1919 / 87 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 15 Apr 1919 18:00:01 GMT) scan diff

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Bekanntmachung.

Dem Kaufmann Josef Montag, geboren am 10. Juli

1889 in Munt, Kreis Mayen, wohnhaft in Frankfurt a. M., Franz⸗ Rückert⸗Straße 4, Geschäftslokal: Kaiserstraße 69, wird hierdurch der Handel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs, insbesondere Süßrgkeiten aller Art, sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem solchen Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen (Gewerbebetrieb untersagt. Frankfurt a. M., den 7. April 1919.

Der Polizeipräsident. J. V.:

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von Klenck.

Bekanntmachung.

Der Händlerin Hedwig Voigt, geb. Hopp, geboren am .Mai 1873 in Gynesen, wohnhaft in Frankfurt a. M., Kron⸗ prinzenstraße 59, Geschäftslokal Kaiserstraße 41, wird hierdurch der andel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs, nsbesondere Süßigkeiten aller Art, sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem solchen Handel wegen Un⸗ zmverlässigkeit in bezug auf viesen Gewerbebetrieb untersagt. Frankfurt a. M., den 7. April 1919. .“

Der Polizeipräsident. J. V.: von Klenck.

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8 1 Bekanntmachung. Den Pferdemetzgeinn August Arns, Josef Stammen sowie August Löbbecke, sämtlich in Hohenlimburg wohn⸗ haft, ist der Handel mit Vieh jeder Art, dos Schlachten ven Pferden und der An⸗ und Verkauf von Pferde⸗ fleisch auf Grund der Bundesratsverordnung vom 23. September 1915 untersagt worden. Die Kosten dieser Veröffentlichung haben die davon Betroffenen zu tragen.

Hohenlimburg, den 8. April 1919.

Die Polizeiverwaltung. Menzel.

88* Bekanntmachung. 8 Der Kleider⸗ und Schuhwarenhändler Franz Soffner hier⸗ selbst hat sich in seinem Geschäftsbetriebe Unregelmäßigkeiten zu⸗ schulden kommen lassen und dadurch seine Unzuverlässigkeit in beiug auf den Handelsbetrieb mit Gebrauchsgegenständen des täglichen Be⸗ darfs dargetkan. Gemäß § 1 der Bekanntmachung zur Fernhaltung unzuverlässiger Personen vom Handel vom 23. September 1915 und Ziffer 1 der Ausführungsanweisung hierzu vom 27. September 1915 ist dem Genannten deshalb die Ausübung des Handels⸗ gewerbes bis auf weiteres untersagt woreen. Neustadt O. Schl., den 5. April 1919. ““ Ddie Polizeiverwaltung. Lange. etzung des Amtlichen in der Ersten Beilage.)

Dentsches Reich. Preußen. Berlin, 15 April 1919.

Der Reichsminister des Auswärtigen, Graf Brockdorff⸗ Rantzau, hat den preußischen Geschäftsnäger in Dresden⸗ beauftraat, der sächsischen Regierung seine und der preu⸗ ßischen Regierung warme Teilnahme anläßlich der Er⸗

mordung des Kriegsministers Neuring auszusprechen.

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Dem Sitzunasbericht der deutschen Waffenstill⸗ standskommission in Spaa vom 13. April entnimmt „Wolffe Telegraphenbüro“ folgende Mitteilungen:

Den Alliierten wurde ein Telegramm des Magistrats von Nakel gberreicht, wonach bei einem neuerlichen Feuerüberfall der Polen mit Artillerie auf die Stadt eine Frau getötet und dier Feir en verwundet wurden.

er Vertreter der deutschen Regierung erhob Einspruch gegen eine alliierte Mitteilung, vor Ernennung neuer deutscher Beamten im besetzten Gebiet müsse erst die Zustimmung des Oberkommandierenden der alliierten Streitkräfte eingeholt werden. Die Preußische Regterung erblicke, wie er erklärte, in dieser Verfügung einen Eingriff in ihre staatlichen Sesi

Der französische Vertreter erhob im Auftrage des Marschalls Foch Einspruch gegen die Anhaltung von drei Schiffen in Emmerich durch deutsche Zollbehörden, welche von Straßburg rheinabwärts nach Holland fuhren. Er erklärte, der Rhein unter der Autorität von Foch, und die deutsche Regierung habe

ein Recht, die Transporte zu verbieten.

Die Alliierten hatten der deutschen Regierung mitgeteilt, das im besetzten Gebiet für den Bau neuer Linien befindliche Gisendahnmaterial, welches deutschen Privat⸗ E gehört, werde als Kriegsbeute betrachtet.

ie deutsche Regierung erwiderte, nach Artikel 53, 1 der Haager Land⸗ kriegsordnung könne Eisenbahnmaterial als Kriegsbeute nur angesehen werden, wenn es Staatseigentum sei. Soweit es sich im privaten Besitz be⸗ finde unterliege es zwar nach Artikel 53 IIa der Haager Landkriegsordnung der Beschlagnahme, müsse aber nach dem Kriege zurückgegeben werden. Die deutsche Regierung hatte daher um Rückgabe des Materials er⸗ sucht. Die Alliierten erkennen in einer heute überrelchten Note diesen Standpunkt nicht an, sondern wollen das Material als Kriegsbeute betrachten. Es sei, wie die Note ausführt, von der deutschen Re⸗ gierung zu dem alleinigen Zwecke benutzt worden, um Eisenbahnen zu militärischen Zwecken zu bauen, und daher als Kriegsmaterial an⸗ zusehen, glerchgültig ob es vom Staate schon bezahlt sei oder nicht. Auf das Ersuchen der Alliierten, Saatgut aus dem unbe⸗ setzten nach dem besetzten Gebiet zu senden, erklärte der deutsche Regierungsvertreter, eine den gewöhnlichen Lieferungen entsprechende Zuweisung von Saatgut in das linksrheinische Gebiet könne nur erfolgen, wenn die unbehinderte Ein⸗ und Ausfuhr von Saatgut zwischen dem besetzten und unbesetzten Gebiet genehmigt werde und die Ausfuhr der Ernteüberschüsse aus dem besetzten Gebiet gemäß den zugelassen werde.

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Cö“““ EE 1 n der Sonnabendsitzung der Geschäftsstelle des Auswärtigen Amts für Friedensverhandlungen wurde die ostasiatische Frage in politischer und wirtschaft⸗ licher Beziehung besprochen. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, gab ein Vertreter des Auswärtigen Amts einen kurzen Ueberblick über die politischen Vorgänge in Ostasien, die zum Bruch mit Japan, China und Siam geführt haben. Ein Sachverständiger verbreitete sich kurz über wirtschaftliche ragen. Es folgte ein Bericht über die britischen und fran⸗

sischen Besitzungen in Ostasien, ferner über Australien und

siam. Darauf sprach Generalkonsul Thiel über salee wirt⸗ chaftlichen Bezitehungen mit Japan, und Herr Bethge über

ina. Ueber Kiautschou fand eine eingehende Grörterung statt.

Im Rei teministerium trat gestern der Sachoe stänoigevrat zusammen, der auf der Grundlage des Reichskohlengesetzes vom 23. März über die zukünftige Aus⸗ gestaltung der deutschen Kohlenwirtschaft zu beraten hat. In der Eröffnungsa sprache wies der Reichswirtschafts⸗ minister Wissell laut Bericht des „Wolffschen Telegraohen⸗ büros“ auf die Bedeutung der zu fassenden Beschlüsse für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlauds hin und warnte vor sprung⸗ haftem Vorgehen beim Bau der neuen Oraanisation, da nur von der organischen Entwicklung aus dem Vorhandenen gutes erwartet werden könne.

Nach dem von der Regierung vorgelegten Arbeitsplan soll das Ausführungsgesetz bis Ende Mai mit dem Sachver⸗ ständigenrat zusammen in endgültiger Fassung fertiagestellt sein, Anfang Jani dem Staatenausschuß und der parlamen⸗ tarischen Kommission vorgelegt und Mitte Juni verkündet werden. In der zweiten Hälfte Juni sollen dann die gemein⸗ wirtschaftlichen Verbände und der Reichskohlenrat nach dem Gesetz gebildet werden, damit am 30. Juni die Kohlenwirtschaft endgültig sozialisiert ist.

In den ersten Fragen, die gestern zur Beratung standen Aufbau der Orgamsation und Stellung des Handels —, be⸗ stand völliges Einvernehmen der pariäütisch sse . Körperschaft. Besonders war die Ansicht ungeteilt, daß dem freien Kohlenhandel auch in Zykunft innerhalb des gemein⸗ wirtschaftlichen Systems seine Berechtigung zukomme, da auf die Vorteile des freien Wettbewerbs nicht verzichtet werden könne, und zudem bei Ausschalltung des Handels der Weg zur Bürokratisierung vngermge s sei. Ueber den Verlauf der Tagung, deren Dauer auf drei Tage berechnet ist, wird weiter berichtet werden.

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Zu den Fragen, die den Sachverständigenrat für Kohlen⸗ wirtschaft im Reichsmirtschaftsministerium beschäftigen, nämlich die Stellung dee Syndikats (Kohlenhandel), die berg⸗ bauli ve Arbeitsgemeinschaft (Arbeitsfragen) und die technisch⸗ wirtschaftliche Gewinnung und Verwertung der veeh. hat der Ausschuß für die Beratung des Kohlengesetzes, der von den großen fachwissenschafflichen Verbänden eingesetzt worden ist, in einer Deukschrift Stellung genommen, deren wichtiaste Forderungen laut Meldung des „Wolffschen Tele⸗ graphenbüvos“ sind:

In dem Kohlenrat muß für eine ansreichende sachverständige Vertretung der verschiedenen technischen Fachgebiete gesorgt werden unter Pinzuziehung der vorhandenen technischen Berufsorganisationen bei der Auswahl der Herren. Die jetzt vorgesehene Vertretung genügt nicht, die Verhältnisse sind zu mannigfaltig und schwierig, um von einigen wenigen Männern überblickt werden zu ktönnen. Weiterhin ist zur Nutzbarmachung der technisch⸗wirtschaftlichen Er⸗ fahrung lediglich ein beratender ehrenamtlicher Beirat ungenügend, vielmehr bedarf es einer sachverständigen planmäßigen Organisation mit Kopf⸗ und Zweigstellen, die für die Anpassung notwendiger Maßnahmen an die örtlichen Verhältnisse und die Durchführung sorgt. Die Grundzüge dieser Organisation müssen im Gesetz fest⸗ gelegt werden.

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Ueber die gestrige Sitzung des ssisen Kongresses der Arbeiter⸗, Nauern⸗ und Soldatenräte Deutsch⸗ lands berichtet die „Deutsche Allgemrine Zeitung“:

Der Vorsitzende Hauschildt, der die Sitzung um 11 Uhr Vor⸗ mittags eröffnete, teilte zunächst mit, daß eine Reihe von Be⸗ großungstelegrammen und sechs Entschließungen aus verschtedenen Srädten, in denen gegen die Herabsetzung der Löhnung der Garnison⸗ soldaten auf die Friedenssätze Einfpruch erhoben wird, eingegangen seien. Dann trat der Kongreß in die Beratung, der „Soziali⸗ sierung des Wirtschaftslebens“ ein. An Stelle des vorgesehenen Berichterstatters Kautsky, der erkrankt ist, trug Frau Kautsky das Referat vor: Soziaglisierung bedeutet Aufhebung des Kapitalismus und Hebung der Produktion auf der vom Sozialismus geschaffenen Grundlage. Diese Grundlage darf daher vom Proletariat nicht zerstört werden. Das Wesen des Kapitalismus besteht in der Trennung des Arbeiters von den Pro⸗ duktionsmitteln. Auf der einen Seite stehen die besitzlosen Arbeiter, die nur ihre Arbeitskraft haben, auf der anderen Seite die Kapitalisten, denen die Prada snemitten gehören. Die Arbeiter müssen dann nicht nur so viel arbeiten, um den Wert ihres Lohnes zu erreichen, sondern sie werden von den Kapitalisten dazu gedraäͤngt, mehr Werte zu er⸗ arbeiten, die den Unternehmern zugute kommen. Der Profit ist also die Triebfeder der kapitalistischen Produktion. Der Profit ist umso größer, je größer die Zahl, der Arbeiter, je geringer der Lohn, je die Arbeitszeit und je technisch vollkommener der Betrieb ist. Daher auch der Drang der Unternehmer nach beständigem Fort⸗ schreiten der technischen Hilfsmittel. auch die Produktion, nimmt aber unter dem kapitalistischen System immer mehr die Form eines Kampfes der Maschinen gegen die Ardeiter an. Daher auf Schritt und Tritt der Gegensatz zwischen Unternehmer und Arbeiter, der noch verstärkt wird durch die Ab⸗ hängigkeit des Arbeiters von den Launen des Unternehmers, durch die Unsicherheit der wirtschaftlichen Lage des Arbeiters. Gegen alle diese Uebel des Kapitalismus empört sich das Proletariat. Aus diesen Uebeln heraus erwächst das Bedürfnis zur Sozialisierung. Der Kapitalismus erzeugt nicht nur das Bedürfnis nach Soziali⸗ sierung, sondern er schafft auch die Träger der Soziaälisierung, die Möglschkeiten der Sozialisierung. Sozialisierung ist aber nicht unter allen Umständen möglich. Das sollte für jeden Marxisten Binsen⸗ wahrbeit sein. Das Referat erläutert dann die einzelnen Formen, die die Sozialisierung mit dem Fortschreiten der kapitalistischen Wirtschaft angenommen hat. Wo Staatsbetriebe mit Privatbetrieben konkurrieren, seien sie immer unterlegen, die Produktion sei nicht ge⸗ steigert, sondern vermindert worden. Als ein weiteres Argument gegen die Verstaatlichung führt Kautsky dann das Verlangen der Arbeiter an, nicht nur eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage zu erreichen, sondern auch mitbestimmend auf den Gang der Produktion einwirken zu können. Keine Klasse, wurde in dem Referat weiter ausgeführt, kann sich auf die Dauer an der Herrschaft erhalten, wenn sie sich in Gegensatz zu den Konsumenten setzt. Das Konsumententum repräsentiert die Zukunft der Gesellschaft. Der Krieg hat die Teuerung aller Bedarfs⸗ artikel nur auf den Gipfel getrieben und damit die Revolution dringend nötig gemacht. Es geht nicht an, daß die Staatsgewalt alles Kapital an sich zieht, um es hernach durch die Regierungs⸗ bürokratie verwalten zu lassen. Die neue Organisation und die Sozialisierungskommission muß elastisch und anpassungsfähig gestaltet werden. Einmal ist die Sozialisierung eine Machtfrage; wenn das Kavpital nicht gutwillig sie durchführen will, so muß eben der Arbeiter durch seine geschlossene Kraft dem Untemehmertum sie aufzwingen. Wer die Sozialisierung beschleunigen wisl, muß darauf hinwirken, die Macht der Arbeiterräte zu stärken. Man kann aber nur. schrittweise vorgehen und nur Betriebe sozialisieren, die dazu wirklich reif sind. Bei den Kohlengruben bedeutet die Sozlalisierung leichte Arbeit, dasegen hat sie sich auf dem Gebiete der Landiwirtschaft zu einem schweren Problem ausgewachsen. Jede beendete Sozialisierung be⸗ deutet den Anfang einer neuen, und hat man erst einen Schritt getan, so sind die folgenden bedingte RNaturnotwendigkeiten. „Gofort zu sohalt eren“, ist ein verderbliches Schlagwort. Das Proletariat hat eine Geschicke in die eigene Hand genommen, und die alte Kapital⸗ berrschaft darf nicht wieder aufs neue befestigt werden. Die Haltung der Regierung erweckt den Eindruck, als ob sie nicht mehr gewähron

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Dieser Draug fördert zwar

will, als unbediagt nötig ist.

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Wir brauchen ein Sozialisierungamt, das vollkommene Bewegungsfreiheit hat in bezug auf die Enteignung⸗ Man sieht in der Nationalversammlung, wie schlecht unser allge⸗ meines Wahlrecht ist, denn sonst hätten wir keinen Ebert und keinem Noske betommen können. Gelingt es uns nicht, endlich eine Einig⸗ keit herbeizuführen, so sieht die Zukunft sehr dunkel aus, und man darf nur noch die Hoffnung hegen, daß endlich doch einmal die Ver⸗ nunft siegen wird. Karl Marx endigte sein Manifest mit dem Aufruf an das Proletariat: „Arbeiter aller Länder, vereinigt Euch! Wir aber müssen dem hinzufügen: „Proletarier Deutschlands, kommt endlich zusammen und laßt den alten läppischen Parterhader fallen!“

Kaliski bemerkte: Die Ausführungen Kautskys bieten dem Gegnern weiteste Angriffsflächen. Die Grundlage des Wirtschafts⸗ lebens ist die Produktion. Wenn dagegen der Einwand erhoben wird, daß der Arbeiter zugleich auch Konsument ist, so ist dies wohl Ficht. Aber der Arbeiter, der schafft, bildet die Grundlage alles wirtschaft⸗ lichen Lebens. Der Produzent ist also, wirtschaftlich und ethisch ge⸗ sehen, der Träger unseres ganzen Volkslebens. .

Am Nachmittag forderte Schulze⸗Hannover (Soldatenfraktion? Sozialisierung der Militärindustrie. Die fähigsten Köpfe der Unterossiziere und Mannschaften sollten in leitende Stellungen be⸗ rufen wetden. Alle Kriegsgewinne hätten von vornherein eingezogem werden müssen. Flügel (Demokrat) erklärte: Wenn die Regierung nur zögernd an das Problem der Soztalisierung herangeht, so sehen wir darin nicht eine Unterlassungsfünde, sondern ein tiefgehendes volkswirtschaftliches Verantwortungsgefübl. Wir sind nach wie vor gern berekt, soweit wir es für gut befinden, mit Ihren Genossen an dem großen Werke mitzuarbeiten und das neue Haus auf den Trümmern aufbauen zu helfen. Hilferding (U. Soz.) bemerkte: Win fordern von der Regierung die sofortige Inangriffnahme der Sozia⸗ lisierung. Kautsky sagt selbst, daß die Massen nicht warten wollen. Ich bitte Sie daher dringend, den Antrag über die sofortige Kommunalisierung anzuhehmen; denn nur diese tann uns den Frieden, den wir brauchen, und den Neuaufbau unseres Wirtschafts⸗ lebens bringen.

Die vorliegenden Anträge über die Sozialisierung und der Schul⸗ antrag wurden einstimmig angenommen und dem neugewählten Zentralrat zur weiteren Behandlung überwiesen.

Richmann erstattete darauf Bericht über die Arbeiten der Kommission, welche die Abschaffung der Soldatenräͤte bei den Armee⸗ korps zu behandeln hatte. Der Kongreß beschäftigte sich weiter mit den Anträgen zur auswärtigen Politik. Ein von den beiden sozialistischen Fraktionen einge⸗ brachter Antrag verurteilt die gegenwärtige auswärtige Polktik der Regierung, insbesondese die Politik, die Deutsch⸗ land in Verbindung mit Frankreich und Belgien und in einen Gegensatz zu England und Amerika bringen wolle. Die Polenpolitik wird als verfehlt bezeichnet, die sofortige Einstellung der Feindselig⸗ keiten gegen Rußland und der Rücktritt Erzbergers von der Waffen⸗ stillstandskommission gefordert. Den Antrag begründete Dr. Rosen⸗ feld⸗Berlin (U. Soz.). Kalis ki (Soz.) trat der Politik entgegen, die das deutsche Volk in einen Gegensatz zu Frankreich hineinheze. Der Demokrat Dr. Michaelis stellte sich auf den Boden des Völkerbundes und will auf eine Abstimmung in Elsaß⸗Lothringen nicht verzichten. Dem Ausland müsse man das Bild der Einigkeit zeigen. 1

Mit den Stimmen der beiden sozialistischen Parteien wurde der erwähnte Antrag angenommen; ein Antrag der Fecösäcüthen auf Abberufung aller Friedensvertreter, die durch ihre Kriegspolitik bloß⸗ gestellt wären, besonders des Reichsministers Dr. Dapid, wurde abgelehnt. Einstimmig angenommen wurde ein Antrag auf schleunige Veröffent⸗ lichung des Aktenmaterials über die Vorgeschichte des Krieges, die von den Unabhängigen gegebene Anregung der Entsendung einer Kommission nach Rußland zur Prüfung der dortigen Zustände dem neuen Zentralrat überwiesen.

Vor der Abstimmung über diese Anträge besprach Cohen⸗ Reuß die Rechtfertigungsschrift des Ministers Erzberger, die den wesentlichsten Teil seiner Anklagen nur bestätig. Dr. Driesen von der Waffenstillstandskommiͤsion wies den Vorwurf zurück, daß Minister Erzberger das deutsche Volk in der Frage der Lieferung landwirtschaftlicher Maschinen absichtlich irregeführt habe. Er be⸗ tonte, daß die Waffenstillstandskommission sofort nach ihrer Rückkehr nach Berlin die in der Presse zum Ausdruck gekommene falsche Auf⸗ fassung berichtigt habe, als ob Frankreich die Liefebung der in unserer Landwirkschaft verwendeten landwirtschaftlichen Maschinen verlangt hätte. Dann erfolgte die Wahl des Zenrralrats. Richard Müller verlas folgende Bedingungen, unter denen die Unabhängigen sich an einer Wahl beteiligen wollten: Der Zentralrat ist die höchste Instanz aller Arbeiter- und Bauernräte. Er besteht aus 28 Mit⸗ gliedern. Bei der Wahl sind alle Teile des Landes zu berücksichtigen. Der Zentralrat hat die Aufgabe, das werktätige Volk in einer Räte⸗ organisation zusammenzufassen, um mit deren Hilfe die Sozialisierung vorzubereiten und durchzuführen. Sobald die Arbeit des Zentralrats einen gewissen Abschluß erreicht oder Hemmungen erleidet oder die Hälfte der Mitglieder es verlangt, ist sofort ein Rätekongreß ein⸗ zuberufen. Diese Bedingungen wurden gut geheißen, der Antrag der Unabhängigen dagegen auf gleichmäßige Zusammensetzung des Zentralrats aus beiden sozialistischen Parteien mit 91 gegen 81 Stimmen abgelehnt. Da die Mehrheitspartei sich auch gegen die Verhältniswahl erklärte, beteiligten sich die Unabhängigen an der Wahl nicht. Es ging dann der rechtssozialistische Vorschlag durch, nur 21 Sitze im neuen Zentralrat zu besetzen und sieben den Unabhängigen freizuhalten. Gewählt wurden 16 Mehrheitssozialisten, darunter Cohen⸗Reuß, ferner zwei Mitglieder der Soldatenfraktion und von den Demokraten Lehrer Flügel⸗Berlin, von den Bauern und Landarbeitern Johannsen und Gewerkschaftssekretär We 9 . brenner⸗Duisburg (Christl. Gewerkschaft). Im An⸗ schluß daran wählte der Kongreß den vorläufigen Reichs⸗ soldatenrat (9 Mitglieder).

Nachdem Kaliski erklärt hatte, daß die Mehrheitspartei mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Angelegenheit Lede⸗ bours betreiben werde, wurde der Antrag Kaliskt auf Ueberweisung aller noch unerledigten Anträge an den Zentralrat angenommen. Dann wurde der Kongreß mit einer Schlußrede des Vorsitzenden und mit einem Hoch auf den menschheitsbefreienden Sozialismus geschlossen.

Das Inkrafttreten der von der Reichsregierung erlassenen Verordnung vom 4. April 1919 über den Eintritt der Friedeus⸗ gebührnisse für Unteroffiziere und Mannschaften des bisherigen stehenden Heeres ist laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ vom 11. April auf den 1. Mai d. J. ver⸗ schoben worden.

Obgleich die Frist zum Umtausch von Wechselstempel⸗ marken älterer Art bereits am 31. Dezember 1918 ab⸗ gelaufen ist, gehen dem Reichspostministerium, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt, aus Handelskreisen viele Anträge auf Umtausch zu. Da die festgesetzte Umtauschfrist auf einem Beschlusse des Bundesrats beruht, ist das Reichapost⸗ ministerium nicht in der Lage, verartigen Anträgen zu entsprechen.

Um mehrfach hervorgetretenen Zweifeln zu begegnen, wird von zuständiger Stelle darauf hingewiesen, daß zur Einreichung von Wahlvorschlägen für die Kreistagswahlen, seweit diese unmittelbar durch die Urwähler vorzunehmen sind,

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keine höhere Zahl von Unterschrifte

darf. Auch ist besondere darauf hingewirk

der Bestiimmung der Wahlräume und der Bestell unparteiisch vorgegangen wird.

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Die Münchener Garnison hat om Sonntag in den ersten Morgenstunden eine Proklamation in München an⸗ hees in der es dem „Wolfsschen Telegraphenbüro“ zu⸗ olge heißt:

Die gesamte Garnison Münchens in Verbindung mit den um das Wohl und Wehe des Proletariats besorgten Volksgenossen hat heute nacht den Zentralrat für abgesetzt erklärt. Heute werden die A⸗⸗ und „S.⸗Mäte zwecks Stellungnahme zur alten sozia⸗ listischen Regierung verfammelt. Arbeiter und Soldaten! Chr⸗ geizige, landfremde Agitaloren, die nur ihre eigennützige Politik verfolgten, haben unter Vorspiegelung der vollzogenen Einigung des Proletariats ihre selbstsüchtigen Zwecke verfolgt. Leuten wie Lipp und Wagner hat man Euer Geschick anvertraut. Lipp hat Eizner denunziert, Wagner die belgischen Arbeiter verraten. Heute steht Neka e abgeschnitten vom Lande, allein da. Es gilt unsere Rertung. Daher unterstützt die geser mäßige Regierung, die Ruhe schafft, Arbeit und Brot. Lebensmittelzüge stehen für München berett. Sichert Euch vor der Reaktion, indem Ihr die sozialistische Regierung unterstützt.

Die „Augsburger Neuesten Nachrichten“ melden über die letzten Vorgänge in München: 1

Am Sonntagnachmittag, fand eine Kundgebung kommunistischer Arbeiter und Truppen auf der Theresienwiese statt. In den späten Nachmittagsstunden unternahmen die Spartakisten einen Angriff auf den Bahnhof, der von der ersten Abteilung der republikanischen Schutz⸗ truppe besetzt war. Auf den drei Stadtseiten des Bahnhofes hatten sich allmählich bewaffnete Massen der Roten Armee, des 1. Infanterie⸗ regiments und anderer Truppenteile angesammelt. Die Beschießung des Bahnhofes erfolgte mit Gewehren und Maschinengewehren, wobei es zahlreiche Tote und Verwundete gab, insbesondere dadurch, daß die Passanten des Bahnhofplatzes von der Schießerei völlig überrascht wurden. Als der Angriff mit Maschinengewehren keinen Erfolg versprach, wurden drei Minenwerfer aufgefahren. Da der Verteidigung des Bahnhofs nur Maschinengewehre und Handgranaten zur Verfügung standen, war ihre Lage durch die

ätigkeit der Minenwerfer 888 geworden. Gegen 10 Uhr erfolgte der allgemeine Sturm auf den Bahnhof, bei dem es den Angreifern gelang, in den Bahnhof einzudringen, worauf die Be⸗ satzung, die unter der Beschießung schwer gelitten hatte, sich er⸗ geben mußte. Im Triumphzug wurde der Bahnhofskommandant Aschenbrenner die Neuhauserstraße hinaufgeführt, um angeblich er⸗ schossen zu werden. In der Nacht wurde in kurzer Folge die Stadt⸗ kommandantur, das Hauptquartier der Republikanischen Schutztruppe, söowie die anderen öffentlichen Gebäude Münchens und die Kasernen von ver Republikanischen Schutztruppe besetzt. Ganz Na e war Ue früh in den Händen der Spartakisten. Der Generalstreik wurde erklärt. Der Bahnhofplatz war von Mann⸗ schaften der Roten Armee abgesperrt. In der Stadt war verhältnis⸗ mäßige Ruhe. Der Zugverkehr ist eingestellt.

Der Augsburger Korrespondent des „Wolffschen Tele⸗ graphenbüros“ fügt hinzu, zuverlässige Nachrichten seien bei dem Mangel an jeder Verbindung mit München nicht zu erlangen. Der A.⸗ und S⸗Rat erklärte auf Anfrage, keine Kenntnis über die Vorgänge in München zu haben.

Der Augsbhurger Arbeiter⸗, Soldaten⸗ und Bauernrat hatte eine Massenversammlung einberufen, um zur Räterepublek Stellung zu nehmen. Emie vach Tausenden zählende Menge hatte sich eingefunden. Vier Gewerkschafts⸗ führer und Arbeiterräte begründeten die Unmöglichkeit der Auf⸗ rechterhaltung der Räterepublik und teilten mit, daß eine Augs⸗ burger Abordnung in Bamberg mit der Pefterung Hoffmann verhandelt habe, die Bedingungen stellte: 1. Die Augs⸗ burger arteigen ssc ind bereit, den Beschluß auf Anschluß an die Räterepublik rückgängig zu machen. 2) Sie sind bereit, auf die Ausuͤbung der Pressezensur und die Festnahme von Geiseln zu verzichten. 3) Der Magistrat und das Gemeinde⸗ kollegium werden wieder in ihre bisherigen Rechte eingesetzt. Die aes ee der revolutionären Bankräte wird aufgegeben und dem Beschluß der Regierung auf Errichtung einer Volks⸗ wehr auf neuer Grundlage unter der Kontrolle einer Re⸗ gierungsstelle zugestimmt. Die Forderungen kämen einer un⸗ bedingten Kapitulation gleich, aber die Macht der Tatsachen losse keine Wahl zu. Die Forderungen wurben mit üher⸗ wältigender Mehrheit angenommen.

Nach Meldungen des „Wolffschen Telegraphenbüros“ sind bei den Unruhen am Sonnabend zwei Personen getötet und zehn schwer verletzt worden. Die Leiche des ermordeten Ministers konnte bis jetzt nicht aufgefunden werden. Die von der Reichsregierung zur Aufrechterhaltung der Ordnung ent⸗ sandten Truppen sind eingetroffen und in der Umgehung von Dresden untergebracht worden. In Dresden herrschte gestern vollkommene Ruhe. w1“ 8

Bei der vorgestrigen Volksabstim mung wurde die Verfassung laut Meldung des „Wolffschen Telegraphen⸗ büros“ mit 355 000 gegen 20 000 Stimmen angenommen. Für die Fortsetzung der Nationalversammlung als Landtag slimmten 355 000, dagegen 21 000. Die Bezirke Kehl und Konstanz fehlen noch. Die Stimmbeteiligung betrug 30 bis

Prozent. 1b M. vns Braunschweig. 8

G nh Braunschweig dauert der Generalstreik an. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ berichtet, haben die Unternehmer den Streikenden die Forderung gestellt, die Arbeit am Montag wieder aufzunehmen, widrigenfalls sie ihre Betriebe bis acht Tage nach Ostern geschlossen halten würden. Die Vertreter der streikenden Arbeiter haben daraufhin beschlossen. im Generalstreik zu beharren. Der Beamten⸗ und Bürgerstreik dauert ebenfalls unverändert fort. Dem Beamtenstreik haben sich am Freitag auch die städtischen Beamten angeschlossen. In einer vom Orts⸗ arbeiterrat einberufenen Versammlung erklärten die Delegierten, daß der Streik solange dauern werde, bis die Arbeiterschaft den Generalstreik beigelegt habe. Die ebenfalls in den Aus⸗ stand getretenen Postbeamten hielten unter freiem Himmel eine Versammlung ab, um öffentlich festzustellen, weshalb sie in den Streik getreten sind. Als Gründe wurden angegeben: die Vergewaltigung des Vorstehers des Bahnpostamis, Be⸗ nwohung eines Unterbeamten mit dem Revolver durch Leute der Arbeiterwehr und die gewaltsame Entfernung eines Unter⸗ beamten vom Bahnsteig. Die Versammelten erklärten ihre Solidarität mit den übrigen Beamten und lehnten jede Einzel⸗ handlung ab. Der Streik würde nicht eher beigelegt, als bis der Generalstreik abgehrochen wird.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha

In der gestern vormittag in Gotha begennenen gemein⸗ samen Sitzung der Landesversammlungen der Frei⸗ staaten Coburg und Gotha wurde, wie „Wolffs Tele⸗ graphenbüro“ berichtet, der Entwurf eines Staggts⸗ vertrags über die Vermaltung der gemeinschaft⸗ lichen Angelegenheiten der beiden Freistaaten angenommen. In § 1 wird gesagt: „Die Freistaaten Coburg und Gotha regein ihre Angelegenheiten unabhängig voneinander durch die von ihnen bestimmten Organe, insbesondere bestimmen sie selbständig über ihre künftigen staatlichen Geschicke und die ihrer Gebietsteile.“ Im weiteren Teile des Staualsvertrags sind die gemeinsamen Angelegenheiten geregelt, die solange zu gelten haben, bis nach der Reichsverfassung beide Staaten als ein Stäaat zu gelten haben. 1b

Der Premierminister Lloyd Georg

aus Paris in London eingetroffen.

I Frankreich.

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Der von der „Agence Havas“ veröffentlichte Bericht über die diplomatische Lage wiederholt und ergänzt die Angaben über die Regelung der Saarfrage dahin, daß Frankreich das dauernde Eigentum an den Kohlenbergwerken haben wird und daß die französischen Gesetze dort maßgebend sein werden. Deutschland wird verantwortlich bleiben für alle mit Bezug auf die Bewohner des Landes eingegangenen Verpflichtungen, soweit ihre Rechte nicht durch das französische Gesetz anerkannt werden. Frankreich soll die Polizeirechte ausüben, die Staaishoheit aber dem Völker⸗ bunde zustehen, der die Berwaltung des Gehietes einer Art Direktorium von fünf Mitgliedern, nämlich einem Landesangehörigen, einem Franzosen und drei vom Völkerbunde zu Ernennenden, übertraßen wird. Die Ein⸗ wohner des Saarngebieis werden alle ihre politischen Rechte auf Wahlen zu örtlichen Körperschaften behalten, aber keine Abgeordneten in das deutsche Parlament senden. Dieser Zustand soll 15 Jahre dauern, nach deren Ablauf die Einwohner das Recht haben sollen, über ihre weiteren politischen Verhälmisse durch Volksabstimmung zu entscheiden. Falle sie den Willen äußern, unter der Verwaltung ihres Heimatlandes zu bleiben, wird Deutschland Frankreich die Bergwerke ab⸗ kaufen müssen, welches setzt deren volles Eigentum als Ersatz aller von dem Feinde im nordfranzösischen Kohlen⸗ gebiet angerichteten Schäden erhält; der durch Sachperständige festgestellte Preis soll in Gold oder gleichmürdigen Werten er⸗ legt werden. Diese durchaus neuartige Regelung nat ihren Ursprung in der Anwendung der Grundsätze des Völkerbundes und entspricht einerseits den Grundsätzen der Alltierten, ins⸗ besondere dem Selbstbestimmungsrecht der Völker; andererseits werden die materiellen Interessen Frankreichs auf diese Weise voll gesichert. Von dem gestern bereits genannten Deckungs⸗ betrage von 125 Milliarden Franks werden 55 vH Frankreich zu⸗ fallen, alles in Gold, Rohstoffen, Waren oder marktgängigen Werten in Jahreszahlungen zahlbar, deren Mindeficeag im Vertrage festgelegt werden wird Deutschland wird die Entschädigungen und Wiedergutmachungen vas den Anschlägen erstatten, denn es ist unmöglich, angesichts der Preisschwankungen für Roh⸗ stoffe und Arbeitsleistung jetzt schon einen Pauschbetrag gnzu⸗ geben. Schließlich werden die Pensionen der französischen Militärpersonen, welche jährlich 4 Milliarden Franks erreichen, Deutschland zur Last fallen. Die Frankreich gegen einen neuen Angriff Deutschlands gewährten Sscherheiten waren von neuem Gegenstand von Erörterungen des Rates der Vier, der eine rasche Erledigung der Angelegenheit wünscht und daher Sonntag Nachmittag lange getagt hat. Der französische Standpunkt in dieser Hinsicht ist sehr einfach. In miliitärischer Hinsicht wird das linke Rheinufer neutralzsiert werden und Deutschland wird nicht das Recht haben, dort Truppen und Festungswerke zu unterhalten; mit einem Wort, kein Mittel zu einem strategischen Vorgehen. In politischer Hinsicht bleibt die Souveränität Deutschlands unangetastet. Diese Art einer militärischen Servitut ist zeitlich nicht degre Die tat⸗ sächliche Besetzung der Rheinlinie wird, wie es scheint, ausschließlich durch französische Truppen gesichert werden, welche die Brückenköpfe und die Eisenbahn⸗ knotenpunkte besetzt halten werden. Schließlich ist auf dem bv2 Rheinusfer die Bildung eines neuen militärisch neu⸗ tralen Abschnittes in einer Breite von 50 km zu erwarten. Diese letzte Mußnahme ebenso wie die Besetzung der Rhein⸗ brücken ist nur zeitweilig und wirh nur 15 Jahre dauern. Sie wird in Krast bleiben während der Ausführung der den Heutschen auferlegten sinanziellen Verpflichtungen. Unsere Truppen werden staffelweis entsprechend den geleisteten Zahlungen zurückgezogen werden. 1

Der Vertrag wird noch die Möglichkeit geben, die Ein⸗ schränkung der deutschen Nüstungen und die Begrenzung des Kriegsmaterials zu kontrollieren. Alles dieses wird nicht mur durch die Liga der Nationen, sondern durch die Bündnisse zwischen den großen Mächten gewährleistet werden. Die West⸗ grenze Deutschlands und die Linienführung der Ostgrenzen ist geregelt, einschließlich der Danziger Frage, für welche die Ent⸗ scheidung im Prinzip schon festgelegt ist. Die Frage der Ent⸗ schädigungen ist in ihren Grundzügen schon gelöst. Die redaktionelle Füsung schreitet fort. In jeder Hinsicht hofft man, im Verlauf dieser Woche mit den Fragen, die Deutsch⸗ land angehen, abzuschließen. 5 b

Spanien.

Nach einer Reutermeldung hat das Kabinett lassungsgesuch eingereicht. ö“

Afien.

Nach dem Reuterschen Büro berichten Telegramme des Vizekönigs von Indien, daß am in Punjab (Fünf⸗Stromland) und in Bombay Unruhen stattgefunden haben, die auf Agitation gegen die Aufruhrgesetzvorschläge urückzuführen sind. In Amritger kam es zu ernsten Zu⸗ ammenflößen, wobei fünf beropler und dreißig Aufrührer hen wurden. Truppen stellten die Ordnung wieder her.

Ahmedahad steckte der Mob verschiedene Päuser in Brand. zuch dort sind einige Todesopfer zu beklagen. In Lahore

(Hossen die Truppen auf die Menge und töteten drei Personen. Is Hembay find aleichfalls Unruhen gusgebrochen, die durch

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Kavallerie unterdrückt werden. Die meisten Geschäfte sind go⸗ schlossen. Aus anderen Gegenden Indiens sind keine Nach⸗ richten über Unruhen eingetroffen.

Afrika. Die Unruhen in Aegnypten beginnen, dem „Daily Telegraph“ zufolge, religiösen Charakter anzunehmen. 6

Parlamentarische Nachrichten.

Die deutsche Nationalversammlung hat einen (9.) Ausschuß für die Friedensverhandlungen ge⸗ bildet. setzt sich nach einer Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ zusammen aus dem Präsidenten der Nationalversanmmnlung, den drei Vizepräsidenten der National⸗ versammlung und 28 Mitgliedern aller Parteien: Fehrenbach (Zentrum), Vorsitzender, Schulz⸗Ostpreußen (Soh),, stel⸗ vertretender Vorsitzender, Dietrich⸗Potsdam (Deutschnational), ET“ rat); Soztaldemokraten: Krätzig. Löbe, dolkenbuhr, Müller⸗Breslau, Frau Röhl⸗Cöln, Frau Schilling, Schumann, Dr. Sinzheimer, Stock, Vogel, Wels; Zentrum: Ehrhardt, Groeber, Dr. Heim, Dr. Mayer⸗Schwaben, Dr. Spahn, Frimborn; Demokraten: Falt (Schriftführer), Dr. Hermann⸗ Posen, Dr. Quidde, Freiherr von Richthofen, Dr. Wie land: Deutschnationale Volkspartei: Kraut (Schriftführer), Dr. Graf von Posadomwsky⸗Wehner, D. Traub; Deutsche Volkspartei: Dr. Stresemann; Unabhängige Sozial⸗ demokraten: Geyer⸗Leipzig, Haase⸗Berlin.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Verteuerung wichtiger Lebensmittel und Haus bedarfsartikel in Frankreich.

Die Einkaufsgenossenschaft der französischen Gastwirte hat ien Januar d. J. über die Verteuerung verschiedener Waren, die zum Lebensunterhalt unentbehrlich sind, eine Uebersicht aufgestellt, deren Ergebnisse im „Matin“ mitgeteilt werden. Wie diesem das „Reichs⸗ arbeitsblatt“ entnimmt, ist der Preis der Kohle für den Küchen⸗ gebrauch von 42 Fr. für 1000 kg im Jahre 1914 auf 180 Fr. i. F. 1917, der Preis von 1 kg Kerzen von 0,00 Fr. i. J. 1914. auf 4 Fr. i. J. 1918, der von 1 i Filetfleisch von 4 Fr. i. 8 1914 um 10 Fr. i. J. 1918, für Kalbfleisch von 1 Fr. auf 5,e0 Fr. und für Hammelfleisch von 0,25 auf 1,*0 Fr. i. J. 1918 gestiegen. Der Preis von 1 kg Zucker erhöhte sich von 0,218 Fr. im Jahle des Kriegsausbruchs auf 2,70 Fr. Die entsprechende Menge Zuckerwaren stieg im Preise von 2,76 auf 9,10 Fr. Der Preis von 1 Erdnußöl stellte sich 1914 auf 1,, 1918 auf 7 Fr.; 1 1 Weine sig kostete bei Kriegs⸗ ausbruch 0,ℳ8, am Ende des Krieges 3 Fr.; der Preis von 1 kg Sals stieg in der gleichen Zeit von 0,234 auf 1 F Der Preis von Fischen (colin) hat sich von 1,2 Fr. für das Kilogramm auf 7 Fr. ver⸗ teuert; der Preis von 100, kg. Muscheln erhöhte sich von 9 guf 120 Fr. Seife ist von 35 Fr. für je 100 kg auf 350 und 400 Fr. im Preise gestiegen.

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Ueber die Erhöhung der Landarbeiterlöhne in Frankreich von 1914 bis 1916 und in England von 1914 bis 1917

gibt die „Internationale Agrarökonomische Rundschau“ (2. Tahrg, Heft 9/10) auf Grund einer Umfrage des französischen Landmirt. schaftsministeriums, deren Ergebnisse in „La Main de'oeupre agrioole’ Fahrg. 14, Nr. 216) veröffentlicht sind, und nach der „Labout

azette“ (Bd. 25, Nr. 7) eine Zusammenstellung, deren Hauptzahlen im „Reichsarbeitsblatt“ wiedergegehen werden. Danach haben sich die Durchschnittslöhne der Arbeiter ohne Beköstigung für ganz Fr. ankreich von 3, 48 Fr. im Jahre 1914 auf 5,1„ Fr. im Jahre 1916 erhöht. Die Durchschnittslöhne der Kost empfangenden Arbeiter sind von 2,22 auf 3,52 Fr. gestiegen. Die Durchschnittserhöhung veee; löhne beträgt von 1914 bis 1916 bei den Löhnen ohne Kost 50, *9, bei den Löhnen mit Kost 57,8 vH. Die durchschnittliche Ahnahme der Arbeiterzahl in der gleichen Zeit stellt sich auf 58 pH, die der Arbeitsleistung auf 30 vvd. In Großbritannien sind die stärksten Lohnerhöhungen in der Zeit von Jannar 1914 biß Januar 1917 in den Grafschaften Durham, Flint und Merioneth erfolgt. In Durham stellte sich der durchschnittliche bare Wochenlohn für die gewöhnlichen Landarbeiter ohne Kost 1914 auf 20 sh. 9 d. und stieg bis 1917 auf 28. sh. 10 d.; in Lancashire erhöhte sich der Lohn vpon 20 sh. 5 d. auf 27 sh. 7 1., in Flintsbire wie in Merionethshire von 17 sh. 9 d. auf 26 sh. 3 9. Nur in 7 Grafschaften von England und Wales hat die Erböhung des Wochenlohns weniger als 5 sh. betragen. In 30 Grafschaften bielt sie sich zwischen 5 und 7 sh., in 13 Grafschaften überstieg sie 7 fh. Außer den wöchentlichen Bargeldlöhnen sind auch die Neben⸗ einkünfte gestiegen. Ebenso mußten die Sätze für Akkordlöhne und die Zuschüsse für Erntearbeiten gesteigert werden. S zass

Zur Arbeiterbewegung.

Eine Abordnung der ausständigen Perliner Bankangestellten ist, wie der „Berl. Lok.⸗Anz. berichtet, gestern nach Weimar abgereist, um mit dem Reichsarbeits⸗ minister Bauer Verhandlungen über die Beilegung des Aut⸗ standes zu Führem Heute sollte sich ferner eine Aborvnunz der Bankenvereinuigung zum begeben. Die Streikführer der F. r ten denken an den Brluß emes Nötgesetzes’ wegen des itbestimmungsrechten. Auch Vertreler des Verbandes Berliner Metall. industrieller sowie des Arbeitgeberverbandetz des Ginzelhandels Berlins begeben sich nach Weimar. Bei den Ginigungsverhandlungen im Ausstand der Angestellten der WBerliner Banken und der Berliner Metall⸗ industrie vor dem Berliner Vollzugsrat gaben, wie dasselbe Blatt berichtet, die Vertreter des Verbandes der Metallindustriellen folgende Erklärun ab: „Die Vertreter des Verbandes Berliner Metallindustrieller sind in der Lage und bereit, ihre grundfätzliche und bindende Erklärung zu der Forderung des Mitbestimmungsrechtes bei Kündigungen und Ent⸗ lassungen abzugeben. Der Ausschuß ist berechtigt, bei Kündigungen von Angestellten mit einem Gehalt von weniger als 10 000 Ein⸗ spruch zu erheben. Der Angestelltenausschuß ist ferner be⸗ rechtigt, der Kündigung zu widersprechen, wenn wichtige Gründe ihr Hncgecescteben, oder wenn die Entlassung als eine unberechtigte Härte erscheint. Ist ein Einvernehmen nicht zu erzielen, so hat der eg is tang8ne zu ent. scheiden. Zu der Forderung des Einspruchsrechts bei Einstellungen wird empfohlen, die Erledigung dieses Punktes einer paritätischen Kommission zu übergeben.“ Heute vormittag sollten die Obmänner den Angestellten der ausständigen sowohl wie der bisher noch 858 ausständigen Betriebe die Erklärung vorlegen. Vhn den schließungen dieser beiden Versammlungen hängt es ab, ob ein Generol⸗ ensstand aller Angestellten verkündet wird. WW

Bei r Ginkgungtverhandlungen Hirektsren vder FA.In: Banken und den der Bankbeamtenperbände erklärten sich, „W. . B.“ iu⸗ folge, die Vertreter der Eereee Bankleitungen berzit, as Mit- bestinnungzrecht der Angestellten bei Kündicungenz

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