1919 / 65 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Mar 1919 18:00:01 GMT) scan diff

zollern müssen für immer abgesetzt, ihre Familiengüter einge⸗ zogen werden. Das ist ein Eingriff in das Privateigentum, ein Ausnahmegesetz gegen die Hohenzollern, aber es ist unbedingt noctwendig. Die Taten Wilhelms II. haben die größte Empörung im Volke hervorgerufen. Mit diesem Hause muß abgerechnel werden. Es muß ihm so gehen, wie einst den Welfen. Das Räte⸗ Uis muß in die Verfassung hinein. Es geht auch nicht an, die rbeiterräte auf wirtschaftliche Funktionen zu beschränken das werden die Arbeiter sich einfach nicht gefallen lassen d2 richtig! bei den U. Soz), sie müssen lauch politische urklionen haben. Gewiß wird mit dieser Einrichtung eine gewisse Erschwerung der Gesetzgebung verbunden sein; aber Herr Heilmann; entweder man ist Demokrat, oder man ist es nicht; ist man aber Demokrat, wie Ste sich den Anschein geben, dann muß man auch die Konsequenzen daraus ziehen. Wenn Sie (nach rechts) das Rätesystem ablehnen, so tun Sie das beste, um das Kommen der Räfe zu fördern. (Lachen rechts.) Nur das Rätesynem kann Deutschland noch retten. Die Revolutto⸗ nierung der Arbeiterschaft ist nicht mehr aufzuhalten, am allerwenigsten durch Kanonen, Minenwerfer und Bajonette. Die Repolution ist noch nicht abgeschlossen (sehr wahr! b. d. U. Soz. Gelächter rechts) oder hat es schon eine Revolution gegeben, die in wenigen Monaten abgeschlossen war? Sie (au den Soz.) sind heute nichts anderes als die Helfershelfer der Bourgeoisie. Die Kluft zwischen Bürgerschaft und Arbeitertum wird immer größer; Sie (zu den Soz.) können nicht mehr zurück, aber Sie können auch den Sozialismus nicht mehr aufhalten. (Beifall b. d. U. Soz.)

Abg. Dr. Friedberg (Dem.): Die Auseinandersetzungen saischen den beiden sozialdemokratischen Bruderparteien sind ja an ch recht interessant, aber sie sind doch eigentlich auch nur recht theorelisch, und die Geschäfte des Hauses werden dadurch jedenfalls nicht gefördert. (Sehr richtig!) Vielleicht lohnt es, mal eine Erxtrasitzung dafür anzusetzen. (Heiterkeit.) An die Verfassung sind meine politischen Freunde unter dem Ge⸗ sichtsvunkt herangegangen, daß durch die Revolution in der Rechtsentwicklung ein Vakuum geschaffen worden ist, das ausgefüllt werden muß; solange es nicht ausgefüllt ist, liegt die Staatsgewalt aueschließlich in den Händen des Volkes, das seinem Willen durch die Wahlen Ausdruck gegeben hat, und dieser Gedanke wird im § 1 zu⸗ treffend zum Ausdruck gebracht, wenn es hier heißt, daß die gesetz⸗ geber sche und vollziehende Gewalt lediglich bei der National⸗ versammlung liegt. Die Einfügung von AFxbeiterräten in die Ver⸗ fassung ist für uns völlig undistutierbar. Die Arbeiterräte beruhen auf einem Berufswahlrecht, durch die die anderen Volksklassen, die nicht Arbeiter sind, eintach vergewaltigt werden. (Sehr richtig!) Gerade ein solches Berufswahlrecht war früher das Lieblingstind der rechten Seite dieses Hauses; es ist daher nicht ein neuer, 8 es ist der reaktionärste Gedanke, der sich überhaupt enken läßt, und ich möchte beinahe sagen: deshalb hat es sich wahrhaftig nicht gelohnt, Revolution zu machen. (Sehr gut!) Auch durch sein Eintreten für das Verordnungsrecht der Regierung hat Dr. Rosenfeld seiner reaktionären Auffassung weiteren Ausdruck verliehen. Daz Verordnungsrecht ist die Negation des freien Gesetzgebungsrechts der Volksvertretung; aus diesem Grunde müssen wir ganz im Gegensatz zu ihm eine weitgehende Einschränkung des Notverordnongsrechts verlangen. Dr. Rosenfeld will gar nicht Recht, Freiheit nnd Gerechtigkest, er will die brutale Gewalt. (Zustimmung bei der Mehrheit.) Dr. Rosenfeld ist auch von außerordentlichem Mißtrauen gegen jede „Spitze“ er⸗ füllt und hat sich und seine Freunde als große Sicherheits⸗ kommissare bezeichnet. Dafür habe ich sie überhaupt immer ge⸗ halten, besonders auch bei revolutionären Bewegungen, wo man eventuell auf der Barritade selbst seine Haut zu Markte tragen muß. (Große Heiterkeit.) Die von den U. Soz. beantragte Einziehung der Familiengüter des Hauses Hohenzollern nennt Hr. Rosenfeld selbst ein Ausnahmegesetz. Wie haben diese Herren doch früher im Reichstage gegen Ausnahmenesetze geschäumt? Ein derartiger Eingriff in das Privateigentum ist nicht nur für uns, er ist für jeden gerecht und billig Denkenden vollkommen undiskutierbar. (Zu⸗ ruf des Abg. Adolph Hoffmann.) Auf Ihrem eigent⸗ lichsten Gebiet, dem theologischen, mögen Sie ja zuständig sein, aber auf dem staatsrechtlichen hapert es. (Große Heiterkeit.) Das Einkommen ist immer und ausnahmslos ein sehr zusammengesetztes wirtschaftliches Produkt. Wenn einer durch Lederhandel reich geworden ist, so ist dieser Reichtum ganz ebenso ein Recht oder ein Unrecht wie das Eigentum an jenen Familiengütern. Auch der Hinweis auf den Welfenfonds ist hinfällig; das Vermögen ist später, als die betreffenden Abwehrmaßregeln nicht mehr nötig waren, zurückerstattet worden. Dr. Rosenfeld hat dann mit historischen Ausblicken operiert. Nach meiner Auffassung kann die Revolution nicht zur Ruhe kommen, weil gewisse treibende Kräfte da sind, die sie nicht zur Ruhe kommen lassen wosllen; das hat ja schon der verstorbene Liebknecht angedroht. Nach Dr. Rosenfeld tritt vielleicht Ruhe ein, wenn das Rätesystem durchgeführt wird, also eine reaktionäre Maßregel. Dr. Rosenfeld hält dafür, daß die revolutionäre Bewegung unaufhaltsam weiter⸗ reifen wird. Er scheint mir zu übersehen, daß jetzt, kurz nach dem spentakistischen Putsch, die Welle bereils wieder nach der anderen Seite schlägt, indem die Mehrheitssozialisten Siege davontragen. Wenn aber das Rätesystem bloß ein Uebergangsstadium sein soll, dann bewahre uns Gott davor! (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Leidig (D. Vp.): In der Verurteilung der Revolution sind wir einig. Aber wir müssen den Versuch der Mit⸗ arbeit machen, um aus dem Chaos herauszukommen. Mit dem Vor⸗ redner sind auch wir der Auffassung, daß das Rätesystem mit dem Grund⸗ gedanken der Demokratie gänzlich unvereinbar ist, und darum verstehen wir auch nicht, wie jetzt die Unabhängigen nach der Beseitigung des Herrenhauses gewissermaßen doch der Landesversammlung ein Nebenparlament an die Seite setzen wollen. Die Hohenzollern haben 1807 ihre ganzen Domänen dem preußischen Volke geschenkt. Die etzigen Domänen haben sie inzwischen erworben. sch hätte das

ütgeschrei hören wollen, das die Unabhängigen erhoben hätten, wenn eine vorrevolutionäre Regierung ein so weitgehendes Not⸗ verordnungsrecht gefordert hätte, wie es jetzt die Unabhängigen beantragen.

Abg. Heilmann (Soz.): An dem Wort „Republik“ halten wir f st, auch wenn es ein Fremdwort ist. Die Anträge Rosenfeld zur Immunität waren viel zu weitgehend; außerdem standen sie mit dem Reichsrecht in schärsstem Widerspruch. Die Herren haben ja auch diese ihre geradezu lächerlichen Anträge nicht wieder eingebracht. Trotzdem wird hier der Agitation wegen be⸗ hauptet, die Rechtssozialisten hätten die Anträge der Unab⸗ hängigen zum Schutze der Immunität abgelehnt. Wir beneiden die Unabhängigen um diese Agitationsmethoden nicht. Ueber die Kommune zitierte Rosenfeld den Anarchisten Krapotkin, er zitiert nicht den Sozialisten Friedrich Engels, der hervorhebt, daß die Achtung vor dem allgemeinen Wahlrecht ein untrügliches Charakteristikum jeder proletarischen Revolution ist. Die Hohen⸗ zollern sind längst abgesetzt durch die Revolution. Das hat der 9. November endgülkig beschlossen. Das Ausnahmegefetz lehnen wir unbesehen ab, weil es ein Ausnahmegesetz ist. Dr. Rosenfeld hat als Justizminister einen Ausschuß eingesetzt, der prüfen soll, was von dem Vermögen der Hohenzollern Kron⸗ und Privateigentum ist. Jetzt will er sein eigenes Kind morden. ber die Herren lernen rach um. Wir haben beute einen Redner der Unabhängigen ehört, der am 16. Dezember noch zu uns gehörte und noch bei der

arionalversammlung auf unserer Liste stand. (Zuruf: Lichtenstein! Lebhaftes Hört, hört!!) 8 Die Aussprache schließt damit. 1

Abg. Lichtenstein (U. Soz.), mit „Aha 1*„Ruf begrüßt:

Für Sie ist jeder Unabhängige erledigt, ehe er spricht. (Zurufe:

ie sind erledigt! Konjunkturpolitiker!) Ich bin aus der Mehr⸗ heitepartei ausgetreten, weil beim Rätekongreß ein Mehrheitssogiali

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. den Unabhängigen eingeschlichen hatte und nicht gerügt wurde. Das war gegen mein Sauberteitsgefühl. (Heiterkeit.) Der grundlegende § 1 wird darauf in der Aus schuß⸗ fassung einstimmig angenommen, der Räteantrag gegen die Unabhängigen abgelehnt. Dann wird die Fortsetzung der Beratung bis Doaner s⸗ tag, 3 Uhr, vertagt.

Schluß 7 Uhr.

sich bei

Parlamentarische Nachrichten.

Die Sozialisierungskommission veröffentlicht nachstehenden Entwurf zu einem Rahmengesetz über die Kom⸗ munalisierung von Wirtschaftsbetrieben:

Die Städte⸗ und Gemeindeordnungen im Deutschen Reich müssen folgende Bestimmungen enthalten: 6*

Städte und Gemeinden sowie Verbände von diesen 3) haben das Recht, alle oder einzelne Unternehmungen nachstehender Wirt⸗ schaftszweige, sofern sie im Privatbesitz stehen, zu übernehmen und zu betreiben bezw. betreiben zu lassen: d 1 8 1) Verkehrsunternehmungen für das Gemeinde gebiet,

2) Unternehmungen zur Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Licht und Kraft,

3) Erzeugung, Beschaffung und Lagerung, Verarbeitung und Vertrieb von Nahrungs⸗ und Genußmitteln

4) Herstellung von Kleinwohnungen,

5) Anschlagwesen, 1 1 „Ergtts.

6) Gewerbsmäßige Stellenvexrmittlung im Sinne des Stellen⸗ vermirtkergesetzes vom 2. Juni 1910,

7) Avpotheken,

8) Bestattungswesen.

Die Gemeinden dürfen das in § 1 genannte Recht auch für andere private Unternehmungen, die vorwiegend für lokale Zwecke arbeiten, in Anspruch nehmen.

§ 3.

Städte und Gemeinden können sich zum Betrieb der in 8§§ 1 und 2 genannten Unternehmungen zu Verbänden zusammenschließen. Sind die Beteiligten nicht einverstanden, so kann auf Antrag einer oder mehrerer Gemeinden, welche mindestens die Hälste der Gesamt⸗ bevölkerung sämtlicher beteiligten Gemeinden umfassen, oder auf An⸗ trag der Kommunalaufsichtsbehörde der Zusammenschluß von der zu⸗ ständigen Verwaltungsbeschlußbehörde angeordnet werden. Gegen deren Entscherdung steht das Verwaltungsstreitverfahren offen. Die näheren Bestimmungen hierüber sowie über Wahl und Geschäfts⸗ ordnung der Verbände trifft die Landesgesetzgebung. b

Das Recht auf ausschließlichen Betrieb von Wirtschaftszweigen oder die Uebernahme einzelner Unternehmungen nach § 2 wird auf Antrag der Stadt oder Gemeinde bezw. des Verbandes von der Landeszentralbehörbe erteilt und kann nur verweigert werden, wenn wesentliche gemeinwirtschaftliche Interessen dadurch achte werden. Die Entscheidung der Landeszentralbehörde kann in einem Beschlußverfahren angefochten werden. Näheres hierüber bestimmt die Landesgesetzgebung.

§ 5.

Gemeinden und Gemeindeverbände erhalten zur Durchführung von Beschlüssen, welche den ausschließlichen Betrieb Pller oder ein⸗ zelner Unternehmungen eines Wirtschaftszweiges bezwecken, auf ihrem Gebiet das Recht der Enteignung gegen Entschädigung. Bis zum Erlaß eines Reichsenteignungsgesetzes zum Zwecke der Sozialisierung sollen beim Enteignungsverfahren folgende Grundsätze zur Anwendung kommen:

1) Die Enteignung ersolgt nach dem gemeinen Wert; die durch die besonderen Verhältnisse der Kriegswirtschaft (z. B. Wohnungsmangel) bedingte Wertsteigerung bleibt hierbei außer Betracht.

2) Bei der Festsetzung der günt edigur geeresu ist der Geld⸗

wert von Vorteilen, die dem Enteigneten bei der Ent⸗ eignung erwachsen, auf die Entschädigungssumme auf⸗

dzurechnen. 1

Die Anwendung dieser Bestimmungen wird durch das Bestehen von Verträgen zlschen Gemeinden und Unternehmungen, bezüglich Uebernahme letzterer nicht berührt. Das Recht zur Enteignung er⸗ streckt sich auch auf solche Sachen, welche nicht Bestandteile oder Zubehör eines Grundstücks, jedoch zum Betrieb unentbebrlich sind.

Die während des Krieges ergangenen Bestimmungen zur öffent⸗ lichen Bewirtschaftung der Lebensmittel werden durch dieses Gesetz nicht berührt. 8

§ 7. Die erforderlichen Sefheausehrungecdesege sollen spätestens bis Die andesgesetzgebung kann bestimmen, ob und in welcher Form ein nach diesem Gesetz den Ge⸗ meinden oder Gemeindeverbänden zustehendes ausschließliches Recht vom Bundesstaat selbst ausgeübt werden soll.

In der dem Entwurf beigegebenen Begründung wird ausgeführt:

Schon in ihrem Arbeitsplan hat die So⸗ jalisierungskommission zum Ausdruck gebracht, daß sie unter Sozialisierung nicht Ver⸗ staatlichung, überhaupt nicht eine bestimmte Form veisteht, in welche der privat⸗kapitalistische Betrieb uͤbergeführt werden muß. Die Methode der Sozialisierung wird sich nach der Eigenart des Gewerbezweiges und nach der Marktlage richten müssen, in welche er eingestellt ist. Die bisherige reiche Entwicklung der kommu⸗ nalen Betriebe zeigt bereits, daß ein großes Bedürfnis nach Soziali⸗ sierung auf kommunaler Basis gegeben ist. Diesem Bedürfnis stellten sich bisher erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Die Sozialisierung durch die Gemeinde kann nur dann wirksam erfolgen, wenn die Gemeinde das Monopolrecht auszuüben in der Lage ist. Ein solches hat aber bisher, selbst wo überwiegende öffentliche Interessen dafür sprachen, nicht bestanden. So haben z. B. die Kommunen in Preußen sich vielfach des Wegerechts bedienen müssen, um die Verkehrsmittel und die Versorgung mit Wasser, Licht und Kraft in die Hand zu bekommen. Wo solche juristischen Notbehelfe nicht gegeben waren, müßte sich also der kommunale Betrieb der Konkurrenz privater Unternehmungen aussetzen. Das bedeutet nicht bloß Verschwendung von Kräften, sondern oft eine Belastung der Gemeindefinanzen, da sich der private Betrieb in der Regel auf die Versorgung der wohlbabenderen Schichten einstellle. In den letzten Jahren hat die Kriegswirtschaft die Bedeutung der Kommunen und Kommunalverbände für die Nahrungsmittelversorgung außerordentlich gesteigert. Heute gilt es, alle diese Ansätze auszugestalten, die Hem· mungen, welche der Ausbreitung der Kommunalisierung im Wege steben, zu beseitigen und die gesetzlichen Voraussetzungen für eine zeit⸗ gemäße, systematische den beutigen politischen und ökonomischen Ver⸗ hältnissen entsprechende Betätigung der Gemeinden auf wirtschaft⸗ lichem Geb ete zu schaffen.

Städte⸗ und Gemeindeordnungen zu erlassen und abzuändern, ist gegenwärtig Sache der Gliedstaaten. Daher beantragt die Kommission, in einem eaeat henge et die einzelnen Gliedstaaten zur Aunahme solcher Bestimmungen zu verpflichten, welche die Kommunalisierung in jeder Form ermöglichen bezw. erleichtern.

Die Sozialisierung eines Wirtschaftszweiges auf kommunaler Grundlage kann nur dann mit Erfolg durchgeführt werden, wenn die Gemeinde bezw. der ööö“ für das betreffende Gebiet

as ausschließliche Re⸗

benachteiligt

4089, % ha zum Preise vpon 4666 509 ℳ,

des Betriebes von Unternehmungen für

diesen Wirtschaftszweig erbält. Der Entwurf schlägt reshalb vor, der Gemeinde bezw. dem Gemeindeverbante dieses Recht. für solche Wirtschaftszweige unbedingt zu geben, deren Betrieb auch schon heute in zahlreichen Kommunen ein ausschließlich oder 1 kommunaler ist. Es soll also für die ½1 § 1 genannten irt⸗ schaftszweige die Gemeinde bezw. der Gemeindeverband das Recht erhalten, auf ihrem Gebiet die Sozialisierung durchzuführen. Dierbei soll die Genehmigung irgendeiner übergeordneten Verwaltungsstelle nicht notwendig sein. Das entspricht dem Grundsatz der Autonomie, der nach dem Wunsch der Kommunalpolitiker für diejenigen Wirt⸗ schaftszweige restlos durchgeführt werden soll, deren zweckmäßig: Gestaltung gemeinwirtschaftliches Interesse ist. Dabei soll jeweils das Recht des Kommunalverbandes dem der Stadt oder Gemeinde vor⸗

ehen. üne

8 Das Recht der Gemeinden bezw. Gemeindeverhände nach § 1 soll gam allgemein gewährt werden. Es soll daber den Gemeinden bezw. Gemeindeverbänden überlassen bleiben, ob sie es auch gegenüber solchen Unternehmungen anwenden wollen, die von ihnen konzessioniert wurden, und deren Vertragsdauer noch nicht abgelaufen ist. Es wäre ungerechtfertigt, wenn die Befugnisse der Gemeinden nach § 1 vor diesen Verträgen Halt machen müßten. Das hieße, die⸗ jenigen Unternehmungen, welche schon bisber aus einem Rechte der Gemeinde Vorteile geiogen haben, gegenüber solchen Unter⸗ nehmungen begünstigen, welche dem freien Konkurrenzkampfe ausgesetzt waren. Für die Sozialisierung selbst ist nach § 1 keine besondere Form vorgesehen. Es bleibt der Gemeinde anheimgestellt, ob sie die Unter⸗ nehmungen im eigenen Betrieb führen oder durch andere betreiben lassen will. Nach wie vor soll also Konzessionierung an private Unternehmungen möglich sein. Ebenso kann die Kommune durch be⸗ sondere Organe z. B. gemeinnützige Baugenossenschaften, Konsumenten⸗ organisationen, die Kommnnalisierung durchführen⸗ Namentlich im Fanl⸗ von Ziffer 3 wird sich das vielfach emyfeblen. Hierbei ist allerdings eine Abänderung des Genossenschaftsgesetzes notwendig, das heute noch die Warenabgabe an Nichtmitglieder ausschliißt..

Im einzelnen sei noch zu § 1 bemerkt: Bei Ziffer 3 ist im wesentlichen an die Weiterfabrung der Aufgaben gedacht, welche die Kommunen während des Krieges übernehmen mußten. Wenngleich die Rationierung, welche der Gemeinde eine monopolartige Stellung gab, wegfallen wird, so wäre doch das Bedürfais nach einer kom⸗ munalen Regelung der Nahrungsmittelversorgung in vielen Fällen egeben, z. 8. auf dem Gebiete der Milch⸗ und Brotversoraung. För Durchführung dieser Aufgaben werden sich je nach der Sachlage die Gemeinden der Konsumentenorgantsationen bedienen können.

Die Herstellung von Kleinwohnungen nach Ziffer 4 haben die Gemeinden bisher lediglich fördern konnen, insbesondere durch Unterstützung der gemeinnützigen Baugenossenschaften. Diese Förderung wird auch in Zukunft die Regel sein. Die Gemeinden ollen aber durch die Bestimmung die Möglichkeit erhalten, die Her⸗ sfehnng von Kleinwohnungen durch Enteignung von Bauland und Uebernahme von baugewerblichen Betrieben selbst in die Hand zu nehmen.

Ziffer 5 8 entspricht den Bedürfnissen und Wünschen zahlreicher Gemeinden. Das Bestattungswesen wird vielfach schon jetzz kommu⸗ nal betrieben, um eine Belastung der minderbemittelten Volkskreise zu vermeiden. Umsomehr ist monopolistischer Betrieb angezeigt, weil nur so die Einbeziehung der materiell ertragreichen Unternehmungen möglich wird. 8 F

Nach § 2 soll das Recht auf ausschließlichen Gewerbebetrieh den Gemeinden ganz allgemein für solche Wirtschaftszweige verliehen werden, die vorwiegend für lokale Zwecke arbeiten. Es soll danach die Gemeinde also nicht die Möglichkeit haben, Unternehmungen zu enteignen, welche der Gemeinde gegenüber Exportunternehmungen sind, wie z. B. Spinnereien, Eisenwerke, Möbelfabriken usw. Die Ausübung des Rechts nach § 2 wird an die Gegfehmihung der Landes⸗ zentralbehörde geknüpft, um ein einheitliches Vorgehen zu erzielen und zu weit gehende Beschlüsse der Gemeinden rsesgigpgern welche ihre Kräfte übersteigen oder eine Störung des irtschaftslebens be⸗ deuten könnten.

Besonders wichtig für die Ausdehnung des keommunglen Be⸗ triebes ist die Schaffung von Gemeindeverbänden, deren Bildung auch nach dem bisherigen Rechtszustande möglich war. Doch konnten diese Verhände nur mit Zustimmung ahler Beteiligten zustande kommen⸗ Infolgedessen war ein gemeinsames Vorgehen, namentlich im In⸗ dustriegebiet, oft schwer zu erzielen, da häufig wichꝛige kommunale Unternehmungen durch passiven Widerstand der Landgemeinden be⸗ hindert oder finanzielle schwer belastet wurden. Daher soll die Bildung von Verbänden auch gegen den Willen beteiligter Ge⸗ meinden angeordnet werden können. Die Einzelheiten des Verfabrens in diesen oft sehr schwer zu tegelnden Fällen und die Verfassung der Gemeindeverbände soll der Landesgesetzgebung vorbebalten bleiben. Die Kommission war sich darin einig, daß die eigenartigen Verbält⸗ nisse des Groß Berliner Bezirks ein Sondergesetz für roß Berlin notwendig machen. 8 8

Die den Gemeinden und Gemeindeberbänden bier gegebenen Be⸗ fugnisse sind nur wirksam, wenn das Enteignungsrecht grundlegende Veränderungen erfährt. Wünschenswert wäre es, daß die Grundsätze für die Enteignung zu Zwecken der Sozialisierung einheitlich durch Reichsgesetz festgestellt wuͤrden. Solange ein solches nicht geschaffen ist, muß die Landesgesetzgebung wenigstens die schwersten Uebelstände der heutigen Rechtslage korrigieren. Deshalb wird vorgeschlagen, daß die Enteignung nach dem gemeinen Wert, also dem normalen Verkehrswert, nicht nach dem vollen Wert, erfolgen soll, der gegenwärtig zu vergüten ist. Unter diesem vollen Wert wird von den Gerichten der letzte äußerste Spekulationswert verstanden, der sämtliche Zukunftschancen in sich schließt.

Da 8 1 auch auf konzessionierte Unternehmungen Anwendung finden soll, deren Vertrag noch nicht abgelaufen ist, so müssen im Fall der Enteignung vor Ablauf der Vertragsfrist auch die al. gemeinen Entschaͤdigungsgrundsätze zur Anwendung gelangen, Cs bleibt den Kommunen überlassen, vor Ablauf des Vertrages die Unternehmung zu enteigyen und nach den allgemeinen Grundsätzen zu entschädigen, oder die Rechte aus dem Vertrage geltend’ zu machen

8-”

und die der Gemeinde darin auferlegten Pflichten zu erfüllen.

Das Gesetz bietet lediglich einen Rahmen, innerhalb dessen den Eö“ Kommunalverbänden die Möglichkeit zur Soziali⸗ sierung gegeben werden soll. Die Einzelbeiten, insbesondere des Verfahrens, sind durch die Landesgesetzgebung zu regeln. Den Kommunen muß es dann überlassen werden, wie weit sie innerhalb dieses Rahmens gehen wollen. Wegen des großen finanziellen Risikos, das bei gewagter Sozialisierung gegeben ist, sind übderstürzte Experimente nicht zu befürchten. Inwieweit einzelne Unternehmungs⸗ weige, die bisher außerhalb des Rahmens kommunaler Tätigkeit ee. sozialisiert werden können, bleibt besonderen Gutachten

Ueber die bei der preußischen Domänenverwaltun’g im Rechnungsjahre 1917, eingetretenen Flächen⸗ bestandsveränderungen 1

ist der preußischen Landesversammlung eine Nach⸗ weisung zur Kenntnisnahme vorgelegt worden, die folgendes ergibt: In 8” gang kamen im Berichtsjahre durch Kauf 183,0k8 ha zum Preise von 303 872 ℳ, hiervon 127,, ha in der Provinz Schleswia⸗ Holstein, für die 206 099 (für 1 hs durchschnittlich 1622 ℳ) ge⸗ zahlt worden sind in den 51,. Pahren 1867 bis 31. März 191 ¾ im ganzen 152 586, 36 ha zum Gesamtyreise von 140 011 248 —, durch Tausch 104, ha, seit 1867 5902,723 ha. Pavon find der Domänenvorwerksfläche im Berichtssahre 285,0,, has, in den 51 Jahren seit 1867 151 895 me ha binzugetreten. In Ab⸗ gang kamen im Rechnungsjahre 1917 durch 112“' wopon 3333,9 9 ha (Verkaufspreis 2 326 711 ℳ, für 1 ha durchschnittlich

ℳ) auf Acrgree Holftein, 445 / bw ha (Peckaufspreis 800 100 ℳ,

g—

Verhalten des Seemannshundes

für 1 ha 1794 ℳ) auf den Regierungsbezirk Oppeln, 105,970 ha (Perkaufspreis 139 150 ℳ, für 1 ha 1313 ℳ) auf den Regierungs⸗

bezirk Hildesbeim, 51,275 ha (Verkaufspreis 107 853 ℳ, für 1 he

2103 ℳ) auf den Regierungsbezirk Aurich entfallen in den 51 Jahren seit 1887 120 497,260 ha zum Gesamtpreise von 208 423 351 —, durch Tausch 96,zu8 ha, seit 1867 2940, „0⸗8 ha, infolge von Ab⸗ lösungen im Berichtsjahre nichts, in den vorausgegangenen 50 Jahren seit 1867 2852/„1 ha. In diesen in Abgang gekommenen lächen waren im Berichtsjahre 545,,,4 ha, seit 1867 65 597,946 ha omänenvorwerksareal enthalten. Im ganzen 51jährigen Zeitraum seit 1867 batte die preußische Domänenberwaltung einen Gesamt; zugang durch Kauf und Tausch in Höhe von 156 489,7 ha und einen Gesamtabgang durch Verkauf, Tausch und Ablösungen in Höhe von 126 290/ s“s ha, mithin einen Mehrzugang von 30 199,0⸗ ha zu verzeichnen. 8 Eine der erwähnten Nachweisung beigegebene Denkschrift über diejenigen Veräußerungen und Erwerbungen von Domänen und Domänengrundstücken, bei denen der Kauspreis im Einzelfalle 100 000 überstieg, berichtet über weitere Aufteilung der Domäne Dahlem und andere bemerkenswerte Veräußerungen. Danach haben von den Baustellen, die im Rechnungsjahre 1917 durch die Kom⸗ mission zur Aufteilung der Domäne Dahlem im Guts⸗ bezirke Berlin⸗Dahlem verkauft worden sind, drei einen Erlös von mehr als 100 000 gebracht (144 000, 147 433 und 136 480 ℳ). Das Perkaufsgeschäft war auch im Berichtsjahre vom 1. Oktober 1917 bis 30. September 1918, und zwar trotz der unsicheren Kriegslage auch in seinen letzten Monaten recht lebhaft. Nicht in gleichem Maße wie im Vorjahre handelte es sich bei den abgeschlossenen Verträgen um Zukäufe seitens der Eigentümer bereits früher veräußerter Baustellen; der Käuferkreis wies vielmehr wieder einen erfreulichen Zuzug von auswärts auf. Die Bautätigkeit mußte allerdings auch im letzten Jahre der rechtlichen und tatsaͤchlichen Beschränkungen wegen fast ganz ruhen. Kriegsgewinne sind offenbar auch im abgelaufenen Jahre nicht ohne belebenden Einfluß auf das Veräußerungsgeschäft gewesen. Nach gewissen Wahrnehmungen will es scheinen, als ob die Kapi⸗ talisten mehr und mehr der Ansicht zuneigten, daß die Anlage ihrer Gelder in Grundbesitz zurzeit die vorteilhafteste und sicherste sei, vorteilhafter und sicherer sogar als beipielsweise die in Kriegs⸗ anleihe. Die Gesamtfläche der im Berichtsjahre verkauften Bau⸗ steulen stellt sich auf 70 921 qm, für die im ganzen 2 386 658 erzielt worden sind. Der Durchschnittserlös für das Geviertmeter beträgt danach 33,85 ℳ. Im Vorjahre betrug die Verkaufsfläche 45 147 am und der Geviertmeter⸗Durchschnitispreis nur 30,02 ℳ. Die Einwohnerzahl Dahlems hat im letzten Jahre naturgemäß nur eine geringe Zunahme erfahren. Sie wird zuzeit wenig mehr als 6000 betragen. Dagegen ist das Einkommensteuersoll gegen das

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Vorjahr wiederum nicht unerheblich gestiegen, nämlich um rund 32 %. Im Regierungsbezirk Oppeln ist die 445,81 ha große, bei Oppeln gelegene Domäne Sezepanowitz mit dem Vorwerk Winau 88 800 000 dem Landkreis Oppeln für Zwecke der inneren olonisatton überlassen worden. Der Grundsteuerreinertrag beträgt 6368 ℳ, und die Jahrespacht belief sich auf 31 900 ℳ. Dem Kreise Tondern im Regierungsbezirk Schleswig sind die säͤmtlichen domänenfiskalischen Binnenländereien und ⸗wasserstücke mit den dazu gehörigen fiskalischen Fischereirechten 3526,20 h2 roß mit einem Grundsteuerreinertrage von 55 377 für die Swege der inneren Kolonisation zum Preise von 2 200 000 frei⸗ händig verkauft worden. Das Pachtaufkommen betrug rund 80 450 jährlich. Im Regierungsbezirk Hildesheim wurden die Restgrundstücke der vor langer Zeit aufgelösten Domäne Osterode a. H. (bis auf 5,1873 ha, die durch Verpachtung weiter genutzt werden) mit den vorhandenen Gehäuden für 134 000 freihändig an die Stadtgemeinde Osterode verkauft, die diesen 105,062 ha um⸗ fassenden Besitz zur Gründung halbbäuerlicher tleiner Ansiedlungen, vorzugsweise für Kriegsbeschädigte, verwenden will. Bei einer 3 ½ %igen Verzinsung ergibt der Kaufpreis eine jährliche Rente von 4467 ℳ, während der für die veräußerten Grundstücke und Gebäude zuletzt gezahlte Jahrespachtzins 3893 und ihr Grundsteuerrein⸗ ertrag nur 1855 betrug.

Von den wenigen Neuerwerbungen des Rechnungsjahres 1917. weist nur eine in Nordschleswig erfolgte einen 100 000 übersteigenden Kaufpreis auf; der 135 ha große Hof Christtansthal im Kreise Hadersleben mit einem Grundsteuerreinertrage von 2130 ℳ, für den 187 0900 gezahlt wurden. Die Pacht beträgt während der ersten 10 Jahre vH des Kaufpreises 7948 ℳ, während der letzten 8 Jahre 4 ½ vH des Kaufpreises = 8415 jährlich.

Das Büro des Reichstags hat ein Handbuch der ver⸗ fassunggebenden Deulschen Nationalversamm⸗ lung Weimar 1919 herausgegeben, das sich in seinem Aufbau an die disde zen Neichstagshandbücher anschließt. (Gedruckt bei Julius Sittenseld in Perun; geb. 10 ℳ, ohne Bilder 3 ℳ.) Das Handbuch ent⸗ hält das Sesel über die vorläufige Reichsgewalt, die Vexrordnung über die Wahlen zur versassun gebenden Deutschen Nationalversammlung und die zu ihr erlassenen Erganzungsverordnungen, die Wahlordnung zur National⸗ versammlung und die Abänderungsverordnung zu dieser, ferner die Geschäftsordnung, Mittetlungen über den Vorstand der Nationalver⸗ sammlung, ein Verzeichnis ihrer Mitglieder nach den einzelnen Frak⸗ tionen, biographische Notizen über die Mitglieder und deren Bildnisse sowie einen Plan des Sitzungssaales. Das sorgfältig gearbeitete Handbuch wird allen, die sich beruflich oder aus persönlichem Interesse mit den Verhandlungen der Nationalversammlung beschäftigen, als zuverlässiges Nachschlagewerk willkommen sein.

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wischen dem Verband der deutschen Reeder und dem Transportarbeiterverband haben im Laufe der letzten Wochen eingehende Verhandlungen über ein neues Tarifabkommen stattgefunden. Wie „Wolffs Telegraphen⸗ büro“ meldet, führten diese Verhandlungen erfreulicherweise zu einem guten Resultat; der Tarifvertrag kam zu Stande. Eine kleine Gruppe radikaler Seeleute, im Deutschen Seemanns⸗ bund organisiert, suchte dies zu stören und trat an die Reeder mit der Forderung heran, die Sätze des Tarif⸗

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vertrags um 100 Prozent zu erhöhen. Würde dieser Forde⸗

ug nicht nachgegeben, so würden die deutschen Schiffe nicht ausfahren. Der Deutsche Seemannsbund suchte die Arbeits⸗

8 willigen von der Anwerbung sernzuhalten, berief in Hamburg

und Bremen öffentliche Versammlungen ein und forderte die Seeleute auf, sich nicht anwerben zu lossen. Dies 8 ves schädigt nicht nur das utsche Volk auf das allerschwerste, es setzt auch die deutschen Seeleute der Gefahr aus, daß sie auf ihren Schiffen nicht verbleiben können, sondern von den Alliierten heruntergenommen werden. Das Verhalten des Deutschen Seemannsbundes kann daher nicht scharf genug ge⸗ randmarkt werden. Einer Blättermeldung zufolge verbreitete der Deutsche Transportarbeiterverband Sektion Seeleute gestern bend ein Flugblatt, in dem er sich gegen den Beschluß der Seeleute, keine Schiffe zu fahren, wendet und betont, die Seeleule trotz alliiterter Flagte unter deutschem RKecht vund deutschem Kommando stehen.

ein soscher Versuch gemacht würde.

esterreich.

Nach einer Meldung des „Wiener Telegraphen⸗Korre⸗ spondenzbüros“ haben die Vertreter der neutralen Staaten in Wten beschlossen, zunächst einzeln die Forde⸗ rungen der neutralen Stoaten vorzubringen, nach bdenen die im neutralen Auslande befindlichen ö stereichisch⸗nngarischen Noten durch ihre Abstempelung an Zahekroft nicht perlieren und jeder der neu ensstandenen Staaten sich durch Haftimg für einen noch zu vereinbarenden Teil dieser Notenmenge bekennt. Der Schritt erfolgte bei dem die Liquidie ung ausführenden Ministerinm des Aeußern, welches die Einigung zwischen den Nationalstoaten herbeizusühren suchen wird. Falls diese nicht zustande käme, würde es der Pariser Konferenz obliegen, eine Entscheidung zu kiessen. Die deutscheösterreichische Regierung präzisierte ihren Standpunkt bereits dahin, daß sie bereit ist, einen bestimmten Bruchteil der im neutralen Auslande befindlichen österreichisch ungarischen Noten zu über⸗ nehmen, sei es durch Umtausch gegen abgestempelte Noten oder durch Bankgutschrift. Die übrigen Nationalstaaten antwortelen auf die bisherigen Anfragen der neutralen Diplomaten ausweichend. Gegenüber dem von den neutralen Diplomaten gegen die Sperrverfügung sür Depots und Ein⸗ lagen im Interesse ihrer Staatsangehörigen bei dem deutsch⸗ österreichischen Staatsamt für Aeußeres erfolgten Einschreiten steht, wie die „Neue Freie Presse“ hört, eine befriedigende Er⸗ ledigung bevor.

(GSGroßbritannien und Irland.

Im Unterhause legte Dubley Ward seitens der Regierung die Vorgänge dar, die zu den Unruhen in Aegypten geführt haben. Laut Meldung des „Wolfsschen Telegrophenbüros“ geht daraus hervor, daß im November letzten Jahres eine Deputation von ägyptischen Nationalisten die vollständige Autonomse Aegypters verlangte. Groß⸗ britannien sollte nur die Kontrelle der ägyptischen Schulden 8. für die britischen Schiffe im Suezkanal erhalten.

Frankreich.

Einer Neutermeldung zufolge erklärte Lord Robert

Cecil in Paris, die britische Delegotion sei der Ansicht, daß der Völkerbundsvertrag in den Präliminarfriedens⸗ vertrag aufgenommen welden mößte, da viele Probleme Ehis te Bezugnahme auf den Völkerbund gelöst werden önnten. Es sei nutzlos, führte Lord Cecil aus, die Endfriedensbedingungen sestzulegen, bevor der Völkerbund in breiten Umrissen feststehe. So setzten z. B. die Prämilirarfriedensbedinzungen das Bestehen des Völkerbundes in der Frage des Schicksals der deutschen Kolcnien voraus. Diese Frage könne man nicht in der Luft hängen lassen, besonders da man schon übereingekommen sei, daß die deutschen Kolonien den Mandatarmächten, die wiederum den Völkferbund zur Voraussetzung hätten, zugewiesen werden sollten. Der Völkerbund sei das Hauptelement bei der Friedensstiftung in der Welt und je eher er in Tätig⸗ keit trete, umso besser sei es. Lord Robert Cecil sagte, er würde sehr besorgt sein, wenn irgend ein Versuch gemacht würde, das Inltätig⸗ keittreten des Völkerbundes zu verschieben; er glaube, daß wohl kaum Er sehe nicht ein, weshalb die Einfügung des Völkerbundes in den Präliminarfrieden irgend eine Verzögerung zur Folge haben sollte. Man müsse zugeben, daß der Entwurf des Bundes unvollständig sei und Zweideutigkeiten enthalten könne, aber er glaube nicht, daß eine weitere Beratung diese Zwei⸗ deutigkeiten beseitigen würde.

Nach amtlicher Mitteilung ist am 13. März unter dem Vorsi tz des englischen Staaissekretärs für Indien, Lord Montagu, die Finanzkommission der Friedenskon⸗ ferenz zusammengetreten, die über alle Finengfrngen. Zahlungen und Staatsschulden⸗Angelegenheiten berichten soll, die im Friedensvertrage erwähnt werden müssen.

Die Kommission für internationale Arbeits⸗ gesetzgebung hörte die Delegierten der wichtigsten alliterten Frauenbünde an, die der „Agence Havas“ zufolge die bereits bekannten Ansprüche vorbrochten und der Kommission den Wunsch übermittelten, daß in jedem Lande ein Arbeitsausschuß gebildet würde, der sich ausschließlich aus Frauen zusammen⸗ setzen solle. Diesem sollten alle Gesetzesoorlagen über Frauen vorgelegt werden. Die Delegierten forderten, daß die vor⸗ gebrachten Wünsche nicht nur im Völkerbundsstatut, sondern auch im Friedensvertrag aufgenommen würden.

Rußland. Die „Agence Havas“ meldet über die Truppenkonzen⸗ trierung der Bolschewisten an der Narwafront, daß dort zahlreiche Streitkräfte mit schwerer Artillerie zusammen⸗ gezogen seien. Die Befehlsführung sei in den Händen von Offizieren der ehemaligen russischen Armee, die man zum Dienst für die Sowjetregierung gepreßt habe. Auch Nachrichten von der Murmanküste deuteten auf neue in Vorbereitung befindliche Operationen hin. Wie die „Times“ meldet, räumen die Alliierten Odessa, da die Lage nach der Einnahme Chersons und Niko⸗ lajewsks durch die Bolschewisten kritisch sei.

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Die deutsche Kalikommission ist gestern von Rotter⸗ dam nach Deutschland zurückgereist. Die Abmachung bezüglich der Lieferung deutschen Kalisalzes an England bedarf noch der Bestätigung der deutschen und englischen Regierung

Schweiz. hat sich dem „Journal de Genêve“

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Der Bundesrat Eüfsi mit dem Gesuch des früheren Kaisers von

esterreich befaßt. der in der Schweiz Aufenthalt zu nehmen wünscht. Das Gesuch wird einer wohlwollenden Prüfung unterzogen, nachdem Balfour habe wissen lassen, daß Entente gegen den Plan des Kaisers nichts einzuwenden ab Nach einer Meldung der „Schweizerischen Depeschen⸗ Agentur“ hat die vom Präsidenten Wilson geleitete Völker⸗ bundskommission der Pariser Konferenz die Neutralen auf⸗ gefordert, Anträge auf Abänderung des Vorentwurfs für eine Völkerbundsverfassung bekanntzugeben. Darauf⸗ ihn hat die internationale Völkerbundskonferenz in Bern ein Telegromm vach Paris gesandt, in dem sie den großen Fortschritt des Pariser Vorentwurfs gegenüber dem früheren Zu⸗ sande einer Polrtik zwischenstaatlicher Anarchie anerkennt. Die mnternationale Völkerbundskonferenz ist von der Notwendigkeit

überzeugt, daß die Verfassung des Völkerbundes nach dem

demokratischen Geist der Zeit ausgestaltet werden muß und daß der Völkerhund die zwischenstaatlichen Streitigkeiten ohne Aus⸗

nahme nach allgemeinen Grundsätzen der Gerechtigkeit und Bihligkeit ohne gewaltsame Selbsthilfe austragen muß. Die Völkerbundskonferenz hält solgende Aenderungen des Pariser Vorentwurfs im Interesse eines dauernden Weltfriedens für augebracht:

Zu Artikel 1 und 2: Stakt der porgeschlagenen Delegierten⸗ versammlung soll ein aus duekten Volksnablen hervorgegangenes Völkerparlament geschafftn werden. Diesem Völkerngrlament soll die olleinige gesetgebende Gewalt zustehen. Jeter Stuaat soll einen Kreis bilden und nach dem Proportionalsyftem auf je eine Million Wahlberechtigter einen Abgeoreneten zum Völkerpazlament wählen. Wahlberechtigt sind alle üͤber 20 Jahre alten, des Lesens und Schreibens kundigen Personen beiderlei Geschlechts. Das Völker⸗ parlament soll eine möglichst rasche Entwicklung des Völkerbundes in die Hand nehmen.

Zu Artikel 7: Der Völkerbund soll alle Staaten umfassen, die das Selbstbestimmungsrecht haben und welche die zur Ausführung der Bestimmungen des Völkerbundes hinreichenden organisatvrischen Einrichtungen aufweisen. Sofern über die Erfüllung dieser Vvraus⸗ setzungen keine allseitige Uebereinstimmung besteht, soll der Exekutiv⸗ rat auf Grund des Gutachtens des internationalen Gerichtshofes über die Aufnahme einer Pation entscheiden. Dem jüdischen Volk kommt das Recht zum Beitritt zum Völkerbund grundsätzlich zu. Heiligen Stuhl möge eine Stellung im Völkerbund eingeräumt

n. 3u Artikel 11 und 15: Ein internationales Gericht und ein internationaler Vermittlungsrat sollen geschaffen werden. Unter der Voraussetzung der Unparteilichkeit und der Autorität dieser inter⸗ nationalen Organe seien die Staaten verpflichtet, sich deren Ent⸗ scheidungen und Verfügungen unter Ausschluß jedes Krieges un⸗ bedingt zu unterwerfen. Der Vermittlungsrat soll nicht aus Ver⸗ tretern bestimmter Staaten zusammengesent sein, sondern aus Persönlichkeiten, die vermöge ihres internationalen Ansehens all⸗ gemeines Vertrauen

Zu Artikel 16: Der Vermittlungsrat soll den Exekutivrat bilden und soll Maßnahmen treffen für den Vollzug der Entscheidungen und Verfügungen der Völkerbundsorgane. Der Vermittlungsrat soll. dem Völkerbundsparlament die Ernennung der Fachministerien vor⸗ schlagen, welche die dem Völkerbund vorbehaltenen Verwaltungs⸗ angeiegenheiten erledigen und dem Völterparlament für die Aus⸗ führung dieser Aufgabe verantwortlich sind.

Zu Artikel 18: Ein alle Staaten umfassender Völkerbund soll vollkommene Abrüstung zu Lande und zur See und vellständige Ab⸗ schaffung der militärischen Dienstpflicht verbürgen. In jedem Lande sollen nur noch die zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung un⸗ bedingt notwendigen Truppen auf Grund der Freiwilligen⸗Werbung unterhalten werden, während dem Völkerbund zum Einschreiten gegen Friedensbruch und Rechtsverletzungen im äußersten Falle eine inter⸗ nationale Landmacht zur Verfügung gestellt wird. Die Rüstungs⸗ industrie ist zu verstaatlichen und durch Organe des Völkerbundes zu überwachen.

Zu Artikel 19: Die Verwaltung aller Kolonien, die keine Selbst⸗ verwaltung genießen, soll unter gleichartige internationale Ueber⸗ wachung 2 ein besonderes Amt des Völkerbundes gestellt werden.

Zu Artikel 20: Die Staaten sollen sich verpflichten, eine inter nationale Gesetzgebung für den Arbeiterschutz zu schaffen.

Zu Artitel 21: Der Freihandel soll allgemein durchgeführt werden. Zu Artikel 26: Für Verfassungsänderungen wird eine Drei⸗ viertelmehrheit des Völkerparlaments gefordert. Schließlich soll die Völkerbundsverfassung auch Maßnahmen treffen im Interesse des Selbstbestimmungsrechts der Völker zum Schutz der Minderheits⸗ rechre. Die Regelung aller Gebietsfragen soll auf Grund voll⸗ kommen freier Selbstbestimmung erfolgen. Die nationalen Minder⸗ heiten in jedem Staate berürfen eines eingehenden internationalen Schutzes. Auch sind Maßnahmen gegen nationale Boykotis zu

treffen. Türkei.

Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, haben die Eng länder nach Konstantinopeler Nachrichten die gesamte Direktion der Anatolischen Bahngesellschaft abge⸗ setzt und das deussche sowie einen Teil des deutsch⸗schweizerischen Personals dieses Privatunternehmens entlassen. Die Auszahlung der von der Generaldirektion den ausgewiesenen Beamten ausgesetzten Reisegelder wurde verhindert und die gesamten Kassenbestände beschlagnahmt. Nicht nur die Bahn⸗ linien, sondern auch die Geschäftsräume, Bücher, Akten und Skripturen der Gesellschaft sind von englischen Militär⸗ kommissaren der Verfügung der Gesellschaff gewallsam entzgogen

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Afrika.

Nach eutermeldung hat sich die Lage in Aegypten gebessert. Wie das genannte Büro weiter er⸗ fährt, wünsche die englische Regierung, in London mit ägyptischen Vertretern zu beraten, die mit Ge⸗ nehrmngung des Sultans und des Ministerrats kommen. Die britische Regierung stehe 88 dem Standpunkt, daß die Nationalisten nicht berechtigt seien, im Namen Negyptens zu sprechen, da nur sie selbst sich die Berechtigung dazu geben, und ihr Zeel sei, die Engländer aus Aegypten zu ve

drängen. Die britische Regierung werde jede aus gemäßigten Aegyptern zusammengesetzte Abordnung, die den aufrichtigen Wunsch habe, über konstitutionelle Aenderungen für Aegypten und die künftigen Beziehungen zwischen Aegypten und den Schutzmächten zu beraten, willkommen heißen.

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8 Handel und Gewerbe.

8 In der in der gestrigen Nummer des „R.⸗ u. St.⸗A.“ (I. Beil.) 1 veröffentlichten Wochenübersicht der Reichsbank muß der Gold⸗ bestand richtig 2 244 324 000 (statt 2 244 324 ℳ) heißen.

Der Aufsichtsrat der Privatbank in Gotha beschloß der am 28. d. M. startfindenden Generalversammlung die Verteilung von 6 ½ vH für die Aktie für das Jahr 1918 vorzuschlagen.

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Berichte von auswärtigen Wertpapiermärkten.

Wien, 19. März. (W. T. B.) Wegen der Unklarheit hin sichtlich der Gestaltung der politischen und wirtschaftlichen Verhält nisse bewirkten an der heutigen Wörse pekulative Abgaben ir Verbindung mit Verkaufsaufträgen der Kapitalistenwelt eine allge meine, ziemlich scharfe Rückwärtsbewegung der Kurse. In der Kulisse setzten die Popiere zumelst zwar noch höher, wie Alpineaktien, mit einer Steigerung von 25 Kronen ein, gingen aber später zum größten Teile unter den gestrigen Stand zurück. Auch im Schranken blieben vorwiegend wesentlich tiefere Kurse in Geltung. Auf dem Anlage⸗ markte bewahrten Notenrenten ihre feste Haltung.

Wien, 19. März. (W. T. B.) örsenschlushuase.) Türkische Lose 430,75, Orientbahn 1750,00, Staaisbahn 992,00, Südbahn 164,5, Oesterreichischer Kredit 645b,00, Ungarischer Kredit 862,00,

Anglobank 429,90, Unionbank 578,00, Bankverein 464,50, Länder⸗

bank 4534,00, Tabakaktien 1180,00, Alpine Montan 844,00, Prager Eisen 2520,00, Rima Muranver 905,00, Skodawerke 758,00, Hhde Waffen

Kohlen —, —, ö“ Kohlen —,—, Galizta 1500,00, —,—, Lloyd⸗Aktien 3030,00, Poldfhütte 1050,00, Daimser 678,00