1919 / 40 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Feb 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Die Demarkationslinie verläuft folgendermaßen nach der Lagenkarte der Obersten Heeresleitung vom 6. Februar: Von der russischen Grenze bei Lutenfelde auf einer Linie, die über westlich Luisenfelde, westlich Groß Neudorf südlich Brzoze, nördlich Schubin, nörelich Exin, südlich Samotschin, füdlich Chodziesen (Kolmar) nördlich Czarnikau westlich Mialg, westlich Birnbaum, westlich Bentschen, wenlich Wollstein, nördlich Lissa, nördlich Rawitsch, füdlich Kroloschin, westlich Adelnau, westlich Schileberg. und nördlich Vieruchow (Eichenbron) bis zur schlesisch⸗ zussischen Grenze läuft.“ Also bleibt Ost (anscheinend Telegrammver⸗ stümmelung, soll wahrscheinlich Ost⸗ und Westpreußen heißen) und Oberschlesien wie heute in unserer Hand. Die Regierung in dem so umschriebenen Gebiet wird in den Waffenstillstands⸗ bedingungen nicht vereinbart. Diese Frage blibt offen, da tatsäͤch⸗ lich festaestellt ist, daß es sich hier nur um eine provisorische Ab⸗ machung handelt, welche dem Friedensvertrag in keiner Weise vor⸗ greift. Der Schutz der Deutschen in diesem Gebiet wird von der s ternationalen Kommission in Warschau, welche wahrscheinlich Ver⸗ treter nach Spaa entsenden dürfte, garantiert. 2) „Der durch die Abkommen vom 13. Dezember 1918 und vom 16. Januar 1919 bis 17. Februar 1919 verlängerte Waffenstillstand vom 11. November 1918 wird neuerdiags für eine kurze unbefristete Zeitdauer verlängert, wobei die Alliierten und assoziierten Mächte ch das Recht borbehalten, mit einer Frist von drei Tagen zu ündigen.“ 3) „Die Ausfübrung der Bedingungen des Abkommens vom 11. November 1918 und der Zusatzabkommen vom 13. Dezember 1918. und 16. Januar 1919, soweit dieselben derzeit noch unvollständig vewirklicht sind, wird fortgesetzt und in der Zeit der Verlängerung des Waffenstillstands zu den von der internationalen permanenten Waffenstillstandskommission nach den Weisungen des Oberkommandos der üvern festgesetzten Einzelbestimmungen zum Abschluß geführt werden.“

Ueber den Verlauf der Verhandlungen zur Verlängerung des Wafsenwillstandsabkommens berichtet „Wolffs Telegraphen⸗ büro“ wie folgt:

Die neuen Bedinaungen des Marschalls Foch wurden noch in der Nacht vom Freitag auf Sonnabend durch Fernschreiber nach Weimar und Bersin übermittelt. Auf bisher nicht erklärte Weise sind diese Depeschen in Berlin erst Sonnabendmittag, in Weimar erst Sonnabendnachmittag angelangt. Foch hatte die Antwort vom Reichsminister Erzberger bis spätestens Sonntag mittag 12 Uhr erbeten unter dem Hinweis daß er rechtzeitig den Truppen seine Be⸗ fohle geben müsse. Da die Regierungsstellen in Berlin und Weimar die Vorschläge der Entente mit großer Verspätung erhalten hatten, ersuchte der Reichsminister Erzberger den Marschall Foch am Sonn⸗ ahend mittag um Verlängerung der Antwortfrist bis Montag den 17. Februar Mittaags 12 Uhr. Am Sonnabend, nachmittag um 6 Uhr, ließ Marschall Foch anftworten: „Der Waffenstillstand läuft am 17. Februar, Morgens 5 Uhr, ab. Die letzte Stunde also, um eine neue Verlängerung zu unterzeichnen ist 6 Uhr Nachmittags am 16. Februar, damit Zeit bleibt, den Truypen die Befehble zu übermitteln. Wenn zu dieser letzten Stunde das Abkommen nicht unterzeichn t ist, bin ich genötigt Frier zu verlassen, und der Waffen⸗ stillstand wird am 17. Feb uar, Morgens 5 Uhr, nicht mehr in Kraft sein“ Die vorläufige Antwort der deutschen Waffenstillstands⸗ kommission auf Fochs in der Eröffnungssitzung am Freitag über⸗ reichte Note, welche die erwähnten Ententevorschläge für die Verlängerung des Waffenstillstandes enthalten hatte, war bereits in der Nacht von Freitag auf Sonnabend er⸗ folgt. Sonnabend vormittag richrete der Reichsminister Erzberger zwei weitere Schreiben an Foch: In dem ersten präzisierte er den deutschen Standpunkt zur Bereitstellung der deutschen Handelsflotte für die vebensmittelversorgung der Welt mit Einschluß Deutschlands. Er ließ keinen Zweifel darüber, daß das Schiffahrtsabkommen mit dem Lebensmittelabkommen und dem der Bezahlung der Lebensmittel gewidmeten Finanzabkommen ein einhestliches, unzertrennbares Ganzes bi den und daß namentlich das Schiffahrtsabkommen nur dann verwirklicht werden könne, wenn die Lebensmittelversorgung Deutschlands völlig geklärt und gesichert werde. Ueber diese letzteren Fagen wurde im Laufe des Freitag und Sonn⸗

abend im Rathause in Trier zwischen einer größeren Anzahl von

deutschen und alliierten Sachverständigen aus den verschiedensten Ressorts und Berufskreisen unter dem Vorsitz des Unterstaatssekretärs von Braun vom Re chsernährungsamt eingehend ver⸗ andelt. Diese Sonderverbandlungen, die den Hauptverhandlungen d.s Wassenstillstandes parallel laufen, sollten Sonntag ihren vorlaufigen Abschlus finden. Eine Versorgung Deutschlands bis zur neuen Ernte 8 Uit dorch diese Verhandlungen noch nicht sichergestellt. In dem zweiten Scheiben Eribergers an Foch wurde die endgültige Zustimmung oder Ablehnung vorbehalten, und es wurden eine Reihe deutscher Gegen⸗ forderungen aufgestellt, darunter die Freigabe unserer Kriegsgefangenen, die Arfrechterhaltung der Verkehrsf eiheit, insbesondere der wirtschaft⸗ lichen, sowohl im besetzten Gebiet als auch im Osten in den von den olen besetzten Teilen Deutschlands; ferner Wahrung der deutschen oheitsrechte in Ost und West, Wiederholung der Forderung, daß niemard wegen Kaufs oder Verkaufs von aus Belgien und Nord⸗ Eechrc weggeführten Maschinen in Untersuchung gezogen oder estraft werden darf, Freigabe der Küstenschiffahrt, bessere Be⸗ deeanc der deutsch gesinnten Bevölkerung Elsaß⸗Lothringens.

sarschall Foch erwiderte Sonnabendabend in dem oben bereits er⸗ Fähnten Brief auf die deuischen Geg nforderungen: „Der Text des Abkommens. der Ihnen gestern übermittelt wurde, ist von den ver⸗ ündeten und assoziserten Regierungschefs festgelegt worden. Ich dann ihn weder ändern noch erweitern.“ Es muß beiont werden, daß an den Vehandlungen in Paris über die Festsetzung der Waffen⸗ stillstande bedingungen auch der Präsident Wilson teilgenommen hat.

Gestern abend 6 Uhr 30 Min. ist das Abkommen über die Verlängerung des Waffenstillstandes im Saton⸗ waoen des Marschalls Foch unterzeichnet worden. Die end⸗ gültig angenommene und unterzeichnete Fassung weist Psacgte Vrränderungen auf: Oberschlesien, der Netze⸗

istrikt und Bromberg fallen westlich der Demarkationslinie und sind daher durch die von den Alllierten ausdrücklich über⸗ nommenen Garantien vor den Einfällen polnischer Banden ge⸗ sichert. Leider fällt Birnbaum östlich der Demarkationslinie Der Bahnhof Be tschen erbält deutsche Besatzung. Den Schutz der Deutschen östlich der Demarkationslinie übernimmt die inter⸗ alliijerte Kommission in Warschau. Ihr Verbindungsorgan mit der heutschen Regierung ist der französische General Dupont in Berlin. Zu Artitel 2, in welchem bestimmt ist, daß die Ver⸗ längerung des Waffenstillstandeabkommens auf kurze Zeit er⸗ folgt, fraate der Reichsminister Erzberger, warum „fkurze Frist“ vo geschlagen sei und ob dieser Vorschlag etwa mit der Möglichkeit eines baldigen Präliminarfriedens in Zusammen⸗ hang stehe. Marschall Foch antwortete, er vermute es. Der Artäkel 3 erhält dieselbe Formulierung wie in den früheren Abkommen vom Dezember und Januar. Marschall Foch betonte ausdrücklich, daß bezüglich der Durchführung „alles beim Alten“ bleibe.

Der Reichsminister Erzberger, verlas folgende, vom Ministerp äsidenten Scheidemann unterzeichnete Erkfärung der Reschsregierung, in welcher sie der Unterzeichnung des Abkom mens zustimmt, aber ihren Standpunkt im einzelnen, wie folat, präzisiert:

Die deutsche Regierung ist sich der Schwere der Folgen bewußt, die sowohl die Annahme wie die Ablehnung des Abkommens nach sich Rehen müßte. Wenn ihre Delegierten angewiesen hat, zu unter⸗

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zeichnen, so geschah dies in der Ueberzeugung, daß die alliierten und assoziierten Regierungen jetzt ernstlich bestrebt sind, innerhalb der kurzen Frist, für die sie den Waffenstillstand verlänzert haben, der Welt den ersehnten Frieden wiederzugehen. Die deutsche Regierung ist aber genötigt, ihren Standpuekt zu den drei Bedingungen des Abkommens durch folgende Bemerkungen klarzustellen:

1) Das Abkommen ignoriert die aus dem Volkswillen in ge⸗ ordneten Formen hervorgegangene deutsche Regierung. Es legt den Deutschen in Form schroffer Befehle und Verbote zugunsten der auf⸗ ständischen Poͤlen die Pflicht auf, eine Anzahl wichtiger Plätze, darunter Birnbaum und Bentschen, ohne weiteres zu räumen. Diese Plätze sind in deutscher Hand, überwiegend deutsch besiedelt und von wesentlicher Bedeutung für den Verkehr mit dem deutschen Osten. Dabei leisten die alliierten und assoziierten Mächte nicht emmal die Gewähr dafür, daß die Polen es ihrerseits unterlassen, neue Angriffe zu unternehmen oder vorzubereiten, daß sie die deutsche Bevölkerung, auf deren Schutz wir verzichten sollen, menschen⸗ würdig behandeln, daß sie die deutschen Geiseln freigeben, deren Festhaltung jetzt jeden Sinn verliert, und daß sie den bisherigen Lebensmittelverkehr nach dem Westen hin aufrecht erbalten. Wenn wir auch bereit sind, jede militärische Angriffehandlung in Posen und anderen Gebhieten einzustellen und die gegenwärtige mili⸗ tärische Lage dort als Basis anzuerkennen, so müssen wir doch er⸗ warten, daß auch die aufständischen Polen die Demarkationslinie ein⸗ halten; anderenfalls müssen wir befugt sein, uns mit Waffengewalt zur Wehr zu setzen.

2) Deutschland darf darauf hinweisen, daß es sich bis zur völligen Erschöpfung seiner wirtschaftlichen Kräfte und bis zur Zerrüttung seiner Verkehrsverhältnisse bemüht hat, den Waffenstillstandsbedin⸗ gungen nachzukommen. Es will auch jetzt versprechen, die Punkte zu erfüllen, in denen ihm die Durchführung bisher nicht gelungen ist. Dabei darf es aber annehmen, daß seine Verpflichtungen nicht in einer Weise ausgelegt werden, die mit den beiderseits anerkannten Grund⸗ sätzen des era wenbeg der Vereinigten Staaten von Amerika un⸗ vereinbar ist und den Gedanken des Rechtsfriedens im VPoraus zu⸗ nichte macht. Ob wir die in Aussicht gestellten Weisungen der alltierten obersten Heeresleitung in vollem Umfang zu befolgen in der Lage sind, müssen wir abwarten.

3) Wenn Deutschland jetzt an Stelle bestimmter Fristen für den Waffenstillstand, die es gestatteten, sich auf die Erfüllung der Beringungen einzurichten, nur eine kurze unbestimmte Frist mit ein⸗ seitiger dreitägiger Kündiaung gewährt wird, die geeignet ist, die Ruhe und Oidnung in Dentschland in hohem Maße zu gefährden, so bedeutet das eine ungerechtfertigte Erschwerung unserer Lage. Wir vermögen die Hoffnung nicht aufzugeben, daß die alliierten und assoztierten Regierungen es für tunlich halten, unter Verlängerung des Waffenstillstandes his zum Präliminarfrieden in Verhandlungen über die deutschen Gegenvorstellungen einzutreten.

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In der letzten Vollsitzung der Waffenstillstands⸗ kommisston in Spaa vor Beginn der neuen Trierer Ver⸗ handlungen wurde deutscherseits den Alliierten eine Note be⸗ züglich der Lebensmittelversoraung Deutschlands und der hiermit zusammen hängenden Fragen üherreicht, in der es laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenvüros“ u. a. heißt:

Nach Artikel VIII des Trierer Waffenstillstandsvertrages vom 16. Januar d. J. hat die Deutsche Regierung sich bereit erklärt, die deutsche Handelsflovtte unter assoziierte Kontrolle und Flagge zu stellen, um die Lehensmittelversorgung Deutschlands und des übrigen Europas zu sichern Zur Erreichung dieses Zweckes sind zwei wesent⸗ liche Faktoren erforderlich:

1) Die Einigung über Menge und Preise der Lebensmittel.

2) Die Einigung über die Art der Bezahlung.

Bezüglich der Lebensmittel ist bislang ein festes Abkommen nur über ein im Verhältnis zum deutschen Bedarf geringfügiges Opantum getroffen und die Lieferung weiterer nicht sehr erheblicher Mengen in Aussscht gestellt worden, aber ohne Nennung der Preise. Ueber den eigentlichen Versorgungsplan für Deutschland ist noch keine Entscheidung getroffken. Was die Finanzierung betrifft, so war von assoziierter Seite ertlärt worden, daß die Finanz⸗ verhandlungen ungefähr am 12. Februar in Spaa beginnen sollten. Der Vertreter der deutschen Regierung hatte den Vorsitzenden der interalliierten Waffenstillstandskommission davon benachrichtigt, daß nach deutscher Auffassung die Regelung der Schffahrts⸗ und Versorgungsfragen unlösbar mit dem Zustandekommen des Finaͤnzvertrages verbunden sei. Es wurde daher dringend ebeten, zu veranlassen, daß die alltierten Finanzdelegierten so schnell wie möglich, jedenfalls vor dem 12. Februar in Spaa eintreffen möchten. Obwohl die deutschen Finanzdelegierten sich seit einigen Tagen in Spaa be⸗ finden, ist noch keine bestimmte Mitteilung eingetroffen, wann und wo die Fmanzverhandlungen aufgenommen werden sollen.

Die Lebenamittelversorgung Deutschlands, die den beherrschenden Zweck der Abgabe der deutschen Hand loflotte bildet, schwebt also zur⸗ zeit noch vollständig im Ungewissen. Die deutsche Regierung ist fest entschlossen und bemüht, alle aus dem Schiffahrtsabkommen erwachsenden Verpfl’chtungen pünktlich un genau zu erfüllen, sie kann aber nicht schon heute die deutschen Handelsschiffe anweisen auf Abrufauszufahren; denn so sehr sie bestrebt ist, allen ibren Verbindlichkeiten loval nachzukommen, so ist es nicht nur gerecht, sondern auch ihre ernste Pflicht, die deutsche Handelsflotte nicht eher unter fremde Kontrolle und Flagge zu stellen, als der Zweck voll gesichert ist, für den eine so bedeutsame und so schmerzliche Maßnahme ausdrücklich vereinbart war. Uebrigens sind über die Einzelheiten der Ausführungsbestimmungen des Schiff⸗ fahrtsabkommens noch schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten vor⸗ handen, deren Klärung duich vorzeitige Abreise der Vertreter der assoziierten Regierungen, die zu diesem Zwecke sich mit den deutschen Delegierten in Spaa getroffen hatten, unmöglich gemacht worden ist.

Der Reichsminister Erzberger hat obiger Quelle zu⸗ folge gestern mittag dem Marschall Foch das nachstehende Schreiben überreichen lassen:

Herr Marschall! .

Bei der gestrigen Besprechung ist eine vollkommene Ueberein⸗ stimmung über die Auslegung des Artikels 8 des Waffenstillstands⸗ abkommens vom 16. Januar nicht herbeigeführt worden, und zwar infolge der Stellungnahme des englischen⸗Admirals Browning. Ich sehe es daher als meine Pflicht an, den deutschen Standpunkt in dieser Frage in aller Klarheir und Entschiedenheit zum Ausdruck zu bringen. Artikel 8 bestimmt: „Um die Lebensmittel⸗ versorgung Deutschlands und des übrigen Europas sicherzustellen“ wird die deutsche Handelsflotte für die Dauer des Waffenstillstandes unter näher zu vereinbarenden Voraussetzungen den Alliierten zur Verfügung g tteellt. Die Lebenemittelversorgung Deutschlands kann nur dann als sicher⸗ gestellt angesehen werden wenn endgültige Abmachungen zwischen den Alliierien und Deutschland getroffen sind über die Menge und Preise der Deutschland zu liefernden Lebensmittel sowie über die Bezablung derselben.“ Zu meinem lebhaften Bedauern ist es bisher nicht ge⸗ lungen, feste Vereinbarungen auf diesen beiden Gebieten zu treffen, obwohl die deutschen Delegierten mit genügenden Vollmachten aus⸗ gerüstet, schon längere Zeit in Spaa weilen. Die Delegierten der Alliierten haben sich in Spaa trotz vorheriger Ankündigung nicht eingefunden. Die in Trier weilenden Delegierten der Alliterten sind nicht mit genügenden Vollmachten versehen. Es ist daher dringend geboten, daß die Alliserten alsbald möglichst zu Antang nächster Woche mit genügenden Vollmachten versehene Delegierte nach Spaa entsenden, um die Abkom nen über die Belieferung Deutschlands mit Lebensmitteln und die Bezahlung derselben endgültig abzuschließen. Die bisherigen Verhandlungen haben bewiesen, daß diese Abkommen an demselben Ort zur selben Zeit getroffen werden müssen. Erst

wenn diese beiden Fragen so geregelt sind, daß die Levenzmittelver⸗

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sorgung sichergestellt ist, kann die deutsche Regierung sich damit ein⸗ verstanden erklären, daß die deutsche Handelgflotte zur Ausführung dieses Zwecks zur Verfügung gestellt wird. Die deutsche Regierung sieht also das Lebensmittel⸗, Finanz⸗ und Tonnageabkommen alt ein einbeitliches unzertrennliches Ganzes an. Sie weiß sich in dieser Auffassung einig mit verschiedenen Aeußerungen der Alliierten.

Bei 4 Verhandlungen über das Tonnageabkommen haben nach Abschluß der Verlängerung des Waffenstillstandsabkommens vom 16. Januar und des Schiffahrtsabkommens vom 17. Januar die Alliierten einseitig wesentliche neue Forderungen erhoben, welche die deutsche Regierung nicht annehmen kann. In dem Abkommen über die Verlängerung des Waffenstillstands wird „die ganze deutsche Hande sflotte“ der Kontrolle der Alliierten unterstellt. Die nach⸗ trägliche Forderung, daß hierunter auch alle diejenigen Handelsschiffe fallen sollen, die in einem Zeitraum von sechs Menaten fahrbereit werden geht über die getroffenen Ab⸗ machungen hinaus und stellte eine willkürliche Ausdehnung der Verpflichtungen dar, die Deutschland übernommen hat. In der gestern mir überreichten Note wird die Stellung des deutschen Delegierten, entgegen allen bisberigen Pesprechungen und Er⸗ örterungen, so wesentlich herabgedrückt, daß es mit dem Wortlaut des Waffenstillstandsabkommens in Widerspruch steht. Der deutsche Delegierte muß nach dem Wortlaut und den Vorbe⸗ sprechungen, die zum Abschluß des verlängerten Waffenstill⸗ stands führten, vollkkommen gleichberechtigt neben den Delegierten der assoziierten Mächte in allen denjenigen Fragen steben in welchen über die Verwendung und Ve rwaltung der deutschen Handels⸗ flotte eine Entscheidung getroffen wird. Den deutschen Deslegierten lediglich als „Informations⸗ und Verbindungsagenten“ ansehen zu wollen, widerspricht dem getroffenen Abkommen. Zur erfolgreichen Durchführung der von Deutschland übernommenen Verrflichtungen ist die ständige Anwesenbeit und Mitwirkung des deutschen Delse⸗ gierten bei der Poolkommission in London absolut erforderlich. Wenn in dem Abkommen über die Verlängerung des Waffen⸗ stillstandsvertrags auch bestimmt ist, daß die angemessene Vergütung für die Verwendung der deutschen Handelsflotte von den alliierten Regierungen festgesetzt wird, so wider⸗ spricht es doch jeder kaufmännischen Gevyflogenheit und hindert die Zurverfügungstellung der deutschen Handelsschiffe, wenn die Alliierten trotz wiederbolten Drängens der deutschen Regierunt bis zur Stunde weder die Charterbedingungen, noch die Ver⸗ abredungen über den gesamten Pool geliefert haben. Es ist der deutschen Regierung nicht möglich, so sehr sie im Interesse der baldigen Belieferung Deutschlands mit Lebensmitteln auf einen raschen Abschluß dringt, die Handelsschiffe zur Verfügung zu stellen, solange diese wesen lichen Bedingungen uns vorbehalten werden und über 48 .““ Ausführung derselben eine Vereinbarung nicht etroffen ist.

8 Schließlich muß die in der Verlängerung des Waffenstillstands⸗ abkommens angekündigte besondere Vereinbarung über Einzelheiten und zu beschließende Ausnahmen so getroffen werden, daß alle diese

Abmachungen für die ganze Dauer des Waffenstillstandes gellen und

nicht einseitig von den Alliterten geändert werden. Um die deutschen Schiffe überhaupt fahrhereit stellen zu können, ist es absolut erforderlich, daß bindende Zusagen nach der Richtung gegeben werden, daß die Bemannung der Schiffe durch deutsche Matrosen erfolgt, und zwar nicht nur bis zu den von den Alliterten zu bestimmenden Uebergabehäfen. Es ist sonst ganz unmöglich, die Schiffe überhaupt fahrbereit zu bringen. Diese meine Auffassung entspricht auch dem Wortlaut des Abkommens über die Verlängerung des Waffenstillstands, nach welcher die Ent⸗ fernung der deutschen Matrosen nur als Ausnahmefall anzusehen ist und nur dann geschehen kann, wenn bestimmte Tatsachen über eine bolschewistische Agitation durch die Bemannung beigebracht werden. Die deutsche Regierung verpflichtet sich, alle die von den Alliierten geforderten Bedingungen zur Verhenderung der Verbreitung bolsche⸗ wistischer Agitation durch deutsche Seeleute nach näherer Vereinbarung mit den Allfierten zu übernehmen und durchzufüßren. 1

Um alle diese Fragen zur beschleunigten Lösung zu bringen, wie dies dem Interesse der Alliierten behufs Heimbeförderung der eigenen Truppen ebenso entsprechen dürfte, wie dem Wunsche Deutschlands behufs rascher Belieferung mit Lebensmilteln, schlage ich vor, da die Schiffahrts⸗, Finanz⸗ und Lebensmitteldelegierten der Alliierten und Deutschlands sich bereits Anfang nächster Woche, mit genügenden Vollmachten aus estattet. in Spaa treffen möchten, um in Fortsetzung

bereits geführter Verhandlungen, die jedoch zu teiner Einigung führten,

zum endgültigen Abschluß zu bringen.

Genehmigen Sie, Herr Marschall, den Ausdruck meiner vorzis⸗

ichsten Hochachtung Erzberger, Reichsmintster.

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Die franzoͤsische Finanzverwalt daß vom 1. Februar d. J. ab keine Pensionen an elsaß⸗ lothringische Pensionäre und Hinterbliebene mehr gezahlt werden dürfen. Dadurch geraten diese in bitterste Not. Außerdem befinden sich die von der französichen Regierung vom Dienst suspendierten, aber nicht ausgewiesenen Beomten mit ihren Familien in äußerster Bedrängnis, da die französische Regierung auch ihnen jede Gehaltszahlung verweigert. Die deutsche Waffenssillstandskommission in Spaa hat bei der französischen Kommission gegen dieses Verfahren Verwahrung eingelegt und dringend ersucht, die Weiterzahlung der Bezüge an die suependierten Beamten sowie an die Pen⸗ sionäre und Hinterbliebenen zu veranlassen.

Aus dem Saargebiet ist an die Abgeordneten der Nattonal⸗ versammlung in Weimar folgender „Notruf von der Saar“

gerichtet mworden:

Vertreter des deutschen Volkes! Ganz Deutschlands Blicke sind auf euch gerichtet, die ihr nun semee Geschicke schmieden sollt. Dunkel ist die Zukunft, und manch bange Frage steht in den Seelen. Aber dunkler ist keines deutschen Stammes Zukunft als die des Saarvolt 6, banger keine Frage, als die, welche auf unseren Lippen schwebt: Was wird aus uns? Schwere Wolken lasten über uns, und was sie bergen, heißt Fremdherrschaft!

Die Geschichte bezeugt es laut und unwiderleglich, und lauter noch bezeugt es unser Herz: Das Saarbecken ist kerndeutsch. Lügner sind sie alle, die behaupien, daß wir unschlüssig stehen und nach hinschielen. Mag es einige Mietlinge geben, aber das Volk denkt anders. Alle Berufe und Stände, Kapital, Arbeiter und Be⸗ amtenschaft, Männer und Frauen, alle stehen unerschüttert zus immen in dem einen Bekenntnis, und dieses Bekenntnis ist zu einem Not⸗ schrei geworden: Wir wollen deutsch bleiben!

Deutsch denken und fühlen wir. Des deutschen Volkes Herz⸗ schlag ist unser Herzschlag, und deutsche Größe war unsere Größe, deutsches Leid ist jetzt unser Leid, und deutsche Arbeit und Mühe soll nun auch unsere Arbeit und Mühe sein, und deutsches Hoffen unser Hoffen. Zu deutscher Kunst flüchten wir in trüben Stunden, das deutsche Lied lebt in unseren Herzen und auf unseren Lippen, und deutscher Heldensang schwellt unsere Brust mit Stolz. Brüder, wir sind Euer. lutbande verbinden uns,

eschmiedet in hundert Schlachten und in tausend Wehen. Frssmmet mit euch haben wir um denselben Sieg gebetet, um dieselben Toten geweint, denselben Helden zugejauchzt. Zusammen mit euch haben wir gekämpft und geblutet und übermenschlich Schweres etragen. Was uns den Mut dazu gab und die Kraft, war ein eiliges Wort: „Vaterland!“ und nun rufen wir euch zu: „Kann und um Vaterland die Fremde werden?“ Sollen wir über Gienzpfähle saheen müssen, wenn wir zu Stammesbrüdern reden wollen? Sollen

Lieber deutsche Not als welsches Brot.

wickelten

sollen. Der Einspruch ist unterzeichnet von Innungen, Gewerk⸗

ung hat verfüg⸗

wir mit denen an einem Visch sitzen müssen, die uns Bater und

Brnder erschlagen? Mit zerfent G der deutsche Aar beim ekehrn. en Lchwingen und zu Tede mwund ist

Heißer noch als alle seine Wunden brennt die Schmach, die auf un die au vn Fen wird. Soll ihm nun auch das schwerste drna9 12 v bleiben, daß man ihm das Nest zerreißt und die Kinder 9 Deutsche Brüder, helft uns in der Nol! ieber deutsche Fron als welsche Freiheit!

Eine große Anzahl, eiwa 40 Vereinigungen des gungen des Kreises Waldenburg, haben als die Vertreter der dorrigen Bevölkerung laut Meldung des „Wolffschen Tele⸗ graphenbüros“ folgende Entschließung gefaßt: egen die nunmehr schon seit Wochen unserm Waldenburger Heimatlande mit seinen reichen Kohlenschätzen und seiner hochent⸗ Kultur sowie dem benachbarten Glatzer Bergland drohende Gefahr eines Tschecheneinmarsches und gewaltsamen Lostrennung vom Deutschen ¹ che echeben die unterzeichneten Organisalionen und Vereine auf das allerentschiedenste Finsgn Ein solcher Fnacdlame⸗ Eingriff würde unvereinbar sein mit den vom Präsidenten ilson aufgestellten Grundsätzen über das Selbstbestimmungsrecht der Völker und muß vom Standpunkte des Völkerfriedens und des ene⸗ unbedingt abgelehnt werden. Das Waldenburger Berg⸗ 5 und die Grafschaft Glatz sind seit Menschengedenken urdeutsches Land mit urdeutscher Bevölkerung und verdanken deutschem Fleiß und deutscher Kuttur ihre hohe Entwicklung. Die unterzeichneten Organi⸗ sationen und Vereine verwahren sich daher mit aller Bestimmtheit dagegen, daß diese schlesischen Gebietsteile dem Machthunger der Tichechen geopfert werden sollen, und fordern einmütig, daß unser aldenburger und Glatzer Bergland deutsch sind und immer bleiben

chaften aller Richtungen, Berufs⸗, Wohlfahrts⸗, gemeinnützi nd sonstigen Vereinen. 8 Mi

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Nachrichten ous der Provinz erweisen, daß die Vor⸗ bereitungen zur Durchführung Haa . h src. l⸗ nicht überall in dem erforderlichen Maße fortgeschritten sind. Nach „Walffs Telegraphenbüro“ wird hierdurch die Ver⸗ mutung nahegelegt, daß örtliche und Aussichtsbehörden der Durchführung der Wahlen nicht die nötige Aufmerksamkeit widmen. Demgegenüber wird betont, daß die Gemeinde⸗ Pebeinsuntg allen vit eben fiaftzufinden haben, und daß die 1 e Regierung alle Mittel zu ihrer Durchfü 1 Anwendung zu bringen gewillt ist. da säßrung 8

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Statistik und Vollswirtschaft.

Die Lage des Arbeitemarktes im Reiche zeigt na wie vor dasselbe Bild: zunehmende Arbeltslosigkeit in den entach demgegenüber zunehmender Arbeiterbedarf auf dem Lande. Nach den Berschten der Auskunftsstellen der Zentralarbeitsnachweise sind u. a. in Ostpreußen 1677 offene Stellen in der Land⸗ wirtschaft vorhanden, in Westpreußen 2200, in Pommern 1100, in Posen 1080, in Brandenburg 984, in Sachsen 2051, in Thüringen 130, in Westfalen 480, in Hannover 1335, in Würitemberg 700. Die Vermittlung ländlicher Arbeitsstellen hat ic zwar etwas ge⸗ bessert, ist aber noch immer der großen Nachfrage gegenüber un⸗ bedeutend. Zum Teil liegt die Schuld an den Landwirten selbst, die häufig den Arbeitsnachweisen nicht genügend Angaben über die Arbeiteberingungen machen oder die offenen Stellen überhaupt nicht anmelden. Bezeichnend ist, daß sich unter den Arbeitsuchenden, die aufs Land streben, mehr Familien als Ledige befinden.

In der Industrie macht sich die Arbeitslosigkeit infolge der katastrophal wirkenden Koblen⸗ und Vertehrsnot immer stärker

eltend. Beispielsweise werden in Thüringen, wo die Klein⸗, und

eimindustrie zu Hause ist, gegenwärtig nahezu 2300 arbeitslose Industriearbeiter gezählt. Offene Stellen bieten sich dort nur für Schneider und Schuhmacher. Diese Verhältnisse sind durchweg im Fnen Reche 8 t nach wie vor der

u, wo überall offene Stellen in großer 5 vorhanden sind, in Westfalen allein 12 000.

Der Arbeitsmarkt für weibliche Personen zeigt zunehmende Arbeitslosigkeit. Pie Arbeiterinnenentlassungen und die Ablösung der peiblichen Hilfskrätte in den Büros haben noch immer nicht ihr Ende erreicht. Der kaufmännische Stellungsmarkt hat ebenfalls keine Besserung aufzuweisen, vielmehr ist in einzelnen Be⸗ zirken die Zahl der Stellungslosen noch gestiegen.

Die Notstandsarbeiten haben durch das im ganzen Resch anftretende Frostwetter eine Unterbrechung erfahren, doch sind in allen Fe Städten und Kreisen öffentliche Arbeiten jetzt in großem

kaßstabe in Angriff genommen, und es ist zu hoffen, daß mit Beginn des Frühjahrs die Arbeiten noch eine wesentliche Vermehrung er⸗ fahren werden, besonders wenn die Bautätigkeit in großerem Umfange wieder aufgenommen werden kann.

Eine Milderung der Schäden, die durch die Erwerbs⸗ losenfür orge sich allenthalben fühlbar machten, hat der Demobilisierungsausschuß in Kiel durch eine Verfügung versucht, nach der die Arbeitslosenunterstützung nicht mehr als 75 vH des als Mi destlohn festgesetzten Stundeneinkommens von 1,50 betragen dart und jeder Arbeitslose, der Unterstützung bezieht, verpflichtet ist, eine ihm angewiesene Arbeit anzunehmen, widrigenfalls ihm die Er⸗ werbslosenunterstützung entzogen wird. , 8 ö“

6 Zur Arbeiterbewegung. n jie Leitung der Gewerkschaft deutscher Eisenbahner hat, wie „W. T. B.“ berichtet, der Reichs EE dem Beschluß einer in Essen abgehaltenen Vertreterversammlung im Namen der Eisenbahnbeamten und arbeiter der Direktions⸗ bezirke Essen, „Münster und Elberfeld telegraphisch die For derung überreicht, daß bis zur Wiederkehr geregelter Verhältnisse den bewaffneten Schutz der Bahnhöfe und den gesamten Wachdienst auf den Rangier⸗ und Güterbahnböfen sowie auf den sonstigen Bahnanlagen die Eisenbahner selbst über⸗ nehmen, die zu diesem Zwecke mit Waffen zu versehen sind. Die Wachen der Soldatenräte sind aus den Bahnhösen wie ausg allen übrigen Betriebspunkten der Eisenbahnverwaltung zu entfernen. Das Betreten der Bahnhöfe zum Zwecke der Durchsuchung von Zügen nach Freiwilligen für den Ostschutz ist den Soldaten⸗ räten mit Nachdruck und Erfolg zu untersagen, auch haben gesetzwidrige Pe f chungen, wie sie bei den Eisenhahnbeamten und ⸗arbeitern in agen von den Organen des Arbeiter⸗ und Soldatenrats geplant nd, zu unterbleiben. Die Schwer⸗ und Schwerstarbeiterzulagen nd hen Eisenbahnbeamten und ⸗arbeitern nach wie vor weiter zu gewähren. Der Vorsitzende des Deutsch⸗Demokratischen Gewerschafts⸗ bundes, dem die Gewerkschaft deutscher Eisenbahner angeschlossen ist, Stegerwald, ist telegraphisch beauftragt worden, mit der Regierung namens der Eisenbahner in Weimar Verhandlungen einzuleiten. Fällt die Antwort der Regierung unbefriedigend aus, so soll eine weitere Vertreterkonferenz, die vielleicht Sonntag oder Montag in ssen zusammentritt, sich über den von zahlreichen Ortsvereinen der Beamten und Arbeiter eingehrachten Antrag, in den vorerwähnten drei Direktionsbezirken zu einem 24stündigen Kundgebungs⸗

In Berlin dauert der Ausstand der Warenhausangestellten no fort. Der Ardeitgeberperband für den nerc von Groß Berlin hefaßte sich gestern, wie hiesige Zeitungen milteilen, in einer Versammlung mit der weiteren Stellungnahme zu dem Nusstand. Es wurde folgende Entschließung gefaßt: „Die in der Aula der Handelshochschule zu Berlin versammelten Groß Berliner Geschäͤftsinhaber billigen das Vorgehen des Acbest⸗ geberverbandes im Einzelhandel Groß Berlin und verurteilen aufs schärfste die Haltung des Zentralverbandes der Handlungsgebilfen, der durch seine Weigerung, gemeinsam mit anderen Angestellten⸗ vertretungen in Verhandlungen emzutreten, eine Verständigung unmöglich macht. Sie bedauern, daß infolge dieses Machtwillens einer einzelnen Organisation der unser Wirtschaftsleben aufs schwerste stöͤrende Streik nicht beendet werden kann, und stellten fest, daß die Verantwortung hierfür einzig und allein den „Zentral⸗ verband der Handlungsgehilfen“ trifft.⸗ Auch in Kreisen der Angestellten wird nach dem „Berl. Lok.⸗Anz,“ darüber geklagt, daß der „Zentralverband der Handlungsgehilfen“ sich anmaße, die Gesamtheit der Angestellten zu vertreien. So erkennen die Mitglieder des „Kaufmännischen Verbandes für weibliche Ange⸗ stellte“ den Zentralverhand nicht als ihre Vertretung an. Ferner haben, „W. T. B.“ zufolge, die leitenden Angestellten der Waren⸗ und Kaufhäuser am Sonnabend eine Versammlung ver⸗ anstaltet, um zu der durch den Ausstand geschaffenen Lage Stellung zu nehmen. Sie beauftragten ihre gewerkschaftliche Organisali n, die Vereinigung von Angestellten in Handel und Industrie, ihre wirtschaftlichen Interessen bei den Verhandlungen mit den Arbeit⸗ 1 Groß Berlins nach den beschlossenen Richtlinien wahr⸗ zunehmen“.

Kunst und Wissenschaft.

Im Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung ist eine Zentralstelle für Volkshochschulwesen eingerichtet worden. Es wird gebeten, das in einer Reihe von Städten vor⸗ handene Material über Volkshochschulwesen dorthin mitzuteilen.

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Die Februarsitzung der Gesellschaft für Erdkunde er⸗ öffnete der Vorsitzende Geheimer Rat Penck mit dem Hinweis auf eine Ausstellung von Kriegskarten, indem er be⸗ merkte, daß die großartigen Leistungen des Heeres auf dem Gebiete des Kartenwesens während des Krieges nur wenig be⸗ kannt geworden seien. Iehe Behörden teilten sich in die Arbeit: Daheim war, wie in Friedenszeiten, die kartographische Abtei⸗ lung der Landesaufnabme tätig, draußen im Felde wirkten die einzelnen Feldvermessungsabteilungen. Die kartographische Abtei⸗ lung schuf namentlich Karten, die auf bereits vorliegenden deutschen Arbeiten beruhen, sowie solche für entlegene Kriegsschauplätze durch Verarbeitung der besten vorliegenden Quellen. Ihr danken wir sowohl die großen Uebersichtskarten einzelner Kriegsschauplätze, die in den Handel gekommen sind, als auch eine nur für den Dienst bestimmte große Operationskarte. Sie schuf ferner Karten von Mesopotamien, Persien, Syrien und Palästina bis zum Sinai herab, von Finnland bis zur Murman⸗ küste Manche dieser Karten sind direkt nach fremden Vorlagen her⸗ vestellt worden, vielfach nach russischen Quellen, andere erheischten eine mühsame Neukonstruktion. Die Feldvermessungsabteilungen waren an den einzelnen Fronten tätig und unterstanden dabei der Leitung des Chefs des Feldvermessungswesens. Sie schufen Frontkarten teils auf dem Wege der üblichen kopographischen Aufnahme in dem von uns besetzten Gebiete, teils auf photogram⸗ metrischem Wege außerhalb desselben sowie namentlich auf Grund von Fliegeraufnahmen. Selbstverständlich wurden auch die Karten der Feinde ausgiebig benutzt. Auf diesem Wege haben wir für den Norden und Osten Frankreichs vom Meere bis zur Schweizer Grenze, von Livland bis zur Ukraina berab sowie für das südliche Maze⸗ donien Frontkarten im Maßstabe 1:25 000 erhalten, auf Grund deren für besonders wichtige Gebiete Vergrößerungen auf 1: 10 000, selbst auf 1:5000 bergestellt worden sind. Die meisten dieser Front⸗ karten stellen das Gelände durch Höhenlinien dar; einige heben das Relief durch Höhenschichtenkolorit und Schummerung besonders hervor, und es sind für einzelne Frontteile in Frankreich und im Elsaß sehr plastisch wirkende Karten geschaffen worden. Die Arbeit der Feld⸗ vermessungsabteilung ist um so höher zu schätzen, als vor dem Kriege das Feldvermessungswesen nur in geringem Umfange vorgesehen war und erst während des Krieges sich ausgestaltete, wobei sich wegen der Un⸗ gleichheit der Vorbildung von Landmessern und Ingenieuren nament⸗ lich in Preußen erhebliche Schwierigkeiten ergaben. Ueber 1000 ver⸗ schiedene Frontkarten 1: 25 000 sind hergestellt worden, und nicht schätzen läßt sich die Zahl der im Felde gedruckten Exemplare, die gewöhnlich für die Kampfhandlungen mit dem Aufdruck der beider⸗ seitigen Stellungen versehen wurden. Von der Landesaufnahme ist bekannt, daß sie den Druck von 273 Millionen Blatt veranlaßte, wo⸗ von sie 150 160 Millionen selbst druckte. 1G

„Ueber seine Reisen in der Puna von Argentinien bericht te darauf der Protessor Dr. Walther Penck, Leipzig. Der Vortragende führte etwa folgendes aus: Zu den auffallendsten Zügen in der Gebirgsgestaltung der Anden Nordwestargentiniens ge⸗ hört ihre Auflösung in einzelne Parallelketten, die nacheinander in

Sierren tragen. Nach Norden schließen sich die Ketten mit der Hauprkette des Gebirges am Westrand des Kontinents zu einem Hoch⸗ land, der Puna de Atacama zusammen. In diesem besitzen die Ketten dieselbe Höhe zwischen 4000 und 5000 m wie die pampinen Sierren, aber die Senken dazwischen gewinnen in der Puna mit einem Male große absolute Höhe. Sie ziehen als Reihen von abflußlosen Becken mit durchschnittlicher Höhe von 3000 ——4000 m durch das Hochland und ver⸗ leiben ihm dieselbe meridionale Gliederung, die die pampinen Sierren gauszeichnet. Die Untersuchungen des Südrandes der Puna hegannen im Ottober 1912 und kamen im April 1914 zum Abschluß. Eine Gebiet von 1400 km wurde geologisch aufgenommen, für welche Aufgabe die Schaffung einer topographischen Karte nötig wurde. Eine solche ist im Maßstab 1:200 000 unter besonderer Betonung des Formenschatzes des Gebirges vom Verfasser aufgenommen worden. Die geologischen Untersuchungen wurden weit über den Rahmen dieser Karte ausgedehnt und führten unter anderem zur Besteigung einiger die Puna auszeichnender Vulkanriesen (Nevado Bonete mit 6400 m, Oio de los Losas mit 6600 m und Nevado San Francisco mit 6000 m Meereshöhe). Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Gliederung in Ketten und Senken ist das Ergebnis einer großangelegten Faltung, der „Großfaltung“, bei der Mulden und Sätlel von großer Schwingungsweite, eben die Gebirgsketten und die Senken (die im Lande der vampinen Sierren „Bolsone“ genannt werden), entstanden sind. Der Faltaangeproes dauert in mehreren Phasen seit dem unteren ertiär bis heute an. Er betraf die pampinen Sierren und die Puna in gleicher Weise; diese aber verhielt sich wie eine schwer falt⸗ bare Scholle, darum erlangten die Höhenunterschiede in ihr nicht dieselben Ausmaße wie in den pampinen Sierren. Dafür erfuhr die Puna als Ganzes Hebung, der sie ihre absolute Höhe und die Geschlossenheit verdankt. Die Entwicklung des Flußnetzes und des Formensch⸗tzes des Gebirges hängt zaufs innigste zusammen mit der Art der Krustenbewegungen. Diese führten steis zu einer Emporwölbung der Ketten über die Senken. Auf jenen erzeugte die Abtragung der Reihe nach ver⸗ schiedene Landschaftsformen, die jedoch wegen der ertremen Trocken⸗ heit des Gebietes trot ihres zum Teil hohen Alters noch nicht wieder zerstört werden konnten. Der Pauptgegensatz zwischen Puna und pampinen Hierren beruht dgrauf, daß jene ein altes Relief tragt, das heute die cheitel der pampinen erren auszeichnet, daß ihr das schroffe, felsige Hoch⸗

zusstand aufzurufen, schlüssig werden. 11“

Pbefqerenge fehlt, das die Aphänge der Sierren auszeichnet. Berschärft wird der Gegensatz durch die außerordentliche Entwicklung 1““ vhn“

Z

dem Frantturter Parlament“.

den Ebenen Zentralargentiniens versinken und hier den Namen pampine

des Schuttes in der Puna, der Berg und Tal überzieht, alle Formen rundet und glättet. Geine Bildung hängt mit der sehr viel größeren Trockenbeit der Puna im Vergleich zum semiariden Gebiek aias; pampinen Sierren zusammen. 1“

Literatur.

Das Februarheft der „Deutschen Rundschau“ (Verlag Gebrüder Paetel [Dr. Georg Paetel), Berlin) trägt an seiner Spitze Betrachtungen Albert Dresdners über „Die Zukunft der Künstler“. Wie „Die Gallitanische Kirche als Wertzeug der Revanche“ diente, schildert Otfried Eberz. Zeitgemäße Erinnerungen wecken die von Ludwig Bergsträßer mitgeteilten „Briefe des Präsidenten Lette aus Der Versuch eines Ungenannten europäischer Staatsmann deutscher Nation, fördert reiches Ideenmaterial zutage. Hermann Platz bringt seine Untersuchung „Der Nationalismus im französischen Denken der Vorkriegszeit“ zum Abschluß. Otto Pniower spendet in seiner Auslegung von „Vier Spruchgedichten Goethes“ ein neues Kapital zur Goetheforschung. Aufschlüsse über den Verlauf des spanischen Feldzuges bringen wieder die althannoveranischen Erinne⸗ rungen „Kreutz⸗ und Querzüge von August Ludolph Friedrich Schau⸗ mann (1778 1840) aus Hannover Deputy Assistant Commissary General in englischen Diensten.“ Bearbeitet von seinem Enkel Major Conrad von, Holleuffer. Aus der Dichtung der Gegenwart wird eine Barocknobelle „Das Güldene, das Schwarze und das Olivenfarbene“ von Julius R. Haarhaus geboten. In der „Literarischen Rundschau“ findet sich eine Würdigung von Thomas Manns „Betrachtungen eines Unpolitischen“ von Richard Schneller. Literarische Notizen und ein Verzeichr is der eingesandten Bücher bilden den Schluß des Heftes.

Wilhelm Wibitzky⸗Sonnengrund. Roman. (Geb. 7,— ℳ. Mit einer Umschlagzeichnung von Erich T. Gottschlich. Konservatorium⸗Verlag Th. Ciepiik, Beuthen, O. S.) Die naive Darstellungsweise romantischer Erlebnisse, verbunden mit sinnigen Naturschilderungen, lassen den Roman dem Märchen ähneln, von dem man keine psvchologische Vertiefung verlangt und in dem man sich die abenteuerlichsten Ereignisse gefallen läßt.

Dora Duncker. Das Haus Duncker. Ein Buch⸗ händlerroman aus dem Biedermeier. (10,— ℳ, Verlag von Ge⸗ brüder Paetel, Berlin.) Das feingeschriebene Buch ist von literarischem Wert. Das alte Berlin mit seinen markanten Persönlichkeiten wird vor uns lebendig, und das Schicksal des jungen Duncker, der, vom Lehrling anfangend, sich zu einem der ersten Verleger heranbildet und eine an tüchtige Persönlichkeiten reiche Familie gründet, gewinnt unser wärmstes Interesse. Man fühlt, wie viel Wahres in diesem Buch gegeben wird, auch im rein Mensch⸗ lichen, und die Not des damaligen Preußens wird einen starken Widerhall bei den Lesern wecken, die Schtlderung seiner Erhehung dagegen Trost und Hoffnung unsern Herzen geben können.

über „Gentz“, Ein

11“

Bauwesen.

Der schiefe Turm des Magdeburger Domes. Nur wenige Betrachter des Magdeburger Domes haben wohl bisher bemerkt, daß der Südturm der mächtigen Westfassade des Domes be⸗ trächtlich nach Süden überhängt, und zwar mehr als ½ Meter. Wann und wie dieses Unglück bei dem Bauwerke, einer der hervorragendsten Schöpfungen der deutschen Gothik, eingetreten ist, darüber sind irgend welche Nachrichten nicht auf uns gekommen. Und doch dürfte der Baumelster wie die Bauherren und die Bürgerschaft nicht wenig in Sorge gewesen sein, als sich der Turm nach Süden zu neigen begann und das Mittelfenster über dem Haupteingang mitten durchrß. Wußte man doch nicht, ob die Umsturzbewegung weiterhin anhalten und der Turm nicht etwa auf die Nachbarschaft fallen werde. Die eine Hälfte es Mittel⸗ fensters blieb an dem Suüdturm hatten, die andere am Nordturm. Nun hat Regierungs⸗ und Baurat Hasak Untersuchungen über die Frage angestellt und dabei ziemlich sicher bestimmt, wann sich der Turm nach Süden überneigte. Zwischen 1303 und 1310 war der Südturm nachgeholt worden. Der Baumeister hat wohl in der Beforgnis, daß ihm die dicht vor dem Turm stehende runde Kirche des heiligen Nikolaus in die Grube des Turmes hmeinrutschen könne, seine Grundmauern nicht tief genug eingesenkt oder nicht breit genug hergestellt, und so hat sich dieser nachgeholte Turm, als er schon sein drittes Geschoß erhalten hatte, auf die Seite geneigt. Dies dürfte nicht allzu lange nach 1310 eingetreten sein. 1“

Verkehrswesen.

Postverkehr mit den deutschen Truppen in Nikolajew und Odessa. Mit unseren in Nikolajew und Odessa abgeschnittenen Truppen haben die Alliierten bis zum Abtransport dieser Formation eine Poft⸗ verbindung in Form offener Karten gestattet. Die Karten aus dem unbesetzten Deutschland und seinen be⸗ setzten Gebeten außer Elsaß⸗Lorhringen müssen folgende Adresse tzagen „Deutsche Waffenstillstandskommission Spaa, für Gruppe Nikolajew“. Das „Feldpostamt Großes Hauptquartier“ scheidet somit für die Postbeförderung nach Nikolajew und Odessa aus. Es wird darauf hingewiesen, daß Briefe unzulässig sind. In Nikolajew stehen folgende deutsche Verbände: Der Stab der 15. Landwehrdivision, 3. Bataillon und die 5. oder 2. Kompagnie des Landwehr⸗Infanterie⸗Regiments 53, des 1. und halben 3. Bataillons des Landwehr⸗Infanterie⸗Regiments 55, Regimenis⸗Stab 1, Stab 2, Stab 3, Abteilung 1, 4, 5, 6, 7, 9. Battr. Landwehr⸗Feldartillerie⸗Regiments 15; Sanitätskompagnie 552; Landwehr⸗Feldlazarett 3; Sächs. Div.⸗Nachr. Kdr. 515; Sächs. Div.⸗ Fernspr.⸗Abt. 515; Div.⸗Kraftw.⸗Kol. 784; Pferdelaz. 515; Stab 61. Res.⸗Inf.⸗Brig.; 2. Btl. Res.⸗Inf.⸗Reg. 224; 12 12. Kp. Res.⸗Ers.⸗Reg. 2; Sächs. Inf.⸗Reg. 415; 2. Batl. Bayer. Jäger⸗ Reg. 15; Landst.⸗Inf.⸗Batl. 1 Osterode (rm 20 / 8); Stab 42. Kav.⸗Brig.; 6. Battr. Sächs. Feldart.⸗Reg. 279; 6. Battr. Res.⸗ Feldart.⸗Reg. 65; Gruppen⸗Fernspr.⸗Abt. 628; 2. Stationszug der Armee⸗Fernspr.⸗Abt. 15; ein Bauzug der Armee⸗Fernspr.⸗Abt. 117; Gruppen⸗Funker⸗Abt. 541; überplanmäßige Funkenstation 109; Ge⸗ birgsfunker⸗Abt. 2; Sächs. Feldlaz. 178; Staffelstab 418 ½ Saͤchs. Staffelstab 158; 1.,2. Feldbäckerei⸗Kolonne 70; Vereinigte Soldaten⸗ heime Krim; Distrikts⸗Kommandantur 4; Etappen⸗Kommandantur 334, 339, 353, 355, 356, 357; 8 8 8 8

in Odessa: ““ 8 1,/2 Dip.⸗Fernfpr.⸗Abt. 507; Fer spr.⸗Betriebszug 1052; B Haas vom Landw.⸗Inf.⸗Regt. 126; Div⸗Kraftwagen⸗Kolonne 776 1 2 Armee⸗Kraftwagen⸗Kol. 212; 6. Battr. Landwehr⸗Feldart, Regt. 1; Reg.⸗Stab Landw.⸗Inf „Regt. 121; Stab 1. Batl. Landw.⸗Inf.⸗ Regt. 121; 3. und 4. Komp. Landw.⸗Inf.⸗Regt. 121; Pionier⸗Batl. Stab 407; 1/2 Ldw.⸗Pionier⸗Komp. 13; akt. 1/2 Feldbäckerei⸗ Kol. 224. 8

Avoth ekerwaren sind von jetzt ab nach Die Pakete, die keine

Fiete mit der belgischen Besatzungszone zugelassen. schriftlichen Mitteilungen enthalten dürfen, und die zugehörigen Paketkarten müssen vor der Anschrift den Vermerk „Apotheker⸗ waren“ tragen. Dieser Vermerk ist bei gleichartigen Paketen nach der amerikanischen Besatzungszone, nach der bereits allgemein Pakete zugelassen finp, nicht Fesczer gh. aitiihdas 1

erner können zwischen der britischen Besatzungszone und dem unbesetzten Beutschland jetzt auch Fära E ess ene ven ver⸗ sandt perden.