1918 / 104 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 May 1918 18:00:01 GMT) scan diff

in allen e La Jetzt dämmert auch der Egoisten eine zung von der Bedeutung der Masse und der Per⸗ sönlichkeitswerte in der Masse. Der Anspruch des Stoates auf so große Opfer ist nur dann politisch berechtigt und erlaubt, wenn die Bürger wissen, daß es ihr Staat, daß der Staat der Ausdruck der Er⸗ füllung ihrer Bedürfnisse ist. Das ist nur dann möglich, wenn jeder Bürger im Stzate als Gleicher mitwirkt. Wenn man das bis heute in Preußen nicht erkannt hat, so wird man es lernen müssen. Der Anspruch auf staatsbürgerliche Gleichbeit, der nicht mehr abzuweisen ist, und auch nicht von den 50 „Aufrechten“ abgewiesen werden kann, die heute im preußischen Abgeordnetenhause das gleiche Wahl⸗ recht glaubten niederstimmen zu dürfen, umschließt auch die Zuver⸗ jicht auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau. Niemand kann über⸗ sehen, wie sich die volkswirtschaftliche und nationalpolitische Wander⸗ bswegung in Zukunft gestalten wird. Mit Recht sagte ein öster⸗ reichischer Industrieller, Mitteleuropa habe in diesem Kriege die ganze Humusschicht an Kultur und Kapital, die es seit den napoleonischen Kriegen langsam aufgebaut hatte, verloren, und wir werden von dem nackten Boden aus wieder auf⸗ bauen müssen in der Ueberzeugung, daß die kleinen Mittel und kleinen Ideen langer Jahrzehnte nicht mehr delfen können. An dieser gewaltigen Aufgabe soll das Reichswirtschaftsamt arbeiten. Es soll nicht die Akten nach dem Datum des Eingangs buchen, son⸗ dern es soll Wirres entwirren, Zerstörtes wieder aufbauen, führerlos Gewordenes führen, eine Aufgabe, die ohne Beispiel dasteht in der Menschheitsgeschichte, und die nur zu löͤsen ist, wenn sich höchste Kenntnis des Tatsachlichen mit der Entschlußfreudigkeit revolutio⸗ naren Meuerung. ges paart und doch kluge Ueberlegung vor dem Hineingleiten in Unmöglichkeiten bewahrt. Das Zeitalter der freien Produktion ist geschlossen und wir treten in das Zeitalter der orga⸗ nisierten Produktion ein. Das ist nur der politische Ausdruck einer weitgehenden Verstaatlichung der Wirtschaft. Das ist nicht das, was man fälschlich Kriegssozialismus nannte. Wir stehen vor der gebieterischen Notwendigkeit, unsere Arbeit zu orgamisieren, um ihren Extrag zu steigern. Wir werden den Ueberschuß über die Kosten erhöhen und ihn nicht überwiegend in die Hände des Unter⸗ nehmers gleiten lassen, sondern in steigendem Maße der Allgemeinbeit zuführen müssen. Der Meinung, daß wir sobald wie möglich zur freien Wirtschaft zurückkehren müssen, steht schon der harte Zwang der Tatsachen entgegen. Der Krieg hat wie eine ungeheure Wirt⸗ schaftskrise den Prozeß der Verdrängung der Kleinen durch die Großen beschleunigt. Die Großen sammeln als Kriegslieferanten Kapital zu neuem Konkurrenzkampf. Wir seben, wie aus Kartellen ein Trust, eine vollständige Monopolisierung des Marktes für wichtige Produkte wird. Aus diesen Tatsachen sieht jeder, daß der Gegensatz von ge⸗ zundener und freier Wirtschaft überhaupt nicht mehr erxistiert. Dr. Mavyer spricht von Dingen, die gar mcht mehr vorhanden sind. Die Frage ist nur die: Gebundene Wirtschaft unter der unbedingten Herrschaft der Kapitalsmagnaten oder, geleitet, gezähmt durch eine starke staatliche Macht. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozial⸗ demokraten.) Wir brauchen für unsere Reichswirtschaft ein fest und Flar entwickeltes Wirtsckafteprogramm. Ich nehme an, daß der Staatssekretar uns sein Programm noch darlegen wird. Ich weiß nicht, aus welchen Gründen er es unterlassen hat, damit sein für ünser Volk so lebenswichtiges Amt einzuweiben. Auf die einzelnen Aufgaben des Amtes werden andere meiner Freunde noch eingehen. Nur die Zusammenfassung der Uebergangswirtschaft für das gesamte Reichsgebiet und nur der Eingriff der Reichsverwaltung können Regelung und Ordnung der Güterwirtschaft, Menschenökonomie und Geldwirtschkaft sckaffen, wie die zu lösenden Aufgaben sie voraussetzen. Auf die Uebergangewirtsckaft kann man solche Regelungen und Ver⸗ ordnungen nur beschränken, wenn man unsere 1 Zukunft als Uebergangswirtschaft betrachtet. Schon die Anschläge unserer Feinde hindern uns daran, in die frübere wirtschaftliche Anarchie zurück zu verfallen. Weit gefährlicher als die wahnwitzigen Eroberungspläne unserer Feinde sind die von der Pariser Wirtschaftskonfe⸗ zenzg gefaßten Pläne. Diese Gefahr besteht nicht bloß bei einer deurschen Niederlage, die nicht zu befürchten ist. Sie bleibt so lange besteben, wie es Deutschland nicht gelingt, sie durch Sieg oder Verständigung aus der Welt zu schaffen. Wir hoffen, sie aus der Welt zu schaffen, aber wir müssen uns so einrichten, daß wir ihr nötigenfalls auch trotzen können. Das ist nur möglich durch plan⸗ mäßigen Aufbau unseres Wirtschaftslebens. Dazu zwingt uns auch die erheblich veränderte Stellung unserer Arbeiter nach dem Kriege; sie haben aus diesem Krieg gelernt, der recht eigentlich ein Krieg der Arbeiter gewesen ist. Der von Dr. Maver so lebhaft bekämpfte Waltker Rathenau hat in dieser Be⸗ ziehung Worte gesprochen, deren Beweiskraft niemand bestreiten kann. Er kommt zu dem Schlusse, daß der Staat nach diesem Kriege ein Volksstaat sein müsse. Herr Rießer sagte in einem vielbeachteten Vortrag, die An der Ratbhenauschen Lehre, Wirtschaft fei in Zukunft nich Sache des einzelnen, sondern der Gemeinschaft, en berechtigten Interessen von Handel, Ge⸗ ndustrie, sondern auch den berechtigten vaterländischen dem Gesamtwobl. Bei Anerkennung dieses Grund⸗ könne Deutschland niemals daran denken, auch nur annähernd den Rang unter den Völkern und den Wohlstand zu erlangen, den es vor dem Kriege gehabt hat. Hier scheiden sich unsere Wege. Hier hat die Geschichte Recht zu sprechen, und ich zweifle nicht, daß sie uns ben und den anderen die Last des Unrechts auferlegen wird. Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Sacke des Reichswirt⸗

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schaftsamts wird es sein, die Entwicklungsrichtung zu bestimmen: dazu bedarf es klarer Einsicht und festen Willens. Die Sozialdemo⸗ kratie wird der Arbeit des Amtes ihre stete Aufmerksamkeit widmen und es an Anregungen nicht sehlen lassen; sie wartet auf Taten.

Um 6 Uhr wird die Fortsetzung der Beratung auf Frei⸗

E z 42 .SIIpfuess 8 8 2 Uhr, vertagt. Vorher Anfrogen

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 140. Sitzung. vom Donnerstag. 2. Mai 1918, Vormittags 11 Uhr. G (Bericht von Wolffs Telegraphenbüro.) leber den Beginn der Sitzung, in der die zweite Be des Gesetzentwurfs, betreffend die Wahlen zum Hause der Abgeordneten, und zwar zunächst Frörterung der §S 1 und 3 fortgesetzt wird, ist in der en Nummer däieses Blattes berichtet worden. f dasfelbst auszugsweise wiedergegebenen Aus⸗

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Abgeordneten Dr. Rewoldt entgegnet der

tglieder dieses hohen Hauses werden bl mit mi Ueberzeugung sein, daß die Gründe, die für und der die Regierungsvorlage sprechen, so ziemlich erschöpft sind, und Ausführungen, die der letzte Herr Vorredner mach deeser RKichtung din gemacht hat, sind wohl nicht geeignet gewesen, neue Ge⸗ sichtspunkte in die Materie hineinzutragen. Das, was er uns vor⸗ ö ist teils in der Kommission, teils auch in diesem boben ziemlich ausführlich crörtert worden. Ich würde daher Teil seiner Ausfübrungen nicht wciter eingegangen sein, rsten Teil seiner Rede Bat er einige Bemerkungen gemacht,

zuf die ich in aller Kürze zu antworten mich für verpflichtet balte. Meine Herren, in dankenswerter Weise hat Herr Abgrordneter Dr. Rewoldt sich mit dem Gedanken aukeinandergesetzt, was wohl zu ge⸗ Hehen habe, wenn die Vorlage nicht angenommen wird. Er hat vier

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herausgefunden, die möglich sind, für die Regierung beschreitbar

Wenn es ihm eine tröstliche Versicherung ist, so will ich ihm sagen, daß die Regierung einen dieser dier Wege mit Sicherheit be⸗ creiten wird. (Sehr. gut! links.) Er hat sich dann aber ganz aus⸗ giebig mit dem letzten Weg beschäftigt, nämlich mit der Frage der Auflösung, und es scheint ja, daß ihm dieser Weg ganz besonders un⸗ erwünscht ist. (Zuruf.) Meine Herren, ich trete darin dem Abgeordneten Dr. Rewoldt völlig bei. Auch die Königliche Staatsregierung würde es nicht für im Interesse des Landes liegend erachten, wenn zur Auf⸗

1 IZͤ 40 lösung geschritten

en werden müßte. Denn in der jetzigen Zeit ist das ein Weg, der wirklich im Interesse des Vaterlandes nicht zu wünschen ist. Aber, meine Herren, deshalb will ich damit nicht sagen, daß er unter allen Umständen nicht beschritten werden könnte. Darin weiche ich vieder don dem Herrn Abgeordneten Dr. Rewoldt ab.

Der Herr Abgeordnete Rewoldt hat sich auf Zeugnisse berufen, die diesen Weg als ungangbar erscheinen lassen. Er hat sich auf das Zeugnis einer Rede berufen, die ich in Hannobver gehalten habe. Meine Herren, ich mußte ja wohl darauf gefaßt sein, daß diese Rede mehrfach zitiert würde, und das ist mir ja auch eine ganz besondere Ehre. Ich kann dem Herrn Abgeordneten Rewoldt nur erwidern, daß, was ich damals in Hannover gesagt habe, ich heute noch vollständig aufrechterhalte. Wenn darin eine gewisse Kritik der Vergangenheit liegt, eine Kritik der Politik, die damals von der Königlichen Staats⸗ regierung verfolgt worden ist, so muß ich mir heute selbstverständlich daran genügen lassen, zu erklären, daß ich von dieser Kritik nichts zurücknehmen kann, daß mir aber meine jetzige Stellung verbietet, weiter auf diese Frage einzugehen. (Unruhe.)

Der Herr Abgeordnete Rewoldt hat sich dann auf das Zeugnis der Begründung berufen, die dem Gesetzentwurf über die Verlängerung der Legislaturperiode beigegeben worden ist, daß auch darin auf die schweren Bedenken aufmerksam gemacht werde, die etwa einer Neu⸗ rahl während des Krieges entgegenstehen. Der Herr Minister des Innern hat aber schon Gelegenbeit genommen, in den mündlichen Ausführungen, die er zur Begründung der Vorlage gemacht hat, darauf binzuweisen, daß diese Gesichtspunkte allerdings nur maß⸗ gebend seien bei normalen Wahlen, daß aber in einer Notlage natürlich die Königliche Staatsregierung auch auf das Recht der Auf⸗ lösung nicht verzichten könne.

Nun, meine Herren, hätten mich solche Ausführungen weniger überrascht, wenn sie von einem Abgeordneten gekommen wären, der sich alle mogliche Mühe gegeben hat, dieses für uns alle unerwünschte Mittel zu vermeiden. (Sehr richtig! links.) Zu diesen Abgeordneten gehört aber leider der Herr Abgeordnete Dr. Rewoldt nicht. (Sebr richtig! links.) Er ist einer derjenigen gewesen, die der Regierung am schroffsten gegenübergetreten sind sowohl in der Kommission wie hier im Hause. (Zurufe und Widerspruch bei den Freikonservativen. Große Heiterkeit.) Entschuldigen Sie, dann war es bei der ersten Lesung. (Erneuter Widerspruch und Zurufe bei den Freikonservativen. Wiederholte Heiterkeit.) Jedenfalls hat der Herr Abgeordnete Dr. Rewoldt Gelegenheit genommen, seine Stellung in sehr mar⸗ kanter Weise zu nehmen, und es genügt wohl auch vollkommen, wenn ich auf seine beutige Rede verweise, die an Schärfen wahrlich genug enthielt. Meine Herren, der Herr Abgeordnete Dr. Rewoldt verband aber wahrscheinlich mit diesen ganzen Ausführungen, die ja mit der Materie an und für sich in nur losem Zusammenhang stehen, wohl mur die Absicht, die Königliche Staatsregierung zu einer Erklärung zu provozieren, ob sie diesen unerwünschten vierten Weg beschreiten wolle oder nicht. Ich kann darquf nur erklären, daß wir unsere Stellung überhaupt erst bei der dritten Lesung nehmen werden (Zuruf links); denn es kann zwischen der zweiten und dritten Lesung wohl auch noch eine Verständigung möglich sein, natürlich nur auf dem Wege, den Ihnen vorgestern schon der Herr Ministerpräsident an⸗ gedeutet hat. Daß der Herr Abgeordnete Dr. Rewoldt diese Ver⸗ ständigung von vornherein für aussichtslos erklärt, tut mir aufrichtig leid, und das steht auch im Widerspruch mit den Ausführungen, die er heute hier gemacht hat.

Der Herr Abgeordnete Dr. Rewoldt hat dann wiederum mit ziemlicher Schärfe auf die Unbilligkeit hingewiesen, die bei einer eventuellen Neuwahl, so will ich mich einmal ausdrücken, darin liege, daß die im Felde stehenden Wähler nicht in der Lage sind, mitzuwählen. Gewiß, meine Herren, ist das außerordentlich unerwünscht; aber auch üͤber diese Schwierigkeit müßte man im Notfall hinwegkommen. Denn, meine Herren, ich glaube, man kann darüber um so mehr hin⸗ wegkommen, als Sie mit gutem Grund wirklich nicht annehmen können, daß die Mehrzahl der Wähler, die da draußen im Felde ist, es übelnehmen wird, wenn ihnen eine Erweiterung ihres Wahl⸗ rechtes zuteil wird. (Sehr richtig! links.) Vielleicht würde die große Mehrheit der Wähler draußen im Felde es viel übler vermerken, wenn ihnen ein anderes Wahlrecht aufgedrängt würde, als das ist, das die Königliche Staatsregierung ihnen zuzugestehen gewillt ist. (Sebr wabr! links.)

er Herr Abgeordnete Rewoldt und das soll das letzte sein, ch darider sage ist darauf eingegangen, daß die Königliche atsregierung ja erklärt habe, in der Wirkung sei zwischen dem lwahlrecht und dem gleichen Wablrecht kein großer Unter⸗ schied, und er hat daran die Bemerkung geknüpft, wenn das so wäre, so konnte sich die Königliche Staatsregierung ja dem Pluralwahlrecht anbequemen. Meine Herren, wenn ein solcher Scherz einmal in diesem Hause gemacht wird, so verfehlt dieser Scherz auch auf mich, der ich für Scherze empfänglich bin, seine Wirkung nicht. Ich bemerke aber, bei der ersten Lesung bereits der Abgeordnete Schifferer diesen andpunkt geltend gemacht hat mit einem gewissen Humor, den ich repern mit angehoört habe. Aber, meine Herren, wenn diese Be⸗ hauptung wiederholt wird, dann verliert sie an Reiz, und dann möchte ich ihr auch prinzipiell entgegentreten. Meine Herren, es ist doch ein sehr großer Unterschied, ob die Anbänger des Pluralwahlrechts, vorausgesetzt, daß sie sich davon überzeugen wollten, daß der Unter⸗ schied nicht so groß ist, auf den Boden der Regierungsvorlage treten, oder umgekehrt. (Sehr richtig! links.) Denn die Regierungsvorlage bat ein ganz bestimmtes Prinzip, das nicht verletzt werden darf, wäbrend, wenn sie zu dem Pluralwabhlrecht überginge, sie den Boden dieses Prinzips verlassen würde. Darin liegt der große Unterschied, vnd darum kann die betreffende Ausführung des Abgeordneten Dr. Reweldt doch auch wohl nur scherzhaft aufgefaßt werden.

Der Abgeordnete Dr. Rewoldt hat dann darauf bingewiesen, daß aus den Zabhlenverbältnissen, die die Regierung gegeben hat, folge, daß das Pluralwahlrecht eine viel einschneidendere Wirkung habe als angenvmmen werde. Ich kann nur sagen, daß ich seiner Berechnung

nicht gut folgen konnte; ich bleibe bei der. Tatsache stehen, daß nach der Regierungsvorlage voraussichtlich, soweit man überhaupt solche Berechnungen anstellen kann, und sfeweit man sie anstellen kann auf Grund einer eineigen Wahl, die doch wiederum das Resultat gewisser politischer Zeitumstände ist, die Sozialdemokratie bei der ungehemmten gleichen Wahl einen Anteil don 32 haben würde, während dieser Anteil bei der Pluralwahl auf 25 % herabgedrückt würde. Ich be⸗ dauere außerordentlich, daß uns Erfahrungen in dieser Beziehung fehlen. Ich möchte wirklich im Interesse der Erfahrung wünschen können, daß einmal eine Probe auf das Exempel mit Ihrer Plural⸗ wahl gemacht würde, dann würden Sie vielleicht anders darüber ur⸗ teilen. (Zuruf.) Ich muß es deshalb außerordentlich bedauern, daß allem Anscheine nach diese Probe auf das Exempel niemals gemacht werden wird. (Bravo! links.)

Abg. von Kardopff (wild): Es ist für mich nicht leicht, hier zu sprechen. Die Ausführungen, die ich hier mache, sind der Grum meines Ausscheidens aus der freikonservatibven Partei. Meine ehe⸗ maligen politischen Freunde wollten mir wohl gestatten, in der Spe⸗ Faldiskussion meine entgegengesetzte Ansicht zur Sprache zu bringen, da aber bei der Verbindung der Materien eine Spezialdiskussion nicht stattfinden konnte, so glaubte man es in der Partei nicht verantworten zu können, mich hier sprechen zu lassen. Als seiner Verantwortung bewußter Politiker habe ich daraus meine Konsequenzen gezogen. Ich kann nicht auf dem beneidenswerten Standpunkte stehen wie der Herr Abgeordnete Lohmann und erklären, daß ich nichts weiter zu

sagen brauche. Ich hatte das Bedürfnis, meine Abstimmung vor dem Hause und dem Lande zu begründen. Der Entschluß war für mich gewiß nicht leicht. Wenn jemand mit allen Fasern an seiner Partei gebangen hat, so war ich es. So starke Gründe wie bei mir bei keinem meiner Freunde mit. Die Empfindung, mit der ich diesen Entschluß gefaßt habe, ist ein innerstes Erlebnis. Ich werde maßvoll und ruhig meine Ansicht entwickeln. Doch bin ich von der Zurückhaltung entbunden, die ich gehabt hätte, wenn ich in meiner Partei gebleben wäre. Ich stelle an die Spitze meiner Aus⸗ führungen die Worte, von denen ich weiß, daß sie von Zurufen begleiter sein werden. Ich bin ein unbedingter, grundsätzlicher Gegner des gleichen Wahlrechts (hört, hört!), trotzdem abe erot, unter der Voraussetzung wirksamer Kautelen auf den Boden des gleichen Wahl⸗ rechts zu treten, weil ich nach meiner inneisten politischen Ueber⸗ zeugung das gleiche Wahlrecht für unabwendbar halte (Hört, hört! und Sehr richtig! links), ob es nun mit oder ohne Konflikte kommt. Wenn ich auf diesen Boden trete, so verhehle ich mir keinen Tag und keine Stunde den großen Ernst und die weittragenden Gefahren, die die Einführung des gleichen Wahlrechts für Preußen hat, die Wirkung auf Kirche und Schule, auf den Staatshaushalt, daß bis zu einem gewissen Grade derjenige, der keine Steuern zahlt, zu ent⸗ scheiden hat, wie die Steuern aufzubringen sind, daß wir einen großen Beamtenkötper haben, die Ostmarkenfrage und die anze innere Struktur des preußischen Staates. An der Spitze aller Gründe steht für mich der Julierlaß, der Erlaß des Königs von Preußen vom 11. Juli, dem ich eine außerordentlich große und hohe Bedeutung zu

messe. Wenn auch eine solche Willensäußerung für jeden noch so kon⸗ servativen Politiker nicht verpflichtend und bindend zu sein brauch

jo hat er doch die Pflicht, sich zu überlegen, welches die onsequenzen sind, wenn solche à eußerungen nicht im praktischen Leben ausgeführt werden. Welche Wirkungen eintreten würden, darüber bin ich mir keinen Augenblick im unklaren. Die Wirkung würde für die Monarchie nach meiner Ueberzeugung geradezu verhängnisvoll

weiden, wenn der Erlaß nicht durchgeführt wird. Man wies

auf die Behandlung der Zuchthausvorlage hin. Aber es

außerordentlich schwer zu glauben, da es jemand gibt, der diesen Julierla auf eine gleiche Stufe stellt. Vergegenwärtigen Sie sich die Umstände, unter denen der Erlaß er⸗ gangen ist, und die Form seiner Bekanntmachung, denken Sie an den Zeitpunkt seiner Verlautbarung. Sehen Sie in Ihre eigene Presse

aus der damaligen 30 t. Der Erlaß schlug wie eine Bombe ein. Gs

war das allgemeine Gefühl: Nun ist es eben vorbei, nun ist das gleich Wahlrecht da. Das ging weit in konservative Kreise hinein. Wenn 1 in diesem Sinne dem Erlasse des Königs von meinem monarchischen

Standpunkte aus eine hohe Bedeutung beimesse und damit an erster

Stelle meine Stellungnahme begründe, dann muß ich meine Freund

fragen, wie sie sich jetzt dazu stellen, daß sie jetzt hier Ansichten haben,

die sich mit denen des Königs von Preußen nicht decken. Man sagt,

den Julierlaß hat Herr von Bethmann gemacht, der die Verant⸗ wortung dafür trägt. Wie es mit solchen Königlichen Willensäuße⸗ rungen bestellt ist, das hat ein Fürst Bismarck im Reichstage höchst bezeichnenderweise ausgesprochen. Man kann doch nicht sagen, nach

dem Julierlaß sollte die Wahlrechtsvorlage eingebracht, aber nicht durchgebracht werden. Damit würde man doch den Vorwurf einer epissen Doppelzüngigkeit machen. Sollte ein anderes Ministeriur

ommen, dann kann die Krone an seine Stelle doch nur ein solches setze

das ihre Zusage einlösen will. (Sehr richtig! links.) Wenn es auch

velleicht vom Minister des Innern zu weitgehend war zu behaupten, der König hätte den Massen ein Versprechen gemacht, so liegt darin doch ein ernster und ein wahrer Kern. Die Krovne steht in diesem Kampfe nicht allein. Es stehen auch machtvolle bürgerliche Parteien

hinter ihr, außer der Sozialdemokratie auch die Freisinnigen und das 8 I

Zentrum mit wenigen Ausnahmen. (Zurufe: Polen!) Auch die Freunde des Herrn von Heydebrand haben einmal im Reichstage bei

der Kriegsgewinnsteuer mit den unabhängigen Sozialdemokraten zu⸗

sammen gestimmt Deshalb stehen sie doch nicht auf dem gleichen

Standpunkt. Es entsteht die Frage, was die Regierung bei der Ab⸗

lehnung machen soll. Meines Erachtens versteht es sich von selbst, daß sie gezwungen ist aufzulösen. Die Regierung ist gezwungen aufzulosen, es fragt sich nur wann. Eine Auflösung während des Krieges hat ernste Bedenken gegen sich. Sie wird deshalb erst nach

dem Kriege zu erfolgen haben. Glauben Sie aber wirklich, daß dann

das Haus mit dieser Mehrheit wiederkehren wird? Die national⸗ liberale Partei, die heute gespalten ist, wird dann als eine geschlossene

Fraktion hier einziehen, die nahezu bis auf den letzten Mann auf dem

Boden des gleichen Wahlrechts gewählt ist. Dann beißt es für uns

vae vietis, dann sind wir die Besiegten und haben nichts mehr mitzu⸗ reden. Auch meine Freunde selbstverständlich nicht, meine ehemaligen Freunde, und dann sind wir nicht mehr in der Lage, diejenigen Kau⸗ telen einzuführen, die wir heute noch machen können. (Sehr richtig!

links.) Ich würde es auch für einen schweren politischen Fehler halten,

dem Herrenhause nicht Gelogenheit zur Stellungnahme zu geben. Im

1

Herrenhause sind die Anhänger des Herrn von Heydebrand gewillt und

¶̊& 1. 8 I e 5 28 4 2 A NrASS 1 8 bereit, im wesentsschen auf den Boden des gleichen Wabhlrechts zu treten.

smmeiimess

Hepdebrand sollte mit seinen Freunden im Herrenhause Fühlung nehmen. Aber selbst wenn die Konservativen in alter Stärke wiederkämen, wäre noch nicht das letzte Wort gesprochen, denn sie würden bei den nächsten Roichstagswahlen nicht in alter Stärke in den Reichstag kommen, und dann würde eine Entzwicklung eintreten, die die aller verbängnis⸗ vollste sein würde. Was man der Minute ausgeschlagen, bringt keine Ewigkeirt zurück. Die Frage des preußtschen Wahlrechts macht auf die weitesten Arbeiterkreise den denkbar größten Eindruck. Wir müssen durchhülten, wir ahnen, wie lange der Krieg noc davert, welches Maß von Not und Entbebrungen das ven noch tracen muß. Net und Entbehrungen können noch mit bärteren Finger als bisher an die Tür klopfen. Die Massen tragen sie aber leichter, wenn eine ruhige politische Atmosphäre herrscht, als wenn diese geschwängert ist von Haß. (Lebhafte Zustimmung! links.) Diese bedauerliche Situation wird dann von gewissenlosen Agitatoren aus⸗ geschlachtet werden. Weiß ein Mensck, wohin dann die Sache geht? (Sehr richtig! links.) Auch nach dem Kriege stehen wir vor beispiellos schweren Opfern, vor einer Riesenaufgabe, die nur durch das Zu⸗ sommenerbeiten der bürgerlichen Parteien gelöst werden kann. So⸗ lange aber nicht diese Forderung großer Parteien durchgesetzt ist, wird eine Verständigung unter den bürgerlichen Parteien nicht möglich sein, Wohin kämen wir, wenn die Konservativen im Reichstag inuner

schwächer würden? Wie sollen wir bei der Steuerfrage die Intere des Grundbesitzes und der Landwirtschaft wahrnehmen, wenn übrigen Parteien eine Mehrheit bilden können?

Mehrbeit bi Deutschland hat hren eine Entwickelung durchgemacht,

zu der sonst liinks.) Wer das nicht t gewürdigt werden. sich nicht den großen partei wird, dann sehe ich echt ist keine wesentliche wenn Sie ein Pluralwahl⸗ m gleichen Wahlrecht. ehrheit fün das gleiche Die fragt dann nicht

n den vier ier Menschenalter gehören. (Sehr richtig! versteht, wird auch von seiner Zeit nich Wenn die kons t, wenn sie nicht auch V schwarz in ihre Zukunft. Das Pluralwahlr sserung des gleichen Wahlrechts; recht annehmen, so ist das nur der We In diesem Hause ist nachher eine starke Me Lahlrecht vorhanden. (Sehr richtig! links.

gtiven, sondern macht die stand haben große

cchtig! links.) ervative Partei

Massen näher bring

und Arbeite stattgefunden, seben muß, nur eine der Front gesessen hat, vier ode ungeheuere Erre dann nur zu se

Vermögensverschiebungen nehmer, der von seiner Rente er Kriegswucherer aber, der hinter r fünf Stimmen, so wird das eine ialdemokraten brauchen Wir müssen deshalb einfügen, zunächst eine mund eine unter den Das ist ein

ung verursachen. das dankbare Vaterland! eine Reihe wirksamer Kautelen in das Gesetz Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderun Verfassung gestellte W. schweres Opfer für die Linke recht, während die Rechte d ie Rückrevidi Konzessionen von beiden Seiten kann das Mit den Verfassungskaut iuntionellen Grundlagen scheidendes Gewicht auf die Sicherun Schule und auf die Einführung der dlich darauf, daß das H ein Etatstitel vom Abgeordnet ie Fortführung der Osten nicht Mandate abgeben können, so ist es mit dem § in der Ostmar Ich bedaure, daß der Ministerprä a limine ablehnt und möchte auch der essionen von Ihrer Seite wird auch ni in dieser Form vielleicht auch noch nicht anneh doch eine Brücke zur Verständigung bilden. Das ist kein gleiches Wahlrecht!) davon, daß die Vorlage auf der aufgebaut sein soll. W

Vahlkreiseinteilung. ber sie gewinnt dafür das gleiche Wahl⸗ it der Wahlkreiseinteilung ge⸗ reform verzichtet. Ohne Verk nicht gelingen. elen würde Ruhe und Friede in den konsti⸗ Ferner lege ich ent⸗ der Interessen von Kirche und Verhältniswahl in errenhaus mitentsche etenhaus abgelehnt ist. Ostmarkenpolitik sicher.

zur Verfügun

ie Sicherhe erung der Wahl

ßens eintreten.

kann, wenn Damit stellen Wenn wir haben, die wir an die Liberalen ompromiß der deutschen Parteien ten an der Ostmarkenpolitik fe räsident den Antrag Lohmat süegierung zurufen: „Ohne Kon⸗ Wenn der Antrag so könnte er d. U. Soz:: Der Julierlaß spricht auch nur Grundlage des gleichen Wahlrechts 1 ir werden deshalb prüfen müssen, ob ein Antrag nicht doch die Grundlage für eine un der Abg. Lohm

chts erreicht.

Verständigung a Abg ann aber schon so weit gegangen ist er sich mit einer ziemlich belanglosen Mehrstimm nuß ich ihn doch fragen, ob er um dieser das Risiko großer ernster und schwerer

(Sehr richtig!) Wenn Sie das gleiche Wahlrecht so haben Sie meines Erachtens au zession zu machen. Es würde ein Gefühl des gehen, wenn eine Verständigung nicht nur zwüschen den dern auch mit der Re⸗ Dadurch würde das Ge den die Gefahren, die mit solchen Unr sind, beseitigt sein, wir

e befreunden will, so geringen Differenz willen Konflikte auf sich nehmen uch der äußers durchsetzen mit solchen Kautelen, flicht, eine derartige Kon⸗ Aufatmens durch das Land Parteien, son⸗ (Lebh. Zustimmung.) im Lande, und dadurch wür⸗ uhen nun einmal verbunden alle würden aufatmen. (Lebhafte; und Aufmerksamkeit, mit der das hohe „als eine Entschädigung für manches Bit⸗ Der Weg, den en werde ich weitergehen bis eine tun, um eine Verständigung in dem Sinne Ich werde mich nicht irre⸗ „mit denen man mich

Ich sage dasselbe a

jierung erzielt würde. ühl der Unruhe

ustimmung.)

Haus mich angehört hat tere, was ich in der ich seit dem Julierla zum Ende und das M. herbeizuführen,

letzten Zeit durchgemacht habe.

gegangen bin,

wie ich sie skizziert habe.

machen lassen durch die Unfreundlichkeiten Ich bedauere nur, daß bei uns die schlechte Sitte nicht ill, sachliche Meinungsverschiedenhei ustimmung.)

ten auf das persön⸗ Ich werde diese allein stehe, mit dem Bewußt⸗ damit einen guten Dienst in großer schwerer in der Hoffnung, daß tande kommt, mir so am Herzen hnen, zum Wohle und Segen gereicht.

aufhören w liche Gebiet zu Politik weiter treiben, au sein, meinem Lande Zeit erwiesen zu hab das, was nach meinem Wunsche hoffentlich Endes dem preußischen Staat, dessen liegt, wie irgendeinem unter I (Lebhafter Beifall und Händeklat

Abg. Dr. Otto (nl.): Namens und im klion habe ich zu erklären, Ich muß die sten Angelegenheit genötigt haben, der Stellungnahme meiner Fraklion. Ich setze mich dabei in als Ideologe ersckeinen zu müssen. im letzten Grunde ethische Ideen. tiker, der die Macht der Ideen unterschätzt, gesetzt hat in mächtige sozialpsychologische Der Konsensus in unserer Fraktion b ch ist kein einziger in unserer Fraktion vorhanden, der ht. während des Krieges entschlo kräftiger Reformarbeit innerhal darin, daß keiner der Links gewaltigen Schwierigkeiten

Ich werde es tun

Auftrage eines To les

Wahlrecht stimmen uns in dieser ern in unserer Stellungnahme abzuweichen von die unbequeme hier so tief schadet, Derjenige ist kein Realpoli besonders wenn sie sich un Strömungen.

Selbstverständli nicht vor und i

esteht darin:

n und gewillt war zu iter besteht Konsensus gruppe, zu der ich mich rechne, verkennt die ,„die damit verknüpft sind, wenn wir dazu ein relatip demokratisches Wahlrecht in d ebenso wie die andere Gruppe bereit, einzutre Sicherung, die Preußen von seinen Abgeordneten Endlich sehe ich den Konsensus darin,

selber anerkannt hat, ch bei dem allgemeinen glei Zu unserer Stellungnahme bestimmt uns zunächst die Tatsache, die chaft geschaffen ist und die im wesentlichen vologische Tatsache ist, nichts destoweniger aber auch eine fühlen uns als Politiker, als Männer, die mit Tat⸗ Eine Tatsache ist aber die ft im Rechtsbewußtsein unseres Volkes. ßen in der gefährlichsten Situation seines Reiches selbst er⸗ Vahlrecht kommen soll, dann ist n Schichten

b Preußens.

Preußen ein für jede beree zu fordern alles R

nicht zugrunde gehen au Wahlrecht.

e Königliche Bots

sachen rechnen, Wirkung der Königlichen Wenn der König daß das allgemeine gleic So ist die Ueberzeugung in den weite Durch die Königliche Botschaft hat diese Ueber⸗ mpfinden des Volkes. unvermeidliche Erschütterung des monarchischen Gefühls und des Zutrauens der Krone, wenn dieses Fönigswort sich nicht erfüllen soflte. Auch wir Polenfrage und um die Fortfüh Preußens unter einer Dinge sind Ba monarchischen

lastet schwerer auf uns Sozialisten.

unseres Vol zeugung sich eingebohrt in das Re mussen wir auch denken

sorgen uns um die kulturellen Entwicklung selbst diese wichtigen jatellen gegenüber der Gefahr einer Erschütterung des (Sehr richtig!) als eine wachsende Zahl von Polen und Letzten Endes wird auch diese wachsende 85 ein, die Grundkräfte des preußischen Staates zu erschüttern. Damit verbindet sich der Umstand, daß uns selber sse des Krieges die Motive gekommen sind, die wohl für die Königliche Botschaft waren. Das Jahr 1914 Scheidewand zwischen zwei verschiedenen Perioden bst die Scheidung zwischen Ein Volk, das in der Weise, wie es jetzt geschehen ist, als Gesamtorganismus aufgerufen und befähigt worden wie sie niemals vorher in der Geschichte von der Gesamtheit für die Gesamtheit geleistet worden ist, ein solches b ist ein innerlich schlechthin verändertes Ding. b mehr hinein in die Formen, die schon vorher zum Teil wertlos und unmöglich geworden waren. Es wird sich diese Erkenntnig durchringen mit dher Kraft einer Raturgewalt. Es ist unmsgli I noch in ein Wams gesteckt wirh, aus dem 89 langst

(Zwischenruf rochts.) Das ist eine offenkundige Tatsache; Herr ven

neuen Mehrheit,

Gefühls in

durch die Erlebni auch bestimmend

er Geschichte, die stärker ist, als elolter und Neu

ist zu einer Gesamtleistun Es paßt nicht

daß ein solches hHerausgewoschsen Beklemmungen verursacht,

beneg.

nicht ehr paßte.

schon früher manchmael Bekl. ier mit besten Kräften uns bemühten, ein dieses Bol schon längst

hint 1 niglichen Botschaft gestanden hat. Man

von Demiokratie. Es ist mir zweifelhaft, ob man dieses alte priechische Wort für die neue praktische Erscheinung anwenden kann. Haben wir denn noch einen Demos im Sinne des alten Athen oder der Plebs von Rom? Ein Volk mit allgemeiner Schulbildung, mit allgemeiner Wehrpflicht, mit politischen Interessen auch in seinen untersten Schichten, ist ein solches Volk überhaupt noch ein Demos im alten Sinne? Hat es einen Sinn, das alte Wort Demokratie an⸗ zuwenden auf Formen, die die Antike gar nicht kannte? Ich will aber nicht um den Namen rechten, der Zug im Volke breitet ich aus mit der Macht und Gewalt geradezu eines religiösen Masseninstinktes. Es handelt sich hier um tiesperankerte Naturkräfte, denen man sich nicht in den Weg stellen darf mit so niedrigen Wällen, wie sie ein Pluralwahlrecht schaffen kann. Die Königliche Botschaft ist nicht unter einem Zwange erfolgt, aber sie hat mit Weisheit den Tat⸗ sachen Rechnung getragen. Es ist sinnlos, gegen Naturgesetze an⸗ regieren zu wollen. Es ist sinnlos, Staatsgeschichte zu machen gegen den Sinn der Weltgeschichte. (Beifall.) Wer zwingt die Natur? Nur derjenige, der ihr Gesetz anerkennt und auf seiner Grundlage selber versucht, sie zu leiten. Ich bin überzeugt, daß diese Motive für die Königliche Botschaft mitgewirkt haben. Ihr tiefster Sinn aer ist, was ich den deutschen Frieden nennen möchte, den deutschen Frieden nach innen. Wir wünschen alle den deutschen Frieden nach außen. Nun bin ich überzeugt, daß wir nichts beginnen, wenn es uns nicht gelingt, mit den deutschen Frieden nach außen auch den deutschen Frieden nach innen zu erringen. (Sehr richtig! links.) Wir kämpfen für das deutsche Volk, darunter verstehe ich, daß sich ein jeder als gleichberechtigtes Mitglied der Volksgemeinschaft fühlt. Es unterliegt keinem Zweifel, der Kampf um unsere nationale Entwick⸗ lung wird mit dem Kriege nicht zu Ende sein, er wird erst anfangen und wird für uns unmoglich sein, wenn wir nicht die innere ge⸗ schlossene Front haben. Aus diesem Grunde stimmen wir der Regie⸗ rungsvorlage zu. Dem Abänderungsantrage des Herrn Kollegen Loh⸗ nann können wir nicht zustimmen. Wir halten Zusatzstimmen für nicht vereinbar mit dem gleichen Wahlrecht. Also dieser Bedingung ent⸗ spricht der Antrag nicht. Wir haben das Empfinden, daß hier nur die Mitglieder der gehobenen Gesellschaftsklassen betroffen werden, wir es also gleichsam von neuem mit einem Klassenwahlrecht zu tun haben. Auch die vorgeschlagene Bevorzugung gewisser Arbeiter, die eine längere Zeit in demselben Betriebe tätig sind, hat doch nicht das mindeste zu tun mit einem besseren Verständnis für die Wahl. Den tiefsten Eindruck hat auf uns in der Königlichen Botschaft die Be⸗ rufung auf das Vertrauen gemacht. Deswegen glaube ich auch nicht daran, daß diese Botschaft deshalb zustande gekommen ist, weil ein wankender Minister sich nicht von dem Ministersessel trenmen wollte.

Lebhafter Beifall links.) Wir geben zu, daß gewisse Schwierigkeiten entstehen können. Aber wir müssen uns vergegenwärtigen, daß immer schlimmes prophezeit worden ist, wenn es sich um greg⸗ soziale und politische Reformen gehandelt hat. Wir glauben im egenteil, daß diesmal die Monarchie aufs neue im Volke kraftvoll verankert wird. Dann aber können wir jetzt manche Sicherungen bekommen, die später fortfallen dürften, nämlich das Festhalten an der durchaus historischen Wahlkreiseinteilung. Das Herrenhaus, das hier ge⸗ plant wird, ist ein konservativer Faktor im eigentlichen Sinne des Wortes. Handeln wir jetzt, dann nehmen wir den ÜUltras und den Radikalen den Wind aus den Segeln. Wenn wir der Vorlage zu⸗ eanden dann tun wir es in der unerschütterlichen Gewißheit, daß Preußens Größe nicht gehemmt, sondern gefördert wird, wir tun es aus dem Glück und dem Stolze heraus, daß jetzt von der Regierung eine Vorlage eingebracht ist, getragen vom Geiste eines nationalen Liberalismus, der dem Ursprung, der Größe und der Vergangenheit unserer Partei entspricht. Ich hoffe, daß diese Gedanken auch für die Zukunft unserer Partei weiter bestimmend sein werden. hafter Beifall links.)

Abg. von der Osten (kons.): Es war mir inter⸗ essant, zu sehen, daß Herr von Karorff auf der Linken so lebhafte Bravos hervorgerufen hat. Ich möchte, dae diese Bravos der Tatsache entsprechen. Es ist traurig zu sehen, da der Antrag des Grafen Spee, der von solchem Ernst und ernstlicher Ueberzeugung getragen worden ist, von dem Führer der Freisinnigen Partei als ein Satyrspiel bezeichnet wird. (Sehr ri btig! links.) Das ist keine loyale Kampfesweise. (Lebhafter Wider pruch links

und bei der fortschrittlichen Volkspartei. Der Abg. Eassel macht

wiederholt Zwischenrufe und wird von dem Präsidenten des⸗ wegen zur Ruhe und Ordnung gerufen.) Herr von Kardorff Prict von dem voraussichtlichen Verlauf unserer Partei. Für meine Partei gilt es als wenn ihr selbstsüchtige Motive in dieser ernstesten Frage des Vaterlandes untergeschoben werden. Der freisinnige Redner hat gestern meine Aeußerungen in der Kommis⸗ sion, das Volk sei noch nicht reif für das gleiche Wahlrecht, wörtlich sitiert, aber man kann durch Herausgreifen eines Satzes aus einer Rede einen ganz falschen Eindruck erwecken. Was hat Herrn Pachnicke veranlaßt, in dieser Weise persönlich zu werden und gegen den alten Brauch des Hauses zu verstoßen, daß Aeußerungen aus der Kommission nicht mit Namen erwähnt werden. Hat er die Absicht gehabt, mir persönlich etwas am Zeuge zu flicken? Ich habe mich immer bemüht, gegen die freicgna e Partei sachlich zu kämpfen, werde aber von der Partei durch ihren Führer persönlich angegriffen. (Zwischenrufe links.) Sie können mir doch das Recht nicht nehmen, darauf zu antworten. Herr Pachnicke hat gestern gesagt, er wolle mir das nicht übelnehmen, (Zwischenrufe Uinteh das verletzt die per⸗ sönliche Ehre. Herr Pachnicke hat ferner einen Vorfall aus den acht⸗ ziger Jahren erwähnt, wie wir zum Fürsten Bismarck gestanden haben und hinzugefügt, so dreht sich die Fahne der konservativen Partei. Die freisinnige Partei sollte vor ihrer eigenen Tür kehren und daran denken, wie sich ihre Fahne seit Eugen Richter gedreht hat. (Sehr richtig! rechts.) Was unsere Stellung zur Monarchie betrifft, so stehen wir allerdings vor einem schweren Gewissenskonflikt. Aber wir leben in einem konstitutionellen Staat und meinen, daß der Fas ec Erlaß durch den Ministerpräsidenten gedeckt ist und wir nur unsere Pflicht, auf die wir einen Eid geleistet haben, tun, wenn wir die Regierung bekämpfen. Wir lassen uns in unserem Royalismus von Herrn von Kardorff nicht über⸗ treffen. (Sehr richtig! rechts.) Wir meinen, daß die Wirkung der Ablehnung der Vorlage für die Monarchie sehr viel weniger schlimme Folgen haben wird als die Annahme. Wir verbitten uns, wenn unsere monarchische Gesinnung irgendwie angezweifelt wird. (Leb⸗ hafter Beifall! rechts.) Unser Volk ist opferwillig, aber seine po⸗ litische Einsicht ist noch nicht so vorgeschritten, daß es das gefähr⸗ liche Geschenk des Reichstagswahlrechts im Hinblick auf die kultu⸗ rellen Aufgaben des Staates vertragen kann. Unser Volk ist von einem hohen Idealismus erfüllt, aber der Idealismus stößt sich an scharfen Realitäten dieses Krieges. Von der Linken ist hier gesagt worden: die Engländer sind gar nicht so böse, sie wollen sich mit uns vertragen, nur wir wollen uns nicht vertragen. (Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten.) Wie haben sich denn die Sozialisten in den feind⸗ lichen Ländern verhalten? (Abg. Ad. Hoffmann: Ihre Meinun⸗ gen werden verfälscht.) Auch die Arbeiterschaft unserer Feinde will Deutschland vernichten. Man braucht nur die amerikanische Presse zu verfolgen Der Idealismus unseres Volkes hat sich rahg, sfit täuschen lassen. Das gleiche Wahlrecht soll dem allgemeinen Volkswillen ent⸗ sprechen. Was ist der Wille des Volkes? Kann er nicht irren? Haben wir nicht Beispiele gehabt, daß ein Mann dem Willen des Volkes widerstand? Denken Sie nur an die Konfliktszeit. Der Volkswille kann irren. Einer sehr geschickt geleiteten Presse ist es allerdings gelungen, anscheinend eine Stimmung im Volke für das gleiche Wahlrecht zu erregen, aber große Teile des Volkes denken anders. Vor allem an der Front. Die Offiziere eckhaaj mit ihren Leuten, mit denen sie ein Leben jetzt führen als wirkliche Brüder. Ich habe mich selbst bestrebt, die? füigng der Leute zu erfahren. So lernt man die Stimmung kennen, nicht bloß, wenn nan die Presse liest. Ich kang sagen, daß unseren Soldaten, auch den Saezialdemokraten, nichts gleichgültiger ist alo dieser Kampf um das aleiche Wahlrecht. (Lebhafte Zustimmung rechts, Widerspruch ünks.) Sie kümmern sich viel mehr darum, wie sis nasch dem Hriege 8

wieder in geeignete wirtse Verhältnisse kommen können. Die

Regierung ist auch nicht richtig über die Stimmung informiert. C“ links.) Die Gewerkschaften 188 doch nur ein kleiner Teil de Arbeiterschaft. Durch die innere Kolonisation nach dem Kriegs muß die Regierun für die Kriegsteilnehmer loxgen, sie muß diess Aufgabe aufs eingehendste fördern. Es wäre edauerlich, wenn wirn nicht von unseren Feinden eine angemessene Entschädigung erreichten. Nach dem Kriege müssen wir unsere Entwicklung in andere Bahnen bringen. Vorwürfe gegen den Großgrundbesitz sind unberechtigt, der Großgrundbesitz ist für die innere Kolonisation. Die Widerstände dagsgen beruhen auf anderen Ursachen. Ich bin mit dem Abgeord⸗ neten Lohmann der Ansicht, daß durch das gleiche Wahlrecht nach dem Kriege eine Ueberflutung durch die Sozialdemokratie erfolgen wird. (Zuruf bei den U. Soz.: Schon wieder die Angst!) 2 ch spreche ohne jede Angst und konstatiere nur eine Tatsache. Diese Ueberflutung würde in hr viel höherem Maße kommen, als die Regierung er⸗ rechnete. Meine Freunde kommen mit ihrer Berechnung zu viel höheren Resultaten. Angesichts der Stimmung, die sich durch di Kriegsnöte entwickelt hat, wird die Masse einen welt radikaleren Charakter annehmen, und wenn nicht besonders günstige Umstände eintreten, wird das allgemeine gleiche Wahlrecht zunächst eine absolute Mehrheit der Sozialdemokraten, Polen, Dänen und Welfen herbei⸗ führen. Man kann doch nicht das Heil der Gerechtigkeit darin sehen, daß ein Stand, weil er der zahlreichste ist, alle anderen Staͤnde absolut unterdrückt und ihnen durch die weitgespannten Forderungen der Sozialdemokratie das wirtschaftliche Leben geradezu unmöglich macht Das gleiche Wahlrecht wird ja nicht an sich von der Sozialdemokrat gefordert, sondern lediglich als Mittel zum Zweck, um die politische Macht zu erreichen. (Abg. Hoffmann: Sehr richtig! Wozu fordern Sie denn das Dreiklassenwahlrecht?) Wollen Sie mich denn nicht endlich auch mal reden 18 Herr Hoffmann, Sie reden doch wirklich genug. EB ie „Dortmunder Arbeiter⸗ zeitung“ sagt ganz offen: „Wir fordern das gleiche Wahlrecht nicht deshalb, weil es allein der Gerechtigkeit entspricht, sonder weil es den Klassenkampf der Arbeiter zu fördern geeignet ist.“ Der Minister des Innern irrt sich, wenn er meint, durch die Gewährung des gleichen Wahlrechts würde die Sozial⸗ demokratie sich befriedigt fühlen. Das Gegenteil ist der Fal. Eine Forderung gebiert die andere. (Abg. Hoffmann: Sehr richtig,! Das erzeugt den Fortschritt!)) Dem dargereichten Finger wird bald die ganze Hand G müssen. Das ist der Grund, wes⸗ halb wir dem Raisonnement des Abgeordneten Kardorff nicht folgen können. Die Herren, die sagen, daß die Annahme der Vorlage die Monarchie festigen würde, befinden sich in einem verhängnisvollen Irrtum, denn sie nehmen der Monarchie damit die Möglichkeit, die sie heut noch hat, um später vielleicht auf anderem Wege gesunde Ver hältnisse zu schaffen. Kommen wir heute zum gleichen Wahlrecht, so⸗ stehen uns die schwersten Erschütterungen bevor. Um diese Erschütte⸗ rungen kommen wir nicht herum, aber sie würden dann noch viel schwerer, und es würde ihnen viel schwerer Widerstand zu leisten sein als jetzt. Durch die Einführung des aleichen Wahlrechts würden wir das Bollwerk opfern, das verfassungsmäßig die Monarchie noch hat. (Lebhafter Beifall rechts.) Man kann unmöglich die süa Staaten mit Preußen vergleichen. Sie haben vorwiegend agrarischen Charakter, und bei ihnen wirkt das gleiche Wahlrecht anders, als es in Preußen wirken würde. Haben wir denn in 8 Kriege nicht endlich den nationalen Stolz erworben, auf eigenen Füßen zu stehen?⸗ (Lebhafter Beifall rechts.) 88 schäme mich fast, daß wir jetzt, wo Preußen in dem Weltkriege sich in seinen Fundamenten bewährt hat, das erst noch sagen müssen. (Erneuter Beifall rechts.) Das ganze Ausland ist neidisch auf unsere Einrichtungen. (Rufe bei den Sozial⸗ demokraten: Auch Deutschland!) Der „Militarismus“, um den es uns trotz alledem beneidet, ist doch erst von Preußen auf Deutschland übertragen worden, und da wollen wir schielen, ob es nicht wo anders noch besser ist als bei uns? (Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Das bißchen Nationalstolz möchte ich doch unserem ganzen Volks vindizieren, daß wir nicht ohne weiteres berncgen auf das, was unsere Eigenart ist. (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Echt par⸗ tikularistisch!t) Ich bin mir bewußt, F.ä nicht partikularistisch 9 sprechen. Wenn ich von Preußen spreche, so ist das elbstverständ⸗ ich, weil ich mich im Preußischen Landtag befinde. Die Tatsache, daß das Deutsche Reich durch Preußen gebildet worden ist, sollte doch schließlich auch den Herren von der Linken bekannt sein. Mir haben Bayern gesagt, sie hätten sich gefreut, daß die Preußen jetzt auf sie wirken. Der Refrain der Ausführungen des Abgeordneten Kardorff war: Das gleiche Wahlrecht kommt doch. Darum stimme ich dafür, obgleich ich sein Gegner bin. Auch der Minister des Innern sagt, die Einführung des gleichen Wahlrechts sei eine Notwendig⸗ keit geworden, gegen die sSes Widerstand vergeblich sei. Dieser Auf⸗ fassung muß t9 entschieden widersprechen. Ein solcher Fatalismus in so schwerer Stunde ist kaum geeignet, ein Staatsschiff durch die schwierigen Klippen der Gegenwart hindurchzusteuern. Da denkt man an das Wort, das einmal am Bismarckdenkmal stand: „Du fehlst uns!“ (Lebhafter Beifall rechts.) Es gibt auch in der augen⸗ blicklichen sehr aufgebauschten Not einen Ausweg, den ein energi cher und besserer Staatsmann finden kann und finden muß, denn die uf⸗ gabe des Staatsmannes ist es, sich nicht treiben zu lassen durch die Dinge, sondern sie zu führen und den Dingen seinen Willen beizu⸗ bringen, wenn es nicht anders geht, aufzuzwingen. (Beifall rechts, Zwischenrufe bei den U. Sozialdemokraten.) Ebensowenig stimme ich dem Einwand zu: wenn mit der Einführung des gleichen Wahlrechts ge⸗ wartet wird, dann werde die kommende Farla⸗ noch radikaler werden. Dieses Raisonnement nimmt als selbstverständliche Voraussetzung an, daß die Entwicklung unter allen Umständen die gleiche Bahn weiter verfolgen wird, die sie im letzten Jahrhundert genommen hat. Aber ist es denn wirklich unmöglich, andere Dinge zu tun, sind wir hoff⸗ nungslos befangen in dem Dogma, daß der Staat eine Summe von Individuen ist, und daß in ihm unweigerlich die große Zahl herrschen und regieren müsse? Immer mehr bricht sich die Erkenntnis Bahn, daß wir hier vor einem Fundamentalirrtum der Naturrechtslehre ü von dem wir abkommen müssen. Unsere Eg ist ängst davon abgekommen. Wir werden immer mehr zu der Ueber⸗ zeugung kommen, daß der Staat im weessentlichen ein Organismus ist, der nach ganz anderen Gesetzen geleitet werden muß, und dessen Volksvertretung auf ganz anderen Fundamenten aufgebaut sein muß, als es jetzt egzeht. Es ist sehr wohl eine andere Entwicklung mög⸗ lich, wenn 1 ein entschlossener Staatsmann findet, der die Ent⸗ wicklung in die richtigen Bahnen bringt. Eine einzelne Partei kann das nicht. Meine Fraktion war sich durchaus bewußt, daß unser Vorschlag eines berufsständischen Wahlrechts erhebliche Mängel hat. Uns stehen nicht die Hilfsmittel und Quellen zur Verfügung, die die Regierung hat. Solche Vorschläge sind Sache des führenden Staatsmannes, nicht der Partei. Der Minister irrt darin, daß die Ablehnung der Vorlage die Sozialdemokratie am besten fördern würde. Die Sozialdemokratie sieht in dem gleichen Wahlrecht die beste Förderung seht würde sie nicht so eifrig dafür eintreten. (Sehr richtig!) Der Abgeordnete Lohmann meinte, die üble Lage von heute sei im wesentlichen die Folge davon, daß die frühere Reform nicht rechtzeitig durchgeführt worden sei. Wäre das aber geschehen, so wür⸗ den wir Hoch heute ein Abgeordnetenhaus haben, das der Regierungs⸗ vorlage nicht denselben Widerstand entgegensetzen würde, wie wir es heute noch können. Das Beispiel Badens zeigt doch, daß dis Wahlrechtsreform sogar gegen den Willen der Fakteien eine weitere Radikalisierung zur Folge hat. Es ist mir zweifelhaft, ob der Antrag Lohmann die Wirkungen hat, die von ihm erwartet werden. Sogar dieser Antrag ist von der Regierung mit einem glatten „Unan⸗ nehmbar“ beantwortet worden. Meine Ner; haben sich nur nach Ueberwindung ernster Gewissensbodenken auf den Boden des Pluval⸗ wahlrechts gestellt, weil sie hofften, damit eine gewisse Beruhigung und Verständigung herbe zuführen. Wenn aber die Regierung alls Aenderungsanträge für unannehmbar erklärt, so heißt das nach einenn Wort des früheren Abg. Dr. Friedberg: Friß Vogel, oder stirb! (Große Heiterkeit.) Wir werden die 281 bieten iu j 882 Wahlrechn, das die Garantie bietet, daß die Ueberflutung der Sozialdemokralie ausbleibt und die Krone vor den Stürmen bewahrt bleibt, die ihr somst drohen. Der Abgeordnete Pachnicke hat gestern den demokratischen