1919 / 35 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 11 Feb 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Preußen. niste 8 Ministerium für Handel und Gewerbe.

Dem Gewerbeassessor Dr. Neumester in Cöln ist eine planmäßige Hilssarbeiterstelle bei der Gewerbeinspektion Cöln⸗ Land verliehen worden.

Der B rginspektor Wiltelm Schulz des Steinkohlen⸗ hergwerks Ihhen büren ist in gleicher Eigenschaft an das S teia⸗ kohlen bergwerk Buer versetzt worden.

Ministerium des Innern.

Der Major a. D. Stübel, bieoher Bezirksaffizier heim Landwehrbezu! Siecen, kom mandiert behnfs Vermwendung (Ausbildung) als Dist iksdoffizter hei der G. Gendormer e⸗ brigade, ist vom 16 Januar 19 9 ab zum Gendarmerie⸗ distriktsoffizier in der 6. Gendarmeriebrigade ernannt worden.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Die Oberförsterstellen Alt Sternberg (Königsberg), Toraelow (Stettin), Hinternah (Erfurt) und Melfungen (Cassel) sind zum 1. April 1919 zu besetzen, Bewerbungen müssen bis zum 1. März eingehen:

die Oberförnerstellen Braschen (Frankfurt) und Neu⸗ pfalz (Koblenz) sind zum 1. Juli 1919 zu besetzen, Bewer⸗ bungen müssen bis zum 15. März eingehen. ͤ

Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung.

Dem Privatdozenten in der medizinischen Fakultät der Univerfität Breslau Dr. Erich Frank ist das Prädikat Pro⸗ fessor beigelegt worden.

Aus früheren Verlosungen und aus der Restkündigung der 4 ½ zinsigen Prioritätsobligationen (I. Emission) der ehemaligen Braunschweigischen Eisenbahnge⸗ sellschaft find verschiedene Obligationen voch rückständig ge⸗ blieben. Diese werden nachstehend wiederholt und mit dem Bemerken aufgerufen, daß ihre Verzinsung mit dem 31. März 1s. Jahres ihrer Verlosimg oder ihrer Kündigung aufgehört

at und gemäß § 7 des Privilegs vom 16. Juli 1874 jeder Anspruch aus ihnen erlischt, wenn sie 10 Jahre lang alljährlich einmal öffentlich ausgerufen und dessenungeachtet nicht pätestens binnen Jahresfrist nach dem letzten öffentlichen Aufrufe zur Einlösung vorgeleat sein werden. GG

Es sind rückständig:

Aus der Kündigung: um 1. April 1913 zu 1500 Nr. 2554. 1914 1500 2887. 1915 1500 1575, 1590. 1917 3000 175 88 1500 2022. o 2814. 8 (Kestkündigung) 300 3914, 3915 3918. 3919, 3920, 6305, 7138, 7139, 7141, 9250, 10 213, 10 215, 10 249, 10 250.

Die im Januar 1908 verloste, zum 1. April 1908 zur baren Rückzahlung gekündigte 4 ½ ziusige Prioritätsobligation (I. Emission) der früheren Braunschweigischen E’sen hahngesell⸗ schaft Nr. 10 446 zu 300 ℳ, wesche ungeachtet alljährlich wiederholten Aufrufs bis jetzt nicht zur Einlösung eingereicht worden ist, ist nurmehr wertlos geworden und jeder Anspruch aus ihr dem Staate gegenüber erloschen. .

Berlin, den 31. Januar 1919. Hauptverwaltung der Staaltsschulden.

1“

Bekanntmachung.

Auf Grund des § 2 Abs. 2 der Bekanntmachung zur Fern⸗ baltung unzuverlässiger Personen vom Handel vom 23. Seytember 1915 wird das gegen den Kaufmann Martin Pieck, jett Berlin⸗ Schöͤneherg, Bazener Syu. 17, am 25. Oktober 1917 (Reichsanzeiger Nr. 256) erlassene Verbot des Handels mit Gegenständen des täglichen Bedarfs und des Kriegsbedarfs hiermit aufgehoben

Forst (Lausitz), den 7. Februar 1919.

Die Polizewerwaltung. J. V.: Gründer, Bürgermeister.

—. ——

Bekanntmachung.

„Auf Grund der Bekanntmochung zur Fernhaltung unzuverlässiger Pgezen vom Handel pom 23. September 1915 (RGBI S. 603) abe ich der Schankwirtin Frau Marie Mamsch, geb. Linde⸗ mann, Inhaberin der Sckankwirtschaft „Haus Brandenburg“ in Charlottenburg, Kurfürstendamm 71, durch Verfügung vom heutigen Taͤge den Handel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs wegen Unzuverlässigteit in bezug iesen Handels⸗ betrieb untersagt.

Berlin O. 27, den 4. Februar 1919.

Der Polizeiprösident zu Berlin. Kriegswucheramt. J. V.: Dr. Falck.

. Bekanntmachung.

Auf Grund der Bekanntmachung zur Fernhaltung unzuperlässiger Personen vom Handel vom 23. Septemb’r 1915 (⁴GBl. S. 603) habe ich dem Kaufmann Felix Bab, Berlin, Dranienburger. straße 17, durch Verfügung vom heutigen Tage den Handel mit Gegenstände u des täglichen Bedarfs wegen Unzuverlässig⸗ teit in bezug auf diesen Handelsbetrieb untersagt.

Berlin, den 6. Februar 1919. Der Polizeipräsident zu Berlin. Kriegswucheramt. J. V.: Dr. Falck.

Bekanntmachung.

Auf Grund der Bundesratsverordnung vom 23. September 1918, betreffend Fernhaltung unzuverläͤssiger Personen vom Handel (RGBl. S. 60), habe ich bis auf weiteres dem Kohlenhändler Gottfried Böckstiegel aus O. Jöllenbeck Nr. 31 den Handel mit Brennstoffen untersagt.

9 Bielefeld, den 4. Februgr 1919. Der Landrat. Dr. Beckhaus

—.—

Bekanntmachung.

Der Milchhändler Franz Lichtenherg in Oberhausen, Alstaden, Ruhrstraße 28, ist durch Verfügung der unterzeichneten

lichen Bedarfs auf Grund der Bekanntmachung zur Fern⸗ haltung unzuverlässiger Personen vom Handel vom 23. September 191l6 ausgeschlossen unter Aufersegung der Kosten des Per⸗ fahrens. Oberhausen, den 4. Februar 1919. Die städtische Polizeiverwaltung.

Der Oberbürgermeister. F. VP.: Tr. Neikes.

Bekanntmachung.

Die Eheleute Großhändler Wilhelm

b. Schlieper, in Oberhausen, Rhl Mülheimer

Suaße 193, sind durch Verfugung der unterzeichneten Poltzei⸗

verwaltung vom heutigen Tage vom Handel mit Lebens⸗

und Futrermitteln aller Art son ie mit sonstigen

Gegenständen des taäglichen Bedarfs auf Grund der

Bekanntmachung zur Fernbaltung unzuversässiger Personen vom

Handel vom 23. September 1915 ausgeschlossen unter Auf⸗ erlegung der Kosten des Verfahrens. Oberhausen, den 4. Februar 1919.

Die Städtische Polizeiverwaltung. Der Oberbürgermeister. J. V.: Dr. Neikes.

Deutsche Nationalversammlung zu Weimar.

4. Sitzung vom Montag, dem 10. Februar 1919, Nachmittags 3 Uhr. .““

(GGericht von Wolffs Telegraphenbüro.)

An den Tischen für die Reichsregierung und die Vertreter der Einzelregierungen: die Volksbeauftragten Ebert, Scheidemann, Landsberg und Nos ke, die Staats⸗ sek etäre Dr. von Kraufe, Schiffer und Dr Preuß, die preußischen Minister Dr. Südekum und Hirschu. a.

Präsident Dr. David eröffnet die Sitzung um 3 Uhr 25 Miauten mit folgender Mitteilung:

Einige Mitglieder des Hauses haben mich gebeien, um den wilden Gerüchten über Ereignisse, die angeblich in Leipzig statt⸗ gefunden haben, entgegenzutreten und Beruhigung zu schaffen, eine Mitteilung verlesen zu lassen. Die Mitteilung lautet: „Wir unter⸗ zeichneten Abgeordneten aus Leipzig erfahren soehen, daß in Weimar und auch in den Kreisen der Abgeordneten der Nationalversammlung Gerüchte über einen Aufruhr in eipzig verbreitet sind. Diese Gerüchte behaupten, daß in Leipzig Aufruhr herrsche, daß dort mit Maschinen⸗ gewehren geschossen werde und daß der Oberbürgermeister verhaftet sei. Die Unterzeichneten, die erst heute um 11 Uhr Vormittags Leipzig verlassen haben, teilen mit, daß daveon kein Wort waohr ist daß weder Aufruhr herrscht, noch geschossen wird, noch der Oberbürgermeifter verhaftet ist. Tatsache ist, doß die Leipziger Schutzleute und Feuer⸗ wehrleute streiken, weil der Stadtrat eine Aufbesserung ihrer Löhne, die für einzelne Kategorien noch monatlich 160 betragen, ablehnt. Aus diesem Grunde ruht der Betrieb im Leipziger Rathaus. Geyer, Dr. Geyer und Genossen.“

Weitere Kundgebungen und Adressen an die National⸗ versammlung sind eingelaufen.

Der Deutsche Volksrat für Westpreußen in Danzig bittet die Nationalversammlung, dafür Sorge zu tragen, daß kein Stück ost⸗ märkischen Landes dem Vaterlande entrissen wird. Der vom Ost⸗ preußischen Provinziatrat einberufene Kongreß der Arbeiter⸗ und Soldatemäte Ostpreußens erklärt, daß er sich hinter die Regierung stelle. Die Delegjerten aller hayerischen Berufsoffiziere stellen sich eben⸗ falls geschlossen hinter die in Weimar tagende deutsche Volksvertretung. Ferner entbietet der deutsch⸗österreichische Arbeiter⸗ und Soldatenrat in Dresden, zuglesch namens der Taufende von Deutsch⸗Oesterreichern, die bei der Verteidigung der Ostmark mithelfen, der Versammlung seine Grüße. Endlich liegt ein Gruß des Kongresses der Arbeiter⸗ und Soldatenräte Westpreußens vor mit der Mahnung: „Vergeßt nicht Westpreußen und seine Polennot!“

Auf der Tagesardnung steht die zweite und eventuell dritte Beratung des Entmwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Reichsgewalt.

Zur zweiten Lesurg ist eine Reihe von Anträgen einge⸗ gangen, deren Drucklegung noch nicht erfolgt ist, und die der Präsident deshalb zur Verlesung bhringen läßt. Es handelt sich um Anfräge der deutschnattonalen Volkspartei (Arnstadt u. Gen.) und der U. Soz. (Frau Aanes u. Gen.).

Bayperischer Gesandter Dr. von Preger: Im Auftrage der Regierung von Bavern und gleichzeitig von Württemberg und Baden habe ich zu erklären: Die genannten Regierungen gehen von der Vor⸗ aussetzung aus, daß durch Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfs Entscheidungen über die Sonderrechte der einzelnen Freistaaten nicht vorweg genommen werden.

Volkebeauftragter Ebert: Anknüpfend an diese Erklärung, möchte ich mitteilen, daß die Reichsregierung dieser Auffassung zu⸗ stimmt. Das Gesetz hat in allen seinen Teilen nur provisorischen Charatler und greifk der endgültigen Regelung der Dinge nicht vor. (Beifall.)

Abg. Loebe (Soz.): Namens meiner Partei habe ich folgende Erklärung abzugeben: Die sozialdemokratische Fraktion ist von der Notwendigteit einer raschen Verabschiedung des Gesetzes über die vorläufige Reichsgewalt durchdrungen. Diese Notwendigkeit ist be⸗ gründet durch die äußere und innere Polirik Es bedarf der Schaffung einer vom ganzen Volke gutgeheißenen vorläufigen Reichsordnung einmal im⸗ Hinblick darauf, daß der Waffen⸗ stilltand mit der Entente, der am 16. d. M. abläuft, ver⸗ längert werden muß sowie daß in kurzer Zeit die Friedens⸗ verhandlungen beginnen müssen, ferner weil es gilt, den Grund zum demokratischen Aufbau unseres Landes unverzüglich zu legen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist vom Geiste der Demokratie getragen, indes enthält er in den §§ 2 und 4 Abs. 2 Bestimmungen, gegen die wir erhebliche Bedenken haben. Lediglich die Not⸗ wendigteit, den Gesetzentwurf so schnell wie möglich zu verabschieden, zwingt uns, diese Bedenken zurückzustellen, nach⸗ dem wir uns haben überzeugen müssen, daß wir unseren Ansichten, wenn überhaupt, nur nach harten Kämpfen und unter Ueberwindung heftigen Widerstandes zum Siege verhelfen könnten. Nach unserer Auffassung ist die versassunggebende Nafional⸗ versammlung allein souverän. (Beifall.) Nur unter dem Zwang der Verhältnisse und um den Wiederaufbau des Reiches nicht schwer zu gefährden, haben wir uns dazu verstanden, in eine Einschrän kung dieses Grundsatzes zu willigen. Wir stimmen dem Entwurf zu, ver⸗ wahren uns aber dagegen, daß aus unserer Haltung Schlüsse auf unsere Stellung in der Zukunft gezogen werden, und behalten uns für die Verhandlungen über den Entwurf der endgültigen Verfassung volle Freiheit der Entschließung vor (Beifall bei den Soz., Zuruf bei den U. Soz.: Volle Freiheit des Rückzugs!).

Abg. von Payer (Dem.): Namens der Fraktion der deutschen demokratischen Partei habe ich folgende Erklärung abzugeben: Das deutsche Volk hat die ihm züstehende Souvperänität ausgeübt durch die Wahl der Nationalversammlung und diese mit der weiteren Aus⸗ übung der Souveränität beauftragt. Die Nationalversammlung hat diesem Auftrag sofort nachzukommen, sie hat ein Vorbild an Mbeits⸗ willen zu geben. Darum soll ihr Reden zum Handeln werren. Sie muß eine verfassungsmäßige Regierung bilden, der es bei aller Rücksicht nicht an der gefetzlichen Macht fehlt, stark zu sein. Die Voraussetzung und Grundlage der Regierungsgewalt muß glso, zumal in der Demotratie und in der Republik, die Verfassung

müssen wir vorweg eine Vorverfassung schaffen. Meine Freunde

hahen soll. Wir behalten uns vor, alle die großen Gesich:

unkte und Bedenken, die ein Verfassungswerk von diesem Umfang und von dieser Bedentung in einem so außer⸗ ordentlichen Zeitabschnitt aufrollt, die aber bei dem Pro⸗ visorium aus gewichtigen politischen Erwägungen beraus zurückgestellt werden können und müssen, bei der in kurzer Zeit beginnenden Beratung der Verfassung selbst ohne Rück⸗ sicht auf unsere heutige Abstimmung geltend zu machen. Wir er⸗ kennen den anderen Parteien dasselbe Recht zu. Dann erst und nicht hegte wird auch der Taog gekommen sein, an dem wir ehrlich und in aller Ruhe an die Prüfung der Frage, über die die Meinungen beute noch’ weit auseinandergehen gehen müssen, herantreten können, nämlich mwie zum Heile der Rücksicht auf das historisch Gewordene, auf die Eigenart der deutschen Stämme und auf die verschiedenen Anschauungen über straffere oder losere Zusammenfassung der einzelnen Kräfte unseres Volkslebens am besten vereinigt werden können. Unsere feste Zu⸗ versicht ist, daß der Versuch gerechter und vernünftiger Ausgleichung über die Schwierigkeiten staatsrechtlicher Formeln und staatsmännischer Erwägungen Herr werden wird. Verstäntigung und gegenseitiges Nach⸗ geben haben uns zu dem vorläufigen Entwurf, der nicht leicht zustande ist, verholsen. Verstärdigung und ehrlicher Wihe, dem Vater⸗ ande zu dienen, werden uns auch eine endgültige Verfassung schaffen, die uns zusammenhalten, die Bewegungsfreiheit im Innern geben und uns die Stellung in der Welt verbürgen soll, die uns gebührt und die uns endgültig niemand vorenthalten kann (Beifall). Heute abex wollen wir uns die Grundlage bereiten, um morgen arbeiten und Politit machen zu können (Beifall). Unser Volk, das sich aus der Gegenwart durch die Verwirklichung von Zukunftshoffnungen erlösen well, und der Feind, der uns den Frieden grundlos und grausam vorenthält, sie sollen uns trotz der gewaltigen Parteigegensätze der letzten Wochen und Monate bei diesem ernsten Schritt geeint und geschlossen finden. (Lebhafter Beifall.) Die heutige Verabschiedung des ersten 882 grundlegenden Gesetzes durch eine außerordentlich große Mehrheit der Nationalversommlung soll uns und anderen von Vorbedeutung sein und als Lohn Selbstbeschränkung den Arbeitsmut erhöhen, den die Deutschen noch nie so notwendig gehabt haben wie jetzt. (Beifall.) Wenn sich die Nationalversammlung, was sie werden soll, zu einer ernsten und zielbewußten Arbeitsgemeinschaft erhebt, so wäre das ein erster und fruch barer Erfolg der demokratischen Idee und der sozialen Bewährung. Meine Freunde, die dieser Entwicklung im Staats. interesse rückhaltlos dienen wollen und wegen dieses Willens und kraft ihrer zahlenmäßigen Stellung in diesem Haus dienen können, werden geschlossen für die Vorlage und ihre sofortige Durchberatung in zweiter und dritter Lesfung stimmen. (Lebh. Beifall bei den Dem.).

Abg. Dr. Heim (Bayr. Volksp.): Im Auftrage meiner Freunde von der Boyerischen Volkspartei habe ich folgende Er⸗ klärung abzugeben: Nach den §§ 1 und 4 des gegenwärtigen Gesetz⸗ entwurfs soll die deutsche Nationalversammlung eine Blankovollmacht zur Beschließung der künftigen Reichs erfassung erhalten. Sie soll bei der Verabschiedung der endgültigen Reichsverfassung weder an die Zustimmung der Einzelstaaten noch des Staatenausschusses gehbunden sein, nicht einmal hinsichtlich der in der bisbergen Reichs⸗ verfassung festgesetzien Sonderrechte der Einzelstaaten. Die in dem Entwurf vorgesehene Ermächtigurg geht sogar so weit, daß der Nationalverfsammlung die Beseitigung einzelner oder aller Bundesstaaten und die Schaffung der deutschen Einheitsrepublik durch die deutsche Nationalversammlung möglich gemacht wird. (Zurufe bei den U. Soz.: Wozu haben wir sonst die Revolution ge⸗ habt?) Diesen Weg können die Mitglieder der hayeruchen Volks⸗ partei in der Nationalversammlung nicht mitmachen. Wir hätten gewünscht, daß das Gesetz sich an die durch die Revolution nicht he⸗ seitigten Bestimmungen der biskerigen Reichsverfassung angelehnt und alle Streitpunkte vermieden hätte. Wir hegen nach wie vor die Hoffnung. daß es bei Schaffung der endgültigen Verfassung gelingt, rurch unsere Mitarbeit den berechtigten Wünschen unseres engeren Heimatslandes Geltung zu verschaffen.

Abg. Dr. von Delbrück (Deutschnat. Volkspartei): Gegen den vorliegenden Gesetzentwurf bestehen bei meinen politischen Freunden die schwersten grundsätzlichen Bedenken. Auch seine gesetzestechnische Gestaltung ist so wenig eimwandfret, daß unter normalen Verhältnissen seine Verabschiedung ohne Kom⸗ missionsberatung ausgeschlossen sein würde. (Sehr richtig! rechts.) Wir verkennen aber nicht, daß wir uns in einem Nortstand befinden, und daß nicht nur die innere Lage, sondern ganz hesonders der Ablauf des Waffenstillstands und das Bevorstehen der Friedensverhandlungen eine schleunige Verabschiedung des Ent⸗ wurfs gehieterisch erfordern. (Zustimmung.) Wir verkennen auch nicht, daß die Vorlage nur eine vorübergehende und nicht eine end⸗ guͤltige Regelung unserer Verfassungsverhältnisse bezweckt. Unter diesen Umständen sind wir bereit, auf eine Ausschußbheratung zu ver⸗ zichten und die Verabschiedung möglichst zu beschleunigen. Wir glauben auch, daß das Ansehen der neu zu bildenden Regierung dem feindlichen Ausland gegenüber eine besondere Stärkung erfahren würde. wenn es gelingt, diese Vorlage nicht nur schnell, sondern auch mögl'’chst einstimmig zu verabschieden. (Allseitige Zustimmung.) Wir werden daber unter Zurückstellung unserer grundlätzlichen schweren Bedenken auch für die Vorlage stimmen, wenn ihr vorläufiger Cbarakter in allen ihren Teilen zweifelsfrei festgestellt würde, so daß ihre Annahme mit unseren Stimmen unserer Stellungnahme bei der Beratung des end⸗ gültigen Entwurfs der Reichsverf ssung in keiner Weise vorgreift. Wir hatten zu diesem Zweck eine Reihe von Anträgen gestellt, deren Annahme uns die Möglichkeit geben sollte, für die Vorlage zu stimmen. Am wichtigsten ist für uns der Antrag, der den Zweck hale, die Auffassung auszuschließen, als ob schon jetzt für die zu⸗ tünflige staatsrechtliche Stellung des Oberhauptes des Deutschen Reiches eine endgultige Regelung getroffen würde. (Hört, hhrl! 1v.) Nachdem aber durch die Termaßrana des Vertreters der süddeutschen Regierungen und durch die darauf ergangene unzweideutige Erkläxung der Reichsregierung der vorläufige Charakter der Vorlage in allen ibren einzelnen Punkten ausdrücklich und feierlich anerkannt ist, ziehen wir hiermit unsere Anträge zurück und sind bereit, für die Vorlage zu stimmen. (Beifall.) Die Zustimmung zu diesem Entwurf bedeutet für meine po itischen Freunde ein großes Opfer, das sie nicht ohne Gewissensbedenken bringen. Trotzdem sind wir dazu bereit. (Beifall.) Wir sind von der Ueberzeugung durchdrungen, daß in der ungeheuren Not dieser Zeit mehr als je der Grundsatz gesten muß: Das Vaterland steht über der Partei. (Lebhafter Beifall rechts.)

Abgeordneter Dr. Heinze (Deutsche Volkspartei): Wir hegen technisch und juristisch erhebliche Bedenken gegen den vorliegenden Gesetzentwurf, lassen diese Bedenken aber aus politischen Gesichts⸗ punkten zurücktreten. Wir wünschen, daß alsbald eine gesetzliche Gewalt in Deutschland zustande kommt, und sehen mit Rücksicht auf die äußere und die innere Lage von allen Anträgen ab. Die jetzigen gesetzlosen Zustaͤnde müssen sobald wie möglich verschwinden. ir hoffen, daß nach der Verabschietung dieses Gesetzes Ordnung und Sicherheit im Lande gefördert werden und daß jedermann in Deutsch⸗ land die vorläufige Verfassung achtet. Für die endgültige Ver⸗ fassung behalten wir uns unsere Stellungnahme nach allen Richtungen vor. Für den vorliegenden Entwurf werden wir stimmen. (Beifall.) Abgeordneter Dr. Cohn⸗Nordhausen (U. Soz.): In der jetigen Phase der revolutionären Entwicklung muß Rückschau und Umschau gehalten werden. Nur um eine Atempause kann es sich handeln, denn wir stehen noch lange nicht am Ende der Revolution⸗ Niemand von uns weiß, ob und wann dieser provisorischen Ver⸗ fassung eine definitive folgen wird. Auch der Voltsbeauftragte Ebert sprach davon, daß das deutsche Volk, sobald sein Selbstbestimmungs⸗

guter politischer Einsicht und

EE vom 4. Februar 1919 vom Handel mit Milch sowie mit sonstigen Gegenständen des täg⸗

sein. Da aber für dieses große Hauptwerk die Herstellung gesetzlicher

recht gesichert ist, auf den Weg der Gesetzmäßigkeit zurückkehrt.

. - im Reiche wie in den Einzelstaaten unentbehrlich ist,

erkennen diese Norwendigkeit an, ebenso daß diese Februarverfassung sofort in Wirksamkeit treten und darum nur das Notwendigste ent⸗

und

des Ganzen die überragenden Forderungen der Reichseinheit mit

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werden.

seien „Gobald“ ist im Ginne dieser meiner Ausführungen eben ehr verdächtig, auch Herr Ebert scheint zu fühlen, daß dieser Zeit⸗ unkt noch nicht gekommen ist. Der Staatssetretär Dr. Feenß hat einerzeit den Entwurf als nicht vollständig bezeichnet. Bei allem Perst noͤnis und aller Nachsicht für die Gründe dieser Unfertigkeit kann man doch auch vom Standpunkt der Demokraten verlangen, daß der Entwurf wenigstens die Richtung der Entwicklung der deutschen Revolution stärker und klarer betonen würde. (Sehr richtig! bei den U. Soz.) In dieser Beziehung bereitet der Entwurf eine starke Enttäuschung. Herr Ebert meinte. wir haͤben die freie Volks⸗ republit, und diese Nationalversammlung hat eine große repubfi⸗ kanische Mehrheit. Dr. Preuß hat ähnliche Ausdrücke gebraucht. Vergebens aber sieht man sich in dem ganzen Entwurf nach dem Worte „Republikt“ um. Liegt etwa auch bier ein Kompromiß vor? (Rufe: Freistaat!) Jedenfalls tritt auch hier ein Zeichen der Mut⸗ losigkeit der Politik der gegenwärtigen Reichsregterung zutage. Man scheint sich zu der deutschen sozialistischen Republik nicht mehr bekennen zu wollen. Die Geschichte wird uͤber die deutsche Revolution nicht nach Worten, sondern danach urteilen, ob sich das deutsche Polk seiner Souveränitäät würdig gezeigt hat. Das Gesetz muß darum im Aufbau, Inhalt und Ausdruck unwiderleglich die Tatsache fest⸗ stellen, daß wir mit der alzen Staatsform des Deutschen Reiches nichts mehr zu tun haben. Diesen Zweck verfolgen unsere Anträge, den Staatenausschuß sehen wir nicht als einen Fortschritt des Ver⸗ fassungswerls, sondern als ein Hindernis für die zukünftige Ent⸗ wicklung der deutschen Einheitsrepublik an. Und wir wollen deshalb den § 2 beseitigen, es kann sich jetzt nur um die Schaffung der ein⸗ heitlichen Republik Deutschland handeln, der freien selbständigen Entwicklung in Kulturfragen wird damit kein Hindernis bereitet. eeder deutsche Freistaat soll eine Stimme haben, wer gibt diese timme ab, wer instruiert sie? Mindestens ebenso schwere, wenn nicht noch 8. Bedenken bestehen für uns bei den Bestimmungen über den Reichspräsidenten, auch hier ist der Hauptvorwurf, der zu erheben ist, das Kleben am Alten und Veralteten (Sehr wahr! bei den .Soz.), das krampfhafte Bemühen, die Tradition, die bis zum 9. November sich ausprägte in den gesetzlichen Bildungen des Reichs um jeden Preis fortzusetzen, als ob sich eine so tleine, bedeutungslose Tatsache wie die Revolution am 9. No⸗ vember gar nicht ereignet hätte. (Sehr richtig! bei den U. Soz.) Ich bin überzeugt, dieser Entwurf rührt nicht her von einem der neuen Herren, die durch die neue Entwicklung an die Spige gebracht worden sind, sondern von irgendeinem der brauchbaren Herren aus dem früheren Reichsamt des Innern. Bei der Einrichtung des Reichspräsidenten, wie der Entwurf ihn will, gilt das alte Wort: vestigia terrent. Wir haben von der Monarchie ein für allemal genug und möchten sie nicht auf dem Umwege einer republikanischen Monarchie wieder einführen. Wir ziehen es vor an die Spitze der deutschen Republik ein Kollegium von gleichberechtigten Männern zu setzen, also ein Bundespräsidium oder ein Reichspräsidium etwa nach dem Muster der Schweiz. Diesem Kollegium der Gleichen sitzt natürlich zur Erleichterung der Geschäfts⸗ führung ein einzelner vor, der durch seine Amtsgenossen gewählt wird. Es ist heute mit so außerordentlicher Absichtlichkeit wiederholt das Provisorium dieses Verfassungszustandes betont worden; habe ich recht verstanden, daß man insbesondere auch die Präsidial⸗ spitze, den Präsidenten, als Provisorium auffaßt? Sind schon Kräfte am Werke, die dem deutschen Freistaat eine monarchische Spitze geben wollen? (Sehr gut! bei den U. Soz.) Auch das wäaͤre ja nur eine Anknüpfung an die Vergangenheit; die Gelehrten sind ch ja auch heute noch nicht darüber einig, ob nicht auch das Deutsche Reich theoxetisch den Namen einer Republik ver⸗ dient hat. Auch der deutsche Kaiser war ja nicht Monarch, sondern er war der Präsident des Bundes wenn Sie wollen, des republikanischen Bundes, aber wir wollen die Möglichkeit einer solchen Entwicklung oder Rückentwicklung ein für allemal aus⸗ schließen. Deshalb wollen wir schon in die vorläufige Verfassung des deutschen Freistaats die Keime legen zu dem Bau, wie wir ihn wachsen zu sehen wünschen. Wir wünschen nicht, daß einmal die Geschichte von einem „Friedrich dem Einzigen“ oder „Gustap dem Ueberwindlichen“ 1 (Heiterkeit.) Deshalb sollte u. E. erwogen werden, ob nicht überhaupt das Amt des Präsidenten überflüssig ist, ob nicht überhaupt die höchste Vertretung des deutschen Freistaats dem Ministerpräsidenten“ allem oder dem Gesamtministerium überlassen werden könnte. Weiter wollen unsere Anträge die Möglichkeit schaffen, daß außerhalb der Narionalversammlung ein Kontrollorgan vorhanden ist, das bei Beschlüssen einzugreifen die Pflicht hat. (Unruhe.) Bei der Verlesung dieles Antrages ist gelacht worden. (Sehr richtig!) Es besteht aber das Bedürfnis nach Aufrechterhaltung der revolutionären Organe. (Zurufe rechts: Nein!) An diesem Nein sterben diese Organe nicht. (Sebr richtig! bei den U. Soz.) Die Revolution gleicht einem gärenden Faß; wenn Sie den Spund der Gesetzmäßigkeit zu tief in das gärende Faß hineintreiben, so könnte eines Tages eine Entladung erfolgen, die Ihnen nicht an⸗ genehm ist. Daher wollen wir, daß auch der Zentralrat der Arbeiter⸗ und Soldatenräte legalisiert wird. Wir wehren uns gegen einen Abbau der revolutionären Errungenschaften. Wir wollen dem Zentralrat das Recht geben, bei verhängnisvollen Beschlüssen der Nationalversammlung innerhalb zweier Wochen an das Volkzuappellieren. In dieser Begrenzung auf zwei Wochen liegt der alleinkontrollierende Charakter dieser Einrichtung. (Zuruf: Der Zentralrat ist ja zurück⸗ getreten!) Dann werden sich die Arbeiter⸗ und Soldatenräte ein neues Organ schaffen, mit dem Stacheldraht von Verfassungsbestim⸗ mungen halten Sie die Revolution nicht auf, ein Volk von fast 70 Millionen läßt sich von Ihnen die Entwicklung nicht vorschreiben, die Entwicklung geht aus eigener Krast vor sich und schafft jeden Tag neues und anderes. Die süheren Mächte stützten sich auf Polizei und Militär, möge ein günstiges Geschick uns davor hewahren, daß auch die neue Regierung in diese alten Fehler verfällt und deshalb ebenso kläglich Schiffbruch leiden muß. (Bravo bei den U. Soz.)

Abg. Groeber (Chr. V. P.): Die Ausführungen des Vor⸗ redners geben mir keinen Anlaß zur Entgegnung. (Sehr gut!) Für uns ist im Augenblick das Wichtigste, den Uebergang von dem revolutionären Zustand zu einer Rechtsordnung möglichst zu be⸗ schleunigen. (Zuruf bei dn U. Soz.) Angesichts dieser Aufgabe müssen alle anderen Bedenken zurückgestellt werden. Sie können auch nach den Erklärungen des Vertreters der füddeutschen Re⸗ gierungen und des Vertreters der Reichsregierung zurückgestellt Die Zentrumsvartei wird in ihrer großen Mehrheit für die Vorlage stimmen. Dabei müssen wir uns selbstverständlich unsere Stellungnahme zu den Einzelheiten der endgültigen Verfassung vor⸗ behalten. Wir betrachten die Annahme des vorliegenden Gesetz⸗ entwurfs als notwendige Vorbedingung für Frieden und Brot. (Beifall.)

Damit schließt die Besprechung zu § 1. Ein Antrag der Unabhängigen Sozialdemokraten, die Worte „künftige Reiche⸗ verfassung“ zu ersetzen durch „Verfossung der deutschen Re⸗ publik“, wird gegen die Stimmen der Unabhängigen abgelehnt, ehenso deren Antrag, hinter „Reichsgesetze“ einzufügen „Ver⸗ ordnungen mit Gesczeskraft“ Der unveränderte § 1 wird sodann gegen die Stimmen der Unabhängigen und einer Minderheit der Christlichen Volkspartei angenommen.

Zu § 2 wird ohne Debatte gegen die Unabhängigen Sozialdemokraten ein Antrag Payer⸗Loebe⸗Posadowsky Rießer angenommen, dem ersten Absatz hinzuzufügen: „Der Staaten⸗ ausschuß wird gebildet von Vertretern derjenigen deutschen Freistaaten, deren Regterungen auf dem Vertrauen einer aus allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen hervor⸗ gegangenen Volkavertretung beruhen. Bis zum 31. März 1919 können mit Zustimmung der Reichsregierung auch andere deutsche Freistaaten Vertreter entsenden.“ In dieser ver⸗ änderten Form wird 62 gegen einen Antrag der Unabhängigen

Sozialdemokraten auf Streichung angenommen.

Abg. Haase (U. Soz.) zieht mit Rücksicht auf das bisherige bb Abstimmung diesenigen nce seiner die die Bezeichnung „Reichs“⸗Verfassung usw. heseitigen wollen, zurück.

ng. r. Cohn (U. Sol.) begründet sahm 3 einen Antrag auf Streichung der Worte, daß die Mitglieder der Reichsregterung und des Staalenaugschusses das Recht haben sollen, in der National⸗

Regierung vertreten“.

Der Antrag der U. Soz. wird abgelehnt und § 3 unver⸗

ändert angenommen.

Zum § 4 verljangt ein Agtrag der U. Soz, daß dem Zent atrat der Arbeiter⸗ und Soldatenräte ein Einspruchsrecht gegen die Beschlüsse der Nationatversammlung zulehen soll.

Der Autrag wird abgelehnt, ebenso ein weiterer Antrag der U. Soz., der dem Zentralrat das Recht geben will, umer Umständen eine Volksabstimmung herbeitzuführen. Der erste Satz des § 4: „Die künftige Reichsverfassung wird von der Nationalversammlung verabschiedet“ wird einstimmig, der zweite Satz: „Es kann jedoch der Gebietsbestand der Frei⸗ staaten nur mit ihrer Zustimmung gecabert werden“ wird gegen die Stimmen der Unabhängigen Sozigldemokraten und der bayerischen Volkspartei angenommen. Hierauf wird der ganze § 4 unverändert genehmigt. . Zum § 5 begründet

Abg. Dr. Cohn (U. Soz.) einen Antrag, es möge aus⸗ drücklich festgelegt werden, daß der Artikel 21 der bisherigen Reichs⸗ verfassung auch auf Soldaten Anwendunag finde. Damit solle erreicht werden, daß Soldaten ebenso wie Beamte als Mitglieder der Nationalverfammlung ihre Tätigkeit ausüben konnen, ohne Urlaub nachsuchen zu müssen. L

Abg. Hoch (Soz.): Wir bhalten es für selbstverständlich, daß die den Beamten nach der alten Verfassung gewährten Rechte jetzt auch den Soldaten zustehen müssen. Ich bitte die Regierung um eine Erklärung, ob sie diese Auffassung teilt.

Volkebeauftragter Landsberg; Die Frage, ob unter „Be⸗ amten“ auch Soldaten zu verstehen sehen ist strrttig; nach der An⸗ sicht der Regierung gehören die Soldaten zu den Beamten. Die Souveränität des Volkes erheischt es, daß jeder seiner Abgeordneten daran teilnehmen kann, ohne daß Unterordnungsverhältnisse irgendwelcher Art auf die Rechtsstellung der Abgeordneten einen Einfluß haben. Die Reichsregierung wird im Sinne ihrer Auffassung darauf hinwirken, daß jedem gewählten Soldaten die Betetligung an der National⸗ versammlung ermöglicht wird, ohne daß er Urlaub nachzusuchen braucht. Die zur Nationalversammlung gewählten Soldaten sind tatsächlich in den Stand gesetzt worden, ihr Mandat auszuüben. Deshalb erübrigt sich ein solcher Antrag. 1““

Abg. Dr. Cohn (U. Soz.): Landsberg kann nicht für die künftige Regierung sprechen, und es ist auch fraglich, welche Kraft die Regierung gegenüber den militärischen Kontmandostellen hat und später haben wird. Diese Kraft mag jetzt noch sehr groß sein (Na, na! b. d. U. Soz.), aber niemand weiß, wie es in drei Monaten sein wird. Die Erfahrungen, die wir und ich selbst mit dem alten Militarismus in dieser Petiehung gemacht haben, nötigen mich, Sie um Annahme dieses Antrags zu bitten. G 3

Abg Loebe (Soz.): In der Sache wollen wir alle das gleiche. Da die Auslegung zweifelhaft ist, haben wir uns entschlossen, füͤr den Antrag zu stimmen. 3

Die Apgg. von Payer (Dem.) und Dr. Maver⸗Kaufbeuren (Chr. V.⸗P.) erklären, daß ihre Fraktionen gleichfalls dem Antrag zustimmen werden.

Der Antrag wird hierauf gegen die Stimmen der Deutsch⸗ nationalen angenommen. Im übrigen gelangt § 5 nach dem Entwurf zur Annahme. 6

§ 6G handelt vom Reichspräsidenten und bestimmt u. a., daß Verträge mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung beziehen, der Zustimmung der National⸗ versammlung und des Staatenausschosses bedürfen. Sobald das Deutsche Reich einem Völkerbunde mit dem Ziele des Ausschlusses aller Geheimverträge beigetreten sein wird, be⸗ dürfen alle Verträge mit den im Völferbunde vereinigten Staaten der Zustimmung der Nationalversammlung und des Staatenaueschusses.

Abg. Haase (n. Soz.) begründet einen Antrag der Unab⸗ hängigen, den Abschluß von Geheimverträgen seitens des Deutichen Reiches schon jetzt, also unabhängig vom Bestande des Völkerhundes, unmöglich zu machen. Es würde in der ganzen Welt einen guten Eindruck machen, wenn wir uns schon jetzt freiwillig zu einem solchen Entschluß aufraffen würden; außerdem wird es ja wohl sowieso aus⸗ geschlossen sein, mit irgendwelchen fremden Staaten Geheimverträge abzuschließen.

Abg. Dr. Cohn (U. Verträge mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesene bung beziehen, bedürfen nach § 6 der Zustimmung der Nationalvert nmlang und des Staaten⸗ ausschusses. Ich bitte, statt „Zustimmung“ zu sagen „Einwilligung“. Der Sprachgebrauch Ss. t unter Einwilligung die Zu⸗ stimmung, die vorher abgegeben wird, während unter „Zu⸗ stimmung“ sowohl die vorher abgegebene Zustimmung wie auch die nachträgliche Genehmigung verstanden zu werden pflegt. Nun könnte der Fall eintreten, daß, wenn sosche Verträge nur der Zustimmung e irgendeine Regierung, ngtürlich nicht die gegenwaärtige (Zurufe b. d. U. Soz.: Na, na! Heiterkeit), auf den Gedanken kommen könnte, einen Vertrag abzuschließen, ohne ibn vorher der Nationalversammlung vorzulegen, und dann hinterher einfach ihre nachträgliche Genehmigung einzuholen. Dieser Möglich⸗ keit möchten wir vorgebeugt wissen.

Staatssekretär Dr. Preuß: Den sprachlichen Unterschied, den der Abg. Cohn zwischen den beiden Worten „Zustimmung“ und „Einwilligung“ statuieren will, kann ich als feststehend nicht aner⸗ kennen, wenigstens für die Gesetzestechnik nicht. Was dann die An⸗ regung des Abg. Haase anbetrifft, so ist es ganz richtig, daß voraus⸗ sichtlich bis zu dem hoffen lich zustande kommenden Völterbunde Geheimverträge nicht abgeschlossen werden; aber niemand kann in die Zukunft sehen, und es liegt im Interesse des Deutschen Reiches, sich nicht von vornherein beziglich der Oeffentlichteit der Verhand⸗ lungen schlechter zu stellen als alle übrigen Staaten. (Rufe: Aha! bei den Unabh. Sozialdemotraten.) Das Deutsche Reich erklärt seine Bereitwilligkeit, sich genau denselben Bedingungen zu unterwerfen wie alle anderen, aber es möchte sich nicht gern unter Sonderbestim⸗ mungen gestellt sehen.

Abg. Haase (U. Soz.): Der Herr Staatssekretär will sich also den Abschluß von Geheimverträgen vorbehalten. Um so dringlicher ist unser Antrag. Wir wollen nicht eine Tür offen lassen, durch die die Regierung hindurchgehen kann, um, wie vor 1914, von neuem Geheimverträge hinter dem Rücken des deutschen Volkes abzu⸗ schließen.

Staatssekretär Graf von Brockdorff⸗Rantzau: Ich kann vom Standpunkt meines Ressorts erklären, daß ich nicht die Absicht habe, Geheimyerträge abzuschließen. Im übrigen stehe ich vollständig auf dem Boden der Ausführungen des Herrn Staats⸗ sekretärs reus. 8

Abg. Haagse (U. Soz.): Die Ausführungen des Herrn Staats⸗ sekretärs vernärken in hobem Grade meine Ausführungen. Er häll PWerthavefrag für üͤberflüssig; da wir aber nicht wissen, wie lange

er in seinem Amte bleibt, und ob sein Nachfolger ebenso vernünftig darüber denken wird wie er, so bitten wir dringend, unseren Antras anzunehmen.

Der Antrag Haase (U. Soz.) wie auch der Antrag Eohn

§ 7 bestimmt in seinem ersten Satz: Der Reichspräsident wird von der Nationalversammlung mit einfacher Stimmen⸗ mehrheit gewählt. Ueber die Frage, ob unter einfacher Mehr⸗ heit absolute oder relative Mehrheit zu verstehen sei, erheht sich eine Diskussion, die damit ihren Avschluß findet, daß auf

versammlung das Wort zu ergreifen, „damit sie die Ansichten ihrer Antrag des Abg. Fehrenbach (Christl. Volkep) der Aus⸗

druck „einfacher“ durch „absoaluter“ ersetzt wird, um fedes Miß⸗ verständnis auszuschtießen. In dieser veränderten Faffung wird

7 nach Ablehnung von Antränen der Frau Agnes ange⸗ nommen, ebenso unverändert nach dem Entwurf die §§ 8 nd 9.

Ats § 10 wird auf Antrag der Abgg. von Payer

(Dem.), Groeber (Chr. Volksp.) und Genossen hinzugefügt:

„Dieses Gesetz tritt mit seiner Annahme durch die National⸗ erfammlung in Kraft. Von diesem Zeispunkt an kommen Gesetze sowie Verordnungen, die nach dem bisherigen Reichsrecht der Zu⸗ stimmung des Bundesrats und des Reichstags bedürsen, nur gemäß § 4 dieses Gesetzes zustande.“ Auf Antrag bes Abg. Gothein (Demokr.) wird der am Schluß des Entwurfs in Parenmthese befindliche Vermerk „(Unterschrif! des Reichspräsiderten und Gegenzeschnung des Reichsmigisters des Innern)“ gestrichen, weil er der Souperänität der Versammlung widerstreite und noch kein Reichepräsident vorhanden sei. Einleitung und Ueberschrift des Entwurfs bleiben unverändert. . Präsident Dr. Dapid stellt fest, daß die Abstimmung über den ersten Satz des § 4 nicht völlig emstimmig gewesen ist, da einige Herren gegen die Konstatierung der Einstimmigkeit nachträglich Protest erhoben haben, und gibt dann dem Hause anbeim, nunmehr nach erfolgtem Abschluß der zweiten Lesung sofort in die dritte Beratung einzutreten. . Die Versammlung stimmt zu. Abg. Dr. Waldstein (Demokrat): In bezug auf die Ver⸗ kündung des Gesetzes befinden wir uns in einer eigentümlichen staats⸗ rechtlichen Lage. Diese kann nach der Lage der Dinge nech n cht durch die zu schaßende Regierung erfolgen. Wir haben richtig ge⸗ handelt, wenn wir beschlossen hahen, daß dir ses Feset nicht mit seiner Verkündung, sondern schon mit seiner Annahme durch dieses Haus in Kraft tritt. Es entsteht noch die Frage, in welcher Weise die Authentizität des Gesetzes festgestelt wurd. Diese Aufgabe liegt dem Präsidenten der Nationalversammlung ob. (Zustimmung.)

Präsident Dr. David stellt das Eirverständnis des Hauses

hiermit fest. Damit schließt die allgemeine Besprechung.

In der Spezialerörterung bemerkt zu § 6 8 Volksbeauftragter Landsberg: Um eine Legendenbildung ½

verhüten, stelle ich sest: Wir haben vorhin einen Antrag der Abag. Agnes und Gen. auf Offenlegung aller Verträge abgelehnt; damit ift keine Feindschaft gegen die voruläre und durchaus berechrigte Forderung der Abschaffung jeder Geheimdiplomatie zum Aus⸗ druck gekommen. (Widerspruch bei den U. Soz.) Die Reichskeitung steht durchaus auf dem Standpunkt, daß die Tage der geheimen Diplomatie gezählt sein müssen, aber wenn wir uns jetzt einseitig die Verpflichtung auferlegen, alle Verträge vor der Oeffentlichkeit abzuschließen, so kann daraus der eine oder andere Staat, der uns nißgünstig gesinnt ist, dis Folgerung ziehen, daß er es nun seinerseils nicht nötig hat, die geheime Diplomatieg abzuschaffen. 8 Abg. Haase (kl. Soz.): Die Staatsmänner anderer Länder werden sich auf diesem Gebiete nicht beeinflussen lassen durch die Abstimmung im Sinne des Herrn Landsberg; wenn die deutiche Nationalversammlung hier leuchtend vorangeht, wird das auch auf andere Staaten wirken. (Beifall bei den U. Soz.)

Volksbeauftragter Landsberg: Wir geben ja voran, wir rufen ja der ganzen Welt zu: Wir sind bereit, die geheime Diplomatie abzuschaffen! (Rufe bei den U. Soz.: Machen Sie es doch heute!)

Abg. Dr. Dernburg (Dem.): Unter den Umständen, unter denen wir beute verhandeln, können wir etwas anderes vicht akzeptieren als die Erklärung, die uns der Staatssekretär des Aeußern gegeben hat. (Widerspruch b. d. U. Soz.) Wir sind Gegner der Geheimdiplomatie, die Annahme des Antrags Haase würde uns aber vertragsunfähig machen; wenn eine fremde Regierung darauf besteht mit uns nur einen Vertrag abzuschließen, der geheim bleiben soll, so könnten wir mit ihr ja gar nicht zu einem Vertrage kommen. Nach Annahme dieses Antrages stehe ich im übrigen durchaus auf dem Standpunkt der Regierung. 88ö

Abg. Haase (U. Soz.): Die Auffassung des Abg. Dernburg widerspricht liberalen Anschauungen und erst recht den demokratischen. Der englische Minister Grey hat der deutschen Regierung seinerzeit ausdröcklich erklärt, er könnte als Minister einer liberalen Regierung geheime Verträge nicht abschließen. (Hört, hört! b. d. U. Soz.) Sollte der ganz undenkbare Fall eintreten, daß eine fremde Re⸗ gierung mit uns nur einen Geheimvertrag machen will, dann wäre es Pflicht der deutschen Regierung, eine solche Zumutung abzulehnen. (Sehr richtig! b. d. U. Soz.) Die Nationalversammlung würde mit der Ablehnung unseres Antrages einen schweren Fehler begehen.

Abg. Zoephel (D. Vp.): Durch die Anwendung des Wortes „Geheimdiplomatie“ wird der Streitgegenstand völlig verschoben. Niemand will Geheimverträge in dieser Versammlung. Es kann ja aber kein Gebeimpertrag mehr bestehen, denn Vertxräge, die die Re⸗ gierung schließt und die nicht die Einwilligung der Nationalversamm⸗ lung gefunden haben, sind doch ungültig. (Zurufe b. d. U. Soz.: Wo steht denn das 2) 1 .“.“

Abg. Dr. Cohn (U. Soz.): Die Wirkung, die die Regierung und die Mehrheit mit dem schleunigen Abichluß des Verfassungs⸗ entwurfs auf das Ausland erzielen wohten, ist durch diese Debatte vollständig vernichtet (Zurufe: Durch Ihre Schuld Lachen b. d. U. Soz.), nein, durch die Erflärungen der Herren Dernburg und Lands⸗ berg. Wer ein einziges Mal während des Krieges im Auslande war (Zurufe: Ja, in Rußland!), wer mit Neutralen gesprochen hat, der weiß, daß der Hauptvorwurf gegen die deutsche Regierung und Diplomatie der Vorwurf der Lügenhaftigkeit und Doppe lzüngigkeit war. Dieser Vorwurf wird aber auch auf dem neuen Deutschland haften bleiben, wenn nicht durch Annahme unseres Antrags die Ge⸗ heimdiplomatie unmöglich gematt wird. 3

Volkebeauftragter Landsberg Ich stelle diesen Ausführungen gegenüber in aller Kürze fest, daß wir fur die Abschaffung der Geheimdiplomatie mehr tun als die Antragsteller. (Unruhe bei den U Soz.) Wir wollen sie überhaupt abichaffen, und Sie wollen sich darxauf beschränken, die deutsche Geheimdiplomatie abzuschaffen und es den anderen überlassen, sie beizubehalten. (Beifall.)

Präsident Dr. David: Der Antrag aus der zweiten Lesung kann nur dann wieder aufgenommen werden, wenn er von 30 Mit gliedern unterstützt wird. (Zur Unterstützung erheben sich nur die 22 U. Soz.) Die Unterstützung reicht also nicht aus. (Abg. Kuhnert [u. Soz.]: Das ist unerhört! Ein Skandal ist das!)

Abg. Dr. Waldstein (Dem.): Wir freuen uns des Be⸗ kenntnisses, das Dr. Cohn zur Oeffentlichtei der Politik abgelegt hat. Wir wollen hoffen, daß diese Oestentlichkeit auch im Verkehr unter den Fraktionen und Abgeordneten Platz greift und daß auch die zu⸗ künftigen Aktionen einzelner Abgeordneten mit dem Auslande sich unter absoluter Oeffentlichkeit vollziehen. (Sehr gut !. Zurufe: Dr. Cohn mit Rußland.) Die überwältigende Mehrheit, dieses Hauses ist darüber einig, daß die Geheimdivlomatie beseitigt werden muß, ein Streit besteht nur über die beste Taktik für diesen Zweck. Verträge, die die Verwaltung berühren und beispielsweise den Austausch von Waren betreffen, werden natürlich schon aus rein geschäftlichen Gründen nicht absolut oöffentlich sein koͤnnen. (Beifall.) 1

Abg. Dr. Dernburg (Dem.): Wir sind gegen lede Geheim⸗ diplomatie, aber wir koͤnnen doch in die Lage kommen, einen

(u. Saz.) wird abgelehnt, § 6 unverändert nach dem Entwurf angenommen. AAA“

Vertrag ablehnen zu müssen, weil wir ihn veröffentlichen müssen, die andere Seite dies aber nicht wünscht. Das