1919 / 34 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Feb 1919 18:00:01 GMT) scan diff

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dautschen Vaterlandes. (Sehr richtig!) Möglichst muß dieses Pert auf dem Wege freundlicher Seabeber Gefühls zuwege gebracht werden; soweit s boendeeüe möglich ist, soll jebe Masjorisierung zu vermelden versucht werden. Et ist nicht zu verkennen, daß auch ein gewisses Weniger, das auf dem Wege der Freiwilligteit erreicht mwird, wertvoller 8 kann als ein dag unwillig durchgesezt wird. (Sehr richtig!) Aber am 9 letzten Ende dürfen Lebensnotwendigkeiten der Gesamtheit darunter kemen Schaden leiden. (Sehr richtig!) Was der Gesamtheit unter einer besonders erschwerten Lage notwendig ist, um zu er⸗ starken, das muß ihr werden. Aber das ist nun ein Werk, das nicht so schnell, wie es wünschenswert wäre, zu erreichen ist, gerade wenn versucht werden soll und, muß, soweit es irgendwie möglich ist, das im Wege der Verständigung zu erzielen. Das ist ein schwieriges und ein zeitraubendes Werk. Darau⸗ aber zu warjen, bis solche Verständigung nach Möglichkeit durchzufübren ift, bis die Fülle der strittigen Fragen so oder so geschlichtet ist, das ist nicht möglich, wenn das Ziel erreicht werden soll, das das einzige und notwendigste für den Zustand unseres gesamten Vaterlandes ist. Das ist, so schnell wie möglich eine rechtliche Ordnung zu gründen, die durch die Sanktion dieser souveränen Versammlung die Organisation darstellt, die im Innern Deutschlands eine sanktionierte Gewalt ausüben kann und die dem Auslande gegenüber über jeden erhaben berechtigt ist, im Namen des ganzen deutschen Volkes zu sprechen und zu handeln. Weikall. Aus der Erkenntnis heraus, daß der Abschluß dieses Werkes zur Eile mahnt, ist der Entwurf der Fes lequng einer vorläufigen Reichsgewalt hervorgegangen. Von ihm gilt im besonderen Matze das, was ich cben auegeführt habe. Um auch nur diesen Entwurf schnell zustande⸗ zubringen auf der Linse des geringsten Widerstandes, mußten Ver⸗ handlungen geführt und Kompromisse geschlossen werden. Dieser Entwurf ist ein Kompromißentwurf, die erfahrenen Politiker haben es ihm mit Leichtigkeit angesehen, er kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen. Gerade die weitreichendsten, schwierigsten Fragen, befonders die der Kompetenz zwischen Reicks⸗ und Einzelstaaten und ewiß andere Kompetenztragen mußten hier von vornherein ausgeschaltet werden, denn gerade über sie wäre nicht schnell eine Einigung zu er⸗ zielen gewesen. Auch sonst läßt zweifellos der Entwurf in dem, was er bietet, viel, sehr piel zu wünschen übrig. Aber die Entschuldigung nicht nur, sondern die Rechrfertigung dafür war die dringende For⸗ wendigkeit, sofort beim Zusammentritt der Nationalversammlung ihr den Entwurf vorlegen zu koͤnnen, und zwar einen Entwurf, von dem ntan sich vorher versichert hatte, daß er bei der weit überwiegenden Mebrzahl der bisherigen Einzelstaaten keinen entschiedenen Wider⸗ pruch erfahren würde. Dic am meisten in die Augen springenden Punkte sind die Funktion, die dieser Nation lversammlung den Namen bt, die Verfassungsgebung und die Erledigung sonstiger dringender Gesetze. Der Paragraph 1 des Entwurfs stellt diese beiden Tätig⸗ keitsgebiete zusammen. Im übrigen wird dann im Entwurfe hin⸗ sichtlich der Mitwirkung der einzelstaatlichen Vertretungen bei diesen iden Funktionen geschieden. Diese Nationalversammlung ist als Vertreterin des souveräͤnen Voltes auch in ihrer Tätigkeit souverän. Sie hat von sich aus mit niemand zu vereinbaren, sondern hat zu beschließen, aber sie hat selbstverständlich das Recht und die Pflicht, zum Heile des Ganzeg und zum schnellsten Zustandekommen des Ent⸗ wurft diese Souveränität selbst zu beschränken. (Sehr richtig!) Diese Selbstbeschränkung gilt aber nicht für das besondere Werk virser Versammlung, für die Verfassunggebung. Nur ist einem pringenden Verlangen der Einzelstaaten entsprechend dem Staaten⸗ ausschusse die Befugnis verliehen worden, zu dem Ver⸗ fassungsentwurf vorher Stellung zu nehmen. Aber wie auch diese Stellungnahme ausfällt, es bleibt die Mög⸗ sichkeit, daß der Verfassungsentwurf der Nationalversammlung rur Gntscheidung unterbreitet wird. Ueber die Verfaffung entscheidet te Nationalversammlung selbst endgültig, mit der einzigen Ausnahme des § 4, wonach der Gebietszustand der reistaaten nur mit deren Zu⸗ stimmung ab eändert werden kann. Die Einzelstaaten sollen Inaes ein lönnen, daß nicht einfach durch Beschluß der Nationalversammlung ohne

vder gegen ihren Willen eine Neueinteilung der Landkarte von Deuts kand staltfinden kann. Diese Einräumung konnte um so leichter 81 werden, als das Gegenteil ja doch nicht durchführbar wäre. Wir können nicht ohne weiteres mit einem Federstrich nur durch Beschluß der Nationalversammtung gegen den Willen der Einzelstaaten Gebiete endern; die endgültige Bestimmung darüber aber, welches der Rechtsweg für die vermutlich notwendigen territorialen Um⸗ revfemmßen sein sol, ist natürlich der Verfassung porbehalten. Inders afs bei der Reichsverfasszung selbst soll der Gang bei den anderen dringenden Gesetzen sein. füͤr die die Nationalversammlung in Frage kommt. Hier wird eine Zustimmung der einzelstaatlichen Bertretungen vorgeseben, eine Uebereinstimmung zwischen dem Staaten⸗ augschuß und der Natwonalversammlung. Aber ch bestehen Unter⸗ ede zwischen diesem Staatenausschuß und dem früberen Bundesrat. Mit der Ablehnung eines Beschlusses der Natipnalversammlung durch den taatenausschuß soll nicht das letzte Wort gesprochen sein, Londern 88* die Möglichkett vorgeseben, die ftreitige Frage im Weze der Volksabstimmung zur Entscheidung zu bringen. Aber gewisse Aehnlichkeiten zwischen dem Staatenausschuß und dem frühberen Bun⸗ desrat bestehen zwerfellos, und wenn das ein Grund ist, daß die eine Fei den Staatenausschuß willkommen heißt, so ist er der anderen zeite gerade deswegen weniger willkommen. (Heitere Zustimmung.) Ader es besteben doch auch grose Verschiedenheiten. Eiumal die, daß bei einem Widerspruch zwischen dem Staatenausschuß und der Nationalversammlung, der Staatenausschuß nicht ohne weiteres das letzte Wort hat, sondern das Volk selbst, dann aber auch, daß der verantwortlichen Reichsregierung nicht durch einen Mehrbeitsbeschluß des Staagtenausschpsses der Weg zur Natipnatversammlung abgeschnitten werden kann. Wir müssen und wollen uns mit den Vertretungen der Ernzelstaaten einigen. Wenn aber eine Einigung nicht zu erzielen ist, so war es früher zweifellos ein Mißstand, daß der Regierung damit der Weg zum Neichstage versperrt war. Das ist jetzt be⸗ seitig t. Kommt eine Verständigung im Staatenausschuß nicht zu⸗ stande, so ist die verantwortliche Reichstegierung befugt, mit ibrem Ertwurf vor die Nationalversammlung zu treten. Der Gerechtigkeit halber ist dann bestimmnt, daß der dissentierenden Mehrheit des Staatcnausschufses ebenfalls der Weg zur Nationalversammlung gffen steht. Diese Aenderung ist von erbeblicher Bedeutung, denn ie verhindert, daß Entwürfe der Reichsregierung nicht von vernherein im Schoß des Staatenausschusses verschwinden können. Im übrigen sieht der Entwurf an der Spitze des Reichs einen Reichzpigsidenten vor. Auch hier ist, wie es für die Zwece des Entwurfs und seinem Charakter als den einer vorlaufigen Organisation notwendig war, vermieden worden, in die Einzel⸗ heiten der Zuständigkeiten einzutreten. Im großen und ganzen sind es die Befugnisse, die republikanischen Staatsoberhäuptern zuzu⸗ stehen pflegen, unter verantwortlicher Mitwirkung eines Ministeriums, das dieser Nationalversammlung verantwortlich ist und von deren Vertrauen abhängt. Auch gerade durch diese Abweichung von dem bisberigen Vundesratssystem wird eine wahre poli⸗ msche Verantwortlichkeit des Reichsministeriums gegenüber der Nativnalversammlung, wenn nicht ermöglicht, so doch erleichtert. Selbftverständlich sind Kriegserklaärung und Friedensschluß nicht dem Präsidenten vorbehalten, sondern auf den Weg der Reichsgesetzgebung erwiesen. Auf dem Gebiet der internationalen Verträge wird das bisherige Recht einstweilen aufrecht erhalten mit dem Zusatz, daß im Hiblick auf den Völkerhund, wenn in diesem allen seinen Mitgliedern die gleiche Verrflichtung auferlegt wird, alle Verfräge der varlamentarischen Zustimmumg bedürsen sollen und damit mit dem Spstem der Geheimverträge gebrochen wird. Wir haben Abstand genommen, schon jetzt dieses Verfahren einzuschlagen, unter dem Gesichtsvumkt, Deutschland auf dem Gebiet internationaler Verhandlungen nicht schlechter zu stellen ass andere Staaten. Der Wunsch der weiteren Entwicklung geht sicher dahin, ref diesem Wege mit dem ganzen Gystem der Eese verträge aufgeräumt „db. Wir haben in diesem Entwurf über die innere Orgatisation 08* Reicheministorumns auch reine näͤheren Bestimmungen getroffen;

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nur in der Bestimmung der §§ 8 und 9 bezüglich der Ver⸗ antwortlichkeit der Reichsminister gegenüber der Nationalversammlung liegt wenigstens die Andeutung einer Abweichung von dem bishe igen Eystem, insofern die künftigen Reichsminister für ihre Ressort⸗ verwaltung jedenfalis unmittelbar der Nationalversammlung ver⸗ antwortlich sein sollen und nicht mehr so wie früher Gebilfen des Reichskanzlerz. Aus dieser schon wird sich die Notwendigkeit eines kollegialen Zusammenwirtens ergeben, die in der bisherigen Ordnung nicht vorhanden war. Bestimmungen über das Kollegialsystem schon in dieses Notgesetz aufzu⸗ nehmen, erschien nicht praktisch. Man soll das der Entwick⸗ lung überlassen. Daß an der Spitze des Reichsministeriums ein Ministerpräsident stehben soll. darf als selbstverständlich vor⸗ ausgesetzt werden. Den alten ehrwürdigen Namen für das leitende Amt, den Titel „Reichskanzler“, haben wir zunächst in diesen pro⸗ visorischen Gesetzentwurf nicht eingesetzt. Vielleicht aus dem Gefühl heraus, daß er zu historisch schwer sei, um in einen vorläufigen Ent⸗ wurf aufgenommen zu werden. Sollte es der Wunsch der Versamm⸗ lung sein, etwas derartiges jetzt schon einzuführen, so stehen prinzwielle Bedenten keineswegs entgegen. Jedenfalls, ich darf nicht hoffen auch nach diesen Erläuterungen nicht —, daß Ihnen dieser Entwurf vollständig er⸗ scheint. Das war aber, wie gesagt, nach Lage der Dinge nicht möglich, denn es hätten sich dann sofort die Widerstände vermehrt und verschärft, die bei diesem ersten positiven Werke der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung nach Möglichkeit zu vermeiden sind, und es ist, weil, wie ich immer wiederhole, gerade hier Schnelligkeit der Einsetzung der neuen, von der Nationalversammlung santtionierten Regierung ein dringendstes Bedürfnis unserer inneren wie unserer äußeren Politik. (Sehr richtig.) Eins aber darf man jedenfalls dem Entwurfe zu gute rechnen: er wird in keiner Weise die Wege versperren, die bei der definitiven Verfassung zu gehen sind. Das war vielleicht der Fehler, wenn ich wieder einmal an die Erinnerung von 1848 an⸗ knüpfen darf den das damalige Gesetz über die provisorische Zentralgewalt hatte, daß es die notwendigen Wege der Entwicklung verbaute. Damals war schließlich nur ein kieindeutsches Reich möglich die provisorische Zentralgewalt sah einen österreichischen Erzberzog vor. Jetzt sind wir darin in der glücklichen Lage einer ungeklärten Entwicklung. Wir stehen jetzt vor der Aufgabe, die großdeutsche Republik zu gründen, und keine der Bestimmungen dieses vorläufigen Entwurfs steht den von der Nationalversammlung etwa u billigenden organisatorischen Bestimmungen der definitipen Ver⸗ ffng im Wege. Wie es bei einem Kompromißvorschlag nicht anders ein kann, wird das, was vorgeschlagen wird, weiten Teilen nicht ge⸗ fallen, dem einen zu viel, dem andern zu wenig geben. Das kann nicht anders sein, aber die Hoffnung möchte ich auessprechen dürfen, daß der Gedanke, der diesem Kompromißentwurf zunrunde liegt. der Gedante der Vereinbarung, der Gedanke, auf dem Wege des möglichst geringsten Widerstands dem neu zu schaffenden Deutschen Reiche so schnell wie möglich eine anerkannte Regierung zu geben, daß dieser Gedanke auf allen Seiten dieser hohen Versammlung Anklang finden möge. Es wird das zugleich der erste und wahr⸗ lich nicht bedeutungsloseste Schritt zum Wiederaufstieg des deutschen Volkes sein. Gewiß, es müssen Wünsche der Parteien, es müssen Wünsche der einzelnen Landesteile, es müssen auch Wünsche der Reichseinheit bei diesem vorläufigen Entwurf etwas zurückgestellt werden. Aber über all diesen Wünschen steht, glaube ich, bei allen Teilen dieses hohen Hauses mehr noch als in den Tagen des Glücks in diesen Tagen des Ernstes, der Sorge und der Not die Liebe zum gesamten Vaterlande, mehr noch als im Glück heißt es jetzt in Schmerz und Leid für uns alle: Deutschland über alles! (Beifall.)

Vizepräsident Haußmann: die erste Beratung ist geschlossen.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Nächste Sitzung Montag, 10. Februar, Nachmittags 3 Uhr (zweite Beratung des Gesetzentwurfes über die vorläufige

eichsgewalt).

Schluß nach 4 Uhr.

Wortmeldungen liegen nicht vor,

Parlamentarische Nachrichten.

Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ aus parlamentarischen Kreisen hoört, ist in der Fage der Besetzung der bdrei Präsidentenstellen (der Nationalversammlung, des Reichs 1 Reichsministeriums) noch keine Entscheidung getroffen worden.

„In der Nationalversammlung sind sieben Ausschüsse gebildet worden: 1) Seee (28 Mittgglieder), 2) Wahlprüfungsausschuß (14 Mitglieder), 3) Geschäfts⸗ ordnungeausschuß (21 Mitglieder), 9 Wirtschaftsausschuß (28 Milglieder), 5) sozialer Ausschuß (28 Mitglieder), 6) Rech⸗ (14 Mitglieder), 7) Petitionsausschuß (29 Mit⸗ glieder).

Die Deulsch⸗-Nationale Volkspartei hat unter anderem folgende Anträge eingebracht:

1. Die Reichsregierung wird ersucht:

1) Die si⸗ Kraft des schaffenden Volkes in allen wirtschaftlichen Zweigen wirken zu lassen zur Neuentfaltung von Handel und Wandel, zur Wiederaufrichtung des gesamten Erwerbslebens und hinreichender Sicherstellung der Ernährung des Volkes.

2) Zu dem Zwecke Maßregeln dahin zu ergreisen, daß der Ab⸗ bau der Zwangswirtschaft in Getreide, Kartoffeln, set und Fleis erfolgt, sobald die Ernährung des Volkes in diesen Produkten durch Erzeugung und Zufuhr gewährleistet ist.

3) Daß der Abbau der Zwangswirtschaft in allen anderen Kreisen der Volkswirtschaft sofort erfolgt.

4) Daß die Aufhedung der Kriegswirtschaft baldigst in die Wege geleitet wird. .

5) Daß die Zufuhr der für Handwerk und Industrie notwendigen Rohstoffe und Betriebsmittel in ausreichender Weise gewährleistet wird. Hierfür kämen namentlich in Betracht: Die Freigabe der Vor⸗ räfe, inebesondere auch zugunsten des 8,. und Kleingewerbes, die Sicherstellung einer geregelten Kohlenförderurg und Wieder⸗ berstellung eines geregelten Verkehrswesens.

6) Daß den durch den Krieg und die Kriegswirtschaft festgelegten Betrieben in Handwerk, Kleingewerbe und Industrie weitgehende Föͤrderung zu ihrem Wiederaufbau zugewendet wird.

7) Daß die Betriebe von Industrie, Gewerbe, Handel und Land⸗ wirtschaft gegen willkürliche Eingriffe Unberufener geschützt werden, insbesondere, daß die Maßnahmen der Arbeitsgemeinschaften von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur Feeerune des Erwerbs⸗ lebens sowie die Wirksamkeit der Arbeiter, und Angestellten⸗ ausschüsse, die Tätigkeit der Berufsorganisationen bei der Be⸗ handlung der Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen gegen solche Eingriffe gesichert werden. 8

8) Daß die Lieferung von künstlichen Düngemitteln an die deutsche Landwirtschaft zu angemessenen Preisen schleunigst herbei⸗ geführt wird, um der sonst notwendig eintretenden Einschränkung der landwirrschaftlichen vraaheng entgegenzutreten. b

9) Daß die Nachzucht in der Viehhaltung gesichert wird und eine genügende Beschickung der Weiden mit Magervieh erfolgt.

10) Daß die Reorgantsation der staatlichen Betriebe, die heute zum Teil mit großen Verlusten arbeiten, insbesondere der Heeres⸗ betriebe, unter Heranziehung privater Unternehmen in die Wege ge⸗ leitet wird.

II. Die Nationalverfammlung wolle beschließen: Die Reichs⸗ regierung wird ersucht: s

1) unverzüglich die gesetzliche Neuregelung der Kriegsbeschädigten⸗ und Kriegshinferbliebenenfürsorge unter gleichzeitiger Einrichtung eines durch Mitwirkung von Laten aus den Kreisen der Kriegs⸗ beschädigten gesicherten Rechtsverfahrens herbeizuführen, 81

weiterung.

2) die unverzügliche Auszahlung der Demobilisationsgelder an die ordnungsmäßig bei der Demobilisation entlassenen Heeres⸗ des ihnen zustehenden Entlassungsanzugs zu veranlassen. .

III. Die Nationalversammlnng wolle beschließen, die Reichs⸗ regierung aufzufordern, darauf hinzuwirken, daß die kommenden Friedensverträge Bestimmungen über internationalen Arbeiterschutz und allgemeine Arbeiterversicherung enthalten.

IV. Die Nationalversammlung wolle beschließen:

1) einen aus allen Peee; gebildeten Ausschuß einzusetzen, der die bei der Revolution als Gesetze erlassenen Verordnungen zusammen⸗ zustellen, zu prüfen und über ihre Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und finanzielle Wirkung Bericht zu erstatten hat,

2) einen benselchen Ausschuß einzusetzen, der festzustellen und zu prüfen hat, welche Vorräte an Nahrungsmitteln, Bedarfsartikeln und Betriebsstoffen seit dem 9. November 1918 in unrechtmäßiger Weise ihrer ursprünglichen Bestimmung anderweitig verwendet worden sind,

3) die Reichsregierung aufzufordern, unverzüglich über alle seit dem 8 1918 aus Reichsmitteln erfolgten Ausgaben Bericht zu erstatten.

Statistik und Volkswirtscht.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Ausstand der Straßenbahner in Dortmund (vgl. Nr. 30 d. Bl.) ist, wie „W. T. B.“ meldet, nachdem die Aus⸗ ständigen und die Direktion sich dahin geeinigt haben, daß das Reichsarbeitsamt in Berlin wegen der endgültigen Tarit⸗ abmachung entscheiden soll, gestern beendet worden. Der Verkehr sollte heute in vollem Umfange wieder aufgenommen werden.

Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten Meldung des

„Ungarischen Korrespondenzbureaus“ aus Budapest dehnte sich ein

infolge des gewalttätigen Verhaltens der tschechoslovakischen Be⸗ hörden in den besetzten Gebieten Oberungarns aus⸗ gebrochener Ausstand auch auf Kassau aus, wo Arbeiter⸗ schaft und Verwaltungsbehörden sowie Post und Eisenbahn in den Ausstand getreten sind.

Im Londoner Bahnverkehr bot, wie „W. T. B.“ er⸗ fährt die Weigerung der der National Union angehörenden Bahn⸗ angestellten, die Bedingungen des von den Lokomotivführern und Heizern getroffenen Abkommens anzunehmen, ein unerwartetes Hindernis. Infolgedessen verkehrten am Sonnabend keine elek⸗ trischen Züge, außer einigen, die den Betrieb nicht eingestellt hatten. Die Abteilung London des Verbandes der Elektrizitäts⸗ arbeiter hat aber Abends angeordnet, die Arbeit sofort wieder aufzunehmen. Nach einer Reutermeldung ruhte am Donnerstag voriger Woche die Arbeit auf den Schiffswerften am Die Ausständigen erklärten, sie seien fest entschlossen, den Ausstand so lange fortzusetzen, bis die 40⸗stündige Arbeitswoche eingeführt sei. Wie ferner verlautet, sind Haftbefehle aus⸗ gestellt worden, um die Mehrzahl der Ausstandsführer in Belfast zu verhaften, aber die Behörden warten noch mit der Ausführung der Befehle, um die größte Möglichkeit für die Wieder⸗ herstellung des öffentlichen Dienstes zu bieten.

In Cadix verhinderte, wie „W. T. B.“ erfährt, ein Aus⸗ stand der Dockarbeiter verschiedene Handeisschiffe an der Ausfahrt. Die Gewerschaften drohen mit dem allgemeinen Ausstand. Die Gendarmerie ist verstärkt worden. 8

Kunst und Wissenschaft.

Die Handschriftenabteilung der Berliner Staatsbibliothek hat in letzter Zeit eine Reihe von Nach⸗ lässen erhalten, so von Val. Rose, Aug. Wilmanns, Imm. Bekker, Ludw. Keller, W. Schott. Die der Abteilung angegliederte Auto⸗ graphensammlung Darmstädter zur Geschichte der Wissenschaften und der Technik hatte einen Zuwachs von 36 0 Autographen, darunter eine Quittung von Michel Angelo Buonarotti, Briefe von Johann Fichard 1641, ein Schreiben an Andreas Hofer u. a. Professor Schweinfurt schenkte eine hervorragende Sammlung, enthaltend Briefe von Afrikaforschern, Geheimer Rat Waldeyer Medizinbriefe, Ge⸗ heimer Rat Hans Virchow Briefe aus dem Nachlaß seines Vaters. Unter den erworbenen Musikautographen der Musitabteilung stehen an erster Stelle die bisher ungedruckte Fassung einer Arie aus der Oper „Radamisto“ von Händel und die einzig echte Niederschrift von Bachs Sonaten und Partituren für Violine allein. Professor Ernst Rudorff hinterließ die Autographen seiner sämtlichen Werke. Auch die Sammlung der Musikerbriefe erhielt eine wesentliche Er Unter den erworbenen Handschriften ist besonders be⸗ merkenswert das Missale Sedunense aus dem XIII. Jahrhundert, angeschafft aus einem vom Verlagsbuchhändler Tepelman zur Ver⸗ fügung gestellten Betrag.

Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.) F Bung

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Opernhaus. (Unter den Linden.) Dienstag: 40. Dauer⸗

bezugsvorstellung. Königskinder. Musikmärchen in drei Aufzügen. Texrt von E. Rosmer. Musik von E. Humperdinck. Musikallsche Leitung: Generalmusikdirektor Leo Blech. Spielleitung: Hermann Bachmann. Anfang 7 Uhr. . Schanspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Dienstag: 42. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind vesgegüben. Die EE Lustspiel in vier Aufzügen von Gustav Freytag. Spielleitung: Albert Patry. Anfang 7 Uhr. 1 Mittwoch: Opernhaus. 41. Peenng . und Freiplätze sind aufgehoben. Der Freischütz. Fönts Oper in drei Abteilungen (zum Teil nach dem Volksmärchen „Der Freischütz“) von F. Kind. Musik von Karl Maria von Weber.

Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 43. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und .S185 sind aufgehoben. Ein halber Held. (Kurt von der Kreith.) Eine Tragödie in fünf Aufzügen von Herbert Eulenberg.

Spielleitung: Dr. Reinhard Bruck. Anfang 7 Uhr.

Familiennachrichten.

Gestorben: Hr. Reichsgerichtsrat Dr. Ernst Neukamp (Leip⸗ zig). Hr. Geheimer Regierungsrat, Professor Dr. Ludwig Geiger (Berlin). Hr. Oberstleutnant a. D. Günther von Schimpff (Dresden⸗A.). Verw. Professor Th. Kropatscheck, geb. VBieder⸗ mann (Berlin⸗Lichterfelde).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charkotbenburg,

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Ges chäftsstelle. b

nungsrat Mengering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengerina) in Berlin. Druck der Norddeutschen rlin, Wi raße 32.

Sieben Beilagen

2₰

8.

uchdrugherei und Verlagsanfttalt.

ischen Reichsan

8—

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 10. Februar 1919.

Entgegen den Meldungen einiger Blätter, daß in Spaa dereits Vorverhandlungen über die Verlängerung des Waffenstillstandes eingeleitet worden seien, hat „Wolffs Telegraphenbüro“ fesistellen können, daß diese Nach⸗ richt auf einem Irrtum beruht. Die deutsche Waffen⸗ stillstandskommission hat nämlich vor einigen Tagen in Spaa bei den Alliterten anfragen lassen, ob für den Fall, daß die feindlichen Reqierungen den Waffenstillstand nicht automatisch verlängern wollten, die Verhandlungen nicht bereits am 12. Februar in Trier beainnen könnten, um eine ruhige Arbeit zu gewährleisten. Es ist anzunehmen, daß diese An⸗ rage Anlaß zu der irrigen Meinung gegeben hat, als ob Vorverhandlungen bereits im Gange sind. Bis jetzt jedenfalls

ist in Spaa noch keine Antwort auf unsere Anfrage eingelaufen.

8 Das Abkommen mit den Vertretern der allierten Regierungen über die Lieferung von Lebensmitteln an Deutschland ist am 8. Februar in Spaa nach drei⸗ zägigen Verhandtungen unterzeichnet worden. An den Ver⸗ handlungen, die deutscherseits der Unterstaatssekretär von Braun vom Reichsernährungsamt leitet, haben außerdem Vertreter aller beteiligten Reichsstellen, Vertrauensmänner des Handels und der Aerzte teilgenommen. Der wesentlichste Inhalt des Abkommens, das sich an die in Trier getroffenen Verein⸗ heehe anschließt, ist, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, olgender:

Der oberste Ernährungsrat der Alliierten wird Vorsorge treffen, daß sofort rund dreißigtausend Tonnen Schweinesert und Schweine⸗ fleisch und 250 000 Kisten kondensierte Milch über Rotterdam nach Deutschland geliefert werden. Die Bezahlung dieser Mengen ist deutscherseits durch Gold und fremde Devisen sichergestellt. In un⸗ mittelbarem Anschluß an diese Lieserungen wollen die Alliierten in Aussicht nehmen 200 000 Tonnen Weizen und Weizenmehl und weitere 35 000 Tonnen Schweinesett und Schweinefleisch zu liefern, wenn eine hekriedigende Regelung der Finanzfrage bei den am 12. Februar beginneneen Verhanolungen der Finanzkommissicn gefunden wird. Die Vertreter der Alliierten haben sich bereit erklärt, den Wunsch der deutschen Regierung sar die weitere Versorgung Deutschlands his zur neuen Ernie in Erwägung zu zi hen, und zwar gleichfalls unter der Voraussetzung, daß eine befriedigende finanzielle Abmachung ge⸗ troffen wird. Ais Bedarf ist von der deutschen Vertretung für die Monate März bis August ausschlieflich angegeben worden: 400 000 Tonnen Weizen, 100 000 Tonnen Fette und Fleisch für jeden dieser Monate, serner 1 Million Tonnen Mais oder andere Futter⸗ mittel für den ganzen Zeitraum.

Die Erfüllung des ganzen Abkommens ist von den Ver⸗ wetorn der alliserten Regierungen ausdrücklich abhängig ge⸗ macht worden von der Annahme und von der Ausführung der Bedingungen, die sie uns betreffs der Abgabe der Handels⸗ sloite auferlegt haben und noch weiter auferlegen wollen. Daraus ergibt sich, daß selbst bei Annohme der Bedingungen eine Sicherheit fuͤr den regelmäßigen Eingang der von uns

verlangten Lebensmittellieferungen nicht besteht.

Zum augenblicklichen Stande der Verhandlungen über die Kosten, welche die Entente für den Unter⸗ halt ihrer Besatzunastruppen von Deutschland ver⸗ langt, erfährt „Wolffs Telegrapheubüro“:

Die Entente halte eine Aufstellung der Kosten an die deutsche Waffenstillstandskommission gelangen sässen, die sie von Deutschland für den gesamten Unterhalt und die Aufrechterhaltung dis derzeitigen Effeklivbestandes ihrer Besatzungsarmeen verlangt. Die deutsche Waffenstillstands⸗ kommission hatte darüber bereits der Oeffenilichkeit Mitteilung gemacht und darauf hingewiesen, daß das, was von der Entente unter der Position „Kosten für den Uaterhalt“ verlangt mird, alle Positionen des Militäretats umfaßt mit Ausnahme höchstens der Pensionen. Kürzlich wurde der von der Ansicht der Entente sehr wesentlich abweichende deutsche Standpunkt in einer in Spaa überreichten Note etwa folgendermaßen vertreten:

Der zwischen Deutschland und den Alliierten am 11. November 1918 abgeschlossene Waffenstillstandsvertrag dient nicht, wie dies ge⸗ wöhnlich bei Waffenstillstandsabkommen der Fall ist, der Sicherung der bestehenden Kriegslage, sondern schafft eine neue Lage zur

scherung der Vorbereitung des zukünftigen auf der von beiden Parteien aufgenommenen Grundlage. Es ist demnach nicht ein rein militärischer Vertrag, sondern ein Vertrag zur Vorbereitung und Sicherung des Friedenszustandes. Die im Artikel V vorgesehene Besetzung der deutschen Gehiete ist zwar eine militärische, aber keine kriegerische. Sie dient nicht der Sicherung des Kriegs⸗ zwecks, sondern der des Friedens. Die Besetzung der linksrheinischen Gebiete ist ausdrücklich auf die wichtigsten Rheinübergänge und die ftrategischen Pnnkte beschränkt worden. Eine triegerische Besetzung hätte eine solche Beschränkung nicht gestattet. Die deutsche Re⸗ gierung hält sich nach wie vor nicht für verpflichtet, die Kosten solcher Maßnahmen zu tragen, die mit dem tatsächlichen Charakter der Besetzung nicht in Einklang stehen. Es kann unmöglich be⸗ zweifelt werden, daß das Waffenstillstandsabkommen ein völker⸗ rechtlicher Vertrag ist. Seine Auslegung kann daher nur nach den Regeln des Völterrechts erfolgen, nicht etwa nach der Begriffsbestimmung, die in dem Militärrecht eines einzelnen der einer Vertragspartei angehörenden Staaten 1 ist. Artikel 52 des Haager Abkommens, der Requtsitionen nur für die Bedürfnisse der Belatzungsarmee zuläßt, nicht für alle Bedürfnisse dieser Armee, zeigt, daß der Begriff „Unterhalt der Besatzungs⸗ truppen“ völkerrechtlich nicht alle Bedürfnisse der Besatzungsarmee umfaͤßt. Der Begriff „Unterhalt“ bedeutet völkerrechtlich nur „Nahrung“ und höchstens noch „Unterkunft“ und „Bekleidung“. Dies ergibt sich auch mit voller Deutlichkeit aus dem Artikel 7 des Haager Ahkommens. Aus diesem sowie aus Artikel 17 des Haager Abkommens bebt ferner hervor, daß der Begriff „Unterhalt“ völkerrechtlich nicht die persönlichen Geldgebührnisse des zu Unterhaltenden um⸗ faßt. Die deutsche 89 ierung hat bei Abschluß des Waffen⸗ stillstandsvertrags keinen Fweifen darüber gehabt, daß der Begriff Unterhalt“ vökerrechtlich nur die oben dargelegte Bedeutung habe. Durch den Abschluß des Waffenstillstandsabkommens ist nicht ein tat⸗

sächlicher Zustand, wie durch eine Kriegshandlung, sondern ein Rechts⸗ 8 38 1.“ 1““ 8 . 8

Erste Beilage

Berlin, Montug,

den 10. Februar

—I . 2

zustand zwischen den Parteien geschaffen worden. Nur die durch den Vertrag gewährten Rechte sind den Alliierten zugestanden. Wenn über den lunfeng dieser Rechte Meinungsverschiedenheiten unter den Parteien ensstehen, weil ein diese Rechte festlegender Begriff eine verschiedenartige Auslegung erfährt, so muß darüber unter den Parteien verhandelt werden. Eine nur von einer Partei ausgehende Er⸗ läuterung des Begriffs würde dem zwischen den Parteien herrschenden Rechtszustand widersprechen.

Die nach der Lage der Dinge völkerrechtlich unangreif⸗ bare deutsche Auffassung ist in der Sitzung der Waffen⸗ stillstandskommission in Spaa vom 5. Februar durch die Alluerten abgelehnt worden. Die Entente steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß es sich um eine kriegerische Be⸗ setzung handelt Die Aufnahme eines besonderen Absatzes in den Waffenstillstandsvertrag über die Unterhaltungsfkoßten sei, wie sie erklärt, nicht nötig gewesen, wenn die Bestimmungern der Haager Konvention ausgereicht hätten. Die Alliierten müßten also darauf bestehen, daß sämtliche Kosten für den Unterhalt und die Aufrechterhaltung des Kriegsbestandes der h Besatzungsarmeen der deutschen Regierung zur Last allen. u“

in Spaa weilenden r 8 bundes zum Schutz der deutschen Kriegs⸗ und Zivil⸗ gefangenen“, denen es infolge der ablehnenden Haltung des Generals Nudant nicht möglich war, ihre Wünsche zur Frage der Heimführung der deutschen Gefangenen mündlich vor⸗ zutragen, haben diese Wünsche in zwei Denkschriften nieder⸗ gelegt. General von Hammerstein hat die beiden Schrift⸗ stücke dem Vorsitzenden der französischen Waffenstillstands⸗ tommission überreicht und ihm gleichzeitig eine Note über⸗ geven, in der laut Meldung des „Worffschen Telegraphen⸗ büros“ unter anderem folgendes ausgeführt wird.

Ich schließe mich den in den Denkschristen ausgedrückten Wünschen und Vorschlägen zugunsten der deutschen Kriegs⸗ und Zivilgefangenen durchaus an und würde es im Interesse der Menschlichkeit warm be⸗ grüßen, wenn ihre Weitergabe in befürwortendem Sinne erfolgen wurde. Die vom General Nudant mündlich übermittelten An⸗ gaben über den Stand der Ruckführung der deutschen Kriegs⸗ und Zivilgesangenen berechtigen zu der Hoffnung, daß seitens der allierten Regierungen diese Frage bald einer günstigen Lösung zugeführt werde. Demgegenüber erweckten die Aeußerungen General Nudants, wonach dee Entscheidung hierüber erst in den Friedensverhandlungen zu erwarten sei, die Befürchtung, daß abermals eine Veränderung in der Auffassung auf seiten der Entente eiagetreten ist. Ich halte es deshalb für meine Pflicht, hierdurch erneut auf die große Bedeutung hinzuweisen, welche das deutsche Volk der baldigen Rückgabe seiner Kriegs⸗ und Zivil⸗ gefangenen beimißt. Eine tiefgehende Erregung’“ und Verbitterung über ihre weitere Zurückhaltung ergreift in wachsendem Maße alle Kzeise Deutschlands. Nicht auf geschriebenes Recht. aber auf die Gesetze der Menschlichkeit stützt sich der heiße Wunsch eines großen Volkes, seine unglücklichen und schuldlosen Söhne zurückzuerhalten.

Dem Sitzungsbericht der Waffenstillstandskommission in Spaa vom 7 Februar entnimmt „Wolffs Telegraphen⸗ büro“ folgende Mitteilungen:

Der französische Vorsitzende gab bekannt, daß deutsche Lebensmittel vom rechtsrheinischen nach dem Linksrheinischen Gebiet befördert werden dürfen, und daß ihr Umlauf im ganzen besetzten Gebiet unbehindert vor sich gehen kann.

Im Auftrage Fochs erklärte der General Nudant, er lehne es ab, eine vom Vertreter der deutschen Regierung überreichte Note zu bearbeiten, weil sie folgende Stelle enthält: „atsaͤchlich ist die Besetzung des deutschen Gebiets nicht durch die Ueberlegenheit der Waffen verursacht worden.“ Diese Note werde erst dann geprüft

werden, wenn sie in „korrekter“ Form überreicht würde. Der General

von Hammerstein begnügte sich damit, von diesen Ausführangen Kenntnis zu nehmen und behielt sich eine Aeußerung vor, sobald er von der deutschen Regierung Anweisung habe.

Auf die deutsche Anfrage hin ließ der Oberkommandierende der allijerten Orientarmee mitteilen, daß die Freiheitsbeschrän⸗ kungen des Marschalls von Mackensen aufge⸗ boben worden seien, nachdem er versprochen habe, sich nicht ohne offizielle Genehmigung zu entfernen. Die Wachen seien seit Anfang Januar vom Schloß zurückgezogen und der Stacheldrahtverhau um den Park entfernt worden. Die im Schloß besindliche Abteilung diene zum Schutz des Feldmarschalls und seines Generalstabes. Mackensen und sein Stab könnten sich innerhalb und außerhalb des Parks frei bewegen, und auch der Postdienst für sie sei geregelt.

Die deutsche Kommission wiederholte ihre Bitte, deutsche Lazarette im besetzten Gebiet für verwundete und kranke deutsche Soldaten benutzen zu können. Der General Nudant erklärte nunmehr, daß die Aufnahme Kranker aus dem unbesetzten Gebiet in linksrheinische Heilanstalten durch eine demnächst erscheinende Verkehrs⸗ ordnung geregelt werden würde.

Nachdem sich die Verhaftungen deutscher Staats⸗ angehöriger im besetzten Gebiet häufen, die ordnungs⸗ mäßig im Wege des Kaufes von deutschen Behörden französische und belgische Maschinen erworben haben, überreichte der General von

ammerstein ein juristisches Gutachten des Geheimen Justizrats

rof. von Hippel von der Unnversität Göttingen über diese Fraze.

a auch nach Hippels Urteil die Verhaftung und Bestrafung der an der Beschlagnahme, Rückführung und Ankauf von Maschinen sowie von Materialten aus den ehemals besetzten Gebieten Frankreichs und Belgiens beteiligten Personen gegen jedes Völkerrecht und Strafrecht ist, forderte Hammerstein nochmals energisch die Freilassung der unschuldig Verhafteten.

Den in der belgischen Zone des besetzten Gebiets wohnenden deutschen Staatsangehörigen ist es nicht möglich, mit ihren in englischer Gefangenschaft. befindlichen Angehörigen Nachrichten auszu⸗ tauschen. Die deutsche Kommission forderte die sofortige Freigabe des Briefverkehrs für diese Personen mit den in Eng⸗ land weilenden deutschen Gefangenen.

Der deutsche Vorsitzende legte im Auftrage der deutschen Re⸗ gierung energischen Einspruch gegen die Verhaftung mehrerer deutscher Bürger im besetzten linksrheinischen Gebiet ein und forderte deren sofortige Freigabe.

Da die französischerseits spätestens sär den 1. Februar zugesagten Einzellisten der von Deutschland zu liefernden landwirtschaft⸗ lichen Maschinen erst am 6. Februar der deutschen Regierung zugegangen sind, wies diese in einer Note darauf hin, daß der Ab⸗ gabetermin für die landwirtschaftlichen Maschinen nicht innegehalten werden kann. Deutschland werde frühestens am 21. Februar mit der Uebergabe der Maschinen beginnen koͤnnen und den Abschluß ent⸗ sprechend hinausschieben müssen.

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tzeiger und Preußischen

Der Sitzungsbericht der Waffenstillstandskommission in Spaa vom 8 Februar besaat obiger Quelle zusolge:

Der französische Vorsitzende machte bekannt, daß dar französische General Dupont beauftragt ist, sich im unmittelbaren Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern in Berlin zwecks Heim⸗ fübrung derjenigen elsaß⸗lothringischen Zivilper⸗ sonen zu befassen, die während des Krieges zwangsweise ihre Heimat verlassen mußten. Die Rücktehr der Elsaß⸗Lothringer, die bereits vor dem Kriege ihr Land verlassen haben, kann auf ihren Wunsch von dem französischen Konsul in Berlin, Herrn Gregori, vermittelt werden.

Der belgische Vertreter bat um Uebersendung der Listen, in welchen die in den Lagern der Zivilarbener und der Zivil⸗ und Kriegs⸗ gefangenen vorgekommenen Todesfälle und Unfälle ent⸗ halten sind. .

Der General von Hammerstein überreichte folgende Note; Der Vorsitzende der deulschen Waffenstillstandokommission hatte in früheren Anfragen, die zum Teil bis zum 31. No⸗ vember 1918 zuruͤckgreifen, gebeten, Nachforschungen da⸗ rüber anzustellen, ob nicht nach dem 11. November beim Rückzug der deutschen Truppen, deutsche Offiziere und Soldaten per⸗ sehentlich in Gefangenschaft geraten seien. Gegebenenfalls wäre ihre Freilassung zu veranlassen. Die in den letzten Tagen übermittelten Noten geben nur eine Aufklärung über bestimmte Einzel⸗ älle, ohne den Kern der Frage zu treffen. Es wird daher angefragt, ob noch eine Antwort auf die deutsche Anregung beabsichtigt ist. Der General Nudant wird auf diese Frage zurückkommen. 8

Nach dem übermittelten Text des Straßburger Abkommens dürfen die in Straßburg wohnenden Familien der deutschen Beamten. Offiziere, Unteroffiziere usw. in ihren Die stwohnungen ung ehindert wohnen bleiben, bis ein Abtransport ihres Besitzes möglich ist. Deutscherseits wird angesichts der auffälligen Verletzung des von fran⸗ zösischen Bevollmächligt n unterschriebenen Vertrags die Anforderung des Schadenersatzes vorbehalten.

Der Vertreter der deutschen Regierung übergab dem General Nudant den Wortlaut der deutschen Verordnung, in welcher die Ab⸗ lieferung von in Frankreich und Belgien während des Krieges beschlagnahmten Betriebseinrich tungen verlangt wird. Alsdann bat er noch um Erledigung einer deutschen Anfrage, betreffend die Anwendung des französischen Zoll⸗ u auf den Warenverkehr zwischen der Schweiz und Eljaß⸗Loth⸗ T ngen- 52 11““

Die deutsche Regierung hat am 7. Februar in Spaa ber französischen Kommission eine Protestnote gegen das unglaubliche Vorgehen fronzösischer Besatzungs⸗ truppen üverreichen lassen, die in der Chemischen Fabrik Maingau bei Hattersheim untergebracht sind.

Wie die Deutsche Waffenstillstandskommission laut Meldung des Wolffschen Telegraphenbüros“ mitteilt, baben die französischen Truppen das Fabꝛikgebäude nicht nur so stark belegt, daß eine Fort⸗ führung des Betriebs unmöglich ist, sondern sie haben auch in den Fabrikräumen derart gehauft, daß das Unternehmen vor dem Ruin steht. Die meisten Räume sind aufgebrochen, die darin befindlichen großen Holzbestä de zu Brennholz verwandt worden. Der Holz⸗ schaden allein beläuft sich in die Zehntausende. Außerdem haben die

ranzosen Maschinen und Transmissionsteile herausgerrssen, elettrischa ichtleitungen abgeschlagen und mitgenommen, ehenso Flascheneüge, Ketten und Drahtseile. Die Ausstellung von Quartier⸗ und Re⸗ quisitionsscheinen wird verweigert und bei Vorbringung von Be⸗ schwerden mit Geldstrafe bedroht. Die französischen Truppen be⸗ ründen ihr Verhalten dem Besitzer gegenüber damit, daß auch französtsche e. von den Deutschen niedergebrannt worden seien und es der Maingauer Fabrik ebenso ergehen müsse.

Die deutsche Regierung hat in der Note gegen diese durch keine militärischen Gründe gerechtfertigten Beschädigungen Verwahrung eingelegt und um baldige Rückäußerung ersucht.

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Die Entente entfacht neuerdings wieder eine Greuel⸗ propaganda, um die Verhaftung von deutschen Milltärpersonen zu rechtfertigen. Wenn auch nicht ge⸗ leugnet werden soll, daß während der Räumung des von den Deutschen besetzt gewesenen Gebietes vereinzelt Unregelmäßig⸗ keiten vorgekommen sind, so muß doch mit aller Enischieden⸗ heit ausgesprochen werben, daß die Alliierten selbst die moralische Verantwortung hierfür tragen. Sie haben auf den übermäßigen Bedingungen bestanden trotz der zahl⸗ reichen deutschen Erklärungen und Hinweise auf die Folgen dieser Forderungen und können nachträglich, nachdem das Unglück geschehen ist, diese Einsprüche nicht einfach un⸗ beachtet lassen. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt, wird deutscherseits den erhobenen Anschuldigungen mit aller Gründ⸗ lichkeit nachgegangen. Dies ist angesichts des Umstandes, daß seit dem 15. Januar sämtliche höheren Stäbe aufgelöst sind, besonders schwteria. Es muß aber entschieden zurückgewiesen werden, daß die Entente auf Grund ihrer einseitigen Unter⸗ suchungsergebnisse Verurteilungen vornimmt. Einwandfrei sind zahllose Fälle schändlichen Verhaltens der belarschen Zwwil⸗ bevölkerung gegen die deutschen Soldaten festgestellt worden. Umfangreiches Material über zahlreiche schamlose Plünde⸗ rungen durch die belgischen Zivilisten ist vorhanden. Die Vor⸗ würfe, daß deutsche Offiziere die Uebertretungen der Mann⸗ schaften geduldet haͤtten, sind völlig ungerechtfertigt. Es ist klar, daß in einem in überstürzter Eile zurückaehenden Heere, das sich obendrein noch in revolutionärem Zustande besindet sich die Manneszucht lockert. Wenn trotzdem anscheinend noch verhältnismäßig wenig Fälle von Ausschreitungen vorgekommen sind, ist dies ein Beweis, daß sich die Offiziere alle Mühe gegeben und auch viel erreicht haben.

Es ferner die Legende der harten Behandlung der belgischen Zivilbevölkerung nicht unwidersprochen bleiben. Die Belgier wissen sehr gut, daß die Behandlung, soweit die Kriegs⸗ notwendigkeit es zuließ, gut war. Eine Verallgemeinerung einzelner Entgleisungen, die gewiß nicht bestritten werden sollen, ist bewußt unwahr und soll die Welt nach dem im Kriege be⸗ währten System gegen uns aufhetzen. Endlich muß aber doch die Wahrheit durchdringen. U brigens haben die Belgier alle Ursache, ruhig zu sein. Man denke nur an die belgischen Greuel in Nachen, die durch nichts zu entschuldigen sind.

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