1918 / 113 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 15 May 1918 18:00:01 GMT) scan diff

Weise der Beschimpfung des eigenen Landes und der eigenen Sache weise ich mit Entrüstung zurück. (Lebhafte Zustimmung.)

Der Antrag Ablaß (fortschr. Volksp.), der die Resolution Gröber in allgemeinerer Fassung wieder aufgenommen hat, wird mit großer Mehrheit angenommen. Damit ist der Antrag Gröber erledigt.

b Der Haushalt für das Reichsjustizamt und für das Reichsgericht wird bewilligt. Es folgt der Haushaltsplan das Reichs kolonialamt. Abg. Hecksche 8 Wir ätigkeit wieder f

für

alle wünschen, voller Gesund⸗ ä1 (Beifall.) Etwa Frauen und werden noch immer von ngl in Deutsch ka zurückgehalten, und nach glaubwürdigen Mitteilungen leben sie in den traurigsten Verhält⸗ nissen. Ich klage von dieser Stelle aus die englische Rgeierung, die sich so gern und heuchlerisch als Vorkämpferin für Recht und Mensch⸗ lichkeit aufspielt, der Unritterlichkeit und der Unmenschlichkeit, an. (Lebhafte Zustimmung.) Ich fordere die deutsche Reichsregierung auf, ihr Aeußerstes an Entschlossenheit aufzubringen, um diesem leid⸗ vollen Zustand deutscher Frauen und Kinder ein Ende zu machen. (Beifall.) Ab tubmann (nl.): Wir schließen auf baldige Genesung deutschen Kolonialbesitzes die itsche Entwicklung liegt, wendet es das uner⸗ „Sosten das der Vorredner gegeißelt hat, um deutsche Kolonialpioniere abzuschrecken. Unsere deutsche Auslandspropaganda lte in viel größerem Maße als bisher dieses Verhalten Englands vor dem neutralen Ausland kennzeichnen. Wir sind heute mehr denn je in der Lage, Repressalien auszuüben, nicht bloß an den Kriegs⸗ efangenen, sondern auch an den englischen Gefangenen, die uns erst ürzlich der „Wolf“ gebracht hat. Wir begrüßen es, daß der Staats⸗ sekretär Dr. Solf die Rückgabe unseres Kolonialbesitzes als Kriegs⸗ ziel aufgestellt hat. Es muß aber dringend den vereinzelten Stimmen entgegengetreten werden, die einen Verzicht auf Kolonien in der Süd⸗ ee um dafür unseren afrikanischen Kolonialbesitz abzu⸗ runden. Durch solche Kompromißvorschläge wird die Stellung unserer künftigen Unterhändler nur erschwert. Ich möchte auch hinweisen auf die für unsere künftige Entwicklung äußerst wichtigen Produkte, die uns gerade die Südseekolonien liefern. Wir müssen aus der Aschenbrödelrolle heraus, die wir bisher gespielt haben. Es wird Auf⸗ gabe des Friedensschlusses sein, ein größeres deutsches Kolonialreich zu schaffen. (Beifall.) 1 Abg. von Böhlendorff⸗Kölpin (dkons.): Wir schließen den Genesungswünschen für Staatssekretär Dr. Solf an. ön dieser Stelle aus will ich dem hervorragenden Führer unserer deulschen Truppen in Ostafrika, General von Lettow, hinausrufen unseren Dank und unsere Anerkennung dafür, daß er dort in so hervorragender Weise für das deutsche Ansehen kämpft. Ich freue mich, daß aus unseren kolonialwirtschaftlichen Debatten der Parteihader geschwunden ist. Gegen England müssen noch energie⸗ voller als bisher Repressalien geübt werden, um das vom Abg. Heckscher gekennzeichnete Los unserer Kolonialdeutschen zu bessern. Wenn wir nicht die Position an der flandrischen Küste behalten wollen, so ist eine künftige Weltwirtschaft für uns ausgeschlossen. Wir werden in größtem Maßstabe auf unsere Kolonialprodukte später angewiesen sein, und das Reichskolonialamt wird sich der tech⸗ nischen Kräfte in Zukunft weit ausgedehnter bedienen müssen als bisher. (Beifall.) Wir bedauern, daß Regierungsrat Sachs aus seiner Stellung geschieden ist, und hoffen, daß sein Nachfolger in ebenso ausgezeichneter Weise wie er die Beziehungen zur Presse pflegen hird, die für eine gedeihliche Kolonialpolitik von größter Bedeutung ind. Abg. Dr. Arendt (Deutsche Fraktion):

nugtuung muß es den alten Anhängern der

Zur großen Ge⸗ Koloniglpolitik gereichen, daß jetzt in diesen Fragen eine so große Ueberein⸗ stimmung aller Parteien eingetreten ist. Nach dem Kriege werden wir zwar mit der Kolontalpolitik wieder von vorn anfangen müssen, aber wir fangen auf einer ganz anderen Grundlage an. Wir wissen heute, daß ohne einen ausgedehnten Kolonialbesitz eine gesicherte Zukunft für uns gar nicht möglich ist. Der Wiederaufbau eines großen Koloniglreiches wird also eines der wichtigsten Kriegsziele für uns sein. Den Engländern wird es nicht gelingen, unsere Kolonialpioniere abzuschrecken. Ich wünsche, daß der Kolonialstaatssekretär nach Wieder⸗ berstellung seiner Gesundheit recht bald Gelegenheit hat, an diesem großen Ziele zu arbeiten. Wir werden dabei nicht den Fehler wieder⸗ holen, mit zu kleinen Mitteln diese Arbeit zu unterstützen. (Beifall.) Abg. Henke (U. Soz.): Wir können die Phantastereien, die hier zum Teil vorgebracht worden sind, in bezug auf das werdende Kolonialreich nicht teilen, sondern bekämpfen sie aufs schärfste. (Vizepräsident Dr. Paasche rügt den Ausdruck Phantastereien.) Diese Kolonialpolitik ist keine Volkssache, son⸗ dern eine Sache der Ausbeuter und Kapitalisten aller Länder. Das Streben nach einem vergrößerten Kolonialreich hat in erster Linie den furchtbaren Krieg hervorgerufen. (Lebhafter Beifall bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Abg. Noske (Soz.): Wir lehnen eine Kriegsdebatte jetzt ab. Der Standpunkt meiner Partei ist unverändert der, daß die Gegner mit der Herausgabe unseres Kolonialbesitzes bei den Friedensverhandlungen werden rechnen müssen.

Unterstaatssekretär im Reichskolonialamt Dr. Heim gibt Aus⸗ kunft über den Abschluß der Abkommen mit Belgien und Frankreich, betreffend die Entlassung der Gefangenen und der in den Kolonien internierten Zivilpersonen.

Der Haushaltsplan für das Reichskolonialamt wird bewilligt und der Gesetzentwurf wegen Feststellung des Haushaltsplans für die Schutzgebiete auf das Rechnungs⸗ jahr 1918 in zweiter Lesung angenommen.

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Vizepräsident Dr. Paasche widmet dem jüngst ver⸗ storbenen früheren langjährigen Mitgliede und Vizepräsidenten des Reichstages, Professor Dr. Hänel Kiel einen ehrenden Nachruf, den die Mitglieder stehend anhören.

Die nächste Sitzung schlägt der Präsident vor Dienstag, 4. Juni, nachmittags 2 Uhr, mit der Tages⸗ ordnnng: Ausschußberichte und Anträge zu den Fragen der Zensur und des Belagerungszustandes; Hausha tsplan für das Reichsamt des Innern.

Abg. Ledebour (U. Soz.) will morgen eine Sitzung abgehalten wissen zur Beratung des Haushaltsplans für das Auswärtige Amt und zur Erörterung der neuesten unglaublichen Vorkommnisse in der Ukraine, speziell in Kiew. —Der Antrag wird gegen die Stimmen der Unabhängigen Sozialdemokraten abgelehnt; es bleibt bei dem Vorschlage des Präsidenten.

Schluß gegen 7 Uhr.

zu halten

1

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 149. Sitzung von Dienstag, den 14. Mai 1918, Vor⸗ . mittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphenbüro.) Am Regierungstische: der Vizepräsident des Friedberg, der Minister des

ministeriums Dr. Innern

Dr. Drews und der Finanzminister Hergt.

Erster Vizepräsident Dr. Porsch eröffnet die Sitzung um 11 ½ Uhr.

Es wird die dritte Beratung des Gesetzentwurfs über die Abänderung der Verfassungsur⸗ kunde bei Artikel 2 fortgesetzt. DieserArtikel betrifft die Ab⸗ änderung des Artikels 62 der Verfassungsurkunde. Nach den Ausschußbeschlüssen sollen folgende Zusätze gemacht werden: Ueber Ausgabeposten im Etat, die vom Abgeordnetenhause nicht oder nicht in der zuletzt vorgesehenen oder nicht in der von der Regierung vorgeschlagenen geringeren Summe bewilligt worden sind, soll die Erste Kammer berechtigt sein, vor der Ab⸗ ng über den Gesamtetat vorweg Beschluß zu fassen. das Abgeordnetenhaus dem Herrenhausbeschluß nicht bei, in Verständigungsausschuß aus beiden Häusern beraten nd dann das Abgeordnetenhaus erneut beschließen. In den tat sollen ferner neue oder höhere Ausgabeposten ohne Zu⸗

S

immung der Regierung vom Abgeordnetenhause nicht einge⸗ zt werden können.

Dazu liegt ein Antrag Porsch vor, das Verfahren bezüglich der vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Aenderung im Ausgabe⸗Etat wie folgt zu gestalten:

Tritt die Erste Kammer den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses nicht bei, so findet nach voraufgegangener Beratung in einem aus Mit⸗ gliedern beider Häuser gebildeten Verständigungsausschusse die Be⸗ schlußfassung hierüber mittels Durchzählung der Mitglieder beider Häufer statt. Lehnt eins der beiden Häuser den Haushaltsplan im gangen ab, so erfolgt die Beschlußfassung hierüber in gleicher Weise mittels Durchzählung. Bei diesen Durckzahlungen sind nur so viele Mitglieder der Ersten Kammer stimmberechtigt, als die Mitglieder⸗ zahl des Abgeordnetenhaufes beträgt. Die Herabsetzung der Stimmen⸗ zahl der Mitglieder der Ersten Kammer erfolgt durch Ausscheiden der erforderlichen Anzahl der zuletzt berufenen Mitgieder; bei gleich⸗ zeitig berufenen entscheidet das Los.

Abg. Ludewig (nl.): Durch den neuen Antrag Porsch wird ein ganz neues Prinzip in die Verfassung eingeführt, mit dem ein Teil meiner Freunde sich unter keinen Umständen befreunden kann. Wir haken seinerzeit erklärt, daß wir uns mit einer be⸗ schränkten Durchzählung beiden Häuser einverstanden erklären können. Gegen die hier vorgeschlagene Erweiterung haben wir große Bedenken, da dadurch das Budgetrecht der Zweiten Kammer ange⸗ tastet wird. Man darf auch nicht vergessen, daß das Herrenhaus nach ganz anderen Grundsätzen zusammengesetzt ist, wähwend das Ab⸗ geordnetenhaus doch vom Volke gewählt wird. Es ist auffallend, daß das Zentrum erst, jetzt mit diesem Antrage hervorgetreten ist. Windthorst würde sich im Grabe umdrehen, wenn er von diesem An⸗ trage exrfährt. Ich bitte Sie, den Antrag abzulehnen.

Abg. Dr. Bell (SZentr.): Ich bitte den Vor⸗ redner freundlichst, unser Verhältnis zu unserem unver⸗ gessenen Führer uns gefälligst zu überlassen. Wir glauben besser in der Lage zu sein, beurteilen zu können, wie wir die Trantionen Windthorsts auf diesem Gebiete zu verfolgen haben. Wir haben diesen Antrag erst jetzt eingebracht, weil wir von nationalliberaler und frei⸗ konservativer Seite (hört! hört!) auf eine Lücke aufmerksam gemacht worden sind, die unser erster Antrag enthält. Da wir jeder Belehrung zugängig sind und auf dem Wege des Kompromisses eine Verständigung herbeizuführen hoffen, so haben wir diese Anregung dankbar aufge⸗ nommen. Maßgebend soll aber nicht die absolute Zahl der Mitglieder des Abgeordnetenhauses sein, sondern die zur Zeit der Durchzählung wirklich vorhandene. Damit ist das Abgeordnetenhaus der Ersten Kammer vollständig gleichgestellt. Es darf nicht vergessen werden, daß das Hertenhaus in seiner bisherigen Form verschwinden soll. Der Schwerpunkt der Etatsberatung bleibt nach wie vor beim Abgeord⸗ netenhause. Das Budgetrecht der Ersten Kammer ist nur in einigen wenigen unwesentlichen Punkten verstärkt. Unser Antrag bewegt sich

ihn in dieser

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also in durchaus angemessenen Grenzen, und wir bitten, veränderten Form anzunehmen.

Finanzminister Hergt: 1“

Meine Herren! Bereits in der zweiten Lesung habe ich namens der Staatsregierung die Erklärung abgegeben, daß die Regierung sich mit der Tendenz des damaligen Antrages Porsch Nr. 1035 wohl ein⸗ verstandrn erklären könne; denn, obwohl sie peinlichst darauf bedacht sei, daß das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses durch die Neu⸗ regelung keinen Schaden nehme, so glaube sie doch, daß in der Be⸗ schränkung, mit welcher die Durchzählung nach dem Antrage Porsch hier eingeführt werden sollte, doch eine ernsthafte Beeinträchtigung des Budgetrechts des Abgeordnetenhauses nicht vorliegen werde. (Sehr richtig; im Zentrum.) Denn die Beschränkung war doch dahin zu perstehen, daß nur in sehr seltenen Fällen, in Fällen, wo allerdings gewichtige Gründe dafür vorlagen, daß auch das Herrenhaus zum Worte und zur Mitentscheidung kommen solle, daß nur in diesen seltenen Fällen im Wege der Durzählung ein Einfluß auf das Ab⸗ geordnetenhaus ausgeübt werden sollte. Ich habe aber damals bereits hinzugefügt, daß der Antrag Porsch doch noch einer Durcharbeitung be⸗ dürfen würde; es dürfte nämlich unter keinen Umständen der Fall einer Majorisierung des Abgeordnetenhauses durch das Herrenhaus durch eine Mehrstimmenzahl des Herrenhauses eintreten.

Nun, meine Herren, diesen Bedenken trägt der jetzige Antrag Porsch Nr. 1060 in seinen Schlußsätzen Rechnung. Es wird dafür gesorgt, daß unter keinen Umständen mehr Mitglieder des Herren⸗ hauses abstimmen können, als umgekehrt im Abgeordnetenhaus bei der Durchzählung zur Stimmabgabe gelangen. Ich kann also er⸗ klären, daß diese Schlußsätze für die Staatsregierung eine annehm⸗ bare Grundlage bilden würden.

Nun geht der jetzige Antrag Nr. 1060 allerdings noch weiter als

der frühere Antrag auf Nr. 1035, insofern als auch eine Durchzählung für weitere Fälle eingeführt wird. Meine Herren, auch nach dieser Richtung müssen wir zugeben, daß der neue Antrag doch wohl nur eine logische Fortsetzung des alten Gedankens bedeutet. Wenn eine einzelne Position vom Abgeordnetenhause gestrichen oder gekürzt ist, wenn dann beim Herrenhause diese Posttion wieder her⸗ gestellt wird, wenn daraufhin eine Durchzählung stattfindet, dann kann sehr wohl nunmehr bei der Zweiten Kammer die Meinung bestehen, daß, nachdem auf diese Weise durch die Durchzählung die beanstandete Position wieder hergestellt ist, der ganze Etat für die Zweite Kammer nicht mehr annehmbar erscheint. (Sehr richtig! im Zentrum.) Insofern will also der Antrag Porsch auf Nr. 1060 den Interessen des Abgeordnetenhauses Rechnung tragen, und die Regie⸗ rung muß zugeben, daß es konsequent ist, wenn man dann dem Ab⸗ geordnetenhause die Möglichkeit gibt, nunmehr nochmals zum Gesamt⸗ etat Stellung zu nehmen, aber mit der Modifikation, daß dann auch über den Gesamtetat wieder im Wege der Durchzählung abgestimmt wird. Ich glaube also, daß dieser Zusatz des Antrages Nr. 1060 einerseits den Interessen des Abgeordnetenhaufes doch Rechnung trägt, andererseits aber auch das Herrenhaus dabei zu seinem Rechte kommt.

Ich möchte aber zugleich hervorheben, daß dieser Zusatz nebenher auch wieder gegen das Herrenhaus gerichtet ist. (Sehr richtig! im Zentrum.) Denn sollte das Herrenhaus am Schluß zu der Meinung kommen,

daß trotz der ersten Durchzählung doch der Gesamtetat für das Herreh. haus unannehmbar wäre, dann ist wieder im Wege der Durchzählung die Möglichkeit gegeben, daß mit Hilfe der Stimmen des Abgeordneten⸗ hauses doch der Gesamtetat Annahme findet. Insofern sind also 86 Wirkungen des Antrages 1060 gleichmäßig verteirlt. Jedes der beiden Häuser kommt zu seinem Rechte. Ich glaube deshalb in Aussicht stellen zu können, daß die Staatsregierung auch diese Erweiterung als eine geeignete Basis zu einer Verständigung ansehen wird.

im Zentrum.)

Abg. Boisly (nl.): Solange das haus auf dem Dreiklassenwahlrecht und das Herꝛe hbaus auf der Berufung beruhten, war es gegeben, daß 8 Herrenhaus ein geringeres Budgetrecht hatte; jetzt ist aber die Sane

(Bravo!

Abgeordneten⸗

vollständig umgeandert; für das Abgeordnetenhaus wird annähernd das gleiche Wahlrecht eingeführt und die Erste Kammer beruht zum Tel auch auf Wahlen. Deshalb wird die übergroße Mehrheit meiner Fraktion den Antrag annehmen. . 1

Abg. Meyer⸗Fankfurt (fortschr. Volksp.). Der neu⸗ Antrag beseitigt die ursprünglichen Bedenken; das haus wird danach keine Mehrheit in der gemeinschaftlichen Sitzung haben, aber der Antrag beseitigt auf dem wichtigen finanziell 8 Gebiete die bisherige Machtstellung des Abgeordnetenhauses und schiebt das Schwergewicht in die gemeinschaftliche Sitzung. Wir * dauern, daß die Regierung diesem Vorschlage zustimmt und nicht ge⸗ neigt ist, der Zweiten Kammer ihr wichtigstes Recht zu erhalten.

Abg. Adolf Hoffmann (U. Soz.): Wir stim. men auch gegen den Antrag des Zentrums, denn auch er bietet keine Sicherheit. Im Abgeordnetenhause können die durch Tod oder sonstwie erledigten Mandate nicht sogleich ersetzt werden Das Herrenhaus hat aber immer Reserven in seinen Mitgliedern und kann vollständig zur Stelle sein. 3

Abg. Dr. von Kries (kons.): Nach der Verbesserung des Zen⸗ trumsantrages sind die Bedenken meiner Freunde gegen den früheren Antrag in wesentlichen Punkten erledigt, und wir konnen deshalb für den Antrag stimmen.

Abg. Leinert (Soz.): Wir stimmen gegen den Zentrums⸗ antrag, denn er erweitert die Rechte des Herrenhauses und setzt die Rechte des Abgeordnetenhauses herab.

Der Antrag Porsch wird mit großer Mehrheit nommen und in dieser Fassung der Artikel 2.

Die Beratung wendet sich zu dem Gesetz über die Wahlen zum Abgeordnetenhause.

§ 1 (Wahlberechtigung) wird ohne Erörterung in der Fassung der zweiten Lesung angenommen.

§ 2 enthält die Bestimmungen über den Ausschluß von der Wahlberechtigung.

Die Konservativen Dr. Adler u. Gen. beantragen den Ausschluß vom Wahlrecht auch bei Verurteilung zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.

Der Abg. Dr. Bell (Zentr.) béantragt die Bestimmungen zu streichen, wonach vom Wahlrecht ausgeschlossen ist, wer wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens, das die Ab⸗ erkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge haben kann, zu einer Gefängnisstrafe von mindestens 6 Monaten rechtsräftig verurteilt worden ist, wobei der Ausschluß bis zum Ablauf von 5 Jahren seit dem Tage dauert, an dem die Straf⸗ verbüßt, verjährt oder erlassen ist, falls nicht der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf eine längere Dauer ausgesprochen ist, sowie ferner, wer letzten beiden Rechnungsjahre fälligen Staatssteuern oder Ge⸗ meindeabgaben ganz oder teilweise nicht gezahlt hat.

„Abg. Dr. don Kries (kons.): Unser Antrag will eine Lücks beseitigen, die noch in den Beschlüssen der zweiten Lelung geblieben war. Wir halten es für notwendig, auch bei Verlust der bürger⸗ lichen Chrenrechte das Wahlrecht auszuschließen. Wir können den Annag des Zentrums, die ganze Bestimmung wegen des Aus⸗ schlusses vom Wahirecht infolge einer Bestrafung zu streichen, nicht für gerschtfertigt halten. Ferner meinen wir, daß vom Wahlrecht auch ausgeschlossen werden muß, wer böswillig seine Steuerpflicht gegen

Der Abgeordnete Bell hat es in der

ange⸗

den Staat nicht erfüllt hat. zweiten Lesung als ungereimt bezeichnet, wenn jemand vom Wahlrecht ausgeschlossen wird, weil er seine Hundesteuer nicht bezahlt hat. Wer aber böswillig seine Steuer nicht bezahlt, ist in gleichem Maße schul⸗ dig, gleichviel um welche Steuer es sich handelt. Meine Freunde würden allerdings in beßug auf die Gemeindeabgaben entgegenkommen können, wenn darauf Wert gelegt wird. b Minister des Innern Dr. Drews: E1I111“

Meine Herren! Die Staatsregierung hat sich in den vorhergehenden Stadien der Beratung mit der Tendenz der Bestimmung, die in der Nr. 4 des § 2 niedergelegt ist, einverstanden erklärt. Die Gründe brauche ich nicht noch einmal zu wiederholen; ich möchte nur betonen, daß ich den jetzigen Antrag der Konservaliven für eine Verbesserung dieser Bestimmung halte. Denn es wäre ja zweifellos eine Ano⸗ malie, die als Ungerechtigkeit empfunden werden würde, wenn jemand, der vielleicht zu 4 Monateu Gefängnis und 1 Jahr Ehrverlust ver⸗ urteilt worden ist, eher wieder das Wahlrecht erhielte als jemaud, der wegen des gleichen Vergehens zu 7 Monaten Gefängnis, aber nicht zu Ehrverlust verurteilt worden ist. (Sehr richtig!) Die Tat⸗ sache, daß jemand zu Ehrverlust verurteilt ist, ist immer ein Zeichen dafür, daß nicht nur unglückliche Umstände den Mann in die Tat hineingezogen haben, sondern daß tatsächlich ein Makel ihn trifft, der ihm als Staatsbürger nun einmal für gewisse Zeit anhaftet und durchaus rechtfertigt, wenn ihm das Wahlrecht für eine gewisse Zeit nicht zuteil wird.

Was den Antrag des Zentrums zu Nr. 7 des § 2 betrifft, so hat die Staatsregierung wiederholt erklärt, daß sie auf dem Stand⸗ punkt steht, sie halte es nicht für gerechtfertigt, wenn jemand lediglich um der Tatsache willen, daß er Staat oder der Gemeinde gegenüber im Rückstande ist, das Wahlrecht genommen werde. Herrn v. Kries würde ich vollkommen Recht geben in denjenigen Fällen, die er ausschließlich in seiner Rede angeführt hat: Wenn jemand böswillig dem Staat gegenüber seine Verpflichtungen nicht erfüllt, dann würde die Wahlrechtsentziehung gerechtfertigt sein nach dem Grundsatze: du willst dem Staat gegen⸗ über deine Verpflichtungen nicht erfüllen, dann sollst du auch die Rechte nicht haben, die der Staat allen Bürgern gibt, die ihre Ver⸗ pflichtungen erfüllen.

Aber nun kommt leider die Tatsache vor, daß jemand Steuern nicht bezahlt, nicht bloß aus Böswilligkeit, sondern aus tatsächlichem

der staate bürgerlichen Rechte aufzuerlegen, scheint mir zu weit zu gehen⸗

versagen. Es handelt sich übrigens nicht nur um direkte Steuern oder Hundesteuern, es kann sich nach der Fassung, die der Paragraph

(Fortsetzung in der Dritten Beilage.)

trotz rechtzeitiger Mahnung die für die

mit steuerlichen Leistungen dem

unverschuldeten Unvermögen; aus diesem Grunde aber ihm Nachteile

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Insbesondere scheint es mir zu weit zu gehen, auch wegen jeder rüce ständigen Gemeindesteuer das Wahlrecht zum Staate u9

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1918.

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(Fortsetzung aus der Zweiten Beilage.) Feege erher .

tabalten hat, auch um Gemeindeabgaben handeln, die z. B üiben in Anliegerbeiträgen, die für Straßenbankosten zu bezahlen Sie wissen alle, wie verwickelt diese Verhältnisse liegen können gdeß manche Leute mit einem Male zu ihrer größten Ueberraschung 1 Aufforderung bekommen, einen Anliegerbeitrag von 30 000, 000 Mark und mehr zu bezahlen. In solchem Falle kann der treffende oft tatsächlich nicht dafür, wenn er zu dem festgesetzten min, der meistens ziemlich kurz ist, trotz vorhergegangener abnung diese recht große Summe, mit der er absolut nicht rechnen unte, nicht bezahlt. Es wüͤrde das eine Ungerechtigkeit bedeuten, enir bitten zu vermeiden. Am besten wäre es, wenn die ganze tmmung gestrichen würde, daß man Geld und Wahlrecht über⸗ eubt scharf voneinander trennt. Die andere Möglichkeit, den übsten Uugerechtigkeiten vorzubeugen dadurch, daß man nur von ickten Staatssteuern oder direkten Staats⸗ und Gemeindesteuern ciche, ist leider in einen Antrag nicht aufgenommen worden, so daß ich ein erster Linie bitten möchte, dem Antrag des Zentrums stattzugeben.

Abg. Dr. Lewin⸗Nordhausen (fortschr. Volksp.): Es keine Gerechtigkeit, daß jemand, der in der Jugendzeit mmal eine solche Strafe erlitten hat, für die Zeit seines Lebens vom gählrecht ausgeschlossen sein soll. Wir kommen damit zurück auf die rfasung im preußischen Staat vor dem Jahre 1870. Mit diesem mib hat das Reichsstrafgesetzbuch bewußt gebrochen. Wir können bab für eine Bestimmung nicht stimmen, die im direkten Wider⸗ rucb zu dem Reichsstrafgesetzbuch steht. Durch diese Bestimmung wird Kechtslage des preußischen Staatsbürgers ungünstiger gestaltet als des Reichsbürgers. Sebst wenn durch die Gnade des Königs eine enfe erlassen ist, kann nach dieser Bestimmung das Wahlrecht rc für fünf Jahre ausgeschlossen sein. Was soll ein Krieger denken, wegen eines Diebstahls mit sechs Monaten bestraft wird, dem aber nc die Gnade die Strafe erlassen ist, wenn er aus dem Felde zurück⸗ unt, und noch fünf Jahre lang vom Wahlrecht ausgeschlossen ist. in bezug auf den Ausschluß vom Wahlrecht wegen rückständiger unem kann ich mich nur dem Finanzminister anschließen.

Abg. Boisly (nl.) tritt für den konservativen Antrag und gegen n Antrag des Zentrums ein. In dem Antrag zu Nummer 4 men Chrenfolgen gar nicht statuiert; in Nummer 7 wolle man nur übözwilligen Schuldner treffen; daher sei der Vorbehalt ausdrück⸗ gaufgenommen, daß die Steuern usw. nicht „gestundet“ sind.

Abg. Leinert (Soz.): Nach den Beschlüssen zweiter bing sollen auch alle diejenigen zu einer Gefäng⸗ ffrafe von 6 Monaten Verurteilten auf 5 Jahre das gälrecht verlieren, denen mildernde Umstände zugebilligt werden. ir Aueschluß auf Grund dieser Bestrafung ist ja in das Gesetz emmen, weil die Mehrheit die Zahl der Wähler möglichst ver⸗ iam will; und da wird mit aller Boshaftigkeit gegen die Arbeiter enegangen. Auch diejenigen sollen das Wahlrecht einbüßen, die be⸗ grigt worden sind, denen die Strafe erlassen worden ist, die einer mmetie teilhaftig wurden. Zu welchen schweren Ungerechtigkeiten der sascluß auf Grund der nichtbezahlten Steuern führen kann, hat schon er Minister dargetan. Daß es sich nur um böswillige Schuldner adeln soll, davon steht in dem Beschlusse nichts drin; Arbeiter⸗ und Meetind werden einfach für ehrlos erklärt, soweit sie die Steuer nät nhlen konnten. So kann man keine Zufriedenheit im Lande

E. Dr. Bell (GZentr.) Die ethischen und so⸗ seln Erwägungen gegen die Ziffern 4 und 7 sind mit früher genügend betont worden, die Ausführungen des asters können wir nur unterschreiben. Es kommt bei Ziffer 4 nicht uf an, ob Ehrenfolgen festgelegt sind, sondern lediglich auf die hätiste Wirkung. Zahlreiche Zuschriften von Kriegern aus dem Felde seln mich bestürmt, mit allen Kräften für die Streichung der Ziffer 4 ic einzusetzen. Werden nicht die Männer, die vielleicht vor Jahren reilt wurden und die Strafe längst verbüßt haben, aufs zfeite darunter zu leiden haben, daß sie, wenn sie aus dem Felde, riervjer kimpften, zurückkehren, sehen müssen, daß ihnen das Wahl⸗ auf finf Jahre genommen ist? Muß nicht das Ansehen bei ihren äüürgern ganz empfindlich dadurch beeinträchtigt werden? Dieses limect sollten Sie den Soldaten an der Front nicht zufügen; wir sannen das nicht verantworten. Die Gemeindeabgaben gehören in die Fiffer 9 überhaupt nicht hinein. Bei der Abstimmung verden die Ziffern 4 und 7, üke unter Cisgstchute des Antrags Adler, mit einer aus der veclen und der Hälfte der Nationalliberalen bestehenden Mehr⸗ sit auch in dritter Lesung angen ommen.

Es folgt § 3 (gleiches bezw. Siebenstimmen⸗Wahlrecht). Läzu liegen wiederum vor die Anträge Lohmann (der da Dreistimmenwahlrecht vorsieht), Aronsohn (fortschr. ite) und Lucas dal) au iederherstellung der Regierungsvorlage ggleiches Wahlrecht).

Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Unsere Abänderungsanträge sind 1 seicer abgelehnt worden. Ein Teil meiner Freunde hat sich 8 ossen, heute egen das gleiche Wahlrecht zu stimmen. Immer⸗ n haben unsere Anträge estern im fmns eine sympathische Auf⸗

9

Abg

ae gefunden. Mit Rücksicht hierauf und unter der Voraussetzung, 8 le, in irgendeiner Form doch noch Annahme finden würden, wird c* eil meiner politischen Freunde, in dessen Namen ich hier prrche erla das gleiche Wahlrecht stimmen. Die Kommissionsbeschlüsse 1g bir ab. Die endgültige Stellungnahme zu dem Inhalt des An⸗ Mor⸗Lohmann behalten wir uns vor. Er enthält empfehlenswerte Fabnte Reden ließe sich z. B. über die Zusatzstimme für das Alter. vocherscheint mir das Alter von 50 Jahren für zu hoch gegriffen. d von Kardorff (wild): h komme erst Gorg Shaau, zu den Ausführungen des Abg. Wolff⸗ oüüsch tellung zu nehmen. Ich halte die Achtung vor der ehrlichen erk 1 Ueberzeugung eines jeden Mannes und eines jeden anders A mit für die erste parlamentarische Anstandspflicht. (Sehr 6) Es entfällt für mich deshalb die Voraussetzung, mich mit hier führungen sachlich beschäftigen zu müssen. Die Frage handelt merhin nrum, ob Pluralwahlrecht oder gleiches Wahlrecht. Es ist der Unte saech nicht hinreichend in die Oeffentlichkeit gedrungen, daß dn ied zwischen beiden und ihre Wirkung 8 die Zusammen⸗ rr Lohma Hauses außerordentlich gering ist. (Sehr richtig! links.) dem geichenanc schätzt selbst, daß die jetzigen Mehrheitsparteien bei erhalten 8 Wahlrecht 162 Sitze und bei dem Pluralwahlrecht 179 ntersch de Fen. Das ist ein Unterschied von 17 Mandaten. Dieser vee er eing ammem Betrage von 15 Mandaten durch den Proporz, und Berlngeführt werden muß, für die Ostmarken, für Oberschlesien dieses Fang herabgemildert werden, so daß für die Zusammensetzung nge ich mich 5 ganzen nur noch zwei Mandate übrig bleihen. Da Auf seiten d och, ob es sich lohnt, darum solche Kämpfe zu führen. treten. De be Linken dürfte allerdings eine große Verschiebung ein⸗ derrn Lohm kann ich das Eintreten für das Pluralwahlrecht von bber gleichgütna” Standpunkt aus verstehen. Der Rechten könnte es ig sein, sie hat doch immer den Standpunkt vertreten,

Berlin, Mittwoch den 15 Mai

daß Freisinnige und Sozialdemokraten einander ungefähr gleichwertig sind. Nach Herrn Lohmann brauchen wir für die Ostmarkenpolitik eine starke freisinnige Volkspartei. Ich zweifle keinen Augenblick, daß es uns im neuen Landtage gelingen wird, eine solche Politik mit der freisinnigen Volkspartei zusammen zu treiben. Aber ebenso halte ich es für selbstverständlich, daß wir uns über diese Lebensfrage auch mit der Zentrumspartei werden verständigen müssen. Die jetzige Ost⸗ markenmehrheit geht beim gleichen Wahlrecht genau so in die Brüͤche wie beim Pluralwahlrecht. Der Antrag Lohmann ist zweifellos noch nicht das letzte Wort der Verständigung. Ich hätte gewünscht, daß der Herr Vizepräsident des Staatsministeriums gestern gegenüber diesem Antrage, der doch immerhin ein wertvolles Material für die Brücke der Verständigung bietet, sich entgegenkommend geäußert hätte. Wie wir hier zu prüfen haben, müssen wir auch von der Staats⸗ regierung erwarten, daß sie bezeichnet, was die unterste Grenze ihres Entgegenkommens ist. Die Regierung soll sich überlegen, daß ja von seiten der Linken sonst gar kein Entgegenkommen möglich ist. Man sollte es sich überlegen, ob man es verantworten kann, wegen dieser gering⸗ fügigen Unterschiede es zu schweren Konflikten kommen zu lassen. Ein Nichtzustandekommen der Wahlreform halte ich für ein schweres Unglück für das Land. Ständig würde über dem Hause das Damokles⸗ schwert der Auflösung schweben, was im Lande die Unruhe vermehren würde. Wir dürfen nicht vergessen, daß diese Vorgänge im Auslande die allerernsteste Aufmerksamkeit erregen. Das sollten gerade die Konservativen bedenken, die die Friedensresolution des Reichstages wegen ihrer verhängnisvolken Wirkung auf das Ausland bekämpften. (Lebhafte Zurufe und Unruhe rechts.) Das Ausland klammert sich immer wieder an die deutsche Uneinigkeit. Würde hier auf der inneren Front durch eine Verständigung ein Sieg erzielt werden, so würde er von bleibender großer Bedeutung sein. Natürlich muß dabei Entgegen⸗ kommen von allen Seiten gezeigt werden. Wird eine solche Verständi⸗ gung erzielt, dann kann und wird der Augenblick nicht mehr fern sein, wo wir nach einem beispiellos schweren Existenzkampf sagen können: sie sind alle gegen mich aufgestanden, aber sie haben nichts gegen mich vermocht. Abg. Hirsch⸗Berlin ein Ausnahmegesetz gegen Viele Arbeiter werden gar nicht 50 Jahre alt. Wir müssen auch an die, Kriegsteilnehmer denken. Viele haben an ihrer Gesundheit so schweren Schaden erlitten, daß sie wohl kaum 8 alt werden. Auch die anderen Teile des Antrags Lohmann sind ür uns unannehmbar. Die Aussichten, daß jetzt etwas zustande kommt, sind sehr gering. Werden in der vierten Abstimmung Aende⸗ rungen vorgenommen, dann müssen weitere Abstimmungen erfolgen, und die Sache wird immer weiter hinausgeschoben. Schließlich bleibt der Regierung doch nichts übrig, als aufzulösen. Deshalb wäre es besser gewesen, die Regierung hätte sich sofort zu diesem Schritte ent⸗ schlossen. Daß die Demokratie trotz des gleichen Wahlrechts, wenn es nun durchginge, nicht zu ihrem Rechte kommt, dafür haben sie ja gesorgt durch die zahllosen Sicherungen, die schon die Vorlagen enthielten, und die in der Kommission und in der zweiten Lesung noch hinzugekommen sind. Die Regierung sollte doch aus ihrer schwankenden Haltung heraustreten und erklären, was sie eigentlich will; was es auch sei, das Volk wird es wie eine Erlösung betrachten. öAbg. von Oertzen (freikons.): Das deutsche Volk hat durch seine Einigkeit in diesem Kriege einen hohen Grad politischer Einsicht und Reife gezeigt; die Vaterlandsliebe ist der beste Beweis politischer Reife, und sie ist draußen und in der Heimat bewahrt worden. Die deutsche Arbeiterschaft hat Schulter an Schulter mit dem übrigen Volke gekämpft. Diese po⸗ litische Reife berechtigt auch die Arbeiterschaft zur Teilnahme an der Gesetzgebung. Nach den heutigen Verhältnissen kann diese Be⸗ rechtigung nur gewährt werden durch ein durch gewisse Sicherungen geschütztes Wahlrecht. Die ruhigen Elemente des Landes dürfen nicht durch die großen, breiten Massen vergewaltigt werden; es dürfen nicht gewissenlose Demagogen das letzte Wort behalten. Auch im Wahlrecht müssen Sicherheiten gegeben werden, den ruhigen Ele⸗ menten muß ein Mehrstimmrecht gegeben werden auf der Grund⸗ lage des gleichen Wahlrechts. (Zwischenrufe.) Der Antrag Lohmann ist in der Tendenz durchaus berechtigt; und auf Grund dieses Antrages wird, wie ich noch immer hoffe, doch noch eine Einigung zustande kommen. Von allen Seiten muß nach⸗ gegeben werden. Nachdem der Krieg so lange gedauert hat, konnte die Krone mit dem Julierlaß nicht länger warten. An uns ist es nun, etwas Positives zustande zu bringen; damit werden wir dem Vater⸗ lande einen großen Dienst erweisen, und unsere Wähler werden mit uns zufrieden sein. (Beifall rechts.) 1 Abg. Ad. Hoffmann (IUI. Soz.) Wenn bei dem Vor⸗ redner noch Logik vorhanden wäre, hätte er doch schließen müssen, wir müssen also die Vorlage der Regierung an⸗ nehmen. Statt dessen spricht er von Sicherungen und sieht ein leiches Wahlrecht auch darin, daß es Wähler geben soll, die ein Mehrstimmenrecht haben. Sieht die Regierung so aus, als ob sie auflösen wollte? (Große Heiterkeit.) Der Kanzler und Minister⸗ präsident ist ja überhaupt nicht hier gewesen. Die Kompromiß⸗ stimmung wird im Hause immer bedenklicher; man hofft immer noch, das Volk über den Löffel zu barbieren. Der Umfall ist bei den Parteien jetzt zu Permanenz erklärt. Man weiß nur noch nicht, wo man hinfallen soll. (Heiterkeit.) Herr von Kardorff hat eingesehen, daß, wenn diesmal das Wahlrecht abgelehnt wird, die nächste Wahl⸗ rechtsvorlage nicht mehr so skandalös aussehen und nicht so sehr be⸗ packt werden wird, wie die jetzige. Das Wahlrecht wird kommen und wird anders aussehen. Wir haben unsererseits vorausgesehen, was kommen würde bei der Neuorientierung. Unsere Ernte kommt Zwischenrufe: Zwickau!), jawohl auch Zwickau. Die Regierungs⸗ Swfchen kommen entweder auch zur Besinnung und kehren um oder die Wähler werden über sie zur Tagesordnung übergehen. Es fragt sich nur noch, wer fliegen soll, das Haus oder die Regierung; da keiner Lust dazu hat, bleiben sie alle beide. (Heiterkeit.) Für uns wäre die Vor⸗ lage unannehmbar, auch wenn es sich nur um eine Mehrstimme für das 50. Lebensjahr handelte. Die Arbeiter sterben durchschnittlich mit 35 Jahren, und Sie geben eine Mehrstimme für 50 Jahre. Wenn Sie auf die Stimme des Auslands hören wollten, wäre ein Gewaltfriede wie mit Rußland nicht möglich gewesen. Wie das Wahlrecht jetzt ver⸗ hunzt ist, hat es für das Volk keinen Wert mehr. Mag die Regierung zu kriechen und sich die Fußtritte von Rechts gefallen lassen. Wir stehen fest auf unserem Standpunkte. b Abg. Graef (kons.): Ob, gerade die Partei des Herrn offmann die Erbin der Welt sein wird, ist mir nach der ahl in Zwickau zweifelhaft. Die Wircrunh über die Wahlstatistik beim gleichen und beim Pluralwahlrecht können nicht unwidersprochen bleiben. Ich komme bei meiner Be⸗ rechnung vielmehr zu dem Ergebnis, daß das Plural⸗, wahlrecht für die Rechte dieses Hauses viel günstiger sein wird als das gleiche Wahlrecht. Dafür sprechen auch die Erfahrungen mit dem luralwahlrecht in Hessen und im Königreich Sachsen. Wenn das usland sich über diese Meinungskämpfe freut, so liegt die Schuld daran bei der Regierung, die im Widerspruch mit der ursprünglichen Osterbotschaft, wonach die Wahlreform erst nach dem Kriege gemacht werden sollte, diese Vorlage noch vor Abschluß des Krieges eingebracht sat. (Sehr richtig! rechts.) Wir müssen die Verantwortung dafür der zuschieben. Aber abgesehen davon, freut sich das Ausland nicht so sehr über diese vorübergehenden Differenzen als über die Aus⸗

Antrag Lohmann ist

Teil der Wähler.

einen Froßen

sicht auf die hemmungslose Demokratisierung unseres inneren Lebens. (Stürmische Zustimmung rechts! Große Unruhe.) Ganz kürzlich hat ein englisches Blatt ausgeführt, daß das Endziel die Demokrati⸗ sierung Preußens sei. Deshalb setzen meine Freunde dem gleichen Wahlrecht absoluten Widerspruch entgegen. Wir wollen nicht die Hand dazu bieten, daß das feste Gefüge des preußischen Staates durch eine hemmungslose Demokratie erschuͤttert wird. Wir wollen nicht, daß die Befugnisse des Königs eingeschränkt werden durch das parla⸗ mentarische Regierungssystem, das bei völliger Demokratisierung des Landtags kommen wird und kommen muß. (Beifall rechts.) Wenn wir deshalb trotz des Julierlasses uns dieser Vorlage entgegen⸗ stemmen, so opponieren wir damit nicht gegen die Krone, sondern egen das, was die Krone schwach und machtlos macht (Stürmischer Beifall rechts, große Unruhe.)

Abg. Dr. Lucas (nl.) stellt fest, daß diejenigen seiner Freunde die in der zweiten Lesung für das gleiche Wahlrecht gewesen sind, auch jetzt für die Wiederherstellung des § 3 der Regierungsvorlage stimmen werden.

Ein Antrag auf namentliche Abstimmung von sozialdemo⸗ kratischer Seite findet nicht die genügende Unterstützung von 50 Mitgliedern, da außer den Sozialdemokraten nur wenige Stimmen der Linken sich dafür erheben. (Abgeordneter Hoff⸗ mann ruft: Das Zentrum kneift!) 8

Präsident Dr. Lohmann: Dieser Ausdruck ist ungehörig. (Abg. Hoffmann: aber richtig!) Das verstößt gegen die Ordnung des Hauses, ich rufe Sie zur Ordnung! 8

Ein Antrag der Konservativen auf namentliche Ab⸗ stimmung wird genügend unterstützt.

In der namentlichen Abstimmung wird das gleiche Wahlrecht mit 236 gegen 185 Stimmen abgelehnt. Die Abstimmung der einzelnen Mitglieder entspricht derjenigen bei der zweiten Beratung.

Der Antrag Lohmann (Mehrstimmenrecht bis zu zwei Zusatz⸗ stimmen) wird gleichfalls in namentlicher Abstimmung mit 338 gegen 73 Stimmen 1e 1

Gegen den Antrag stimmen geschlossen die Konservativen, Sozialdemokraten beider Richtungen, Polen und die fort⸗ schrittliche Volkspartei. Für den Antrag stimmen außer den engeren Parteifreunden des Antragstellers auch einige andere Nationalliberale, sowie einige Mitglieder des Zentrums und der freikonservativen Fraktion.

Es folgt die namentliche Abstimmung über die Beschlüsse zweiter Lesung (Mehrstimmenrecht). Auch sie werden abgelehnt mit 220 gegen 191 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen. Dafür stimmen nur die Konsewativen, einige Zentrumsabgeordnete und die Frei⸗ konservativen mit Ausnahme derjenigen, die für das gleiche Wahlrecht

gestimmt haben. 8 Damit ist der §8 3 überhaupt fortgefallen. Die Verkündung des Abstimmungsergebnisses wird mit Beifall auf⸗ genommen. Vizepräsident des Staatsministeriums Dr. Friedberg:

Meine Herren! Namens der Königlichen Staatsregierung habe ich

folgende Erklärung abzugeben:

Die Staatsregierung hält nach wie vor an dem gleichen Wahl⸗ rechte unverrückbar fest (Bravo! links) und ist entschlossen, zu seiner Durchführung alle verfassungmäßigen Mittel in Anwendung zu bringen. Sie ist jedoch ebenso der Auffassung, daß das Herrenhaus als gleichberechtigter Faktor der Gesetzgebung zu dieser für unser ganzes Staats⸗ und Verfassungsleben grundlegenden Frage Stellung nehmen muß, zumal auch die Neuordnung des Herrenhauses selbst einen wesentlichen Teil des geplanten Reformwerkes bildet.

Demgemäß wird auch das Herrenhaus mit der Vorlage befaßt werden. Sollte dieses dem geordneten Gange der Gesetzgebuug ent⸗ sprechende Verfahren, entgegen der Erwartung' der Staatsregierung, innerhalb gemessener Frist nicht zur endgültigen Annahme des gleichen Wahrechts führen, so wird die Auflösung des Hauses zu dem nächsten Zeitpunkt erfolgen, zu dem dies nach pflichtmäßigem Ermessen der Staatsregierung mit der Kriegslage verträglich ist. (Bravo! links.)

Zu den Bestimmungen des § 14 über die geheime Wahl und des § 23, der den Erlaß einer Wahlordnung durch das Staatsministerium vorschreibt, beantragen die Ab⸗

eordneten Aronsohn und Genossen, daß in der Wahlordnung estimmungen über die Sicherungen des Wahlgeheimnisses zu

treffen sind und die Wahlordnung nur unter Zustimmung des

Landtags abgeändert werden kann.

Dasselbe beantragen, nur mit einer anderen redaktionellen Fassung, die Abgeordneten Porsch und Genossen, wozu der Abgeordnete Dr. von Kries stonf. noch den Husatz beantragt, daß auch die Wahlfreiheit gesichert werden soll.

Abg. Dr. von Kries erklärt sich für die Fassung des Antrages Porsch und empfiehlt den von ihm beantragten Zusatz.

Abg. Dr. Lewin⸗Nordhausen (fortschr. Volksp.) erklärt sich mit der Fassung des Antrags Porsch einverstanden.

Minister des Innern Dr. Drews:

Ich möchte nur kurz erklären: ich habe gegen den Antrag Porsch und gegen den Antrag v. Kries keine Bedenken.

Die §8 14 und 23 werden mit den Anträgen Porsch und von Kries angenommen.

§ 19 bestimmt, daß gewählt ist, wer mehr als die Hälfte aller abgegebenen gültigen Stimmen erhält. § 24 trifft Be stimmungen über die Einteilung der Wahlkreise.

Der Abg. Dr. Porsch beantragt, daß bei der Abgrenzung von Wahlkreisen, die durch Gesetz zu erfolgen hat, in jeder Kammer eine Stimmenmehrheit von zwei Dritteln erforder⸗

lich 88 ie Abgg. Althoff (nl.) und Genossen und Aron⸗ sohn (fortschr. Volksp.) und Genossen beantragen die Ein⸗ führung der Verhältniswahl in einer größeren Reihe von Städten und Industriebezirken, sowie in den gemischtsprachigen Regierungsbezirken Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. g Abg. Liepmann⸗Teltow (nl.): Die jetzige Wahlbezirksein⸗ teilung ist eine FHeehgüng des platten Landes vor den Städten, und der Antrag Porsch will diesen Zustand durch das Erfordernis der Zwei⸗ drittelmehrheit bei Aenderungen verewigen. Ein Teil meiner Freunde kann sich in diesem Stadium der Verhandlungen dazu nicht ent⸗ schließen und wird gegen den Antrag stimmen. Eine andere Frage wird es sein, unsere Bedenken zurückzustellen, wenn über gewisse Sicherungen ein Einverständnis mit dem anderen Hause und mit der Regierung erzielt ist. 1“ 1“