1918 / 227 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Sep 1918 18:00:01 GMT) scan diff

Geschäftsgang, soweit es sich um ziemlich rege gewesen.

Die Nachweisungen der Krankenkassen lassen für die am 1. September in Beschäftigung stehenden Mitglieder im Vergleich mit Anfang August eine Zunahme von insgesamt 89 660 oder 1,0 vH erkennen. Im Monat zuvor war die Zahl der Beschäftigten um 98 358 oder um 1,8 vH gefallen. An der Zunahme ist das männliche Geschlecht etwas weniger stark als das weibliche beteiligt. Die Zahl der Männer läßt am 1. September 1918 eine Zunahme von 43 559 oder 1,0 vH (gegenüber einer Verminderung um 1,6 vH im Vormonat) erkennen; die der Frauen und Mädchen hat um 46101 oder 1,% vH zugenommen (gegenüber einer Verminderung von 11 vH im Vormonat). Im Vergleich mit der Feststellung im Vor⸗ monat macht sich also für beide Gerchlechter eine verstärkte Zunahme geltend. Die am 1. September 1917 aufgetretene Zunahme war bei beiden Geschlechtern geringer als die am 1. September dieses Jahres festgestellte; sie betrug nur vH. Bei der Beurteilung der Zahl der männlichen Beschäftegten ist zu berücksichtigen, daß die Berg⸗ arbeiter wie die in Landwirtschaft und Industrie tätigen Kriegsgefangenen in der Krankenkassenstatistik nicht einbegriffen sind. Aber obwohl sie sich auch im übrigen nicht auf die Gesamtzahl der Beschäftigten erstreckt, umfaßt die Krankenkassenstatistik doch den weitaus überwiegenden Teil derselben.

„Nach den Feststellungen von 34 Fachverbänden, die für 1 241 314 Mitglieder berichteten, betrug die Arbeitslosenzahl Ende August 8794 oder 07 vH. Im Juli war von 33 Fachverbänden über eine Arbeitslosigkeit von ebenfalls 0,7 vH berichtet worden. Die Arbeitslosigkeit ist also gleich geblieben. Dem August der Jahre 1914/17 gegenüber ist ein Rückgang der Arbeitslosigkeit festzustellen. Im August 1917 hatte die Arbeitslosigkeit 0,8 vH, im August 1916 2,2 vH, 1915 2.⸗/ vH und im ersten Kriegsmonat August 1914 22½ pD betragen.

Die Statistik der Arbeitsnachweise läßt im Berichtsmonat nur für das weibliche Geschlecht eine weitere Abnahme des Arbeits⸗ andranges erkennen. Im August kamen auf 100 offene Stellen bei den männlichen Personen 48 Arbeitsuchende (gegen 48 im Vormonat), beim weiblichen Geschlecht dagegen 79 (gegen 82 im Vormonat). Im August des Vorjahres war der Arbeitsandrang bel den Männern und bei den Frauen etwas größer (49 bezw. 86). Die bis Mitte Sep⸗ tember reichende Statistik auf Grund des „Arbeitsmarkt⸗An⸗ zeigers“ weist gegenüber dem Vormonat keine wesentlichen Aenke⸗ rungen der Verhältnisse auf. Im Vergleich mit dem Vorjahr ist eine r111““ der Zahl der überschüssigen Arbeitsuchenden zu verzeichnen.

Die Berichte der Arbeitsnachweis verbände über die Ver⸗ mittlungstätigkeit im August lassen für Westpreußen eine erhöhte Nachfrage nach Arbeitskräften erkennen, während das Angebot be⸗ sonders der männlichen Personen sank. In Mecklenburg⸗ Schwerin nahm die Beschäftigung in der Rüstungsindustrie zu. Im Großherzogtum Sachsen und den anderen thüringi⸗ schen Staaten hat die Zahl der Arbeitsuchenden bei den Männern zu⸗, bei den weiblichen Personen abgenommen. Die landwirtschaftliche Vermittlung hat ein wenig nach⸗ gelassen, dagegen bestand in Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Bremen und Schaumburg⸗Lippe in der Land⸗ wirtschaft große Nachfrage nach weiblichen Arbeitskräften. Auch für Industriearbeiter aller Art konnte die Nachfrage nur zum Teil gedeckt werden. Gegenüber dem Angebot ungenügend ausgebildeten Personals im Handelsgewerbe war große Nachfrage nach ausgebildeten tech⸗ nischen Arbeitskräften vorhanden, die jedoch nicht ausgeglichen werden konnte. An Hauspersonal aller Art besteht immer noch Mangel. In Baden haben sich die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt im Berichtsmonat im allgemeinen nicht wesentlich geändert. Es ist auch hier namentlich ein Mangel an gelernten Arbeits⸗ kräften zu verzeichnen, z. B. bei der Metallverarbeitung, in der Maschinenindustrie und im Bauge werbe, während sich die Vermittlung von landwirtschaftlichen Arbeitern ver⸗ hältnismäßig günstig gestaltete. In Elsaß⸗Lothringen stieg bei den männlichen Personen die Nachfrage nach gelernten und un⸗ gelernten Arbeitern noch weiter und konnte nur teilweise befriedigt werden. In der Metallverarbeitung und chemischen Industrie, über⸗ haupt für schwere Berufsarbeit, bestand starke Nachfrage nach Ar⸗ keiterinnen. Das Angebot der weiblichen Personen zu häuslichen Diensten ist verschwindend gering geblieben. Im Handelsgewerbe mangelt es auch hier an tüchtigen, erfahrenen Kontoristinnen sowie an Buchhalterinnen, während das Angebot von Anfängerinnen stetig

steigt.

Dem Gesamtüberblick läßt das „Reichsarbeitsblatt“ eine aus⸗ führliche Wiedergabe von Berichten über Beschäftigung, Arbeits⸗ losigkeit, Arbeitsnachweis usw. folgen. Auch über den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosigkeit im Ausland, sodann über Bergarbeiterlöhne, ferner über Wohnungspolitik in England und Wales wird berichtet,

neues Material über Tarifverträge im Auslande veröffentlicht.

kriegswichtige Arbeiten bandelte,

Wohlfahrtspflege.

Der Hauptausschuß für deutsche Jugendherbergen in Altena in Westfalen, der ein Netz zweckmäßiger, nahezu kostenloser Unterkunftsstätten für alle jugendlichen Wanderer in ganz Deutschland zu schaffen sucht, hat soeben seinen 6. Jahresbericht herausgegeben. Aus ihm ist zu entnehmen, das 1917 der Besuch durch Jungwanderer in Westfalen (4408) und Schleswig⸗Holstein mit Hansagebiet 3345) am größten war. Die übrigen deutschen Gegenden, in denen bisher Jugend⸗ herbergen eingerichtet sind, wie die Fscemnpropin (1051), Hannovper, Hessen⸗Nassau, das Königreich Sachsen (über 400 Nächtigungen) usw., blieben hinter jenen Besucherzahlen weit zurück. Gegenüber dem Vor⸗ jahre minderte sich die Gesamtbesucherzahl um fast 1 auf 9237. Während liervon auf Knaben und ⅛½ auf Mädchen entfielen,

ihlte rund die Hälfte aller zur schulentlassenen Jugend. Die stärkst⸗ besuchte Herberge wies 1076 jugendliche Wanderer auf. Infolge mancher Begleiterscheinungen des Welrkriegs neigte die Jugend weniger ausgedehnten und anstrengenden Fernfahrten zu, sondern verbrachte wielfach mehrere Tage oder gar Wochen in einundderselben Unter⸗ tunftsstätte. So wurden die Her bergen vielen Stadtkindern nicht allein billige Sommerfrischen, sondern auch Stützpunkte für das Sammeln begehrenswerter Nahrungsmittel in harter Kriegs⸗ zeit. Manche Jugendherbergen dienen heute schon als Nest für die heimische und als Obdach für die durchwandernde Jugend (Jugend⸗ heim). Als Hauptverbraucher der menschlichen Kraft unterstützt ein großer Teil der deutschen Industrie den für die eit nach Friedens⸗ schluß geplanten Ausbau des Herbergsnetzes durch (zum Teil regel⸗ näßige) Beihilfen. Das preußische Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten überwies dem Hauptausschuß 3000 ℳ, wobei dem Wunsche Ausdruck gegeben wurde, daß die mit Zu⸗ schüssen aus dieser Spende eingerichteten Herbergen in die Obhut von Gemeindebehörden genommen werden möchten. Neue Provinzial⸗ oder Landesausschüsse wurden im Berichts⸗ jahre 5 gebildet. Zur Bekämpfung der um sich greifenden Wanderunsitten hat der Hauptausschuß zusammen mit den großen Jugendwanderbünden durch Aushang verbreitete Auf⸗ rufe herausgegeben. Auch der vorliegende Jahresbericht, den Freunde des Wanderns und der Jugend unentgeltlich zugesandt erhalten, legt wieder davon Zeugnis ab, daß der auptausschuß für deutsche Jugendherbergen alles daransetzt, dem nach dem Kriege zu erwartenden Andrang von Jungwanderern durch Schaffung geeig⸗ neter und billiger Jugendherbergen und leichte Zugänglichkeit in un⸗

Vaterlande gerecht zu werden.

Kunst und Wissenschaft. In der Gemäldegalerie des Kaiser Friedrich⸗Museums wurden bei den Altdeutschen und Altniederländern zwei Neuerwer⸗

bungen von Bedeutung eingereiht. Die eine hängt vorläufig im Saal des Genter Altars. Sie ist eine Maria mit dem Kinde von

Zeit aufgelösten Sammlung Carl von Hollitschers für das Museum erworben werden. Von dem Meister, dem einzigen Holländer des 15. Jahrhunderts, von dem wir eine runde Vorstellung haben, sind nicht eben viele Werke erhalten, denn schon mit 27 soll er gestorben sein. Das Marienbild, ungewöhnlich groß in den Abmessungen, ist schon typisch bolländisch im Charakter: die großen und starken, etwas schwerfälligen Formen der nicht gerade anmutigen Mutter mit ihrem herrlichen vollen Blondhaar, das steife und dick⸗ köpfige Kind, das von einer wunderbar gezeichneten mütterlichen Hand ehalten wird und mit einem Blümchen spielt, zeigen die Eigenheiten olländischer Rasse. Die liefe Farbigkeit vor dem Damastvorhang tst von hoher Schönheit. Die Hintergrundslandschaft mit der kleinen Wassermühle deutet auf die Blüte der holländischen Landschaftskunst voraus, und die feine Lichtbehandlung etwa wie die Füße des Kindes von dem roten Wiederschein des Marienmantels beleuchtet werden verrät gleichfalls eine der besten Eigenheiten, die der holländischen Malerei stets ihr besonderes G präge gegeben haben. Die andere Neuer⸗ werbung ist eine Beweinung Chbristi von dem oberschwäbischene Meister von Meßkirch, die Kommerzienrat J. Mandelbaum der Galerie schenkte. Der im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts tätige Maler ist in seiner Farbenkunst auf gut erhaltenen Tafeln wie dieser mit seiner hellen und flockigen Art von einer überraschenden Frische. Etwa wenn er hier die Magdalena, die sich mit ihrer Salbbüchse der Gruppe der Trauernden unter dem Kreuze nähert, ganz in Weiß kleidet und nun völlig im Lichte modelliert. Hinter der frommen Scene öffnet sich eine reiche Landschaft am Felsenufer eines Stromes mit Burgen auf den Haarlemer Höhen, ein Bild prangender füddeutscher Schönheit.

Literatur.

Die von Seiner Majestät dem Kaiser und König am 11. September in der Friedrichshalle in Essen an die Beamten, Arbeiter und Arbeiterinnen der Kruppwerke gehaltene Rede ist in Broschürenform im Verlage von Karl Heymann in Berlin (W. 8, Mauerstraße 43/44) erschienen. 1000 Stück kosten 100 ℳ; größere Bezüge werden zu Mengenpreisen abgegeben.

Im Königlichen Opernhaufe wird morgen, Donnerstag, „Salome“ mit Fräulein Bommer vom Königlichen Hoftheater in Wiesbaden als Gast, Frau Goetze und den Herren Kraus, Schwarz und Sommer in den Hauptrollen aufgeführt. Im Königlichen Schauspielhause wird morgen „Meine Frau, die Hofschauspielerin“, in der gewohnten Besetzung gegeben. In den Kammerspielen des Deutschen Theaters geht in Abänderung des Spielplans am Freitag Felix Saltens Einakterzoklus „Kinder der Freude“ in Szene. Am Sonntag wird Ludwig Fuldas Traumschwank „Die Richtige“ mit Else Heims und Hans Waßmann in den Hauptrollen in den Spielplan auf⸗ genommen. b

Im Deutschen Opernhause geht „Eugen Onegin“, Oper von Peter Tschaikowskv, am Freitag, neu einstudiert, in Szene. Die Hauptrollen sind mit den Damen Herta Stolzenberg (Tatjana), Margarete Bach (Olga), Emma Vilmar (Larina), Paula Weber (Filipjewna), und den Herren Holger Börgesen (Eugen Onegin), 9. udol Laubenthal (Lenski), Ernst Lehmann (Fürst Gremin), Edwin eyver (Friquet), Richard Rübsam (Hauptmann) besetzt. Musikalischer Leiter ist Ignaz Waghalter, Spielleiter: Dr. Kaufmann.

In der Kaiser Wilhelm⸗Gedächtniskirche veranstaltet der Organist Walter Fischer morgen, Donnerstag, Nachmittags 6 Uhr, ein Orgelkonzert, bei dem Emy Freifrau von Stetten (Sopran) und der St. Michqelkirchenchor (Dirigent Kgl. Musik⸗ direktor Dr. Kromolocki) mitwirken. Das Programm enthält klassische und zeitgenössische Kirchenmusik. Eintritiskarten zu 1,— (Stahlplet und 0,50 (Kirchenschiff) sind bei Bote & Bock, Wertheim und Abends am Eingang der Kirche zu haben.

ETE 8 Georg Schnevoigt, städtischer Musikdirektor in Helsingfors, künstlerischer Leiter und erster Dirigent des Konzert⸗ vereins in Stockholm, veranstaltete mit dem verstärkten Phil⸗ harmonischen Orchester dieser Tage ein Finnisches Konzert in der Philharmonie. Finnische Musik ist bei uns ja keine Neuigkeit, da bereits seit Jahren hier Werke von Sibelius, Palmgren usw. aufgeführt werden. Kompositionen dieser beiden Meister standen wiederum auch an der Spitze des Pro⸗ gramms dieses Konzertes. Mit besonderer Leidenschaft dirigierte Herr Schnéevoigt die D⸗Dur⸗Symphonie von Sibelius, ein Werk voller kleiner farbenprächtiger Klangmalereien, unterbrochen von wehmütigen Tönen der Bläser, die besonders viel und oft ein⸗ setzen. In wirksamem Gegensatz dazu stand das Klavierkonzert von Palmgren „Der Fluß“: ein fesselndes, phantastisches Dahingleiten, welches Frau Sigrid Schnéevoigt mit schönem Ton und großer Virtuosität vortrug. Das Orchester gab bei beiden Werken sein Bestes. Eine angenehme Unterbrechung bot zwischen⸗ durch der Vortrag einiger Lieder von Merikanto, Järnefelt, Melartin und Sibelius, die Irma Tervani mit ihrem besonders im Piano wohlklingenden Alt warm empfunden wiedergab. Einige Tage später gab der Kapellmeister Hermann Scherchen in demselben Saal sein erstes Symphoniekonzert mit dem Phil⸗ harmonischen Orchester. Der Konzertgeber, der erst vor kurzem aus fast vierjähriger russischer Gefangenschaft zurückgekehrt ist, hatte, außer Mozarts Es⸗dur⸗Symphonie und Bruckners Sechster, eine Neu⸗ heit für Berlin auf seine Vortragsfolge gesetzt, und zwar aus Pfitzners Musik zu Ibsens „Fest auf Solhaug“ die Vorspiele zu den drei Akten. Das Vorspiel zum ersten Akt beginnt mit einer in Oktaven geführten Melodie, die die nordische Stimmung, die über Ibsens Jugendwerk liegt, wundersam wiedergibt. Nur schade, daß das fesselnde Tonstück für Bühnenaufführungen der Dichtung reichlich lang geraten ist. Das Vorspiel zum zweiten Akt bringt überschäumende Festesfreude überzeugend zum Ausdruck, während das zum dritten Akt zunächst die Tragik der Schwesterliebe in düsteren Farben malt, bis Fanfaren das Herannahen des Herolds des deus ex machina in Ibsens Dichtung verkünden. Das stimmungs⸗ volle, prächtig durchgeführte Vorspiel klingt zart aus. Der Kapell⸗ meister Scherchen verdient für die Auffüh ung der drei Vorspiele Dank, war ihnen aber nicht der geeignete Ausdeuter. Besser gelang ihm die Wiedergabe der Mozartschen Es⸗Dur⸗Symphonie, wenn auch ein nicht immer genaues Einsetzen der einzelnen Stimmen und rein äußerlich ein Zuviel an außeren Be⸗ wegungen das im ganzen günstige Bild hier und da trübten. Ein anderer Orchesterleiter, Kurt von Wolfurt, der sich ebenfalls an der Spitze des Philharmonischen Orchesters in der Phil⸗ harmonie vorstellte, brachte eigene Kompositionen zu Gehör: Zu⸗ nächst „Gesang des Meeres“, em Tonstück für großes Orchester, das trotz mancher Schönheiten durch seine Länge und das oft vari erende Hintereinanderreihen von Motiven ermüdete; dann Vertonungen einiger Goethescher Lieder, die von Cornelis Bronsgeest vorgetragen wurden, aber wenig Eindruck machten, da man wegen der allzumassigen Orchesterklänge nur wenig von ihnen hören konnte. Das letzte Lied („Zigeunerlied“) schien indessen dem Publikum zu gefallen; es mußte wiederholt werden. Als Dirigent bewies Kurt von Wolfurt im 2. Satz von Bruckners IV. Symphonie bemerkenswerte Begabung, die aber noch der Festigung und Vertiefung bedarf. Ausverkauft war ein Wagnerabend von Hans und Martha

Stimmenmaterial beider Künstler ist es

die 3 88* verständige ige Vortrag, der die Zuhörer durchzeg feßelt. HAu mit C12 rbythmisch ehernen Schmiedelied aus „Siegfried“ und dem lvrischen Preislied Walters aus den

Meistersingern“ wirksame Leistungen; die Sängerin brachte in der dra⸗ matischen Ballade Sentas aus dem „Klie enden Holläader“ und dem herr⸗ lichen Liebestod aus „Tristan und Isolde“ alle Register ihrer hochent⸗ wickelten Vortragskunst zur Geltung. Beide Künstler vereinigten sich dann in den Zwiegesängen aus „Walküre“ und „Götterdämmerung und stellten hier noch packend gesteigerte Leistungen hin. Das Orchester begleitete mit hingebendem Verständnis und holte sich einen Sondererfolg mit den Vorspielen zu den Opern „Der fliegende Holländer und

Die Meistersinger von Nürnberg“, wofür seinem vortrefflichen Leiter Camillo ildebrand 15 Beifall zuteil wurde. Elisabeth Kallés gab am Mittwoch voriger Woche im Bech⸗ steinsaal einen Liederabend, dessen Fr bekannte Lieder von Beethoven, Schumann, Brahms, Cornelius, Mahler und Wolf enthielt. Außerdem standen einige der reizpollen Kinderlieder von Leo Blech und ein neues Lied einer Komponistin, die sich unter dem Namen Selden⸗Goth verbirgt, auf der Vortrags⸗ folge. Die Konzertgeberin verfügt über eine schöne, wohl⸗ lautende Sopranstimme, aus der sich freilich bei weiterer technischer Vervollkommnung noch mehr herausholen ließe. Im Vortrag zeigte sie sich recht gewandt, namentlich bei dem eigenartigen Lied Familiennachricht“ der oben erwähnten Komponistin und bei Hugo Wolfs „Storchenbotschaft“, die sie recht launig wiedergab. Mit gutem Erfolge ließ sich in demselben Soal Elsa Gregory hören. Ihre Leistungen als Sängerin sind bekannt, so daß es genügt festzustellen, daß sie besonders in Liedern von Wolf und Strauß wieder in geschmack⸗ voller Weise ihre schönen Mittel ins Treffen führte. Besonders gut gelangen ihr ferner zur Laute gesungene alte Volkslieder. Günstige Eindrücke hinterließ auch ein im Beethovensaal egebener Lieder- und Duettabend der Sängerinnen Irmingard Freund⸗Mott (Sopran) und Julia Rahm⸗Rennebaum lt).

eide sind von früher her schon vorteilhaft bekannt, so daß ein näberes Eingehen auf Einzelheiten ihres geschmackvoll zusammengesetzten Pro⸗ gramms sich erübrigt. Coenraad V. Bos führte die Begleitungen in gewohnter hinftbcger Weise aus. Joseph Lhevinne, der am 19. September nach längerer Pause im Beethovensaal wieder einen Klavierabend gab, hatte sich seine Vortragsfolge aus Kompositionen von Bach, Liszt, Weber, Brahms und neueren Tonsetzern zusammengestellt. Bei der Wiedergabe der As⸗Dur⸗ Sonate von Weber und mehr noch der F⸗Moll⸗Sonate von Brahms ließ der Künstler die enge Fühlung mit der musikalisch⸗ eistigen Eigenart des Komponisten vermissen, ohne die ein ö Nachschaffen so persönlich geprägter Werke nicht zu erzielen ist. Am besten glückten Joseph Lhevinne, der über eine hochentwickelte, klang⸗ schöne Technik verfügt, die virtuosen Aufgaben seines Programms. So fanden die drei Präludien von Rachmaninoff und die F⸗Moll⸗ Etüde von Dohnanpi in ihm den rechten Vermittler.

Mannigfaltiges.

Finheitliche Kriegsanleiheversicherung für Heeres⸗ ““ 88 die deer handelnde Mitteilung in Nr. 225 d. Bl. (erste Beilage, 2. Seite) haben sich infolge eines Versehens des „W. T. B.“ an zwei Stellen Fehler eingeschlichen. Zunaͤchst ist, wie das genannte Büro berichtigt, selbstverständlich bei der Ver⸗ icherung die Kriegsgefahr e in geschlossen (nicht ausgeschlossen, wie in

eile 20/21 jener Mitteilung gesagt war). Ferner ist unter den deutschen Lebensversicherungsgesellschaften, die sich zu dem die Kriegs⸗ anleiheversicherung für Heeresangehörige auf eine einheitliche Grund⸗ lage stellenden „Deutschen Kriegsanleiheversicherungsverband“ zu⸗ sammengeschlossen haben, infolge Ausfallens einer Zeile die Nürn⸗ berger Lebensbersicherungs⸗Aktiengesellschaft nach Berlin verlegt, während sie ihren Sitz in Nürnberg hat, und die Preußische Lebens⸗ versicherungs⸗Aktiengesellschaft in Berlin völlig augzesaffen worden. Bei der letztgenannten Gesellschaft, Berlin W. 8, Mohrenstraße 62, befindet sich, wie bereits in jener ersten Mitteilung angegeben wurde, die Geschäftsstelle des Verbandes. 8 32

Bern, 24. September. (W. T. B.) Italienische Zeitungen melden ein starkes Erdbeben im gre Häschen nselreich, das besonders auf Milo verheerend gewirkt habe; man zähle dort 300 Tote und über 2000 Verwundete; fast alle größeren Gebäude seien eingestürzt.

M ESortse ung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Lcenc ““

Königliche Schauspiele. Donnerst. Opernhaus. 199. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Salome. Drama in einem Aufzuge Dichtung in deutscher mann. Musik von Richard Strauß. ir Kapellmeister Dr. Besl. Spielleitung: Herr Bachmann. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 200. Dauerbezugsvorstellung. und Freiplätze sind aufgehoben. Meine Frau, die Hofschauspieleriu. Lustspie in drei Akten von Alfred Möller und Lothar Sachs. Spielleitung: Herr Oberspielleiter Patry. Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag: Opernhaus. 200. Dauerbezugsvorstellung. und Freiplätze sind aufgehoben. der Sängerkrieg auf Wartburg. Romantische Oper in dre Akten von Richard Wagner. Anfang 7 Uhr. 1

Schauspielhaus. 201. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Ein Akt von Wilhelm Schmidtbonn. Dr. Bruck. Hierauf: Der zerbrochene Krug. zi in einem Aufzug von Heinrich von Kleist. Spielleitung: Herr Dr. Bruck. Anfang 7 ½ Uhr.

Uebersetzung von Hedwig Musikalische Leitung: Hei

Verlobt: Uslar (Eltville Hannover). Geboren: Ein Sohn: Hrn. Landrat Walter von Keudell⸗Hohen⸗

Jürgen von Enckevort (Albrechtsdorf). Gestorben:

Fr. Anna von Obernitz, geb. von Reiman (Potsdam).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle

Rechnungsrat Mengering in Berlin. 8 Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.

Müshlhausen, der unter Mitwirkung des Philharmonischen Orchesters ebenfalls in der Philharmonie stattfand. Es zeugt das für die Beliebtheit des Sängerpaares, dessen großzügige Leistungen auch an diesem Abend gebührend gefeiert wurden;

Druck der Norddeutschen Buchdrukerei und Verlaasanstalt. Berlin, Wilhelmstraße 32. 8

88 11““

Vier Beilagen

dem Maler Geertgen⸗St. Jans, und konnte aus der vor einiger

denn neben dem ausgiedigen, das Orchester überstrahlenden

.“

E1I11““

sowie die Inhaltsangabe Nr. 38 zu Nr. 5

8

nach Oskar Wildes gleichnamiger Lacha

Dienst⸗ und. zu der Annahme,

Dienst⸗ Neu einstudiert: Tannhäuser und

Die Versuchung des Diogenes. Epeelleitung : exr Lustspiel

rl. Elsa von Cotzhausen mit Hrn. Leutnant Hans von 8

lübbichow (Berlin⸗Schöneberg). Eine Tochter: Hrn. Hans Toni Freifr. von Reibnitz, geb. von Treskow (Posen). 8

1s.

Nichtamtliches.

Parlamentarische Nachrichten. Im Hauptausschuß des Reichsta es ergri

der Reichskanzler Dr. Graf von H 8. dkarc daeenih de

führte laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ fol⸗

gendes aus:

Meine Herren! Der Ausschuß ist zusammengetreten

ernsten Lage, in der zwir uns zurzeit befinden, 88 der Reichaleinder Auskunft über eine Reihe schwerwiegender Frngen zu erhalten und dieselben mit den Regierungsvertretern zu besprechen. Der Wunsch ist dürchaus vesetdach ung, mis ihm nach Möglichkeit ent⸗ egenkommen; achst möchte ich mir aber gestatten, eini gemei Pemerkungen vorauszuschicken. gestatten, u allgemeine Meine Herren, wie Ihnen bekannt ist, hat sich weit Bevölkerung eine tiefgehende Verstimmung . u“ Grund dafür ist der Druck, welchen der furchtbare, nun schon mehr als vier Jahre währende Krieg verursacht, alle die Leiden und Ent⸗ bebrungen, die er zur Folge gehabt, die Opfer, die er allen Ständen allen Familien und mehr oder minder jedem einzelnen auferlegt. Ich denke nicht daran, diesen Druck durch Worte verringern zu wollen, aber meine Herren, wenn die Mißstimmung durch unsere gegenwärtige mili⸗ tärische Lage, durch die Ereignisse an der Westfront beeinflußt ist, so muß ich, ohne den zu erwartenden Mitteilungen des Vertreters des Kriegsministeriums vorgreifen zu wollen, mit allem Nachdruck er⸗ klären, daß sie weit über das berechtigte Maß hinausgeht. Gewiß, meine Herten unsere 8 groß angelegte Offensive hat uns nicht den gehofften Erfolg gebracht, das maß ohne weiteres zugegeben werden. Die Heeresleitung hat sich veranlaßt gesehen, unsere weit vorgeschobenen Linien auf die sogenannte Sie friedstellung zurück⸗ zunehmen. Die Lage ist ernst, aber wir haben einen Grund, klein⸗ mütig zu sein. Wir haben schon Schwereres durchzumahen gehabt. Denken Sie an den Sommer 1916, als die Verdun⸗Offensive scheiterte, an der Somme die heftigsten Kämpfe und im Osten die Massen⸗ anstürme Brussilows stattfanden, welche die bekannten ungünstigen Rück⸗ wirkungen an der österreichisch⸗italienischen Front nach sich zogen, und nun auch noch Rumänien in den Krieg eintrat Damals haben wir den Mut nicht verloren, sondern den Feinden, die uns am Ende wähnten, gezeigt, was entschlossener Siegeswille vermag. Und wie steht es heute? Wir haben Frieden mit Rußland und mit Rumänien, und wenn auch die Verhältnisse in dem ehemaligen russischen Reiche noch nicht geklärt sind und die Zukunft unsicher erscheint, so ist doch für uns die frühere Bedrohung von zwei Seiten in Wegfall gekommen, und ein be⸗ trächtlicher Teil unserer vormaligen Ostarmee kann jetzt im Westen ver⸗ wendet werden. Die österreichisch⸗ungarische Armee hält weite Strecken italienischen Gebietes besetzt und henptn dort tapfer ihre Stellungen, in Frankreich aber weisen unsere Truppen die von Franzosen, und Amerikanern unternommenen und durch moderne Kampfmittel aller Art unterstützten Vorstöße zurück. Der alte Geist ist in ihnen lebendig, das haben die resgnihe der letzt⸗ vergangenen Tage deutlich erkennen lassen. Die hartnäckigen Durch⸗ bruchsversuche des Feindes werden scheitern, des Vaterlandes treue Söhne wehren ihm todesmutig das Eindringen.

Und da sollten wir verzagt werden, sollten wir vergessen, was früher geschehen ist? Sollten wir da den Männern, die in den ver⸗ haene Jahren uns von Sieg zu Sieg geführt aben, nicht mehr as alte rückhaltlose Vertrauen entgegenbringen, weil einer der Wechselfälle eingetreten ist, wie sie die Kriege jederzeit mit sich bringen? Nein, meine Herren, das wäre unmännlicher Kleinmut und schnöder Undank. Unsere Feldherren, Hindenburg und Ludendorf,, werden sich wie jeder früheren, so auch der gfenwärtigen Lage gewachsen zeigen, und der voreilige iegesjubel der Feinde wird bald wieder abflauen. Aber eer und Heimat gehören zusammen. Ich habe auch bei rüheren Gelegenheiten nie versäumt, wie dem Volke in Waffen so dem Volke in der Heimat meine Bewunderung und meine Hoch⸗ achtung auszusprechen. Gewiß, die laute Begeisterung, wie sie die Augusttage 1914 erfüllte, konnte nicht vorhalten; aber die feste Ent⸗ schlossenheit, auszuharren bis zum Ende, die wird allen Schwankungen und Erschütterungen zum Trotz fortbestehen. Die Väter und Mütter in der Heimat werden die Söhne, Gatten und Brüder draußen im delde nicht im Stiche lassen, gerade jetzt, wo es aufs Gane geht.

„Wir haben den Krieg vom ersten Tage an als einen Ver⸗ tedigungskrieg geführt. Nur um unserer Verteidigung willen sind wir in Belgien eingerückt. Ich betone das um so energischer, an⸗ gesihts des schnöden Mißbrauchs, der bis in die letzten Tage hinein mit dem bekannten Worte des damaligen Herrn Reichskanzlers ge⸗ ieben wird. Als wir in Belgien einrückten, baben wir das ge⸗ shriebene Recht verletzt, aber es gibt, wie für den einzelnen, so nüch für die Staaten, ein anderes Recht, das ist das Recht der Selbstverteidigung und der Notwehr. Wir hatten Grund daß, wenn wir nicht rasch handelten, der eind uns zuvorkommen und bei uns einrücken würde. Nach⸗ triglich haben wir dann aus den belgischen Archiven ersehen, wie bedenklich es längst vor Ausbruch des Krieges um die belgische eutralität bestellt war. Und hatten wir nicht vor dem notgedrungenen inmarsch Belgien die Friedenshand geboten und uns bei Zusage der Neutralität anheischig gemacht, für die durch unsere militärischen aßregeln entstandenen Schäden aufzukommen? Wir haben das gleiche ngebot zum zweiten Male nach der Einnahme von Lüttich gemacht, aber die belgische Regierung wollte nichts davon wissen und schloß sich dem unde unserer Feinde an. Um unsere Verteidigung allein hat es sich bei allen den weiteren Kämpfen gehandelt. Wir mußten uns im Osten er gewaltigen rufsischen Heeresmassen erwehren, die verwüstend in storeußen eingedrungen waren, und sie in harten Kämpfen in ihre renzen zurückweisen und sie dann Schulter an Schulter mit unseren treuen Verbündeten am weiteren Vordringen hindern. Ebenso kämpfen vir im Süden an der Seite der österreichisch⸗ungarischen Monarchie 8” das treulose Italien. Und in Frankreich, das nunmehy der auptsächliche Kriegsschauplatz geworden ist, haben wir nie ein Hehl araus gemacht, daß uns jeder Gedanke an Eroberung fern liegt. Wie aber stehen die Dinge auf der Gegenseite? Freilich, wenn man den Auslassungen der Feinde, amtlichen und außeramtlichen, Glauben schenken wollte, so ginge ihr Wille nur dahin, das im frevel⸗ iaften Uebermut die Welthegemonie anstrebende Deutschland zurück⸗ suweisen, für Freiheit und Verechtigkeit gegen deutschen Imperialis⸗ mus und preußischen Militarismus zu kämpfen. Wir wissen es esser. Vorbereitet wurde der Weltkrieg schon vor Jahren durch die bekannte Einkreisungspolitik König Eduards. In Frankreich entstand fine ausgedehnte Kriegsliteratur, die in militärischen Fachblättern, wie 9 Einzeldarstellungen auf den bevorstehenden Krieg mit Deutschland hinwies. Der Einfluß Oesterreich⸗Ungarns auf dem Balkan sollte ausge⸗ haltet werden, so verlangte es das russische Expansionsbestreben und ie panslavistische Idee. Und nicht die „preußische Militärpartei hat die Fackel an den Zündstoff gelegt, sondern während der vehische iser bis zum letzten Augenblick bemüht war, den Frieden aufrecht erhalten, hat die russische Militärpartei gegen den Willen des schwachen Zaren die Mobilmachung durchgesetzt und damit den Krieg unvermeidbar gemacht. Das haben die Akten des Suchomlinoff⸗ projesses einem jeden, der sehen will, deutlich gezeigt. Wir können

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eichsanzeiger und Königlich Pre

Erste Beilage

Berlin, Mittwoch, den 25. Septembe

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dem Urteil der Nachwelt ruhig entgegensehen. Für die Gegenwart freilich haben die feindlichen Machthaber es ver tanden, durch einen unerhörten Feldzug der Lüge und Verleumdung die Wahrheit zu verdunkeln. Was durch das gesprochene oder geschriebene Wort nicht erreicht wurde, mußte durch bildliche Darstellungen ersetzt werden. Erzeugnisse einer geradezu teuflischen Phantasie, von der man sich mit Entsetzen und Ekel abwendet. Aber der Zweck ist erreicht worden. In der feindlichen Bevölkerung ist ein Haß gegen die M ttelmächte, insbesondere gegen Deutschland, entfacht, der alle Besonnenheit aufhebt, jedes gerechte Urteil erstickt. Sie haben alle die jüngste Rede Clemenceaus gelesen, die an fanatischem Hasse und Roheit der Gesinnung alles bisher Geleistete zu übertreffen schien, aber in Amerika hat sie, wie die zu uns herüberdringenden Kundgebungen beweisen, ein vielstimmiges Echo gefunden. In den Vereinigten Staaten ist zurzeit der wildeste Kriegstaumel im Gange. an berauscht sich an dem Ge⸗ danken, daß Amerika den geknechteten Völkern Mitteleuropas die Segnungen moderner freiheitlicher Kultur bringen müsse, und erfreut sich zugleich der vielen Millionen, welche die Kriegsrüstungen in die Taschen der Geschäftsleute fließen lassen. Theorie und Praxis sind eben verschiedene Dinge, und auch das alte Wort von dem Splitter im fremden und dem Balken im eigenen Auge bewährt sich immer wieder in den Machenschaften der Entente. Sie finden kein Ende in der Verurteilung unseres Einmarsches in Belgien; über die Vergewaltigung Grikchen⸗ lands aber, die Einmischung in die inneren Verhältnisse des Landes, die erzwungene Abdankung des Königs, gehen sie als an etwas Selbst⸗ verständlichem ruhig vorüber. Sie behaupten, für den Schutz der unterdrückten Nationen einzutreten, die Jahrhunderte alten Leiden und berechtigten Beschwerden Irlands aber finden nirgendwo Gehör, auch nicht in Nordamerika, wo man doch durch die zahlreichen irischen Auswanderer darüber unterrichtet ist. Und die englische Regierung, die mit besonderer Vorliebe die Worte von Recht und Gerechtigkeit im Munde führt, hat es ganz neuerlich damit vereinbar gefunden, das zusammengelaufene Gesindel der Tschecho⸗Slowaken als krieg⸗ führende Macht anzuerkennen.

Und wie wird sich demgegenüber das deutsche Volk verhalten? Wird es etwa angstvoll um Lne. flehen? Nein, meine Herren, es wird, süicgedent seiner großen Vergangenheit und seiner noch kLLE jon in der Zukunft, aufrecht stehen bleiben und nicht zu Kreuze kriechen. Die Lage ist ernst, aber zu tiefer Miß⸗ stimmung gibt sie keinen Anlaß. Der eherne Wall an der West⸗ front wird nicht durchbrochen werden, und der Unterseebootkrieg erfüllt langsam, aber sicher seine Aufgabe, den Frachtraum zu verringern und dadurch vor allem den Nachschub an Mann⸗ schaften und Material aus den Vereinigten Staaten wirksam zu bedrohen und mehr und mehr einzuschränken. Die Stunde wird kommen, weil sie kommen muß, wo auch die Feinde zur Vernunft kommen und sich bereit finden werden, dem Kriege ein Ende zu machen, ehe die halbe Welt zu einer Trümmerstätte geworden ist und die Blüte der Manneskraft tot am Boden liegt.

Inzwischen gilt es, kaltblütig und zuversichtlich, einheitlich und Föstgeschloffen zaseattenenfbteden Für uns alle kann es ja nurr ein Ziel, ein Interesse geben, den Schutz des Vaterlandes, seiner Unabhängigkeit und Bewegungsfreiheit. Hier ist kein Zwiespalt zwischen Regierung und Bevölkerung. Die Regierung will nur mit dem Volke und für das Volk arbeiten, und sie darf erwarten, daß dieses dabei hinter ihr steht. Gewiß ebt es auch bei und Meinungsver⸗ schiedenheiten auf politischem Gebiet und die Zeit nach dem Kriege wird uns auch im Innern vor neue Probleme stellen. Ich will davon jetzt nicht reden, aber da ich weiß, daß die vorhandene Miß⸗ stimmung nicht allein durch die zuvor angedeuteten Leiden und Kümmernisse der Kriegszeit, sondern auch durch ganz be⸗ stimmte Sorgen und Beschwerden politischer Art beeinflußt ist, will ich hierüber ein kurzes Wort sagen. Ich bin von dem Tage an, da ich die schwere Bürde des Kanzleramtes über⸗ nommen habe, bestrebt gewesen, die von mir gegebenen Zusagen zu erfüllen, und ich werde mich durch nichts beirren lassen, das, was nach dieser Richtung noch aussteht, energisch durchzu⸗ führen. Natürlich denke ich hierbei an die große Reformvorlage, die zwar nicht vor das Forum des Reichstags gehört, aber weit über die preußischen Grenzen hinaus die politischen Kreise in Deutschland beschäftigt. Ich kann hier nur auf die Erklärungen verweisen, die ich wiederholt, zuletzt im preußischen Herrenhaufe, abgegeben habe. Die Staatsregierung ist fest entschlossen, die Vorlage zur Annahme zu bringen und wird dabei vor keinem ihr verfassungsmäßig zu Gebote stehenden Mittel zurückschrecken. Dabei aber bitte ich Sie, eines zu bedenken: Es handelt sich um eine tiefgreifende Veränderung in der historisch erwachsenen Struktur des preußischen Staates. Es wäre eine Unbilligkeit, ja, es wäre nicht gerecht, wenn den Vertretern der alten Ordnung nicht die Möglichkeit gegeben würde, ihren Standpunkt in dem Parlament zu vertreten oder man über ihre Argumente mit leichter Handbewegung hinweggehen würde. Von Verschleppungsver⸗ suchen darf natürlich nicht die Rede sein und ist auch nicht die Rede, wie sich die Herren in Bälde überzeugen werden. Gelingt es jedoch nicht, das gesteckte Ziel auf dem 55 varlamentarischer Aussprache zu erreichen, so wird eben der andere Weg beschritten werden, den die Verfassung vorzeichnet.

Lassen Sie mich zum Schluß noch einen kurzen Blick in die Zu⸗ kunft werfen. Die Menschheit zittert bei dem Gedanken, daß dieser schreckliche, kulturvernichtende Krieg nicht der letzte sein, sondern weitere Kriege nach sich ziehen werde, und die Frage beschäftigt immer weitere Kreise, ob es kein Mittel zur Abhilfe gäbe, ob es nicht möglich sei, eine Organisation unter den friedensbedürftigen Völkern zu schaffen, welche das Recht an die Stelle der Macht, die friedliche Lösung an die Stelle blutiger Kämpfe setzen würde. Bekanntlich hat der Präsident der Vereinigten Staaten in 14 Punkten die Richtlinien für einen Friedensschluß auf⸗ gestellt. Ich habe am 24. Januar d. J. in Ihrem Ausschusse die sämtlichen Punkte besprochen und zu dem letzten der⸗

bemerkt, daß mir der hier angeregte Gedanke eines Völker⸗

undes durchaus sympathisch sei unter der Voraussetzung, daß ehrlicher Friedenswille und die Anerkennung des gleichen Rechts aller Bundes⸗ staaten gewährleistet sei. Wie notwendig dieser Vorbehalt war, ergab sich aus der Aeußerung unserer Feinde, welche bei dem Völkerbunde an ein gegen Deutschland und seine Verbündeten gerichtetes Bündnis dachten. Herr Wilson hat dann in einer Botschaft vom 11. Februar einen weiteren Schritt in der gleichen Richtung unternommen und in 4 Punkten die Grundsätze aufgestellt, welche seiner Meinung nach bei einem gegen⸗ seitigen Meinungsaustausch Anwendung zu finden hätten. Ich habe in meiner Reichstagsrede vom 25. Februar mich im Prinzip damit einverstanden erklärt, daß ein allgemeiner Friede auf solcher Grundlage erörtert werden könne. Herr Wilson hat aber weder da⸗ mals, noch später hiervon Notiz genommen. Inzwischen scheint sich ja auch der frühere Ideologe und eifrige Friedensfreund in das Haupt der amerikanischen Imperialisten umgewandelt zu haben. Aber der Plan eines zu gründenden Völkerbundes wird dadurch nicht diskreditiert; er hat in dem schweizerischen Bundes⸗ präsidenten Calonder und dem norwegischen Minister Knudsen beredte Fürsprecher gefunden, welche beide insbesondere auf das Interesse der neutralen Staaten an einer solchen Ein⸗

richtung hinweisen. Auch ich nehme keinen Anstand, mich heute noch⸗

1“ 8

ußischen

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mals zu dieser Frage zu äußern und in aller Kürze auf Ziel und Grundlage eines solchen Verbandes hinzuweisen. Es handelt sich um die Forderung einer allgemeinen, gleichmäßigen und sukzessiven Abrüstung, um die Errichtung obligatorischer Schiedsgerichte, um die Freiheit der Meere, um den Schutz der tleinen Nartionen. Was den ersten Punkt betrifft, so habe ich schon am 24. Januar unter Berufung auf früher abgegebene. Erklärungen den Ge⸗ danken einer Rüstungsbeschränkung als durchaus diskutabel be⸗ zeichnet und dabei hinzugefügt, daß die Finanzlage sämt⸗ licher europäischer Staaten nach dem Kriege einer befriedigen den Lösung dieser Frage die wirksamste Unterstützung leihen würde. Was die Frage der Schiedsgerichte betrifft, so hat dieselbe eine lange Vorgeschichte. Ich will auf Einzelheiten nicht eingehen; aus dem sehr interessanten Material, das mir vorgelegen hat, ergibt sich, daß in der Vergangenheit wiederholt Deutschland die Anrufung eines Schieds⸗ gerichts in strittigen Foen angeregt hat, ebenso aber auch, daß in mehreren Fällen die usführung an dem Widerspruch gescheitert ist, der in England und Amerika dagegen erhoben wurde. Wenn es gelänge, eine internationale Verständigung dahin zu treffen, das strittige Rechtsfragen zwischen verschiedenen Staaten stets einem Schieds⸗ gericptebose vorgelegt werden müßten und dies den Gliedern des Völkerbundes zur Pflicht gemacht würde, so wäre dies ohne Zweifel ein bedeutsamer Schritt zur Erhaltung des allgemeinen Friedens. Die näheren Bestimmungen, insbesondere was die erforderliche Garantie für die Anerkennung der gefällten S iedssprüche betrifft, bedürfen einer sorgfältigen und gründlichen Ue erlegung. Ueber die Freiheit der Meere habe ich mich schon früher geäußert, sie bildet eine not⸗ wendige Voraussetzung für den uneingeschränkten Verkehr der Staaten und Völker. Hier aber werden, selbstverständlich nicht auf unserer Seite, die größten Schwierigkeiten gemacht werden. Als ich seinerzeit diesen Punkt berührte und auf die Konsequenzen hinwies, welche von einer ehrlichen Durchführung verlangt würden, also ungehemmter Zu⸗ gang für alle Nationen zu den Binnenmeeren, keine Vormachtstellung Englands in Gibraltar und Malta wie am Suezkanal, hat eine eng⸗ lische Zeitung dies als Unverschämtheit bezeichnet. Endlich der Schutz der kleinen Nationen. Hier können wir sofort und ohne Vorbehalt zustimmen, da wir hier ein völlig reines Gewissen haben. Möge also der Völkerbund kein bloßer Zukunftstraum sein, möchte sich der Ge⸗ danke vertiefen, möchte man sich in allen Ländern eifrigst mit den Mitteln seiner Einrichtung beschäftigen. Die erste und wichtigste Voraussetzung wird der ehrliche und energische Wille sein, für Friede und Gerechtigkeit einzutreten.

Hiermit möchte ich meine Bemerkungen schließen. Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen wird sich noch näher über die politische Lage aussprechen und dabei insbesondere die bekannt österreichische Note besprechen, sowie die Aufnahme. die sie bishe auf der feindlichen Seite gefunden hat. Mit überstürzter Eile haben die Machthaber in den sogenannten demokratischen Staaten ohne ihre Völker zu fragen, eine schroff ablehnende Haltung an den Tag gelegt sie haben dadurch neuerdings gezeigt, wo Eroberungssucht, wo Im⸗ perialismus und Militarismus in Wirklichkeit zu suchen sind.

Im weiteren Verlauf der Sitzung erläuterte an Stelle des Kriegsministers der Gene al von Wrisberg die Krieglage im Westen und anschließend daran die allgemeine Kriegs lage. Er führte aus:

Ueber die ersten Erfolge unserer Offensive ist dem Haushalts⸗ ausschuß bereits in früherer Sitzung berichtet worden. Nach der Ge. samtlage konnten wir damtt rechnen, daß auch unsere weiteren Angriffsoperationen beiderseits Reims zum Erfolge führen würden.

Der ausschlaggebende Faktor hierbei sollte die Ueberraschung sein. Darauf wurden die Vorbereitungen zugeschnitten. Die Ueber⸗ raschung ist nicht gelungen. Dem Feinde waren unsere Absichten bekannt. Er konnte seine Gegenmaßnahmen treffen, und er traf sie gut. Infolgedessen blieb die Offensive bei Reims auf taktische Er⸗-⸗ folge beschränkt. 1

Mit dem Einstellen unserer Offensive trat eine wesentliche Aen⸗ derung der Gesamtlage ein. Der Feind hatte nunmehr seine durch Ueberführung des englischen Heimatheeres auf den Kriegsschauplatz, durch Einsatz der farbigen Armee und durch das Eingreifen der amerikanischen Divisionen aufgefüllten Reserven wieder zur freien Verfügung. Wir mußten uns auf Abwehr einstellen. Der erste feindliche Angriff richtete sich gegen den Marnebogen. Der Feind errang einen beträchtlichen Anfangserfol. Mit Hilfe der bereitstehenden Reserven gelang es, die Front sehr bald wieder zu festigen. Die aus strategischen Gründen notwendig werdende Rückverlegung der füdlich der Aisne und Vesle stehenden Teile auf das Nordufer dieses Abschnttes gelang vollauf. Das Kriegsmaterial, die Vorräte und auch ein großer Teil der Ernte konnten geborgen werden. Wiederholte Angriffe des Feindes gegen unsere Flügel wurden blutig abgewiesen. So brachte die erste Offensive des Feindes ihm zwar einen taktischen Anfangserfolg, im roßen Rahmen seiner strategischen Ziele betrachtet, kann sie jedoch als nicht geglückt dezeichnet werden.

Der Angriff am 8. zwischen Ancre und Avre kam unserer Führung nicht unerwartet. Wenn es trotzdem den Engländern ge⸗ lang, einen großen Erfolg zu erringen, so sind die Gründe hierfür in der Massenverwendung der Tanks und in der Ueberraschung unter dem Schutze des Nebels zu suchen. Die zwischen Anere und Avre entstandene Einbuchtung nötigte uns, die Front bei und südlich Montdidier zurückzunehmen. Der am 10. August hier vorbrechende Großangriff des Feindes wurde so zu einem Luftstoß. Die gegen unsere neue Front bei Roye einsetzende Offensive des Feindes lief sich hier frontal fest. 1 1

Am 18. August begann der feindliche Angriff zwischen Oise und Aisne, dem wir durch Ausweichen hinter den Kanal und hinker die Ailette begegneten.

Im Norden setzte der Engländer zwischen Scarpe und Somme zu erneutem Angriff an. Wir nahmen den Kampf in einer rückwärtigen vorberetteten Zone an. Als sich aber auch bier der Mangel gut ausgebauter Stellungen fuhlbar machte, entschloß man sich im allgemeinen, in die früher ausgebauten Stellungen zurückzugehen. Der Entschluß zur Aufgabe des Geländes konnte um so leichter gefaßt werden, als es sich durchweg um völlig zerstörtes und verwüstetes Gelände handelt, dessen Ungunst somit den feind⸗ lichen Truppen zur Last fällt. In den neuen Stellungen können wir mit vollem Vertrauen weitere Angriffe des Feindes erwarten.

Um einen dem feindlichen Angriff umsassend ausgesetzten, nur mit schweren Opfern zu haltenden Frontabschnitt zu beseitigen und die Front zu werkürzen, wurde der Bogen zwischen Ypern und La Bassée und damit auch der Kemmer geräumt. Am 12. September setzte der französisch⸗amerikanische Angriff gegen den Mihielbogen ein. Die Räumung des zur hartnäcktigen Ver⸗ teidigung ungeeigneten Abschnitts war schon in Erwartung eines feindlichen Aagriffs eingeleitet worden. Der größte Teil des Materials war zurückgebracht, als der Angriff einsetzte. Während es an der Westfront gelang, auf der Coöte Lorraine ungehindert in die Sehnenstellung zurückzutommen, glückte es den Amerikanern an der Südfront, eine unserer Divisionen einzudrücken und auf Thiaucourt vorzustoßen, wo ihm neue Reserven entgegen⸗ traten. Es war dem Feinde gelungen, Gefangene zu machen und Geschütze zu erobern, aber nicht in dem Umfange, wie der Feind

angibt.