1918 / 134 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Jun 1918 18:00:01 GMT) scan diff

F Flegr in einet Reihe westlicher Städie angerichteken Schäben. Die 1 Vbrung ausreichender Unterstützungen an die Kriegerfamilien int eine der Hauptpflichten des Reiches. Der Antrag Antrick will nun den Lieferungsverbanden bestimmte höhere Sätze auferlegen. Feen treten Bedenken namentlich in ländlichen Bezirken auf. ellschaft für deutsche Erziehungs⸗ und Schulgeschichte sollte die ij

isher gewährte Reichssudvention verbleiben. Es würde ihr sonst X.

Daseinsmöglichkeit entzogen. Der Verkauf von Kunstwerken an das Ausland hat im preußischen Abgeordnetenhause zur ein⸗ stimmigen Annahme eines Antrags geführt, wonach dieser Verkauf verdoten oder durch entsprechende Ausfuhrabgaben erschwert wird.

n der dortigen Beratung ist ausdrücklich auf das Reich und den

eichstag verwiesen worden. Seit Kriegsdeginn hat die Versteige⸗ rung von Kunstwerken an das Ausland zu deispiellos hohen Preisen immer mehr zugenommen, besonders nach England und Amerika. So sehen in einem der letzten Jahre allein für 3 Millionen solcher

eutschen Kunstwerke versteigert worden sein. Hier muß das Reich inschreiten, trotzdem die Schwierigkeiten nicht von der Hand zu weisen ind. Der hoimische Kunsthandel darf dabei waäich nicht leiden. 8 gen ein dauerndes Ausfuhrverbot spricht die schwerwiegende Tat⸗ fache zaß wir aus dem Auslande diel mehr Kunstwerke bezogen Fünrkana sich 8n um ein Aushe ör⸗ . Handeln. Repressalien sind nicht zu defü da . bier uns vorangegangen sst HZEöö“ Eine Imparität bei Besetzun d 8 Impe —Besetzung der höheren Beamtenstellen ö noch immer. Es ist sogar in letzter Zeit vcs. saifa ösr F. ven. Wir erwarten deshalb eine Religionsstatistik der deusschen 8 6“ Die Abschaffung der staatlichen Imparität ist eine ümsg Wfelt. Das Svstem, das im Reiche befolgt wird, greift leider auch auf die Einzelstaaten, auf die Kommunen und die größeren 1 über. Im Reichspostamt befindet sich unter 30 Be⸗ Fteg Lin einzige: Katholik. Noch nie ist dort ein Katbolik zum inisterialdirektor befördert worden. Hat das wirklich nur an der 1e Eignung gelegen⸗ Aehnlich liegen die Verhältnisse bei Reichsämtern. Früher galt speziell das Reichsamt Innen als Stammsitz nichtkatholischer Beamtenschaft. In füte⸗ Zeit ist es da und im Reichswirtschaftsamt besser ge⸗ W „HKeine Gelegenheit war günstiger, das tieferschütterte Rechtsgefühl wieder zu befeftihen⸗ als die Kriegszeit. Aber gerade 18g8 besetzten Gebieten Ugiens und Polens sind die höoberen und höchsten Beamtenstellen in der einseikigsten Wesen⸗ politisch unter möglichster Ausschaltung don Katholiken besetzt worden. 18 Arheiterzentrale bat einen Sekretär zu beschäftigen abgelehnt G atholischer Religion sei. Ist das nicht un aublich? In Pöeroft wozu das ganze katholische Litauen gehört, sind . 0 8 mit evangelischen Herren besetzt. Die katholischen Kirchen⸗ Fnge egenheiten untersteben einer Kuktusabteilung, deren L iter sogar dem Evangelischen Bunde angehört. Die beutschen Katholiken haben die Proben ihrer Reichstreue auch mn den schwerften Zeiten erwiesen ie erwarten, daß die traditionelle Imparität öbich Her bewährten Platz nigchen werde: justitia kfundamentum regnoru m Tear der preußischen Grundsatz: suum cuiquel (Beifall im Staatssekretär des Innern, Staatsminister Wallraf: Meine Herren! Die beiden Herren Vorredner haben im Erngang ührer Worte darauf hingewiesen, daß der Aufgabenkreis des Reichs⸗ amts des Innern gegen die vorjährige Etatsberatung sich wesentlich verengert habe. Ich glaube, es war nicht mehr möglich, das Reichs⸗ amt des Innern in der Fülle der Pflichten zu belassen, die ihm bis⸗ her oblagen. Selbst der arbeitsfreudigste und arbeitsfähigste Chef war nicht mehr imstande, die Arbeit zu übersehen, und es sorderte geradezu die Rücksicht auf die Wichtigkeit der Angelegenheiten die Teilung der Behörde. Od diese Teilung nach jeder Richtung die richtige war, wird die Erfahrung noch zeigen müssen. Zweifellos ist, daß auf der Sckmittfläche hüben und drüben manche Unebenbeit geblieben ist. Wir werden die Erfahrung dieses Jahres abwarten und uns bemühen, die Unebenheiten zu beseitigen.

Meine Herren, der Herr Abgeordnete Dr. Bell hat eine ganze Reihe von Fragen angeschnitten. Ich möchte auf alle Lingeben, mit Ausnahme einer einzigen, das ist die Frage der Familienunterstützung. Micht als ob ich eine Debatte cuf diesem Gebiete zu scheuen hatte oder ablehnen möchte; ich glaube, ich tue daran reckt, daß ich zunächst die Begründung der beiden Anträge abwarte, die seitens der sozial⸗ Mehrheitspartei und seitens der unabhängigen So⸗ ztaldemokratie zur Veränderung der Familienunterftützung gestellt worden sind. G

Meine Herren, ich wende mich zunächst zu den Angelegenheiten ber Kunst. Es ist Tatsache, daß der zeitweise ungünstige Stand der deutschen Valuta die Abwanderung hervorragender Kunstwerke ins Ausland begünstigt hat. Besonders auffallend trat das zutage bei der vielbesprochenen Auktion Kauffmann, auf die auch der Herr Ab⸗ geordnete Dr. Bell zu sprechen gekommen ist. Diefe Auktion war allerdings die größte, sowohl was die Bedeutung der Kunstwerke als 6 die Höhe des Erlöses betrifft, die meines Wissens seit langen Jahrzehnten in Deutschland stattgefunden hat. Der Erlös betrug rund 12 Milliarden Mark, Kunstwerke im Werte von 2 bis 3 Millionen Mark gingen und das war höchst bedauerlich ins Ausland. Unter dem Eindruck dieser Versteigerung hat damals die Verhandlung im preußischen Abgeordnetenhaufe stattgefunden; das kunstfinnige Mitglied des Adbgeordnetenhauses, der Stiftsprobst

Dr. Kauffmann, hat nachdrücklich darauf hingewiesen, welche Gefahr dem deutschon Kunstlleben drohe, wenn die Entwicklung sich weiter in dieser Richtung vollziehe. Es liegt nun klar auf der Hand, daß, wenn man zu Abwehrmaßregeln kommen will, wie sie das preußische Abgeordnetenhaus vorschlug, dann ohne weiteres nicht der Einzelstaat, sondern das Reich einzutreten hat. Einmal handelt es sich unzweifel⸗ haft um Interessen, die uns allen gemeinsam sind, die sowohl Süd⸗ deutschland, wie Westdeutschland und Zentraldeutschland angehen; andererseits besitzt das Reich das Recht der Gesetzgebung gerade auf den Gebieten, auf denen man einsetzen müßte, auf dem Gebiete des Außenhandels und der Zollpolitik. Infolgedessen haben sich die ver⸗ bündeten Regierungen eingehend mit der Frage beschäftigt, ob man zm einem Ausfuhrverbot für Kunstwerke übergehen solle oder nicht. Meine Herren, selbstverständlich würden von einem solchen Ausfuhr⸗ verbot zunächst auszunehmen sein die Werke lebender Künstler oder Künstler, die erst vor kurzem aus dem Leben geschieden sind. Selbst⸗ verständlich würde man ein solches Ausfuhrverbot schon aus Gründen der Valuta auf solche Kunstwerke beschränken müssen, deren Ab⸗ wanderung in der Tat eine wesentliche Schädigung des deutschen Kunst⸗ besietzes bedeutete: Aber, meine Herren, wie würde sich in der Präxis ein derartiges Ausfuhrverbot gestalten? Man kann selbst⸗ verständlich nicht dem einzelnen Zollbeamten, der an der Grenze über diese Zollangelegenheiten zu wachen hat, das Urteil darüber über⸗ lassen, ob ein solches Kunstwerk von nationalem Werte ist oder nicht. Man würde, um ein solches teilweises Kunstausfuhrverbot durch⸗ zusetzen, schwerlich umhin können, den Rahmen eines allgemeinen Kunstausfuhrverbotes zu ziehen, und dann natürlich innerhalb dieses

im Bundesval einen Entwurf begutachtek, der don folgenden Gesichts⸗ punkten ausging: Es wird notwendig sein, in den verschiedenen Teilen des Deutschen Reiches Kommissionen einzusetzen, die in jedem ein⸗ zelnen Falle ihr Placet dazu aussprechen, daß ein Kunstwerk die Grenzen des Vaterlandes verläßt. Freizugeben sind selbstverständlich Massenartikel, beispielsweise aus Bronce, Porzellan, Fayence und ähnliche Dinge. Zu treffen sind hier nur wenige Kunstwerke. Aber, meine Herren, das bedeutete einen solch ungeheuren Apparat, daß der Gedanke sehr bald als unmöglich abgewiesen wurde. Es tauchte ein zweiter Plan auf, der dahin ging, die hervorragendsten Kunstwerke zu inventarisieren, soweit sie noch im Privatbesitze sind, und den Privat⸗ besitzern aufzuerlegen, derartige Kunstwerke nicht ins Ausland zu verkaufen. Wir haben einmal versuchsweise ein solches Inventar auf⸗ gestellt, es wurde hier in Berlin verfaßt und erstreckte sich ziemlich auf alle Zweige der Kunst, nicht nur auf Bilder, Plastiken usw., sondern auch auf kunstgewerbliche Gegenstände, auf Gewebe und alle anderen Kunstgattungen. Die Zahl der zu inventarisierenden Stücke war nicht so groß, wie ich ursprünglich angenommen hatte. Es waren etwa 400 bis 500 Sachen, die man schützen wollte. Aber dieses Inventar war und das lag in der Natur der Dinge schließlich nur auf⸗ gestellt aus dem Gesichtspunkte der Berliner Kunstpflege, und es lag nabe, daß die Sachverständigen, die uns da berieten und die aus Berlin stäammten, vor allem die Bedürfnisse der eigenen Sammlungen mit in Rechnung zogen, so daß das Inventar vermutlich, wenn es in München, Stuttgart, Cöln oder Düsseldorf und sonstwo nachgeprüft worden wäre, doch eine Veränderung und vermutlich auch eine wesent⸗ liche Bereicherung erfahren hätte. Gegen den Gedanken der Inven⸗ tarisierung wandte sich der Kunsthandel. Ich möchte über diesen Widerspruch des Kunsthandels nicht ohne weiteres zur Tagesordnung übergehen. Denn an einem gesunden Kunsthandel hat die deutsche Kunst großes Interesse, und ich möchte wünschen, daß dieser Gedanke auch in der zuständigen Steuerkommission berücksichtigt würde, daß, wenn man die Auswüchse des Kunsthandels, wie sie sich manchmal aufdrängen, auch beseitigen will, man ihn nicht erdrücken darf; denn mit dem reellen Kunsthandel würde die deutsche Kunst selbst Schaden erleiden.

Wenmn aber dieser Widerspruch des Kunsthandels selbst klar zutage lag, auch in seinen näheren Beweggründen. so wehrten ssich gegen den Gedanken der Inventarisation sehr lebhaft auch die Sammler. Den Sammlenn sind die deutschen Museen zu großem Danke verpflichtet, sie haben vielfach mit großen Opfern zu Wege gebracht, nicht nur große Kunstwerke in Deutschland zu halten, sondern namentlich auch Kunst⸗ werke, die im Auslande waren, nach Deutschland zu bringen. Die Herren führten aus, daß sie in dem gleichen Augenblick, in dem durch Aufnahme ihres Besitzes in das Inventar ihnen die Möglichkeit eines Verkaufs nach dem Ausland genommen würde, eine große Vermögens⸗ schädigung erfahren würden, daß sie dann nicht mehr in der Lage wären, auch zugunsten des deutschen Kunstbesitzes aus dem Auslande solch kostspielige Sachen und die Kunstwerke stehen ja heute außerordent⸗ lich hoch im Preise nach Deutschland zu bringen. Weiter führten die Herren aus und gerade dieser Ausführung wird man die Logik nicht absprechen können —: wenn ein solches Stück in das Inventar aufgenommen ist, und es kommt ein ernfthaftes Gebot aus dem Aus⸗ lande, w muß doch zum mirndesten eine Instanz sein, die nun an Stelle des ausländischen Bieters nitt und uns dann den Verkauf ermöglicht; denn selbstverständlich sind auch die ökonomischen Verhältnisse der Sammler dem Wechsel unterworfen, urd kein Sammler weiß, ob seine Erben in der Lage oder willens sind, die Sammlung zusammenzuhalten.

Aber da ergab sich nun die weitere Schwierigkeit: war die Finanz⸗ lage des Reichs, der Bundesstaaten oder der Kommunen so, daß sie ohne weiteres an die Stelle des ausländischen Bieters treten können, und zum zweiten: war der Nachweis überhaupt zu führen, ob ein ernstliches Angebot aus dem Auslande vorlag oder ob es sich nur um irgend eine Fikrion handelte, unn das Stück im Inlande loetuschlagen. Also Sammler und Kunsthändler waren dagegen. Da kam es natürlich sehr wesentlich darauf an, wie sich die berufenen Hüter unserer Kunstschätze, die Museumsdirektoren selbst stellten. Ich darf mitteilen, daß die Meinung unter diesen Herren durchweg nicht zugunsten der Inventarisation lautete. Ob dabei der Gedanke eine Rolle mitgespielt hat, daß sie das Wohlwollen der Sammler und damit die Anwartschaft auf manches Geschenk verlören, lasse ich dahingestellt. Sicherlich aber haben die Herren im Schlußergebnis sich auch nicht für die Indentari⸗ sation erwärmen können.

Nun tauchte noch ein dritter Gedanke auf: kein Kunstausfuhrverbot, sondern ein Kunstausfuhrzoll und zwar mit der Maßgabe, daß die Er⸗ rägnisse dieses Zolls zum Ankauf von Werken lebender Künstler ver⸗ wandt werden sollen. Ein sehr verlockender Gedanke! Ich will auch einmal den Optimismus hegen, daß das Reichsschatzamt in der jetzigen Finanzlage des Reichs sich damit einverstanden erklären könnte, Er⸗ trägnisse aus bestimmten Zöllen für solche Zrecke festzulegen. Aber zu einem derartigen Ausfuhrzoll gehört derselbe große Apparat wie zu dem Kunstausfuhrverbot.

Inzwischen hat sich die deutsche Valuta wefentlich verbessert, und wenn auch die Verhandlungen der verbündeten Regierungen noch nicht abgeschlossen sind, so tritt mir doch immer lebhafter die Erwägung gegenüber: soll man aus den kurzen Erfahrungen einer vorübergehenden Zeit wiederum Veranlassung zur Gelegenheitsgesetzgebung nehmen, einer Gelegenheitsgesetzgebung, von der auch der Herr Abgeordnete Bell sagt, daß sie den Krieg nicht überdwuern dürfe? Oder wird nicht auch das deutsche Kunstinteresse, namentlich auch angesichts der Verteilung des Kunstbesitzes in den verschiedenen Ländern, dann am besten fahren, wenn es bei der bisherigen Handelsfreiheit bleibt.

. Der Herr Abgeordnete Bell hat sodann an mich die Frage gerichtet, wie es mit dem Ersatz der Fliegerschäden stehe. Das ist ja ein Thema, das leider Gottes recht aktuell ist. Ich darf darauf hinweisen, daß der Ersatz der Fliegerschäden, soweit es sich um Sachschäden handelt, in einem Gesetz von 1916 insofern eine Regelung gefunden hat, als ein⸗ mal Vorschriften bestehen über die Feststellung des Schadens und zweitens und das ist das Wezentliche dem Reiche die Verpflich⸗ tung auferlegt worden ist, alle Vergütungen zurückzuzahlen, die auf Grund dieser Feststellungen von den Einzelstaaten geleistet werden; des weiteren ist das Reich gehalterl solchen Bundesstaaten, die durch die Vorschußzahlung in finanzielle Sschwierigkeiten geraten, auch seinerseits Vorschußzahlungen auf die endgltige Rückerstattung zu leisten. Dieser Verpflichtung bat sich das Resch nicht entzogen; die am meisten be⸗ troffenen süddeutschen Staaten sind vom Reiche mit Vorschußzahlungen bedacht worden. Ein Mangel aber besteht unzweiselhaft darin, daß ein

d Verbotes eine ganze Reihe von Ausnahmen zuzulassen. Wir haben

Gesetz über die Personenschäe, die Schaden an Loben und Gefundbheit,

noch nicht besteht, und diesem Mangel werden wir baldigst agen müssen; die Vorbereitungen dazu sind im Gange. bbel

Wenn nun der Herr Abgeordnete Bell im Namen und Ans⸗ seiner badischen Freunde gefragt hat, ob es notwendig oder nülis zurzeit noch eine Versicherung gegen Fliegergefahr einzugehen, so nzn ich meinen, daß für Sachschäden eine solche Norwendigkeit nicht Ob es im einzelnen Falle zweckmäßig ist, gegenüber ven immer nefch notwendige Maß beschränkten Entschädigunzen des Reichs Versicherung eintreten zu lassen, das ist 2ine andere Frage, die 18 bins abschließend beurteilen kann.

Der Herr Abgeordnete Bell hat dann die Aufmerksamkeit gelead auf die Unterstützung der Gesellschaft für deutsche Erziehungk. ¹ Schulgeschichte. Ich bin ihm sehr dankbar für seine Befürworton daß dieser Gesellschaft der Reichszuschuß weiter gewährt wird bin im Hauptausschuß gefragt worden, warum es so langsam vor gehe mit diesen wissenschaftlichen Wecken. Manche der Expedi die in wissenschaftlichen Werken deschrieden werden so en, liegen Jahrzehnte zurück. Aber mit dem Fortschreiten wissenschastlicher Wen pflegt es manchmal langsamer zu geben, als man vom Laienstandput wünscht. Mir sagte einmal ein Gelehrter, den ich dee ja, glauben Sie denn, das könnte man so ꝛasch machen wie ein 8 Schuhe? Nun leiden alle derartigen Unt rnehmungen zweifellos 3 unter den Frllgen des Krieges. Sicher ist aber, daß die deutsche 8 ziehungs⸗ und Schulgeschichte eine große Zahl wichtiger Arbeiten szn fertiggestellt hat; sie wird mit ihrer Arbeit zum Segen der deute Wissenschaft auch vorwärts kommen, wenn Sie, entsprecheno der Bit des Asgeordneten Bell, die bisherigen Zuschüsse nicht versagen. Aehri ist es mit den übrigen wissenschaftlichen Unternehmungen, die in 8

tat des Reichsamts des Innern gewisse Porderungen erheben.

Meine Herren, nun komme ich zu den Paritätsbeschwerden 8 Herrn Abgeordneten Bell. An dem Grundsatz, daß die Tüchtge⸗ für die Berufung eines Beamten entscheidet, muß ich festhalten. . gebe zu, daß diese Tüchtigkeit nicht durch die Brille konfessionellen Vorurteile beurteilt werden darf. Es ist Tatsache, daß die Zahl katholischen Beamten nicht dem Prozentsatz der katholischen Be. völkerung entspricht. Es ist aber gleichfalls Tatsache, daß, wenn mal nach einem katholiscken Bewerber ausschaut, die Zahl der Kande⸗ daten auf vielen Gebieten eine geringere ist, als es dem Prozentscht

der Bevölkerung entsprechen würde. Wenn der Herr Abgeordnen Bell darauf hinweist, das liege nun wieder daran, daß der katholisch Kandidat so wenig Aussicht auf Berücksichtigung habe, so wülde sih damit ja natürlich ein sehr übler Kreislauf schließen. Sollte dien Befürchtung, was ich nicht weiß und nicht annehmen möchte, fi irgend eine Vergangenheit berechtigt gewesen sein, so trifft sie für de Gegenwart nicht zu, mindestens soweit ich die Verhältnisse zu üben sehen vermag. Der Reichsleitung wird es nur willkommen sein, wem die Zahl der tüchtigen Kandidaten auch durch vermehrten Zuzug aus dem katholischen Lager Verstärkung erhält. Im übrigen, meim Herren, habe ich, so lange ich im öffentlichen Leben stebe, imven onter dem Eindruck gestanden, daß konfessionelle Vorurteile ledder hüben und drüben noch in ziemlicher Ueppigkeit wuchern. Man ist oft erstaunt, selbst von Personen, die dem kirchlichen Leben sern stehen. eine große konfessionelle Einseitigkeit zu erfahren. Ic müchte wünschen, es käme eine Zeit, in der die beiden Konfessionen se d ihrer gegenseitigen Duldsamkeit überzeugt sind, daß die Frage nach der Konfession des Einzelnen jeder Berechtigung entbehrt. (LCebhasth Zustimmung im Zentrum.)

Die konfessionelle Statistik, die der Herr Abgeordnete Bell von tir verlangte, bin ich selbstverständlich nicht zu geben imstande. Is kaun nur eins sagen. Ich habe neuerdings ja eine Reihe von Ricktem berufen nrüssen nach Belgien, um dem dortigen Justizstreik entgeger⸗ zutreten Es sind im ganzen einberufen worden an Richtern, Rechts⸗ anrälten und Referendaren 53 Herren. Ich habe sie nicht nach der Konfession gefragt, 23 der Herren haben die Konfefsion selbst ange geben, und von den 23 Herren, die die Konfession angegeben haben, sind 13 katholischen Bekenntnisses.

Der Herr Abgeordnete Dr. Bell hat gemeint, in manchen Per⸗ somalakten käme ein recht übles Stigma vor: „konfessionell nickt je⸗ verlässig“. Ich weiß nicht, welche Akten er meint, ich habe in eirer meiner früheren Staatsstellungen die Personalien einer großen Pw⸗ vinz zu bearbeiten gehabt, ich mußte sehr viel Personalakten einsehen - es war die Rheinprovinz, von der man annehmen könnte, daß der artige Vermerke besonders naheliegen —, aber ich muß der Wahtkbel die Ehre geben, daß ich Vermerke ähnlichen Wortlautes und Sinn niemals gefunden habe.

Im übrigen, meine Herren, danke ich für den Ausdruck des Ven trauens, das der Herr Abgeordnete Bell mir nach der Richtung er gegengebracht hat. Ich gehöre einer Konfession an, auf deren Bete ich nach jeder Richtung stehe, ich werde mich aber nur leiten lases ohne konfessionelle Vorurteile von der Tüchtigkeit oines Beami und werde Einflüssen, die nach der einen oder anderen Richtun zielen, gleickviel welche Stelle es ist, mich nicht zugänglich erweisser⸗ (Lebhaftes Bravo! im Zentrum.)

Meine Herren, alle diese Dinge treten an Bedeutung weit urii binter den Fragen der Bevölkerungspolitik, und ich bitte mir zu ge. statten, auch darauf noch mit einigen Worten einzugehen, denn de Bevölkerungspolitik bildet einen der wesentlichsten und wichtigstn Teile meines nunmehrigen Amtes. (Sehr richtig! rechts.) be der Bevölkerungspolitik fließen ineinander die Zuständigkeiten de Reichs und der Bundesstaaten; die Gesetzgebung gehört teils dem Reiche, teils den Bundesstaaten, während die Verwaltung, die ga⸗ führung fast ganz in der bundesstaatlichen Hand ruht. Es fi daraus, daß diejenigen Instanzen, die berufen sind, auf diesem wa⸗ tigen Gebiete zu arbeiten, enge Fühlung miteinander nehmen misse und das bezieht sich ja auch auf die beiden Töchter der gemeinsama Mutter, des alten Reichsamtes des Innern. Zwischen Reichsmie schaftsamt und Reichsamt des Innern bleibt eine besonders nar⸗ Fühlung erforderlich. 1“

Die Bevölkerungspolitik beginnt mit der Sorge um die Han der Geburten. Sexweit diese Hebung envartet werden darf von de lichen Maßnahmen, sollen ja die beiden Gesetzentwürfe, die dem . Hause vorliegen, eine Besserung erzielen. Ich möchte wünschen, „8 trotz der verschiedenartigen Weltauffassung, die auf diesem 8. 9 zirtage tritt, es doch gelingen möchte, beide Gesetzentwürfe in 22 barer Zert zur Vevabschicdung zu bringen. Aber selbftverstand kamm durch den Poltzeistock allein auf diesem Eebiete keins wesene und enrfchedende Besserung herbeigeführt wenzen, Ceöbcfre stimmung.) Das versteht sich von selbst, ich habe es bei u

J.

vmfübrundsworten für das Gesetz so deutlich ausgesprochen, daß ich afraunt war, in oiner Zeitung den Vorwurf zu finden, ich habe ge⸗ nansk, die Polizei köͤme auf diesem Gebiete alles tun. Davon st keine Rede. Die Bestrebungen müssen unterstützt werden vor allem durch den Kampf auf dem ethischen Gebiete, sie müssen unterstützt

erden aber auch durch manche Maßregeln der Gesetzgebung, durch Berücksichtigung der kinderreichen Familien, in dem so ungeheuer wicktigen, aber leider auch so schwierigen Wohnungsproblem; sie müssen berücksichtigt werden uch auf dem Gebiete der Siedlung, und gerade dieses Gebiet der Siedllung wind uns noch manches Kopf⸗ zecbrechen machen auch bei dem Heimstättenarecht. Das Wohnungs⸗ wesen ist vom Reichsamt des Innern abgetrennt, das Siedlungswesen ist ihm verkllieben; ich hoffe, daß wir trotz dieser Scheidung in ge⸗ meinschaftlicher Arbeit weiterkommen worden. Wenn die Vermehrung der Geburten ein i ek ist, dem wir nachstreben müssen, so handelt es sich zweitens um die Erhaltung der geborenen jungen Leben, und da wird es für Sie von Inieresse sein, eine Statistik zu erfahren, aus der sich ergibt, daß der Krieg für die Säuglinge nicht die schlimmen Folgen gehabt hat, die man vielfach befürchtete. In den Orten über 15 000 Eimvohner starben von 100 Lebendgeborenen im Jahre 1913 14,2, 1914 15,5, 1915 14,4, 1916 13,3, 1917 14,3. Freilich, meine Herren, darf man nicht übersehen, daß die Zahl der Geh irten an sich

wenommen hat. Ich habe aber den Reichspesundheitsvat auch über diese Dinge befragt, und der Reichsgesundheitsrat, in gem ja die

ersten Kapazitäten des Deutschen Reiches beratend mitwirken, hat estätigt, daß der Gesundheitszustand der Säuglinge vermutlich

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auch infolge des vermehrten Stillens der Mutter ein befriodigender sei. Im Zusammenhang damit, mein Herren, datf ich vielleicht er⸗ waähnen, daß auf dem Gebiete des Hebammonwesens wir einen Schritt meitergekommen sind. Bereits vor Beginn des Krieges lLag die Absicht vor, durch eine Bundesratsverordnung manche äußeren Ver⸗ hältnisse der Hebammen durch das ganze Reich⸗ zu regeh. Der Krieg

hol diese Arbeit zurückgestellt. Mittlerweile ist diese Regelung erfolgt, es ist anzunehmen, daß sie in allen Bundes⸗ staaten zur Ausführung gelangt, weil es gelungen ist, eine Ueberein⸗ stimmung zwischen den Bundesregierungen herbeizuführen. Die Ge⸗ meinschaftlickkeit der Vorschriften wird sich erstrecken auf die Vor⸗ bildung, auf die Fortbildung der Hebammen, auf die Prüfung, auf die Entbindungen in den Privatwohnungen der Hebammen und auf une ganze Reihe von anderen Dingen. Meine Herren, sie erschöpft diese Frage nicht. Ich habe bei der Uebermittlung dieses Beschlusses an die Bundesregierungen auch auf Wunsch des Neichsgesundheits⸗ rats darauf hingewiesen, und die Bundesregierungen werden sich dessen voll bewußt sein, daß es auch not tut, die wirtschaftliche Lage der Hebammen zu bessern, namentlich für sie zu sorgen für den Fall des Alters und für den Fall der Invalidität, denn sonst werden wir nicht weiterkommen und werden von den Hebammen nicht mehr erwarten können, als es schon in der Vergangenheit möglich war. Meine Herren, zuf diesem Gebiete ist noch zu erwähnen, daß wir darauf ausgehen müssen, die Säuglingspflegerinnen besser auszubilden, und daß es unser Bestreben sein muß, soweit wir dazu in der Lage sind, eine Ver⸗

mehrung der Entbindungsanstalten und der Säuglingsheime zu er⸗

wichen. In Verbindung mit dieser Frage steht eine weitere, das ist das Haltekinderwesen. Der Krieg hat es mit sich gebracht, daß eine Reihe von Kindern diejenige Pflege nicht mehr findet, die ihnen an und für sich zukommt, die Pflege im elterlichen Hause. Die Väter sind im Felde, die Mütter sind vielfach genötigt, der Arbeit nachzu⸗

geben, und damit mehren sich die Gefahren, die mit der Pflege junger

Leben verbunden sind. In Preußen steht eine Regelung des Halte⸗ kinderwesens bevor; diese Regelung bleibt Angelegenheit der Bundes⸗ staaten. Ich habe aber die Bundesregierungen durch ein Rund⸗ schreiben hingewiesen auf die Wichtigkeit dieser Dinge und sie gebeten, sestzustellen, ob im Rahmen der bundesstaatlichen Gesetzgebung da moch weiteres zu veranlassen ist oder nicht.

Meine Herren, bei der Fürsorge für die heranwachsende Jugend bat sich als eine Maßregel von großem Werte erwiesen die Förderung deo Landaufenthalts während der Ferien (sehr richtig! bei der Deut schen Fraktion), und ich möchte mit Dank hier feststellen, daß es an einem großen Entgegenkommen auf Seriten der ländlichen Bevölke⸗ rung nicht gefehlt hat. (Bravo!) Es ist gelungen, auch dank der Tärigkeit des großen Vereins, der unter dem Protekiorat Ibrer Ma⸗ jestät steht, insgesamt eine halbe Million städtische Kinder aufs Land zu bringen. Nicht nur die körperliche Gesundheit der Kinder hat davon Nutzen gehabt, was sich auch in dem Räückgang von Tuberkulose⸗ rscheinungen zeigt, die Kinder haben auck manches gelernt, dessen Kenntnis ihnen fehlte; sie haben ihren Gesichtskreis erweitert und haben vielleicht auch gemerkt, daß auf dem Lande nicht alles von selbst zedeiht, sondern daß es auch da harte Arbeit kostet. (Lebhafte Zu⸗ stimmung.) Meine Herren, die heranwachsende Jugend wir auf vielen Gebieten und von vielen Vereinen gefördert. Ich möchte wünschen, daß mindestens in den großen Gemeinwesen diese Irgend pflege in Jugendämtern zentralisiert und damit einer Zersplitterung der Arbeit vorgebeugt wird.

Meine Herren, ich komme noch mit einem kurzem Wort zu den Volkskrankheiten. Es ist eine Großtat im Kriege gewesen, die wir vor allem dem ärztlichen Stande danken, daß es gelungen ist, unser Volk und unser Heer von großen Seuchen zu verschonen. Wenn . bedenkt, daß wir eigentlich durch die gewaltige Ausdehnung des Kriegs⸗ schauplatzes mit allen Seuchen der Welt in Verbindung gekommen sind und deß wir verhältnismäßig einen so guten Gesundheitszustand trotz der sewierigen Ernährungsverhältnisse erhalten haben, so können wir der ärztlichen Wissenschaft und ihren Jüngeren nicht dankbar genug sein. Eine große Volkskrankheit hat allerdings die rückläufige Bewegung, die wir vor dem Kriege wahrnehmen konnten, nicht innegehalten, das ist die Tuberkulose. Die Sachverständigen sind verschiedener Meinung, ob hie unzweifelhaft vermehrte Zahl der Todesfälle an Tuberkulose auf einen schnelleren Verlauf der bereits vorhandenen Krankheit oder auf eine starke Vermehrung der Erkrankungen zurückzuführen sei. Sei dem wie es wolle: der Kampf gegen die Tuberkulose muß mit ilen Mitteln geführt werden. Er wird geführt durch die Fürsorge⸗ stellen, er wird geführt durch Lungenheilstätten, er wird unterstützt auch durch das Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, an dessen Spitze ich gegenwärtig stehe, und ich bitte Sie, den vermehrten Deitrag des Reiches freundlichst bewilligen zu wollen, der in diesem Ctnt vorgesehen ist.

Nun, meine Herren, hat man für alle diese S vuntilierk, »b es nicht zweckmäßig sei, als oberste Reich

dizinalstelle einzurichten, ein Reichsgesundheitsamt oder

orgen den Gedanken sbehörde eine wie

die Herren es nennen wollen —, nach dem Vorbilde von Oesterreich und Uugarn. Ich glaube, die Befürworter dieses Gedankens ver⸗ kennen dock, daß die Zuständigkeiten bei uns enders Kegen als in der verbündeten Donaumonarchie. Wir haben hier, mie ich mir eben aus⸗ bündeten Donaumonarchie. Wir haben hier, wie ich mir eben aus⸗ zuführen erlaubte, das Verhältnis, daß die Verwaltung und Ausführung in bundesstaatlichen Händen liegt, und ich glaube, daß daneben für das Walten einer Behörde nach der Art, wie sie in Oesterreich⸗Ungarn be⸗ steht oder errichtet werden soll, sich kein rechter Raum finden würde. Aber als einen großen Mangel habe ich es empfunden, daß derjenigen Behörde, die hier für das Reich die Gesundheitssachen zu bearbeiten und die Gesetze zu formen hat oder mindestens bei den Bundesstaaten durch Anregungen einwirken soll, ein ärztlicher Fachmann nicht angestellt ist. Ich kann auf die Dauer diese ärztliche Feder nicht entbehren. Ein Arzt, der die nötige Verwaltungspraxis und Verwaltungskenntnis hat, ist in all diesen Fragen doch der berufenste Berater seines Cheks. Diese un⸗ mittelbare Hilfe kann auch durch die hervorragende Tätigkeit des jetzigen Gesundheitsamtes nicht ersetzt werden. Ich würde dankbar sein, wenn der ablehnende Beschluß des Hauptausschusses einer Revision unter⸗ zogen würde.

Meine Herren, alles, was ich eben vorgetragen habe, waren nur Kapitelüberschriften, und jedes dieser Kapitel ist umfangreich und schwierig. Mir kam bei dem Aufzählen dieser Kapitel ein Vers aus den „Meistersingern“ in dem Kopf, wo der Lehrbube David dem Walter Stolzing alle Meisterweisen nennt und hinzufügt: „Das sind erst die Namen, nun lernt sie singen.“ Meine Herren, man kann ein volkstümlicheres Wort anführen: den Mund gespitzt haben wir schon

iel auf diesem Gebiete, aber es muß wirklich gepfiffen werden. Wir

müssen aus dem Stadium des aphoristischen Arbeitens in das eines systematischen Arbeitens bineinkommen. Dazu dient einmal die hin⸗ gebende Arbeit Ihres Ausschusses, dazu dienen als erster Anfang die Gesetze, die Ihnen vorliegen, dazu sollen auch dienen Rundschreiben, die meinerseits an die Bundesregierungen gerichtet worden sind. Ich denke nicht daran, meine Herren, die Kompetenz der Bundesregierun⸗ gen irgendwie anzutasten. Aber diese Zuständigkeitsverhältnisse brauchen nicht zu hindern und dürfen nicht hindern, daß wir auf diesem Gebiete vorwärtskommen. Wenn eine Bundesregierung durch solche Rundschreiben erfährt, was in der anderen angestrebt und durch⸗ gesetzt ist, was Erfolg erzielt und was keinen Erfolg geze tigt bat, dann ist das für jeden Beteiligten von Wert. Der Ueberblick, der damit gewonnen werden soll, läßt uns im Reiche erkennen, in wel.hem Teil dieses großen Gebietes auch zunächst der Hebel der Gesetzgebung in Bewegung gesetzt werden muß. b

Meine Herren, wir haben gemeinschaftlich den großen Krieg ge⸗ kämpft, wir werden gemeinschaftlich der Arbeit des Wieoeraufbaus des Volkskörpers uns widmen wollen und widmen müssen. (ebhafter allseitiger Beifall.) 1

Abg. Schulz⸗Erfurt (Soz.): Ueber einen Ueberfluß an sozialistischen Vortragenden äten in den Verwaltungen haben wir uns auch nicht zu beklagen. Die Klagerede des Vorredners erinnert an Münchhausens Posthorn. Die Klagen waren früher einmal berechtigt, jetzt aber, wo wir einen Katholiken als Reichskanzler, als preußischen Kultusminister haben, und wo wir soeben erst einen hochgeschätzten katholischen Kollegen zum Reichstags⸗ präsidenten gewählt haben, sind sie nicht mehr rechtigt. Die Trennung des Reichsamts des Innern war notwendig. Der Staats⸗ sekretär erkennt die Stellung an, die die Frau sich im Kriege errungen hat. Folgerichtig müßten die Frauen jetzt endlich volle Gleichberech⸗ tigung und das Frauenwahlvrecht erhalten. Die neue Zeit verlangt einen neuen Geist. Wir müssen loskommen von dem alten Polizei⸗ geist. Die Kulturpolitik ist im Reichstag bisher immer zu kurz ge⸗ kommen. An der Bevölkerungspolitik wollen wir mitarbeiten. Man darf sie jedoch nicht mit anderen Bestrebungen, wie mit Sittlichkeits⸗ schnüffelei, verquicken. Wie ein Reichsamt für körperliche Gesundbeit, ist auch eine Zentralstelle für kulturpolitische Aufgaben nötig. Wir dürfen nur daran denken, wie allmählich die Anforderungen der jungen Leute für das Studium infolge der Notprüfungen berabgeschraubt worden sind. Um hier großen Schaden für die Zukunft zu verhüten, müßte das Reich rechtzeitig eingreifen. Eine besondere Aufmerksam⸗ eit ist auch der Jugendfürsorge zu widmen. Die öffentliche Jugend⸗ pflege und Jugendfürsorge muß frei gehalten werden von weltanschau⸗ licher Beeinflussung, weil es eine approbierte Weltanschauung nicht gibt. Warum mußte Preußen allein einen Gesetzentwurf vorbereiten zur Einrichtung von Jugendämtern, warum konnte auch hier nicht das Deutsche Reich mit seiner Gesetzgebung vorangehen? Weite Kreise erkennen die Notwendigkeit eines Reichsgesetzes für die Ju⸗ gendfürsorge an. Eine beredte Fürsprache hat der Gedanke in der Schrift des Admiralitätsrats Felisch erfahren. Die Bedenken, die sich aus Kompetenzgründen herleiten lassen, haben hier zurückzu⸗ stehen. Die Frage der Volkshochschulen tritt neuerdings in den Vor⸗ dergrund; die Reichsregierung sollte auch diesem Gedanken ihr Inter⸗ esse entgegenbringen. Das Kino und das Theater gehören. heute auch zu den Volksbildungsanstalten. Leider sind bei der in Angriff ge⸗ nommenen Kino⸗Gesetzgebung nicht Gründe der Volkserziehung maß⸗ gebend gewesen; jedenfalls wird der uns vorliegende Entwurf der kul⸗ turellen Seite des Kinos nicht gerecht. Das Kino ist ein Vermittler ulturwerten und Kenntnissen, die überhaupt auf keine andere

von K ne Weise vermittelt werden können. Das Theater erlebt 1 eine Hochkonjunktur, aber diese ist vorübergehend, begünstigt durch as Seichte und Oberflächliche. Den Gefahren, die sich daraus, wie aus der Verbindung des Theaters mit dem Kino ergeben, sucht der Verband zur Förderung der Theaterkultur entgegenzuwirken. Auch auf diesem Gebiete müßte das Reich die Führung übernehmen. Die Schaffung einer Kulturzentrale von Reichs wegen drängt sich nicht mur als Kriegswirkung, sondern auch im Hinblick auf die Aufgaben der Zukunft auf. Wir brauchen Einheitlichkeit des Unterrichtswesens in dem Sinne, daß die Zeugnisse für die Lehrbefähigung in allen Einzel⸗ staaten die gleiche Geltung haben. Das Wort „freie Bahn dem Tüch⸗ tigen“ muß auch für die Schule gelten, und die Schulreform muß im Sinne diefes Grundsatzes ausgebaut werden. Hamburg und Berlin geben sich auf diesem Gebiet alle Mühe; man soll diesen Reformeifer so weit als möglich fördern, aber es muß im Reiche eine überragende Stelle existieren, welche alle diese Bestrebungen, alles dieses Wachsen und Werden aufmerksamst beobachtet, prüft, welche anregt und zur Nachahmung des Geprüften empfiehlt. Den Ausschuß für Erziehung und Unterricht besitzen wir ja, aber dieser Ausschuß kann eine solche Reichszentralstelle nicht ersetzen. Die deutschen Auslandsschulen müssen vom Reiche die nötige Unterstützung erhalten, um ihrer Aufgabe ge⸗ nügen zu können. Wie steht es denn mit dem angekündigten Reichs⸗ gesetz über die militärische Jugenderziehung? Seit 1912 habe ich meine Anregung zur Schaffung einer Unterrichtszentrale des Deut⸗ schen Reiches wiederholt, bisher ohne rechten Erfolg. Ich setze meine Hoffnung darauf, daß die weitere Oeffentlichkeit sich allmählich der Bedeutung dieser Forderung bewußt wird. Den Antrag auf Schaffung eines Reichsschulamts hapen wir nicht wiederholt, weil inzwischen die Teilung des Reichsamts des Innern eingetreten ist; ich hoffe, daß das Reichsamt des Innern jetzt eher freie Hand in dieser Beziehung haben wird. Höher als die Rüccksicht auf die Einzelstaaten steht die innere Einheit der Kulturgeneinsckaft des deutschen Volkes; auch die innere kulturelle Einbeit im Reiche herbeizuführen, ist eine Rotwendigkeit.

Abg. Kroth (kons.): Der Ausschuß bat zwei Dtellen für vorkragende Räte gestrichen; wir beantragen die Be⸗

williguns dieser Forderung. Das Reichsamt des Innern muß

seine technischen Beiräte selbst haben, es kann sich nicht Gutachten vom Reichsgesundheitsamt usw. verweisen lessen, pürde för die Grlediguns der Geschafte eine höchst unlzebsame Ur erung bedeuten. Auf die tiefgründigen Debatten über en 828 Neiches möchte ich nicht eingehen, weil unser Standpunkt sich in diesem Punkte zu weit von dem des Vorredners entfernt. Wir sind und bleiben der Auffassung, daß die Kulturaufgaben den Einzel⸗ staaten verbleiben müssen; was bliebe sonst den Einzelstaaten für ein Betätigungsfeld übrig? Wir kämen dann zu einer die wir für das Deutsche Reich und Volk für ein Unglück halten. J möchte die Regierung bitten, die Vorlegung des Gesetzentwurfs, der den durch den Russeneinfall ihres Ernährers beraubten Familien einen Rechtsanspruch auf Entschädigung gibt, tunlichst zu beschleunigen. ostpreußischen Feuersozietät ist eine Summe von 6 Millionen ab verlangt worden zur Ausgleichung der Brandsckäden, welche durch die Verwüstung der Provinz durch die Russen entstanden sind. Das ent⸗ spricht doch nicht der Billigkeit. 3 Millionen Mark sind freiwillig angeboten worden. Die Regierung hat das Angebot aber nicht ange⸗ nommen. Der Landtag hält selbst dieses Gebot noch für viel zu hoch. Er sieht eine Million als das höchste an. Ich bitte den Stgats⸗ sekretär, sich dieser Sache im Sinne der Feuersozietät anzunehmen und nicht weiter auf sie zu drücken. Die Tätigkeit der Reichskommissare für die Feststellung der Schäden wird vielfach bemängelt. Daß Herr Dr. Bell jetzt seine Klagen über mangelnde Parität erhebt, wo ein katholischer Kanzler und Ministerpräsident im Reich und in Preußen die Macht hat, ist in der Tat auffällig. Wir wünschen keine Bevor⸗ zugung auf 1 unserer katholischen Brüder; aber es können doch jetzt nicht plötzlich alte Beamte zugunsten katholischer auf die Straße 8 werden. Dr. Bell müßte nachweisen, daß bei gleicher Eignun für einen Posten der katholische Bewerber zurückgesetzt wird. Au eignet sich nicht jeder, der gute Zeugnisse hat, zu jedem Posten. Der ausgezeichnete Gelehrte ist zuweilen kein Praktiker und umgekehrt. Daß die katholische Volksminderheit von Reichs⸗ und Staatsleituns ungerecht behandelt wird, ist eine beweislose Von Bayern hat Herr Bell nicht gesprochen. Sollte eine Statistik, wie er sie wünscht, aufgestellt werden, so g. man sie auch auf die übrigen Einzelstaaten ausdehnen. In der „Augsburger Postzeitung“, einem Zentrumsblatt, ist ausdrücklich festgestellt, daß das Reich zurzeit katho⸗ lisch und weißblau angestrichen ist. .

Abg. Fischbeck ffortschr. Volksp.): Wie steht es mit der deutschen Einheitsstenographie? Die niedergesetzte Sachverständigen⸗ kommission hat schließlich zwei Einheitssysteme vorgeschlagen. Beide Syfteme kann doch die Reichsregierung nicht akzeptieren; sie muß eins erwählen, und da sollte das zwischen den Schulen Stolze und Gabelsberger vereinbarte Einheitssystem erwogen werden.

Hierauf wird um 5 Uhr die Fortsetzung der Beratung auf

Montag 2 Uhr vertagt. .

Preußischer Landtag. . Haus der Abgeordneten. 154. Sitzung vom 8. Juni 1918, Vormittags 11 Uhr. (vBericht von Wolffs Telegraphenbüro.) Am Regierungstische: der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten Dr. Schmidt. . Präsident Dr. Graf von Schwerin⸗Löwitz eröffnel die Sitzung um 11 ¼½ Uhr. 8 Die Beratung des Haushalts des Ministeriums der geist⸗ lichen und Unterrichtsangelegenheiten wird in der Besprechung über die Kapitel der Universitäten und technischen Hochschulen fortgesetzt. 8 Abg. Dr. Herwig (nl.): Wir können das Herhufttsein begsg unsere Feinde nicht bloß durch die deutsche Tapferkeit, sondern au durch den deutschen Geist und durch die deutsche Wissenschaft geschlagen zu haben. Wir müssen dafür unseren deutschen Geistesheroen die tiefste Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Aber die Wissenschaft ulen

bleiben, um auf ihrer Höhe bleiben zu können. Auf unseren Hochs darf nichts anderes herrschen als das Streben nach absoluter

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rteilslosigkeit. Aller konfessionelle Streit muß dahimter zurücktreten,

wir können das alles auch in voller Ruhe besprechen, denn das, was uns

einigt, ist viel fester als das, was uns trennt. Dem Lobe auf die technischen Hochschulen schließe ich mich an. Redner empfiehlt schließlich die Anregung, das biologische Institut in Neapel nach Konstanza zu verlegen, da das Schwarze Meer für die Forschungen dieses Instituts besonders geeignet sei, und stimmt den vorliegenden Anträgen auf Ausbau der staatswissenschaftlichen Seminare und Er⸗ richtung von Auslandshochschulen zu.

Hierauf nimmt der Minister der geistlichen und Unter⸗ richtsangelegenheiten Dr. Schmidt das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms in der nächsten Nummer des Blattes wiedergegeben werden wird.

Die Besprechung wird geschlossen.

Abg. Reiner ronf.) bedauert, infolge des Schlusses der Besprechung nicht einige Wünsche füͤr die Universität Königs⸗ berg äußern zu können.

Die Abstimmungen über die Anträge werden am Schlusse der Beratungen über den Kultusetat erfolgen.

Es folgt die Besprechung des Kapitels „Kunst und Wissen⸗ schaft“.

Hierzu beantragt die Staatshaushaltskommission, den Fonds von 10 000 bei den einmaligen Ausgaben zur Ver⸗ stärkung des dauernden Fonds von 387 230 zu Beihilfen und Unterstützungen für Kunst⸗ und wissenschaftliche Zwecke, so⸗ wie für Künstler, Gelehrte und Literaten und zu Unter⸗ tützungen behufs Ausbildung von Künstlern auf 30 000 zu verstärken.

Ferner beantragen die Abgg. D. Traub (b. k. P.) und Winckler (kons.), bei den einmaligen Ausgaben einen neuen Titel einzuschalten, durch den als erster Teilbetrag 60 000 zur Förderung geschichtlicher Forschungen über die Zeit der und Gegenreformation ge⸗ fordert werden. Die Kommission empfiehlt den Antrag zur Annahme.

Abg. von Bülow⸗Homburg (nl.) berichtet über die Kommissionsverhandlungen, Abg. D. Draub besonders über die Kommissionsberatung über seinen Antrag.

Abg. Dr. Heß (Zentr.): Wir sind mit dem Antrage Traub ein⸗ verstanden. Der jetzige Minister hat früher das Kunstressort bearbeitet, und es hat sich bei ihm in guten Händen 1“ Ich bedaure aber, daß die Künstlerschaft keine Vertretung im Herrenhaus bekommt, wie es ihr gebühren würde. Die Ausfuhr von Kunstgegenständen 11n sich nicht einfach verbieten, und auch gegen ein staatliches Vorkaufsrecht haben namhafte Privatsammlungen Widerspruch erhoben. Andere Länder haben allerdings auch versucht, Vorsichtsmaßnahmen gegen die Ausfuhr zu schaffen. Wir können wohl den Leuten in den Provinzial⸗ verwaltungen vertrauen, daß sie die besten Wege wandeln werden. Aber bei Kunstversteigerungen könnte der Staat ein gewisses Aufgeld nehmen, das für Neuerwerbungen vom Staate verwandt Reü.gs müßte. Die vom Reichstage in Aussicht genommene Steuer auf Kunstwerke ist nach Ansicht namhafter Kunsthistoriker mindestens zu hoch bemessen. Die Steuer ist auf die augenblickliche

ausse ausgebau⸗ die kein normaler Zustand ist. Es fragt sich über⸗ hHaupt, ob Kunstwerke zu den Luxusartikeln zu rechnen sind, oder nicht vielmehr als Kulturwerke eingeschätzt werden müssen. Zu dem viel erörterten Fall Cassirer babe ich zu erklären, daß auch wir es für eine Ungehörigkeit halten, wenn der Herr Cassirer als Reichskom⸗

missar in die Schweiz geht zur Förderung des Ansehens der deutschen