1918 / 233 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 02 Oct 1918 18:00:01 GMT) scan diff

Bulgarischer Bericht.

8 rics ofia, 29. September. (W. T. W.) Amtlicher Heeres⸗ ericht.

Mazedonische Front. Von Albanien bis zur Be⸗ lassüba; Nachhutkämpfe. An der Belassitza⸗Front Patrouillengefechte mit für uns glücklichem Ausgang. Im Strumatal versuchten mehrere griechische Kompagnien mit Geschützen und Maschinengewehren sich unseren Stellungen zu

nähern, sie wurden aber verjagt und ließen ihre Geschütze, Maschinengewehre und Gefangene in unseren Händen zurück.

Parlamentarische Nachrichten.

8 In der gestrigen 81 der 17. Kommission des preußischen Herrenhauses wurde, wie „W. T. B.“ be⸗ richtet, nach kurzer Aussprache unter Ablehnung der Anträge auf Einführung eines Berufs⸗ oder eines Gruppenwahlrechtes dem gleichen, allgemeinen, direkten Wahlrecht nach der Regierungsvorlage unter Hinzufügung einer Zusatz⸗ stimme für ein Alter von . Jahren zugestimmt. Die Fortsetzung der Beratung wurde sodann auf Mittwoch vertaaa 8 8 8 16“

Der nationalliberale Reichs⸗ und Landtagsabgeordnete Wilhelm Hirsch⸗Essen, der zim Reichstage den Wahlkreis Sangerhausen⸗Eckartsberga und im eäestschen Abgeordneten⸗ hause den Wahlbezirk Altena⸗Lüdenscheid (St.)⸗Iserlohn (St. u. L.) pertrat, ist laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ im 58. Lebensjahr in der Nacht zum 30. September gestorben.

Statimtk und Volkswirtschaft.

Die gemeinnützige Stellenvermittlung der kauf⸗ männischen Verbände in Berlin (Verein junger Kaufleute von Berlin, Beuthstraße 20, Verein der deutschen Kaufleute, Alte Jakob⸗ straße 81, Deutschnationaler Handlungsgehilfenverband, Oberwasser⸗ straße 11, Verband deutscher Handlungsgehilfen, Dircksenstraße 26,27, und Verein für Handlungscommis von 1858, Lindenstraße 37) ver. öffentlicht jetzt ihren Jahresbericht für die Zeit vom 1. Juli 1917 bis zum 30. Juni 1918. Danach meldeten sich bei den angeschlossenen Stellenvermittlungen insgesamt 11 249 (im vorausgegangenen Jahre 16 016) Bewerber, darunter 3574 (5147) Nichtmitglieder. Diesen Bewerbern konnten 16 416 (26 826) offene Stellen angeboten werden; auf je 100 Bewerber fielen also 146 offene Stellen. Neue Stellungen erhielten 4700 (7806) Bewerber, darunter 950 (1723) Nichtmuglieder. Von den Nichtmitgliedern waren zur Zeit der Vermittlung 724 = 75 vH (1546 = 89 vH) stellenlos, von den organisierten Bewerbern 1189 = 29, vH (2832 = 46,6 vH). Von 7675 (10 869) organisierten Bewerbern erhielten 3750 = 48,8 vH (6083 = 56 vH), von 3574 (5147) nicht organisierten 950 = 268 vH (1723 = 33, vH) neue Stellung. In der Stellenliste wurden 5027 (7252) offene Stellen veröffentlicht. Im Austausch konnten 97 (270) Stellen durch andere und 404 (385) See die meldenden Vereine, insgesamt also 501 = 10 vH (655 = 9 vH. besetzt werden. Bei der Lehrstellenvermittlung meldeten sich 2788 (3805) Lehrlinge, denen 3204 (2802) Lehrstellen angeboten werden konnten. Der größeren Nachfrage entsprach die Zunahme der Zahl der Vermittlungen von 872 auf 910.ͤ Se .

Wohlfahrtspflege.

Freiwillige Krankenpflege.

Wie „W. T. B.“ mitteilt, sind vom Kriegsministerium dem freiwillig im Heeressanitätsdienste tätigen weiblichen Pflegepersona in weitgehender Weise Mittel zum Durchhalten in der Verwundeten⸗ fursorge bewilligt worden. Seit dem 21. September 1918 erhalten sämtliche Krankenpflegerinnen auf dem Kriegsschauplatze eine monat⸗ liche Löhnung bis zu 135 ℳ, Vollschwestern (d. h. staatlich geprüfte oder solche mit gleichwertiger Ausbildung) in den staatlichen Lazarerten der Heimat eine monatliche Geldvergütung bis zu 120 ℳ. Das übrige Pflegepersonal in den genannten Lazaretten er⸗ hält eine Monatsvergütung bis zu 90 ℳ. Schwesternschülerinnen beziehen vom 1. Tage ihrer Ausbildung an ein Taschengeld von monatlich 30 ℳ. Pußerdem können dem gesamten Pflegepersonal neben den bisherigen Bezügen freie Beköstigung, freie Unterkunft und freie Bekleidung gewährt werden. Hierdurch wird selbst unbemittelten Frauen ermöglicht, nicht nur in dem ihnen liebgewordenen idealen Berufe auszuharren, sondern auch einem langgehegten Wunsche zu folgen und sich eine kostenlose Ausbildung zu verschaffen. Hoffentlich wird sich so manche Schwester, die aus pekuniären Gründen seinerzeit ausge⸗ schieden ist, dem Pflegeberufe wieder zuwenden.

Ausbildung von Wohlfahrtsbeamten. Der vom Magistrat Berlin⸗Wilmersdorf im Juni⸗Juli dieses Jahres peranstaltete Einführungskursus in Wohlfahrtsverwaltung und Wohl⸗ fahrtspflege hat einen so guten Erfolg gehabt, daß der Magistrat beschlossen hat, im Oktober einen neuen, auf ein halbes Jahr be⸗ rechneten Kursus zu eröffnen. Er soll am 21. Oktober beginnen und viermal wöchentlich, Nachmittags 2—3 Stunden, stattfinden. Mittwoch und Sonnabend sollen zu Führungen und Besichtigungen freigelassen werden. Naähere Auskunft erteilt das sozialpolitische Büro 5 Mag strats Berlin⸗Wilmersdorf, Brandenburgische Straße 1, I, Zimmer 1.

Kunst und Wissenschaft.

Das Kunstgewerbemuseum veranstaltet im Oktober bis Dezember zwei Reihen öffentlicher Vorträge: An den Dienstagen, Abends 8 Uhr, spricht der Professor Dr. Oskar Fischel über bürgerliche Kunst, an den Freitagen, Abends 8 Uhr, der Professor Dr. Hermann Schmitz über Kunst und Kunstgewerbe Nieder⸗ deutschlands. Die Vorträge finden im großen Hörsaale des Museums, Prinz Albrecht⸗Straße 7a, Hof, statt, beginnen am 15. bezw. 18. Ok⸗ tober und werd ch Lichtbilder und Vorführ

„Die deutsche Not“ heißt das soeben erscheinende Septemberheft der „Süddeutschen Monatshefte”“ (Verlag München und Leipzig, Preis eine Mark achtzig). Das

eft enthält im Hauptteil folgende Beiträge: Die deutsche Not von Professor Paul Nikolaus Coßmann; Schaut euch um, der Northeliffe geht um! von Dr. Josef Hofmiller; die Not der Auslandsdeutschen von Georg Hanns Wyldeck (aus einem Interniertenlager auf der Isle of Man zurückgekehrt); Hilfs⸗ arbeit in der Munitionsfabrik von Dr. Lenore Ripke⸗Kühn; Worauf wir alles hereingefallen sind von einem Elsässer; Ideologen von Georg Bernhard, Herausgeber der Vossischen Zeitung; Ein Weg zur Erhaltung des Deutschtums von Dr. Peter Bade, Arzt in Hannover; W. von Humboldt über die Deutschen von Geheimrat Prof. Dr. O. Crusius, Präsident der K. B. Akademie der Wissenschaften; Schopenhauer über die Deutschen; Ist ein solches Volk Carl Peters; Angelsächsische Staatsmänner während der großen deutschen Offensive 1918 von Dr. Fritz Endres, Dozent an der K. B. Kriegsschule;

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. Deutschland

tert sein.

Deutschland von drinnen und draußen von Kurt Aram (bis vor kurzem Chefredakteur der Deutschen Zeitung in Sofia). Eine reichbaltige literarische Rundschau beschließt das Heft und damit den XV. Jahr⸗

gang der Süddeutschen Monatsbefte.

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ͤ 444*“ neu erschienener Schriften, deren Besprechung vorbehalten hleiht. Ernsendungen sind nur an die Schriftleitung, Wil⸗ helmstr. 32, zu richten. Rücksendung findet in keinem Falle statt.

Für alle Welt. Illustrierte Zeitschrift mit der Abteilung Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten der Feeurwifseni atten und Technik. XXIV. Jahrgang, Heft 22 bis 27. Sh 28 à 0,40 ℳ. Berlin W. 57, Deutsches Verlagshaus Bong u. Co. b

Per Krieg 1914 in Wort und Bild. Heft 187 bis 200. Preis des Heftes 0,30 ℳ. Berlin W. 57, Potsdamer Straße 88, Deutsches Verlagshaus Bong u. Co.

Der Babylonische Turm. Roman von Josef Ponten. 6 ℳ: gebdn. 8 ℳ. Stuttgart, Deutsche Verlags⸗Anstalt.

Conrad Ferdinand Meyer und Julius Roden⸗ berg. Ein Briefwechsel, herausgeg. von August Lan gmesser. 5,50 ℳ; gebdn. 7,50 888 Berlin W. 35, Lützowstr. 7, Gebrüder Paetel (Dr. Georg Paetel). 1 88 Die Rofe Gravelotte (Rose⸗Marie). Historisch⸗romantisches e von Hans von Reinfels. 3 ℳ. Augsburg, Heinri eber.

E1saze Lgt ringen. Von Dr. Klemens Lüöffler. 3 ℳ; gebdn. 3,60 ℳ. Cöln, J. P. Bachem.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

In Berlin sind, wie „W. T. B.“ berichtet, in den letzten Tagen 7 Fälle von asiatischer Cholera vorgekommen, von denen 6 tödlich verlaufen sind. Die Erkrankten waren in Kranken⸗ häusern abgesondert. Die erforderlichen Maßregeln sind getroffen. Ein Grund zur Beunruhigung liegt nicht vor. 1

Nr. 77 des „Zentralblattes der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten vom 21. September 1918, hat folgenden Inhalt: Amtliches: Bekannt⸗ machung über die Einsetzung eines Reichskommissars für Wohnungs⸗ wesen. Dienstnachrichten. Nichtamtliches: Das neue Staats⸗ archiv in Osnabrück. Die Fischpaßanlagen am Weserwehr bei Bremen. Vermischtes: 39. Haupiversammlung des deutschen Verems für öffentliche Gesundheitspflege in Cöln. 25 jähriges Bestehen des Verbandes deutscher EClektrotechniker. Denkschrift über die Wohnungsverhältnisse in Augsburg im Jahre 1918. Kurzer Beweis des Pythagoräischen Lehrsatzes. Bücherschau.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause wird morgen, Donnerstag, Carmen“ mit den Damen Leisner, Dux und den Herren Hutt und Bohnen in den auptrollen aufgeführt. Musikalischer Leiter ist der Generalmusikdirektor Blech. Anfang 7 Uhr. Im Königlichen Schauspielhause wird morgen „Meine Frau, die va Cenbier in der gewohnten Besetzung gegeben.

Mannigfaltiges.

Der Doutsche Krippenverband veranstallet am Montag, den 7. Oktober, Vormittags 10 ½ Uhr, im Vortragssaal des Neuen Rathauses in Dresden die 1Y. Krippenkonferen. Zur Verhandlung stehen zwei Gegenstände: „Die Aussichten der Ver⸗ sorgung der Kinder außerhäuslich erwerbstätiger Frauen in Familie und Anstalt“ (Professor Dr. Rietschel⸗Würzburg) und „Kriegskinder⸗ heime, ihre Stellung in Gegenwart und Zukunft“ (Professor Dr. Ibrahim⸗Jena). Vom 8. bis 19. Oktober findet ein Fort⸗ bildungslehrgang für Krippenpflegerinnen und Mitarbeiter am Krippenwesen statt. In dem 1.hen soll den Teilnehmern Gelegenheit gegeben werden sich mit den Fort⸗ schritten auf dem Gebiete des Krippenwesens bekannt zu machen, besonders mit den neueren Anschauungen über Pflege und Ernährung des Säuglings und Kleinkindes, über Betrieb und Einrichtung einer Krippe, ferner über die Verhütung und Bekämpfung der Krankheiten, von denen besonders Krippenkinder heimgesucht werden. Der Lehrplan umfaßt folgende Vortragsgruppen: 1) Klinische Vorträge über Er⸗ nährung und Ernährun sstörungen des Säuglings und Kleinkindes und über ansteckende Krankheiten, 2) Vorträge mit praktischen Uebungen über die Pflege, 3) Allgemeine Vorträge, u. a. über die geschichtliche Enwicklung des Krippenwesens, Krankheit und Tod im Säuglings⸗ und Kleinkindesalter, die körperliche Entwicklung des Kindes, die seelische Entwicklung des Kindes, Erziehung und Beschäftigung des Säuglings und Kleinkindes, Krippenwesen in Stadt und Land und die Krippe als Glied der allgemeinen Fürsorge, Aufgabe und Stellung des Krippenarztes und der Krippenpflegerin, Frauenarbeit und Kinder⸗ schutz, Stillstube und Fabrikkrippe. nmeldungen werden an die Geschäftsstelle des Deutschen Krippenverbandes, G8n bE11ö erbeten. Die Teilnahme an der Konferenz ist kostenlos. Die Einschreibegebühr für den Lehrgang beträgt 15 ℳ, Zulassungsgebühr für den einzelnen Vortrag der theoretischen Nach⸗ mittagsvorträge 0,50 ℳ, für alle Nachmittagsvorträge 5 ℳ. Vom 7. bis 20. Oktober wird im Lichthof des Neuen Rathauses in Dresden eine Ausstellung: „Die Versorgung der Kinder außerhäuslich erwerbstätiger Frauen und die Krippen“ veranstaltet. Die Ausstellung ist öffentlich. Die Eintritts⸗ gebühr beträgt 25 3. Außerdem wird ein Lehrgang für Krippenpflegerinnen vom 8. bis 19. Oktober vom Deutschen Krippenverband in Dresden abgehalten. Der Lehr⸗ gang wird am Dienstag, den 8. Oktober, Abends 8 Uhr, im Vortragssaal des neuen Rathauses (Eingang Ringstraße) durch den Vorsitzenden des Deutschen Krippenverbandes, Geheimen Sanitätsrat Meier⸗München, mit einem Vortrag über die geschicht⸗ liche Entwicklung des Krippenwesens eröffnet. Der Vortrag ist öffentlich, der Zutritt unentgeltlich.

In der Treptower Sternwarte finden in den nächsten Tagen folgende kinematographische und andere Vorträge statt: Sonn⸗ abend, Nachmittags 5 Uhr (zu halben Kassenpreisen), „Bilder aus dem Harz, Thüringen und dem Riesengebrirge“; Sonntag, Nach⸗ mittags 3 Uhr: „Graf Dohna und seine Möwe“, 5 Uhr: „Die

liegerwaffe und ihre Helden“, Abends 7 Uhr: „Das bayerische ochland und die Königsschlösser“; Dienstag, den 8. Oktober, Abends 7 Uhr: „Unser Planetensystem“ (Vortrag mit Lichtbildern von Dir. Dr. e Mittwoch, Nachmittags 5 Uhr (zu halben Kassen⸗ preisen): „Bewohnbarkeit der Welten“ (Lichtbilder), Abends 8 Uhr: „Astronomischer Rückblick“ (Festvortrag von Dir. Dr. Archenhold

anläßlich des 20 jährigen Bestebens des Vereins von Freunden der Sternwarte). Beobachtungen mit dem großen Fernrohr finden täglich

von 2 Uhr Nachmittags bis 10 Uhr Abends statt.

München, 30. September. (W. T. B.) Wie im Vorjahre, veranstaltete auch diesmal das Staatsministerium des Innern eine Vortragsfolge über die militärische und wirtschaft⸗ liche Lage, deren Eröffnung heute eine große Zahl im öffentlichen Leben stehender Männer beiwohnte. Der Staats⸗ minister Dr. von Brettreich hielt zur Einleitung eine An

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e, in der er nach Darlegung der militärischen Lage im Westen zu ch. bemerkte, daß wir uns über ihren Ernst keinen Täuschungen bingeben dürften. Sollten sich aus dem Schritt Bulgariens schwerwiegende Folgerungen am Balkan ergeben, so könne das unseren Willen, das geliebte Vaterland zu schützen, niemals beeinflussen. Mit Einsetzung aller Kraft würden wir unsere

ront im Westen zu behaupten, wissen. Schwere Entscheidungen bevor. Jetzt gelte es, zu beweisen, daß wir als Volk bestehen werden, daß Deutschland nicht untergehen könne. Würde der Krieg mit unserem Zusammenbruch endigen, so könnte sich kemer dem Schicksal des Gesamtvolkes entziehen. Dieses furchtbare Los von uns abzuwenden, sei die Forderung des Tages, sei der Inhalt unseres Willens zur Abwehr. Dieser Krieg sei ein Krieg zur Ver⸗ teidigung unseres Landes. Einheit und Geschlossenheit sei das erste Gebot, alles Trennende müsse zurückgestellt werden vor dem einen Großen, der Rettung des Vaterlandes Jeder einzelne müsse seine ganze Kraft dem Vaterlande widmen Eines sei vor allem not: Das Vertrauen, das alle Schichten der Bevölkerung untereinander und mit der Regierung verbinden müsse. Das Volk aber werde die Not⸗ wendigkeit begreifen, falsche Gerüchte sofort und tatkräftig zurück⸗ zuweisen. Der Redner schloß mit der sicheren ü ehren⸗ vollen Friedens für unser geliebtes Vaterland durch Pflichterfüllung jedes einzelnen. Hierauf wurde die Vortragsfolge mit Ausführungen des Dozenten Dr. Frip Endres über „Die Kriegsziele unserer Feinde“ Fsonnen, der die Forderung aufstellte, daß jetzt in den Tagen größter Not es den wahren und gerechten Krieg gelte, nicht den der Herrscher, sondern des tödlich bedrohten Volkes. Im Laufe der Vortragsfolge sprach auch der Staatssekretär Dr. Solf in Anwesenheit Seiner Majestät des Königs. Der Staats⸗ sekretär erinnerte einleitend an die Kolonialunternehmungen der Fugger und Welser in Südamerila als die ersten deutschen Versuche, praktische Kolonialpolitik zu treiben, an die mit dem Namen des merkantilistischen Becher verknüpften bayerische⸗holländischen Ver⸗ handlungen wegen Abtretung des heutigen New York um 1665, an die Tatsache, daß Süddeutschland sich an der neueren deutschen Kolonialbewegung, wie an der Entwicklung unserer Schutzgebiete bis zum Kriege lebhaft beteiligt habe. Er legte sodann die Gründe dar, die es für Deutschland zur Notwendigkeit machen, überseeische Kolonien zu besitzen. Diese Gründe, die der Redner in knapper Form darlegte, lägen in erster Linie auf wirtschaftli em Gebiete, in der Sicherung von Rohstoffgebieten für 91gg Industrie und von Absatzmärkten für unsere Fabrikate. Machtpolitisch seien, fuhr der Staatssekretär fort, unsere kolonialen Ziele nur defensiver Natur. Wir müßten dafür sorgen, daß gegen unsere Heimat nicht wieder die wilden Stämme Afrikas mobil gemacht werden könnten. Die Militarisierung Afrikas sei von Frankreich aus⸗ gegangen. Wir hätten sie nicht mitgemacht und wollten sie auch für die Zukunft nicht. Kolonialpolitik sei Kulturwerk, an der alle euro⸗ päischen Staaten sich zu beteiligen den Beruf hätten, von denen wir uns um so weniger verdrängen lassen dürften, als wir unsere Befähi⸗ gung zu erfolgreicher Arbeit in den überseeischen Besitzungen er⸗ wiesen hätten. Der Staatssekretär betonte weiter, daß unser kolo⸗ niales Kriegsziel, unberührt von dem Auf und Ab der kriegerischen Entwicklung, stets das gleiche geblieben sei und bleibe, nämlich Rück⸗ abe unserer Schutzgebiete und Schaffung eines Ausgleichs unter den beteiligten Staaten in den zufällig gewordenen Besitzverhäͤltnissen Mittelafrikas. Er gab der Genugtuung Ausdruck, daß die koloniale Idee immer mehr zum Gemeingut des ganzen Volkes werde.

Bremen, 1. Oktober. (W. T. B.) Die Rettungsstation sum der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiff⸗ rüchiger telegraphiert: In der Nacht zum 1. Oktober von dem ischerkutter „Meteor“, Kapitän H. Albrecht, gestrandet f Bielshoevensand, bestimmt nach Büsum, drei Personen ge⸗ ttet durch das Motorrettungsboot „Theodor Gruner“ der Station üsum. Ansterdam, 1. Oktober. (W. T. B.) Die „Niederländisch⸗ Indische Presse“ meldet aus Batavia, daß in Weltevreden in⸗ folge eines riesigen Brandes 1500 Menschen obdachlos sind⸗

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

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Königliche Schauspiele. Donnerst.:Opernhaus. 206. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Carmen. Oper in vier Akten von Georges Bizet. Text von Henry Meilhae und Ludovic Halévy nach einer Novelle des nase⸗ Merimée. Musikalische Leitung: Herr Generalmusikdirektor Blech. Spiel⸗ leitung: Herr G Ballett: Herr Ballettmeister Graeb. Chöre: Herr Professor Rüdel. Vorher: Zur Werbung für die 9. Kriegs⸗ anleihe: Vorspruch von Fritz von Ostini. Gesprochen von Frau Deman. Anfang 7 Uhr. 1

Schauspielhaus. 207. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und 1 e sind aufgehoben. Meine Frau, die Hofschauspielerin. ustspiel in drei Akten von Alfred Möller und Lothar Sachs. Spielleitung: Herr Oberspielleiter Patrv. Vorher: Zur Werbung für die 9. Kriegsanleihe: Vorspruch von Richard Wilde. Gesprochen von Herrn Keppler. Anfang 7 ½ Uhr.

Feeitag⸗ Opernhaus. 207. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Fidelio. Oper in zwei Akten von Ludwig van Beethoven. Text nach dem Französischen von Ferdmand

Treitschke. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 208. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freipläͤtze sind aufgehoben. Die des Diogenes. Fin Akt von Wilhelm Schmidtbonn. pielleitung: Herr Dr. Bruck. Hierauf: Der zerbrochene Krug. Lustspiel in einem Aufzug von Heinrich von Kleist. Spielleitung: Herr Dr. Bruck. Anfang 7 ½ Uhr.

Familiennachrichten.

Verlobt: Elifabeth Maltzan Reichsfreiin zu Wartenberg und Penzlin mit Hrn. Leutnant Werner Grafen von der Recke von Volmerstein (Burg Penzlin).

Verehelicht: Hr. Oberleutnant Rudolf Graf von Schmettow mit Frl. Annemarie von Prittwitz und Gaffron (Cawallen).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Oberleutnant z. S. Walter Umhak (Kiel). Hrn. Major pon Möllendorff (Horst bei Blumenthal, Mark). Eine Tochter: Hrn. Hauptmann Siegward von

Herßberg (z. Zt. Lübeck).

Gestorben: Hr. Oberst z. D. Wilhelm von Baumbach (Muͤnster, Lager). Hr. Justizrat Caspar Guttfeld (Berlin).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg.

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle, Rechnungsrat M. engering in Berlin. I

Verlag der Geschäftsstelle Mengering) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32.

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1 Vier Beilagen und das Postblatt Nr. 4

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SDebsterreich⸗Ungarn. 8

Der Wiener Vertreter des polnischen Staatsdepartements Graf Stefan Przezdziecki, stattete im Romen der

1 Warschauer Regierung dem Grafen Hunyady einen Besuch ab

und ersuchte ihn, dem Kaiser für seine großherzige Tat, die Einstellung des Legionsprozesses, den innigsten Dank der polnischen Regierung zu übermitteln.

Im österreichischen Abgeordnetenhause eröffnete

der Präsident Dr. Groß die gestrige Sitzung mit snes farn sprache, in der er auf die wiederholt von den Mittelmächten vergebens bewiesene Kiedensbereiischaft hinwies, „wenn wir nicht“ so sagte er, „vielleicht in der letzten Rede des Präsidenten Wilson den Ansatz zur Einkehr finden können und wollen. An⸗ esichts der schweren Aufgabe müssen wir alle Kräfte zusammen⸗ assen, um endlich zu einem guten Ende zu gelangen. Das kann nur feschehen, wenn wir uns unter Hintansetzung alles Trennenden estgeschlossen unter unverbrüchlicher Aastechnrhatte unseres Bündnisses mit Deutschland im Vertrauen zu unserem tapferen Heere zusammenscharen um unseren geliebten Kaiser.“ Der See schloß mit begeistert aufgenommenen Hochrufen auf den Kaiser.

Der Ministerpräsident sodann ein ausführliches Bild wobei er laut Bericht des ausführte:

Freiherr von Hussarek gab der Gesamtlage des Staats, „Wolffschen Telegraphenbüros“

Durch den von Bulgarien abgeschlossenen Waffenstillstand ist weifellos auch für die Monarchie im Südosten eine ecst e 5 aen hergen. Diese Lage ist jedoch keineswegs kritisch. Die ent⸗ prechenden militärischen Vorkehrungen sind im Vereine mit dem Heutschen Reiche ungesaͤumt und umfassend getroffen worden. Sie sind in gutem Gange, und ich vermag nach Mitteilung berufener Stellen zu erklären, daß wir alles getan haben, um der Weiterentwicklung der Dinge auf dem Balkan mit Ruhe entgegenblicken zu dürfen (Zu⸗ stimmung links.) Auch an dieser Front stehen unserer Truppen Schulter an Schulter mit den Deutschen und bewähren auch dort wieder herrlich und in Treue das festgefügte Bündnis, das auch in Zukunft allen Proben des Schicksals unerschütterlich standhalten wird. (Zwischen⸗ mfe bei den Tschechen: Los von Deutschland!) So wie im Kampfe werden wir aber auch am Werke des Friedens Hand in Hand miteinander geben. (Beifall links. Zwischenrufe bei den Tschechen.) Es ist uns einstweilen noch nicht gestattet, den Blick aus dem schaurigen Kampfgewühl empor auf die Zeit zu lenken, da wieder versöhnte Völker sich der Sicherheiten thres Dafeins und threr Entwicklung erfreuen werden. Der furchtbare Rück⸗ schlag. den die Menschheit auf allen Gebieten der geistigen und mate⸗ teriellen Kultur durch die lange Dauer dieser ihr auferlegten Prüfung erleidet, wird immer klarer erkennbar und löst; immer nachdrück⸗ licher- die Erwägung aus, ob sich nicht Mittel und Wege finden ließen, um die Gegensätze, aus denen der Weltkrieg hervor⸗ gegangen ist, durch eine gerechte Verständigung zwischen den kämpfenden Mächtegruppen auszugleichen. Zwischen⸗ rufe bei den Tschechen.) Die Monarchie ist schon seit längerer Zeit, der Ansicht, daß angesichts der militärischen und politischen Entwicklung im Weltkriege, eine solche Möglichkeit latent vorhanden ist. Ihr mit allen Mitteln⸗ zum Durchbruch zu verhelfen, ist nach

unserer Meinung ein Gebot der Menschlichkeit und nicht minder der Veraunft. (Zustimmung links.) Oesterreich⸗Ungarn hat darum, un⸗ beirrt durch die oft recht ungünstigen Auspizien und in Gemeinschaft

mit seinen Verbündeten, es an Versuchen in dieser Richtung nicht fehlen lassen. Einen besonders ernsten und nachdrücklichen Schritt solcher Art stellt die Note des Ministers des Aus⸗ wärtigen vom 14. September dar. Die künftige grundlegende Regelung der internationalen Bezlehungen, die die gesamte Menschheit ch im Geiste einer friedlichen und gerechten Sicherung ausreichender ebensmöglichkeiten für alle Völter und Länder denkt und herbeisehnt, kann doch wohl nicht vom Schwert des Brennus erwartet werden. (Zwischenrufe bei den Tschechen.) Der Inhalt einer solchen Regelung muß aus der Verständigung hervorgeben, und selbst die Form der Verständigung darf nicht fehlen, weil ein einseitig aufgezwungener Zustand, möchte er auch an und für sich zweckmäßig und gerecht sein, als unerträglich empfunden werden und der zurückbleibende Stachel die ßestigkeit der unter so schweren Opfern erreichten Ordnung immer wieder dedrohen müßte. In der Tat hat sich ja in grundsätzlichen Fragen der künftigen Weltgestaltung ein gewisses Maß von Uebereinstimmung gezeigt, insbesondere in der Richtung, daß alle Teile von dem seiner⸗ jeitigen; Friedensschlusse nicht nur die tatfächliche Beendigung des Kriegszustandes, sondern die dauernde Sicherung des Friedens verlangen, und zwar einerseits durch Schaffung von Existenzbedingungen für alle Staaten, die aus Anlaß oder Vorwand für einen Appell an die Ge⸗ walt nehmen, andererseits durch Festlegung einer internationalen Or⸗ ganisation, die diesen Zustand überwacht, ausgestaltet und gegen Stö⸗ rungsversuche, von welcher Seite immer, wirksam schützt. (Zwischen⸗ zafe bei den Tschechen.) An diese gemeinsam anerkannten Grund⸗ anfen anknüpfend, sollte die vom Minister des Aeußern vosc. chlagene Aussprache eine Auseleihung, wie sie in der einen oder anderen der Verlauf des Krieges allerdings unter un⸗ siglichen eiden für die gesamte Menschheit schließlich einmal tingen muß, durch ein abgekürztes und dem ethischen Bewußtsein unserer Zeit vielleicht angemesseneres Verfahren vorbereiten. Tie lunde dafür wird kommen. (Stürmische Unterbrechung bei den Lschechen) Ich sehe der Stunde mit Ruhe und Festigkeit intgegen. Haben die von der Monarchie ausgegangenen Anträge auch zunächst noch kein praktisches Ergebnis erzielt, so haben wir doch den Blick unausgesetzt auf die weitere Gestaltung der Dinge in ihrem ch rasch vellziehenden Verlauf zu richten und dabei nicht zu ver⸗ jumen, was ihnen gegenüber erforderlich erscheint. Wir sind stets hereit zur Tat der Versöhnung und Gerechtigkeit. (Links lebhafte wischenrufe bei den Tschechen.) Während dessen gilt es in mancher ichtung, künftige Gestaltungen vorzubereiten, die sich aus den rümmern der vom Kriege heimgesuchten Welt ergeben werden. Eine der wichtigsten Fragen dieser Art liegt in der polnischen Frage vor. Heute ist der vpolnische Staat bereits auf der Zwei⸗ faiserproklamatton vom 6. November 1916 aufgebaut. (Zwischenrufe bei den Tschechen und Ukrainern) Seine selbständige Vertretung verhandelt gleichberechtigt mit den Vertretern der Mittelmäͤchte, und Polen ist in vollem Begriff, sich als unabhängiger Faktor in der politischen Welt Europas zu etablieren. Ohne irgenwie zuf die im Befreiungswerk erbrachte Leistung zu pochen, werden wir jene Fragen, die sich aus dem Nachbarverhältnis er⸗ seben;, im Wege von Verhandlungen und durch wechselseitige reundliche Bereitwilligkeit lösen. Wie Polen aber die endgültige Gestaltuug seiner Staatlichkeit einrichten will, das bleibt seiner freien Selbstbestimmung überlassen. hac es in Polen selbst mächtige Strömungen gibt, die die Verwirklichung des Unabhängigkeitsgedankens orm eines engeren Anschlusses an die Monarchie wünschen, ckannt, und wenn wir auf österreichischer Seite solchen Bestrebungen

Berlin, Mittwoch, den 2.

sympathisch gegenüberstehen und ihnen durch unser Entgegenkommen die Wege zu erleichtern trachten, so kann uns dies ja wohl nicht ver⸗ argt werden. Das leiseste Anklingen des Eroberungstitels liegt uns ebenso fern wie der Versuch irgend einer Gefangennahme. (Lebhafte

wischenrufe bei den Tichechen und Ukrainern.) Wir achten die freie

elbstbestimmung Polens unbedingt und verlangen nur, daß sie von anderer Feite auch dann geachtet wird, wenn sie in einem für uns günstigen Sinne ausfallen sollte.

Auch die künftige Aus estaltnng des Verhältnisses Bosniens und der Herzegowina erheischt schon jetzt alle Sorgfalt und Aufmerksamkeit. Es liegt uns fern, unser gutes Recht an diesen Ländern preiszugeben. Die Lösung der bosnischen Frage wird nur ine natürliche sein dürfen. Wir müssen uns hierbei vor allem von der Rücksicht auf die legitimen Wünsche und Interessen der in Betracht kommenden Volksstämme leiten lassen, dabei aber auch die österreichischen Interessen wahrnehmen. Niemand könnte uns zwingen, auf unser Recht zu verzichsfen. Das geht nur im Wege von Verhandlungen, und dabei werden wir unseren Standpunkt einzunehmen und durchzuführen wissen. Hierbei müssen wir uns zum mindesten versichern, daß Einrichtungen getroffen werden, wie sie den Bedürfnissen der Monarchie entsprechen. Die Angliede⸗ rung an Kroatien⸗Slavonien, allenfalls an Dalmatien, wäre ein solcher Weg. Es handelt sich vorläufig nur um vorbereitende Schritte. Das entscheidende Wort werden die Gesetzgebungen zu sprechen haben. Jedenfalls wird nur eine Lösung in Betracht kommen, die auf ver⸗ fassungsmäßigem Wege erfolgt und der Secbstbestimmung entipricht

Nach Erörterung der geplanten finanziellen Maßnahmen ersuchte der Ministerpräsident dem Haus, die vorliegenden Steuer⸗ vorlagen raschest zu verabschieden. Dies sei die Voraussetzung für die Erledigung des andern Arbeitsprogramms, der Fortführung der sozialen Gesetzgebung, der Sorge für den Mittelstand, der Staalsangestellten und anderen öffentlichen Funktionäre. Bezüglich der Ernährungs⸗ lage betonte der Ministerpräsident, daß die Getreideernte im all⸗ gemeinen gut, namentlich für Gerste und Hafer besser ausgefallen sei als im Vorjahre, und begründete dann die scharfe Betämpfung des FETET der eine Gefahr für die staatliche Aufbringung⸗ bitshe Der ungünstige Ausfall der Ernte in Rumänien lasse Zuschube aus diesem Gebiete in größerem Umfange nicht erwarten. Aus der Ukraine dürfe vorläufig mit namhaften Zuschüssen nicht gerechnet werden. Der baldige Abschluß der Verhandlungen mit Ungarn, das grundsätzlich sich bereit erklärt habe, uns zu unterstützen, werde es ermögtichen, einen endgültigen Versorgungsplan aufzustellen, und damit werde h ffentlich auch die volle Lebensmittelquole wieder zur Geltung kommen. Der Ministerpräsident verwies auf die Aktion für Mindestbemittelte sowie auf die Maßnahmen zur Verbesserung der Lage des Mittelstandes, kündigte weitgehende und rasche Ausgestaltung und Einrichtungen für gesicherte und rasche Versorgung der Staatsbediensteten sowie eine besondere E1“ für die Kinder an. Die gesamte Be⸗ urteilung der rnährungslage lasse überschwengliche Hoff⸗ nungen nicht gerechtfertigt erscheinen, aber zu Mutlosigkeit sei kein Anlaß. Der Ministerpräsident besprach schließlich die Autonomie⸗ frage der Völker, deren Erörterung und Lösung man sich nicht länger entschlagen könne, und erklärte, manche Ansätze hiexfür hätten sich bereits vorbereitet. Der überaus fruchtbare Grundsatz der nationalen Autonomie könne noch weiter ausgenutzt werden. Von einer systematischen Du chführung dürfte eine erhebliche Besserung ja volle Klärung erhofft werden. Die Schwierigkeiten lägen wesent⸗ lich in der Durchführuns. Neben dem Gesichtspunkt der unversehrten Gleichberechtigung für alle Völker müsse bei allen Fragen der nationalen Autonomie auch der Gesichtspunkt der Sicherung des Gemeinsamen fest⸗ gehalten werden im Sinne einer die Völker u fassenden, in ihrem Interesse wirkenden und ihre Zwecke fördernden Organisation. Das letzte Wort der nationalen Autonomie müsse bald mit Klug⸗ heit und Energie gesprochen werden aus der gemeinsomen Ueber⸗ zeugung und dem Einvernehmen aller beteiligten Völker heraus. Die Regierung werde diese große aber aussichtsreiche Arbeit sorg fältig vorbereiten und einleiten. Ihr Ziel könne sie nur durch das Zusammenwirken aller Fakloren der Gesetzgebung erreichen. Der leitende Grundsatz müsse sein, allen Velksstämmen durchaus im Geiste voller Gleichberechtigung, innerhaab der durch das Interesse der Gesamtheit gezogenen Sch anken auf ihrem Siedlungsgebiete die Selbstbestimmun in nationalen und kulturellen Angelegenheiten zu sichern. Im friedlichen Wettstreit wollten Oesterreichs Völker fortan ihre Kräste entfalten. Ihr Ge⸗ reihen werde den Staat neu erblühen lassen und in ihm ein Vorbild schaffen für alle Nationen, die ihr Heil darm erblickten, in⸗Ein⸗

tracht zusammenzuleben. Nicht in der Zerpluterung und ⸗Auf ösung,]

in der Verträglichkeit und Einheit liege aller Zukunft. (Beifall⸗ links, Lärm bei den Tschechen.) .—* Nächste Sitzung morgen.

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Auf der Tagesordnung steht.

die Besprechung über die Regierungserklärung; in Verbindung

mit Anträgen, betceffend die Friedensfrage. b 8

Im Finanzausschuß des österreichischen Abge⸗ ordnetenhauses entwarf der Finanzminister F Liherr von Wimmer einen Finanzplan zur Deckuag der laufenden Gebarung von rund zwei Milliearden.

Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ berichtet, verwies der Minister auf die seit dem 1. September d. J. auf administrativem Wege ern⸗ geführten, im Staatshaushalt noch nicht enthaltenen finanziellen Maßnahmen, wie Erhöhung der Postgebühren und der Eisenbahn⸗ gütertarife, Preisbeteiligung des Siaates bei Zündhölzern, Einführun der Zollzahlung mit Goldagio in Banknoten, weiche insgesamt eine jährliche Mehreinnahme von über 700 Mtllionen ergebe. Hierzu kämen 666 ½ Millionen Kronen, die die dem Parlamente bereits vorliegenden, noch nicht erledigten neuen Steuern bringen würden. Es bleibe somit noch ein Abgang von rund 600 Millionen Kronen in der laufenden Gebarung, zu dessen Deckung die Regierung in Monatsfrist folgende Vorlagen einzubringen gedenke: Erböhung der Branntweinsteuer und Biersteuer, Aenderung der Verkehrssteu r. Einführung der Warenumsatzsteuer, de gleichzeitig eine Luxussteuer mit sie Stiner würde, sowie Einführung einer dauernden Ver⸗ mögenssteuer. Diese Steuermaßnahmen würden jedenfalls ein Er⸗ trägnis von mehr als 600 Millionen jahrlich ergeben. Außerdem beabsichtige die Regierung eine Vorlage einzu⸗ bringen über Beteiligung des Staates an dem Verkaufs⸗ preise von staatlich bewirischafteten Waren und von Waren auf deren Preisbestimmung der Staat gesetzlichen Einfluß habe. Alle diese finanziellen Maßnahmen würden allerdings eine Jahres⸗ einnahme von rund zwei Milliarden ergeben, wenn alle diese Steuer⸗ vorlagen vom 1. Juli 1918 ab in irksamkeit träten. Da die Erledigung dieser Vorlagen jedoch noch einige Zeit dauern werde, sei an die Deckung des laufenden Fehlbetrages in diesem Jahre aus diesen Quellen nicht zu denken, weshalb die Regierung beab⸗ sichtige, zusammen mit anderen Steuervorlagen auch eine Vorlage einzubringen, welche zur Deckung des Fehlbetrages der laufenden G barung die einmalige Inanspruchnahme des Vermögens vorsieht. Auch diese Vermögensabgabe dürse mit der großen Vermögensabgabe nicht verwechselt werden, die nur eine Liquidierungsmaßnahme der ganzen finanziellen Lage nach dem Kriege sein könne. Bei dieser einmaligen Steuer werde darauf Bedacht genommen werden

Erste Beilage

chsanzeiger und Königlich Preußischen

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müssen, daß die geplante dauernde Vermögenssteuer nicht be⸗ einttächtigk, aber auch dem Plane einer künstigen großen Ver⸗ mögensabgabe nicht vorgegriffken und de Erhaltung der Proe duktionsfähigkeit nicht außer acht gelassen würde. Die A regung wegen Einführung der Vermégenszumachssteuer werde der Minister verfolgen, er werde aber nicht in der Lage sein, dem Reichsrate gle chzeitig mit anderen Steuervorlagen auch die Ver⸗ mögens uwachssteuer zu unterbreiten. Die Erhöhung der Erbsteuer weise er nicht zurück, beabsichtige aber nicht, sie in den Rahmen des Finanzp anes einzufügen. Der Gesamtertrag der seit Kriegsbeginn teils durchgeführten, feils geplanten finanziellen Maß⸗ nahmen ergebe gegenüber der Friedenszeit eine Mehreinnahme von 3200 bis 3500 Millionen Heranziehung des Vermögens und die Kriegssteuer.

In der ⸗esprechung über die Deckang des Fehlbetrages, der auf die militärischen und zivilen Kriegsausgaben zurückzufuhren sei, ver⸗ wies der Minister auf die außerordentlich günstigen Eio ge der Kriegsanleihe. Der 12⸗Milliardenertrag der siebenten und achten Kriegsanleihe in einem Jahre bilde eine außerordentliche Lerstung, die um so höher zu bewerten sei, als diese 12 Milliarden aufgebracht wurden, ohne daß die Notenbank zur Finanzierung der Anleihen in irgendeinem nennenswerten Maße in Ansoruch genommen wurde. Der Minister besprach schlie lich die Norwendigkeit der Bekämprung der Notenvermehrung durch Sparsamkeit in den militärischen und zwilen Krsecsanslagen und bat schließlich um rascheste Erledigung der Steuer⸗ vorlagen.

8 Der Ausschuß nahm die Erhöhung der Grundsteuer unter

Festsetzung einer Steuer mit 25 pH des ermittelten Rein⸗

ertrages an. u 8 ““ 8 Polen.

Vom polnischen Staatsdepartement wird dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge mitgeteilt, daß

rufenen ehemaligen Ministerpräsidenten Kucharzewski in Warschau eingetroffen ist. Die österreichisch⸗ungarische Ant⸗ wort wird erwartet.

8 8 Großbritannien und Irland.

1 Der Staatssekretär des Auswärtigen Amis Balfour

hat vorgestern in der Londoner Guildhall eine Rede gebalten, in deren Verlauf er dem „Reuterschen Büro“ zufolge ausführte „Ich möchte Sie an eiren Punkt ermnern. die künftige Sicherheit. Unsere Brüder jenseits des Atlantischen Ozeans haben ihre großartige finanzielle Anstrengung als Fre heitsanleihe bereichnet. Sie traten in den Krieg in dem Augenblick ein, als der volle Umfang aller Streit⸗ fragen völlig erkannt wurde und käugerweise nannten sie ibre große finanzie e Anstrengung nach der Sache, die Es gibt jedoch noch eine andere Sache, die für Herz und Gewissen der Amerikaner ebenso wie für Herz und Gewissen der Engtänder, Franzosen, Italiener oder für unsere anderen Verbündeten bedeutsam ist. Wir sind uns bewußt daß, wenn es uns in diesem Kriege nicht gelingt, nicht nur den Krieg zu gewinnen, sondern zu erreichen, daß folche Kriege nicht wiederfehren dürfen, so wird unsere Autgabe nur halb getan sein.“ Rede Wilsons und seine Ansichten über den Voltervund ausge prochen atte, fuhr er fort: „Wenn Sie verluchen wollen, einen in ernationa en Apparat zur Sicherung des Friecens ins Leben zu rufen, so müfsen sie die Karte Europas und der Weit so ordnen, daß roße Gelegen⸗ heiten für Kriege sie nicht stören können. stehenden Zustand in Miltel uropa verewigen, wenn Sie die Vor⸗ herrschaft Deutschlands über Nuv land, besonders über Westrußland, u einer dauernden machen wenn Sie den Vörkern längs der Ostsee keine Hoffnung lassen, wenn Sie sich weigern, das Unrecht eines Jahrhunderts, das Polen angetan wurde, wieder gut zu machen, wodurch Polen zu einer Schmoach der Zioitisalion für alle diese Generalionen wurde, wenn Sie die unter⸗

worfenen Völker, die seit Generationen in Oesterreich von den

jährlich, nicht eingerechnet die emmalige

8

* f ge vorgestern deutscherseits die Bestätigung des vom Regentschaftsrat für den Posten des polnischen Ministerpräsidenten be⸗

e. 9 n. 1. die ihnen am Heren tag. Denn, das war die Sache der Freiheit für die Welt. (Beifall.)

Nachdem Balfour seine warme Zustimmong zur

Wenn sie den jetzt be⸗

deutichen und magyarischen Minderheiten zu Boden getnreten wurden.

veilerbin in ihrer gegenwärtigen Lage lassen werden wenn die Baltan⸗ staaten wiederum zum Schauplatz blutiger Krirge untereinander und

zur Gelegenheit für Feindseligkeiten unter ihren Nachvarn werden, wenn Sie dem Türten gestatten werden, seie blutige Gewalt über

eie Gebiele, die ihm enttissen, wurden, wiederherzustellen, wenn er auch künfug nach Belieben plündern und mordemn kann, wenn Italien

nicht die. Bevötterungen erhäln die es wirklich zu einem besreiten ö“

Italien machen werden, wenn „Griechehland, wie bisher, durch eine

Vorherrschaft- derMittelmächte bedroht wird, wenn Serbten

nicht nach allen seinen furchtbaren. Opfern wieder herzestellt wird

Beifall , wenn Frankreich nicht seine gebührende Stellung in West⸗

europawieder einnimmt, wenn Belgien, nicht in. vohem Umfange wieder erhält,“ was ihms die furchthare Räüuberei der Mitfelmächte

entriß, wenn alle diese Uebel nicht die Möglichkeit erhalten sollen, sich zu wiederholen, dann müssen Sie mehr tun, als nur einen Volter⸗ bund errichten. Sie müssen eist dieses Unrecht berichtigen b vor der Völk rbund in Wirksamkeit tritt. (Beifall. Um den Völkerbund zu ermöglichen, ist der Sieg und ein vohsständiger Sieg unbedingt notwendig. Der Traum der Deutschen, daß sie ihre Feinde durch die bloße Unterzeichnung ihres Namens unter die Petition um einen Völker und überreden könnten, daß sie ihre Gesinnung geändert vätten, ist eine vergebliche Ilusion Deutschland schetnt wirtlich an⸗ zunehmen, daß, wenn die Alluerten von Gesinnungsänderung und Vernichtung des Militarismus reden, alles, was benötiat wird, ein paar konstnutionelle Aenderungen des preußischen Staases und die Unterzeichnung der bewundernswerten Vorschläge sind, die Präsident Wilson von Zeit zu Zeit festgestellt hat. Diese oberfläch ichen Aen erungen sind ohne jeden Wert, wenn sie für sich allein bleiben. Deutschland kann nut ein Mitglied

nrenen,

ö BLVVVV7u 2 u,.“ 5 2 RMsrRRg,ehRR;,e,xe,e, Fe, Imaaaaeee SSe. 1 5 aas.

ir stehen im 5. Kriegs-

fahr, will’s Sott, im letzten! Den éenderfolg vor uns, dürfen wir jetzt nicht schwach werden, so drückend die Last auf uns ruhe. KHusharren in lückenloser Kampfeslinie, daheim wie drauben, bringt uns den ersehuten Frieden. Jeder sorge dafür, daß die Reihen geschlossen bielben, damit unsere Feinde die Gewißheit erhalten

22 239 8 * Dentschland ist nicht zu beßsgenl!

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