1918 / 254 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 25 Oct 1918 18:00:01 GMT) scan diff

Jönnen draußen helfen in Wort und Schrift überall, wo Sie hin⸗ kommen. Sie können immer helfen im Sinne der Schlußworte des Herrn Reichskanzlers von vorgestern, daß wir dem Heere alles das zu⸗ führen, was das Heer jetzt braucht. Denn für uns handelt es sich jetzt unter Umständen darum, dem Vernichtungswillen unserer Feinde den deutschen Kampfeswillen entgegenzustellen. (Lebhaftes Bravo rechts, Zischen b. d. Soz. Wiederholter Uebhafter Beifall und Hände⸗ klatschen rechts.)

Abg. Noske (Soz.): Der Kriegsminister hat offenbar noch immer nicht begriffen, um was es sich jetzt für das deutsche Volk handetl (Stürmische Zustimmung links; große Unruhe). Daß seine Erklärung aus dem üblichen Rahmen herausfiel, wundert uns nicht; wir haben nie daran geglaubt, daß die Vertreter des alten militaristischen Systems die Fähigkeit besitzen, rasch umzulernen (Lärm reahe In bezug auf die Tan Paße hätte er besser geschwiegen, ebenso in bezug auf die cagims sonstigen Kriegsmaterials. Hoffentlich bringen die nächsten Stunden schon den Beweis dafür, daß die Politik der neuen deutschen demokratischen Regierung alle Völker dem Frieden beträchtlich näher

gebracht hat. Wir warten in voller Ruhe und in stolzem Vertrauen auf das, was geleistet hat und leisten kann, wie dieser Friede sich gestaltet. Die englischen und fran⸗ zösischen Imperialisten jubelten bis in die letzten Stunden, weil sie glaubten, daß Deutschland jetzt nahe am Erliegen sei. Das ist der Grund, daß die vier Reden den gestrigen Tag als den trübsten erscheinen lassen, den wir erlebt haben. Die Zerstückelung wird Deutschland angedroht; selbst nach Gebieten mit rein deutscher Be⸗ völkerung wird als nach Siegesbeute geschrien. Die Zukunft Deutsch⸗ lands und der deutschen Arbeiterklassen erscheint uns noch immer aufs ärgste gefährdet; aber das Wühlen in den Wunden des Reiches ist nicht im Interesse des deutschen Proletariats. Das Haus brennt; und Herr n hat Oel ins Feuer geschüttet und bewirkt, daß die Rettungsmannschaften ich iin die Haare geraten. Meine Fraktion will, daß dem Proletariat das Dach über dem Kopf erhalten bleibt. Große Teile der deutschen Wirtschaft sind für die Soziglisierung reif. Deshalb sollen wir sie aber nicht erst durch den Bürgerkrieg zugrunde richten und dann von vorn anfangen; die deutsche Arbeiterschaft wird mit dem reichen Zuzug aus den Angestellten und aus dem ruinierten Mittelstand stark genug sein, die sozialistische Weltordnung organisch aufzubauen. Ziel des Herrn Haase nicht näher, wenn man die Proletarier gegen eingnder führt. Die Stunde ist zu ernst, um sich hier auf der Tribüne zu katzbalgen. Das deutsche Volk wird sein Schicksal zu formen wissen, es ist nicht verzweifelt, noch gebrochen. Für einen Verständigungs⸗ oder Rechtsfrieden ist die erste Voraussetzung, daß kein deutscher Mann und keine deutsche Frau vom Vaterlande losgerissen wird: das Selbst⸗ bestimmungsrecht muß allen gegenüber durchgeführt werden. Herr Ricklin hat uns früher ganz andere Loyalitätserklärungen hören lassen. Daß Mähnner, die innerhalb Deutschlands Grenzen geboren wurden, fortstreben, empfinde ich mit tiefem Schmerz; daß man ihnen Liebe u Preußen⸗Deutschland nicht einzuflößen vermocht hat, rächt sich jetzt, ie konservative Gewaltpolitik trägt ihre Früchte. Die Polen hätten doch auch daran denken sollen, daß in polnischer Erde viele Tausende der besten deutschen Soldaten ruhen, daß die neue polnische Frei⸗ heit diesem deutschen Blute verdankt wird. (Lebhafter Bei⸗ all). Deutschland hat in diesem Kriege schwer gelitten, aber so weit ind wir noch nicht, daß deutsche nationale Interessen leichtfertig ge⸗ opfert werden (Beifall). Nach Herrn Stychels Theorie gehört Amerika den Indianern und muß Herr Wilson aus dem Weißen Haufe aus⸗ wandern. Fet Wir werden auf die deutsche Stadt Danzig nicht Verzicht leisten. Polen und Deutschland sind auf einander ö Die Kolonien brauchen wir; wir müssen an der Er⸗ schließung und Nutzbarmachung Afrikas entsprechenden Anteil haben. ie Zertrümmerung Oesterreich⸗Ungarns scheint Tatsache zu werden. das alte Europa geht aus den Fugen, aber wenn es nicht zugrunde Fbin soll, so muß aus dem Gärungsprozeß die Vereinigung aller zölker Europas hervorgehen. Den Deutschen Oesterreichs wünschen wir, daß es ihnen gelingen möge, ihre Zukunft so zu gestalten, daß ihr Cioentum voll erhalten bleibt. (Lebhafter Beifall). Die Formel des Selbftbestimmungsrechts wird ihre auf Marokko, Aexgypten. Algier usw. nicht verfehlen. Das deutsche Volk braucht sich des Ausgangs des Krieges nicht zu schämen; es hat mehr als 4 Jahre gegen eine ungeheure Ueberzahl sich zu behaupten vermocht und sich auf allen Schlachtfeldern bewährt und tapfer geschlagen. Das Kräfte⸗ verhältnis war zu ungleich; spätere Geschlechter werden nicht be⸗ Ten können, daß Deutschland überhaupt so lange widerstehen konnte.

schließlich die ganze Welt gegen uns war, ist nicht die Schusd

der Massen oder doch nur insoweit, als sie sich eine falsche Politik der herrschenden Klassen gefallen ließen. Jetzt gilt es, die gemachten Febler gut zu machen. Die unbedingte Kreditverweigerung der Un⸗ bhänagigen hat bei den Sozialisten in den geanerischen Ländern keine Nachabmung gefunden. Jetzt kämpft Deutschland für seine nackte Erxistenz gegen feindliche Eroberungspläne; jetzt muß jeder Ernst machen, der das Wort von der Verteidigung picht bloß auf den Lippen träat. (Unruhe bei den U. Soz.). Wir waren vom ersten Tage des Krieges für einen Verständi⸗ ungsfrieden. Daß die alten Febhler, daß das Annexions⸗ 1 Füseer nicht durch einen raschen Verzicht aus der Welt geschafft werde, s haben doch die letzten Monate und Wochen gezeigt. Man lasse schleunigst in den besetzten Gevieten des Ostens Nolksregierungen sich dilden;, die finnische Königsfrage soll in der Schwebe bleiben dem dort zum König gewählten deutschen Prinzen sollte als Offizier üntersagt werden, außer Landes zu geben. Nicht die, die an dem furchtbaren Zusammenbruch schuld sind, haben die Schuldfrage gufzuwerfen. Die drakonischen Urteile, die in den besetzten Gebieten gegen die eingeborene Bevölkerung ergangen sind, müssen aufgehoben werden; solche tollen Sachen dürfen sich nicht wiederbolen. Für Jena und für heute sind dieselben Urfachen maß⸗

Man kommt dem

nicht zuträfe? Wie denkt sich Herr Ebert ü

seines Landes

Kriegsgewinnlern haben die Nachprüfungen durch Offiziere voll⸗ kommen versagt. Milliarden e- erspart werden können. Die Rechte hat gestern wieder Hoffnungen auf eine starke Monarchie Ausdruck gegeben. Das kann zu Betrachtungen über die Person des jetzigen Monarchen führen. Alle Proteste der Rechten ändern nichts an der Stimmung, die im Lande darüber herrscht, daß der Monarch durch eine große Geste von Millionen den Druck nehmen kann, der Ef. allen lastet. Leider suchen die Handlanger des alten Regiments ihre Herrschaft noch immer festzuhalten. Die neue Re⸗ nicht dulden. Ist es nicht ungeheuer⸗ empörend, daß gestern abend eine Völkerbundes aufgelöst Berlin

gierung darf das lich und niederträchtig und Versammlung für den Gedanken des Völk wurde? Ich erwarte, daß der Polizeipräsident von von seinem Platze vene; wird, und richte die Frage an den Herrn Reichskanzler, was er zu tun gedenkt. (Ruf von der Publikumstribüne: Es wird die höchste Zeit.) Sie müssen auch —.8 das Foauenwahlxgecht schaffen; lernen Sie von unseren Feinden, England hat das Frauenwahlrecht ohne viel zu reden eingeführt. Man hat uns Verrat an der Arbeiterklasse vor⸗ geworfen, weil wir in die Regierung eingetreten sind. Wir sind nach wie vor Sozialdemokraten und haben uns volle Freiheit des Handelns bewahrt. Im Augenblick betrachten wir die Mitarbeit an der Regierung als eine Notstandsaktion. Wir wollen einen Kampf aller gegen alle in Deutschland verhüten. Es bleibt unsere Ueberzeugung, die Zukunft dem Soziglismus gehört und einem Bunde freier Völker. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Staatssekretär des Innern Trimborn:*)

Abg. Kreth (kons.): Die polnischen Abgeordneten haben

hier gestern als Mitglieder des Deutschen Reichstags eine herausfordernde Sprache geführt, aber die Herren irren sich, der deutsche Löwe ist noch nicht tot. en rechts.) Es steht fest, daß weder die Entente noch Wilson den Polen die Freiheit gebracht hat. Herr Haase hat bedauert, daß im Osten eine Agitation gegen die Abtretung deutschen Landes eingesetzt hat und daß in Lyck 12. sogar ein sozialdemoktatischer Verein daran 16 hat. Sind denn die übrigen Sozialdemokraten in Deutschland so rück⸗ ständig, daß sie nicht wissen, was für die Deutschen im Osten auf dem Spiele steht, wenn Ostpreußen abgetrennt wird als eine Insel von dem übrigen Deutschland? Herr von Payer hat sich gestern dagegen ve wahrt, daß er bei früheren Gelegenheiten in seinem Amte wie ein Parteimann gesprochen habe. Aber selbst das „Berliner Tageblatt hat von seiner Rede erklärt, daß er mit feiner Ironie gegen die Rechte polemisiert habe. Er behauptet, die Regieung wäre 40 Jahre lang von Konservativen besetzt gewesen. Ich stelle demgegenüber fest, da 8. Bismarck nicht ein einziger Konservativer in eine leitende Stel⸗ ung eingetreten ü88 Das Vaterland zu schützen, war für uns die einzige Wahrheit. Weil man das wußte, hat man oft genug geglaubt, uns schlecht behandeln zu können. (Sehr wahr! rechts.) Wir ind die letzten, die nicht wünschen, daß bald der Friede zu⸗ ande kommt; unsere Meigasgeg gehen nur darüber auseinander, wie diese: Friede aussehen wird. ie stellt sich der Reichskanzler zu den Ein chul acnaen des „Vorwärts“, daß die Landwirtschaft Sabotage bei der Lieferung von Lebensmitteln triebe, nachdem der Staatssekretär des Kriegsernährungsamtes amtlich erklärt hat, daß diese Anschuldigung berhaupt einen Großgrund⸗ besitzer⸗Schleichhandel? Es wäre ja de: helle Wahnsinn. Man soll auch die Stimmung der Landbewohner nicht zu leicht nehmen, sie ist auf dem Siedepunkt angelangt, und es bedarf nur noch eines Tropfens, um das Faß überlaufen zu lassen. Nun beißt es, das alte konservative bureaukratische System habe Schiffbruch gelitten, es komme eine neue Zeit. Die Herren, die das sagen und in ihrer Presse vertreten lassen haben Unglück mit ihren Beispielen; Amerika und andere große Re⸗ publiken sind durchaus den entgegengesetzten Weg gegangen, man hat in Wilson, Lloyd George, Clemenceau Diktatoren eingesetzt. Wir be⸗ neiden diese Staaten um diese Männer die jeden Widerstand gegen ihre Kriegspolitik, gegen ihren Siegeswillen gebrochen, jeden, der ihre Wegce kreuzt unschädlich gemacht haben. Wir Deutschen sind auch hier wieder unpraktisch und unpolitisch, wir setzen statt der Autoritätskraft,

Wir stehen jetzt in

die wir bt haben, eine Vielheit ein. Das Verdikt bet der späteren

Abrechnung haben wir am weniasten zu fürchten.

der Opposition, aber nicht auf Kosten des Vaterlandes werden wir sie

machen. Wie wird es aber nachher in unserm Erwerbsleben aussehen? Wenn eine Konsumentenmehrheit die Geschicke des deutschen Volkes leitet, dann wird es Trümmer geben von denen man sich jetzt keine Vor⸗ stellung macht. Herr Stresemann hat mit einer guten Tradition seiner Partei gebrochen, wenn er für seinen Abfall von dem früheren Stand⸗ punkte Gründe angab, die vor den Ohren des Auslandes nicht hätten vorgebracht werden sollen. Welche niederschmetternde Wirkung g es im Lande haben, wenn der Führer der Nationalliberalen dur

1ean Ausführungen das Vertrauen in die Heeresverwaltung er⸗ chüttert? (Sehr wahr! rechts; Zwischenruf links.) Die herrschende Klasse hat an der Feindschaft der Welt gar keine Schuld; die herr⸗ schende Klasse ist auch im Auslande durch ihr Benehmen nicht un⸗ angenehm aufgefallen. Schuld hat vor allem die Presse, welche unsere politischen Zustände in den schwärzesten Farben sfef und Deutschland als der Junkerknechtschaft völlig verfalle 1—

Wenn Herr Noske meint, das deutsche Volk sei entrüstet, daß die Entlassung des Kriegsministers von Stein mit besonderen Ehren ver⸗ knüpft gewesen ist, so habe ich von einer solchen Entrüstung nichts bemerkt; Herr von Stein hat solche Kritik nicht verdient, das ist auch die Meinung des deutschen Volkes, es eines unbefangenen Ur⸗ teils fähig ist. Wir haben, um der Vermutung entgegenzuwirken, daß die Offiziere besser gespeist werden als die Mannschaften, den Antrag gestellt, daß die Verpflegung beider Kategorien aus einem Topf er⸗ folgen soll. Das deutsche Volk ist in seiner überwiegenden Mehrheit monarchisch gesonnen bis auf die Knochen und wird sich in dieser Ueberzeugung durch gewisse Treibereien nicht beirren lassen. Herr Noske verlangt im Reichstage die Absetzung des Berliner Polizei⸗ präsidenten; das ist doch, einstweilen wenigstens, noch eine preußische

ten hinstellte.

nun wirklich nicht gewinnen kann, das wundert mich entschieden. Wie kann man denn im Ernst auf eine solche Frage eine Antwort geben? Sie wissen es so gut wie ich, daß die Reichsregierung und der Herr Reichskanzler für die Kundgebung irgend einer Partei mag nun diese Partei ein oder einige Mitglieder in der Reichsregierung haben oder nicht die Verantrwortlickkeit nicht übernehmen kann. Emn Leitartikel und ein Aufruf ist keine Thronrede. (Zuruf rechts.) Das ist nicht möglich.

Dann hat der Herr Abgeordnete Kreth entgegen einer gestrigen Bemerkung von mir einige Punkte vorgetragen, in denen er glaubt, daß die Fraktionen nicht genügend berücksichtigt worden sind, und hatte einmal darauf hingewiesen, daß die parlamentarische Mitwirkung

bei der zweiten Note noch sehr mangelhaft gewesen sei; sie sei schon

festgestellt gewesen, ehe die Fraktionen beteiligt wurden, war ungefähr sein Gedanke. Meine Herren, an und für sich ist das ganz selbbstder⸗ ständlich, daß die Reichsleituͤng zunächst den Text einer Note feststellen muß, ehe sie sie den andern maßgebenden Faktoren unterbreiten kann. Darauf können die andern Faktoren wirklich keinen Anspruch erheben, daß sie bei der Redaktion beteiligt werden sollen. Im übrigen ist zu⸗ fällig gerade bei der Beantwortung der zweiten Note der Vorwurf nicht einmal begründet. Ich habe den Herren damals ausdrücklich gesagt, daß der Text in zwei wichtigen Punkten noch nicht feststehe, und sie haben Gelegenheit gehabt, sich über diese beiden Punkte zu äußern. Und was noch anerkennenswerter ist: wir haben nachher noch Gelegen⸗ heit gehabt, bei der Schlußredaktion auch die Bemerkungen zu berück⸗ sichtigen, die mir damals von den Parteiführern gemacht worden sind. (Hört, hört! Links.) Noch korrekter kann man, glaube ich, nicht sein. Dann hat der Herr Vorredner behauptet, es gehen Gerüchte um von einer Geheimdiplomatie: daß Verhandlungen zwischen Polen und Litauen und der Reichsleitung stattfänden, und davon wisse die konser⸗ vative Fraktion nichts. Kann sein, daß sie davon nichts weißt Meinen Sie denn, meine Herren (nach rechts), daß wir nicht fortlaufend Ver⸗ handlungen mit Polen und Litauen haben. Das geht jede Woche, fast jeden Tag weiter, und Sie können es auch billigerweise nicht er⸗ warten, daß wir Sie über alle Phasen in dieser Angelegenheit auf dem laufenden erxhalten. Daß eine Aktion im Gange oder abgeschlossen wäre, die uns Veranlassung geben würde, die Vorsitzenden der Reichstagsfraktionen zu hören, davon ist mir nichts bekannt. Dann hat der Herr Abgeordnete Kreth noch das Bedürfnis ge⸗ fühlt, sich mit mir persönlich wegen meiner gestrigen Rede auseinander⸗ zusetzen und mir einige gute Lehren auf den Weg zu geben. Er hat sich nicht das angeeignet, was ein anderer der Herren vor ein paar Minuten hier unten gerufen hat. Daß ich gestern die konserpative Fraktion beschimpft habe, das ist wirklich nicht der Fall. Aber er hat mich darauf hingewiesen, daß ich umgelernt habe. Ich möchte den wissen, der in diesen Zeiten noch nicht umgelernt hat. Das, meine Herren, sind nicht die Besten, die selbst in solchen Zeiten nichts lernen und nichts vergessen. Und diejenigen, die mir das vorhalten, daß ich in die Rolle des fortschrittlichen Parteiführers gefallen sei, und die mir ferner die Lehre vorhalten, daß der Minister für den Staat und nicht für die Partei sprechen dürfe die sagen mir nichts, was ich nicht auch weiß. Der Unterschied zwischen uns beiden besteht nur darin, daß Herr Abgeordneter Kreth für die Partei gesprochen hat und ich, behaupte ich, für den Staat gesprochen habe. Ich bleibe selbstverständlich auf meinem Standpunkt stehen. Er bat als Kron⸗ zeugen gegen mich das „Berliner Tageblatt“ angeführt, das sich mit einer Bemerkung, die ich nicht ganz habe verfolgen können, scheints, in ähnlichem Sinne ausgesprochen hat. (Widerspruch links.) Wenn ich das Zitat richtig verstanden habe, so war es sehr willkürlich und summarisch gehalten.é Ich kann mich dem Urteil des „Berliner Tage⸗ blatts“ in dieser Form nicht unterwerfen; ich kann es nicht als maß⸗ gebende Autorität anerkennen. Um was hat es sich denn gestern gehandelt? Ich will mit ein paar kurzen Sätzen rekapitulieren und darf vielleicht eine Bemerkung einschalten: wenn die Herren die Zurufe, die Sie mir immer in der lebhaftesten Weise machen, auch diesmal unterlassen und sich dadurch nicht in ein so lebhaftes Tempo der Unterhaltung hineingesteigert hätten, so würden sie vielleicht auch zu einer ruhigeren und unbefangeneren Würdigung meiner Darlegungen gekommen sein, als es ihnen so mög⸗ lich gewesen ist. Ich habe die Politik der Regierung gestern zu recht⸗ fertigen gehabt, die Politik, die dahin ging, daß man keine Koalitions⸗ reichsleitung, sondern eine Regierung aus den Mehrheitsparteien bilden solle. Diese Politik habe ich zu vertreten gehabt, nicht bloß gegenüber dem Redner der konservativen Partei, sondern auch gegen⸗ über allen den Angriffen, die aus den Reihen der konservativen Partei auch außerhalb dieses Hauses und aus den Reihen der mit ihr ver⸗ bündeten Presse und politischen Organisationen heraus gegen die Reichsleitung in der heftigsten Weise in den letzten Wochen geschleudert worden sind und die in weitem Umfange sich darauf bezogen haben, daß man unrecht getan habe, die konservative Partei von der

andere Leute haben sich darüber beschwert, und wenn ich hier die Politik der Regierung zu vertreten habe, dann kann ich mir von j d, der vor mir und gegen die Regierung gesprochen hat, doch nic? das Maß und den Umfang meiner Ausführungen vorschreiben lassen; er hat es doch nicht in der Hand, mich auf das zu beschränken, was er für seine Person gerade ausführt, sondern meine Pflicht ist es, alles das, was in der Luft liegt, was im ganzen Reich und im Ausland behauptet wird, von den verschiedensten Seiten vom Stand⸗ punkt der Regierung aus einer Würdigung zu unterziehen. Deshalb trifft mich der Vorwurf nicht. Die Rede, wie ich sie gestern gehalten habe, wäre hier, abgesehen von einigen redaktionellen und rhetorischen Anpassungen, genau in derselben Weise gehalten worden, auch wenn von der konservativen Fraktion kein Redner aufgetreten wäre. Sie mußte gehalten werden, und es ist gut, daß sie gehalten worden ist. (Bravol)

Abg. Ledebpvur (U. Soz.): Graf sich immer noch der merkwürdigen Illusion überhaupt möglich, bei einem Friedensschluß für Deutschland Bedingungen zu erreichen, die es gestatteten, auf Belgien die

and zu legen. Graf Posadowsky ist ein Staatssekretar außer

ienst, aber was haben wir houte von einem Staatssekretär im Dienst, von dem preußischen Kriegsministen horen Der hat er⸗ klärt, Deutschland könne noch einen erfolgreichen Krieg weiter führen! Das haͤtte er noch Mitte September sagen können, seitdem nicht mehn, seit Ecneralfeldmarfcall von Hindenburg und seine nächsten Berater in ibrer Not das Gecgenteil festcestellt haben. Daraufhin ist ein demokratisch genanntes Ministerium berufen worden, um den Frieden zu machen. Dieses ‚demckratische“ Ministerium ist nicht bewirkt oder erkämpft durch den Reschsrag, sondern durch den Umstand, daß die bis⸗ herigen Leiter Deutscklands eine andene Politik als die bisherige einschlagen mußten. Wenn General Ludendorff erst Ende September plẽtzlick derart erleucktet worden ist, so wäre das der Beweis einer unverzeihlichen Kunzsichtiäkeit die uns nötigte, völlig an seiner Fähig⸗ keit für seinen Pesten zu zweiseln. Orer aber die maßgebenden Per⸗ sonen haben schon längere Zeit vorher gewußt, daß es notwendig zu einem solchen Stillstand, zu einem solchen Rückgang mit der Gefabr des baldigen Zusammenbruchs kommen mußte: dann ist es unverzeih⸗ lich, daß sie nicht vorten auch dem Volke darüber, wie die Sachen stehen, Rechenschaft acgeben baben. Selbst Graf Hertling hat uns im Ausschuß gesagt, auch er sei nicht unterrichtet gewesen. Also bis in die letzte Zeit ist veriucht worden, das Volk in den Glauben zu verseten, deß der Kaieg mit Aussicht auf den Sieg noch fontgesetzt werden könne: die Heit Friedensverbandsungen mit Aussicht auf

ünstigere Bedingungen einzuleiten, ist versäumt worden. Die Aus⸗ fütrrungen des Gene vals Scheüch durchkrenzen die feierliche Erklärung des Kanzlers und seints Stellvertreters. Bereits jetzt wird unter der Hand durch alle militärischen Stellen mobil gemacht gegen die neue Gestaltung, die eine Uebereilung aewesen sei und die sich noch ändern lasse. Davon haben wir schon gehört, ehe General Scheüch seinen Stempel darauf drückte Er hat damit direkt gegen die Reichs⸗ regie rung frondiert, er hat sich auch auf die Aeußerung des Grafen Westand über die Kriegslage geradezu berufen. Selbst in dieser Lage nehmen die Militärs keine Rücksickt auf die Bemühungen der Reicksleitung. den Fieden naͤber zu brängen und dersauern ihr die Supre! Allerdincs so leicht gibt der preußische Militarismus den Sieg nicht ous der Kord. Da müßte in schärfster Weise durch⸗ gegrißfen werden, wenn wir und die gecnerischen Mächte glauben sollen, daß die Fiedenthereitschaft des Deutschen Reiches ernst gemeint ist. e A1“; 8. der General Scheüch eine ndere Tätiakeit erbält, nicht den Zylinderhut. sondern daß er an die

vont geschickt wird. Es muß mit jenen abgerechnet werden, die dafür verantwortlich sind. daß VPolk und Reichstaa bis zum letzten Mo⸗ ment inregeführt worden sind. Bei dem Zusammenbruch in Bul⸗ F hat sich wiederum die vollkommene Unzulaͤnglichkeit unserer

egierung und unseres diplomatischen Dienstes gezeigt. Die politisie⸗ renden Generale haben ietzt den offenkundigen Nichtbefähigungsbeweis erbrackt; sie haben das Peutsche Reich und das deutsche Volk durch ibre Regjererei in das schrecklichste Unglück geführt. Da muß mit eisernem Besen gufgeräumt werden. Bis jetzt sieht es mit dem Parla⸗ mentarismus sehr wunderbar aus: bis jetzt ist nichts geschehen, als daß einige Aboeordnete bureaukratisiert werden. (Große Heiterkeit.) TDie neuen erren haben debütiert mit drei abgelesenen Reden; ich hatte den Eindruck, als ob wir uns in einer Leseübung für Minder⸗ begabte befanden. (Große Heilerkeit) Das ist sehr charakteristisch für die neue Aera; es aebt alles nach dem alten Schema. Der wirk⸗ liche parlamen karische Kampf besteht in sehr lebendiger Rede und

hin, es sei

Gegentede. Mit den Ner’rewen des alten Systems muß überall

—₰

gründlich aufgeraͤumt werden. Dee unverantwortlichen Militärs haben imme. nos, das Recht in die innere Nerwaltung einzugreifen; das Netwet ir der alten Werse †ekaniert und dranasaliert. Heute ist ein Prrteicenssse von uns aus der Untersuchungshaft in Halle ent⸗ lossen rondem abe⸗ um sofort in Schutzhaft genommen zu werden. (Gefe vwemeguna zei den U. Soz. Abg. Kunert ruft: Ein Schurkenstreich des Militarismus! Ordnungsruf. Abg. Kunert wiederholt den Ausraf und witd zum zweiten Male zur Ordnung gerufen) Ferner werden noch in diesen Tagen Leute verhaftet, weil sie sich an den Jonuatstreiks beteiliot haben sollen! In der Schutz⸗ aft in Berlin müssen die Verbafteten bungern, in dieser Bezsehung sind die Zustände im Berliner Polizeipräsidium scheußlich! Liebknecht ist aus dem Zuchthause entlassen; ihm müssen auch die bürgerlichen Ebrenrechte wiedergegeben werden Der an seiner Stelle gewählte Herr Stahl müßte das Mandat, das Liebknecht widerrechtlich ent⸗ zogen ist niederlegen und die Wähler von Potsdam⸗Osthavelland von neusm entscheiden lassen. Für die Kriegskredite haben wir am 4. Auaust 1914 allerdinas gestimmt, aber vorber war ein Antrag von mir. sie zu verweigern, gegen 14 Stimmen in der Fraktion ab⸗

Darlegungen des Staatssekretärs Solf waren zum Teil erfreulich unzweideutig und klar.⸗Der Forderung des Abg. Hanssen stimmen wir voll zu. Erbeben die Polen Anspruche auch auf oberschlesische Gebiete, so verwirken sie damt alle Ansprüche auf Westpreußen (Widerspruch b. d. Polen.) Entweder werden die historischen oder die sprachlichen Gtenzen zugrunde gelegt: in den Wilsonschen Thesen ist nur von den sprachlichen Grenzen die Rede. Westpreußen ist ein überwiegend dentschsprechendes Land; Danzig ist fast bis auf den letzten Mann deutsch, ehenso seine Umgebung und die ganze Weichselniederung. (Zu⸗ ruse b. d. Polen.) Die Abstimmung wird das ja ergeben. Mit gller Energie mit allem mir gegebenen Feuer (Heiterkeit) bin ich stets im Par⸗ lament gegen das Unrecht aufgetreten, das den Polen zugefügt worden ist; wenn fie jetzt den Versuch machen, in den kommenden pelnischen Staat Gebiete einzufügen, in denen eine anderssprachige Mehrheit besteht, wenn sie Litauen, Kiew, Wolhynien, Podolien beanspruchen, o machen sie sich desfelbven Imperialismus schuldig, den sie bekämpfen. Ich bin in meiner eigenen Parter als Polenfreund verhöhnt worden. (Heiterkeit.) Ich werde jederzeit wie gegen die Unterdrückung der Polen, auch gegen die Unterdrückung der Beutschen kämpfen; dadurch, daß ich internationaler Sozialist hbin, höre ich nicht auf, Deutscher zu sein. (Lebhafter Beifall.) Wobin kommen wir mit Unglaublich⸗ keiten wie solchen, daß auch die Toten gezählt werden sollten? Das hat Herr Stychel gestern verlangt. Sollten Sie in Ihrer Torheit auf diesen Forderungen bestehen, dann hätten wir die Verewigung des Gegensatzes zwischen Polen und Deutschen, wir hätten eine deutsche Irredenta. Die volle Kulturautonomie für die Polen haben wir stets verlangt und verlangen sie heute. Bei den kommenden Friedensver⸗ handlungen muß dieser Grundsatz ein für allemal zum internationalen Recht, zu einem Völkergrundsatz erhoben werden; der Grundsatz cuius regio eius lingua gehort ins alte Eisen. Unsere Forderungen gehen aber noch über die Vorschläge Wilsons hinaus. Er will einen Staaten⸗ bund, der die Beziehungen der Staaten nach wie vor auf diploma⸗ tischem Wege regelt und in Streitfällen einen Schiedsgerichtshof an⸗ ruft. Wir verlangen, daß sich die europäischen Staaten zu einem Bundesstaat zusammenschließen, in dem die künftige deutsche Republik einen Teil bildet. Wenn in diesem europäischen Bundesstaat alle Zollschranken gefallen sind, werden erst die Haupthindernisse eines dauernden Friedens beseitigt sein. Der gegenwärtige Reichskanzler hat sich früher einmal dafür ausgesprochen, daß die europäischen Regie⸗ rungen sich gegen den darauf kommenden Sozialismus zusammen⸗ schließen müssen. Er wird damit den erbittersten Widerstand der Arbeiterklasse erfahren. In dem neugebildeten Kriegskabinett der jetzigen Regierung soll der Plan aufgetaucht sein, sich mit England über eine Aufteilung Rußlands zu verständigen, und zu meiner Freude sollen die Staatssekretare Erzberger und Gröber sich gegen diesen Plan, der Staatssekretär Scheidemann sich aber dafür aus esprochen baben. Hierzu habe ich zu erklären, daß, wenn diese Nachricht sich bestätigt, auch die deutsche Arbeiterschaft die Verpflichtung haben wird, mit allen Mitteln, wenn es sein muß auch mit den Mitteln der Gewalt, der russischen sozialistischen Arbeiterschaft beizustehen. Unter kapitalistischem Einfluß sind die furchtbaren Schäden des Weltkrieges überhaupt nicht zu heilen. Die furchtbare Lage Curopas drängt geradezu zum Sozialismus. Die Proletarier Deutschlands werden mit den Proletariern der übrigen Länder der Welt den Frieden geben. (Beifall b. d. U. Soz.)

Präsident Fehrenbach ruft den Abg. Werner⸗ Gießen nachträglich zur Ordnung, weil dieser während der Rede des Staatssekretärs Dr. Solf auf Zurufe aus den Reihen der Polen her dem Abg. Korfanty zugerufen habe: Hinaus mit dem Lump!

Präsident Dove ruft den Abg. Ledebour nachträglich wegen eines beleidigenden Ausdrucks zur Ordnun g, den dieser dem Abg. Noske gegenüber gemacht hat.

Stellvertreter des Reichskanzlers, Wirklicher Geheimer Rat Dr. von Payer:

Meine Herren! Ich muß mein tiefstes Bedauern über den In⸗ halt und den Ton eines Teiles der Ausführungen zum Ausdruck bringen, die der Herr Abgeordnete Ledebour in dieser Schicksalsstunde

des Deutschen Reiches dem Deutschen Reichstage zu bieten sich ver⸗

anlaßt gesehen hat. Sie sind nur zu geeignet, unserm Vaterlande schweren Schaden zuzufügen. Die Verantwortung dafür fällt auf den Redner zurück. Ich will nicht auf Einzelheiten eingehen, zumal der Herr Präsident einen Teil dieser Ausführungen schon gerügt hat, und will nur einen einzelnen Punkt hervorheben.

Der Herr Abgeordnete hat den in der „Isvestija“ veröffentlichten Brief des Kaisers an den damaligen Zaren erwähnt. Ich glaube nicht, daß mit einem solchen Schriftstück, das nach der Angabe des Blattes 23 Jahre zurückliegt, ein Eindruck auf die Parteien dieses hohen Hauses gemacht werden kann. (Sehr richtig! rechts.) Gelegentliche Wendungen aus einem alten Briefwechsel, die wohl heute niemand mehr auf die Goldwage legen wird, können gegenüber der historischen Entwicklung, die unsere inneren Verhältnisse genommen haben und auf deren Boden der Kaiser mit aller Entschlossenheit getreten ist, nichts bedeuten. Halten Sie sich doch, meine Herren, an die Kund⸗ gebungen des Kaisers, aus denen sich seine Stellung zur neuen Zeit klar ergibt, und lassen Sie verjährte Briefe begraben sein⸗ 8

Da es sich hier um eine russische Veröffentlichung handelt, möchte ich aber doch noch daran erinnern, daß gerade der Kaiser es seinerzeit gewesen ist, der dem Zaren dringend geraten hat, ehrlich die konsti⸗ tutionellen Konsequezen aus der Zeit zu ziehen. 8

Staatssekretär des Innern Trimborn:*)

Darauf vertagt sich das Haus nach 4 ½ Uhr auf Frei⸗ tag 2 Uhr. (Dritte Lesung der Verfassungsänderungsgesetz⸗

entwürfe; Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung der Per⸗“ fassung von Elsaß⸗Lothringen.)

*) Die, Rede des Staatssekreraus des Innern Trimborn kann wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms erst morgen im Wort⸗ laut mitgeteilt werden.

11““ Preußischer Landtag. 8 8 Herxenhaus. 39. Sitzung vom 24. Oktober 1918, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphenbüro.) 8

Am Regierungstische: die Staatsminister Dr. Fried⸗ berg und Dr. Drews.

Präsident Graf von Arnim⸗Boitzenburg er⸗ öffnet die Sitzung nach 1 ½¼ Uhr.

Das Andenken der verstorbenen Mitglieder D. Hesekiel, Dr. Jesko von Puttkamer, Graf von Brünnek, Graf von Fürstenberg⸗Herdringen, Freiherr von Heintze, Scholtz, Graf von Werthern⸗Beichlingen und Fürst Drucki⸗Lubecki wird in der üblichen Weise geehrt.

Der Präsident teilt mit, daß der Ausschluß des Fürsten von Lichnowsky die Allerhöchste Bestätigung durch den König erhalten hat.

Zum Ersten Vizepräsidenten wird an Stelle des Herrn von Becker, der sein Amt niedergelegt hat, Fürst zu Salm⸗Salm, der bisherige Zweite Vizepräsident, und zum Zweiten Vizepräsidenten Oberbürgermeister Wermuth durch Zuruf auf Vorschlag des Herzogs zu Trachenberg gewählt. Die Gewählten nehmen die Wahl mit Dank an.

Auf der Tagesordnung steht die Beratung des Gesetz⸗ entwurfs über die Aenderung der Ver fassungsurkunde, des Gesetzes über die Zu sammensetzung der Ersten Kammer (Herren haus) und des Entwurfs eines Wahlrechts gesetzes für das Abgeordnetenhaus.

Herr Koch⸗Cassel erstattet den mündlichen Bericht de 17, Kommission. Es ist jetzt nicht die Zeit, Reden z halten, sondern Beschlüsse zu fassen. Die Herrenhauskommssion hat zu ihrer Beratung fünfeinehalbe Woche gebraucht, das Abgeordneten⸗

haus sieben Monate, im Herrenhause ist also eine Verzögerung nicht eingetreten. Das Dreiklassenwahlrecht ist heute nicht mehr zu halten, denn die Besitzverhältnisse haben sich in den letzten Jahrzehnten voll kommen geändert. Dazu kommt das gewaltige Ereignis des Krieges Den Kriegern können wir nicht zumuten, daß sie im Wahlrecht zurück stehen sollen hinter denen, die in der Heimat ihren Vorteil haben wahrnehmen können. Vom Dreiklassenwahlrecht zum gleichen Wahl⸗ recht ist allerdings ein großer Sprung; das Wahlrecht hätte schon längst vorsichtig weiter entwickelt werden sollen. Jetzt ist keine Zeit mehr zu einer solchen vorsichtigen Entwicklung. Entweder behält man den plutokratischen Charakter des bisherigen Wahlrechts bei oder man schafft ihn ab und kommt zum gleichen Wahlrecht. Eine Allein⸗

herrschaft der Massen, des Proletariats, die auch die Freunde des

gleichen Wahlrechts nicht wünschen, ist nicht zu besorgen; wir haben Fein solches Proletariat in Preußen gar nicht. Ein Volk mit einem besitzlosen Proletariat ist dem Untergang geweiht. Es wird unsere Aufgabe sein, ein solches Proletariat nicht entstehen zu lassen. Auf die Altersstimme ist im Interesse des leichteren Zustandekommens des Gesetzes verzichtet worden. Die Bestimmungen über den Ausschluß vom Wahlrecht sind so gefaßt, daß nunmehr das preußische Wahlrecht das freieste in allen bö. ist. Für die großen Städte und Industriezentren wird die Verhältniswahl eingeführt, um den großen Minderheiten gerecht zu werden. Es sind alle Städte mit mehr als 150 000 Einwohnern, insgesamt 17 Wahlkreise. Herr Wermuth be⸗ antragt, noch in vier weiteren Wahlkreisen (Oberbarnim⸗Eberswalde, Teltow⸗Beeskow, Lennep⸗Remscheid⸗Solingen und Saarbrücken⸗Ott⸗ weiler⸗St. Wendel) die Verhältniswahl einzuführen. Es ist anzuer⸗ kennen, daß dieser Antrag den Prinzipien der Kommission entspricht. Das Herrenhaus können wir nicht ganz entbehren; auch andere Staaten haben eine Erste Kammer. Aber die Zusammensetzung des Herren⸗ hauses entspricht nicht mehr den heutigen Verhältnissen. Einer berufs⸗ ständige Zusammensetzung würde sich in kleine Berufsinteressen ver⸗ lieren, während das Herrenhaus sich für große Fragen in Reserve halten soll. Wir haben deshalb die Berufsvertretung abgelehnt. Das Etatsrecht des Herrenhauses ist nach dem Vorgang anderer Staaten

erweitert worden. Wenn das Abgeordnetenhaus eine Etatsposition gegen den Willen der Regierung streicht oder verringert, soll das Herrenhaus die Frage an einen Verständigungsausschuß bringen dürfen. Zur Sicherung der Verfassung ist für Abänderungen derselben die Zweidrittelmehrheit bestimmt worden. Wir sind darin dem Abge⸗ ordnetenhaus gefolgt, um das Zustandekommen des Gesetzes zu er⸗ leichtern. Diese große Reform in Preußen vollzieht sich, im Gegensatz 8 zu anderen Staaten, ohne besondere Erschütterung. Jetzt ist die Zeit zu Reformen. Es ist die bessere Staatskunst, den heimkehrenden Kriogern Reformen zu bieten, als sie zu verweigern. Das Volk will Reformen, und es ist Aufgabe des Staates, neue Schichten an sich z ziehen, anstatt sie abzustoßen. Preußen muß jetzt auch von anderen

gelehnt worden, und wir haben nur dafür gestimmt, weil wir damals die Verantwortung⸗ dafür, die Partei zudsprengen, nicht übernehmen zu können glaubten. Einen Vorwurf kann uns aber Herr Noske aus 8 Isereg Haltung zu den Kreditbewilliaungen nicht machen; er und seine Freunde sehen ja doch jetzt selbst ein, wie die Politik, die sie mit⸗ unterstützt haben dem Nolke aum Verderben ausgeschlagen ist und sie

gebend gewesen, um das Verderben herbeizuführen: junkerliche und

6“ Nelc niggeit W spepviglen einen Waffenstillstand hinwirkten, nachdem die letztere eingesehen hat,

Waffenstillstand verlangt, sondern der Kronrat, Hindenburg daß ein Sieg nicht zu erfechten sei, ist doch sehr erklärlich; aber und Ludendorff. Ueber das Scheitern der Verbandlungen, die Graf Deutschland ist nicht am Ende seiner Kraft. Das deutsche Volk, Bernstorff vor zwei Jahren führte, wird der neue Staatsgerichtsbof wenn es einig zusammengeht und den deutschen Geist des Sich⸗ gründliche Aufklärung zu schaffen haben. Daß der Staatsseknetär behauptenwollens besitzt, wird sich noch zu Taten aufschwingen, die

des Reichsmarineamts verschwunden ist, der die amerikanischen die Bewunderung der Mit⸗ und Nachwelt erregen werden. Gegen die Millionenbeere als eine willkommene Beute der U⸗Boote bezeichnet Erteilung eines Vertrauensrotums wollen wir keinen Widerstand er⸗

hat, erfüllt uns mit Befriedigung. Wir haben uns nicht dagegen beben: daß wir ihm zustimmen können werden Sie nach den bis⸗ gewandt. jedes Kampfmittel anwenden zu lassen, wenn die militäri⸗ berigen Auseinandersetzungen selbst nicht ermwarten. In dem Moment,

schen Sachverständigen sich dafür ausgesprochen haben. Es ist wo das deutsche Volk zum letzten Kampfe aufgerufen wird, werden übrigens ein enalischer Ausspruch, daß der humanste Krieg auch zu⸗ auch die Konservativen wie ein Mann hinter der Regierung stehen

meis der ve hae aadias 888 g8- .g 92 e zur Ehre des deutschen Volkes. (Beifall rechts.) rauen und Kinder. Aber die Erklärung des Bootkrieges Stellnertne. ;ocAe. ;vp; ; war ein schwerer politischer Fehler, und deshalb verurteilen wir sie. Nan Hee deeshen 8* Reichskanzlers, Wirklicher Geheimer Der jetzige Kriegsminister hat soeben erklärt, wir hätten die Tanks V x e6 6 b nicht in genügender Zahl herstellen können. Ich sebe davon ab, daß Meine Herren! In dieser Stunde der Erwartung und Auf⸗ das Modell des Tanks uns schon 1914 angeboten sein soll, aber ich regung ist es mir eigentlich leid, daß ich Ihre Aufmerksamkeit auch noch 47 verweise darauf, daß am 29. April 1918 der Kriegsminister v. Stein durch einige Bemerkungen in Anspruch nehmen muß. Aber der Herr bhier erklärte: Die Sache ist zu einem Ahschluß gekommen, wir haben Vorredner hat mich dazu genött 8 vars einen guten Tank, der dem feindlichen überlegen ist, für mich ist die rreoner hat mich dazu genötigt. Ich möchte einige sachliche Punkte Sache abgeschlossen. Wie viel deutschen Soldaten mag diese Ueber⸗ vorweg nehmen. Er hat sich darüber beschwert, daß die konservative zeugung des damaligen Kriegsministers das Leben gekostet haben? Fraktion auf ihre Frage, ob der Herr Reichskanzler die Verantwort⸗ Im Frübjahr dieses Jahres hieß es einmal: die Kaiserschlacht, der lichkeit für den Aufruf der sozialdemokratischen Partei übernehme, keine Kaiser hat die Oberleitunga der militärischen Operationen über⸗ Antwort erhalten habe. Ich habe geglaubt iein Scherz. Se nommen, er ist sein eigener Generalstab. Die Kgiserschlacht ist aus, Antwort erhalten habe. Ich habe geg an das sei ein Scherz. (Sehr richtig! links.) Und ich habe es nicht einmal für einen schlechten Scherz gehalten, wie ihn Herr Graf Westarp vorgebracht hat. Daß aber dieser Scherz nochmals vorgebracht wird, durch wolche Wiederholung er

„Regierung auszuschließen, und daß man dadurch eine Maß⸗ regel zum Schaden des Reichs getroffen habe. Die Gründe gegen die Koalitionsregierung habe ich dargelegt. Ich habe nachgewiesen oder nachzuweisen versucht, daß wir die Konser⸗ vativen gar nicht aufnehmen können. Dazu war es notwendig, auch darauf hinzuweisen, daß wir sie nicht aufnehmen können, weil wir die Politik, die sie früher geführt haben und auch jetzt noch führen, nicht für eine richtige, sondern für eine falsche und unseren Auf. fassungen widersprechende halten. Ich habe dann darauf hingewiesen, daß die Konservativen früher kein Bedenken getragen oder es leicht

8 8 deutschen Staaten etwas annehmen; es ist stark genug, das zu er⸗ tragen. (Beifall.) 1—

Graf von Behr⸗Behrenhoff: Namens der Alten Frak⸗ tion habe ich folgende Erklärung abzugeben: Die Alte Fraktion des Herrenhauses hat sich jetzt so wenig wie früher der Notwendigkeit verschlossen, bei Fortentwicklung unserer innerpolitischen Verhält⸗ nisse mitwirkend tätig zu sein. Sie ist bereit gewesen, schwere Opfer zu bringen um des Vaterlandes willen und bis an die äußerste Grenze des Entgegenkommens vorzuschreiten. Sie hat Anträge ein⸗ gebracht, welche ein allgemeines gleiches Wahlrecht innerhalb⸗ beruf⸗ lich oder wirtschaftlich abgegrenzter Gruppen vorsehen. Ein Teil unserer Fraktion war sogar bereit, mit Rücksicht auf die politische Lage das gleiche Wahlrecht mit einer Alteegasabsttme anzu⸗ nehmen. Aber auch diesen Herren gebot ihre Ue erzeugung, über

Feine gewisse Grenzlinie nicht hinauszugehen, weil sie, wie die übrige Fraktion, in der Regierungsvorlage die schwerste Gefahr für den Bestand der preußischen Monarchie sahen. Wie die Entwicklung im

Reiche mit aller Deutlichkeit zeigt, ist ein folgerichtig ausgebauter Parlamentarismus nicht vereinbar mit der Aufrechterhaltung eines starken Königstums und seiner in ruhmreicher Geschichte der Jahr⸗ hunderte wurzelnder Bedeutung. Nur eine starke monarchische Ge⸗ walt bietet die Gewähr, daß alle Schichten des Volkes sich gleichen Schutzes und gleicher staatlicher Fürsorge erfreuen. Eine Majori⸗ tätsherrschaft ist ihrer Natur mach Klassenherrschaft. Preußen, der Staat, welcher das Reich geschaffen hat, muß zu einer Reichs⸗ provinz herabsinken. Der föderative Charakter des Reiches muß verloren gehen. Schwer bedroht ist das große Werk der preußischen Könige und das große Werk der Ostmark. Wir werden erner vollen Radikalisierung anheimfallen. In den noch beibehaltenen Sicherungen erblicken wir keinen ausreichenden Schutz gegen diese schwere Gefahr. Unter Führung der Regierung ist zwischen der Neuen Fraktion unseres Hauses und dem Zentrum, den National⸗ liberalen, Freisinnigen und auch unter Zuziehung der Sozialdemo⸗ kraten des Abgeord tenhauses, . Ausschaltung der Kon⸗

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Angelegenheit. Daß der Kronrat und die Oberste Heeresleitung auf

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Kriegsminister Generalleutmant Scheüch:*). Abg. Gothein ffortschr. Volksp.): Ich hätte auf das Wort verzichtet, wenn mich nicht die Scherze und Witcchen, die der Abg. Kreth b en⸗h 1 in der so schweren Situation des Deutschen Reiches für angemessen tragen zan der Verantwortung dafür ihr volles Teil mit! In der fand, veranlaßt hätten, ihm zu erklären, daß sie hier jetzt nicht hinein⸗ 8 isgen Verwaltung aller Einzelstaaten muß eine vollkommene qNm⸗ gehören. Ich bitte, die Dis kussion zu schließen. . b 8. altung des Sostems eintreten, alle Verwaltunasbeamten müssen Abg. Ledebour (U. Soaz.) erhebt gegen den sofortigen Schluß . durchs Leute ersetzt werden, die durch demokratische der Debatte entschieden Widerspruch; der polnische⸗ Redner, der ge⸗ Obe Srg h. ve erden. keine ernannten Landräte, keine ernannten meldet sei, müsse noch gehört werden, ebenso der Abg. Rühle, der eine senem Renena zaehstitt vBraftester ⸗Zise 1111144“ Efxies; her 8 1 Soldaten aufaefordert, auf ter und bg. Korfan Pole): Die schweren Angriffe, die der Abg. wenn .ns gen vollständig aus der Regierung Mutter zu schießen, wenn es kommandiert wird. Er bat 8 russie Strochel erfahren hat, müssen widerlegt und die falschen Auslegungen, zgeschlossen, gewesen sin . Sollte ich mich jetzt wirklich darin schen Zaren als Admiral des Atlantischen Ozeans antelegrapbiert, das die seine Ausführungen erfahren haben, richtiggestellt werden. getäuscht haben? Die Ausführungen des Herrn Kreth legen mir das E. war demalgeine dirofie Heraitsfordemng Gmalands Ein Brief des“ Abg. Gröberz(Zentr.): Das kann ja in dere zweiten Lesung ja nahe; denn er hat uns heute nachgewiesen, daß die Regierungen TTö“ enthölt den Passus, daeß geschehen, wenn Sie sofort in dieselbe eintreten. im Deutschen Reich noch niemals konsewativ gewesen sind (Heiterkeit die von den Juden unferstübzien Söe 1 8 Der Antrag auf Schluß der ersten Beratung wird hier⸗ links), und daß außer Bismarck noch nie ein Konsewativer in der montanen Katholiken, einꝛesn gebänot werden eh, (Große Ne. auf gegen die Stimmen der beiden sozialdemokratischen Par⸗ deutschen Reichsregierung gesessen hat. (Heiterkeit links.) Das ist wegung und Pfuirufe bei den U. Soz.) Wäre diese Kaiserlichen teien angenommen. Nach einem Austausch persönlicher Be⸗ doch eigentlich gleichwertig mit der von ihm aufgestellten Behauptung, I Folge ggegeben worden so hätte Herr Gröber nicht in die merkungen zwischen den Abgeordneten Ledebour und daß der preußische Partikularismus im Verschwinden gewesen sei. Str⸗ EEeö“ Füiger Wilbelm II. statt eines Stychel tritt das Haus in die zweite Beratung ein. Das ist, glaube ich, ein Spielen mit Worten und mit Begriffen. 8 n zu lassen. Ein für allemal muß das Abg. Zehnter (Zentr.) begründet den Antrag der Mehrheits⸗ Darüber, um was es sich tatsächlich handelt, kann kein Zweifel für parteien, dem Artikel 11 der Verfassung Abs. 2 und 3 folgende

Lanze monarchische Spstem beseitiat werden. Wenn ärtice d wostien noch ehvas fun wollen. wos ibnen Ansehen und Ncheinen Fassung zu geben: Zur Erklärung des Krieges im Namen des Kesches den sei 86 b Fassung zu geben: Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiche Fee set he ch Geschichte des Deutschen Reiches in den letzten ist die Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags erforderlich. z n auch nur einigermaßen kennt. Friedensverträge sowie diejenigen Verträge mit fremden Staaten, Nun wirft man mir vor damit kann ich schließen daß

berschaffen könnte, so rate ich ihnen, so viel Bureaukratismus aufzubrin⸗ welche sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung beziehen, bedürfen Graf Westarp, der Redner der konservativen Fraktion, sich nicht

gen wie die Mandschudynastie in China, und freiwillig auf alloisn. fn derzichten Auffällig ist, daß Herr von Paver erssänen kol 8 d Ueüte der Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags. darüber beschwert habe, daß die Konservatiden nicht in die Regi m de, da gierung ehr bedauern, daß er nicht b 1 8 1b er be⸗ daß efolgt worden ist de iedens⸗ eingezogen seien. Sicherlich hat er sich darüber nicht beschwert berbeiführung sehr erschwert Der richsichlskofe P.Zeg 8is Frichens.

chläge der Fonsewativen zur zweiten Noie seien nicht nur eeieet en guch berücksichtigt worden. Miir unsererfeits baben 15 es ist ganz richtig, daß . nur die Tatsache festgestellt hat —, aber sich überhaupt mit der Ehre Deutschlonds nicht. heutigen

aber der Krieg ist noch nicht aus. Einen reaktionären Kriegsminister, der sich in bewußtem Gegensatz zu Volk und Reichstag stellt, wird die Volksstimmung nicht mehr dulden. Das bestehende Beschwerde⸗ recht muß gänzlich beseitigt werden, ebenso der unnötige Drill. der Unfug, die Offiziersburschen als Packesel zu benutzen; für die Mann⸗ schaften und Offiziere muß die gleiche Beköstigung durchceführt wer⸗ den. (Beifall.) Unhedingt ist ein parlamentarischer Unterstaats⸗ sekretär für Heer und Marine erforderlich. Gegenüber den großen

chlag gegeben, nämlich den U⸗Footkriea einzustellen, und wir müssen 1 b

*) Die Rede des Kriegsministers Generalleutnants Scheüch kann wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms erst morgen im Wort⸗ laut mitgeteilt werden.

*) Die Rede des Staatssokretärs des Innern Trimborn kamm wogen vperspäteten Eingangs des Stenograums erst morgen im Wort⸗ laut mitgeteilt werden. 1

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