1918 / 58 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Mar 1918 18:00:01 GMT) scan diff

Artikel 17.

Zur Feststellung der noch Artikel 14, 15 zu ersetzenden Schäden soll aisbald noch der Bestättgung des Friedensvertraas etve Kom⸗ mission in Beilm zusammentreten, die zu je einem Drittel aus Ver⸗ rretern der beiden Teile und neutralen Mitgliedern gebildet wird; um die Bezrichnung der neutralen Miigliede“, darunter des Vor⸗ wird der Päsident des Schweizerischen Bundesrats gebeten

Die Kommission stellt die für ih e Entscheidungen maßgebenden Grundsätze auf; auch erläßt sie die zur Erledigung ihrer Aufgaben erferderliche G schäftsordnung und die Bestimmungen über das dabei ein usch⸗ gende Verfah en. Ihre Entscherdungen erfolgen in Unter⸗ kommi sionen, die aus je einem Vertrerer der beiden Telle und einem nentralen Obmann gebildet werden Die von den Unterkommissionen feshe eellten Beträge sind innerhalb eines Monats nach der Fest⸗ stellung zu bezahlen. b

1 Stebentes Kapitekl. Austausch der Kriegsgefangenen und Zivilinternlerten. Artikel 18.

„Die kriegsgefangenen Finnländer in Deutschland und die kriege⸗ gefangenen Deutschen in Finnland sollen tunlichft bald in bestimmten, von einer deutsch⸗finnischen Kommission zu vereinbarenden Z-iträumen und unter Ersotz der für sie a fgewendeten Kosten auegetauscht werden, soweit si⸗ ncht mit Zustimmung des Aufenthaltsstaats in dessen Gebiete zu bleiben oder sich in ein anderes Land zu begeben

Die Kom mission hat auch die weiteren Elnzelbeiten des Aus⸗

tauschs zu regeln und seine Durchtührung zu überwachen. Artikel 19.

e beiderseitigen verschickten oder internierten Zivilangehörigen werden tunlichst bald unentgeltlich heimbefördert werden, soweit sie nicht mit Zunimmung des Aufenthaltsstaats in dessen Gebiete zu Peiben oder sich in ein anderes Land zu begeben wünschen. Die Regelung der Einzelheiten und die Ueberwachung ihrer Durchführung soll durch die im Artikel 18 erwähnte Kommission erfolgen.

Die Finnische Reglerung wird sich bemühen, von der Rufsischen Regierung die Freitassung derjenigen Deutschen zu erlangen, die auf fianisch'm Gebiete festgenommen worden sind und sich zurzeit außer⸗

halb Fiunlands auf russischem Gebiete befinden.

5 Artikel 20.

Die Angebörigen eines Teiles, die bei Kriegsausbruch in dem Gebiete des anderen Teiles ihren Wohnsitz oder eine gewerbliche oder Handelenieder l⸗ssung hatten und sich nicht in diesem Gebiet aufhalten, zanen dorthin zurückfehren, sobald sich der andere Teil nicht mehr im Kriegszustande lFefiner. Die Rückfehr kann nur aus Gründen der inneren oder äußeren Sicherheit des Staates versagt werden.

Als Ausweis genügt ein von den Behörden des Heimatstaats aurgestellter Paß, wonach der Inhaber zu den im Absatz 1 bezeichneten Personen gehört; elin Sichtvermerk auf dem Passe ist nicht erforderlich.

Artikel 21.

„Zeder vertragschließende Teil verpflichtet sich, die auf seinem Gediere befindlichen Grabstätten der Heeresangebörigen sowie der während der Internierung oder Verschickung verstorbenen Angehörigen des anderen Teiles zu achten und zu unterhalten; auch körnnen Be⸗ auftragte dieses Teiles die Pflege und angemeßene Aasschmückung der Grabstaͤtten im Einvernehmen mit den Landesbehörden besorgen. Die mit der Pflege der Grabstätten zusammenhängenden Einzelfragen

lelben weiterer Vereinbarung vorbehalten.

Achtes Kapitel. Amnestie. 1

Fetirer ga..

Jeder vertra. schliesende Teil gewährt volle Stroffresbeit den dem anderen Teile angehöre den Kriegsgefangenen für alle von ihren bec ar genen Straftaten, ferner den internierten oder verschickten Zivil⸗ angehörigen des anderen Triles sür die wäbrend der Internserung oder Verschickung hegangenen Straftaten, endlich allen Angebörigen des anderen Teiles für die zu dessen Gunsten begangenen Straftaten sowie für Verstöße gegen die zum Nachteil feindlicher Ausländer ergangenen Augnahmegesetze.

Die Straffreibeit erstreckt sich nicht auf Handlungen, die der Beftätigung des Friebensvertiags begangen werden.

Artikel 23. 11“

„Jeder Teil gewährt volle Straffretheit seinen eigenen An⸗ gehöigen in Ansehung der Arbeiten, die sie im Gebie'’e des anderen Telles als Kriegsgefangene, Ziotlinternierte oder Verschickte geleistet

haben.

Artikel 24. Die vertragschließenden Teile behalten sich vor, weitere Verein⸗ harungen zu treffen, wonach jeder Teil wegen der zu seinen Ungunsten begangenen Handlungen Freiheit von Strafen und sonstigen Rechts⸗

vachteilen gewährt. Neuntes Kapitel.

Behandlung der in die Gewalt des Geanerd geratenen Kauffahrteischiffe und Schiffsladungen. Artikel 25.

Kauffahrteischlffe eines vertragschli henden Teiles, die bei Kriege⸗ ausbruch in den Häfen des anderen Teiles lagen, werden ebenso wie ihre Ladungen zurückgegeben oder, soweit dies nicht möglich ist, in Geld ersetzt werden. Für die Benutzung solcher Embargoschiffe

während des Kiteges ist die übliche Tageszeltfracht zu vergüten.

Artikel 26.

Deutsche Kauffahrteischiffe und ihre Ladungen, die sich, abgesehen von den Fällen des A tikel 25, bei der Unterzeichnung dieses Vor⸗ traos im Machtbereich Finnlands befinden oder später dorthin gelangen, sollen zurückgegeben werden, wenn sie bei K.iegsausbruch in einem feindlichen Hafen logen oder in neutralen Hoheitsgewässern von feindlichen Streitk äften aufgebracht worden sind.

Artikel 27.

Die im Machibereich eines vertragschließenden Teiles befindsichen, als Prisen aufgebtachten Kauffahrteischiffe des anderen Teises soll'n, wenn sie vor der Bestätigung des Friedensvertrags durch rechte⸗ käfttges Uteil -ines Prisengerichts kondemntert worden find und nicht unter die Bestimmungen der Artikel 25, 26 fallen, als endgültig kingezozen angesehen werden; im übrigen sind sie zurückzugeben sder, soweit sie nicht mehr vorhanden sind, in Geld zu ersetzen.

„Die Besismmungen des Absotz 1 finden auf die als Prisen auf⸗ gefrochten Schiffsladungen von Angehörtgen der vertragschließenden Telle entsprech nde Anwendung. Doch sollen Güter von Argehörigen dis einen Tetles, die auf Schiffen feindlicher Flagge in die Gewalt des onderen Teiles geraten sind, in allen Fällen den Berechtigten berausgegeben oder, soweit dies nicht möglich ist, in Geld ersetzt

verden. Artikel 28.

Die Durchführung der in den Artikeln 25 bis 27 enthaltenen Besttmmungen, insbesendere die Festsetzung der zu zahlenden Ent⸗ schäbigungen, erfolgt durch eine gemischte Kommission, die ars je einem Vertreter ber vertragschliesenden Teile und einem neutralen Ohmann besteht und binven drei Moraten nach der Bestätigung des Friedensvertrags in Stettin zusemmentreten wird; um die Bez⸗ichr ung des Obmanns wird der Präsident des Schmweizerischen Bundetrats

g’ebetan werden. Artikel 29.

Die vertragschließenden Teile werden alles, was in ihrer Macht legt, lun, damit die nach Ariskel 25 bis 27 zurückzugebenden Kauf⸗ fahrteischiffe nebst ihren Ladungen frei nach der Heimat zurück⸗ gelangen können.

11““

Auch werden beide Teile einander bel der Herstellung gesicherter Schiffaortswege für den durch den Krieg gestörten gegenseitigen Han⸗ delsverkehr jede Unterstützung zuteil werden lassen. XX““

. Zehntes Kapitel. Regelung der Aalandfrage. Artikel 30.

Die vertraaschließenden Teile sind darüber einig, daß die auf den Aalandinseln angelegten Besestigungen sobald als möglich zu ent⸗ fernen und die dauernde Nichtbefestigung dieser Inseln, wie ihre sorstige Behandlung in militärischer und schiffah tstechnischer Hinsicht duorch ein besonderes Abkommen zwischen Deutschland, Finnland, Rußland und Schweden zu regeln sind; hierzu werden auf Wunsch Deutschlands auch andere Anliegerstaaten der Ostsee

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Elftes Kapitel. Schlußbestimmungen. Artikel 31. Dieser Friedensvertrag wird bestätigt werden. Die Bestätigungs⸗ urkunden sollen tunlichst bald in Berlin ausgetauscht werden.

Artikel 32.

Der Friedensvertrag tritt, soweit darin nicht ein anderes bestimmt ist, mit seiner in Kraft.

Zur Ergänzung des Vertrags werden binnen vier Monaten nach der Bestätigung Vertreter der vertragschließenden Teile in Berlin zusammentreten.

Zur Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und ihre Siegel beigedrückt.

Ausgefertigt in doppelter Urschrift in Berlin an . März

z 8

In dem zugleich mit dem Friedensvertrag zwischen Deutschland und Finnland abgeschlossenen Handels⸗ und Schiffahrtsabkommen wird laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ folgendes bestimmt:

Die Angehöregen eines jeden der vertrag ch i⸗ßenden Teile fge⸗ nießen im Gebiete des anderen Teiles in bezug auf Handel und sonstige Gewerbe dieselben Rechte und Begünstigungen aller Art, welche den Inländern zustehen oder zustehen werden. Akttengesellschaften, Gesell⸗ schaften mit besch änkter Haftung und andere kommerzzelle, industrielle und fiaanzielle Gesellschaften mit Einschluß der Versicherungssesell⸗ schaften sollen auch in dem Gebiet des anderen Teiles als gesetz ich bestehend anerkannt werden und insbesondere das Recht haben, vor Gericht als Kläger und Beklagte aufzu reten. Die Zalassung solcher Gesellschaften ꝛum Gewerbe⸗ oder Geschäftsbetrieb sowie zum Erwerbe von Grundstücken usw. in dem Gebiete des anderen Teiles bestimmt sich nach den dort geltenden Vo schriften, doch sollen die Gesellschaften j denfalls dieselben Rechte genieße n, welche den gleichartigen Gesell⸗ schaften irgendeines diitten Landes zustehen. Die Boden⸗ und Ge⸗ werbeerzeugnisse sollen nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung behandelt werden. Diese Bestimmungen bezieben sich indes nicht auf die Begünstigungen des Grenzverkehrs, 1 nicht auf die Be⸗ cünstigungen, die einer der vertragschließenden Teile einem mit ihm zollgeemten Lande oder Gebiete gewährt und auch nicht auf die, die Deutschland Oesterresch⸗Ungarn oder einem anderen mit ihm durch ein Zollbündnis verbundenen Lande, das an Deutschland unmittelbar oder durch ein anderes mit ihm oder Oesterreick⸗Ungarn zoll⸗ verbündetes Land mittelbar angrenzt, oder seinen etgenen Kolonien usw. etwa gewähren wird. Während des Bestehens dieses Arkommens wird der rinnische Zolltartf nach dem Stande vom 1. Januar 19/4 gegenüber Deutschland in Anwendung kommen. Der Tarif kann während dieser Zett Deutschland gegenüber weder erhöht voch darch Zölle auf bisher zolltr ie Waren erweitert werden. Auch bezüglich der Eisen⸗ bahnen und der Seeschiffahrt wird die Netstbegüvstigung vereinbart. Hin⸗ sichtlich des Schutzes des gewerblichen Zigentums und des Urbeberrechts gelten die Bestimmungen der reoitdierten Pariser Uete einkunft vom 2. Juni 1911 und der revidierten Berner Uebeleinkunft vom 13. November 1908. Der Post⸗ und Telegraphenverkehr soll nach den Bestimmungen des Weltpostvertrags und seiner Nebenalkommen aufgenommen werden. Die näheren Festsetzungen erfolgen durch Abkommen zwischen den beiderseitigen Verwaltungen. Schon jetzt wird vereinbart, daß die Telegramme bis auf weiteres über Schweden geleitet werden und daß die Wortgebühr für ein gewöhnliches Tele⸗ gramm 25 Centimes betragen soll. Zur Regelung der Konsular⸗ verbälrznisse, der Nachlässe, des Rechtsschutzes und der Rechtbhilfe in börgerlichen Angelegenheiten sollen tunlichst bald Verträge abgeschlossen werden, die den Anschauungen und Vechättnissen der Gegenwart entsprechen. Bis dahin sollen der deutscherussische Konsularvertrag, das deutscherussische Ab⸗ kommen von 1874, das Haager Abkommen für den Ztvilprozeß vom 17. Jult 1905 usw. gelten. Ein Vertrag über die gegen⸗ seitige Auslieferung von Verbrechern und die Rechtshilfe in Straffachen soll auf neuteitiger Grundlage abgeschlossen werden. Jeder vertragschließende Teil wird die Zeitwanderung seiner Ange⸗ hörigen in das Gebiet des anderen Teiles zur Beschäftigung in land⸗ wirtschaftlichen Betrieben gestatten. Dieses Abkommen soll zwei Wochen nach dem Austausch der Bestätigungsurkunden in Wirksam⸗ keit treten. Eine Zusatzerklärung besagt, daß das Abkommen vorerst keine Aenderung der Vorscheitften bewirken soll, die in bezus auf Eesellschaften gewisser Art die finnische Staatsangehöriakeit zur Be⸗ dingung mochen. Jedoch sollen auch in dieser Hinsicht die Ange⸗ hörigen des Deutschen Reichs den Finnländern tunlichst bald gleich⸗ gestellt werden. 8

Die Friedensverhandlungen in Bukarest.

8 In der vorgestrigen und in der gestrigen Sitzung der Friedensberatung in Schloß Buftea wurde laut Meldung des Wiener „K. K. Telearaphenkorrespondenzbüros“ im wesent⸗ lichen der Arbeitsplan festaesetzt. Es soll ein politischer, ein militärischer, ein rechtspolitischer und ein handelspolitischer Ausschuß gebildet werden. Die Vertreter der Verbandsmächte werden in alphabetischer Reihensolge den Vorsitz führen. Die Sitzungen werden fortan nicht mehr auf Schloß Buftea, dessen Sntfereeng ns Sütars if foce in em in der Nähe von Bukarest gelegenen königlichen lo Cotroceni stattfinden. üg

1“

Kriegsnachrichten. Berlin, 7. März, Abends. (W. T. B.) Von den Kriegsschauplätzen nichts Neues.

ewvweereüde

Großes Hauptquartier, 8. März. (W. T. B.) Westlicher Kriegsschauplatz. Heeeresgruppe Kronprinz Rupprecht. . 6 Bei Durchführung erfolgreicher Erkundungen wurden öst⸗ lich von Merkem 30 Belgier, nordöstlich von Festubert 23 Engländer gefangen genommen. Der Artillerie- und

Minenwerferkampf lebte am Abend in einzelnen Ab⸗ schnitten auf.

8 eFeen Deutscher Kronprinz. 8 urmabteilungen brachten von ei La Neuville (südlich 8 Berrh.an hn.) esco Heac ern

8

fangener Franzosen zurück. Im übrigen blieb die Gefe Iatigkeit auf Störungsfeuer beschränkt, das sich auf dem 82 lichen Maasufer vorübergehend steigerte. .“

Heeresgruppe Herzog Albrecht. 8

An der lothringischen Front entwickelte die zösische Artillerie zwischen Selle und Plaine rege Tätigken

uνν‿‿ιπασϑα³αι

Von den anderen Kriegsschauplätzen nichts

Der Generalquartiermeister. Lre. ebesen 8

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11““ Oesterreichisch⸗ungarischer Bericht. Wien, 7. März. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Keine besonderen Ereignisse. 1 Der Chef des Generalstabes.

Bulgarischer Bericht.

Sofia, 7. März. (W. T. B.) Amtlicher Heeresbericht vom 6. März.

Mazedonische Front: Westlich von Bitolia bei Bratindol rückten gestern während der Nacht französische Infanterieabteilungen nach längerer Feuervorbereitung gegen unsere Stellungen vor. Sie wurden von unserem Sperrfeuer empfangen und gezwungen, in ihre Gräben urückzukehren. Westlich des Wardar versuchten nach heftigem Fener mehrere griechische Abteilungen, sich unseren Posten zu nähern, wurden aber durch unser Feuer vertrieben. In der Ebene von Serres, westlich von Kopriva, zerstreuten unsere Posten eine verstärkte englische Patrouille.

Dobrudscha⸗Front: Waffenstillstand.

Der Krieg zur See. Modrid, 6. März. (Havas) Nach einer Meldung im „Impartial“ berichtet das Marinekommando in Teneriffa, daß der spanische Dampfer „Villa Nueva“ von einem deutschen Unterseeboot gezwungen worden sei, seine als Banngut

angesprochene Ladung über Bord zu werfen, dann aber habe weiter fahren dürfen.

„7. März. (W. T. B.) „Maasbode“ zufolge schreiben die „Evening News’: Die Raucher in England werden es sür die weitere Dauer des Krieges obne Zigarren, Zigaretten oder Pte aushalten müssen. Es sei zwar noch für drei Monate

abak vorhanden, dieser werde aber für die Soldaten und die Arbeiter in den Kriegsbetrieben vorbehalten bleiben.

London, 7. März. (W T. B.) Reuter meldet amtlich: In einer kleinen Werkstätte der Regierung im Süden von London ereignete sich am 5. d. M. eine Explosion. Viter Personen wurden getötet, eine verletzt. Die Werkstatt wurde zerstrt.

Christiania, 7. März. (W. T. B.) Laut Meldung des „Ritzaͤuschen Büros“ fanden am Nachmittag und Abend an ver⸗ scheedenen Stellen der Stadt Unruhen statt, an denen der Mob be⸗ teiligt war. Vorwiegend eeerülss Personen drangen in Läden und Bäckereien ein, plünderten sie und zertrümmerten Fenster⸗ scheiben. In der Karl Johannstraße wurde ein großer Bäcker gestürmt. Die Polizei nahm mehrere Verhaftungen vor.

(Fortfetzung des Nichtamtlichen in der

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opernhaus. Mittagg 12 Uhr: Symphoniemittagskonzert. (Programm wie am Abend.) Abends 7 Uhr: VIII. ESymphoniekonzert der Königlichen Kapelle zum Besten ihres Witwen⸗ und Waisenfonds. Leiter: Herr General⸗ musikdirektor Dr. Richard Strauß. Zum Symphoniemittagskontert sind Einlaßkarten bei Bote u. Bock, Leipziger Seisse 37 un Tauentzienstraße 7, am Konzerttage im Königlichen Opernhause

zu haben. Schauspielhaus. Geschlossen. (Der Eintrittskarten⸗Vorverkanf

findet zur üblichen Zeit statt.)

Sonntag: Opernbaus. 66. eee orstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Rappelkopf. (Berliner aseng von „Alpenkönig und Menschenfeind“.) Oper in drei Auf⸗ lügen nach F. Raimund von Richard Batka. Musik von Leo Blech. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 68. Dauerbezugsvorstelluna. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Die Tante aus Sparta. Lustspiel in vier Akten von Jobannes Wiegand. Spielleitung: Dr. von Naso. Anfang 7 ½ Uhr.

Familiennachrichten.

Verlobt: Frl. Annemarie Caesar mit Hrn. Wilhelm Edler vor Daniels⸗Spangenberg (Minden).

Gestorben: Herzogl. Anhalt. Generalsuperintendent und Lof⸗ prediger a. D. D. Fr. Winfrid Schubart (Zerbst). —. br Geheimer Medizinalrat, Professor Dr. Ernst Neumann (Köꝛtgs⸗ b. rg). Hr. Rittmeister a. D. Eugen Frbr. von Massenboch Oldenburg). Hr. Bogislav von Mellenthin (Berlin). Fr

ommerzienrat Elisabeth Roth, geb. Lamarche (Saarbrücken)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyr vl. Charlottenbut⸗ Verantwortlich ür den Angeignvel: Der Morsteßer der Geschäftsstelle echnungsra engering in lin. -

e bes Geschäftsstelle Mengering) Fen 8 i dee Perr erh. 29, eshossanann h Sechs Beilagen

(einschließlich Warenzeichenbeilage Nr. 19, Nr. 18 lag dem Ilqch e und Staatsanzelger⸗ Nr. 55 bel.

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zanzeiger und

Parlamentsbericht.*) Preubischer Landtag.

Die Rede, die bei der Beratung des Haushalts⸗ planes der Ansiedlungskommission der Mi⸗ nister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten Dr. Schmidt gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:

Meine hochverehrten Herren! Der Herr Abgeordnete Winckler hat, wie ich höre, in meiner Abwesenheit ich habe leider das Steno⸗

gramm nicht erlangen können die Erklärung, die ich wegen des

Religionsunterrichts in polnischer Sprache in der Kommission ab⸗ gegeben habe, nicht für befriedigend erachtet. Es ist mir dacum von Wert, auf die Sache zurückzukommen.

Ich darf küͤrz zusammenfassen: mein Herr Amtsvorgänger hat am 23. Juni v. J. bestimmt, daß in der Provinz Posen der Religions⸗ unterricht auf der Unterstufe dort, wo Kinder nur der polnischen Sprache mächtig sind, an diese Kinder in polnischer Sprache erteilt werden soll. Diese Maßregel, die keine sehr umfassende war, da der Religionsunterricht im größten Teil der Provinz Posen bereits vorher auf der Unterstufe polnisch erteilt wurde, ist inzwischen in 130 Schulen durchgeführt worden. Ihre weitere Ausdehnung ist auf gewisse Schwierigkeiten gestoßen, zum Teil auch deswegen, weil die Schul⸗ gemeinden selbst einen Wechsel nicht gewünscht haben. Ich habe mich indes für verpflichtet gehalten, loyal durchzuführen, was mein Herr Amtsvorgänger auf diesem Gebiete begonnen hatte.

Dreimal habe ich bisber Gelegenheit gehabt, mich über diese Frage auszusprechen: einmal im Herrenhause ich habe leider das Protokoll darüber nicht erlangen können —, einmal bei der Erörte⸗ rung des Ansiedlungsgesetzes in der Kommission dieses hohen Hauses, das dritte Mal bei der Beratung des Etats meines Ministeriums in der Staatshaushaltskommission. Jedesmal handelte es sich in der Hauptsache um die spezielle Frage der Ausdehnung des polnischen Religionsunterrichts auf Oberschlesien.

Nun, meine Herren, habe ich diese Frage zunächst rein sachlich geprüft und mir gesagt, daß sie in erster Linie eine Erziehungsfrage ist. Ich habe mich gefragt, ob den Kindern, die Wasserpolnisch als Muttersprache sprechen, der Religionsunterricht in deutscher Sprache erteilt werden soll. Dabei lasse ich dahingestellt, ob und inwieweit das Wasserpolnische Abweichungen vom Hochpolnischen enthält. Man lann sagen, daß ähnliche Schwierigkeiten auch bei Plattdeutsch sprechenden Kindern vorliegen, wenn sie Hochdeutsch lernen. (Sehr richtig! link.) Zweifellos ist, daß bei Kindern in diesem Alter die religiösen Begriffe zum großen Teil noch fehlen; im Wasserpolnischen sind auch Bezeichnungen für solche Begriffe nicht vorhanden. Es fragt sich, wie weit daraus Folgen für die Erziehung in der Schule herzuleiten sind. In dieser Frage muß ich mich auf Sachverständige verlassen, die ich in weitem Umfange gehört habe, und ich kann ver⸗ sichern, daß alle einstimmig der Ansicht sind, es sei unrichtig, das Kind, das so unzureichend sprachlich und begrifflich vorgebildet ist, erst zum Hochpolnischen und dann zum Deutschen anzuleiten. Dadurch würde der gesamte Unterricht der Schule leiden. Das Kind selbst würde die Folgen tragen müssen. An der Hand dessen habe ich bereits in der Kommission die Ueberzeugung vertreten, es sei richtig, den Religions⸗ unterricht in deutscher Sprache zu erteilen. Da ich die Frage rein sach⸗ lich beurteile, habe ich mich auch den Gegengründen nicht verschließen wollen, und ich bekenne, daß ich es als bedrückend empfinden würde, wenn es richtig wäre, was von seiten eines Teils der Geistlichen gesagt worden ist, daß dadurch die Kinder in ihrer religiösen Entwicklung zu⸗ rückgehalten würden, wenn sie die ersten zwei Schuljahre gewissermaßen für ihre religiöse Entwicklung verlören. Nach den Gutachten, die mir vorliegen, habe ich indes keinen Grund, das anzunehmen, und sage in⸗ sofern unbedenklich: ich halte es nicht für richtig, eine andere Sprach⸗ politik einzuführen, als sie bisher gehandhabt worden ist. Ich habe aber auch aussprechen dürfen, daß die Frage der Erteilung des Re⸗ ligionsunterrichts in deutscher odér polnischer Sprache keine Frage der Politik, sondern der Erziehung sei und nicht geeignet sei, als Konzession in polnischen Fragen zu dienen. Diese Auffassung allein gibt meiner Haltung die Festigkeit und Ruhe, der die Volksschule bedarf. Wir sind dies der Zukunft unsres Volkes schuldig. Vom Standpunkt der konfessionellen Volksschule ist der Staat verpflichtet, die Kinder zu guten Christen und zu guten Staatsbürgern zu erziehen, und ich möchte diese Verpflichtung in vollem Maße erfüllen. (Bravo! rechts.)

Auf die Frage, ob und wieweit in der Provinz Posen polnischer Religionsunterricht auf der Mittelstufe etwa einzuführen wäre, muß aus Erziehungsgründen beurteilt und verneint werden. Die Heran⸗ kiehung von Geistlichen, die der Herr Abg. Fuhrmann berührt hat, ist eine Notwendigkeit, soweit andere Sprachkundige nicht vorhanden sind. Ich erkläre aber gern, daß es sich dabei um vorläufige Maßnahmen handelt.

Nun darf ich nicht verschweigen auch das geht aus meinen Erklärungen in der Kommission hervor —, daß auch politische Gründe bei dieser Entscheidung mitsprechen. Die Art und Weise, wie das Entgegenkommen meines Herrn Amtsvorgängers in der polnischen Presse behandelt worden ist, konnte für das Unterrichtsministerium nur tief verstimmend sein. Wenn man von minimalen Zugeständnissen spricht, dann versteht man die Wichtigkeit der Fragen nicht. Ich habe am Schluß meiner Erklärung am 19. Februar nach dem Protokoll ausdrücklich gesagt: Ich habe Bedenken gegen die Weiterführung der Maßnahmen. Ich sei der Meinung, daß, wenn die Forderungen, die der Abg. Korfanty aufgestellt habe, von einem wesentlichen Teil der polnischen Bevölkerung geteilt würden, dann jedes weitere Ent⸗ Legenkommen der Staatsregierung als Schwäche ausgelegt werden

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2 2₰

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—, 2) Ohne Gewäl den der Minister und Staatzsekrenne veshr. mit Ausnahme I“

Erste Beilage

Berlin, Freitag, den 8. März

Königlich Preuß

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kkune. Meine Herren, wir wissen leider zu genau, daß die Auf⸗ fassungen des Herrn Abg. Korfanty nicht von ihm allein vertreten werden. Ich habe mich also bereits in der Kommission genügend klar aus⸗ gesprochen, daß ich auch politische Bedenken gegen die weitere Einführung des polnischen Religionsunterrichts hege. Ich will aber gern wiederholt zum Ausdruck bringen, daß sowohl sachliche wie politische Bedenken es nicht ratsam erscheinen lassen, weiter zu gehen. (Bravol rechts.) 1“

8 v 1““ 123. Sitzung vom 7. März 1918, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphenbüro.)

Am Regierungstische: der Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach.

„Präsident Dr. Graf von Schwerin eröffnet die Sitzung um 11 ½¼ Uhr.

Es wird die zweite Beratung des Haushaltsplans der Eisenbahnverwaltung fortgesetzt und die allge⸗ meine Erörterung der Märtschete jen und finanztechnischen Seite und aller übrigen Fragen des Haushalts, mit Ausnahme der Tariffragen und der Beamten⸗ und Arbeiterfragen, wieder aufgenommen.

Abg. Lippmann ffortschr. Volksp.): Der Minister hat in sehr wirkungsvollen Worten⸗ sein volles Vertrauen zu seiner Be⸗ amtenschaft und zu seiner Arbeiterschaft ausgesprochen. Es ist ein ehrenrolles Zeugnis für seine Verwaltung wie für die Beamten und Arbeiter, daß dieses Vertrauensvotum hier abgegeben worden ist und einen einmütigen Widerhall gefunden hat. Qdlber „der Geist ist willig, aber der Körper ist schwach“, oder er wird doch schwach. Die Beamten und Arbeiter der Eisenbahnverwaltung sind unzweifelhaft stark überlastet und müssen das ertragen zu einer Zeit, wo ihnen die Verhältnisse nicht gestatten, die Mehrarbeit durch eine zureichende und rechtzeitige Crnährung wett zu machen. Die Arbeits⸗ und Ruhe⸗ zeiten, die vor dem Kriege galten, konnten im Kriege nicht mehr innegehalten werden; man hat auf die Arbeits⸗ und Ruhezeiten von 1908 zurückgreifen müssen, und der Minister mußte erklären, daß diese Zeiten sogar recht oft nicht innegehalten werden können. Unsere Beamtenschaft und unsere Arbeiterschaft muß unter diesen Ausnahmezuständen anz erheblich leiden, und es ist kein Zufall, daß die Unfallziffern steigen. Der Betrieb als solcher erscheint dadurch gefährdet. Die großen schweren Zusammenstöße der letzten Zeit sind durch Naturereignisse allein nicht zu erklären. Bei oallem Optimismus, bei aller Anerkennung der Bereitwilligkeit unserer Angestellten müßte doch so viel als irgend möglich dafür gesorgt werden, daß das Fahr⸗ und Arbeiterpersonal mehr erhält. Wir bitten um Auskunft, was hinsichtlich der zureichenden Ernährung des Fahrpersonals geschehen ist und geschehen kann. Bei solchen Er⸗ shwerungen b. natürlich auch die Fabl der Pensionierungen an⸗ wachsen, und damit wird die Beamtenschaft doppelt schwer getroffen, weil sie zu früherer Zeit und damit zu geringeren Sätzen in die geht. Sollen Veranstaltungen getroffen werden, die Beamten vor diesem Nachteil ihres anstrengenderen Dienstes schützen⸗ Die Beamtenkreise werden weiterhin beunruhigt durch die besonderen Entbehrungen und Kraftanstrengungen, die ihnen die Abkomman⸗ dierung in den Felddienst zumutet. Auch hier treten die Pensionie⸗ rungen frühzeitiger ein, und die invalide gewordenen Beamten stehen sich dann ungünstiger, da die Grundsätze der Zivil⸗Unfallfürsorge hier nicht in Anwendung kommen. Die Verlängerung des Finanz⸗ abkommens um zwei Jahre nehmen auch wir an. Zurzeit erfüllt dieses Abkommen nur noch theoretisch die Wünsche des Hauses, die bei dem Abschluß dahin gingen, die Einkünfte der Eisenbahn zu teilen zeschen Staats⸗ und Eisenbahnverwaltung derart, daß der ersteren 2,10 v. H. des statistischen Anlagekapitals der 118 ahn zu allge⸗ meinen Zwecken überwiesen werden sollte, während die Eisenbahn einen bestimmten Prozentsatz zu Erneuerungen verwenden sollte. Dieses Abkommen kann nur in einer Zeit guter Konjunktur wirken. So bleibt jetzt ein Defizit von 1599 Millionen Mark. Trotzdem müssen wir dieses Abkommen aufrechterhalten, damit nicht in den Zeiten der Finanznot der Staat zu viel von den Einnahmen der Eisenbahn fortnimmt. Allerdings muß später dieses starre Vertei⸗ lungssystem geändert werden. Die Erweiterung des Güterverkehrs im Laufe des Krieges hat die Einschränkung im Personenverkehr be⸗ wirkt. Wie diese hat man aber auch noch andere Aenderungen hin⸗ genommen, wie die Erhöhung der Eisenbahntarife, die in Friedens⸗ zeiten einen Sturm hervorgerufen haben würde. Die Verdoppelung der Tarife soll nun in anderer Form noch erweitert werden. Die Tarife für Personenzüge sollen um 25 v. H. erhöht werden, ohne daß das Haus sich darüber äußern kann. Die Eisenbahnverwaltung braucht allerdings nur bei einer Erhöhung der Gütertarife das Haus zu befragen, es entspricht aber dem guten Einvernehmen zwischen er⸗ waltung und Abgeordnetenhaus und wohl auch der Sachlichkeit und Würde des Hauses, wenn derartig einschneidende Maßregeln vorher zur Kenntnis des Hauses gebracht werden. Wenn auch die Unzu⸗ länglichkeit im jetzigen Personenverkehr auf die kriegerischen Verhält⸗ nisse zurückzuführen ist, so könnten doch manche Erschwerungen fort⸗ fallen. Die Verwaltung darf sich nicht auf den Standpunkt stellen, dem Publikum das Reisen überhaupt zu verekeln. Da die Ein⸗ sene Pune des Personenverkehrs durch die Konkurrenz mit dem Güter⸗ verkehr bedingt ist, so könnte man vielleicht dem Gedanken der. Ein⸗ führung besonderer Güterbahnen nahetreten. Vielleicht ist der Minister jetzt darüber anderer Meinung. Bei den hohen Kosten einer allgemeinen Durchführung könnte man hier vielleicht stückweise vorgehen. Während des Krieges sin 10909 Güterwagen entstanden. Auch die Zahl der Lokomotiven hat sich so Fsteigert, daß, während Tausende von Lokomotiven in den okkupierten ebieten und für unsere Verbündeten tätig waren, bei uns im Lande nur 600 Lokomotiven weniger fahren als im Frieden. Trotz des schlechten Aussehens ist das Material in Wirklichkeit nicht so schlecht. Wir können deshalb hoffen, daß die Eisenbahn auch nach dem Kriege ihren Aufgaben voll gerecht werden wird. Me Aufgabe der Eisenbahnen wird eine sehr vielgestaltige sein, handelt es sich doch um den Wiederaufbau unseres Wirtschaftslebens. Es darf bdlich nicht wieder wie früher vorkommen, daß die Eisenbahn mit Tarifen arbeitet, die es den Wasserstraßen unmöglich macht, ven⸗ tabel betrieben zu werden. Die Eisenbahnverwaltung hat hoffentlich während des Krieges gelernt, daß die Wasserstraßen nicht Feinde des Eisenbahnverkehrs sind, sondern äußerste Reserven im Falle der Not. In finanzieller Beziehung verläuft der diesmalige Etat nicht günstig. Wie wir aber gehört haben, sind noch erhebliche Einnahmereste vor⸗ handen. So soll die Abrechnung mit der Militärverwaltung noch recht erhebliche Posten einbringen. Hoffentlich erfahren wir noch heute vom Minister, wie hoch sich diese Summen etwa belaufen. Der jetzt be⸗ willigte 15 prozentige Zuschie bedeutet ja auch einen hübschen Ein⸗ nahmeposten für die Zukunft. sollen in Zukunft weitere nicht unerhebliche Ersparnisse erzielt werden durch Einführung einer neuen Bremse und von Heißdampflokomotiven. Auch durch die Zusammenlegung der Klassen sollen Ersparnisse gemacht werden. Dem wage ich versaufig, nicht zu widersprechen. Nur weiß ich nicht, ob nicht ein Zurückdrängen der ersten Klasse mehr Nachteil als Vorteil erbringen wird, denn viele Reisende müssen die ge Fahrt zu geistiger Arb nützen.

Wenn das Bild den künstigen Einnahmen der Eisenbahnen nichi ungünstig ist, so möchte ich die Legende zerstören, als ob nach dem Kriege ungeheure Mittel nötig sein würden, um die Eisenbahnen wieder in den alten betriebsfähigen Zustand zu versetzen. Man fagz, es müßten mehrere Milliarden dafür angelegt werden. Wir haben aber noch verfügbare Einnahmereste für Neubauten; in diesem Jahre haben wir dafür allein über anderthalb Milliarden eingestellt. Es sind schon fast drei Milliarden für die Wiederherstellung des Wagenparks vorhanden. Wir können der finanziellen Ent⸗ wicklung der Eisenbahnen mit Ruhe entgegensehen. Die Eisenbahn wird ihren beiden Zwecken: der große wirtschaftliche Verkehrsfaktor zu sein und als Einnahmequelle das Rückgrad unserer Finanzen zu bilden, gerecht werden. Graf von der Groeben begrüßte die Ver⸗ längerung des Finanzabkommens damit, daß man angesichts der neuert demokratischen Welle nicht wisse, was aus den Eisenbahneinnahmen werden könnte. Dieses Mißtrauen ist durch nichts gerechtfertigt. (Sehr richtig! links.) Auf dem Eisenbahngebiet sind bisher alle Par⸗ teien einig gewesen, das Finanzabkommen ist vom Hause einstimmig gebilligt worden. Herr von Woyna befürchtete, daß die Vepenfung des preußischen Fiskus gefährdet werde und deo Fiskus nur noch als Gebe⸗ tante angesehen werden könnte. Ich glaube, man kann den Füsan eher als eine unangenehme Nehmetante ansehen. Herr von Woyna meinte ferner, unter einem parlamentarischen Minister würde das Bild des Eisenbahnetats ganz anders werden, weil ein solcher Mi⸗ nister den Wünschen seiner Freunde folgen müßte. Herr von Woyna kann seine ha. in dieser Hinsicht nur an Ministern von der Rechten gemacht haben. (Sehr richtig! links.) Sein Mißtranen Fenhae Minister in der Jetztzeit ist nicht begründet. Die Gewissenhaftigkeit eines Ministers von der Linken ist nicht ge⸗ ringer als die eines Ministers von der Rechten. Auch ein Tropfen sozialen Oels hat unserem Eisenbahnminister bisher nicht gefehlt. Ich wünsche dem Minister, daß er noch lange im Amte bleibe, aber wene er ersetzt werden müßte, würde ich lieber einen Minister von der Linken als von der echten sehen. (Beifall links.)

Abg. Macco (nl.). Im Kriege sind die Leistungen der Eisenbahn von Jahr zu Jahr mehr angespannt worden, der Betrieb hat sich gegen die Friedenszeit mehr als ver⸗ doppelt. Dabei ist die Personattahr! geringer als im Frieden. In Zukunft werden der Eisenbahnverwaltung nüch größe te wirtschaftliche Aufgaben obliegen, die eine noch höhere Anspannung ihrer Kräfte nötig machen werden. Wir fühlen uns verpflichiet den Eisenbahnbeamten unseren Dank für ihre Leistungen zum Ausdruck E“ Aus dem Betriebsbericht für 1917 ersehen wir, daß die Wirtschaftlichkeit G Eisenbahnverwaltung während des Krieges eine gute gewesen ist. Der Etat für 1918 weist nach Abz er Zinsen und der gesetzlichen Tilgung und Abschreibungen Linen hein. überschuß von 340,1 Millionen Mark auf. Wenn ein wirtschaftliches Institut nach so vielen Kriegsjahren noch einen derartigen Ueberschuß bringt und dann noch ein Extraordinarium speist, das man als Ab⸗ schreibung ansehen kann, so ist das kein ungünstiges Resultat, und wir können damit zufrieden sein. (Sehr richtig!) Wenn man noch 2,1 % für die allgemeine Verwaltung verrechnet, so wird damit ein künstlicher Fehlbetrag von 142 Millionen erzeu t. Wir müssen uns darüber klar sein, daß dieser Fehlbetrag künstlich ist. (Sehr richtig!) Der Etat beruht auf einer großen Unsicherheit in der Berechnung der persönlichen und sachlichen Ausgaben. Für ein wirtschaftliches Unter⸗ nehmen liegt aber eine große Gefahr darin, wenn nicht völlige Klar⸗ heit über alle Ausgaben und Einnahmen herrscht. Das Abkommen mit der Finanzverwaltung wird von meinen politischen Freunden mit sehr gemischten Gefühlen aufgenommen. Wir haben uns zwar ent⸗ schlossen, seiner Verlängerung zuzustimmen, aber es kommt uns dabei lediglich auf das Prinzip an, eine baldige Festlegung der Bo⸗ ziehungen der Eisenbahn zu den Finanzen des Staates herbei⸗ zuführen. Keineswegs bedeutet unsere Stellungnahme eine An⸗ erkennung der Einzebheten des bisherigen Abkommens. Ein solches Abkommen muß unbedingte Sicherheit bieten für die volle Befriedigung aller Bedürfnisse der Eisenbahnverwaltung. Die Eisen⸗ bahnen müssen absolut unabhängig von den allgemeinen Staats⸗ ausgaben sein, sie müssen sich entwickeln nach den Bedürfnissen des Landes. (Sehr richtig!) Die persönlichen sachlichen Ausgaben der Eisenbahnen werden in der nächsten Zeit eine gewaltige Steige⸗ rung erfahren müssen. Durch die vielfach jetzt im Lande hervor⸗ tretende Tätigkeit von Leuten, die Einfluß auf die unteren Beamten und Arbeiter gewinnen, ist eine ungeheure Unruhe in diese Kreise des Eisenbahnpersonals hineingetragen worden. Die Eisenbahnverwal⸗ tung ist bemüht, den Bedürfnissen dieser Schichten nacheofns. soweit es ihr möglich ist. Der Einfluß gewissenloser Agitatoren schädigt aber die Arbeitsfreudigkeit im Lande und beeinflußt damit ungünstig auch die Tätigkeit unserer Eisenbahnbeamten. Wenn der Minister betonte, die Eisenbahn habe in vollem Umfange das getan. was bei Gründung der Staatseisenbahnen versprochen wurde, so muß ich dem leider in einer Richtung widersprechen. Bei der Gründung der Staatseisenbahnen wurden sie lediglich als eine Maßnahme zur wirtschaftlichen Hebung des Landes hingestellt. Es sind der Eisen⸗ bahnverwaltung aber dennoch erhebliche Mittel entzogen worden, um den ganzen Staatshaushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Das sollte unterbleiben. Die Kriegsjahre haben gelehrt, daß die leitenden Stellen mit Leuten besetzt werden müssen, die über genügende Er⸗ fahrungen im Dienst verfügen. Die Einschränkungen im Personen⸗ verkehr sollten für die großen durchgehenden Linien möglichst weg⸗ fallen. Es sollte mehr Rücksicht genommen werden auf das rege Ge⸗ schäftsleben, das zur Wiedergesundung unseres Wirtschaftslebens nun einmal erforderlich ist. Mit Neuerungen, die im Interesse des Wirt⸗ schaftslebens liegen, sollte die Eisenbahn nicht so lange zögern. Für. unsere Beamten und Arbeiter wollen wir möglichst Sorge tragen. Am schärfsten werden unsere Lokomotiven mitgenommen. Da ist mur auffällig, daß die Verwaltung eine Erfindung, die auf diesem Gebiete gemacht worden ist und die eine gleichmäßige Erwärmung des ganzen Dampfkessels ermöglicht und das Ansetzen von Kes elstein verhindert, nicht in der notwendigen Weise ausgenutzt hat, obavo⸗ gerade 9. die Ungleichmäßigkeit der Erwärmung und die Bildun von Kesselstein die gößten Schäden an den Lokomotiven angerichtet werden. Ich habe mich in meinem Betrieb von der großen Bedeut⸗ samkeit dieser Erfindung als Techniker selbst überzeugt. Der Einwand, daß es nicht ehg während des Krieges solche Neuerungen zu prüfen, trifft hier nicht zu, weil die Vorrichtung so einfach ist, daß jeder Maschinist sie ausführen und kontrollieren kann, weil sie keine

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Erschwerung des Betriebes bildet und die Leistungsfähigkeit der Loko⸗ motive ganz wesentlich erhöhen kann. Auch ein Risiko ist dabei nicht vorhanden, denn im Verhältnis zu den sonstigen Ausgaben der Eisen⸗ bahnverwaltung spielen 500 000 keine Rolle. Ich kann nur be⸗ dauern, daß die maßgebende Stelle der Erfindung nicht sofort näher⸗ eetreten ist und daß wir uns weiter mit dem minderwertigen Material 8 müssen. Im Anschluß an eine von mie schon früher hier ge⸗ machte Aeußerung, der der Minister der öffentlichen Arbeiten damals entgegentrat, wiederhole ich, daß sämtliche höheren administrativen Eisenbahnbeamten auch von den volkswirtschaftlichen Aufgaben der Eisenbahnen durchdrungen sein und diesen ohne bürokratische An⸗ wondlung gerecht werden 8 Viele der wichtigsten Fortschritte auf dem Gebiete der Eisenbahnen sind durch Anregungen veranlaßt worden, die aus anderen als Eisenbahnkreisen gegeben wurden.

dem gewaltigen Ringen der Völker müssen alle Mittel ausgenutzt werden. Das Verfahren, welches unsere Eisenbahnderwaltung in diesem Punkte gegenüber dem fast aller anderen Länder einschlägt, er⸗