünscht, daß der Reichstag die Haftentlassung des Abg. Dittmann verlange. Ein solches Verlangen kann der Reichstag nur stellen, wenn er ein Recht dazu hat, und ein Recht dazu hat er lediglich — darüber ist allseitiges Einverständnis — aus Art. 31 der Reichsverfassung, und zwar im speziellen aus Art. 3 Ahs. 3.
Nun hat bereits der Herr Staatssekretär des Innern darauf hingewiesen, daß der Reichstag in ganz übereinstimmender Praxis niemals den Standpunkt vertreten hat, daß die Strafhaft unter den Art. 31 Abs. 3 fällt. Es sind nicht nur Fälle aus dem Jahre 1872/73, die der Herr Abg. Ebert enwähnt hat, sondern es gibt auch Fälle aus den Jahren 1874/75, und ebenso aus 1892/903 einen Vor⸗ gang bezüglich des Abg. von Münch. Daß das Haus und die ver⸗ schiedenen Parteien sich auf diesen Standpunkt gestellt haben und auch die Herren Sozialdemokraten, geht aus dem hervor, was der Herr Abg. Ebert gesagt hat, indem er sich darauf bezog, daß neuerdings in dem Verfassungsausschuß der Beschluß gefaßt worden sei, daß jede Strafhaft auf Verlangen des Reichstags aufgehoben werden könne — ein Antrag, der natürlich zur Voraussetzung hat, daß nach dem bestebenden Recht ein solches Verlangen bei Strafhaft nicht gerecht⸗ fertigt ist. Es haben auch die Herren Sozialdemokraten in den Jahren 1909 und 1912 Anträge gestellt. Der eine Amrrag lautet: „Auf Verlangen des Reichatags muß jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Unterfuchungs⸗, Straf⸗ und Zwvilbaft auf die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben werden.’ Da wird die Strafhaft ausdrücklich aufgenommen, doch eben in dem Bewußtsein, daß das bestehende Recht nicht gestattet, im Falle einer Strafhaft die Freilassung zu verlangen. Das ist die Sachlage, wie sie bisher auf⸗
Gewerk⸗
die Sache darstellte, ist es meines Erachtens nicht, daß di
zefaßt worden ist und über die meines CFrachtens heute Jere. scheiden ist. 5 e en. Ich gehe daher nicht auf die Ausführungen des Herzfeld ein, die auf eine Kritik des Verfahrens des Staatsanwalts des Gerichts, der Regierung usw. hinausliefen, und möchie 8 eine hervorheben: Wenn der Herr Staatssekretär des Inrer züglich der Ursachen und der Berechtigung des Streiks gg ns führungen gemacht hat, so ist das nur geschehen in auf die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Herzfeld richtig! rechls), der große und schwere Angriffe Regierung gerichtet hatte, worauf natürlich vom Regierung · tisch eine Abwehr erfolgen durste. Sonst verkennt der Herr sekretät des Innern mit mir durchaus nicht, daß, gleichviel wie Rh zu dem Verfahren, wie man zu dem Utteil, wie man zu dem . steht die Frage, die hier zu entscheiden ist, lediglich eine Rechtz 1 ist, die sich aus Art. 31 Abf. 3 beantwortet. — hi Und nun noch ein Wort im Anschluß an⸗ das, was der H Abg. Dr. Müller (Meiningen) eben gesagt hat. Da wiederholr ich Es kommt hier gar nicht auf die Juzisten an, sondern jeder Laie G 1 den Abs. 3 zu lefen versteht, muß meines Erachtens zu demselber Urteil konunen, wenn nicht sein Blick politisch getrübt ist oder 1 erwas anderes in den Artikel hineinlegen wilt, als was darin sebt nämlich was in den Worten des Herrn Abg. Dr. Herzfeld zum Aus. druck gekommen ist: der Reichstag ist sonveräu, er kann beschlieen und demgemäß verlangen. Nein, meine Herren, in diesem Sinne js der Reichstag nicht souverän, sondern er kann das Verlangen nur 8 sprechen, wenn er ein Recht dazu bat, und ein Recht hat er nur, wenn die Verfassung ihm das Recht gewährt. Wir kommen also dazu, deß alles andere Beiwerk ist und daß lediglich Artikel 31 Abs. 3 daesenige ist, worauf der Beschluß des Reichstags zu fußen hat. Nun zur Auslegung selbst. Ich kenne keinen irgendwie moß⸗ gebenden Schriftsteller, kein Parlament, reine sonstigen Stellen von Bedeutung, die eine andere Auslegung bisber vertreten haben. Das spricht schon in hohem Grade für die Richtigkeit der Auslegung. Ob man die de lege ferenda, für ein späteres Gesetz, die Strafhaft ausnimmt — darauf ist der Abg. Ebert eingegangen —, ist eine Frage für sich. Ich kann mir sehr gut denken, daß man Stiafhaft und Untersuchungshaft verschieden beurteilt, daß ein Mann, der erst unter dem Verdacht steht, noch nicht so behandelt werden soll, wie einer, der bereits bestraft ist. Aber das ist eine Frage, die jetzt nicht auszutragen ist und die genauer und von Grund aus geprüft werden muß, wenn etwa der Antrag gestellt wird, daß auch bei einer Straf⸗ haft der Reichstag berechtigt sein soll, die Aufhebung zu verlangen. Nun zur Auslegung selbst noch ein kurzes Wort. Wenn die Auslegung richtig wäre, die die beiden ersten Herren Redner versucht haben, daß unter Strasverfahren auch die Haft zu verstehen ist, dann wären neben den Worten „auf Verlangen des Reichstags wird jedes Strafverfahren aufgehoben“ die weiteren Worte „wird jede Unter⸗ suchungshaft aufgehoben“ ganz überflüssig; denn wenn in dem Straf⸗ verfahren sowohl die Untersuchungshaft wie die Strafhaft enthalten ist, braucht der Gesetzgeber nicht besonders zu sagen: auch die Unter⸗ suchungshaft wird aufgehoben. Also daß neben dem Strasverfahren noch die Aufhebung der Untersuchungshaft für zulässig erklärt ist, be⸗
Herrn Abg. N 1
weist klipp und klar und meines Erachtens — ich stimme mit dem
Herrn Abg. Dr. Möller (Meiningen) voll überein — unwiderleglich, daß in dem Strafverfabren die Haft nicht inbegriffen ist, weder die Unter⸗ suchungshaft noch die Strafhaft. Und wenn der Gesetzgeber sagt, die Untersuchungsbaft kann aufgehoben werden und das Verlangen auf Aufbebung gestellt werden, dann geht daraus ebenfo deutlich hervor, daß die Aufhebung der Strafhaft nicht verlangt werden kann. Ich spreche hier nicht sowohl als Jurist, ich spreche als Laie, der den Saß so liest, wie er zum Ausdruck gekommen ist, und hier kann man von einemn anderen Geist des Geseyes, auf den der Herr Abg. Ebert hingewiesen hat, nicht sprechen, denn auch der Geist des Gesetzes kann nur in⸗ soweit zur Anwendung kommen und in Anspruch genommen werden, als er irgendwie mit dem Wortlaut — das ist der Ausdruck des Geistes — vereinbar ist.
Ich kann nur nochmals sagen, daß der Antrag meines Erachtens mit dem Recht nicht vereinbar ist, daß der Reichstag nicht berechtigt ist, ein solches Verlangen zu stellen, und daß, wenn er es stellen würde, der Herr Reichskanzler nicht berechtigt wäre, dem Verlangen stattzugeben.
Abg. Gröber (Sentr.): Es herdelt sich hier um Fzres Frager einmal darum, ob der Reichstag derecktigt ist, ouf Grund des Artikels 31, 3 der Reichsvorfassung das Verlangen auf Entlassung eines Abgeordneten aus der Strafdelt zu stellen, und dann, od er dieses Verlangen im vorliegen⸗ den Falle stellen will. So selbstverständlich, wie der Staatssektelär
F Straihaft aus dem Wirkungsbereich des Artikels 31, 3 ausgeschlossen ist. Wenn der Staatssekretäar als Beweis für seine Ansicht anführte, daß lebt erst beantragt sei, die Ausdehnung des Artikels auf die⸗ Strafhaft ein, zuführen, so ist damit durchaus nicht gesagt, daß vor Annahme dieses Antrags die Strafhaft keinesfalls in den Begriff des Strafverfahrens einbezogen werden konnte. Man kann ebenso gut sagen, vorher war die Froge strittig, und nun sell sie durch Antrag 95 Nsrrasf S1 ö“ NF .ℳ a wollte ich Verfassungsausschusses ganz klargestellt werden. .̊ Aboh vorher feststellen, um nun auf den besondoren Fall einzugeten, der hier zur Entscheidung steht. Bei den Vorgängen, die zur Verhaftung des Abgeordneten Dirtmann geführr heben,
andelt es sich doch nicht um irgend eine kleine, harmlose Tar sache, sondern um eine Tat, die große Gefahren für umse r. Bazer⸗ land heraufbeschroren hat. (Sehr richtig!) Es wundert mich, den der Abgeordnete Ebert nichts weiter sagen konnte, als daß er 88 schärfsten Protest gegen das Verfahren des Kriegsgerichts einzuleger habe. Wenn es sich um Taten handelt, die große Gefahren für unen Vaterland beraufbeschworen haben, dann liegt aller Anlaß vor, Nebh⸗ das Verhalten des Abgeordneten Dittmann den schärfften Protest Ge⸗ zulegen. (Lebhafte Zustimmung.) Tatsächlich waren die größten ng fahren für Deutschland damit verbunden; denn wenn die Herste jar der Mmition für unser tapferes Heer unterbunden wird, so jin v⸗ nicht imstande, unser Land erfolgreich zu verteidigen. Daß Hies e ein schweres Verbrechen vorliegt, wird doch niemand leugnen. vrden aber zu sagen, der Verurteilie soll aus der S entlassen vrer so dazu können wir uns nicht entschließen. Wenn Angeklagt⸗ schweren Handlung schuldig befunden worden st. evonstres⸗ die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen und das Urteil Marn in werden. Wir haben jedenfalls kein Interesse, einen solchen ktion eir⸗ unsere Mitte zu zitieren. Deshalb lehnt die Zentrumsfrattgeee. mütig den Antrag dor Unabhängigen Sozzaldemokraten ab. 12= bat
Abg. Dr. von Veit tkonf : Der Vorledner ae h auch das Vorgehen des Abgeordneten Dittmann einer unterzogen. Der Reichstag hat für die Bil 488 sos Urteils dariter die aktemmäcige Darstellung vor sich, ine Rei der Staatssekretär des Innern gegeben hat, und ferner Lic⸗ tatsächlicher Anführungen, die bei der Begründung
3198. 4885‧0
. „ den
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des heu
Frsoerer Rechtsauffossung hat der Reichstas Ricchter rechtskräftig entschieden hat, hat sich jeder seinem Spruche
zu beugen,
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58 2 4.8,„ Antrag
Wahlrechts. 77 8 S
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ng8. pentacht; worsen sind. Auf Czrund dieses Materials kann man⸗ Eröber nur voll reckt acken. Es ist auch fur meine Freunde 85 aicheroidentlich,, betrübendes, ich möchte beinahe sagen, leicämendes: Gefuhl, daß wir beute von einem unserer Kollegen derartiges haben erfahren müssen. Die Rechte des Hauses st immer darquf, bedacht, daß ber Reichstag sich in den Grenzen feiner Zuständigteit hält. Daran halten wir auch heute fest. Nach
es Artikel 31 Nacdem einmal der
un 5S,;2n ele nl.n
Strafvollzug nicht.
und es ist auch keine Kritik in Parlament und Presse mehr Schon auf Grund Kiese: Rechtsauffassung lehnen wir den ab. Der Aobgeordnete Ebert hat über die Ursache des Streiks gesprochen und gemeint, die Arbeiter seien bis aufs Blut gereizt durch das Verbalten der Regierung, auch in Sachen des Lebhafte Zustimmung auf der äußersten Linken.) Das die Ansicht des Herrn Ebert, und Sie haben das gute Recht, ihm azustimmen. Wir aber sind anderer Meinung; nach unserer Ansicht ind die Arbeiter niche gereizt worden durch jene Maßnahmen, ondern sic sind aufgewiegelt worden (große Unruhe bei ten U. Sozialdemokraten), aufgewiegelt worden durch Rädels⸗ fährer des In⸗ und Auslandes. (Stürmischer Widerspruch bei den Unabhängigen Sozjaldemokraten.) Zun c (nl.): Die
wir uns sür die . es sich nur um die Auslegung des er Verkassung. Es sind nicht die besten JIuristen, Schwierigkeiten herausfinden, es ist Aufgabe des eine feste Stellung zu nehmen und daran festzuhalten. In diesem Falle handelt es sich um die Fortsetzung einer bereits angetretenen Strvase, um die Vollstreckung rechtskräftig gewordenen Urteils, vne die ein Rechtsstaat nicht bestehen kann. Wir legen entschieden da⸗ gegan Verwahrung ein, daß der Reichstag in der A. issegung der Reichs⸗
27
gewesen
Behandlung politische Debatt
Streikfrage vor. Hente Artikels 31 die immer
Juristen,
o.rpgHꝓ d
perfassung souterän sei. Wir danken für die Unfreihcit, 8aß man das
Gesetz noch Belieben auslogen kann, man muß viel mehr Achtung vor em Gesetz haben. Wir stimmen desbalb gegen den Antrag.
Abg. Bruhn (Deutsche Fraktion): Es würde gerade Tendenz darin Negen, wenn der Reichstag im Sinre des Antrages beschließen würde. Dem Abgeordneten Ditimann war als
des Fraktionskomites des Arbeiterrats Anord⸗ 1 weiter an den Verhandlungen unmittelbar darauf tat er im forderte die streikenden Massen
Wests Komitees, zu beteiligen, aber Treptower Park das Gegenteil und
11f den Streik durchzuhalten. Er wollte bewirken, daß das Räder⸗
werk während des Krieges stillstehe und die Kriegesberecitschaft des
Nolkes begraben liege, er wollte also das Schlimmste, was ein
.
123
7
11u“
Verhandlung
frichen penannt und damit weitgehend
„lath berichtet ie Fhebt zunächst hervor, daß nach der Meinung der Regierung noch grroße Vorräte in der Ukraine vorhanden sind. 1 Sarauf an, die Maßnahmen zu treffen, um diese Vorräte
Wenn der Reichstag dazu die
Deutscher in, dieser Zeit begehen kann. - 1 8 1 Volke nicht verstanden
Hand böte, ihn zu befreien, so würde das im worten. Wir stihimen gegen den Antrag. Aobg. Dr. Haase (I. Soz.): Das Kriegsgericht bat Festungsbaft erkannt, weil Dittmann in ehrenhafter Gesinnung au pelitischen Motiven gebandelt habe. Hrr Bruhn spricht aber von dem Schlimmsten, was man sich vorstellen kann, er geht also weit über das. Gerichtsurteil hinaus. Die Berechtigung des Streiks werde ich bei der Eietsdebatte beweisen. Abg. Dr. von Laszewski (Pole): Der Artikel 31 der, Verfassung gibt durchaus die Möglichkeit 2¹ diesen Antrag. „Jedes. Urteil schließt mit den Worten: Der Ange⸗ klagte wird zu den Kosten des Verfahrens verurteilt, und dmunter ird auch die Kosten des Straspollzugs zu verstehen, ebenso gehört Kie Strafvollstreckung zu dem Verfahren. Der Reichstag ist voll⸗ kommen kompebent, das Gesetz zu interpretieren. Wir stimmen für den iregs. nicht weil es sich um Dittmann handelt, sondern um 3. 598. cht. 3 1 . 8 Darauf wird der Antrag gegen die Stimmen der beiden sozialdemokratischen Parteien und der Polen abgelehnt. Es folgt die zweite 1t ¹ . dertrages mit der Ukraine und des Zusatzvertrages dazu. 9; . 8 Berichterstatter Abg. Prinz zu Schoenaich⸗Caro⸗ t über die Verhandlungen des Ausschusses und
nur auf 1
Es kommt nur beischafsen zu können. Die Ukraine hat sich bereit erklärt, im gegenseitigen Warenaustausch diese Vorräte zur Verfügung zu stellen. Es sollen auch unzweiselhaft noch große Vorräte an
Flachs, Leder, Salzen, Textilartikeln und Seifen dort vor⸗
handen sein, für diese sollen zunächst Ermittlungskommissionen
gebildet werden. Auch die Fragen der Entschädigung der deut⸗ schen Ansiedler in der Ukraine und der Wahrung der Inter⸗ essen der Rückwanderer sind ausführlich erörtert worden. Die
Verträge wurden schließlich mit allen gegen zwei Stimmen angenommen und werden ihrer verfass ungsmäßigen Genehmi⸗
gung empfohlen. — ““ A 6 des Friedensvertrages ergeben keine Erörte⸗ rung. . Zu Art. 7, der über die wirtschaftlichen Beziehungen Be⸗ stimmungen trifft, und zusammen mit einem Zusatzvertrag zur g gestellt wird, bemerkt Mayer⸗Kaufbeuren (Gentr.): Graf Frieden mit der Ukraine einen Brot⸗ 8- ende Hoffnung in Deutschland, Von anderer Seite wurde mit einer erheblichen
Abg.
Dr. hat den Bulgarien und der Türkei wachgerufen. er als Papiervertrag angesprochen, weil
Menge von verfügbaren Vorräten nicht gerechnet werden könne, und
vor allem die Transportfrage 18 schwierig sei. ddie natürlichen Voraussetzungen für diese
stände des Verkehrswesens
die Regierung hat die ichtun diceten, diese Vorräte beranzuschaffen. Außer Getreide Gegend Jekaterinoslaw sowie Montanprodukte noch vorhanden sein.
öPuroaukratis
Die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen. Jedenfalls verdienen die bezüglichen Erkläxrungen der ukrainischen Delegterten doch einigen Glauben, um so mehr, als 1 — Angabe unzweiselhaft ge⸗ geben sind. Seit vielen Jahren ist die Ukraine ein starles Erport⸗ land für Getreide und Futtermittel, und gerade die chaotischen Zu⸗ in Rußland machen es wahrscheinlich,
in den Häfen des Schwarzen Meeres und in gewissen Stapel⸗ Ernten noch vorhanden sind. In
Irelee.
’ daß
plätzen Vorräte aus henreren- eg Odessa liegen ja die Verhältnisse erwas unklar, in Nil und Tworog werden solche Vorräte noch vorhanden sein. Das kat für unsere Heeres⸗ und Volksernährung die größte Wichtigkeit und allerdringendste Verpflichtung, alles aufzu⸗ und Futter⸗
mitteln werden auch Flachs, Leder, Seisen usw. namentlich in der
Die Bestimmung des Vertrages und des Zusatzvertrages über die Purckführung des Warenaustausches machen den Eindruck einer recht chen Regelung, in dem mehrere Kommissionen, dann
örtliche Verwaltungsstellen und endlich eine Zentralstelle 8 . keit treten sollen, während allerdings für gewisse Waren. auch der stet Handel zugelassen ist. Das Wichtigste ist doch die sesertige Fest. stellung und, Sicherung der Vorräte, und, dazu ist allein 8 freie im der Lagc. Vor allem muß dafür gesorgt werden, aß die Waren nicht verschwinden und verderben. Sie I uns obald wie möglich zugänglich gemacht werden. Dabei wir Fauc er Weg über das Schwarze Meer und die Donau eine große 8199 spielen, wenn wir erst, wie zu Fofsea ist, mit Rumänien enn 8— einkommen getroffen haben. Für die dringendsten Bedürfnisse 1 aber der Eisenbahnverkehr in arster Linie in Betracht. Hanf. nn aschen Vordringen unserer Truxpen und ihrer Vereinigur 8 hrs. Ükrainern, sind wir zu der Hoffnung berechtigt, daß diejer vr 8. weg uns nach de kraine bald offenstehen wird. Daß 5 Handelsprovisorium auf den Bestimmungen. es. . ussischen Handelevertrages von 1903 aufbaut, damit ist der deunsce
Beratung des Friedens⸗
Artikel
aber in Nikolajew
Handel einverstanden Hoffentlich wird dieses Provisorium bald burch Frucht der vnvergleichlichen Haltentaten unserer Armee, der F bereitschaft und der Friedencpolitik der Reichsrogierung und Reichstagsmehrbeit. Der Handelsverkehr kann sich nur durch gegen⸗ seitiges Vertrauen fruchthringend gestalten. Es ist zu hoffen, doß das freundschaftliche Verhältnis zur Ukraine zum Segen bener r weiter ausgebaut wird. (Beifall.) . Abg. List⸗Eßlingen (nl.): Der F Friedensvertra nde wäre züu wünschen fest⸗
unsere uneinzeschränkte Zustimmung. Es
gewesen, das Provisorium auf längere zuͤlegen. Notendig ist eine intensive Untersuchung der Ukraine nach Vorräten. Zu 18 Zuführung ist eine gute Ausgestaltung des Mansportwesens nötig. Die Donau ist in ihrer Leistungsfäahigkeit begrenzt. Auf ihr können monatlich nur 300 000 Tonnen befördert werden. Wir sind deshalb auf den Eisenbahnoer⸗ kehr sehr angewiesen. Voraussetzung dafür ist, daß uns die nötigen Eisenbahnwagen zur Verfügung steben. Wir freuen uns, daß hier zum ersten Male auch der fieie Handel an der Erfassung der Vorräte beteiligt werden soll. Seine Erfahrungen können wir nicht missen. Ich freue mich, daß im Sitzungsprotokoll ansdrück⸗ lich für gewisse Waren Zollfreiheit vorgesehen worden ist.
Abg. Graf Carmer Akens.): Auch wir hoffen, daß das Provisorium bald durch ein Definitivum abgelöst wird. Mit der Betätigung des freien Handels sind wir durchaus einverstanden. Bei Erfassung der Vorräte wird der freie Handel wesentlich bessere Refultate erzielen als die Kommission. Es ist ganz klar, daß die Preise, welche für die Erzeugnisse der Ukraine bezahlt werden müssen, erheblich höher sein werden, als die bei uns festgesetzten Höchstpreise. Um hier eine Verteuerung des Brotes bei uns zu vermeiden, wäre es erwünscht, wenn das Reich den Unterschied zwischen dem heimischen und dem Einkaufspreis übernimmt. Das Fleiche muß für die Futtermittel gelten. Trotzdem ich hoffe, daß in der Ukraine immerhin noch nennenswerte Vorräte vorhanden sind, möchte ich doch vor allzu großen Hoffnungen warnen. Ein großer Teil der Vorräte ist nach Nordrußland ausgeführt worden, und die Bolschewiki versuchen mit allen Mitteln, der noch vorhandenen Vor⸗ räte habhaft zu werden. Auch haben wir die vorhandenen Vorräte mit unseren Bundesgenossen zu teilen.
Artikel 7 und der Rest des Friedensvertrages werden dar⸗
Friebens⸗
vor Ue!
2½ 4 8 84¼α
auf ohne weitere Erörterung genehmigt.
Zu Artikel 12 des Zusatzvertrages bemerkt
Ab. Mayer⸗Kaufbeuren: Die Ukraine sichtigt, den größeren und mittleren Grundbesitz ent⸗ schädigungslos zu erpropriieren. Darunter, würden auch die Reichsdeutschen zu leiden haben, die dort Land besitzen. Das wider⸗ spricht dem internationalen Recht, und es ist erfreulich, daß die deut⸗ schen Delegierten dagegen Widerspruch erhoben haben. Wenn es zu der Expropriation kommt, dann wird hoffentlich die deutsche Re⸗ gierung Mittel und Wege finden, um die Rechte der Reichs⸗ dentschen wahrzunehmen. Schwieriger liegt die Frage bei den deutschen Kolonisten. Hier handelt es sich um 400 000 Men⸗ schen, die zwar Ukrainer sind, sich aber doch die deutsche Eigenart durchgerettet haben. Diese wären dann auf die Straße gesetzt und zur Auswanderung gezwungen, ohne daß sie entschädigt werden. Hier stehen uns Handhaben wie bei deutschen Reichsangehörigen nicht zur Verfügung. Hier handelt es sich aber um eine Ehrenpflicht des Deut⸗ schen Reiches. Wenn heute unsere Armeen die Pazifizierung der Ukraine duͤrchführen und dadurch erst die Existenz der Ukraine ermöglichen, dann, glaube ich, wird es unserer Reichsregierung auch möglich sein, auf die ukrainische Regierung dahin einzuwirken, diese Ukrainer deutscher Abstammun vinso zu behandeln, als wären es deutsche Reichsangehörige. (Beifall. G M
Abg. Colshorn (Deutsche Fraktion): Auch ich halte es für dringe wotwendig, daß die Interessen der deuischen Einwohner der Ukraine bei ciner Enteignung des Grund und, Bodens gewahrt werden. Unseie Regierung sollte dafür sorgen, daß in diesen Fällen eine wirklich angemessene Entschädigung gewährt wird. Das mützte auch für die vielen Kolonisten gelten, die deutschen
Stammesz sind, aber nicht mehr die deutsche Staatsangehörigkeit be⸗
sitzen. Der Zusatzvertrag, enthält keine Sicherung in dieser Be⸗ ziehung. .vSr .* . . . Direktor im Auswärtigen Amt Dr. Kriege: 12 des Zusatzvertrages spricht nicht etwa, wie man nach den Ausführungen der Vorredner annehmen sollte, im allge⸗ meinen von Enteignungen oder dergleichen, sondern er spricht von der Verpflichtung der Ukrainischen Volksrepublik, Vermögenswerte, die
Des⸗ XIgern
infolge des Krieges liquidiert oder sonst abhanden gekommen sind, den
ursprünglichen Eigentümern zurückzugeben. Das gilt selbst für den Fall, wenn ein Grundstück durch den Liquidator veräußert worden ist. Absatz 2 fügt hinzu, daß diese Verpflichtung dann nicht rintritt, wenn die Grundstücke und Vermögenswerte durch eine allgemeine Verftaat⸗ lichung betroffen worden sind. Artikel 3 sagt aber ausdrücklich, da in diesem Falle eine angemessene Entschädigung gewährt werden soll. Die Frage, wie es bei künfrigen Enteignungen zu halten ist, davon hat der ganze Friedensvertrag nichts gesagt, denn das ist ja eine Frage, die mit dem Kriege an sich nichts zu tun hat. Wir haben aber bei dieser Gelegenheit den Ukrainern sehr deutlich zu verstehen gegeben, daß wir nicht nur bei den im Vertrag angeführten Fällen eine an⸗ gemessene Entschädigung verlangen werden, sondern daß selbstverständ⸗ lich eine allgemeine Enteignung nach allgemeinen pölkerrechtlichen Grundsätzen nur bei angemessener Entschädigung stattfinden kann. Abg. Graf Carmer (kkons.): Wir, müssen unter⸗ scheiden zwischen Schäden, die den Deutschen in der Ukraine durch den Kriegszustand widerfahren sind, für die ist im Vertrage eine Entschädigung festgesetzt. Anders liegt es aber bei den Schäden, die entstehen können durch die Verstaatlichun von Grund und Boden. Die deutsche Regierung fordert, daß auch diese Schäden nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen unter allen Umständen in angemessener 2 zeise ausgeglichen werden sollen. Das 6 aber vorläufig nur ein frommer Wunsch, er ist von der Ukraine überhaupt noch nicht beantwortet, geschweige denn durch feste Zusicherungen bewilligt worden. Deshalb möchte ich wünschen, daß wir eine angemessene volle Ent vd gn für die Deutschen in der Ukraine im Falle einer solchen Verstaatlichung ausdrücklich ver⸗ langen. Außer den deutschen Staatsangehörigen sind aber noch rund 400 000 Kolonisten in der Ukraine, die nicht deutscher Nationalität, wohl aber deutschen Ursprungs sind. Denen zu belfen wird wohl nicht möglich sein, wenn sie nicht zurückwandern. Auch hier sollie alles getan werden, um bei erfolgter Rückwanderung eine gewisse Ent⸗ schädigung zu ermöglichen. Schließlich haben in der Ukraine, vor allem im Cholmer Land, dessen Grenzen ja noch strittig sind, viele Polen größeren Grundbesitz, die im Königreich Polen fansassig sind. Es wäre zu prüfen, ob nicht auch diese Polen, die ja nich Staatsangehörige der Ukraine sind, zu enischädigen wären, wenn ihr Grundbesitz in der Ukraine verstaatlicht wird. .“ Abg. Colshorn bleibt dabei, daß durch Artikel 12 des Zusas. vertrages Klarheit über die Tragrreite des Artikels 12 noch nicht geschaffen ist. . Abg. Dr. Haas (Fortschr. Volksp.): Nach dem ersten Absatz des Artikels 12 soll Entschädigung eintreten, wenn Besitzrechte dem Be⸗ rechtigten durch Zwang entzogen⸗worden lind. Diese Bestimmung soll nach dem zweiten Absa keine Anwendung finden, wenn nach dem Kriege eine allgemeine Sozialisierung erfolgt. Dann wird es Sache des einzelnen Staates sein, die Rechte seiner Staatsangehörigen. z schützen. Mit dem Friedensvertrag hät das nichts zu tun. Wir sind auf Grund der eben gehörten Erklärung überzeugt, daß die Rechte deutscher Staatsangehöriger entsprechend werden Pescfüßt werden. u Artikel 13 1t für Zivilschäden) kommt
K. Entschädigung G Abg. Waldstein erier. Volksp.) auf die Frage der Entschädigung von equisitionen 1
zurück. Diese sei Artikel 5 des Friedensvertrages, verneint. Zur Beruhigung gerisser Gläubiger, die davon betroffen werden würden, weist Redner
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sain Heile gereichen möge und wünschen weiter,
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zuf eine im Häupkausschuß krüber abgegebene Erllärung hin, wonach das Reich auf alle Fälle dafür sorgen werde, daß sie zu ihrem Gelde kommen. Es handle sich um Leutsche Firmen, die obnerics besonters schwer geschoeigt sind.
Abg. Dr. Haas: Bezichung ergänzt werden. 8 deuischen Gerickle gegen Ausländer sehr entgegenkommend; schen im Frieden war das nicht überall im Ausland ebenso, sondern häufig fanden sich die Deutschen im Auslande recht⸗ los. Will der Deutsche seine Zivilschäden gegen den früher feindlichen durchsetzen, dann werden ihn dessen Gerichte abweisen, und
gestimmung des Artikels 13 wird ihm nichts nutzen. Hoffentlich wird daber der Artikel bei der definitiven Vereinbarung ürder seine Ausführung einen Zusatz erhalten, wonach über diese An⸗ sprüche eine unparteiische Kommission zu entscheiden haden wird.
Direktor im Auswärtigen Amt Dr. Kriege: In der Tet wird, wenn die geplante Vereinbarung zustande kommt, die Bestimmung getroffen werden, wonach diese Schäden . Kommissionen entschieden werden, die un⸗ s werden aus Vertxretern der vertrag⸗ schließenden Teile mit neutralen Obmännern, welche das Oberhaupt eines unzweifelhaft neutralen Staates bestimmt.
Artikel 18 und 19 des Zusatzvertrages handeln von der
Fürsorge für Rückwanderer.
Abg Freiherr von Rechenberg (Zentr.): Wir freuen uns sehr, daß es gelungen ist, wenigstens diese Zu⸗ gestamdnisse im Interesse der deutschen Kolonisten in der Ukraine zu erreichen. Leider ist unsere Freude nicht ungetrübt, denn eine Ent⸗ schädigung für das, was ihnen die frübere Regierung genommen hat, ist nicht zu erreichen gewesen. Sie sind bloß wegen ihrer Abstam⸗ mung zum Teil grausam von Haus und Hof vertrichen, zum Teil nach Sibirien verschleppot worden. Wie den deutschen Staaisangehörigen, müssen auch den Polen in der Ukraine dieselben Rechte gesichert werden; ein Unterschied des Glaubens darf nicht gemacht werden.
*Auch der Zusatzvertrag wird in seinen einzelnen Teilen genehmigt. Darauf tritt das Haus sofort in die dritte Lesung der beiden Verträge ein. In der allgemeinen Erörterung erklärt Abg. Scheidemann (Ssez.): Seine Fraktion werde, trotz⸗
die Bedenken gegen das Fehlen einer festen As⸗
zwischen der Ukraine Polen nicht völlig bde⸗
ien, für die Veriräge stimmen in der Gewißheit, daß jeder Fluß den Willen aller Völker zum allgemeinen Frieden
en, die Position der Kriegstreiber in allen Ländern dagegen mehr und mehr erschuüͤttern müsse. Sie spreoche die Erwartung aus, daß diesem Vertrage bald weitere folgen, so daß dem Völker⸗ morden ein im Inieresse
Ende gemacht und wirkliche Kulturarbeit in 1 des dauernden Friedens zum Nutzen aller Völker beginnen wird. (Beifall.)
Abg. Fischbeck (Fortschr. Volksp.): Auch wir werden dem Friedensvertrage zustimmen. Auch wir hoffen, daß nach dem not⸗ wendigen Provisorium der Kriegswirtschaft und des Uebergangs⸗ stadiums bald der Handel wieder in seine Rechte treten möge. Mir fühlen uns verpflichtet, den Männern unseren Dank auszusprechen, die am Zustandekommen dieses Werkes beteiligt sind. Sie 8 zumd Teil schon unterwegs, um das in Brest⸗Litowsk begonnene Friedens⸗ werk fortzusetzen. Wonn sich die Möglichkeit ergibt, mit Rumänien zu einem Abschluß zu kommen, so geschieht es nur, weil unsere Unterhändler aus dem Chaos von Brest⸗Litowst diesen Friedensvertraz mit nach Hause bringen konnten. Wenn die Herren Trotzki und Lenin jetzt einlenken, so geschieht es, weil sie aus dem ecnergischen
ügreifen unserer Obersten Heeresleitung erkennen müssen, daß noch immer nicht mit sich spaßen läßt. Auch die Geschehnisse der letzten Tage baben dazu deigetragen, 1— man ersieht, daß unser Volk sich durch innere Zer⸗ flerschung nicht zur russischen Ohnmacht verurteilen lassen will. Diese Verhandlungen zeigen, daß wir gern zu einem Friedensschluß kommen wollen. Wir boffen, daß der Vertrag der jungen Republik daß unser Vaterland beglückwünschen kann, auch auf anderen Grenzen dis Segnungen eines ehrenvollen und gerechten Friedens aufzurichten. (Beifall.)
Abg. Stychel Die polnische Nation erzittert in⸗ diesem Moment von oben dis unten von Schmerz und Entrüstung. Unser zerrissenes Vaterland kann auf das Mit⸗ fühlen und Miterleben nicht verzichten. Die durch die Teilung Polens geschlagene Wunde muß solange offen bleiben, bis das Unrecht aus der Welt geschafft ist. Eine Aera der Gerechtigkeit und der ehrlichen Verständigung wird nicht eintreten, solange das ein⸗ seitige egoistische Interesse die Macht in der Hand hat. Nach den Ereignissen von Brest⸗Litowsk ist es klar, daß unser Mißtrauen ge⸗ rechtfertigt war. Die antipolnische Staatsräson war immer diefelbe, nur ihr Tempo und ihr Spannungsgrad ist je nach der Lage und den verschiedenen Personen verschieden. Man hat nirgends etwas getcmn, um die Polen zufriedenzustellen. wurden immer als Bürger zweiter Klasse behandelt, trotzdem sie schwerere Pflichten als andere zu erfüllen hatten. Alle Versprechungen
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ihnen gegenüber wurden nicht gehalten. Maßgebend für die Abwicklung dieses Ver⸗ trages war das Staatsinteresse. Man sagt, den Polen gechieht unrecht, aber höhere Interessen zwingen dazu. Hier wäre das hochste Interesse, die Wahrung der Wahrheit, der Gleichbeit und des Rechts zu wählen. Die Polen hatten im deutschen und österreichischen Heere eine schwere Dienstpflicht zu erfüllen, indem sie gezrungen waren, ihre eigenen polnischen Brilder im russischen Heere zu bekämpfen. Die Polen sollien noch über die gesetzliche Dienstpflicht hinaus ein: freiwillige „Armee stellen. Sie sollten die Rolle pon Gladiatoren übernehmen. Weiter kann man die Brutalität nicht treiben. (Vizepräsident Dr. Paasche bittet den Redner wiederhalt, zur Sache zu sprechen.) Die Polen behandelt man als Handelsobjekt. Nur in zwei Kreisen von den zehn Kreisen des Tholmer Landes findet sich eine schwache ükrainische Minorität. Wo sind die Kaiserlichen Manifeste und die damaligen Versprechumgen geblieben? Wenn da die Polen internationale Garantien verlangen, dam nennt man es Hochverrat. Der ganze Friedensvertrag ist diktiert von dem Bestreben divide et impera! Die ganze Welt lechz: nach Versöhnungsfrieden. Hier aber soll der Friede mit der Ukraum zum Verfeindungsfrieden werden. Das friedliche Zusammenleben zwischen Ukrainern und Polen sell verhindert werden. Herr Bar⸗ meister von der Vaterlandspartei hat ja öffentlich diesen Friedens⸗ schluß deshalb begrüßt, weil er Reibungsflächen zwischen Polen und der Ukraine schafft. (Hört! Hört! b. d. Polen.) In einem Armee⸗ befehl des Oberbefehlshabers des Ostens heißt es, daß durch zuver⸗ lassige Ukrainer ukrainische Prepagandategetrieben werden soll. Es erschienen auch sogenannte ukrainische Legionäre aus Galizien, die den Leuten sagten, sie sollten sich zur Ukraine bekennen, dann würden sie kostenlos bekommen und das Land würde unter das Vele perteilt werden. Die Herren und die Geistlichen würden ab⸗ geschafft. (Hört! Hört! b. d. Polen.) Aus den Gefangenenlagern vrausgesuchte Ukrainer wurden für die Propaganda besonders vor⸗ gebildet und mußten einen Kursus dafür durchmachen. Die Männe des zerrissenen polnischen Vaterlandes sind einig in Schmerz und Entrüstung und legen feierlich vor Gott, vor der Geschichte und vor der zioilisierten Welt gegen den neuen Gewaltakt, gegen die neue Teilung Polens den beftigsten Protest ein. (Cebhafter Beifall b. d.
Polgn.)
Abg. Graf Westarp (dkons.): Meine Freunde und ich hegrüßen den Friedensvertrag mit ungetrübter Befriedigung. Däese Befriedigung lassen wir uns auch nicht stören Irch die Beschwerden der Herren Polen. Die Beschwerden sind in einer Weise vorgetragen worden, die die Uebertreibungen die man aus dem Munde der Polen schon gewöhnt ist, weit hinter sich lassen. (Sehr richtig!) Kein Mensch hat daran gedacht, die Leistungen der pol⸗ nischen Soldaten im deutschen und verbündeten Heere herabzusetzem, Ueber etwas anderes wurde gesprochen, und das müössen wir aufrecht
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