1919 / 73 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Mar 1919 18:00:01 GMT) scan diff

arbeik aller Staatsbürger eine Selbstverständlichkeit, und die Diktatur einer Minderheit muß abgelehnt werden und wird auch abgelehnt werden. (Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Wir sind keine Minderheit!) Sie sind keine Minderheit? Sie können nicht bestreiten, daß Sie eine Minderheit sind. (Widerspruch bei den Un⸗ abhängigen Sozialdemokraten.) Was wollen Sie denn eigentlich mit ihrer Behauptung, daß Sie keine Minderheit wären? Sie haben weder in der Arbeiterschaft eine Mehrheit, noch viel weniger haben Sie in der anderen Bevölkerung eine Mehrheit. (Sehr richtig!) Aber wenn Sie so sicher sind, daß Sie die Mehrheit haben, so trennt uns ja von den Neuwahlen voraussichtlich nur ein ganz kurzer Zeitraum, und dann wird sich das ja zeigen; dann werden Sie ja zu Ihrem Recht kommen. Aber aaus dieser Ungeduld, daß Sie noch nicht zur Fest⸗ stellung Ihrer angeblichen Mehrheit gekommen sind, nun so weit⸗ gebende Behauptungen zu entnehmen, wie sie Herr Abgeordneter Dr. Rosenfeld in Ihrem Namen ausgesprochen hat, das ist denn doch nichts anders als ein Beweis für Ihre politische Ueberheblichkeit. (Sehr gut! Lachen bei den Unabhängigen Sozoldemokralen.) Die preußische Republik ist kein Klassenstaat. Sie hat das freieste Wahl⸗ recht mit der Republik Deutschland zusammen, das freieste Wahlrecht, das es überhaupt in der Welt gibt. Es steht dem nichts im Wege, daß die Herren und Damen der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei. für ihre Ideen im Lande die regste Propaganda entfalten und die Mehrheit des Volkes auf ihren Standpunkt vereinigen. (Zurufe bei den Unabhängigen Sceialdemokraten.) In dem Maße, wie ihnen das gelingt, wird ja Ihren Schmerzen Abhilfe geschaffen. Ich wage nur zu bezweifeln, daß die, in deren Namen Sie jetzt sprechen, mit dem, was dann dabei herauskommt, zufrieden sein würden. (Sehr richtig!) Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Di ikti des Klassenstaates hat 88 d.I.e Föbpeelur⸗ beim Etat hetrieben. Daß Sie uns das jetzt 25 zeigt nur, wie weit Sie sich von Ihrem früheren Standpunkt enlfernt haben. (Lachen bei den Sozialdemokraten. Zuruf: Inzwischen war die Re⸗ volution!) Damit hat der Vorredner Recht. Wir erstreben allerdings die Macht für die Arbeiter. (Bunf: Arbeiter Rosenfeld! Heiterkeit.) Nicht für eine Minderheit wollen wir die Herrschaft, sondern für das esamte Proletariat. (Zuruf: Die Mehrheit des Proletariats will ie Demokratie!) Wenn Dr. Südekum uns freieste Agitation zu⸗

sichert, so erwarte ich, daß er für sofortige Aufhebung des Belagerungs⸗ ustandes eintreten wird. (Bravol bei den Unabhängigen Sozial⸗

emokraten.)

Finanzminister Dr. Südekum: Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Rosenfeld glaubte, weil ich getadelt hatte, daß er die preußische Republik für einen Klassenstaat erklärte, daß er apodiktische Urteile in letzter Instanz abgegeben habe über den Cha⸗ rakter dieses Staatswesens, darauf hinweisen zu müssen, daß früher die sozialdemokratischen Parteien im Reichstag und Landtag wieder⸗ holt solche Urteile abgegeben haben. Das stimmt! Aber ich brauche dem Herrn Abgeordneten Dr. Rosenfeld nicht erst durch eingeschrie⸗ benen Brief darauf aufmerksam zu machen, daß zwischen jenen Tagen und heute die Revolution liegt. (Zuruf von den Unabhängigen So⸗ zialdemokraten: Was hat die Revolution gebracht?) Sie hat die vollendete Demokratie in diesem Lande gebracht, und weil sie diese gebracht hat, ist es nur eine Voreingenommenheit, ein schematisches Denken, unsere Demokratie in dem Vergleich zu dem Früheren jetzt noch einen Klassenstaat zu nennen. In dieser Demokratie finden Sie natürlich das ist selbstverständlich heute noch Unterschiede des Vermögens, Unterschiede der Tätigkeiten, Unterschiede, die man früher als Unterschiede des Standes bezeichnete. Gewiß, selbstver⸗ ständlicht Es kann und darin befinden sich ja die Führer der Unab⸗ hängigen Sozialdemokratie in Uebereinstimmung mit allen vernünf⸗ tigen Menschen es kann die Sczialisierung selbst der zum Soziali⸗ sieren bereits reifen Industriegreige die doch letzten Endes nur einer sozialen Ausgleichung dienen soll, nicht überstürzt vorgenommen werden. Ihre eigenen Vertreter haben das immer und immer wiederholt; nur dann, wenn es ihnen mal nicht paßt, dann perleugnen sie die Erkenntnis, die sich in jenen Worten aus⸗ geprägt hat. (Sehr wahr!) Und heute kommen Sie mit dem Schlagwort der Diktatur des Proletariats in engster Konkurrenz mit den doch nicht immer einwandfreien Vertretern der Spartakus⸗ ideen, die man in den Tagen der wilden Erregung an den Straßen⸗ cken Berlins auftauchen sah, um das Volk dort zu bearbeiten. Ich habe schon einmal gestern darauf hingewiesen, daß ich begreife, daß Leute mit strengem Gerechtigkeitsgefühl und starkem wissenschaftlichen Reinlichkeitsgefühl, wie Eduard Bernstein, sagen: so weit auch die Kritik der Unabhängigen Sozialdemokratie an den bestehenden und an den früheren Zuständen berechtigt sein mag, die Form, in der sie sich heute ausprägt, und die Gewissenlosigkeit, mit der die Demagogie betrieben wird, macht es ihnen unmöglich, auf diesem Boden stehen zu bleiben. (Hört, hört!) Das ist der Vorwurf, der Ihnen von allen Seiten mit Recht gemacht werde nkann. Und die Auswirkung Ihrer Demagogie nicht etwa der berechtigten Kritik, die Sie an vielen Zu⸗ ständen und dielen Personen meinetwegen üben und die geübt werden muß, weil ohne Kritik überhaupt kein geordnetes Staatswesen be⸗ stehen kann macht es unmöglich, zurzeit wenigstens, den Be⸗ lagerungszustand aufzuheben, da wir nicht sicher sind, daß nicht im nächsten Augenblick wieder die greulichsten Unruhen und Blutver⸗ gießen entstehen könnten, was durch die Verhängung des Belagerungs⸗ zustandes vermieden werden soll.

Auf die anderen Aeußerungen des Herrn Dr. Rosenfeld, auf seine Versuche, uns klar zu machen, daß er keine Diktatur einer Minderheit verlangt habe, brauche ich gar nicht einzugehen. Es liegt ja ganz offen zu Tage die Slenogramme und die Breichte werden es ja ausweisen —, was er gesagt hat; was er anstrebt, nur um die Konkurrenz mit den Spartakisten aushallen zu können, das ist in der Tat die Diklatur des Proletariats, also einer Minderheit. (Leb⸗ hafter Beifall. Widerspruch bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten.)

Abg. Dr. Rosenfeld (u. Soz.) (mit aroßem Lärm rechts empfangen): Die Fam liengüter der Hohenzollern müssen ein⸗ gezogen werden. (Zurufe rechts⸗ Auch die der Lederhändler!) Wir vertreten rücksichtelovs (Stürmische Zurufe rechts: Den Lederbandel! Große Heiterkeit.)

Finanzminister Dr. Südekum: Meine Damen und Herren! Die allgemeinen Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Rosen⸗ feld geben mir keine Veranlassung zu einer wiederholten Erwiderung. Ich will nur feststellen, daß die Arbeiten zur Feststellung des Ver· mögens des früberen Königs von Preußen und Deutschen Kaisers und seiner Familie soräie zur Abgrenzung dieses Vermögens von solckem Vermögen, das ganz oder teilweise dem Staate gehört oder zufällt, in Angrist genommen sind und sehr ernst gefördert werden,

daß sie aber bei der Kompliziertheit der Materie, die Herrn Abge⸗ ordneten Dr. Rosenfeld nicht unbekannt ist (hört, hört!), außer⸗

können. Sobald der Abschluß vorliegt, wird auch die Landesversamm⸗ lung über diesen Gegenstoand vas Nötige erfahren.

„Abg. Heilmann (Soz.): ist so klar, daß sie auch durch die Verdrehungskünste des Dr. Rosen⸗ feld nicht verwischt werden kann. (Zurufe der Unabhängigen Sozial⸗ demokraten: Wie in der ilmann und Heller!) Zwischen meiner Rede und der Hellers bat sich keine Fraktionssitzung mit der Rätefrage beschäftigt. Unsere beiden Erklärungen beruben auf demselben übereinstimmenden Fraktionsbeschluß. Ich hoffe, daß Ihre Versuche, den klaren Standpunkt der Fraktion zu vervischen. nun aufhören werden. Die Unabhängigen behauplen nun, daß die Errungenschaften der Revolution gefährdet seien, daß der Militaris⸗ mus wieder sein Haupt erhebt. Ich will nur das eine feststellen, daß bereits am 13. Januar Karl Kautsly in der „Freiheit“ fest⸗ e. hat, daß, wenn der Militarismus wieder sein Haupt erbebt, as einzig und allein die Schuld der Gewaltpolitik und der Gewalt⸗ E1e5 S. Fe 8 ihn 8 unterstützen, ist. Damit ist das Urteil über Sie gesprochen. (Stür⸗ mische Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) 8

Die Vorlage wird darauf in dritter Lesung gegen die Un⸗

abhängigen und einige Mitglieder der Rechten angenommen.

Dann setzt das Haus die allgemeine Besprechung der Er⸗ klärungen des Staatsministeriums 15

Aba. Kleinspehn, (U. 12 wendet sich gegen den Abge⸗ ordneten von Kardorff, wirft ihm Provokation vor und bemerkt: Wir lehnen die eeere von Handgranaten im politischen Kampf ab. 5 17- Herrn Minister Heine, wo die Unabhängigen in den letzten Vochen zum Streik aufgerufen haben. Das Gewaltyrinzip der Re⸗ gierung des Herrn Heine bringt uns immer neue Kämpfe. Was uns fehlt, ist das Einfühlen in die Seelen der anderen. Um die wirtschaftliche Umgestaltung wird es noch haxte Kämpfe geben. Wer uns der Mißachtung oder Verachtung der Religion beschusdigt, der bat selbst das Wesen der Religion nicht 8 gsen (Stüůrmischer Widerspruch rechts.) Daß bei Deutschland selbst die Schuld am Kriege zu suchen ist, sellte doch nicht mehr gelcugnet werden, und es hätte dem Ministerpräsidenten Hiisch wohl angestanden, ein rückhalt⸗ loses und aufrichtiges Schuld⸗ und Reuebekenntnis abzulegen. Herr Scheidemann hat vorgestern einen Staatsgerichtsbof angekündigt, vor

den auch Ludendorff gestellt werden soll; aber was soll denn in der

Zwischenzeit geschehen? Sollen da die Schuldigen am Kriege ihr landesverräterisches Treihen unbehelligt fortsetzen? Das Volk muß die Schuldigen, auch die Junker und die Finanzaröͤßen darunter, schnell prozessieren, das ist der einzige Ausweg. Nur Wahrheit, Ge⸗ rechtigkeit und vor allem Bekennermut augh nach außen bin kann uns noch retten. Sozialistesche Politik ist eben nicht nur eine etwas radikale Verbrämung bürgerlicher Politik; wir erstreben wirkliche Volksfreiheit, aber die Rechtssezialdemokraten werden mit ihren Hilfstruppen aus den bürgerlichen Parteien niemals soziale Freiheit für die Massen erreichen.

Hierauf nimmt der Minister des Innern Heine das

Wort, dessen Rede in der nächsten Nummer d. Bl. im Wort⸗ laute wiedergegeben wird.

Abg. Dr. Moldenhauer (Deulsche Volkep.): Der Minister⸗

präsident und seine Kollegen n als ihr 18. Arbeit, Oid⸗ nung und Achtung vor dem setze hingestellt. Auch die Zerrüttung der preußischen Finanzen kann nur beseitigt werden, wenn unser Volk wieder zur Ordnung zurückkehrt und die Arbeit wieder aufnimmt. Aber der Aufruf zur Arbeit findet noch ommer nicht genügenden Widerball. Wir haben es mit einer großen Arbeitsunlust zu tun. Die hat ihren Grund in der physischen Ceschcfung des Volkes durch die lange Dauer des Krieges und durch die ensmittelnot, aber auch in der Arbeitelosigkeit. Unsere Industrie hat in der Umstellung auf eine ihr janz fernliegende Arbeit während des Krieges Glänzendes geleistet, ie wird auch, wenn man ihr die Möglichkeit dasu gibt, der neuen ufgabe gerecht werden, sich auf die Friedensarbeit umzustellen. Das Beispiel Rußlands muß schrecken. Dort kehrt man nach dem Zusammenbruch wieder zur Akkordalbeit zurück. Als wirtschaftliche Institutionen Fönnen die Arbeiterräte wohl etwas leisten. Auf polltzsckem Gebiete würden sie den Untergang bedeuten. Der kleinste Schritt vom Wege ab kann uns da ins Verderben führen. Die Forderung des Finnanzministers an die Arbeitgeber, sich tolschlagen zu lassen in Erfüllung ihrer ven. Funktion geht uns denn doch zu weit. Wo bleihen denn die Spartakistensührer, wenn die Soche schief geht? Wo ist Herr Eichhorn I essn und alle die Helden, die erst die Leute in den Tod hetzten und dann perschwanden. (Sehr richtig! rechts.) Die warmen Worte für den Mittelstand stehen im Widerspruch mit den Plänen, auch die Bäͤcker und Schläckter zu sczialisieren. Be⸗ sonderen Dank veidient die Beamtenschaft.

Ministerpräsident Hirsch: Der Abgeordnete Moldenhauer hat Debatten weiter so breit geführt werden, daß wir bis morgen nicht

die Regierung aufgefordert, sich mit aller Tatkraft dafür einzusetzen, daß ebenso wie das Rheinland auch das Saargebiet nicht Annexions⸗ gelüsten unsrer Feinde zum Opfer fällt. forderung gern nach. In dem Regierungsprogramm heißt es bereits, daß der Wiederaufbau unserer Industrie nicht denkbar ist ohne das Verbleiben der Bodenschätze des Saargebiets und Oberschlesiens im Staatsverbande. Ich könnte mich auf diese wenigen Worte, durch

an der Saar ist es mir als Vertreter der Staatsregierung ein Be⸗ dürfnis, mich noch einmal mit den Angehörigen des Saargebiets in Gedanken zur Klärung, zur Anteilnahme, zur Stärkung und zum Danke zusammenzusinden.

Die Ungeschicklichkeit der französischen Versuche, das Saargebiet

als von der Regierung in den Nöten der Gegenwart vernachlässigt

binzustellen, nöligt mir nur wenige Worte ab.

Zur Linderung der geldlichen Schwierigkeiten, die aus der feind-

lichen Einquartierung erwachsen, ist selbstverständlich schon weit⸗ gehendste Abhilfe versucht worden und wird, weiter, soweit wie irgend angängig ist, gewährt werden. Schwierigkeiten, die sich in der Nahrungsmittelversorgung ergeben haben, werden sicher gerade nicht von denen als unsere Schuld angesehen werden können, die doch selber die Schwierigkeiten im wirtschaftlichen Verkehr mit dem be⸗ setzten Gebiet kennen. Seien Sie überzeugt: je mehr Anstrengungen die Franzosen machen, ihnen eine angebliche Vernachlässigung durch die Regierung vorzuspiegeln, um so mehr haben sie Anlaß, ibre eigene

Tätigkeit zu vertuscken, um so mehr empfinden sie, wie tief das Ver⸗

trauen ist, das das Saargebiet mit uns verbindet. Ich versichere die Bevölkerung an der Saar namens der Stoatsregierung, daß gerade diese Sorge uns ebenso wie die der anderen bedrohten Marken des Staates am meisten am Herzen liegt, eben deshalb weil ihre Sorgen die schwersten sind. Die Saarbevölkerung weiß, was sie an Preußen hatte und was sie an Frankreich haben würde. Das Hüpfen des

Frankkurses vor ihren Augen, der binnen wenigen Tagen von 2,10

auf 1,30 gesunken ist und jetzt so langsam wieder hinaufklettert, daß

wirtschaftliche Boden ist, auf dem der steht, der jetzt doch sogar der Sieger ist. Alle Versuche einer industriellen Verbrüderung sind ver⸗

1X““

V nen En e.— geblich 8 ist diela

wirtschaftlichen Erwäg

Unsere Stellung in dieser Frage

deuts⸗ ee politik, den sie

3 einem Mißverhältnis. man an einen Zwangskurs denken muß, zeigt, wie wenig fest der

ungen: niemals zeigte sich das Nationalgefühl

dort stärker als jetzt, und um so mehr wächst es, je stärker die Unter⸗ ordentlich schwierig sind und noch nicht zum Abschluß haben gelangen drückung wird.

die hier und da von französischer Seite gemacht worden sind, pflegen

Versuche zu einem national unwürdigen Tun, an der Saar Kundgebungen auszulösen, um die uns die Welt be⸗ neidet. Ich kann nur mit Dank sagen: ich freue mich über den Geist an der Saar. (Bravo!) Die Saar und ihre Bevölkerung gehört uns. Um so sicherer werden wer sie in vollem Umfange bei uns behalten, als sie sich zu uns rechnet; umso mehr sie ihre Hoffnung bei uns und wir unsere Pflicht bei ihr seben. In dem Augenblicke eines franzö⸗ sischen Zugriffs, den die Saarbevölkerung, unter welchem Vorwande er auch immer sich näherte, schon von der Schwelle zurückgewiesen hat, würde man sie zu Mußfranzosen machen, tausendfach mehr als je feind⸗ liche Phantasie sie zu Mußpreußen stempeln wollte. Sollte man dennoch einen solchen Zugriff versuchen, so würde das, was man das Unrecht von 1871 genannt hat, ein Nichts sein gegen das Unrecht von 1919. (Sehr richtig!) Und das, was jetzt die Welt aufwühlt, würde ein Nichts sein, gegen das, was kommen würde. (Dravo!)

Abg. Biester EET1111“ Die Deutschnationale Volkspartei in Hannover hat sich, wie ich gegen den Abgeordneten von Kardorff konstatiere, ausdrücklich Sp orderung der Erri tung eines selbstandigen hannoverschen Staates angeschlossen. Die

he Partei wird den Kanpf gegen die Gewalt⸗ litik, eit über 50 Jahren geführt hat, wenn es sein muß, weitersühren, vor allem auch gegen die Nationalliberalen, Deutsche Volkspartei. die Volksmassen in Hannover noch h daß seine Ablehnung einer Volksabstimmung sich nur aus der Furcht vor dem Ausfall derselben erklärt. Preußen darf nicht allein be⸗ stimmen, welches Recht ein jedes seiner Glleder haben soll. Redner polemisiert dann gegen die neulichen Ausführungen des ostfriesischen

9 ü ie jetzige Dem Ministerpräsidenlen erwiderte ich, daß hinter meiner Partei stehen, un

Abgeordneten Stendel und schließt: Die deutsche Zukunft darf nicht aunnover hinmweg.

geschaffen werden über die Leiche des Landes Dann wird ein Schlußantrag angenommen. Abg. Ad. Hoffmann (U. Soz.) erklärt S. der Minister Heine sei noch derselbe schnoddrige Antisemit wie rüher. (Ordnungsruf.)

b I ist die Aussprache über die Erklärung der Regierung erledigt.

Auf der Tagesordnung steht dann der Antrag des Ab⸗

eordneten Dr. Friedberg (Demokrat) auf Hebung der Fandmwirkschaft zur Besserung er Volks⸗ ernährung. Mit diesem Antrag werden steben weitere Anträge in der Pesprechung verbunden. Ein des Ab⸗ geordneten Dessel (Deutschnational) fordert Aufhebung der Zwangswirtschaft für die Landwirt⸗ schaft, Anträge der Akgeordneten Herold (Zentrum) und Held (Teutsche Vollspartei) verlangen die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung. Ein An⸗ trag des Abgeordneten Dr. Abderha den (Demokrat) wünicht die Aufhebung der Zwangsbewirtschaf⸗ tung leicht verderblicher Nahrungsmittel und der Kartoffeln. Ein sozialdemokratischer Antrag beantragt Neuregelung der Verhältnisse der Landarbeiter. Ein Antrag des Abgeordneten Erasen von Kanitz (Deutschnational) empfiehlt die Ein⸗ einer großzügigen inneren Ansied⸗ lung. Auch die Denkschriftüberdie Besiedlung und Oedlandskultur in Preußen steht mit zur Be⸗ v Schließlich empfiehlt ein Antrag des Abgeordneten

r. Friedberg die Einsetzung eines Ausschus⸗ ses von 21 Mitgliedern zur Prüfung der Er⸗ nährungsfrage.

Abg. Busch (Zentr.) warnt vor uferlosen Debatten, wie sie auch hier wieder in Aussicht stehen. (Zustimmung.) Die Landwirt⸗ schaft will keine Worte, sondern Taten haben. (Zustimmung.) Am richtigsten wäre es, alle Anträge ohne Aussprache an den Ausschuß zu verweisen. (Zustimmung.) .“

Abg. Adolph Hoffmann (U. Soz.) widerspricht. Das sei ein bethlehemilischer Kndermord. Es liegt gar kein Grund vor, morgen schon in die Ferien zu gehen.

Präsident Leinerk: Jeder Redner muß das Recht baben. seinen Antrag begründen zu Tönnen. Ich bitte die Mitglieder aber

dringend, sich möglichst kurz zu fassen. Ich will morgen vorschlagen,

denen keine Wortmeldungen vorliegen, dem

daß alle Anträge, zu 3 88 Es besteht die Gefahr, wenn die

Ausschuß überwiesen werden.

einmal die Antragsteller hören können. 8 . Abg. Dr. Abderhalden (Dem,.) begründet die demokratischen

9 Anträge: Ungefähr 800 000 Menschen sind infolge der schlechten Er⸗ Ich komme dieser Auf. nährung in den letzten Jahren in 88

eutschland Im letzten halben Jahre hat eine kolossale Kindersterblichkeit eingesetzt. Die Entente ist seit November durch das Rote Kreuz genau über unsere Ernährungslage unterrichtet. Man sollte den Arbeiteen jetzt nicht immer Arbeilsunlust vorwerfen. Durch die schlechte Ernährung

die die Stellungnahme der Regierung gegeben ist, beschränken ehe während der Kriegszeit ist die Arbeitsfähigkeit tatsächlich gesunken,

der Zeit wachsender Bedrängnis durch die französische Propaganda

ebenso wie unter der Rationierung die Moral der Bevölkerung ge⸗ litten hat. Die Landwirtschaft muß mit allen Mitteln gehoben werden; dazu gehört auch das Siedlungswesen. Vor allem müssen

der Landwirtschaft Düngemittel zur Verfügung gestellt werden. Bei

dem jetzigen ausgemergelten Boden ist sonst keine gute Ernte zu er. 8g Ausschuß für Ernährung hätte Er müßte auch für die Verteilung

warten. Der von uns geforderte längst eingesetzt werden müssen.

der neuankommenden Lebensmittel sorigen. Die Quglität dieser

Lebensmittel soll, wie ich erfahren habe, ausgezeichnet sein. Abg. von Kessel (D. Nat.): Mit der Einsetzung eines Aus-⸗

schusses zur Prüfung der Ernährungsfrage sind wir einverstanden. Ucherhaupt koͤnnen wir den Awsführungen des Vorredners im all⸗ gemeinen zustiwmen. Dapegen hat mich die gestrige Rede des Land⸗ wirlschafteeninisters enktäufcht. Er hat auf Grund jedenfalls un⸗ kontrollierker Einzelfälle alloemeine Anariffe gegen die Landwirt⸗ schoft gerick tek. Erbitterung besteht allendinas in den Kreisen der

Landwirte, und es wäre Fflicht des Ministers, den Gründen deser

Erbitterung nackzugeben und sie zu beseitigen. Erbitterung besteht

vor allem über die viclen Verodnungen, über die Revisionen u

Besclagnalmen durch Arbeiterräte. Die Zwangéwirtschaft muß so 1

nell als möꝛlich abaebaut weiden. Die Behauwtuna, daß die vengl;n von uns zum Streik aufgebetzt werden, ist falsch. Zuruf: Roesicke!) Aber die Landarbeiter werden von anderer Seite zum Streik aufaebetzt! (Sehr richtig! rechts.) Wir verlangen, daß ellem die Pretuktion geföwert wird Was hisbher von der Entente an Lebensmitteln zugesagt ist, ist ein drittel Pfund pro Kopf und

Tag. Eine Erköhung der Getreidevreise haben wir nicht verlongt,

um vms nicht dem NVorwurf ouszuseten, doß wir die ameblich so gefüllten Tascken per Acrarier voch weiter füllen wellen Uns liegt nicht daran, die Preise zu erhöhen, 1— höhen, die Produfton m steigern. Auch die Kaxtoffeln sollten aus der Zwangsbewirtschaftung entlassen werden, ihre Freigabe wird keine höheren Preise nach sich zieken. Die Viehpreise, pie der LaLndwirt erhält, stehen zu den Preisen, die er für Zuchtvieh anlegen muß, in Man wird sich dem früheren Preis von 115 wieder näbern wüssen, jetzt werden nur 85 Mark der Landwirtzckae⸗ gezahlt. Dasselbe Mißverhältnis liegt bei den Preisen für Ferkes

(Fortsetzung in der Dritten Beilage.)

e⸗

sondern die Rationen zu er⸗-

27q 2 73. Aꝙ

Gortsetzung aus der Zweiten Beilage.)

und fehte Schweine vor und erklärt die hervorragende Ausbildung dos Schleichhandels gerade auf diesem Gebiet. Eine gewisse Nor⸗ mierung des Ferkelpreises ist notwendig. Die Arbertskraßt und die Arbertsleistuna ist auch bei den ländlichen Arbeitern erbebli L“ auch die Ernährung des ländlichen Arbeiters mu ichergestellt werden. Die ländlichen Arbeiter müssen aber auch abends eine warme Srube vorfinden, also muß die Kohlenliefemung verstärkt werden. Ebenso muß mehr für Beleuchtung auf dem Lunde gesorgt werden. Die Hauptsache nigste Versorgung der Landwirtschaft mit Düngemitteln. Die Hoffrung der Landwiertschaft auf einen Teil des entbehrlich ge⸗ wordenen Heeresgutes ist leider durch die Revolution zerstört worden; wenn aber Autos, Motowflüge, Decken, Woylachs, sonstiges derwendbares Kriegsgerät vorhanden sind so wende man es möglichst schnell zu billigen Preisen der Landwirtschaft zu. Die deulsche Landwirtschaft bat end des Krieges ihre Pflicht getan, sie hätte auch im Kriege, wemn die Ernten nicht so miserabel ge⸗ wesen wären, das gesomte Vaterland versorgen können. Sie wird ihre Pflicht auch in Zukunft wun, wenn man ihr unnötige Härten erspart, und sie wird vielleicht der einnge Schutz sein, um Deutsch⸗ land vor dem Bolschawienms 2 vetten. Lassen Sie die Schlinge los, vie der Landwirlschaft um den Hals gelegt ist (Beifall rechts.) de. Igh . Mit Freuden konstatieren wir, daß das iteresse an der Landwirtschaft in Stadt und Land und auch hier im guse gewachsen 18 . mission und der Venweisung der Denkschrift und des Antrages, be⸗ troffend die innere Kolonisation, an einen besonderen Ausschuß sind wir einverstanden. Der von uns gestellte Antrag schlägt im Inler⸗ esse einer ausreichenden Ernährung des schwer unter der Lebensmittel⸗ not leidenden Volkes zur Förderung der landwirtschaftlichen Güter⸗ erzeugung eine Reihe von Maßnahmen vor. Die Frü steht vor der Tür, die DaggemFe muß vor allem schleunigst ü5 werden. Ohne die notwendige Menge von Stickstoffdüngemitieln ist eine genügende Produktion unmöglich. Wir richten vor allem an die Arbeilerschaft die Aufforderung, nicht durch wilde Streiks die Düngerwroduktion zu stören. Leider Düngemitteln der eichhandel bemerkbar; hier muß die Regierung schärfer nee h5. Der Kartoffelanbau muß mit aller Kraft gefördert werden. Kartoffeln sind außerordentlich rar, und die Befürchtung, daß auf das Saatgut zurückgegriffen werden könnte, besteht. B der bedauerliche Vorgang der letzten Jahre sich auf keinen Fhß wieder⸗ holen. Der Mangel an Brennstoffen hat auch seine nachteilige Wir⸗ kung vahin geuent daß ein Teil des Getreides nicht ausgedroschen werden konnte. Die Milch⸗ und seetwversorgung ist eine desonders chwierige Feeb⸗ 1v der Knappheit unserer Viehbestände. die Viehhandelsverbände haben nicht immer die richtige Sachkenntnis an den Tag gelegt; die Spannung gvischen den Vieh⸗ und den Fleisch⸗ reisen ist zu groß, die kovisa zu doch. (Lebhafse Zustimmung im entrum und rechts. dan soll mehr praktische Landwirte zu Rate zlehen. Auch, eine bessere Verteilung

abgegebenen Frrieten Rheinland zu ie

de ist notwendig, bi⸗ . 85 dem schwe rde ist no ig, bier gilt e onders dem r⸗ 1 Oicfe ie sommen. Die freie für Arbeiter, die auf dem Lande beschaftigt werden, ist ja inzwischen zugestanden worden. Wir müssen wünschen, daß nicht die Eisenbahn⸗ verwaltung der Landwirtschaft ihrerseits Arbeiier entzieht, um sie bei Bahnbauten zu verwenden, das ist ein Pobes Unrecht. Es ist se erste nationale Plicht der Verwaltung, die sämtlichen landwirt⸗ schaftlichen Arbeiter der Landwirtschaft s lassen und zu Bahnbauten und ö sonsti rbeitslose heranzuziehen. Das Zen⸗ trum ist durchaus bereit, dem Landarbeiter zu geben, was er haben fuußß es muß aber auch den besonderen Verhältnissen der Findwirtschaft Rechnung getragen werden. Wir boffen, Fr. rotz der Nengestaltung das schöne öö Verhältnis 8 m Lande im Interesse beider Teile erhalten bleibt. Für den Zuche eücser ist, muß eine Erlei L““ geschaffen werden, die Schulkinder in den Ferien beim Rübenbau verwendet werden können. Gegen den von den Unabhängigen beantragten ngsanbau von Getxreide und Kartoffeln sind wir unbedingt, sol essel können wir der Landwixtschaft nicht anlegen, sie würde denh . Die I chaft soll e, wie bei den Eiern, so auch bei Gemüse und st alsba Sfeltig werg. sie ist vielleicht auch für Heu und Stroh nicht mehr nötig. Die ganze eehn Petrcs nicht eine Frage der Verteilung, sondern der Produktion. (Beifall im Zentrum.) Abg. Held (Deu Volksp.): Die Landwirtschafts ist durch den 89 schwer Dfug ert. Lüh vnas 8 se die bedeu⸗ temdsten Verluste erlitten, wenn die Landwirte für ihre Produkte und ihr Vieh auch gute 8n- bekommen haben. Für den Wieder⸗ aufbau der im 8 heruntergekommenen Betriebe fehlt es aber am nötigsten. Die Regierung sollte besonderen Wert sef die Besse⸗ rung der Arbeiterverhäͤltnisse vr enn alle Jungen auf dem Lande in die landwirtschaftlichen Winterschulen geschickt würden, dann würde es bald überhaupt keine Arbeiter mehr auf dem Lande geben, Gen lauter Inspektoren und Verwalter. sderspruch Wie eine Amahl Vorredner äußert sich der Abg. Held eingehend über die Düngerfrage, die Diser ung, der Landwirtschaft mit ausreichenden Heiz, Brenn⸗ und Leuchtstoffen, die Preise für Er⸗ zeugnisse während der Dauer der Zwangswirt chaft und wendet sich gen die Tätigkeit der Viehhandelsverbände. Bei den Viehabnahmen ür die Fleischversorgung. fordert er rücksichtsvollste Schonung des Zug⸗, Mlilch⸗ und Zuchtviehs. Er beschwert sich, daß ihm niemand zuhört und erörtert den Abbau der Zwangswirtschaft. Die Wieder⸗ einführung des freien Handels fordert er unver üglich für Obst, Ge⸗ müse, Eier, Heu und Stroh. Er glaubt, 8c8 es möglich ist, die deutsche Landwirtschaft vüedhes ihrer früheren Blüte zu b (Beisall bei der Deutschen Volkspartei.) Abg. Schmidt⸗Cöpenick (Soz.) begründet den Antrag he Fess die Verwaltungsbehörden . bei der neuzeitlichen Regelung der Lohn⸗ und Arbeitsverhältnisse land⸗ und fersfwmirtschrit. sicher Arbeiter⸗ und Arbeiterinnen mitzuwirken, den Abschluß von

ringen.

Tarifverträgen zu fördern, auf angen sen. Erhöhung der Löhne hin⸗ a

uwirken, die Verbesserung der darbeiterwohnungsverhältnisse zu

treiben, die Durchführung der vne Landarbeitsordnung vom 24. Januar 1919 zu fördern, auch die Domänenpächter au die Tarif⸗ verträge zu verpflichten und bei Landverpachtungen im Bereiche der Forstverwaltung dieses Land möglichst den ständigen Forstarbeitern als Pachtland zur Eigenbewiktschaftung anzubieten. Man dürfe mit dem ländlichen Arbeiter nicht mehr nach alter Manier Schindluder i Die Großgrundbesitzer seien gegen Fe städtischer rbeiter, weil 19. von ihnen die Infizierung des platten Landes mit dem Bolschewikigeist besorgten; lieber bezögen sie nacht wie vor pol⸗ nische Arbeiter, und da das auf dem geraden nicht mehr ginge, hätten sie auch hier eine Art Schleichhandel etabliert. Diß ländliche Arbeiterschaft habe endlich durch die Revolution das Fechf erhalten, ich zu. organisieren, und der Landarbeitewverband mache sehr gute orlichrite Aber vor allem müsse in die Landratsstuben frische Luft eindringen, wenn die Verhältnisse der Landarbeiter sich wirklich bessern sollen. In Pommern hätten sich die Gutzherren die unglaub⸗ lichsten Willkürakte gegen die Landarbeiter geleistet; die herrschaft⸗ liche Kutsche habe von diesen t werden müssen, ob jemand darin 19 ber; (Unruhe rechts.) Die Hebung der Landarbeiterschaft à ein Haupt

eutschen Reichs aber ist die allerschleu⸗

Mit 8 der Anträge an eine Kom⸗

t sich auch im Verkehr mit heresverwaltung

rrübenbau, der sehr zurück⸗

inks.)

bebel zur Förderung der Produklion⸗ Unmsgliches werde

Dritte ge

Berlin, Sonnabend den 29. Mürz

——

nirgends in dem Antrage verlangt. Auf die „Wohnungen“ der Land⸗ arbeiter treffe vieljach das Wort Wilhelms II. noch zu, daß die

Schweineställe auf den Gütern weit besser beschaffen seien. Die vor⸗

handenen Unterkunftsräume müßten durch paritätisch zusammengesetzte

Ausschüsse untersucht und ihre Mängel üh abgestellt werden. Noch heute würden Arbeitseiten von 13 und 14 Stunden den ländlichen Arbeitern in den Arbeitsverträgen zugemutet. Sehr wesentlich ist die Erleichterung des Demobilmachungsamtes, daß der Umzug für die Arbeiter auf das Land e ist. Mit der Zufuhr ausländischer Arbeiter, für deren Organisierung wir schon sorgen würden, würden wir nur dann einverstanden sein, wenn uns nachgewiesen wird, daß in Deutschland nicht genügend Arbeiter für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen. Mit den Grundsätzen der Regierung über die Siedlungsfrage sind wir einverstanden. (Bravol bei den Sozial⸗ demokvaten. 1 16 Abg. Grof von Kanitz: Unser Antrag beweist, daß wir mit einer großzügigen Sjedlungspolitik einverstanden sind. Der jetzige Landhunger ist wohl nur auf die Lebensmittelnot zurücke uführen. Wenn es erst wieder genug Lebensmittel gibt, werden wohl nicht sehr viele Städter sich ansiedeln wollen. Der Großbetrieb hat im Kriege sehr viel mehr an Körnerfrüchten und Kartoffeln abgeliefert als der Kleinbetrieb. Dem über ist die gewaltige Mehrleistung des Klein⸗ betriebes an Vieh, Gemüse, Obst, Eiern anzuerkennen. Zwergbetriebe 18- für den Osten wegen der dort um zwei Monate kuͤneren Vege⸗

tionsdauer nicht angebracht. Landarbeiter werden wir zweifellos in Deutschland genug haben. In der Moorkultur werden Hundert⸗ tausende von Arbeitern beschäftigt werden können, aber die Hauptsache ist die sofortige Bestellung allen kultiwvierten Landes. In der Frage der Sozialisierung der Landwirtschaft ist die Sorljaldemokratie in einer peinlichen Lage. Sie darf es natürlich den Bauern nicht sagen, daß sie daran denkt, allen Grund und Boden zu vergesellschaften. Im übri ist gerade in der Landwirtschaft die unendliche Geduld des einzelnen Unternehmers die Hauptbedingung des Erfolges. Die beste Sozialisierung ist, daß wir den Arbeiter viel an den Natu⸗ ralien beteiligen. Dadurch wird er bodenständig und verliert das Interesse am Streik während der Ernte. Interessant war mir ein Wort, das der Landwirtschaftsminister in Königsberg gesagt haben dehs ie Sozialisierung der großen Güter habe jett keine besondere Eile, nachdem die politische Macht der Großgrundbesitzer gebrochen sei. Wir sind hier eine Versammlung von Bankerotteuren. Es müssen alle herangezogen werden, um das Unternehmen zu einem guten Ende zu führen. (Bravol rechts.)

Hierauf wird die Fortsetzung der Beratung auf Sonn⸗ abend, 11 Uhr, vertagt (außerdem förmliche Anfragen und Anträge).

Schluß 7 Uhr Abends.

Parlamentarische Nachrichten. 8

Der Deutschen Nationalversammlung ist der nachstehende

Gesetzentwurf zugegangen:

Entwurf eines Kapitalertragstenergesetzes. Die verfassunggebende deutsche Nationalversammlung hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung Staatenansschusses hiermit verkündet wirde:

Steuerpflicht. 5

Von den Erträgen aus Kapitalvermögen wird für das Reich nach den Vorschriften dieses Gesetzes eine Steuer (Kapitalertrag⸗ steuer) erhoben. 1

§ 2. Als Kapitalerträge 1) gelten 1. Dividenden, Zinsen, Ausbeuten und sonstige Gewinne, welche

entfallen auf Aktien, Kuxe, Genußscheine sowie auf Anteile an

Kolonialgesellschaften, an bergbautreibenden Vereinigungen, welche die Rechte einer juristischen Person haben, und an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Stammkapital den Betrag von drei⸗ hunderttausend Mark übersteigt;

2. Zinsen von Anleihen, die in oͤffentlichen Schuldbüchern ein⸗ getragen oder über die ausgegeben sind;

3. Zinsen von Hypotheken, Grundschulden sowie Renten von Rentenschulden.

Bei Tilgungshypotheken und Grundschulden gilt nur derjenige Teil der Zahlung als Kapitalertrag, welcher auf den jeweils no nicht getilgten Kapitalrest als Zinszahlung entfällt;

4. vererbliche Rentenbezüge, sofern nicht die Vererblichkeit auf dreißig Jahre beschränkt oder nach den Umständen zur Zeit der ersten Rentenzahlung anzunehmen ist, daß sie in dieser Zeit ihr Ende erreichen wird;

5. Zinsen aus den nicht unter Nr. 2 und 3 fallenden Parsehen, Fnschlteslich der Bankguthaben, soweit sie nicht nach § 3 be⸗ reit sind.

Ein Darlehen wird auch als vorhanden angenommen, wenn Geld oder sonstige vertretbare Sachen, welche aus einem anderen Grunde geschuldet werden,

schafter vor; 76. Diskontbeträge von Wechseln einschließlich der Schatzwechsel, soweit es sich um Kapitalanlagen handelt;

7. Erträge aus den Nummeru 1 bis 6 entsprechenden aus⸗

ländischen Kapitalsanlagen.

Als Zinsen gelten auch besondere Entgelte oder Vorteile, die,

neben Zinsen oder an Stelle von Zinsen gewährt werden.

Von der Steuer befreit sind ““

die im § 2 Nr. 3, 5 bis 7 bezeichneten Kapitalerträge, welche solchen Unternehmen zufließen, die der Anschaffung und Darleihung von Geld dienen e ee. und Bankiers, Hvpotheken⸗ banken, Schiffspfandbriefbanken, Landschaften, Stadtschaften, Kredit⸗ genossenschaften, Finanzierungsinstitute). Die Befreiung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Unternehmen daneben auch andere Geschäfte betreibt. In diesem Falle beschränkt sich aber die Be⸗ freiung auf den der Anschaffung und Darleihung von Geld dienenden Geschäftszweig.

Die Vegeluns tritt nicht ein, wenn das Unternehmen über⸗ wiegend der Verwaltung und Anlage des eigenen Kapitals der be⸗ teiligten Einzelpersonen dient. b

2. Zinsen, Dividenden und sonstige Ge vinnbeträge der im § 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Art, sofern Gläubiger und Schuldner die gleiche Person ist. Werden Anleihestücke vom Schuldner zurück⸗ erworben, ohne vernichtet zu werden, so gilt die Befreiung noch nicht für die ersten nach dem Rückerwerbe fällig werdenden Zinsen.

§ 4.

8 58 ie trgs⸗ der im 8 Nr. 1 bes. ee.n eh. qes. jegen der Steu der Schuldner eine nsässige Person ist. 8 Sc P

anzeiger un Preußischen Sta

Schuldzinsen oder Werbungskosten oder der Kapitalertragsteuer

1 länger als drei Jahre gestundet ge⸗, wesen sind. Ein Darlehen im Sinne dieses Gesetzes liegt auch bei der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesell⸗

oder zur Aufrechterhaltung des Besitzes

Die Kapitalerträge der im § 2 Nr. 2 bezeichneten Art unzer⸗ liegen der Steuer, wenn der Schuldner eine im Inland ensc sis erson ist, es sei denn, daß der Gläubiger eine im Ausland ansässige erson ist, welche die deutsche Reichsangehörigkeit nicht besitzt und auch nach dem 1. August 1914 nicht besessen hat oder als Auslands⸗ deutscher im Pilane von § 20 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes gegen die Steuerflucht pom 26. Juli 1918 (Reichs⸗Gese bl. S. 951) gilt. Wer die Befteiung von der Steuer beansprucht, hat die Boraus⸗ setzungen hierfür nach näherer Bestimmung (des Staatenausschusses)

gen Kapitalerträge, mit Ausnahme der im Geschäfts⸗ betrieb einer asländischen Niederlassung anfallenden, unterliegen der Steuer, went der Gläubiger (Berechtigte) die Voraussetzungen der persönlichen Steuerpflicht erfüllt. Persönlich steuerpflichtig sind

1. die Angehörigen des Deutschen Reichs, mit Ausnahme derer, die sich seit länger als zwei Jahren dauernd im Ausland aufhalten, ohne einen Wohnsitz in einem deutschen Bundesstaate zu haben. Dir Ausnahme findet keine Anwendung auf Reichs⸗ und Staatsbeamte, die im Ausland ihren dienstlichen Wohnsitz haben. Wahlkonsule gelten nicht als Beamte im Sinne 88. Vorschrift; 2

2. Ausländer, wenn sie im Deutschen Reiche einen Wohnsitz oder in Ermangelang eines Wohnsitzes ihren dauernden Aufenthalt haben;

3. juristische Personen, die im Inland ihren Sitz haben;

4. alle Personen, soweit ihnen Kapitalerträge im Geschäfts⸗ betrieb einer inländischen Niederlassung anfallen.

§ 5. Der Steuer unterliegt der volle Kapitalertrag ohne 8 e

§ 6. Steuerpflichtig ist der Gläͤndiger der Kapitalerträge. Zu seinen Lasten hat der Schuldner der Erträe die Steuer zu entrichten, sofern er eine im Inkand ansässige Person ist.

Eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner dahin, daß dieser die Steuer zu seinen übernimmt, ist nichtig.

§ 8. Die Steuer beträgt zehn vom Hundert des Kapitalertrags. Wenn der Ertrag nicht in Geld besteht, so ist er in Geld nach dem gemeinen Werte umzurechnen. h“

Steuerentrichtung. 8

§ 9. In den Fällen des § 2 Nr. 1 und 2 ist die Steuer innerbalb eines Monats nach der Fälligkeit der Kapitalerträge an die Steuer⸗ stelle zu entrichten. Dies gilt nicht, wenn sich innerhalb dieser Frist ergibt, daß die Kapitalerträge nicht zahlbar werden. 8 Die vom Reiche als Schuldner einbehaltenen Steuerbeträge gelten mit der Einbehaltung als entrichtet.

§ 10.

In den Fällen des § 2 Nr. 3, 4 und 5 wird, unbeschadet der Vorschrift im 11, die Steuer entrichtet, indem der Schuldner mit der Entrichtung der Kapitalerträge dem Gläubiger eine schriftliche Anzeige über die Entrichtung der Kapitalerträge übermittelt und dabei Vordrucke, die vor dem Gebrauch abgestempelt sind, oder Stempel⸗ marken, die auf den Wert der verfallenen Steuer lauten, nach näherer Anordnung des (Staatenausschusses) verwendet.

Bei Kapftalerträgen, für welche ein bestimmter Zeitpent der Entrichtung icht vereinbart ist, gilt, wenn nicht die Entrichtung vorher erfolgt, der 31. Dezember jedes Jahres als Tag der Ent⸗ richtung für die bis dahin eanne n1 geschuldeten Beträge, sofern der Kapitalertzag an diesem Tage für eine Zeit von mindestens drei Monaten geschuldet wird. I

den imn Wege der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen Kaßitalerträge beigetrieben, so hat die Vollstreckungsbehörde mit der Abfühtang der beigetriebenen Kapitalerträge an den Gläubiger die Steuer in der im Abs. 1 bezeichneten Art zu entrichten.

(Der Staatenausschuß) bestimmt, ob und unter welchen Voraus. setzungen die Stener ohne Verwendung von Stempelzeichen entrichtet werden kann.

Die Vorschriften der §§ 107, 108, 116, 117 des Reichsstempel⸗ gesetzes sinden Anwendung. 8 88 8

Wird dem Gläubiger ein steuerbarer Kapitalertrag ohne Ueber⸗ mittlung einer nach § 10 verstempelten Benachrichtigung voll ent⸗ richtet, so has er binnen einem Monat nach der Entrichtung der Steuerstelle von Mitteilung zu machen und zu dieser Mitteilung die Steuer in der im § 10 bezeichneten Art zu entrichten.

Wird dem Gläubiger ein steuervarer Kapitalertrag unter Steuer⸗ abzug, aber oßne Verstempelung eatrichtet, so hat er binnen einem Monat der Steuerstelle davon Mitteilung m machen, sofern nicht vhrhes b 8 Fcchuldner ihm die verstempelte Mitteilung übersendet. 1 1

Wird dem Gläubiger ein nicht steuerbarer Kapitalertrag unter Abzug der Steuer mit einer verstempelten Benachrichtigung ent⸗ richtet, oder ist die Steuer nachweislich sowohl durch den Gläubiger wie den Schuldner entrichtet, so ist dem Gläubiger auf Antrag der zuviel gezahlte Steuerbetrag von der Steuerstelle zu erstatten. Der

882 8

Antrag ist binnen drei Monaten nach dem Zeitpunkt anzubringen, in

welchem der Gläubiger die den Antrag rechtfertigenden Tatsachen kannte oder kennen mußte⸗

§ 12. Der Gläubiger hat die verstempelten Benachrichtigungen drei Jahre lang PFsondert aufzubewahren. 1

§ 13. 1 Soweit nicht die Entrichtung der Steuer durch den Schuldner zu Lasten der Gläubiger zu erfolgen hat, ist von dem Steuerpflichtigen nach näherer Bestimmung des (Staatenausschusses) über die in einem Kalenderjahre bezogenen Kapitalerträge der Steuerstelle eine Er⸗

klärung abzugeben. Steuererstattung. 8

§ 14. Die Steuer wird auf Antrag erstattet 1. den Zeichnern von deutschen Kriegsanleihen, die zur Zeichnung eer Kriegsanleihen Darlehen aufgenommen haben, insoweit, daß nur der Ueberschuß der Kriegs⸗ anleihezinsen über die Schuldzinsen der Steuer noch unterliegt;

2. denjenigen Erwerbsunternehmen, deren Anteilserträge selbst der Steuer unterliegen 2 Nr. 2), sofern sie mindestens jeit Be. ginn des letzten verflossenen Geschäftssahrs ein Fünftel der gesamten Anteile andenz unter § 2 Nr. 2 fallender Unternehmen in Besitz baben, für die guf die Anteile dieser anderen Unternehmen entfallenden

Kapitalerträge. 5 15 Die Emattungsanträge sind nach näherer Bestimmung (des Staatenausschusses) bei der Steuerstelle anzubringen. 1 Gegen die Ablehnung der Erstattungsanträge sind die gleichen Rechtsmittel wie gegen die Steuersestsetzung gegeben.

§ 16. G Bei der Veranlagung einer Einkommensteuer ist der Betrag der entrichteten Fapitalertragsteuer vom Einkommen ab⸗- zuziehen. I16““