Ginonzministerium. Betrifft:
Umwechslung von Darlehnskassenscheinen der Dar⸗
lehnskasse Ost.
Anschließend an das Telegramm und den Runderlaß vom J. 13 213 — übersende ich nachstehend
18. November 1918 Abschrift eines Schreibens des Reichsschatzamts vom 19. 9
vember 1918, denselben Gegenstand betreffend, zur Kenntnis und mit dem Ersuchen, eine Bekanntmachung folgenden Wort⸗
lauts zu veröffentlichen: „Darlehnskassenscheine Ost.
₰. Die
Truppen und Zivwilpersonen zur Umwechslung
nehmen und einzulösen.
werden.
Der Regierungspräsident“ Berlin, den 27. November 1918. Der Finanzminister. Im Auftrage: Böhme. An die Herren Regierungspräsidenten in Allenstein, Brom⸗ berg, Danzig, Gumbinnen, Königsberg, Marienwerder und Posen.
Die am 18. April 1917 für das in Deutschland befind⸗ liche Vermögen der Firmen H. Paturel in Paris, Fred Stern & Co. in London, Chautard & Christensen in Paris und Lufbery & Chardonnier in Chauny angeordnete Zwangs⸗ verwaltung ist aufgehoben.
Berlin, den 3. Dezember 1918.
Der Minister für Handel und Gewerbe. J. A.: Neuhaus.
Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
Dem Regierungsrat Freytag in Stettin ist eine plan⸗ masige Stelle für Mi glieder der Eisenbahndirektionen ver⸗ jehen.
Versetzt sind: die Regierungsräte Willaerodt, bisher in Köniasberg (Pr., als Mitglied der Eisenbahndirektion nach Cöln, Johannes Schlüter, bisher in Stettin, als Mitglied der Essenbahndi ektion nach Hannover und Dr. Kieckhoefer, bisher in Posen, als Mitglied der Eisenbahndirektion nach Breslau.
Versetzt sind ferner: der Regierungs⸗ und Baurat Hartung von Köslin nach Hannover, die Regierungs baumeister Engler von Gumbinnen an das Oberprasidium Hannover (Abteilung für Vorarbeiten) und der Regierunasbaumeister Kunz von Rosenberg O. Schl. als Vorstand des Hochbauamts Gr. Strehlitz
Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung.
Die Wahl des Stydienrats Dr. Hackmann an den Franckeschen Stistungen in Halle a. S. zum Direktor des Eymnasiums in Torgau ist beuätigt worden.
Der B bliothekar an der Unioersitätsbibliothek in Breslau Dr. Bleich ist in gleicher E genschaft an die Univorsitäts⸗ bibliothek in Halle (Soale) und der Bioliothekar an der Untver⸗ sitätsbibliothek in Göttingen Dr. Knauß in gleicher Elgen⸗
schaft an die Unioersitätsbibliothek in Bonn versetzt worden.
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“ m Bäcker Seeberg in Willenberg ist die Ausübung des Gewerbebetriebes wieder gestattet worden. Ortelsburg, den 1. Dezember 1918.
Der Landrat und Vorsitzende des Kreisausschusses. von Poser.
b““ lnordnung vom 20. April 1917, Reichsanzeiger Nr. 118, betreffend Schließung des Schlachtereibetriebes des Schlachters Matzen in Kappeln, hebe ich hierdurch auf. — Die Kosten dieser Bekanntmachung trägt Matzen. Schleswig, den 3. Dezember 1918.
Der stellv. Landrat. Werther
Gekanntmachung.
Auf Grund der Bekanntmachung zur Fernhaltung unzuverlässiger 652 rsonen vom Handel vom 23. September 1915 (-GBl. S. 603)
habe ich dem Einkäufer Otto Rothenburg in Berlin⸗ Schöneberg, Stierstraße 5, durch Verfügung vom heutigen Tage den Handel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs wegen
Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Handelsbetrieb untersagt.
Berlin C. 27, den 4. Dezember 1918.
Der Polizeipräsident zu Berlin. Kriegswucheramt. I. VW.. Pokrantz.
Hekannimachung.
Arf Grund der Bekanntmachung zur Fernhaltung unzuverlässiger
Personen vom Handel vom 23. September 1915 (RGBl. S. 603)
habe ich der Frau Gerhard Bresser, Lilly geb. Klarenaar, n Duisburg, Fuldastraße 8 (Geschäftsräume: Duisburg⸗Ruhrort,
Ludwigstraße 2), den Handel mit Lebens⸗ und Futtermitteln
und mit Gegenständen des täglichen Bedarfs vom 11. De⸗ ember 1918 ab wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Handels⸗ etrieb untersagt. “
Duisburg, den 2. Dezember 1918.
Der Oberbürgermeister. Dr. Jarres.
(Fortsetzung des Amtlichen in der Ersten Beilage.)
nach Hamburg, um die
Staatskassen sind angewiesen, die von zurückkehrenden angebotenen Darlehnskassenscheine der Darlehnskasse Ost in Zahlung zu Diese Darlehnskassenscheine können also von jedermann ohne Besorgnis im Verkehr angenommen
Nichtamtliches.
Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 7. Dezemver 1918.
Vom Fortgang der Verhandlungen über den Waffenstillstand zur See und seine Ausführung erfährt „Wolffs Telegraphenbüro“ von zuständiger Stelle folgendes:
1) Die Vollmachten des Admirals Beatty sind bis auf die Frage
r Internierung der Schiffe auf Admiral Browning übergegangen. Die Kommission des Admirals Browning begibt sich in diesen Tagen in deutschen Hinden befindlichen Handels⸗ schiffe der Entente zu besichtigen. Diese englische Kommission besteht aus 6 Mitgliedern, Kommodore Bevan, Mr. Percy Turner als Vertreter des Schiffahrtskontrolleurs, einem Korvettenkavpitän, einem Ingenieur und einem Oberleutnant. Alliierten ver!angen die Rückgabe nicht nur aller in Deutschland internierten Schiffe, sondern auch aller Schiffe, die durch das Prisengericht rechts⸗ kräftig zur Einziehung verurteilt sind. Nach den Bestimmungen des Völkerrechts sind diese Schiffe deursch. Es ist daher gegen das Ver⸗ langen ihrer Auslieferung protestiert worden. Admiral Browning hat jedoch die Erörterung jeder Rechtsfrage abgelehnt und verlangt nur Ausführung seiner Forderung. Die Abgabe aller feindlichen Handelsschiffe soll für England und Belgien in Tyne, für Frankreich in Dünkirchen erfolgen. Die Schisfe sollen mit Proviant und Kohlen ausgerüstet, nicht fahrbereite Schiffe und Segelschiffe von deutschen Schleppern überführt werden. Der Rücktransport der Besatzung soll von deutscher Seite ausgeführt werden.
2) Trotzdem für die Ablieferung der Handelsschiffe kein Termin vorgesehen war und obwohl eine Klärung der Lage durch Schuld des Gegners verzögert ist, verlangt die englische Kommission Rückgabe sämtlicher Handelsfahrzeuge bis zum 17. Dezember. Gegen diese unb rechtigte Forderung ist von deutscher Seite Protest eingelegt worden.
3) Die Kommission zur Besichtigung der Kriegsschiffe beginnt in Wilhelmshaven am 6. Dezember ihre Tätigkeit. Sie besteht aus Offizieren der englischen, amerikanischen, französischen und japanischen Marine. Bemerkenswert ist, daß die Entente unbedingt fordert, daß, sobald die Unterbringungsverhältnisse an Land es gestatten, sämtliche
4s Dte
Kriegsschiffe ganz außer Dienst gestellt, die Besatzungen also an Land untergebracht werden.
4) Eine ganz neue Forderung der Entente stellt das Verlangen dar, nach den neuesten Quellen eine Liste aller fertigen und im Bau befindlichen Kriegsschiffe, einschließlich Flußfahrzeuge und Hilfskriegs⸗ schiffe, sowie aller fertigen oder im Bau befindlichen U⸗Boote, die jetzt in deutschen Marinehäfen liegen, zu übergeben, ferner inner⸗ halb 49 Stunden eine Mitteilung, bis wann der Panzerkreuzer „Mackensen“ zum Geschlepptwerden nach einem bestimmten Hafen bereit sein wird. Weiter soll eine Erklärung abgegeben werden, daß seit Abschließung des Waffenstillstandsvertrages keine deutschen Handelsschiffe mit irgendemer neutralen Flagge überführt worden sind. Ferner wird Besichtigung von Friedrichshafen wegen der dort liegenden Luftstreitkräfte verlangt. Diese Forderungen gehen weit über die Festsetzungen des Waffenstillstandsvertrages hinaus.
Die britische Regierung hat nach einer Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüroe“ in Kopenhagen amtlich mit⸗ geteilt daß die deutsche Schiffahrt von der Entente in der Ostsee nicht mehr zugelassen wird Dänische Schiffe können zwar fahren, aber es muß vorher eine Ver⸗
Kasi und Kohle, aber keine noch aus Deutschland ausgeführt werden.
stäsdigung über die einzunehmende Ladung erfolat sein. Nur Halb⸗ oder Ganzfabrikate dürfen Auch Dänemark darf nus jene Nanrungsmittel, die auf Grund d- ½ Wirtsschafts⸗ abkommens veeinbart sind, ausführen. Aehnliche Nachrichten liegen aus Holland vor.
Die neue Maßnahme ist eine unerhörte, mit den Wilson⸗ schen Plänen nicht zu vereinbarende Verschärfung der Waffen⸗ st Ustandsbedingungen. Sie bedeutet eine weitere Knebelung des Gegners, der zuerst entwaffnet wurde, und eine neue Ver⸗ schlechterung unserer schweren Ernägrungslage durch die un⸗ ausbleibliche Erhöhung der Arbeitslosiakeit Und all dies, nach⸗ dem man immer nur von Recht und Gerechtigkeit spricht!
Wie die deutsche Gesandtschaft in Bern amtlich mitteilt, ist das dem Deutschen Reich gehörige Botschaftsgebäude in Rom, der Palazzo Caffarelli, durch Dekret der italienischen Regierung am 30 November enteianet worden. Dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge ist die Schweizerische Regierung von der deutschen Gesandtschaft in Bern im Auf⸗ trage der Reichsregierung gebeten worden, durch ihre Gesandt⸗ schaft in Rom gegen diese völkerrechtswidrige Maßnahme der
italienischen Regierung sofort nachdrücklichst Einspruch zu erheben.
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Die Reichsregierung hat eine Reihe von Telegrammen
erhalten, in denen für die baldige Einberufung der
Nationalversammlung Stellung genommen wird. „Wolffs Telegraphenbüro“ teilt folgende mit:
Der Arbeiter⸗ und Soldatenrat Lübeck erklärt sich mit der Haltung seiner Delegierten zur Reichskonferenz einverstanden und erblickt in dem allgemeinen gleichen, direkten und geheimen Wahlrecht für alle 20 jährigen Männer und Frauen die wichtigste politische Er⸗ rungenschaft der Revolution, mit dessen Anwendung die kapitalistische Gesellschaftsordnung nach dem Willen des Volkes in steter plan⸗ mäßiger Arbeit zur sozialistischen umgewandelt werden kann. Indem der Arbeiter⸗ und Soldatenrat Lübeck seine Entschlossenheit aus⸗ spricht, die Errungenschaften der Revpolution gegen alle gegen⸗ revolutionären Bestrehungen bis aufs letzte zu verteidigen, wendet er sich zugleich mit Entschlossenheit gegen alle Elemente, die dem Volke das volle Selbsthestimmungsrecht vorenthalten wollen. Ob⸗ wohl der Arbeiter⸗ und Soldatenrat Lübeck es für selbstverständlich hält, daß alle Kriegsteilnehmer, auch die noch in der Gefangenschaft Schmachtenden, an den Wahlen zur Konstituante sich zu beteiligen Gelegenheit haben müßten, hält er es doch für gegeben, unter den drängenden Verhältnissen dem Beschluß der Volksbeauftragten, die Wahlen zur Nationalversammlung im Februar vorzunehmen, seine Zustimmung zu geben. Er erwartet von der am 16. Dezember zu⸗ sammentretenden Konferenz der Arbeiter⸗ und Soldatenräte Deutsch⸗ lands daß sie die Politik der gegenwärtigen provisorischen Regierung zu unterstützen und ihrer Entschließung bezüglich der Wahlen zur Nationalversammlung beitreten wird.
Die vorgestern im Kasino in Bremen abgehaltene Massen⸗ versammlung des Bremischen Bürgertums erhebt flam⸗ menden Protest gegen jede Verschleppung der Einberufung der Nationalversammlung. Der 16. Februar ist viel zu spät. Die Zu⸗ kunft des deutschen Volkes steht auf dem Spiel. Die e wächst mit jedem Tage. Jede Verzögerung bringt die Gesamt evölkerung der Verelendung näher. Wir brauchen sofort Frieden, Arbeit und Brot, ohne Nationalversammlung kein Friede, ohne den Frieden keine Rohstoffe und keine Lebensmittel. Zehn Tage nach Abschluß des Waffenstillstands wählte Frankreich 1871 seine Nationalversammlung. Was dort möglich war, ist auch hei uns durchführbar. Daher unsere
Sofortige Wahl der Ne ersammlung.
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etzigen Reichs⸗ und Landesregierung einverstanden, wuünsehen ve aldige Einberufung der Reichs⸗ und Landesnatefchen ir die lung. Arbeiterrat St. Georgen Schwarzwald lalversamm, Die am 3. Dezember versammelte Besatzung der bat Inseln hat einstimmig folgende Entschließung der schleunigen Einberufung der Nationalversammlung dg „In Versammelten die notwendigste Voraussetzung für den Foicken die und für die Einheit des Deutschen Reichs wie auch für einen Abestand Friedensschluß.“ . en bald Die demokratische Vereinigung des Neuwied verlangt dringend die Ansetzung der Woereises Nationalversammlung spätestens zu2 1
loon veln.
atio Anfang Januar: de gar tritt der Nationalversammlung muß unter allen Umständ sammen. als festgesetzt erfolgen, da bis zu diesem Zeitpunkt Dentschen früher schicke entschieden sein können. Die besetzten Gebiete Deunids Ge⸗ haben ein Recht, zu verlangen, daß die Voraussetzunge utschlande
BII 11“ FI n zum Friedenz. schluß so schnell als möglich geschaffen werden. Friedens⸗
Zu einem höchst bedauerlichen Vorgang lam 8' der gestrigen Sitzung des Vollzugsausschusses den Arbeiter⸗ und Soldatenrats im Abgeordnetenh s Der Vollzugsausschuß teilt darüber durch „W. T 8 folgendes mit: 6
Kurz nach Beginn der Sitzung, um 4 ½ Uhr. wurde mitgeteie daß eine größere Truppenmacht, bestehend aus den Franzern 7g d pionieren und Flammenwerfern, Marineinfanterie und Lanbsle aör sämtliche Ausgänge des Hauses besetzt habe und im Begriff sei 6 zudringen, um den Vollzugsrat zu verhaften. Die bereits — Beratung über den ersten Punkt der Tagesordnung wurde † 1 gesetzt und nur ein Mitglied abgeordnet, um e . bestand festzustellen. Kurz darauf drang ein Feldre der Gardepioniere mit etwa 30 Mann (Pioniere cde Marine, meist sehr junge Leute) ein und erklärte den Vollzugsrat für verhaftet, und zwar im Namen der Reichsregierung. Aufs 3 Ersuchen des Vorsitzenden, einen schriftlichen Befehl vorzutcne erklärte er, daß er einen solchen nicht habe, und daß er nur 68 fehl seines Vorgesetzten folge. Auf die Frage, wer dieser Vorgesett sei, lehnte er die Antwort ab. Er ließ die Tür zum Sitzungsss schließen und stellte Posten davor auf. Der Offtzierstellvertreter von den Franzern gab seinen Leuten den Befehl, zunächst 6 Mann vom Vollzugsrat und alsdann weitere Gruppen von je 6 Mann abzuführen. Da die Mitglieder des Vollzugsrates energisch protestirten und die Mannschaften sich unentschlossen zeigten zog sich die Ausführung dieses Befehles hin. Inzwischen erschien der Volksbeauftragte Barth und erteilte im Namen des Rates der Volksbeauftragten dem Feldwebel den Befehl, mit den Mannschaften sofort den Saal zu räumen Nach anfänglichem Sträuben führte dieser schließlich den wiederholten Befehl aus Inzwischen hatte sich das Abgeordnetenhaus mit einigen hundert Mann Verhaftungstruppen gefüllt. Gleichzeitig waren aber auch mehrere tausend Mann Matrosen zum Schutze des Vollzugsrats erschienen, ferner größere Massen Arbeiter. Alle diese wurden von Vollzugsrat wieder fortgeschickt. Kurz darauf erschien auch der Stadtkommandant Wels, den der Vollzugsrat ersuchte, die Absperrung der Linden, die inzwischen erfolgt war, sofort wieder aufzuheben. Ferner ordnete der Vollzugsrat die Verhaftung des Feldwebels der Garde⸗Pioniere, des Offizierstel⸗ vertrers und einer Reihe weiterer Personen wegen dringenden Ver⸗ dachts gegenrevolutionärer Umtriebe an. In dem sogleich vorg nommenen Verhör wurde festgestellt, daß den Mannschaften 5 pro Person versprochen worden waren, wenn sie sich an dem „Umzug', von dem die Führer lediglich zu ihnen gesprochen hatten, betetligten. Ebenso wurde ein gewisser Fean verhaftet, der vorgeführt wurde unter der von ihm zugestandenen Beschuldigung, an der Spitze eines Trupps Soldaten in die Redaktion der „Roten Fahne“ eingedrungen zu sein und eigenmächtig den Betrieb aufgehoben zu haben. Es ge⸗ langte noch namens des Rates der Volksbeauftragten folgende Er⸗ klärung von Haase zur Verlesung:
„Der Rat der Volksbeauftragten hat nicht den Auftrag erteilt, irgend ein Mitglied des A.⸗ und S.⸗Rates oder einen anderen zu verhaften. Jede anderslautende Behauptung ist unwahr; die Soldaten werden zu tonterrevolutionären Zwecken mißbraucht, wenn sie zur Durchführung eines angeblichen Hattbefehls verwendet werden.“
Der Vollzugsrat setzte alsdann seine Beratungen font, die mit dem Beschluß endigten, sofort eine gem einschaftliche Sitzung mit der Reichsregierung abzuhalten.
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Ueber eine Kundgebung, die gestern gegen Abend vor der Reichskanzlei veranstaltet wurde, meldet das „W. T. B.“:
In dem abendlichen Nebel stauten sich vor der Reichs⸗ kanzlei mehrere Kolonnen Matrosen und Soldaten, dee Gewehre in der Hand. Von einem Holzblock aus richtete ihr Führer Spiro folgende Ansprache an die Truppen: . 2Deutschland steht in unermeßlichem Unglück einer vollen Kata⸗ strophe, die nur durch bewußte Zusammenfassung aller Kräfte und freiwillige Unterordnung jedes Einzelnen unter das gemeinsame Wohl überwunden werden kann. Deshalb verlangen wir, daß in der kürzesten Zeit die Vertretung des deutschen Volkes zusammentreten soll, daß die Nationalversammlung auf den 20. Dezember einberufen werden soll. Der Vollzugsrat darf nicht mehr mit linkischer Hand in die Regierungsmaschine eingreifen und die Regierung unter Druck setzen. Ist der Vollzugsrat noch immer an seinem unheilvollen Werke? So bringe ich das Hoch auf die Deutsche Republik und den Genossen Fritz Ebert aus, den ich bier in Ihrer Mitte, ge⸗ stützt auf die ganze Macht und im Bewußtsein, für die Nation zu sprechen, zum Präsidenten Deutschlands ausrufe: „Die deutsche soziale Republik und ihr erster Präsident Fritz Ebert, hurra, hurra, hurra!“
Von Jubel begrüßt, ergriff der Volksbeauftragte Fritz Ebert das Wort: . „‚Wir stehen vor ungeheuren Schwierigkeiten, die der Krieg und die Waffenstillstandsbedingungen unserm Volk auferlegt haben Unsere Volkewirtschaft ist der Grundstock unseres Lebens, noch schwerer wird unser Wirtschaftsleben bedroht, wenn eigenmächlige Maßnahmen in den einzelnen Betrieben zum schließlichen Schaden der Arbeiterklasse getroffen werden. Wir wollen unser soziales Pro gramm nicht mit Erperimenten, fondern in einer großen Reichsgesetz gebung durchführen. Ein einheitlicher Wille muß die Ge⸗ schicke des ganzen Reiches leiten. Die Führung der Ge⸗ schäfte muß fest in den Händen der Reichsleitung liegen. Wir haben uns stets bemüht, mit den A⸗ und S⸗Räten gemeinsam zu arbeiten, in deren Händen die Macht liegt. Auch mit dem Vollzugsausschuß von Berlin haben wir uns verständigt. Wenn wirklich Differenzen bestünden, so dürfte unter keinen Umständen von draußen eingegriffen werden. Das müßt Ihr uns überlassen. Wenn Ihr stürmisch die Einberufung der Nationalversammlung begehrt, so vergeßt nicht, daß Eure Kameraden, die erst auf dem Rückmars sind und mit Euch alle Kriegsnot geteilt haben, auch wählen bweeen⸗ Geduldet Euch bis zu der Tagung aller deutschen A., und Sr⸗HRiche am 16. Dezember, die sich uͤber den technifch frühesten Termm⸗ der Nationalversammlung schlüssig werden sollen. Heute fordere ich Euch auf, größte Disziplin zu wahren, eine geschlossene Truppe macht einheitlicher, klarer Führung zu bilden, die der Grundstock der la 6 ist, auf die sich Deutschlands Zukunft und Glück aus dem Abgrin eines jähen Falls neu aufbauen soll. Ihr sollt die Stützen Zeite neuen, freien Deutschlands werden, dessen Bestand von keinen
gefährdet werden darf. Die junge Sozialrepublil Deutschlan
lehe hoch, 88
Nach dem Volksbeauftragten Ebert ergriff ein junger uudent das Wort, der der Regierung im Namen der geiftigen Atbeiter on. gees ssrano versprach. Dann erklärte ein ** Die Soldaten wollen weiter nichts als Ruhe, Frieden, ¹
„l. 8. 8 4 „ 8 ¼, en, Iro nd Arbeit. Die Leute, die das Vol in diesen seinen —— fmentarsten Wünschen stoͤren, gehören binter Schloß und Riegel Fttt aber habe ich .— Herrn Ebert die klare Frage zu richten: Herr
ett ist jeßt zum Präsidenten der deutschen Republit wsgerufen; folgt er diesem Ruf? Ja oder Nein?“ Der Völlabeauftage Ebert antwortete:
„Kameraden und Genossen! Den Ruf, der an mich ergangen ist zunn und werde ich nich t annehmen, ohne mi 8 vencgen ft. Freunden in der Regierung gesprochen zu baben. das ist eine hochwichtige polttische Frage, deren Entscheidung allein den Händen der Reichsregierung liegt.“ 1 Scbas
Dann nahm der Führer Spiro wieder das Wort und prderte die Matrosen und Soldaten auf, in geschlossenem zuge abzumarschieren, was dann geschah.
——
Die in der Vollversammlung der Großberliner Soldaten⸗ nte vom 5. Dezember im Reichstag eingesetzte Kommission zur Außzarbeitung des neuen Wahlreglements für die Delegiertenwahlen am 16. Dezember hat, wie Wolffs Telecraphenbüro“ meldet, einstimmig beschlossen, der nächsten Vollversammlung der Soldatenräte Groß Berlins 8 Dezember) folgenden Antrag zur Beschlußfassung zu unter⸗ breiten: 1 8
Die Soldatenräte Groß Berlins vertreten die Auffassung, daß bei den Wahlen zur Delegiertenversammlung am 16. Dezember und bei der en- 1 Fencest 11. Arbeites und Soldatenräte Deutsch⸗ lands an dem Grundgesetz der deutschen Revolut ion, Parität zwische stetern und Soldaten, festzuhalten ist. ““
Bezüglich des Termins für die Wahl der Vertreter zur delegiertenversammlung am 16. Dezember hat die Kommission besclossen, daß dieser von der Vollversammlung der Groß⸗ betliner Soldatenräte festgesetzt wird. Der Vollversammlung wird zu gleicher Zeit das von der Kommission ausgearbeitete meaue Wahlreglement zur Beschlußfassung vorgelegt werden.
—
Auf Beschluß der vorgestrigen Vollversammlun g der Soldatenräte Groß Berlins beruft das Büro die nächste Vollversammlung für Sonntag, den 8. d. M., Vor⸗ mittags 11 Uhr, in den großen Sitzungssaal des Reichstags in. Auf die Tagesordnung wurden zunächst folgende zunkte gesetzt: Bericht des Büros. Ergänzungswahlen für das Büro. Weiterer Teilbericht des Siebenerauesschusses. Bericht des Wahlbüros, Entschädigungsfragen der Soldatenräte.
Es sind Zweifel darüber geäußert worden, ob die ver⸗ scledenen Obliegenheiten zur Durchführung der neuen Vor⸗ striften für die Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung vom 30. November Jols (Reichs⸗Gesetzbl. S. 1345 flg.), für die bestimmte basönlichkeiten besonders zu bestellen sind, auch den Frauen sberragen werden können. Wie „W T. B.“ meldet, ist diese gage zu bejahen. Nachdem die Frauen aktiv und passiv wahl⸗ terechtigt sind, müssen sie auch ebenso wie die Männer zu den lemtern und Vertrauensposten zugelassen werden, die das neue Vahlrecht für die Wahlberechtigten vorsieht. Sie sind also nobesondere befugt, als Wahlvorsteher oder als Beisitzer oder Schriffführer in den Wahlvorständen und Wahlausschüssen nng zu werden, und können gemäß § 16 der Wahlordnung in den Wahlvorschlägen als „Vertrauensmänner“ bezeichnet
Der Führer der Freiwilligen Truppe der Re⸗ jierung Ebert⸗Haase teilt durch „W. T. B.“ mit, daß wersönliche Meldungen an das Geschäftszimmer der freiwilligen Tuppe, Aula⸗Gebäude der Universität, Kaiser Franz Joseph⸗Platz inebben dem Opernhause) zu richten sind. Angenommen werden nur gediente, mit der Waffe ausgebildete Unteroffiziere, welche sch genügend ausweisen können und sich schriftlich für die segierung Ebert⸗Haase erklären. Alles Nähere betreffs Löhnung, Lerpflegung, Bekleidung, Ausrüstung im Geschäftszimmer, Kaiser Franz Joseph⸗Platz. 8
8
Die in der Presse gebrachte Mitteilung, daß die Bekannt⸗ machung, betreffkend Bestandserhebung und Beschlag⸗ nahme von Kautschuk (Gummi), Guttapercha und Asbest sowie von Halb⸗ und Fertigfabrikaten, unter Ver⸗ wendung dieser Rohstoffe, aufgehoben ist, ist, wie „Wolffs pllegraphenbüro“ mitteilt, in dieser Form nicht richtig. soher ist nur die 2. Nachtragsbekanntmachung zu der allge⸗ meinen Bekanntmachung, nämlich Nr. V. I. 1448/11. 15. KRA., aufgehoben worden, in der allein die Frage der Fahrrad⸗ kereifungen geregelt wird.
Zu der Verordnung des Rats der Volksbeauftragten über ie Gewährung von Straffreiheit und Strafmilde⸗ tung vom 3. Dezember 1918, über die bereits berichtet ist, dut der preußische Justizminister eine allgemeine Ver⸗ figung vom 4. Dezember erlassen, in der Richtlinien fit die Ausführung dieser bedeutsamen Verordnung ge⸗ seben sind. Entsprechend dem weiten Umfange, in dem durh die Verordnung Strafverfahren niedergeschlagen und Strafen erlassen werden sollen, die Löschung von Strafen un den Strafregistern angeordnet wird, waren, wie „Wolffs Leegrophenbüro“ mitteilt, zahlreiche Einzelbestimmungen er⸗ sederlich, die in ihrer Gesamtheit sicherstellen sollen, sführung der Verordnung in einem ihrem Geiste gerecht werdenden weitherzigen Sinne erfolgt. Hervorzuheben ist ins⸗ tesondere, daß, soweit bei der Ausführung nichtrichterliche Be⸗ Arden mitwirken, diese namentlich bei der Handhabung der teherschlagung von Strafverfahren Entscheidungen dann herbei⸗ süführen haben, wenn sie nicht schon von sich aus zu einer Be⸗ sahung der Anwendbarkeit der Verordnung gelangen.
mVom Minist ü issenschaft, Kunst und Volks⸗ älcung vudennisgehinm. ürr Kühe ne Dr. Wessel 1 St. Nikolat in Berlin als Regierungsvertreter für die wangelischen kirchlichen Behörden in Preußen bestellt.
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daß die
Aus mundlichen und schriftlichen Anfragen bei den zn. hünbigen Stellen geht hervor, daß aus dem Felde zurück⸗ ehrende Seminaristen und Schulamtsbewerber sich
häufig über ihre Zukunft unbegründete Sorge machen, weil sie
nicht genügend über die mancherlei recht bedeutsamen Ver⸗ günstigungen unterrichtet sind, die Kriegsteilnehmern dieser Art zuteil werden.
Wie „Wolffs Telegrophenbüro“ mitteilt, ist durch ein besonderes Gesetz z. B. Vorsorge dahin getroffen, daß Seminaristen und Präparanden auch die Zeit des vor dem Beginn des 21. Lebensjahres liegenden Militärdienstes insoweit auf ihr Besoldungsdienstalter anzu⸗ rechnen ist, als fie infolge des Militärdienstes später in den öffentlichen Schuldienst eintreten. Es werden serner besondere Lehrgänge eingerichtet, um Seminaristen und Präparanden möglichst schnell und sicher zum Abschluß ihrer Berufsausbildung zu führen. Die Ausbildungszeit ist gegenüber der normalen soweit verkürzt, als es mit den Interessen der Schule und der künftigen amtlichen Laufbahn der Bewerber vereinbar ist. Meldungen sind zweckmäßig bei der Lehrerbildungsanstalt an⸗ zubringen, der der Seminarist oder der Präparand bis zu seinem Eintritt in den Heeresdienst angehört baf
Zugunsten der Volksschullehrer, die durch die Teil⸗ nahme am Kriege an der rechtzeitigen Ablegung der zweiten Lehrerprüfung verhindert worden sind, ist bestimmt worden: Kriegsteilnehmer, welche die erste Lehrerprüfung bestanden haben und einschließlich des ihnen nach den geltenden Bestimmungen auf das Besoldungsdienstalter anzurechnenden aktiven Militär⸗ bezw. Kriegsdienstes am 1. Okteber 1918 mindestens vier Jahre im öffentlichen Schuldienst gestanden haben oder nach diesem Zeitpunkte diese viarzatrig⸗ Dienstzeit vollenden, können auch ohne Ablegung der zweiten Lehrerprüfung vom 1. Oktober 1918 ab bezw. nach Vollendung der vierjährigen Dienstzeit endgültig an⸗ gestellt werden, wenn ihnen mfolge der Teilnahme an dem Kriege wenigstens ein Jahr auf ihr Ruhegehaltsdienstalter be⸗ sonders hinzugerechnet werden muß Allerdings wird ihnen bei der endgültigen Anstellung zur Dienstpflicht gemacht, die zweite Lehrerprüfung nachträglich abzulegen. 38
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An alle aus dem Felde heimkehrenden Land⸗ arbeiter und an alle, die vor dem Kriege auf dem Lande tätig waren, ergeht, wie „Wolffs Tele⸗ graphenbüro“ mitteilt, vom Staatssekretär des Reichs⸗ arbeitsamts erneut der dringende Ruf, nicht in die Städte und Industriebezirke zu gehen, wo es an Wohnungen fehlt und die Arbeitszelegenheit knapp ist, sondern aufs Land, wo eine durchg eifende Umgestaltung der Besitz⸗ verhältnisse im Gange ist und Hunderttaufende von selbständigen Bauernstellen geschoffen werden sollen. Die Ausnahmegesetze gegen die Landarbeiter sind aufgehoben, für die Herstellung der nötigen Wohnungen und für Pachtland wird durch Gesetz gesorgt werden.
Wer Arbeit auf dem Lande sucht, wende sich 1) an seine alte Stelle oder 2) an den Arbeitsnachweis seines Heimats⸗ bezirks — ein solcher Arbeitsnachweis befindet sich in jeder größeren Stadt — oder endlich 3) an seine Gewerkschaft, und zwar an den Handarbeiterverband Berlin S0. 16 (Michael⸗ kirchplatz 1) oder an den ee egtseaat der Forst⸗, Land⸗ und Weinbergarbeiter, Bielefeld (Gütersloherstraße 43).
Wer sich als selbständiger Besitzer oder ländlicher Hand⸗ werker ansiedeln will, wende sich unter Angabe seiner Wunsche und Vermögensverhältnisse an eine der gemeinnützigen An⸗ siedlungsgesellschaften. Für Brandenburg: Landgesellschaft Etgene Scholle, Frankfurt a. O. (Halbestadt 7).
Oesterreich und uUngarn.
Der österreichische Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten hat am 3. Dezember den Aößisrungen dertschecho⸗slowakischen Republik unddes südslawischen Staates durch Vermittlung ihrer Wiener diplomatischen Vertretungen die Bildung von Schiedsgerichten vor⸗ geschlagen. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt, wird in den gleichlautenden Noten, die dem tschecho⸗slowakischen Gesandten Tusar und dem bevollmächtigten Vertreter Dr. Defranceschi übergeben wurden, auf die Zwischen⸗ fälle hingewiesen, die sich insbesondere an der Sprachgrenze in jüngster Zeit wiederholt ereignet und in einzelnen Fällen bereits zu Bluwergießen geführt haben, sowie auf die drohende Gefahr, daß der von den Nationen gegeneinander geführte Wirtschafts⸗ krieg das furchtbarste Etend über große Städte und Indust ie⸗ gebiete heraufbeschwöre. Deutsch⸗Oesterreich trete an die Nach⸗ barvölker heran mit dem Antrag, durch Abschluß eines vor⸗ läufigen Vertrages das friedliche Nebeneinanderleben der Völker bis zum Inkrafttreten des Weltfriedens zu sichern. Der Entwurf eines solchen Vertrages liegt den beiden Noten bei.
Er besagt in Art. 1, daß die endgültige Feststellung der Grenzen zwischen Deutsch⸗Oesterreich und den Nachbarstaaten, die vertrags⸗ mäßige Regelung ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen, ö“ auch die vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen den Friedensverhandlungen vorbehalten bleiben. Art. 2 verpflichtet die Vertragschließenden, alle Streitfragen, sofern sie nicht auf diploma⸗ tischem Wege unverzüglich bereinigt werden können, einem zwischen⸗ staatlichen Schiedsgericht zu unterbreiten. Nach Art. 3 erfolgt die Bildung des Schiedsgerichts, das seinen Sitz abwechselnd in Wien und in Prag bezw. in Agram hat, in der Weise, daß jeder der Vertrags⸗ staaten zwei Schiedsrichter ernennt, von denen nur einer sein Staats⸗ angehöriger sein darf, während der andere einen der an dem gegen⸗ wärtigen Kriege nicht beteiligten Staaten angehören muß. Diese Schiedsrichter wählen gemeinsam einen Neutralen zum Obmann. Können die vier Schiedsrichter sich hierüber nicht einigen, so be⸗ zeichnet jeder Vertragsstaat eine neutrale Macht, und die beiden so bezeichneten Mächte wählen den Obmann. Art. 6 bestimmt, daß die Schiedssprüche den Bestimmungen des Friedensvertrages nicht vor⸗ greifen und nur bis zu dessen Inkrafttreten Geltung haben sollen.
— In der vorgestrigen Sitzung der deutsch⸗österreichi⸗ schen Nationalversammlung gab der Staatssekrelär für Verkehrswesen Jukel eine Darlegung des
egenwärtigen Standes der Kohlenversorgung er bdeutsch⸗österreichischen Staatsbahnen.
Der Staatssekretär stellte, obiger Quelle zufolge, in seinen Dar⸗ legungen fest, daß bei dem gegenw Ricg eingeschrändten Verkehr einem täglichen Bedarfe von rund 4000 Tonnen eine Fehlmenge von 3000 Tonnen gegenübenstehe, die vom Ausland eingeführt werden müsse. Die Zuschübe letzterer Kohle hätten seit der politischen Um⸗ wälzung fortwährende Störungen durch Streiks, Beschlagnahmen usw. und in den letzten Tagen eine völlige Unterbrechung erfahren. Nicht nur die Lieferung aus den tschecho⸗slowakischen Revieren unterbleibe seit vier Tagen vollständig, auch die Belieferung aus den
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deutschen Revieren stotze infolge der Beschlaguahmen durch die Arbeiter⸗ räte in München und Lindau⸗Reutin auf Hindernissc. Die Um. leitung der oberschlesischen Kohle über Sachsen und Bavern sei durch die in jüngster Zeit eingetretenen Verkebrserschwernisse zwischen Bayern und Preußen nicht zu gewärtigen. Trotz der beimn Reichs⸗ kohlenkommissar in Berlin und bei der Generaldirektion der tschecho stowakischen Staatsbahnen unternommenen Schritte habe sich am Zustande der uUnzureichenden Kohlenpersorgung nichts inder.. Besonders kritisch Zestaltete sich die anläßlich der geforderten Durchführungen der Züge. Für diese Zwecke seien bis jetzt 49 Transporie ge⸗ sahren worden, wofuͤr dem deutsch⸗österreichtschen Staate nur 250 Tonnen gegenüber 1000 Tannen zugekommen seien. Eine weitere Zuweisung von 275 Tonnen sei allerdings erfolgt. Doch werde diese Menge erst in den nächsten Tagen eintreffen. Durch das voll⸗ tommene Ausbleiben der Dienstkohle in den letzten Tagen scheine der gänzliche Stillstand der gesamten Betriebe bevorzustehen. Der Staatssekretär verwies buf die vom Staatsamt für das Verkehrswesen bei den Nationalstaaten erfolgten ver⸗ geblichen Bemühungen sowie auf den ron diesem Staats amte gemachten Vorschlag, ein Kohlenkomitee in Prag eventuell unter ischecho⸗flowakischer Führung zur gerechten Aufteilung der Kohle zu errichten. Dieses Ansuchen, das immer wieder erneuer worden sei, sei bisher unbeantwortet geblieben. Es scheine, daß sachliche Verhandlungen, welche bis jetzt vom Staatsamt für das Verkehrswesen und auch vom Staatsamt für öffentliche Arbeiten mit fremden Staaten gepflogen seien, nicht mehr genügten, um die außerordentlich ernste Kohlenftage zu lösen, und daß in Ansehung der drohenden Lage nunmehr Verhandlungen zwischen den beteiligten Staalsregierungen einsetzen muͤßten, um die ärgste voll⸗ ständige vahmlegung des Verkehrs und damit auch den politischen und wirtschaftlichen Niedergang hintanzuhalten. Zu diesem Zwecke wäre die Erwirkung einer “ der beteiligten Nationalstaaten zur Schaffung des bereits in Anregung gebrachten gemeinsamen Kohlen⸗ komitees in Prag nötig.
Im weiteren Verlauf der Sitzung unte warf der Ab⸗ geordnete Teufel das Regime des Staatsraats einer abfälligen Kritik und verlangte, daß der Staatsrat alle mili⸗ färischen und sonstigen Maßnahmen treffe, um den Schutz der bedrohten deutsch⸗österreichischen Gebiete zu sichern Der Ab⸗ geordnete Schürf beantragte eine Untersuchung über die Vorfälle an der Südwestfront und beim Rückmarsch einzuleiten und die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.
Der Präsident Seitz (Soz.) wandte sich gegen den Abg. Teu fel, dem er vorwarf, jener Gruppe Abgeordneter des alten Hauses an⸗ gehört zu haben, die die Einbläser der Stürgf! und Seidler gewesen seien. In Besprethung des militärischen Zusammenbruchs erklärte der Redner, es bestehe der Verdacht, daß der Zusammenbruch nicht draußen an der Front geschehen, Fhem diplomatisch im Hinterlande in die Wege geleitet worden sei. Besiegt in diesem Kriege sei nicht das Volk, sondern die Hausmacht der Habsburger, das ganze al'e Reich der Reaktion. Aber die Rache der Sieger treffe nicht die wirklich Schuldigen, weil sie sich aus dem Staube gemacht hätten, sondern das arme unglückliche Volk. Der Abg. Schöpfer (Christlich⸗Sozial) erklärte im Namen der Christlich⸗Sozialen Vereinigung, daß sie die Not der deutschen Gebiete überall, wo sie vom Gepner bedroht würden, mögen es Tschechen, Südflawen oder Italiener sein, mit dem gleichen Interesse verfolgen und gewillt seien, alles aufzubieten, um ihnen Hilfe und Rettung zu bringen. Er führte Klage über die grausame Behandlung Südtirols durch die Italiener, die ganz im Widerspruch zu den Waffenftillstandsbedingungen und zur Haager Konvention ganz Südtirol als schon Italien gehörig berrachteten. „Was unsere Stellung zur Republik betrifft“, schloß der Redner, „erkläre ich hier als d. Jens daß wir nach den Lehren unserer Religion ganz ruhig für die Republik eintreten können, wie ja auch die Christlich⸗ Soziale Partei das Programm der Republik anerkannt hat.“ Der Staatssekretär für Heerwesen Meyer wies zunächst den Vorwurf zurück, daß er es nicht verstanden habe, im richtigen Augenblick aus den Trümmern der alten Armee das Brauchbare in die neue Zeit hinüberzuretten. Er erinnerte an die Umstände, unter denen die Volkswehr gebildet sei, und verwies auf die in
allen Kreisen herrschende Furcht bezüglich der Roten Garde. Dank der Besonnenheit derjenigen, die an dieser organi⸗ satorisch mitwirkten, sei es gelungen, überall dieser Neben⸗ erscheinungen Herr zu werden und zu erreichen, daß die Volkswehr heute ihr einheitliches Sebrägs. habe und daß sie sich dem Volkswehr⸗ kommandanten unterordne. Der Staatssekretär betonte, daß dabei die zur Verfügung gestellte Organisation der Sozialdemokratie hervor⸗ ragende Wienste geleistet habe. „Wir sind uns klar darüber,“ schloß der Staatssekretär, „daß die künftige Wehrpflicht auf einer gleich⸗ mäßigen Heranziehung aller Bevölkerungsschichten aufgebaut sein muß. Zu Craberungen werden wir mit der Volkswehr nicht ausziehen können.’ Der Abg. Abram (Soz.) erklärte, der größte Teil der städtischen Bevölkerung sei mit voller Ueberzeugung für den Anschluß an Deutschland, und zwar nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus kulturellen Gründen, und glaube, nur durch einen Zusammen⸗ schluß aller Deutschen Deutsch⸗Südtirol für das deutsche Volk retten zu können. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Der Staatskanzler Dr. Renner erklärte, daß er der vom Abg. Teufel geäußerten Em⸗ pörung über die Leiden der deutschen Nation zustimme. „Wir werden aber das Unrecht, das wir über uns ergehen lassen müssen, niemals hinnehmen in der knechtischen Gesinnung dessen, der sich wider Recht und Billigkeit schlagen läßt, sondern wir werden unser Recht fordern und nie auf dasselbe verzichten. (Zustimmung.) Wir teilen den Wunsch des Abgeordneten Teusel nach einer starken Wehr⸗ macht. Wir beklagen es aber, daß wir sie, wenn wir sie hätten, auf der gegebenen Rechtslage kaum benutzen könnten. Die deutsche Nation in Europa wird durch die Niederlage wachsen. Sie wird abschütteln, was an ihr morsch und alt war, sie wird wieder in teinem Sinn das Volk der Dichter und Denker werden, aber auch ein Volk praktischer Schöpfer und Mitschöpfer einer neuen Ordnung der Welt. Wenn heute in der ganzen Welt die Worte Wilfons vom Völkerbund einen guten Klang haben, so sei in der Stunde der Demütigung gestattet, zu erklären, daß der Bund der Völker zuerft unserem Immanuel Kant vorschwebte. Bezüglich der Motive für den Anschluß Deutsch Oesterreichs an die deutsche Republik stellte der Staatssekretär feft, daß das Motiv, das uns alle beherrscht, die Tatsache ist, daß wir Deutsche sind. (Lebhafter Beifall.) Das Bewußt⸗ sein dieser Einheit ist so mäͤchtig und so unwiderstehlich, daß man uns zwar durch feindliche Macht oder durch die Macht unverständiger Schiedsrichter wieder Grenzpfähle setzen kann, aber die Grenzpfähle kann man herausreißen. Die Blutsgemeinschaft überdauert Jahr⸗ hunderte. Es wäre ein vergebliches Unterfangen, uns geistig zu trennen. Die Macht haben die anderen. Mögen sie auch klugen Gebrauch davon machen.“
Es wurden sodann sämtliche auf der Tagesordnung stehende Vorlagen, darunter das Gesetz über die Staats⸗ bürgerschaft, in neuerliche Verhandlung unter Bestätigung des bei der ersten Beratung angenommenen Antrags, worin als Voraussetzung für dos Staatsbürgerrecht das Bekenntnis zur deutschen Nation verlangt wurde, angenommen.
— Gestern erschien eine Abordnung aus Kaplitz bei der provisorischen Landesregierung von Oberz erredes
in Linz und überbrachte obiger Quelle zufolge die Mitteilung, fie habe mit dem Kommandanten der dortigen tschecho⸗ slowakischen Truppen wegen Abschlusses eines Waffenstill⸗ standes unterhandelt. Der Kommandant der Tschecho⸗Slowaken habe sich zur Einstellung der Feindseligkeiten bereit erklärt, mwenn auch die provisorische Regterung von Oberösterreich ihre
Mackensen⸗
reichs⸗
Zustimmung geben und weitere Verhandlungen zwischen