1919 / 52 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 03 Mar 1919 18:00:01 GMT) scan diff

111“ 1 6 11““ 1 zten Zeit erheblich gebessert hat, werden

sein, demnächst mit starken 8 können.

Besonders bei Wilna machen sich Ansammlungen bols ewistischer Truppen bemerkbar, die offenbar dazu bestimmt sind, n F oder weiter füdlich gegen die Polen eingesetzt zu werden, denen die Sowjets nach Räumung des bisher von und besetzten Raumes Brest⸗ Litowst— Kobryvn Wolkowysl —Grajewo jetzt unmittelbar gegenüber⸗

Zusammenstöße mit den Polen sind bereits an verschiedenen

stehen. Orten erfolgt.

Abgesehen von diesen Operationen liegt ein starker Vorstof von dies 2 gt ein starker Vorstoß gegen Libau und das Baltikum gleichfalls im Bereich der Möglichfeit, vicl⸗

leicht in Verhindung mit der ffensive, die gegen die bei Walk ope⸗ rierende finnisch⸗estnische Nordarmee soeben begonnen hat.

Unseren Truppen sind an verschiedenen Stellen kleinere Unter⸗ nehmungen gelungen, die zur Hebung der Stimmung wesentlich bei⸗ getragen haben. Einen größeren Erfolg hat die baltische Landeswehr durch Rückeroberung der seinerzeit verlorenen Stadt Windau zu ver⸗ zeichnen. Unter persönlicher Führung des Kommandeurs der balti⸗ schen Landeswehr. Majors Fletscher, wurde die Stadt nach sieben⸗ kndigem Kampf genommen. Der Feind wehrte sich hartnäckig seine Verluste sind schwer. Nur einer geringen Zahl gelang es zu entkommen. Die Einrahme von Windau bedeutet einen großen moralischen Erfolg für die Bevölkerung und die Truppe und ist von erheblicher militärrscher Bedeutung, da Windau durch seine Lage am Meer einen Hauptstützpunkt für die dortige Front bildet.

Räumung im Osten: Die Räumung von Polen ist mit Uebergabe des Gebiets Brest⸗Litowsk Kobryn. Wolkowpst— Grasewo zu einem gewissen Abschluß gelangt. Unsere vordersten Postierungen stehen nach Uebernahme von Kamionka durch die Polen bei Stidel. Die Räumugg weiteren Gebiet⸗ tann erst erfolgen, wenn die Polen die zum Halken desselben erforderlichen Truppen, an denen es ihnen zurzeit noch fehlt, bereitgestellt haben werden.

Lage an der böhmischen Grenze: Die wider⸗ sprechenden Naͤchrichten lassen eine Klärung über die Absichten der Tschechen noch nicht zu. Die zum u tlitärischen Schutz der bei einem etwaigen Einmarsch bedrobten Gebietsteile notwendig gewordenen Truppenverschiebungen sind zum großen Leil durchgeführt.

8 Der Deutsche Volksrat in Danzig hat, wie „Wolsss Telegraphenbüro“ meldet, bei der Naticnalversammlung, der Reichsregierung und der Waffenstillstande kom mission megen einer etwa beabsichtigten Landung polnischer Truppen in Danzig Einspruch erhoben. 8

8 Alle Gräberaufnahmestellen an der ehemaligen Front und in den besetzten Gebieten sind nach einer Mitteilung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ ausgelöst. Das ganze Gräberaktenmaterial ist vom Kriegsministerium, Zentralnachweisebüro, Berlin NW. 7 (Doretheenstraße 48), uͤbernommen.

Anfragen in Gräberangelegenheiten sind daher an diese Stelle zu richten. Zur Vermeidung von Verzögerungen ist in den Gesuchen die letzte Feldadresse der Gefallenen anzugebey. Auskünfte und Vermittlunen von Lageplänen, Skizzen und Grabphotographien sind kostenlos. -

Der Abgeorbnete der Nationalversammlung Schöpflin ist nach einer Meldung des „Wolffschen Telegraphenbütos“ zum Gouverneur von Berlin, der erste Vorsitzende des Ham⸗ burger Soldatenrats Lampl zum Kommandanten von Ham⸗ burg⸗Altona ernannt worden.

Statistik und Volkswirtschaft. Zur Arbeiterbewegung.

Gegen den politischen Massenausstand wendet sich ein von der sozialdemokratischen Frattion der Nationalversammlun g erlassener Aufruf, in dem ausgeführt wird, daß ein Massenstreik nach den entscherdenden Novembertagen jeden Sinn verloren babe. Die Arbeiterklasse besitze jetzt andere Mittel, um ihren Willen in der Gesetzgebung zur Geltung zu bringen. Was als Ziel der wilden zügellosen Bewegung hingestellt werde, sei schon erreicht oder werde in nächster Zufunft gesetzlich fesfgelegt werden. Die Soldaten und Arbeiterräte würden nicht verschwinden, diese müßten in Betriebsräle umgewandelt werden, um kontrollierend und mitbestimmend in dem Wirtschafts prozeß tätig zu sein. Die Sozialisierung werde ebenso sicher kommen. Ausstände seien daher jetzt zur Durchtuhrung der demo⸗ tratischen und sozialistischen Ziele der Arbeiterklasse nicht nötig, sie nützten vielmehr nur den deutschen Kapitalisten und den aus⸗ ländischen Imperialisten und Annerionisten. Jeder Massenausstand würde die Blockade verschärfen und Tausende Deutscher ins Clend stürzen. Die Arbeiterschaft solle sich zur Wehr gegen die wen gen bewaffneten F natiter setzen und ihrem Beginnen planvollen und energischen Widerstand entgegenstellen.

Gegen die Wühlereien, die in Berliner trieben für einen Generalausstand unternommen werden, wendet sich ein Aufruf, der von dem Vorstand der Be⸗ zirksorganisation Groß Berlin der Sozialdemo⸗

Be⸗

8 sie in der Lage räften an ihrer Westfront auftreten zu

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zu einer Einigung geführt. Durch Vermittlung des Vor⸗ sitenden des Zentralrats der A.⸗, und S.⸗Raͤte Deutsch⸗ lands, Pfaff, wurden nachstehende Beschlüsse angenommen: 1) Der bieherige Soldatenrat ist aufgelöst. Ein neuer Soldatenrat ist ouf demolratischer Grundlage zu bilden. 2) Der Arbeiter⸗ rat bleibt bis zum Zusammentritt des Raätetongresses des Reiches be⸗ stehen. 3) Die Sicherheitskompagnie ist aufgelöst, da der Stadt⸗ und Landkreis außerstande sind, täglich 4000 ℳ, monatlich 120 000 ℳ, zur Besoldung und Unterhaltung des Militärs aufzubringen. Zum unmittelbaren Schutz der Stadt und des Landkreises Emden wird eine Volkswehr im engeren Rahmen geschaffen. Die Vertreter der Arbeiterschaft gaben die Versicherung ab, dafür Sorge tragen zu wollen, daß die Arbeit sobald wie möglich wieder aufge⸗ nommen wird.

8 Auf der Ze che „König Ludwig“ in Bruch bei Reck⸗ linghausen trat „W. T. B.“ zufolge die gesamte Belegschaft am J. d. M. erneut in den Ausstand. Auf den Zechen „Matthias Stinnes 1⁄ und „Matthias Stinnes“ Z/4 feierten bei der Frühschicht am Sonnabend von der 3300 Mann starken Beleg⸗ schaft noch 950 Mann, auf Zeche „YVer. Welheim“ von 1230 Mann 490. Die Gesamtzahl der Ausständigen belief sich bei der Frühschicht am Sonnabend auf 2960 Mann.

Aus Friedenshütte O. Schl. wird dem „W. T. B.“ ge⸗ meldet, daß auf der „Friedensgrube“ die Arbeiter sich gegen die Beamten empörten und den Bergverwalter Schlick schwer mißhandelten. S. in Zustand ist hoffnungslos. Die Kommunisten zerstörten die Grubengeräte und Maschinen. Am Sonnabend war die gesamte Belegschaft ausständig. In Friedens⸗ hütte sind die Spartakisten vorherrschend. Gestern war auf der „Friedensgrabe“ alles ruhig.

5 Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten Meldung e „Borwärts“ aus St. Ludwig, sind in Mülhausen, ernste Arbeiterkämpfce ausgebrochen. Die Zahl der Ausständigen soll 20 000 betragen. Infolge der großen Teuerung der Lebensmitkel müsse mit dem allgemeinen Ausstand des ganzen Landes gerechnet werden. 8

Zur Ausstandsbewegung in Spanien erfährt „W. L. B.“ durch Reutermeldungen aus Madrid, daß dort auch die Bäckergesellen die Arbeit niederlegten. Wegen Lebens⸗ mitftelmangels kam es zu ernsten Unruben. Schlächter und Bäckerläden wurden gestürmt. Truppen siellten die Ordnung wieder ber. Es wurden über 200 Verhaftungen vorgenommen. Ueber 200 Menschen wurden bei den Kämpfen verletzt. Die Bäckergeiellen er⸗ klärten sich mit dem Vorschlag der Regierung, 620 Bäckereien zu übernehmen, bis eine Einigung zwischen den Bäckerei⸗ besitzeen und Angestellten erzielt ist, einrerstanden. Truppen patronillieren in den bevölkertsten Teilen der Vororte, wo auch Maschinengewehrabteilungen und Artillerie aufgeftellt wurde. Es herrscht jegt vollkommene Rube. Die Arbeit geht in gewohnter Weise weiter. Romanones erklärt, daß die Proteste der Be⸗ völkerung gegen die Lebensmittelhändler derart an Umsang zuge⸗ nommen haͤtten, daß es notwendig sei, ernste Vorsichtsmaßegeln zu treffen. In Valencta sind die Setzer ausständig. Die Zeitungen erscheinen nicht. In Barcelona, wo tie Elek⸗ Irizitätsarbeiter im Ausftande waren, herrscht Ordnung. Die Veleuchtung der Stadt ist sichergestellt.

g des Basler

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

Die geographische Verbreitung der Krank⸗ heiten. (Soe hat einen gewissen Wert, auch die Verbreitung der wichtigsten Krankheiten nach goographischer Metbode zu untersuchen, obgleich mit solchen Forschungen seibstverständlich weniger der Geograph als der Mediziner sich zu befassen haben wird. Ueber cinige wichtige Ergebnisse solcher Untersuchungen hat der Privat⸗ dozent Dr. Grothe aus Halle in den „Naturwissenschaften“ berichtet Sehr viele geographische Fattoren lassen einen mehr oder weniger be⸗ stimmten Enfluß auf die Verbreitung der Krankheiten erkennen, am wenigsten noch der geographische Aufbau des Bodens und seine Gesteinszusammensetzung, mehr schon die Bodenform, insbesondere der Unterschied zwischen Ebene, Gebirge und Meer. Allerdings ver⸗ binden sich diese Einwirkungen mit der des Klimas, das seibstverstaͤndlich als das wichtigste Clement zu betrachten ist. Es gibt eine ganze Reihe von Kranktheiten, die ausschließlich durch das Klima bedingt erscheinen, wie die Bergkrankbeit, gewisse geistige Er⸗ krankungen in tropischen Wüsten, Augentrankheiten in der Hulgrnacht und Aehnliches. Wenn auch die Seetrankheit zu den tlimatischen Krankheiten gerechnet wird, so ist diese Annahme freitich wemger einleuchtend, da doch wohl mehr die Schwankungen des Schiffs als die Eigenschaften des Seeklimas die Krankbeit berbeisühren. Andere Erkrankungen werden in ihrer Verbreitung durch die Rassenunterschierde der Bevorkerung erktärt, indem die einzelnen Rassen bestimmte Krantheiten entweder ausschließlich oder in erböhtem Grade ausweisen. So hat die Erfabrung gelehrt, daß zum Beispiel die Zuckertrankheit in Eurova am häufigsten bel den Semiten, in Asien bei den Eingeborenen Indiens auftritt. Aufrählig ist ferner die Hänfigkeit der Fettsucht bei ganz bestimmten Völkern, wie den Türken, Ungarn und auch in den Küstengebieten der nord⸗ deutschen Tiefebene, Gianz besonders ist stets bei der Verbreitung der Gicht und det Krebses auf die klimatischen Verbältnisse geachtet worden. Die in Nordeuropa so oft vorkommende Gicht ist schon in Oesterreich fast unbekannt. Der Krebs scheint erhebliche Verschieden⸗ beiten in der Verbreitung schon auf verhältnismäßig kleinem Raum aufzuweisen, urd man hat mehrfach den Einfluß von Bald und Wasser auf seine Entstehung vermutel.

kratischen Partei Deutschlands und von den sozial⸗ demokratischen Obleuten uünd Betriebsvertrauens⸗ Leute Groß Berlins unterzeichnet worden ist. Es wird in dm Aufruf betont, daß ungesäumt an die Verwirtlichung der wirt⸗ schaftlichen Demokratie und des Sozialismus gegangen werden müsse. Die Stellung der Arbeiterräte müsse in der Ver⸗ fassung geregelt, der Bericht der Sozialisierungskommifsion un⸗ verzüglich veröffentlicht werden. Eine Abordnung der Berliner Arbeiterschaft werde am Dienstag mit der Regierung über die nähere Durchführung dieser Forderungen verhandeln nnd mit allem Nachdruck für ganze und schnelle Arbeit eintreten. Voraussetzung für die Verwirk⸗ lichung dieser Forderungen sei aber die Anspannung aller Kräfte zum schnellen Aufban unseres Wirtschaftslebens auf gesunder Grundlage. Wir brauchten Nahrung, Kleidung, Wohnung und Kohle. Nur Arbeit könne all das schaffen. Wer daher in diesem Augenblick zum Generalausstand auffordere, verhindere die schlennige Durchführung der dringendsten Forderungen des Volkes und führe den vollen Zu⸗ fammenbruch des Wirtschaftslebens herbei.

In einer Versammlung des Bürgerrats von Groß Berlin wurde, falls alle anderen Maßnahmen versagen sollten und selbst die Regierung nicht imstande sein sollte, Ruhe und Ordnung in Groß Berlin anfrechtzuerbalten, der Aussland der Bürger als letztes Mittel anerkannt. Der Bürgerrat von Groß Berlin erhielt daher den Auftrag, als Gegenmaßnahme gegen den Generalstreit die Bürger⸗ schaft jederzeit zu einem Bürgerstreik aufzurufen.

beförderung ausschließen.

Limburg (Lahn)“) anbringen.

In den Zeitungsverlagen von Rudolf Mosse, August Scherl G. m. b. H. und Ullstein u. Co. in Berlin haben am

Sonnabend die LE neue Lohnforderungen aufgestellt und sind, als diese ihnen nicht bewilligt wurden, in den Ausstand getreten. Die von den genannten Verlagen herausgegebenen Beitungen sind infolgedessen seit Sonnabend nicht erschienen.

In Emden haben, wie „W. T. B.“ berichtet, am Sonnabend

Tagung der Nationalversommlung zwischen Berlin und Weimar eingerichtete Flugpost vom 1 März ab unter den hekannten Bedingungen auch für einen Luftpostverkehr mit Leipzia

nepflogene Verhandlungen zwischen den Behörden einer⸗

nußzbar zu machen.

Verkehrswesen.

Vielfach wird darüber geklagt, daß die Postanstalten Sendungen nach weniger bekannten rechtsrheinischen Orten in der keiner Verkehrsbeschränkung unter⸗ liegenden neutralen Zone versehentlich von der Post⸗ . Zu diesen Orten gehören insbesondere Linz (Rhein), Königswinter (Rhein), Oberdaollendorf, Rhöndorf (Rhein), Honnef (Rhein), Oberpleis Postleitort für diese Orte: Altenkirchen (Westerwald): ferner Caub, Lorchhansen (Rheingau), Lorch (Rhein), Strülh (Kr. Goarshausen), Laufen⸗ seiden (Taunus), Zollhaus (Zez. Wiesbaden), Hahnstätten (Unterlahnkreis), Oberneisen, Flacht (Unterlahnkrels) Post⸗ leitort für diese Orte: Limburg (Lahn).

Zur Verhütung solcher Versehen können die Absender der betreffenden Sendungen selbst wesentlich beitragen, wenn sie in der Aufschrift recht deutlich und groß geschrieben den Ver⸗ merk „Unbesetztes Gebiet“ (möglichst mit Hinzufüaung des Leitwegs „über Altenkirchen (Westerwald)“ oder „über Die Postanstalten geden auf Verlangen auch Auskunft darüber, ob ein Postort in den von feindlichen Truppen besetzten deutschen Rheingebieten liegt und welche Verkehrsbeschränkungen zurzeit dahin bestehen.

Die Reichspostverwaltung beabsichtigt, die während der

seits und den Vertretern der Arbeiterschaft andererseits

Rückwege auf dem Flugplatz Leipzig⸗Mockau eine Zwischen⸗ laudung vornehmen und dort nehmen. Zugelassen sind für die Fül. nicht nur Briefe nach den Orten Berlin, Leipzig und Weimar, sondern auch Brjefe, die von diesen Orten aus mit den anschließenden ge⸗ möhnlichen Postbeförderungsgelegenheiten weiterzusenden sind. Eine Gewähr für pünktliche Anschlüsse kann für diese Sendungen nicht übernommen werden. .

Bahnbetrieb im Bezirk Erfurt, Halle, Magde⸗ burg und Leipzig vollständig. Die Züge verkehren, soweit der westliche Teil Thüringens in Betracht kommt, aus westlicher und süd⸗ licher Richtung vorläufig nur bis Neu Dietendorf. Postsendungen für Erfurt und für Orte der in Erfurt einmündenden Strecken im südlschen Thüringen werden weder angenommen noch abgesandt. Der Telegraphen⸗ und Kernsprechverkehr ruht i be⸗ treffenden Bezirken ebenfalls. b

Theater und Musik.

„Der Revolutionär“ nennt sich ein dreiaktiges Drama von Wilhelm Speyer, das ant Sonnabend im Kleinen Theater zum ersten Male aufgeführt wurde. Die Hand⸗ lung, die sich zu Anfang dieses Jahrhunderts im Kreise russischer revolutionärer Studenten in Leipzig begibt, hat, obwohl über Umsturz des Zarismus und andere Revolutions⸗ ziele ausgiebig gesprochen wird, im Grunde nichts mit irgend einer polstischen Umwälzung zu tun. Ihr Held Alexej. der zuletzt frei⸗ willig aus dem Leben scheidet, geht nicht als Freiheitsheld zugrunde, sohdan durch seinen Wankelmut und seine Schwäche gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Eine Liebelet mit seiner Zimmerwirtin, die ihm in der Hoffnung auf eine eheliche Verb ndung, unbeschränkten Kredit eimaͤumte, hat ihn in Schulden gestürzt, ein Liebes⸗ verbältmnis mit der russischen Studentin Lndia hat ihn in den Bannkreis revolutionärer Ideen und Machenschaften verstrickt, aus dem es für ihn kein Entrinnen gibt, und eine dritte Liebesangelegenheit mit einer Deutschen der Tochter eines preußischen Beamten, die ihm für einen Augenblick das Glück ciner friedlichen bürgerlichen Ehe und Existenz vor⸗ gaukelt, geht in die Brüche, weil die Braut die Haltlosigkeit seines Charakters durchschaut. Aus dem Wirrwarr sieht er zuletzt keinen anderen Ausweg als den Selbstmord. Zweifellos bat der Ver⸗ fasser sich viel Mühe mit der Seelenschilderung der einzelnen Personen gegeben, Charakterschwäche der Hauptgestalt, andererseits aber bleibt bei recht rürftiger Handlung doch manches in seinem Stück ungeklärt und unver⸗ ständlich. So war denn der Beifall am Schluß nicht allzustark; zudem galt er wohl auch zum großen Teil der Darstellung. Alfred Abel war sichtlich und zumeist auch mit Erfolg bemüht, seinem Revolutionär inte essante Züge zu verleihen und ihm die Sympathie der Zuschauer nach Möglichteit zu sichern. Als fanatische revolutionäre Studentin bot Irmela von Dulong eine eindrucksvolle Leistung, und Leonore Ehn pielte die dentsche Geheimratstochter mit gefühlswarmer Innigkeit. Die tragikomische Gestalt der Zimmerwirtin gab Alice Torning Ge⸗

legenheit, ihr starkes Gestaltungstalent zur Geltung zu bringen.

Nr. 19 und 20 des „Zentralblatts der Bauverwaltung', herausgegehen im Ministerium der öffentlichen Arbeiten am 1. Miar⸗ 1919, hat folgenden Inhalt: Amtliches: Dienstnachrichten. Nicht⸗ amtliches: Die Entwicklung des Stadtbildes von Grodno. Zur Berechnung von Oelleitungen. Vermischtes: Mosaiken. Flüssige Betongemische für Eisenbeton. Baugeschichte der St. Hedwinskirche in Berlin. Wirkung neuer Bauten auf die landschaftliche Umgebung. Sielwerke, Städtereinigung und Straßenbau in Rüstringen. J. P. Havelaar f. Bächerschau

(Jortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

Theater.

Gpernhans. (Unter den Linden.) 12 Uhr: Symph oniemittagskonzert. (Programm wie am Abend.) Abends 7 ½ Uhr: VI. Symphoniekonzert der Kapelle der Oper zum Besten ihres Witwen⸗ und Watsentonds. (Zum Symphonie⸗ mittagstouzert sind Einlaßtarten bei Bote u. Bock Leipziger Straße 37 und Tauentzienstraße 7, am Konzerttage im Opernhause zu haben.) Schauspielhans. (Am Gendarmenmarft.) Dienstag: 63. Dauer⸗ bezugsvorsteltung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Zum 50. Heimat. Schauspiel in vier Akten von Hermann Sudermann. Svrielleitung: Albert Patrv. Anfang 7 Uhr. Mittwoch: Opernhaus. 243. Kartenreservesatz. Der Dauer⸗ hezug, die ständig vorbehaltenen sowie die Dienst⸗ und Frei⸗ plätze sind aufgehoben. Festvorstellung zu Ehren der heim⸗ kehrenden Ostafrikaner; Der Freischütz. Romantische Oper in drei Abteilungen (zum Teil nach dem Volksmärchen „Der Freischütz“) von F. Kind. Musik von Carl Maria von Weber. Anfang 7 Uhr. „Schauspielbaus. 64. Dauerbezugsvorstellung. Dienst, und Freiplätze sind aufgehoben. Die Kreuzesschreiber. Bauernkomödie mit Gesang in drei Akten (6 Bilder) von Ludwig Anzengruber. Spielleitung: Albert Patryv. Anfang 7 Uhr.

Male:

Familiennachrichten. Verlobt: Frl. Melanie von Eicke und Polwitz mit Hrn. Ober⸗ leutnant Cedric von Jerin, Glaesen Leobschütz. Frl. Hanna

Schmula mit Hrn. Hauptmann Herbert Kröcher, Reinerz— Emmagrube b. Rybnik. Frl. Marie Carolin Fretin von Bock mit Hrn. Hauptmann Leichtenstern, Breslau. 1 Gehoren: Eine Tochter: Hrn. Pastor Graupe, Pfarrhaus Probsthain. 4

Gestorben: Hr. Oberlandesgerichtsrat a. D. Geb. Oberiustizrat Wilhelm Schimmelpfennig, Breslau. Pr. Major Lutz Frhr. von Wangenheim, Breslau.

Tö1 Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. antwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle. Rechnungsrat Mengerina in Berlin. 8 Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. ruck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, BGerlin. Wildelmstrahe d.

Neun Beilagen

t

Die Flugzeuge werden auf dem Hin⸗ und

(einschließlich Börsenbeilage),

Postsachen abgeben und auf⸗

Infolge des Generalstreiks in Thüringen ruht der

besonders mit der Begründung der

ilag

Erste B

sanzeiger und Preußisch

11.“ in Weimar.

18. Sitzung vom Sonnabend, den 1. März 1919,

1 Vormittags 10 Uhr. 8 e(Bericht von Wolffs Telegraphenbürp.) 8 Am Regierungstisch: die Reichsminister Dr. Landsberg,

Wisfslt, Erzberger, Dr. Preuß, Dr. Bell und andere.

Prüfidem Fehrenbach eröffnet die Sitzung nach 10 ¼ Uhr.

Der Abg. Merges (Braunschweig) hat sein Mandat niedergelegt.

Anf der Tagesordnung steht zunächst der Antrag des Waorhut ausschusses, wonach dieser ermächtigt werden soll. Beweiserhebungen über Wahlprüfungsangelegen⸗ heiten unmittelbar durch die Behö den vornehmen zu lassen.

Abg. Dr. Neumann⸗Hofer (Dem.) befürwortet den Antrag namens des Ausschusses damit, daß ein abgekürztes Verfahren für die Beweiserhebungen eine absolute Notwendigkeit sei, wenn die Wahl⸗ prüfung nicht zur Sinnlosigkeit und zum Kinderspott werden solle.

Ohne weitere Erörterungen gelangt der Antrag ein⸗ simmig zur Annahme.

Es folgt die Beratung des von sämtlichen 37 weiblichen

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Mitgliedern der Nationalversammlung am 13. Februar ein⸗ gebrachten Antrags Frau Agnes und Gen.: Die Nationalversammlung stimmt folgender Erklärung der weib⸗ lichen Abgeordaeten sämtlicher Frakrionen zu: 1) Die deutschen Frauen und Kinder haben durch die völlige wirtschaft⸗ liche Absperrung Deutschlands während des Krieges unsagbar gelitten; sie alle erbofften, daß mit der Einstellung des Blutvergießens auch dieses furchtbare Kampfmittel nicht weiter zur Anwendung kommen werde. Die Hungerblockade ist jedoch nicht aufgehoben, sie ist verschärft worden; Kranke, Sieche und Greise fallen ihr in wachsendem Maße zum Opfer, und durch das große Sterben der Kinder und der werdenden Mütter wird dem deutschen Volk und damit der ganzen Menschheit ein nicht wieder gutzumachender Schaden zugefügt. Wir fordern deshalb unverzügliche Aufhebung der Hungerblockade. 2) Wir sordern ferner sofortige Zurückführung der deutschen Kriegsgefangenen, die, wie die Gefangenen aller Länder, nur ihre Soldatenpflicht erküllt haben. Sie selbst haben Schwerstes erlirten, und ihre Eltern, Frauen und Kinder sind von schmerzlichster Sehnfucht erfüllt. Wir sind der tiefen Ueberzeugung, die Frauen und Mütter der ganzen Welt empfinden mit uns, daß Mensch⸗ lichkeit und Gerechtigkeit die Erfüllung dieser Forderungen verlangen. Abg. Fran Neuhaus (s Die Frauen agus allen Par⸗ teien des Hauses haben im gemeinsamen Empfinden ihrem Schmerze üher die unerträglich schweren Leiden Ausdruck gegeben, die durch die fertgesetzte Hungerblockade und durch die Zurückhaltung der deutschen Kriegsgefangenen über unser Volk verhängt worden sind. Der Krieg ist zu Ende, aber die Hungerblockade besteht weiter und kostet zahllose Menschenleben. Vor allem werden die

werdenden Mütter, die Kinder und alle die Armen hetroffen, denen

das Leben ohnehin die schwerste Bürde aufgeladen hat. Die Hoff⸗

nung unserer Gefangenen auf endliche Befreiung ist grausam )

worden. Die Sprache der Menschlichkeit sollte doch endlich wieder von allen Völkern verstanden werden. Es ist übergenug des Hasses in der Welt. Wir Frauen fordern, daß die Menschenliebe in ihre alten ewigen Rechte wieder eingesetzt werde. (Lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses.) 8

Der Antrag wird einstimmig angenommen.

Präsident Fehrenbach: Im Namen unferer Kranken, unserer Gefangenen, im Namen des ganzen deutschen Voltes spreche ich den Frauen, die aus allen Parteien gemeinsam diesen Antrag der National⸗ versammlung unterbreitet haben, für diese edle Tat den Dank aus. (Wiebderholtlr allseitiger Beifall.)

Zur Verhandlung gelangt hierauf die folgende von sämt⸗ lichen Parteien, mit Ausnahme der U. Soz., beantragte Ents clt Ehch:

Die in Artikel 19 des Satzungsentwurfs des Völkerbundes über die deutschen Kolonien getroffenen Bestimmungen sind mit den in Punkt 5 des Wilsonprogramms aufgestellten tolontalen Frievensbedingungen nicht in Einklang zu bringen. Die National⸗ versammlung legt gegen eine einseitige Aenderung dieser Bedingungen, die von Deutschland und den Alliterten als gemeinsame Grundlage für den Frieden angenommen sind, feierlich Verwahrung ein und fordert die Wiedereinsetzung Deutschlands in seine kolonialen Rechte.

Kolonialminister Dr. Bell: Der von fast allen Parteien der Nationalversammlung zur Kolonialfrage eingebrachte Antrag gibt mir wihlkommene Gelegenheit, die Stellung des mir anvertrauten Kolontalamnts, das hoffentlich in absehbarer Zeit nicht mehr ein Amt ohne Land sein wird, hier darzulegen. Der Geschäftslage des Haufes und der gefamten politischen Atmosphäre Rechmumg tragend, beschränke ich mich auf knappe sachliche Erörterungen und behalte mir zur ge⸗ gebenen Zeit ausführlichere Stellungnahme vor. Als einen Lichtblick in trüber Zeit darf ich es aber bezeichnen, daß über die zur Erörterung stehenden kolonialen Frägen der Streit der Parteien fast völlig ausge⸗ schaltet ist und daß darüber eine erfreuliche Uebereinstimmung zwischen Regierung, Parlamentund Volk besteht. Die heutige Behandlung der für Deutschlands Zukunftsentwicklung bedeutungsvollen kolonialen Fragen bildet in ihrem zeitlichen Zusammentreffen einen Willkommensgruß der Heimat an bdie soeben eingetroffenen Ostafrikaner. Solange die Daͤntharkeit nicht ausstirbt in deutschen Landen, so lange wird man singen und sagen von den unbesiegten Helden, die mit beispielloser Opferkraft jahrelang jeden Fuß deutschen Landes gegen eine viel⸗ fache Uebermacht geschützt haben. Besser als Wort und Schrift bleiben sie lebende Zeugen für deutsche koloniale Fähigkeiten und Leistungen. Die hingebende Treue, mit der sie in der Verteidigung deutschen Kolonialbesißes von den Eingeborenen unterstützt wurden, widerlegt zugleich schlagend die Vorwürfe einer ungerechten Be⸗ handlung der eingesessenen Bevölkerung. Unter den 14 Punkten, die der Präsident Wilson in seiner Botschaft vom 8. Januar 1978 auf⸗ gestellt hat, beschäftigt sich der 5. Punkt mit den kolonialen Problemen in folgender Fassung: „Eine freie, weitherzige und unbedingt unparteiische Schlichtung aller kolonialen Ansprüche, die auf einer strikten Beobachtung des Grundsatzes fußt, daß bei der Ent⸗ scheidung aller solchen Souveränitätsfragen die Interessen der betroffenen Bepölkerung ein ebensolches Gewicht haben müssen wie die billigen Ansprüche der Regierung, deren Rechtstitel bestimmt werden sollen, sollte herbeigeführt werden.“ Für die Beurteilung der kolo⸗ nialen Friedeneprobleme ist aus der Botschaft des Präsidenten Wilson vom 8. Januar 1918 auferdem folgender Satz bedeutungs⸗ voll: „Wir wünschen ihm (Deutschlond) einen gleichberechtigten Platz unter den Völkern der Welt“. Weiter enthält die Botschaft des Präsidenten Wilson vom 11. Februar 1918 folgenden Satz: „Was

Berlin, Montag den 3. März

ich meine, ist lediglich, daß diese Probleme (d. h. die 14 Punkte) jedes für sich und insgesamt die ganze Welt angehen und daß, wenn: sie nicht im Geiste selbstloser und unbeeinflußter Gerechtigkeit gelost werden im Hinblick auf die Wünsche naturlicher Zusammengehörigkeit und völkischer Ansprüche sow e auf die Sicherhett und den geistigen Frieden der betroffenen Völker, kein dauernder Friede erreicht werden kann.“ Die nämliche Borschaft enthält den lapidaren und jede Miß⸗ deutung ausschließenden Satz: „Es soll weder Annexionen noch Entschädigungen oder strafweisen Schadenersatz geben.“ Diese Botschaften des Präsidenten Wilson sind vor dem Abschlusse des Waffenstillstandes von Deutschland ebenso wie von den Entente⸗Staaten als Grundlage des Friedens angenommen worden, ohne daß dabei wegen der im Punkle 5 der Botschaft vom 8. Januar 1918 festgelegten Kolenialfrage von irgend einer Seite ein Vorbehalt gemocht worden wäre. Nach den übereinstimmenden Grundsätzen der Morai, der Gerechtigkeit und des Völkerrechts ist daher nicht nur Deutschland, sondern auch die Entente an dieses vereinbarte Wilsonsche Programm gebunden, wie in allen übrigen Punkten so auch in der Kolonialfrage. Deutschland wird die von ihm über⸗ nommenen Verpflichtungen getreulich erfüllen, erwartet aber auch von seinen Gegnern Wahrung der Vernagstreue. Das Deutsche Reich ist bereit, bei den Friedensverhandlungen seine Forderung nach Wieder⸗ herstellung deutschen Kolonialbesitzes einer unparteiischen Nachprüfung auf der Grundlage der vom Präsidenten Wilson aufgestellten Gesichtspvunkte „im Geiste selbstloser und unbeeinflußter Gerechtig⸗ keit“ unterzieben zu lassen. Eine schmerzliche Ueberraschung und bittere Enträuschung bot dem deutschen Nolke im Hinblick auf diese früheren Kundgebungen des Präsidenten Wilson der Artrkel 19 des Satzungsentwurfs des Völkerbundes, der über die deutschen Kolonien Bestimmungen trifft, die unter dem Zeichen des Rechts⸗ friedens verschleierte Annexionen darsftellen. Diese Bestimmungen des Artikets 19 stehen den durch die Letroffenen Ver⸗ einbaxungen zum unlösbaren Bestandteil des Waffenstillstandes und Friedensvertrages gemachten früheren Kundgebungen des Präsidenten Wilson über die kolonialen Probleme unvermittelt gegenüber. Sofort nach der Veröffentlichung des Satzungsentwurfs des Völkerbundes habe ich daher als verantwortlicher Leiter der Kolonialverwaltung in der Presse auf den un ösbaren Widerspruch zwischen beiden Kundgebungen hingewiesen und die bercchtigten An⸗ sprüche des deutschen Volts auf Wiedereinsetzung Deutschlands in seine kolonialen Rechte begründet. Zunächst muß gegenüber der ohne Be⸗ gründung aufgestellten Behauptung, daß die Kolonien infolge des Krieges aufgehört hätten, unter deutscher Oberhoheit zu stehen, daran fest⸗ gehalten werden, daß weder der Krieg als solcher, noch die Be⸗ setzung durch die Gegner unser Recht an den Schutzgebieten be⸗ rührt har. Diese völtkerrechtliche Grundlage läßt sich durch die Formel, daß unsere Souveränität infolge des Krieges aufgehört habe, weder zu unseren Ungunsten, noch zugunsten unserer Gegner verschieben oder erschüttern. An diesem Rechtsgrundfatze wird auch der Präsident Wilson festhalten müssen. Wir appellieren ferner an sein Gerechtigkeitsgefühl und erwarten, daß er sein Urteil nicht einseitig auf die Anklagen unserer an dem Erwerbe deutschen Kolonialbesitzes interessierten und daher befangenen Gegner gründet. Auch für das PVölkerrecht läßt sich der Fundamentalsatz „audiatar et altera pars“ nicht aus der Welt schaffen. Mit dem Standpunkte von Recht und Ge⸗ rechtigkeit ist es schiechterdings unvereinbar, und es darf auch als beispiellos in der Geschichte bezeichnet werden, wenn man trotz seierlicher Verkündung des Rechts friedens ein Volk kontumazieren, also ungehört verurteilen will, obgleich es bereit und in der Lage ist, Rede und Antwort zu steben. Namens der Volksregierung und des hinter ihr siebenden deutschen Volkes erkläre ich dem Herrn Präsi⸗ denten Wilhon, daß wir nach wie vor bereit sind, vor einem un⸗ parteiischen Forum Rede und Antwort zu stehen und uns zu allen über unsere koloniale Tätigkeit erhobenen Anklagen zu äußern. Ein objektives Bild und ein unparteitsches Urteil läßt sich unmöglich gewinnen aus einseitigen Tendenzschriften interessierter Gegner, wie es insbesondere das englische Blaubuch vom August 1918 „über die Eingebhorenen von Südwestafrika und ihre Behandlung durch Deutschland“ und ähnliche amtliche und halbamtliche „Tendenz⸗ und Propagandaschriften’ darstellen. Das dentsche Weißbuch über die „Behandlung der einheimischen Bevölkerung in den kolonialen Besitzungen Deutschlands und Englands“ liefert an der Hand englischen und sonstigen einwandfreien Materials den untrüglichen Beweis, daß die gegen die deutsche Kolonialpolitik erhobenen Anschuldigungen teils auf maßloser Uebertreibung, teils auf Entstellung oder Unwahrheit be⸗ ruhen. Dabei wird keineswegs verschwiegen, sondern mit vorbildlicher Offenherzigkeit in eingehender Darlegung zugegeben, daß wir von den Kinderkrankheiten der Kolonialpolitik keineswegs verschont geblieben sind, sondern in den ersten Jahrzehnten manche Fehler des Systems und bedauerliche Unklugbeiten begangen haben. Aber abgesehen davon, daß von derattigen Fehlern und Mängeln auch keine andere Kolonialmacht, wie die Koloniasgeschichte untrüglich er⸗ weist, frei geblieben ist, hat unsere verbältnismäßig noch blutjunge Kolonialgebarung, befonders im letzten Jahrzehnt, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Wir sind in der Lage, eine Reihe englischer und sonstiger einwandfreier Zeugnisse darüber beizubringen, daß unsere Kolonialpolitik und unsere Kolonial⸗ wirtschaft, namentlich aber unsere Behandlung der Eingeborenen den Befähigungsnachweis erbracht haben. Das von meinem um unsere kolontale Sache hochverdienten Herru Amtsvorgänger Dr. Solf geprägte Wort „Kolonisieren heißt Missionieren“, und zwar im besten Sinne des Worts, ist von uns in die Tat umggesetzt worden. Dadurch werden die „Enthüllungen über unerträaͤgliche Lasten und Ungerechtigkeiten“, die wir den Eingeborenen auferlegt haben sollen, ebenso klar widerlegt, wie die uns ohne jede berechtigte Grundlage vorgeworfenen Ausrottungs⸗ bestrebungen gegenüber den Eingeborenen. Wie in der neutralen und gegnerischen Presse der Artikel 19 beurteilt wird, darüber mögen einige Stimmungosbilder vorgeführt werden: So hat die Turiner „Stampa“ geschrieben, alle Kolonien müßten inter⸗ nationalisiert werden. der Völkerbund sei nichts als eine Verbindung der Mächte zur Befriedigung der eigenen Habgier. Im „Journal de Géndve“ war zu lesen, die Er⸗ ledigung der kolonialen Frage in Paris ähnele mehr einer Verteiluug als einer Befreiung. In der Londoner „Nation“ vom 1. Februar 1919 heißt es, Mandate für die Sieger waren nur eine Variante für das alte Beuteprinzip. Auch die Pariser „Humanité“ hat geschrieben, den alltierten Imperialisten käme es nur darauf an, die Beute zu verteilen. In der holländischen Presse ist die Kritik noch schärfer. Das „Algemeen Handelsblaad“ sieht in der Regelung der Kolonialfrage „einen mehr oder weniger scheinheiligen Versuch, um die Verteilung der kolonialen Beute unter schönen Losungsworten zu verbergen und Deutschland von jedem Kashfedi6 sis auszuschließen“. Auch der „Nieuwe Rotterdam'sche Courant“ spricht von Annexions⸗ plänen der Friedenskonferenz hinsichtlich der deutschen Kolonien, die den Wilsonschen Grundsätzen durchaus widersprächen. Durch das Kolonialkompromiß werde der Völkerbund zu einem Bund siegreicher Nationen, um bei der Ernte der Siegesfrüchte krinen Streit entstehen zu lossen. Eine Schilderung des Eindrucks in Deutschland möchte ich unterlassen, um die Temperatur nicht noch mehr zu erhitzen. Nur eine kurze Schlußbemerkung kann ich nicht unterdrücken, da

man es im deutschen Volke und auch im ganzen Aus⸗ land nicht verstehen würde, wenn die Kundgebung vom 14. Februar 1919 im Hinblick auf den entgegenstehenden Inhalt der Botschaft vom 8. Januar 1918 ohne Widerspruch hingenommen würde. Wollen die am Erwerb deutscher Kolonien interessierten Ententestaaten einen Gewaltfrieden herbeiführen und gewaltsam unsere Kolonien wegnehmen, dann soll man auch das Kind beim rechten Namen nennen, sich aber nicht mit dem Schein der Moral und des Rechts umgeben. Der Präsident Wilson wird bei seiner hochherzigen und großzügigen Idee eines Völker⸗ bundes und dauernden Weltsriedens keinen eifrigeren Mitarbester und Vorkämbfer sinden als die deutsche Regierung und das deutsche Volk. Unerläßl’che Voraussetzung ist aber dabei, daß diese Gründung vom Geiste wahrer Gerechtigkeit und edler Duldsamkeit getragen wird und eine wirkliche Gleichstellung und Gleichwertung aller be⸗ teiligten Nationen vorsieht. Niemals würde das deutsche Volk er⸗ tragen können, wenn es außer der vorgesehenen verschleierten Annexion mit dem Brandmal kolonisatorischer Unfähigkeit gezeichnet und aus der Reihe der Kulturvölker ausgestoßen mwürde. Gegen diesen Gedanten bäumt sich das Nationalemr sinden des ganzen deutschen Volkes auf. Unabweisbar und unverzichtbar ist Deutschlands Forderung nach Wiedererlangung seines Kolonialbesitzes. Frei vo Eroberungssucht und annexionistischem Imverialismus, fordern wie eigenen Kolonialbesitz, weil wir es als eine Lebensnotwendigkeit ein 70 Mrllionenvolk betrachten, an der Verbreitung von Kultur und Sitte mitzuarbeiten und für die seelische und wirtschaftliche Vor⸗ wärtsentwicktung der Eingeborenen mit verneftem Verständnis für ihre Eigenart und ihre wahren Bedürfnisse unsere polle Kraft ein⸗ zusetzen. Eine gewaltsame Ausschreßung von dieser koloniglen Mitarbeit, die eine unerträgliche moralische Degradierung Deutschlands bedeuien würde, wäre em ebenso unsühnbares und für den Weltfrieden verhängnisvolles Umecht, wie die Unterbindung der Wirtschaftsadern durch Absperrung der zur allmählichen Wiedererholung unseres bis ins Mark getroffenen Wirtschaftslebens unentbehrlichen kolonialen Ein⸗ und Aus⸗ fuhr. Unter allen Kriegebeschädigten hat niemand schwerere Kriegsnot crlitten und herberes Kriegsleid erfahren, als das Rechisgefühl und die Gerechtigkeit. Dem schwer dasteder liegenden Völkerrecht wieder aufzuhelsen, ist vornehmste Friedensaufgabe und Ehrenpflicht aller Kulturstaaten. Gr⸗ lingen wird das Friedenewerk nur dann, wenn Eigennntz und Selbstsucht von dem Gesamtinteresse, von der welifri dlichen Regelung der Beziehungen der Völker zueinander überwunden werden. Was dabei die bedeutsamen kolonialen Probleme agfangt, so werden für den friedlichen Ausgleich unter den Kolonsalvölkern und namenttich für die als politische Notwendigteit erwartende gerechte Neuverteilung des gesamten afrikantschen Kolonialbesitzes als gerechte Maßstäbe die Größe und Beyötkerungsehl der Staaten, weiter ihre wirtschaftlichen Bezürfnisse und schließ ich ihre kolonialen Leistungsfähigkeiten in erster Linie allgemeine Anerkennung finden müssen. Soll nach den neuerlichen Vorschlägen cine inter⸗ nationale Inftanz wie der Völkerbund einen Einfluß auf die Ver⸗ waltung der Kolonien gewinnen, so darf dieser Gedanke vom Stand⸗ punkte der Gerechtigtet: nicht auf den deutschen Kolonialbesitz ein⸗ eschränkt bleiben, sondern muß auf die kolonialen Gebiete alle Pötker angewandt werden. Auch ist die Politik der offenen Tuür, für die wir immer eingetreten sind, gleichmäßig von allen handel treibenden Nationen zu gewährleisten. Darum gebe ich der Stimmung nicht nur der Nationalversammlung, sondern des ganzen deutschen Volkes Ausdruck, wenn ich die dringende Erwartung ausspreche, daß im Sinne und Geiste der von uns und der Entente gleichmäßig akzeptierten Wilsonschen Botschaft vom 8. Januar 1918 das Kolonial- problem bei den Friedensverhandlungen in einer Weise gelöst wird, die dem Standpunkte des Rechts und der Gerechtigkeit entspricht und Gewähr für einen unerschürterlichen Völkerbund und dauernden Welt⸗ frieden bietet. (Lebhafter Beifall.) 1 8

Abg. Henke (U. Soz.): In Uebereinstimmung mit den Be⸗ schlüssen des internationalen Kongresses von Stuttgart im Jahre 1907 sowie des Parteitags der Sozialdemokratie von demselben Jahre erblicken wir in dem kolonialen Kapitalismus ein Mrttel zur Ausbeutung und Unterdrückung fremder Völker. Ein Recht auf Kolonisterung erkennen wir kemem Sraate zu, weder dem deutschen noch einem fremden. Wir lehnen deshalb die vom Reichskolonial⸗ minister Bell empfohlene Entschließung ab.

Damit schließt die Besprechung. Die Entschließung wird gegen die Stimmen der 7 anwesenden unabhängigen Sozial demokraten angenommen. (Lebhafter Beifall.) b

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend Verbot des Agiohandels mit deutschen Bank⸗ noten und Darlehnskassenscheinen. Danoch wird mit Gefängnis bis zu 1 Jahr und zugleich mit Geldstrafe bis zu 50 000 ℳ, bestraft, wer deutsche Darlehnskassenscheine ober Baaknoten zu einem ihre Neunwerte übersteigenden Preise erwirbt oder veräußert oder zu solchen Geschäften auffordert oder sich selbst erbietet.

Auf Vorschlog des Präsidenten wird damit verbunden die eiste Beratung des Gesetzentwurfs zur Abänderung der Verordnung über ausländische Wertpapiere vom 22. März 1917 fowie des Gesetzentwurfs über die Einsiegelung von Schrifien, Drucksachen, Wert⸗ vovieren und Zahlungsmitreln beim Grenzüber⸗ tritt nach demn Auslande. Nach der Verordnung über ausländische Werpapiere vom 22. März 1917 müssen Wert⸗ papiere, aus denen ein im Ausland ansässiger Schuldner haftet, dem Reiche gegen angemessene Vergütung überlossen werden, „sofern sie nicht bis zu einem in der Anordnung zu bestimmenden Termin an eine im Ausland ansässige Person oder Firma veräußert sind“. Diese Einschränkung soll, um die im Privatbesitz in Deutschland besindlichen gus⸗ ländischen Wertpapiere für den Bedarf des Reiches in vollen Umfange erfassen zu können, gestrichen werden. Außerdem soll dem Reichs finanzminister zur Sicherung des Zugriffs auf diese ausländischen Wertpapiere die Befugnis erteilt werden, ein Ausmhrverbot und ein Verbot der Veräußerung oder Ver⸗ pfändung solcher Papiere ins Ausland mit sofortiger Wirkong zu erlassen. Durch den Gesetzentwurf, betreffend die Ein⸗ siegelung von Schriften, Werwapieren usw, soll zur Bekämpfung der Kapitalsflucht der nach Beendigung des Belagerungszustandes aufgehobene Einsiegelungszwang für die Mimahme von Schriften, Wertpapieren und Zahlungsmitteln über die Reichs⸗ grenze wieder eingeführt werden. LW“

Abg. Bruhn (Dtanatl.): Wir stimmen den Gesetzentwürfen zu Schon während des Krieges sind in erschreckeneem Maße große Kayitalien ins Ausland gewandert. Allein in der Schweiz sollen nach zuverlässigen Mitteilungen gegen 2 ½ Milliarden Franlen Prival⸗ vermögen angelegt worden sein. Unter den Leuten, die sich so der Sreuerpflicht entziehen, befioden sich sehr viele Kriegegewinnler, die während des Krieges die Wohltat der Reklamation genossen

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