1919 / 86 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 14 Apr 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Rübenverarbeitung und Inlandsverkehr mit Zucker

im Februar 1919. gemäß der Bekanntmachung über vorübergehende Zollerleichterungen vom 8. März 1915 (RGBl. S 136 Nr. 176 Anm.)

Der augländische,

nach den für inländischen Zucker geitenden Vorschriften behandelte Zucker ist mit nautischen Ziffern nachgewiesen. Die Mengen sind in den darüber stehenden Ziffern mifenthalten.

Monat Februar

1919

N 1*

ken,

gegen Entrichtung der Zuckersteuer²)

2—BMVBöEö 2

. Zollgebiet!) sind in den freien Verkehr gesetzt worden

steuerfrei

Ver⸗ Rohzucker

1

Verwaltungs⸗ arbeitete jum R ü b en⸗ mengen 111“”

bezirke zur

die Rüben verarbeitet habe

Zahl der Zuckerfabr

zum Steuersatz Steuersatz von 2,—

Brannt⸗ 4,— wein⸗ erzeugung)

ffester Zucker.

Zuckerabläufe [(ohne das 8 Gewicht als Liebes⸗ des Ver⸗ gabe den gällungs⸗ deutschen mittels) Truppen zur Vieh⸗ usw. fütterung gespendet und dergl.

b. vergällt a un⸗ (ohne das Gewicht des ergällt 1— seig⸗ Vergällungs⸗ mittels)

Zucker⸗ abläufe

Ostpreußen Westpreußen . Brandenburg. Pommern .

Posen. . .. Schlesien.. 1I166“ Schleswig⸗Holstein

Hannover

865 1 63

147 674 4 126 879 81 450 647 1 075

42

1BI

80

E 2

Westfalen.. Hessen⸗Nassau

Rheinland . 24 921

1 320 5 594 15 ,212 6 770

90 021 56 172 269 280 104 765 48 997 1 980 4 490 41 597 19 271

2 ¹

10 117 655 50 452

Preußische 750 165

Bayern.. Sachsen. Württemberg Baden etten Mecklenburg Thüringen. Braunschweig Anhalt.. Oldenburg. Labeck. ... Bremen

GPenmnburg .. 1

589 766 6 866 1 50 258 1 2 3 218 13 194 507 1 404 224 25 804 6 698 30 061 1 3 011 136 1 5 5 006

47 756 7 716 66 979 20 115 65 074 15 105 1

1 140 1 372 1 307

44

Deutsches Zollgebiet,

zusammen im Februar 1919 . 756 510

Vom 1. September 1918 bis 28. Februar 1919 .EE66826027;,

Im Februar 1918 . . .. 219 423 6 696 1

28 700

Vom 1. September 1917 bis 28. Februar 1918 1 92 299 388

17223 5 889 269 7 13 397

57.688

105 4 503

893 553 312 108

8 397

11 275 95

1 423 896 393 (59

V 20 159 130

80% 68 861

4 980 250 65 418 .

5732 4211 51 287] 396 8⸗9 9 840 11

1 443 327

¹) Außerdem: Bedarf für deutsche Schiffe: dz Rohzucker, 39 dz Verbrauchszucker. ²) Außerdem: Zuckerhaltige Waren unter Erstattung der Zuckersteuervergütung dz, Gewicht des darin enthaltenen Zuckers dz. ³) Außerdem: 4500 dz auf Grund Requisitionsscheins der französischen Besatzung ohne Steuerentrichtung im Direktivbezirk

Dapern abgelassen.

FüiFasch

*) Im Direklivbezirk Hessen⸗Darmstadt unvollständige Angaben über den im Februar 1919 in den Verkehr gesetzten Zucker.

Statistisches Reichsamt. Delbrück.

8 Nichtamtliches.

Deutsche Nationalversammlung in Weimar.

36. Sitzung vom 12. April 1919. (Bericht von „Wolffs Telegraphenbüro“.] Am Ministertische: die Reichsminister Scheidem ann,

Schiffer und Dr. Preuß.

Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung gegen 10 ½ Uhr und schlägt vor, die an letzter Stelle der Tages⸗ ordnung stehende Beratung des Gesetzentwurfs über die Regelung der Kaliwirtschaft sofort zu be⸗

innen, damit der Ausschuß ihn schon am Nachmittag vor⸗ beraten könne. Das Haus ist damit einverstanden.

Abg. Sachse (Soz.): Ueber den Generalstreik im westfälische Kohlengebiet kann ich mitteilen, daß die Regierung mit den vier Bergarbeiterverbänden die siebenstündige Arbeitsschicht einschließlich Ein⸗ und Ausfahrt sofort eingeführt hat und daß zur Prüfung der Frage, ob auch eine sechsstündige Schicht für die Industrie erträglich ist, eine Kommission eingesetzt ist. Hierfür wird eine internationale Regelung eintreten müssen. Bei der gestrigen Revierkonferenz der Vertrauensleute unseres Bergarbeiterverbandes haben 217 Ver⸗ trauensleute für die Wiederaufnahme der Arbeit, 82 dagegen gestimmt und 16 haben sich der Stimme enthalten. Die Arbeit wird also wieder aufgenommen werden. (Beifall.) Selbstverständlich muß die Schichtfrage weiter geprüft werden. Im deutschen Beragbau besteht jetzt die kürzeste Schichtzeit in der ganzen Welt. England wird die siebenstündige Schichtzeit erst am 1. Juli einführen. Das vorliegende Gesetz bringt für den Kalibergbau nicht die vollständige Sozialisierung, aber einen sehr bedeutenden Schritt dazu. Es soll eine alsbaldige Gemeinwirtschaft des Kalibergbaues eingerichtet werden. Ein Reichs⸗ kalirat und ein Sachverständigenrat sind vorgesehen. Die Kali⸗ erzeuger werden zu einer Vertriebsgemeinschaft zusammengeschlossen, an deren Verwaltung auch die Arbeitnehmer beteiligt werden. Wir werden sofort bestimmen müssen, in welcher Anzahl die Arbeiter daran beteiligt werden sollen. Die Ausführungsvorschriften der Regierung sollen der vorherigen Zustimmung des Staatenausschusses und eines Ausschusses der Nationalversammlung von 28 Mitgliedern bedürfen, und die Vorschriften sind der Nationalversammlung alsbald vor⸗ zulegen. Ferner soll die Regierung der Nationalversammlung über die Betriebs⸗ und Lohnverhältnisse des Kalibergbaues alljährlich der Nationalversammlung einen Bericht erstatten. Bisher sind solche Berichte immer zu spät vorgelegt worden, und ich bitte die Regierung, die schon im vorigen Kaligesetz vorgesehene Denkschrift jetzt der Kom⸗ mission mitzuteilen. Die völlige Sozialisierung der Kaliindustrie würde sich leichter durchführen lassen als die irgendeiner anderen Industrie, wenn wir normale Zeiten und Verhältnisse hätten. Aber infolge des Verlustes der Kalibergwerke in Elsaß⸗Lothringen und im

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Hinblick auf die zu erwartende und nicht zu unterschätzende Konkurrenz der Kaliläger in Galizien und Spanien sind die Verhältnisse so un⸗ sicher und so ungeklärt, daß wir gut tun werden, in dieser Frage vor⸗ läufig eine abwartende Stellung einzunehmen und jedenfalls nicht weiter zu gehen, als die Vorlage will. Auch die Tatsache, daß eine sofortige und völlige Sozialisierung bei den Friedensverhandlungen den Zugriff unserer Feinde erleichtern würde, läßt eine gewisse Zurück⸗ haltung geboten erscheinen. Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, auch im Kalibergbau den Siebenstundentag durchzuführen, und zwar ohne Verminderung des Lohnes, werden wir die in der Vorlage vor⸗ geschlagene Preiserhöhung für Kali akzeptieren müssen. Andererseits wird es notwendig sein, der Frage einer Erhöhung der Kaliabgabe näherzutreten, und zwar mit der Maßgabe, daß diese gestaffelt werden kann. Zur Erörterung aller dieser Einzelfragen wird eine Kom⸗ missionsberatung notwendig sein. Ich beantrage, die Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu verweisen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Geheimer Oberregierungsrat Kreßmann: Die Vorlage be⸗ deutet einen tiefen Eingriff in die Verhältnisse der Kaliindustrie, immerhin sind wenigstens Vorschriften, vorgesehen, um das be⸗ . Kalisyndikat, das in ungemein segensreicher Weise den Auf⸗ stieg der Kaliindustrie gefördert hat, in die neuen Verhältnisse über⸗ zuführen. Das ist schon deshalb notwendig, weil es sich hier vor⸗ wiegend um eine Enportindustrie handelt. Das Kalisyndikat ist in der ganzen Welt eingeführt und sichert uns durch seine Be⸗ ziehungen eine weitere gedeihliche Entwicklung des Absatzes im Aus⸗ lande. Das ist umso wichtiger, als wir mit dem Verlust der elsässischen Kaliwerke rechnen müssen. Was das aber bedeutet, beweist e Tatsache, daß nach sachverständigen Berechnungen mit dem In⸗ halt der elsässischen Kaliläger der gesamte Weltbedarf auf 175 Jahre gedeckt werden kann. Wir werden damit rechnen müssen, daß wir in wenigen Jahren etwa ein Viertel unseres Gesamtabsatzes an die elsässischen Werke werden abtreten müssen. Dazu kommen die spanischen Kalivorkommen, die man bisher weit unterschätzt hat. Aus allen diesen Gründen ist es notwendig, die bestehenden wirtschaft⸗ lichen Organisationen im Interesse der Weiterentwichlung unseres Absatzes aufrecht zu erhalten. Auf eine etwaige Neuregelung der Löhne ist bei Festsetzung der Kalipreise Rücksicht genommen. Ueber eine er⸗ höhte Nutzbarmachung der Kalirerke zur Aufbringung finanzieller Mittel für das Reich schweben Erwägungen. Es ist dabei auch eine Staffelung der Abgaben bereits vorgesehen.

Abg. Imbusch (Zentr.): Die Spezialisierung der Kaliindustrie ist notwendig. Ihre Weiterführung muß aber so erfolgen, daß da⸗ durch nicht die Ausfuhr erschwert wird. Der Kalibergbau im Elsaß würde uns eine sehr ernste Konkurrenz bereiten, wenn das Elsaß bei Frankreich bleibt. Schon jetzt verkaufen die Franzosen im links⸗ rheinischen Gebiet elsässisches Kali zu höheren Preisen, als sie das deutsche Kaligesetz zuläßt. (Hört! Hört!) Was gedenset die Re⸗ gierung dagegen zu tun und gegen die Uebergriffe der französischen Be⸗ satzungstruxppe den Saarbergleuten gegenüber? Die in b Vorlage verlangte Erhöhung der Preise ist unbedingt notwendig. Nicht nur infolge der Lohnerböhungen, sondern vor allem wegen der sehr ge⸗

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steigerten Material⸗ und Kohlenpreise. Die Kaliindustrie steht, tumt Teil finanziell vor dem Ruin, wenn nicht bald eine Preis⸗ erhoöhung für Kalt eintritt. Kali kann nur erzeugt werden, wenn Kohlen gefördert werden. Von der Regierung muß dafür gesorgt werden, daß die Arbeiter im Kohlenbergbau, die arbeiten wollen, dazu auch in der Lage sind. Noch vor kurzem war es vielen westfälischen Bergleuten nicht möglich, weil sie ihres Lebens nicht sicher waren. (Hört, hört!) Einzelne Zechen haben arbeitswillige Bergarbeiter sogar zurückgewiesen, weil sie nur eine Minderheit der Belegschaft seien. (Hörtl Hört! Oft sind die Beamten radikaler als die Anbeiter und reizen noch zum Streik auf. (Hört! Hört!), Die Preiserhöhung der Kalisalze muß sich natürlich in berechtigten Grenzen halten. Das vor⸗ liegende Gesetz muß recht bald verabschiedet werden, damit die Land⸗ wirtschaft rechtzeitig die notwendigen Düngemittel erhält. Wir schließen uns dem Antrag auf Kommissionsberatung an. (Beifall im Zentrum.) . Abg. Pohlmann (Dem.): Wir haben gegen die Sozialisierung des Kalibergbaues noch stäarkere Bedenken als gegen die Sozialisierung des Kohlenbergbaues. Mindestens nüäre eine solche Ueberstürzung nicht notwendig gewesen. Es besteht durchaus keine Eile, wohl aber sind wir der Meinung, daß der Artikel 3 der Vorlage, der eine Erxhöhung der Kalipreise vorsieht, sofort durchgeführt wird. Die Erhöhung wird gerechtfertigt durch erhöhte Löhne und durch die ewährung von Teuerungszulagen. Diesen Artikel wollen also auch wir sofort ver⸗ abschieden, die übrigen Artikel aber haben Zeit. Wir vertrauen auf⸗ die zunehmende Einsicht der Bergarbeiter und hoffen auf eine baldige Beendigung der sinnlosen Streiks. 1“ Abg. Behrvens (D. Nat.): Wir sind keine grundsätzlichen Gegner der Sczialisierung, haben aber die allergrößten, Bedenken gegen dieses Gesetz. Das bestehende Kaligesetz ist eigentlich ein Soziali⸗ sierungsgeset die Vorlage bringt in gewissem Sinne einen Abban derseben. Denn was bisher durch Gesetz geregelt war, s olll in Zukunft durch Regierungsverordnung geregelt weiden. Deshalb müssen wir uns die mitwirkenden Organe genau ansehen. Vier Vertreter der Landwirtschaft in dem Sachverständigenbeirat von 30 Mitgliedern

tragen den Interessen der Landwirtschaft und der Volksernährung in keiner Weise Rechnung. Wie denkt sich die Regierung die Teilnahme der Arbeitnehmer bei der Verwaltung der Vertriebsgemeinschaft? Den freien wirtschaftlichen Onganisationen der Arbeitnehmer und Arbeit⸗ geber muß dabei ein maßgebender Einfluß eingeräumt werden. Die Sczialisierung der Kaliindustrie ist deshalb bedenklich, weil diese für den Auslandsmarkt arbeiten muß, überrascht uns die Selöstveiftänd⸗ lichkeit, mit der der Regierungsvertreter so sprach, als ob die elscfssi chen Kaliwerke bereits preisgegeben werden müßten. Die National⸗ versammlung hat sich einmütig dahin ausgesprochen, daß das 8 deulsches Land ist und bleiben muß. Wir bedauern, wenn die R

gierung bereits mit dem Verlust dieses Landes rechnet. (Sehr richtig! rechts.) Wir ersuchen die Regierung erneut, fest zu bleiben auch in der Frage Elsaß⸗Lothringens. (Lebhafter Beifall.) Die Erhöhung der Kalipreise wird ohne Fühlungnahme mit den landwirtschaftlichen Interessenten festgesetzt. Die bureaukratische preußische Landwirt⸗ schaftsverwaltung sehen wir nicht als Vertretung der landwirtschaft⸗ lichen Interessen, wenn es sich um solche Maßnahmen handelt. Dis Preiserhöhung bedeutet eine außerordentliche Belastung der Landwirt⸗ schaft. Seit 1910 sind die Preise auf das Dreifache erhöht. Bei der Verteuerung der Düngemitlel, der Maschinen und Geräte und der Erhöhung der Löhne kann die Landwirtschaft nicht mechr so billig Brot und Fleisch produzieren. Mit diesem Gesetz wird die Kaligbgabe auf⸗ gehoben; sie wird aber später wieder eingeführt werden müssen. Wir

machen unsere endgültige Zustimmung oder Ablehnung der Vorlage davon abhängig, welche Gestalt das Gesetz im Ausschuß erhalten wird.

Abg. Reinecke (D. V.): Wir sind mit der Ueberweisung an einen Ausschuß einverstanden. Wenn die Preise der Lebensmittel abgebaut werden sollen, anderseits aber die landwirtschafelichen Pro⸗ duktionskosten gewaltig steigen, kann die Landwirtschaft nicht auf eine gute Grundlage gestellt werden. Es ist dringendes Gebot der Stunde, der Landwirtschaft zu helfen, denn sie ist augenblicklich der ruhende Poll in der Erscheinungen Flucht. Der Gedanke, daß eventuell die Land⸗ wirtschaft streiken könne, hat große Entrüstung in den Blättern er⸗ zeugt, aber wenn ein sozialdemokratischer Redner neulich. gesagt hat, jetzt müsse jeder Deutsche das Recht haben, zu streiken, dann hat auch

die Landwirlschaft dieses Recht. Ich rede natürlich dem Streik nicht

das Wort. Es ist bedauerlich, daß, weil unser Kali ins Ausland geht, unsere armen Landböden nicht genügend bedacht werden können und die Kultivierung der Landböden und Moore in Frage gestellt wim. Wir wenden uns auch hier gegen die Scialisierung, wie wir über⸗ haupt gegen die Sozialisierung sind.

Geheimer Oberregierungsrat Kreßmann gibt beruhigende Er⸗ klärungen ab über die Versorgung der Landwirtschaft mit Kali auch im laufenden Jahre und macht Mitteilung von der Besserung der Ausfuhrverhältnisse. Nach Holland, der Schweiz und Skandinavien werden hochwertige Salze in beträchtlichen Mengen ausgeführt, ebenso nach England, was im Interesse der deutschen Lebensmittel⸗ versorgung hocherfreulich ist. Mit den Vereinigten Staaten schweben gegenwärtig Verhandlungen.

Abg. Dr. Cohn (U. Soz.): Das Gesetz ist unbrauchbar, en ist eine Kulisse, hinter der ein kapitalistisches Schauspiel ausgeführt wird. Die Strömungen in der Regierung, die gegen weitere Soziali⸗ sierungen arbeiten, wagen sich immer kühner hervor. Die besten Be⸗ weise dafür sind die Rede Pohlmanns, die letzte Rede Payers und das Rücktrittsgesuch Schiffers. Uebergriffe des übermütig ge⸗ wordenen französischen Militarismus verwerfen wir selbstverständlich. Aber man darf nicht alles glauben, was die Waffenstillstandskommission

in der ihr ergebenen Presse verbreiten läßt. Kein ernsthafter franzö⸗ sischer Politiker denkt an eine Annexion des Saargebietes. (Lachen.) Die Franzosen wollen nur die Saarkohle, die sie unbedingt brauchen. Haben doch die deutschen Heere auf dem Rückmarsch auf Anordnung des Hauptquartiers die Kohlenschächte bei Lens ersäufen lassen. (Hört, hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

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Der Gesetzentwurf wird einem Ausschuß überwiesen.

Die Interpellation der Sozialdemokraten über Verteilung der ausländischen Lebensmittel und ihre zu hohen Preise kommt am Montag zur Besprechung. 3

Es folgt die Beratung des Entwurfs eines Ge⸗ setzes über die Ermächtigung der Reichs⸗ regierung zum Erlaß von Verordnungen in der Uebergangszeit. Die Verordnungen sollen unter Mitwirkung eines Ausschusses der Nationalversammlung erlassen werden können. Ein Antrag aller Parteien will die Zahl der Ausschußmitglieder von 15 auf 28 erhöhen.

Reichsminister Dr. Preuß: Der Entwurf will kein all⸗ gemeines Notverordnungsrecht für die Regierung in Anspruch nehmen, er will ihr nur die Möglichkeit geben, wenn es die besonderen Ver⸗ hältnisse notwendig machen, im Verordnungswege gewisse schleunige Dinge, die aber nicht von prinzipieller Bedeutung sind, zu regeln. Die bisherige Ermächtigung dazu beschränkte sich auf solche An⸗ ordnungen, die zur Durchführung der Waffenstillstandsbedingungen notwendig waren. Diese Beschränkung ist zu eng angesichts der Be⸗ dürfnisse, die sich namentlich bei dem Uebergang von der Kriegs⸗ zur Friedenswirtschaft ergeben. Der teilweise Abbau der Kriegswirtschaft und die Aufhebung der unendlichen vielen Bundesvatsverordnungen aus der Kriegszeit macht Anordnungen nötig, die von großer Dring⸗ lichkeit, aber nicht von hoher grundsätzlicher Bedeutung sind. Es würde sich nicht rechtfertigen lassen, die den höheren Aufgaben ge⸗ widmete Zeit der Nationalversammlung immer wieder durch be⸗ sondere Gesetzesvorlagen dieser Art in Anspruch zu nehmen. Die Vorlage will die Ermächtigung nicht nur auf wirtschaftliche Maß⸗ nahmen, sondern auch auf solche ausdehnen, die sich aus dringenden sonstigen Anlässen ergeben. Einer solchen Generalklausel gegenüber besteht immer ein starkes parlamentarisches Mißtrauen. (Sehr richtigt) Ich weiß aber nicht, ob dieses Mißtrauen noch gerecht⸗ fertigt ist in einer Zeit, in der das Parlament unmittelbaren Ginstuß auf die Zusammensetzung der Regierung hat. Namens mr

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Regierung kann ich erklären, daß ihr jedes Gelüste nach unkontrollier⸗ barer Machtausdehnung fernliegt. Es kann aber plötzlich das Be⸗ dürfnis hervortreten, Verordnungen zu erlassen, um beispiekoweise der Verschleuderung von Heeresgerät zu steuern. Wenn dazu der ver⸗ fassungsmäßige Weg der Gesetzgebung beschritten wird, so wird der Zweck solcher Maßnahmen sich oft nicht mehr erfüllen lassen. Die Regierung glaubt, um so viel Vertrauen bitten zu duürfen, daß sie im Notfalle solche Maßnahmen verordnen kann, zumal das Gesetz

ja die Mitwirkung des Staatenausschusses und eines Ueberwachungs⸗ ausschusses von 15 Mitgliedern der Nationalversammlung vorsieht. Gegen eine Erhöhung der Mitgliederzahl auf 28 hat die Regierung nichts einzuwenden; sie ist auch damit einverstanden, daß das Wort „dringend“ eingeschaltet wird und daß das Gesetz außer Kraft tritt sobald es die Nationalversammlung beschließt. Wenn sie uns aber die Generalklausel „oder aus sonstigen dringenden Gründen“ streichen wollen, so würde damit der Zweck dieses Gesetzes zum großen Teil vereitelt werden. Die Regierung bittet deshalb dringend, diese Abg. Dr. Becker⸗Arnstadt (Zentr.): Dem Grundgedanken des Gesetzes stimmen meine politischen Freunde zu. Sie halten es aber für notwendig, daß die Vorlage in einer besonderen Kommission von 28 Mitgliedern vorberaten wird, so daß sie in der nächsten Woche verabschiedet werden kann. In der Kommission wird zu prüfen sein, ob eine besondere Kommission mit der Verordnung befaßt werden soll, oder ob die einzelnen Verordnungen nicht dem schon bestehenden sozialen Ausschuß, Wirtschaftsausschuß oder Haushaltsausschuß unter⸗ breitet werden sollen. Die Generalklausel halten auch wir für not⸗ wendig, aber die Kommission wird zu prüfen haben, ob nicht eine 9 8 ehsce Föslung Plsben werden kann. Viel⸗ eicht könnte man auch in das Gesetz schreiben, daß es nur bis zum Abschluß der Reichsverfassung gilt. g 1 Abg. Waldstein (Dem.): Dieses Gesetz knüpft an an das berühmte Ermächtigungsgesetz vom 4. April 1914. Damals hat das Parlament das an sich löbliche Mißtrauen zurückgestellt, weil die Verhältnisse es erforderten. Im allgemeinen muß aber die National⸗ versammlung das größte Gewicht darauf legen, daß die verfassungs⸗ mäßigen Grundlagen nicht verlassen werden, es sei denn aus den allerdringendsten Gründen. Der Abbau der Kriegswirtschaft wird sich freilich auf dem normalen Wege der Gesetzgebung nicht ermög⸗ lichen lassen und wir erkennen die wirtschaftlichen Gründe an, die ein Verordnungsrecht notwendig machen. Wenn aber dahinter die Klausel steht „oder aus sonstigen dringenden Anlässen“, dann fehlt überhaupt jede Abgrenzung. Deshalb müssen diese Worte gestrichen werden. Wir erwarten, daß das Gesetz in möglichst einschränkender

Weise interpretiert und nicht durch Verordnung geregelt wird, was

durch die Gesetzgebung erledigt werden kann. Die Nationalversamm⸗ lung darf nicht umgangen werden. Insbesondere dürfen nicht dauernde gesetzliche Einrichtungen durch diesen Ausschuß geschaffen werden, deshalb wollen wir solche Verordnungen nur zulassen, wenn sie nicht nur notwendig, sondern auch dringend sind, und wir beantragen des⸗ halb zu sagen: „notwendig und dringend“. Wir begrüßen das Gesetz, damit vor allem die Kriegswirtschaft abgebaut wird. Ich beantrage die Ueberweisung der Vorlage an eine besondere Kommission von 28 Mitgliedern. Außerdem wünschen wir, daß in der Vorlage der Ausschuß von 15 auf 28 Mitglieder verstärkt wird.

Abg. Knollmann (D. Nat.): Das Ermächtigungsgesetz von 1914 hat dem deutschen Volke wenig Freude gemacht. Es hatte eine Verwirrung der Rechtsbegriffe und das Sinken der öffentlichen Moral im Gefolge. Die Vorlage von heute bedeutet nicht nur eine Ver⸗ längerung, sondern auch eine Ausdehnung des Gesetzes von 1914. Es wird eine neue Flut von Verordnungen zur Folge haben. Die Notwendigkeit des Gesetzes sehen wir ein. Der vorliegenden Fassung können wir aber nicht zustimmen. Wir machen der Regierung nicht absichtlich Schwierigkeiten, wir sind nicht die Rückschrittler, weil wir eine neue Partei sind mit neuem Geist. (Ruf bei den Sozialdemo⸗ kraten: Das wissen wir ja nicht!) Darum sage ich es Ihnen ja, damit Sie es endlich wissen. (Heiterkeit.) Wir trauen der Regie⸗ rung allerlei zu, aber soweit geht unser Vertrauen nicht, daß wir dem Gesetz zustimmen könnten. Wird nicht der Terror der Straße der Regierung auf Grund dieses Gesetzes Zugeständnisse abzwingen? Im alten Reichstag ging die Tendenz auf Einschränkung der Regie⸗ rungsgewalt, weil man der Regierung mißtraute. Dasselbe Miß⸗ trauen haben wir in starkem Maße gegen die jetzige Regierung. Die Verordnung über die Wahl der Krankenkassenvorsitzenden und Be⸗ amten ist ein warnendes Beispiel. Wir möchten auch klar ausgedrückt sehen, daß auch geschlossene Teile von Verordnungen aufgehoben werden können. Darüber herrscht in der Regierung keine einheitliche Auffassung. Die Zahl von 15 Mitgliedern für den mitbestimmenden Ausschuß ist zu gering, wir stimmen dem Antrage auf 28 Mitglieder zu. Die Durchpeitschung der Gesetzesvorlagen muß aufhören. Wir beantragen Ueberweisung an einen Ausschuß, wo wir mitzuarbeiten bereit sind. Wir werden uns freuen, wenn etwas Ersprießliches dabei herauskommt. (Beifall rechts.)

Abg. Haase (U. Soz.): Gegen eine Kommissionsberatung haben wir nichts einzuwenden, wohl aber dagegen, daß diese Kommission eventuell schon morgen zusammentritt. Ich sehe nicht ein, weshalb dieses wichtige und weittragende Gesetz so überstürzt verabschiedet werden soll. Die Erfahrungen, die wir mit dem früheren Er⸗ mächtigungsgesetz gemacht haben, sollen uns schrecken. Hier wird nun gar von uns gefordert, daß wir ohne jede Zeitbegrenzung der Regie⸗ rung eine Blankovollmacht ausstellen sollen. (Zuruf: Während der Tagung der Nationalversämmlung!) Wie lange die tagen wird, wissen Sie so wenig wie wir! Am allerwenigsten können wir dieser Regierung durch Ausstellung einer solchen Blankovollmacht ein besonderes Vertrauen aussprechen. Für mich ist der Vorgang, der sich am 28. März zwischen Herrn Erzberger und mir abgespielt hat, ein besonderer Anlaß, dieser Regierung zu mißtrauen. Redner geht ausführlich auf den Vorgang ein und sucht an Hand der Prolokolle nachzuweisen, daß Erzberger über den Verlauf der Kabinettssitzung tatsächlich falsche Angaben gemacht habe. 6

Präsident Fehrenbach: Was das mit dem Gesetz zu tun haben soll, vermag ich wirklich nicht einzusehen. Ich bitte Sie, jetzt zur Sache zu sprechen. Wenn Sie das Bedürfnis haben, etwas richtig⸗ zustellen, will ich Ihnen gern außerhalb der Tagesordnung das Wort geben. 1 1 11“

Abg. Haase (fortfahrend): Ich will mit diesen Feststellungen nur nackweisen, weshalb wir und weshalb speziell ich alle Veranlassung habe, der Regierung in Fragen der auswärticen Molitik das schärfste Mißtrauen entoegenzubringen und ihr daher diese Blankovollmacht zu verweigern. (Zuruf: Gesckickte Rabulistik!) I““ 8

Präsident Fehrenbach: Bei einer solchen Auffassung gibt es überhaupt nichts unter Sonne, Mond und Sternen, was man nicht mit diesem Ermächtigungsgesetz in Zusammenhang bringen könnte. (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Im übrigen:; wenn der Präsident in der liebenswürdigsten Form, die möglich ist, eine Bitte an Sie richtet, so seien Sie so gut und folgen Sie ihm; er meint es gut mit der Geschäftsordnung und mit dem Hause. (Heiterer Beifall.)

Abg. Haase (fortfahrend): Ich möchte weiter nur noch die Tatsache feststellen, daß derselbe Herr Erzberger am 4. September 1914 eine Denkschrift verfaßt hat, in der er die Anwendung der selben Grundsätze, die jetzt die Entente. Deutschland gegenüber zur Durchführung bringt, seitens Deutschlands befürwortet hat. (Zuruf bei den Unabbängicen Sozialdemokraten: Und der ist heute noch Minister!) Unter diesen Umständen könnte es dahin kommen, daß der Staatscerichtshof sich auch mit einem Mitglied derselben Regie rung wird Lefassen müssen, von der diese Varlage ausgeh t. Wir lehnen sie ab. (Beifall bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Damit schließt die Besprechung. Die Vorlage wird dem Wirtschaftsausschuß überwiesen.

Nächste Sitzung Montag, 2 Uhr. (Interpellation Auer (Soz.), betreffend Maßregeln zur Ernährungsfrage.)

Schluß 2 Uhr.

8 Preußische Landesversammlung. 17. Sitzung vom 12. April 1919. (Bericht von Wolffs Telegraph enbüro.)

Am Ministertische die Minister Braun, Fischbeck, Haenisch und Stegerwald u. a.

Präsident Leinert eröffnet die Sitzung gegen 121 ½ Uhr.

Auf der Tagesordnung stehen zunächst 8 förmliche An⸗ fragen.

Minister für Handel und Gewerbe Fischbeck: Die Staats⸗ regierung ist bereit, die Anfragen zu einem Termin zu beantworten, der mit dem Herrn Präsidenten vereinbart wird.

Abg. Adolph Hoffmann (U. Soz.) behält sich vor, zu bean⸗ tragen, für Montag die Beantwortung von Anfragen auf die Tages⸗ ordnung zu setzen, damit die Regierung in dieser Beziehung einen Anfang mache.

Minister für Handel und Gewerbe Fischbeck: Ich glaube, daß die Schuld an der Nichtbeantwortung nicht an der Staats⸗ regierung liegt. Die Staatsregierung ist bereit, eine ganze Reihe von Fragen alsbald zu beantworten. Aber bisher hat die Geschäfts⸗ lage des Hauses es vielfach nicht zugelassen (hört! hört! bei den U. Soz.), weil Gesetzentwürfe vorlagen, die vorweg beraten werden mußten.

Herr Hoffmann spricht z. B. eben von der Not der Kleinschiffer an der Netze, betreffs deren er eine Anfrage gestellt hat. Diese Frage würde von der Staatsregierung mit wenigen Worten sofort beantwortet werden können, nämlich in dem Sinne, daß diese Ge⸗ biete von Polen besetzt sind, daß wir nicht genügend Schutztruppen hatten, um unsere Schiffe zu schützen, und uns auch vielfach gar keine bewilligt werden sollten, um die Polen dort abzuwehren. Wäre das anders, so hätte man diese Schiffe aus dem jetzt von den Polen be⸗ setzten Gebiet der Netze herausbekommen können.

Ich möchte doch das zurückweisen, daß die Staatsregierung etwa schuld daran ist, daß diese Aafragen nicht früher beantwortet worden sind. 8

Es folgt die erste Lesung des Gesetzentwurfs über Landeskulturbehörden.

Abg. Dr. von Kries (Dnat. Vp.) bemängelt, daß der Entwurf anscheinend die Generalkommissionen, deren Beseitigung schon früher beschlossen war, wenn auch in modernisierter Form, verewigen wolle. Er beantragt Verweisung der Vorlage in die Siedlungskommission.

Minister für Landwirtschaft. Domänen und Forsten Braun: Es war mir der Wunsch kundgegeben, diese Vorlage mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Hauses ohne Debatte dem Ausschuß zu überweisen. Ich habe deshalb davon Abstand genommen, zur Ein⸗ leitung und Begründung der Vorlage mich zu äußern. Ich werde auch, nachdem der Vertreter der Deutschnationalen Volkspartei auf die Materie des Entwurfs, wenn auch nur kurz, eingegangen ist, gleichwohl mich nicht eingehend über den Entwurf aussprechen, son⸗ dern behalte mir vor, in dem Ausschuß das zur Einführung Not⸗ wendige zu sagen.

Das eine möchte ich nur bemerken, daß es im Entwurf nicht so sehr darauf ankommt, die Generalkommissionen zu verewigen, sondern eine Behöͤrde zu schaffen, die die alten Aufgaben, die der General⸗ kommission oblagen, sachgemäß erledigen kann, gleichwohl aber ge⸗ iignet ist, die großen, gewaltigen neuen Aufgaben schnell und sach⸗ gemäß durchzuführen. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt des Entwurss, den ich Ihnen vorgelegt habe. Alles andere behalte ich mir für den Ausschuß vor.

Die Abag. Dr. Struve (Dem.), Held (D. V.), Gräf (Soz., Hoffmann (U. Soz.) und Herold (Zentr) begrüßen die Vorlage und sind mit der Verweisung an die Siedelungs⸗ kommission einverstanden.

Die Vorlage wird der genannten Kommission üb erwiesen.

Ein Antrag des Zentrums vom 18. März will die Regie ung ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß von den vom Auslande zu erwartenden Lebensmitteln den Berg⸗ und Hüttenarbeitern sowie sonstigen Schwer arbeitern besondere Zulagen gewährt werden. Von sämtlichen Parteien mit Ausnohne der U. Soz. wird heute dazu folgende Ergänzung hevetragit:

1) Füge ce der Tatsache, daß die Arbeitseinstellungen im Ruhrkohlengebiet durch den außerordentlichen Mangel an Lebens⸗ mitieln wesentlich begünstigt worden sind, sofort nach Wieder⸗ aufnahme der Arbeit daselbst eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln herbeizuführen, 2) an die Arbeiter und Angestellten des Ruhrkohlengebiets, insbesondere des Bergbaues, die dringende Aufforderung zu richten, die Arbeit, soweit dies bisber noch nicht geschehen ist, unverzüglich wieder aufzunehmen und die ungestörte Produkt ion zu gewährleisten, weil nur dann die ausreichende Ver⸗ sorgung mit Lebensmitteln möglich ist.

In Verbindung damit wird ein Antrag der Deutschen

Volkspartei gleichen Inhalts beraten.

Akg. Brust (Zentr.): Die Berg⸗ und Hüttenarbeiter im Ruhr⸗ kohlengebiet haben schon während des Krieges unter der Lebensmittel⸗ knappheit weit schwerer als andere Arbeiterkategorien zu leiden gehabt. Manche Gemeinden sind dort schon seit Wochen ohne Kar⸗ toffeln und ohne zureichenden Ersatz dafür. Die Arbeiterschaft dort ist völlig ausgehungert, körperlich und geistig erstarrt und nicht mehr widerstandsfähig. Hinzugekommen ist der militärische Zusammenbruch und die schweren innerpolitischen Unruhen mit allen ihren Auf⸗ regungen des ganzen inneren Menschen, und bald folgten die gegen⸗ revolutionären Bestrebungen sowie die Machenschaften nach, die auf den Sturz der gegenwärtigen Regierung durch Ausstandsbewegungen hinarbeiten. Die Dtrahtziehek dieser Machenschaften, die Unab⸗ hingigen, Spartakiren und Kommunisten, bilden rnur einen kleinen Bruchteil der Arbeiterschaft; die ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung dieses Gebiets steht jenen Plänen fern. Nur der Terror, die Anwendung von Gewaltmitteln, hat es vermocht, die große Maße der Arbeiterschaft in den Ausstand zu treiben. Die sechsstündige Arbeitszeit läßt sich ohne internationale Regezung des Bergbaues nicht einseitig bei uns durchführen. Die Erhöhung der Kohlenpreise findet ihre Grenze an der Leistungsfähigkeit der gesamten deutschen Industrie. Auch der einfache Haushalt des Arbeiters ist jetzt schon mit 27 monatlich allein für Kohlen belastet. Einer weiteren Erhöhung muß ganz entschieden widersprochen werden. Die Bergarbeiterorganisationen aller Richtungen haben ja für die Beilegung der großen Streikbewegung durch Vorhandlungen mit den Arbeitgeber⸗ organtsationen und der Regierung ihr möglichstes getan. Die Re⸗ gierung ist nicht rechtzeitig genug den verbrecherischen Drabtziehern entgegengetreten und hat den arbeitswilligen Elementen nicht genügend Schutz gewährt. (Sehr richtig!) Erfreulicherweise hat sie jetzt endlich schärfere Saiten aufgezogen. Wir erwarten, daß sie weiter erelgisch durchfaßt und den Werken sowie den Bergleuten, die ar⸗ beiten wollen, den nötigen Schutz fetbäher wenn es nötig ist auch mit Waffengewalt. (Hört, hört! bei den U. Soz. Zuruf: Sabo⸗ tageleute!) Wir richten die dringende Mahnung an die Arbeiter und Angestellten, die ungestörte Produktion im Bergbau unverzüglich

wieder berzustellen, schon damit die Belieferung des Ruhrgeb ets g Lebensmitteln wieder einsetzen kann. Zu meiner Freude 2 1 heute früͤh gehört, daß die Arbeiter der staatlichen Möllerwer e 8 geheimer Abstimmung mit zwei Dritteln Mehrheit ki⸗ Wiederanf⸗ nahme der Aäbeit beschlossen haben. (Bravo!) E Minister für Handel und Gewerbe Fischbe ck: Meine Herrent Die Staatzregierung ist sich bewußt, daß sie bei der Schwere der Arbeit, die insbesondere der Bergarbeiter zu verrichten hat, alles daran setzen muß, um ihm die Kö⸗ perkräfte zu erhalten und ihn auch geistig auf der Höhe zu erhalten, damit er dem Dienste, den er zu verri hten hat und der im ureigensten Sinne des Wortes ein pater⸗ ländischer Dienst ist, um so mehr in heutiger Zeit, gewachsen ist. Deshalb ist auch während der ganzen Krieges Wert darauf gelegt worden, daß die Bergarbeiter ganz besonders mit Lebensmitteln be⸗ dacht werden, über das hinaus was den anderen Bevölkerungsschichten zusteht. Meine Damen und Herren, wenn es nicht mehr gewesen ist, lag es nicht an dem guten Willen der Staatsregierung, sondern daran, daß uns eben nicht mehr zur Verfügung stand. Wir haben einmal die Schwerarbeiterzulagen im weitesten Sinne an alle Beig⸗ arbeiter gegeben, darüber hinaus allen bis auf wenige Kategorien noch Schwerstarbeiterzulagen. Aber die Werksverwaltungen haben sich daran nicht genug sein lassen, sondern sie haben noch in weit⸗ gehendsten Maße des ihrige getan, um darüber hinaus den Bergarbeitern Lebensmitlel zuzuführen. 89. hat für die staatlichen Betriebe in ganz besonderem Maße in dieser Richtueg zu sorgen gesucht. Wir haben ich habe die Zahlen hier has für das Jabr 1917 für unsere Bergarbeiter über die rationierten Mengen hinaus für 27 Millionen Mark Lebensmittel eingetauft und zu billigeren Preisen an sie abgegeben, derart, daß von diesen 27 Millionen ein Betrag von 11¼ Milionen auf die Staatskasse übernommen wurde. Wenn im nächsten Jahre, im Jahre 1918, die Fürsorge in dieser Extrazuteilung nicht in so hohem Maße hat Platz greifen können, wie im Jahre vorher, nun so lag es eben daran, daß wir größerer Mengen nicht habhaft werden konnten. Immerhin sind im Jahre 1918 noch 7 Millionen Mark Zuschüsse aus Staats⸗ mitteln zu solchen Ankäufen gegeben worden, um den Bergarbeitern Nahrungemittel zuzuführen; und ich kann sagen, daß die Privat⸗ industrie vielleicht in noch höberem Maße ihre Arbeiter versorgt hat⸗ Das konnte sie deshalb, weil sie nicht Bedenken trug will ich ein⸗ mal sagen —, hierbei Wege einzuschlagen, die der Staat, die eine Regierung nicht einschlagen kann. Aber jedenfalls wollen Sie daraus entnehmen, daß wir wie die Privatindustrie bemüht gewesen sind, den

Bergarbeitern für ihren schweren Beruf die nötigen Nahrungsmitt 1

zuzuführen. 56 Nun hat der Herr Vorredner den Wunsch geäußert, daß, wenn nun in weiterem Maße Nahrungsmittel zu uns hereinkommen, diele den Berg⸗ arbeitern in erster Linie zugeführt werden möchten. In diesem Sinne hat die Reschslenung, die hier in erster Linie zuständig ist, sich schon schlüssig gemacht. Sie kennen ja jenen bekannten Auftuf, der am 31. März, als der Streik erklärt wurde, von der Reichsregierung er⸗ lassen ist. Durch diesen Aufruf ist schon den Bergarbeitern in Aus⸗ sicht gestellt, daß ihnen besondere Zulagen gewährt werden sollen. Es kommt dabei in erster Linie auf Speck und Fett an, das bei dieser schweren Arbeit ganz besonders zur Erhaltung des Körpers ecforderlich ist. Das Reichsernährungsamt hat in Ausführung dieses damaligen Aufrufs vorgeschrieben, daß über die Zuteilung hinaus, die allen industriellen Gebieten und Großstädten des Reiches wird, den

Bergarbeitern, die regelmäßige Schichten verfahren, so, wie dies

zwischen den Unternehmer⸗ und Arbeiterorgamsationen vereinbart ist, ohne Rücksicht auf die Arbeitsleistung, eine wöchentliche Zulage zu⸗ teil werden solle. Darüber hinaus aber soll denjenigen Arbeitern, die in dieser Zeit ein gewisses Quantum leisten, das dem Durchschnitt des ersten bis zehnten Monats des vorigen Jahres entspricht, noch eine besondere Fettzulage gewährt werden. Die Reichsregierung und das Ernährungsamt und mit ihnen die Preußische Sta⸗ts⸗ regierung hält es allerdings für richtig, daß solche Zulagen tann nicht gewährt werden, wenn aus irgendwelchen Gründen die mit dem nicht zusammen⸗

Arbeitsverhältnis überhaupt hängen, die Arbeit verweigert, der Betrieb eingestellt und

das Vaterland dadurch in Gefahr gebracht wird. (Sehr richtig!)

Ich sage: Wir sind nicht in der Lage, mehr zu gewähren, und werden auch in der nächsten Zeit uns noch nach der Decke strecken müssen, wenn die Grausamkeit unserer Gegner durch Aufrechterhaltung der Blockade es uns unmöglich macht, in höherem Maße Lebensmittel der Bevölkerung zuzuführen, aber je nachdem solche Möglichkeit sich ergibt, wird die Reichs⸗ und Staatsregierung für die Bergarbeiter weiterhin sorgen. Ich hoffe, daß dann auch in zunehmenden Maße wieder die Einsicht zurückkommt, daß sich der deutsche Bergarbeiter wie in früheren Zeiten bewußt ist, welche Verpflichtungem er gegen⸗ über der Allgemeinheit hat. Und wenn am letzten Ende heute ge⸗ klagt wird, der Bergarbeiter müsse streiken, weil er nicht genug Lebensmittel habe, so muß er sich auch wieder sagen, daß, wenn er streikt, sich ja dann erst recht keine Möglichkeit ergibt, Lebensmittel zu gewinnen. (Sehr richtig!) Von ihm hängt es ab, ob wir ver⸗

sorgt werden, und ob er sich selber und seine Familie ernähren kann; von ihm hängt es ab, durch seine Arbeit dasjenige zu erzielen, was

notwendig ist, um dem Auslande die Lebensmittel zu bezahlen. Sie wissen ja schon, in welche Schwierigkeiten wir jetzt durch den Streik im Ruhrrevier gekommen sind im Hinblick auf die Bezahlung der zweiten Rate und das Hereinführen von neuen Quantitäten von Lebensmitteln. Ich hoffe, daß wieder Vernunft einkehren wird, daß man, nachdem, wie auch der Herr Vorredner anerkennend hervor⸗ gehoben hat, die militärischen Führer, die Reichsregierung, endlich die Geduld verloren und eingegriffen haben, in den Kreisen der Berg⸗ arbeiter wieder die ruhige Cinsicht gewinnen und die Aufgaben er⸗ füllen wird, die man dem Vaterlande schuldig ist und ich kann namens der Regierung versprechen, daß wir wissen werden, welche Verpflichtungen wir den Bergarbeitern gegenüber haben. (Bravo!) Abg. Tegeder (D. V.) begründet einen gleichlautenden Antrag, schildert eingehend den Verlauf der Streikbewegungen im Ruhrgebiet und füihrt dann aus: Die sechsstündige Arbeitszeit hat bei der schweren Arbeit der Bergleute eine gewisse innere Berechti⸗ gung. Sie sollte ja auch nach dem Uebereinkommen der Unternehmer und der Verbände am l. Januar 1921 eingeführt werden. Wogegen man sich in diesen Kreisen wendet, ist die sofortige Einführung der Sechsstundenschicht, weil wir die Kohlen gerade jetzt unbedingt brauchen. Herr Hue hat zugegeben, daß die sofortige Einführung der Sechsstundenschicht einen Produktionsausfall von 140 000 Tonnen läglich bedeuten würde. Das kann u heutigen Zeit nicht vertragen.

Auch die Staatsregierung⸗

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