1919 / 89 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 17 Apr 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Duisburg. Vom Bauernbund: Johannsen⸗Leusahn. Von den Demokraten: Flügel⸗Berlin.

Der Zentralrat wählte außerdem einen engeren Arbeits⸗ ausschuß von 9 Personen, der aus den Mitgliedern Cohen, Faaß, Grzesinski, Knoblauch, Neue, Schäfer, Schimmel, Zwosta und Flügel besteht.

Der Soldatenvertreter Scholz soll vorläufig diesem Neuner⸗ ausschuß zur Erledigung soldatischer Angelegenheiten solange beigeordnet werden, bis die Entscheidung über den Reichs⸗ soldatenrat gefallen ist. Der Aktionsausschuß von 9 Mit⸗ gliedern wird alle Geschäfte des Zentralrats führen. Sein Sitz ist nach wie vor im ehemaligen preußischen Herrenhause. Plenarsitzungen des gesamten Zentralrats sollen nach Bedarf stattfinden. Man wird wohl mit regelmäßigen Sitzungen alle 4 Wochen rechnen können.

Der Zentralrat hat ferner in Aussicht genommen, in regelmäßigen Zeitabschnitten ein Mittetlungsblatt erscheinen zu lassen. h vb“

Aus dem Sitzungsbericht der Waffenstillstands⸗ kommission in Spa vom 15. April teilt „Wolffs Tele⸗ graphenbüro“ folgendes mit:

Der General Kreß ist, wie die Alliierten mitteilten, in Kon⸗ stantinopel interniert worden. Er soll als Geisel zurück⸗ behalten werden, weil er vor seiner diplomatischen Mission im Kaukasus ein militärisches Kommando in der Türker innehatte. Die Nachrichten über seine Verwundung sind unrichtig. Nachrichten über den Grafen Schulenburg sind nach einer weiteren englischen Mittetlung noch nicht eingetroffen.

Der belgische Vorsitzende teilte mit, daß bis auf weiteres im Interesse der öffentlichen Gesundheit jede Umbettung von Soldatenleichen auf Privatantrag verboten worden sei. Die belgische Regierung werde später die Zusammenlegung deutscher und bpbellgischer Einzelgräber auf besondere Militärfriedhöfe selbst in die

Hand nehmen und die deutschen Friedhöfe bis zum Erlaß einer inter⸗ nationalen Vereinbarung pflegen.

Der Voꝛsitzende der alliierten Unterkom mission in Wiebaden

für Rückerstattung des aus Frankreich und Belgeen

fortgeführten industriellen Materials war vom

Marschall Foch ermächtigt worden, auch über die Rückgabe von land⸗ wirtschaftlichem Material, Pferden, Vieh, Möbeln, Hausgerät und Eisenbahnmaterial zu verhandeln. Die deutsche Regierung ließ heute erklären, die deutschen Vertreter in Wiesbaden könnten nur über

Materien verhandeln, über die ein Abkommen im Waffenstillstands⸗ vertrag getroffen worden sei. Andere Materien müßten den Friedens⸗ verhandlungen vorbehalten bleiben.

Der Schlußtermin für die Anmeldung des auf Grund

der Verordnung vom 28. März 1919 (Reichsgesetzblatt Nr. 70 Seite 349) beschlagnahmten Industriematerials, das

aus den von deutschen Truppen besetzt gewesenen Gebieten Belgiens oder Frankreichs von deutschen militärischen oder Zivilbehörden oder von einzelnen deutschen Privat⸗ personen aus irgendeinem Grunde entfernt wurde, ist der

20. April 1919.

Alle diejenigen, welche mit Beginn des 31. Januar 1919 Eigentümer, Besitzer oder Gewahrsominhaber des bezeichneten Industriematerials gewesen sind, und desgleichen alle, die zu

irgendeiner Zeit Eigentümer, Besitzer oder Gewahrsaminhaber

dieser Gegenstände gewesen sind und sie zerstört oder ins Aus⸗ land verbracht haben, müssen spätestens bis zum 20 April

1919 eine Anmeldung einreichen bei der Reichsentschädigunge⸗ kommission, Maschinenabteilung, Berlin W. 10 (Viktoriastc. 34).

Für alle weiteren Ein⸗elheiten der Anmeldung und nament⸗

lich für die schwveren Strafbestimmungen im Falle des Unter⸗ lassens rechtzeuiger Anmeldung wird von der deutschen Waffen⸗ stillstandskommission nochmals aufmerksam gemacht auf die oben erwähnte Verordnung vom 28. März 1919 sowee auf die

öffentliche Bekanntmachung der Reichsentschäbigungskommission vom 4. April 1919, und ferner auf die Bekanntmachung des

Reichsschatzministers vom 31. März 1919 (Deutscher Reichs⸗

anzeiger vom 1. April 1919 Nr. 75, Seite 2). *

8 8 b eö“

In einem am 12. April an die Preußische Staatsregierung gerichteten Telegramm hat der Oberste Polnische Volks⸗

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S.

at in Posen, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, Klage

darüber geführt, daß die Polen jenseits der Demarkations⸗ linie verfolgt und in Massen interniert würden, daß sie in den Gefangenenlagern schlecht behandelt würden, daß der Gebrauch der polnischen Sprache verboten wäre und daß Verurteilungen von Polen zu schweren Gesängnisstrafen wegen ihrer nationalen Ueberzeugung ausgesprochen würden. Das Kommissariat des Obersten Polnischen Volksrats in Posen, so hieß es in dem Telegramm weiter, habe daher zu Vergeltungs⸗ maßnahmen gegriffen, indem es folgende deutsche Bürger internierte: Die Notare Fahle und Kirschner, den Kommerzien⸗ rat Stiller, den Justizrat Leviseur, den Regierungsrat Schu⸗ mann, den Bürgermeister Heyking, den Vizepräsidenten der Ansiedlungskommission Both, den Fabrikbesitzer Paulus, den Großhändler Franz Peschke, den Leutnant Robert Klein, den Leutnant Hans Müller, den Hauptmann Gambke, den Kriegs⸗ gerichtsrat Harry Jordan, den Pfarrer Hänisch, den Haupt⸗ mann Stein, den Provinzialversicherungsrat Cäsar Kalkowski und den Direktor Michalowski. Weitere Verhaftungen und Internierungen wurden in Aussicht gestellt. 8 In einem Funkspruch an den Obersten Polnischen Volks⸗ rat in Posen hat die Preußische Staatsregierung, obiger Quelle zufolge, am 14. April diese Anschuldigungen als jeder Grundlage entbehrend zurückgewiesen, mit dem Hinzufügen, daß Strafen nur die den ordentlichen Ge⸗ richten und Kriegsgerichten überwiesenen und wegen Ver⸗ gehen oder Verbrechen verurteilten Personen zu erwarten haben. Eine freie öffentliche Betätigung in nationalpolnischem Sinne könne allerdings so lange nicht geduldet werden, als die Deutschen an der freien Ausübung ihrer Rechte im besetzten Teile der Provinz Posen verhindert werden. Dagegen sei in Oberschlesten für amtliche Bekannt⸗ machungen neben der deutschen die polnische Sprache zur Einführung gelangt. Alle Ausnahmegesetze gegen die Polen seien aufgehoben. Die Geisespolitik sei von Preußen langst verlassen und keine polnische Geisel befinde sich heute mehr in deutschem Gewahrsam.

Die Preußische Regierung betont am Schluß, daß sie trotz Abbruches der Verhandlungen in Posen auch heute noch bereit sei, bei vollster Gegenseitigkeit über Internierten⸗ und Ge⸗ venoen nfreee zu verhandeln, sie verlange aber bis zum 17. April, abends 7 Uhr, befriedigende Erklärungen

Freilassung der im polnischen Gewahrsam befiadlichen deut⸗ schen Geiseln, andernfalls würde sie schärfste Gegenmaßregeln ergreifen.

Auf einen Bericht über die großen deutschen Kund⸗ gebungen gegen die polnischen Ansprüche auf Danzig und Westprenßen ist von der Regierung folgendes vom Reichsminister Erzberger unterzeichnetes Telegramm beim Generalkommando in Danzig eingegangen:

Deutsche Regierung hat vierzehn Punkte Wilsons angenommen und wird nur auf dieser Basis unter Ablehnung aller Versuche von darüber hinausgehenden Uebergriffen verhandeln. Reichsregierung wird alles Erdenkliche tun, um deutschen Besitz ungeschmälert zu erhalten. Was deutsch ist, muß deutsch bleiben.

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Auf Aufforderung der Leitungen sämtlicher politischer Parteien einschließlich der unabhängigen Sozialdemokratie ver⸗ sammelte sich die Einwohnerschaft der Stadt Torgau auf dem Marktplatz zu einer gewaltigen Kundgebung. Die Versammlung erhob schärfhen Einspruch gegen einen Frieden der Vergewaltigung, wie ihn unsere Feinde dem deutschen Volk aufzwingen wollen, und verlangte für das deutsche Volk einen Frieden auf Grund der 14 Punkte Wilsons und demgemäß Rückgabe seiner Kolonien. Nur im Vertrauen auf einen solchen Frieden habe das deutsche Volk die Waffen niedergelegt! Nur ein solcher Frieden verheiße dauernden Be⸗ stand und vermöge die selbstverständlichen Forderangen des deutschen Volkes zu ersüllen: Das Recht auf Leben und die Gleichberechtigung mit anderen Völkern. 8

Nach einer Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“

Magdeburg teilte der Volksbeauftragte Sepp Oerter vor⸗ genern dem General Maerker telephonisch mit, daß Ver⸗ treter der Braunschweiger Regierung in Magde⸗ burg eintreffen würden, und bat, den Einmarsch der Re⸗ gierungstruppen möglichst zurückzuhalten. Demgegenüber hat der „Magdeburgischen Zeitung“ zufolge der General Maerker erklärt, daß er die Vertreter der Braunschweiger Regie⸗ rung nicht mehr empfangen könne. Die Braunschweiger Regierung könne die Bedingungen, die er auf Befehl der Reichsregierung zu stellen und durchzuführen habe, in Helm⸗ stedt in Empfang nehmen. Die Forderungen der Reichs⸗ regierung betreffen Entwaffnung der Bevölkerung, Auflösung der Volksmarinedivision und der Volkswehr und Aufstellung von neuen Freiwilligenverbänden aus Nur⸗Braunschweigern. Außerdem hat General Maerker den Auftrag, die bisherige Regierung in Braunschmweig abzusetzen und eine neue Re⸗ gierung entsprechend der Zusammensetzung der Landesversamm⸗ lung einzurichten. Auch der Braunschweiger Arbeiterrat soll aufgelöst werden.

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Die Preußische Regierung hat laut Meldung des „Wolff⸗ schen Telegraphenbüros“ unterm 15. April 1919 die nach⸗ tehenden Bestimmungen über die Errichtung von Ein⸗ wohnerwehren beschlossen, welche an die Stelle des Runderlasses des Ministers des Innern vom 18. März 1919

treten. Ziffer 10 erforderlichen Anordnungen zu treffen:

Bestimmungen 3

über die Errichtung von Einwohnerwehren:

Gegen die mit der schweren Lebensmittelnot zunehmende Unsicher⸗ heit in Stadt und Land, gegen die aus dem Anwachsen des Ver⸗ brechertums entstehende gröͤßere Gefahr für Leben und Eigentum, gegen bewaffneten Aufruhr, Plünderungen und Banrendiebstahl sich selbst zu schützen, ist Pflicht und Recht der Einwohner des Staats. b

Für diesen Selbstschutz sind wo die Verhältnisse es erfordern und, soweit tunlich, in möglichster Anlehnung an schon bestehende ähnliche Einrichtungen Einwohnerwehren zu bilden.

Die Organisation dieser freiwilligen Schutzwehren soll sich den örtlichen Verhältnissen und Bedürfnissen anpassen, jedoch müssen in jedem Falle die nachstehenden grundsätzlichen Gesichtspunkte Anwendung finden: 1

1) Die zum Zweck des Selbstschutzes geschaffenen Einwohner⸗ wehren sollen sich aus allen Schichten der Bevölkerung zusammen⸗ setzen und in ihren Reihen jede gegensätzliche Betätigung politischer Richtung oder wirtschaftlicher Interessen ausschließen.

2) Die Bildung der Einwohnerwehren erfolgt durch die ört⸗ lichen Kreis⸗ und Gemeindebehörden unter Mitwirkung der A.⸗ und der B.⸗ und L.⸗Räte.

3) Bei der Bildung von Einwohnerwehren zum Schutz größerer industrieller Werke oder landwirtschaftlicher Güter sollen vor he die Arbeiter und Angestellten der Werke oder Güter beteiligt werden.

4) Die Mitglieder der Einwohnerwehr müssen möglichst über 24 Jahre alt und vertrauenswürdig sein. Auf die Beteiligung er⸗ probter Feldzugsteilnehmer ist wegen ihrer Vertrautheit mit den neuen Nahkampfmitteln besonderes Gewicht zu legen. Bei der Aus⸗ wahl und bei der Bewertung der Vertrauenswürdigkeit sollen die örtlichen Berufsorganisationen, Gewerkschaften und Gewerkschafts⸗ kartelle zur gutachtlichen Aeußerung herangezogen werden. Durch die ihnen beiwohnende Personenkenntnis werden sie hierbei wertvolle Hilfe leisten können. 1

5) Die Mitglieder der Einwohnerwehren müssen sich bei ihrem Eintritt durch Handschlag verpflichten, der republikanischen Staats⸗ form und der vom Volke gewählten Regierung ihre treuen Dienste zu widmen und die vom Volke gegebenen Gesetze und die öffentliche Ordnung nötigenfalls mit Waffengewalt zu verteidigen. Ueber diese Verpflichtung ist eine Niederschrift auffunehmen und von den Mit⸗ gliedern zu vollziehen. Wer diese Erklärung nicht abgeben will, darf nicht aufgenommen werden.

6) Die Mitglieder der Einwohnerwehr wählen ihre Führer selbst; ihnen sind sie im Dienst zum Gehorsam verpflichtet. 8

7) Die Einwohnerwehren halten Appelle ab. Die Mitglieder sind vet gichet daran teilzunehmen. Auf die Berufsarbeit der Teil⸗ nehmer ist Rücksicht zu nehmen.

8) Der Dienst in der Einwohnerwehr ist ehrenamtlich, jedoch soll auf Antrag der durch die Teilnahme am Dienst und an den Appellen nachweislich entgangene Arbeitsverdienst erstattet werden.

9) Für die entstehenden Unkosten hat die Gemeinde einzutreten, in deren Interesse die Wehr errichtet wird. Die Versicherung der 88. aa. gegen Dienstbeschädigung bleibt besonderer Regelung vor⸗

ehalten.

10) Die Einwohnerwehren sind dem Oberpräsidenten unterstellt. Der Oberpräsident hat zu prüfen, ob eine Einwohnerwehr den Richt⸗ linien dieses Erlasses entspricht und ob ihr Waffen auszuhändigen sind. Er hat dauernd durch Personen, die das öffentliche Vertrauen genießen, die Einwohnerwehren Üüberwachen zu lassen.

11) Die für die Einwohnerwehren notwendigen Waffen werden durch Vermittlung des Kriegsministeriums auf Anfordern des Ober⸗ präsidenten 5 Verfügung gestellt. Gegen Mißbrauch der Waffen und gegen die Gefahr, daß sie bei Unruhen in falsche Hände kommen

ber

koͤnnten, sind Sicherheiten zu schaffen. Wo die Verhaltnisse es zu⸗

Die Oberp äsidenten sind ersucht worden, die nach

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lassen, ssind den Mitgliedern der Einwohnerwehr nur die Gewehr⸗ schlösser in Verwahrung zu geben, die Gewehre selbst und die Munition aber an einem unter Aufsicht des Führers der Wehr stehenden sicheren Orte aufzubewahren, an dem sie bei Alarm m. Empf me rden können.

Die Zentralleitung des Angestelltenstreiks will zur Sicherung der Volksernährung die Betriebe, die sich mit der Versorgung mit Lebensmitteln befassen, vom Generalstreik ausnehmen. Es ist, wie das Reichs⸗ ernährungsministerium dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zu⸗ folge erklärt, zu wünschen und auch wohl zu ermarten, daß dieser Beschluß nicht nur auf diejenigen Betriebe Anwendung findet, die sich mit der Heranschaffung und Verteilung der Lebensmittel befassen, sondern auch auf solche, denen die Be⸗ wirtschaftung unserer Lebensmittelvorräte obliegt, wie Reichs⸗ ernährungsministerium, Reichskartoffelstelle, Reichsfleischstelle usw. und ebenso die entsprechenden Zweige der Landes⸗ und Kommunalverwaltungen. Bei jedem auch nur kürzeren Ver⸗ sagen dieser volkswirtschaftlich wichtigen Stellen besteht die dringende Gefahr, daß eine Verwirrung, eine Stockung, schließlich sogar eine lange nachwirkende Lähmung in der Lebensmittelversorgung des ohnehin schon aufs äußerste aus⸗ gehungerten Volkes eintritt.

Bei der gerade gegenwärtig mit Hochdruck arbeitenden Reschskartoffelstelle und ihren nachgeordneten Verwaltungs⸗ stellen würde beispielsweise die geringste Störung geradezu verhängnisvoll sein. Es kommt jetzt alles darauf an, daß ohne Verzögerung, ja mit der größten Beschleunigung die noch in den Händen der Produzenten befindlichen Kar⸗ toffelvorräte in die Hände der Kommunen übergeführt werden, damit sie nicht im Schleichhandel oder durch gesetz⸗ widrige Verfütterung noch mehr vermindert oder ganz zum Verschwinden gebracht werden. Der komplizierte Verwal⸗ tungsapparat der genannten Stellen mit den notwendigen Berechnungen und Ueberweisungen nach dem Verteilungeplan darf nicht einen Tag ins Stocken geraten ohne unsere Kartoffel⸗ versorgung, die heute das Rückgrat der Volksernährung ist und vor allem schleunigste Lieferung verlangt, in die größte Gefahr zu bringen. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Reichs⸗ getreidestelle, der Reichsfleischstelle u. a., deren feingliedrige und empfindliche Organisation eine Störung kaum zu er⸗ tragen vermag. Auch für unsere dringend notwendige Ein⸗ fuhr von Lebensmitteln wären die Folgen eines Streiks in der Einfuhrstelle unabsehbar. Es bedarf ohnehin schon der größten Anstrengungen, um unter den gegenwärtigen Transportverhältnissen die eine b. Lagerung und ungefährdete Weiterleitung der kostbaren Einfuhrgüter durchzusetzen, zumal bei dem allen noch ständig das Damoklesschwert der in ihren Entschlüssen unbe⸗ rechenbaren Entente über uns hängt, deren Maßnahmen uns in neue unerwarrete Schwierigkeiten sürzen können. Aus diesen Erwägungen heraus, deren Würdigung sich kaum

jemand wird entziehen können, ist dringend zu wünschen, daß

die streikenden Angestellten bei der Feststellung der einzelnen lebenswichtigen Betriebe, die dem Streik nicht unterliegen, die Grenze so weit ziehen, daß der Angestelltenstreik mit seinen unvermeidlichen allgemeinen wirtschaftlichen Störungen wenig⸗ stens die deutsche Lebensmittelversorgung vor den schlimmsten Schädigungen bewahrt 1

Bayern.

Gegen München sind jetzt laut Meldung der „Baye⸗ rischen Volkszeitung“ alle verfügbaren Truppen, be⸗ sonders aus Regensburg und Ingolstadt, in Bewegung geßebst, nachdem ein Hardstreich wegen zu geringer Kräfte mißlungen war. Der Angriff soll von Dachau aus beginnen und von einem bekannten bayerischen General geleitet wer⸗ den. Sämtliche modernen Kampfmittel stehen den Truppen zur Verfügung Es wird sich schließlich nicht umgehen lassen, preußische Truppen oder das Freikorps Epp zu Hllfe zu rufen. Wie das genannte Blatt ferner von gutunterrichteter Seite erfährt, sind bereits preußische Truppen zum An⸗ marsch nach Bamberg bereit. Die Rote Garde hat bei Allach

Die Münchener Anarchisten führer Mühsam, Landauer und Wadler wurden in das Zuchthaus Ebrach bei Bambera gebracht. Aus Würzburg wurden Sauber und Hagemeister ebenfalls dorthin gebracht.

In der vorgestrigen Vollsitzung des Arbeiter⸗, Bauern⸗ und Soldatenrats Augsburg berichtete die nach Ban⸗ berg entsandte Delegation über die Verhandlungen mit dem Ministertum Hoffmann. Der Arbeiter⸗, Bauern⸗ und Soldaten⸗ rat stellte sich nach sachlicher Aussprache auf den Boden der dort getroffenen Vereinbarungen. Der Antrag der Unab⸗ hängigen, daß der Arbeiter⸗, Bauern⸗ und Soldatenrat Augs⸗ burg sofort mit den Münchener Volksbeauftragten und der Bamberger Regierung in Verbindung treten soll, um eine Einigung dieser beiden Stellen herbeizuführen und dadurch den Brudermord zu verhüten, fand einstimmige Annahme.

Württemberg In der Landesver sammlung regte gestern der Abge⸗

Vereinigung von Württemberg und Baden an.

Laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ betonte der Abg. Haußmann, wenn eine Geneigtheit auf der anderen Seite vor⸗ handen sei, so sei das württembergische Volk für die Lösung dieser Frage bald zu erwärmen. Württemberg und Baden dürften die Frage nicht mit den Augen der Vergangenheit, sondern mit denen der Zukunft ansehen. Der Staatspräsident Blos erwiderte, die Regierung habe die Vorgänge zwischen Baden und Württemberg mit größtem Interesse beobachtet. Es beständen allerdings noch Meinungs⸗ verschiedenheiten. Die Regierung habe sich nicht für befugt gebalten, der Bewegung vorzugreifen. Sie wolle warten, bis die Bewegung in der beiderseitigen Bepölkerung ausgereift sei. Auch sie sei der Meinung, daß wirtschaftliche Vorteile mit der Vereinigung ver⸗ bunden seien, und werde Stellung nehmen, sobald die Möglicheit dazu gegeben sei.

Bremen.

In einer vorgestern Abend in Bremen abgehaltenen Ver⸗ sammlung, in der der Hauptmann von Beerfelde⸗Berlin sprach, verlas der Vorsitzende der Versammlung, wie „Wolffs Telez graphenbüro“ meldet, eine Bekanmmachung des 21 er Rates, der von 12 Uhr Nachts ab den Generalausstand erklärt, Sämtliche Arbeiter der größeren Werke, wie Aktiengesellschaf

Weser, Hansa⸗Lloyd usw., sind gestern morgen der Arbeit fem

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18 denen Fragen von

spruch jetzigen Konferenz

die unabhängig, möglicherweise

werden.

den Frieden der Welt und für das Schicksal der Menschheit ebenso

8 Frieden

schnelle und sichere Spedition,

die Schienen auf der Strecke Ingolstadt —-München aufaerissen.]

ordnete Haußmann (Deutsch⸗Demokratische Partei) bei dert zweiten Beratung des Verfassungsentwurfs die Frage dert

geblieben, während bei der Maschinenfabrik Franke um 9 Uhr nur ein Teil der Arbeiter das Werk verließ. Der größte Teil der Straßenbahner hat sich dem Ausstand angeschlossen. Das Gas⸗ und Wasserwerk arbeitet weiter.

8

1“ Großbritannien und Irland.

Im Unterhaus, das die Gesetzesvorlage über die den Ausländern auferlegten Beschränkungen, in der die Behörde ermächtigt wird, alle Vollmachten, die sie in Händen hat, für die Zeit eines Jahres nach dem Kriege weiter aus⸗ zuüben, in zweiter Lesung einstimmig angenommen hat, hielt der Premiermmister Lloyd George gestern eine Rede, über die folgender Bericht des „Reuterschen Büros“ vorliegt:

„Der Premierminister begann seine Rede damit, daß er zugab, daß die ganze Welt ungeduldig auf den Frieden warte, und wies andererseits auf das Riesenhafte der Aufgabe der Delegierten hin,

nicht dagewesener Schwierigkeit und Wichtigkeit Der Wiener Kongreß habe elf Monate in An⸗ genommen und seine Aufgabe sei im Vergleich mit der

unbedeutend gewesen. Lloyd George wies zehn neue Staaten entstanden seien, einige, andere, die halb abhängig, und einige, die unter Schutzherrschaft sein würden. Ihre müßten angedeutet, wenn nicht endgültig festgesetzt Die Grenzen von vierzehn Ländern müßten neu gezogen werden, und das gebe nur eine Idee von den territorialen Schwierig⸗ seien aber auch noch andere Fragen vorhanden, die für

gegenüberständen.

darauf hin daß

renzen

wichtig seien und von denen jede, wenn sie falsch behandelt würde, der Menschheit schwere Opfer kosten würde. Zum Beispiel die wirtschaftlichen Fragen, die Fragen der inter⸗ nationalen Wasserwege und Eisenbahnen und die Schadenvergütungen. Lloyd George verwies auf die internationalen Vereinbarungen über Arbeiterfragen, die bisher noch nie versucht worden seien, und sprach mit den Worten wärmster Anerkennung von den Diensten, die Barnes geleistet, und von der Unterstützung, die die Arbeiter⸗ abgeordneten und die Gewerkschafter gewährt hätten, was es ermöglicht habe, ein großes Weltschema anzunehmen. Daneben ebe es noch jenes große Experiment, an dem der ganze hänge, nämlich die Gesellschaft der Nationen. Jedes

einzelne dieser Fragen würde Monate in Anspruch nehmen.

Ein Fehler könnte zu einem allgemeinen Kriege führen. Fast jedes

Erde sei an der Beratung dieser Fragen beteiligt, und das rechtfertige die Zeit, die dafür in Anspruch genommen würde. (Beifall.) Wenn die Konferenz nicht eine Maschinerie auf⸗

bauen würde, die imstande sei, mögliche Irrtümer richtig zu stellen, so wäre es unbedingt notwendig, sich mehr Zeit zu lassen. Der Völker⸗ bund helfe also Zeit sparen. Die Konferenz müsse ihre Arbeiten abkürzen, denn sie habe, während sie versuchte aufzubauen, in vielen

Ländern die Grundlagen der Gesellschaft in den Staub stürzen sehen.

Keine Gemeinde von Männern arbeite anstrengender, in rößerer Eintracht und unter größeren Schwierigkeiten. Lloyd George bat, daß nan die Männer, die ihr Bestes geleistet hätten, in Frieden lasse oder aber andere an ihre Stelle setze. . FIragen, von denen man vor dem Kriege nie gehört habe, hätten jetzt beinahe einen Konflikt zwischen zwei allterten Staaten verursacht. Die Schwierigkeiten am Balkan hätten eine Atmosphäre von Unruhen geschaffen, aus der heraus der Krieg entstanden sei und eines der charakteristischen Merkmale der gegenwärtigen Lage sei, daß in⸗ olge der Zerbröckelung großer Reiche Milteleuropa in kleine Staaten balkanisiert worden sei. Man müsse dafür sorgen, daß nicht durch die jetzt in Entstehung begriffene Regelurg Ursachen für künftige Unruhen geschaffen würden. Die Lage in Rußland sei eine der kompliziertesten . die Eine der Schwierig⸗ iten sei die, daß es kein Rußland gebe. Niemand könne be⸗ haupten, daß die Organisation, die Zentralrußland beherrsche, gleich⸗ eitig die de facto-Regierung für ganz Rußland sei. Die Konferenz habe das Schauspiel eines ausgedehnten Landes, das sich in einem chaotischen Zustande von Verwirrung und Anarchie be⸗ finde, vor sich. Es sei wie ein Vulkan, der noch heftigen Aus⸗ brüchen unterworfen sei. Das Beste, was man tun könne, sei, für die Sicherheit derjenigen zu sorgen, die auf den em weitesten entfernten und am ehesten zugänglichen Abhängen wohnten, und den zerstörenden Strom aufzuhalten, damit er nicht andere Länder versenge. Von Anerkennung könne keine Rede sein, sie sei niemals vorgeschlagen und niemals in Behandlung genommen worden, da keine Regierung ganz Rußland vertrete. Außerdem habe die bolschewistische Regierung solche Verbrechen gegen Untertanen allijerter Länder begangen, daß es selbst unter anderen Umständen unmöglich wäre, sie anzuerkennen. Ueberdies greife die bolschewistische Garde in diesem Augenblick die Freunde der Alllierten in Rußland an. Lloyd George kam sodann auf den Vorschlag einermilitärischen Intervention zu sprechen und sagte, es sei ein sehr gesunder Grundsatz der auswärtigen Politik Englands, sich niemals in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen, wenn sie auch noch so schlecht regiert würden. Wie immer die Stimmung in England sein möge, die Schwierigkeiten eines großen militärischen Vor⸗ gehens in Rußland seien ungeheuer. Rußland habe wohl den Feind im Lande gesehen, sei aber niemals von einem auswärtigen Land erobert worden. Selbst wenn eine Eroberung möglich wäre, so würden doch die politischen? Schwierigkeiten bestehen bleiben. Lloyd George sagte, er sei über die bolschewistischen Lehren entsetzt, aber er würde noch lieber Rußland den Bolschewisten über⸗ lassen, bis es selbst einsehe, was der Bolschewismus anrichte, als erleben, daß Großbritannien infolge einer kostspieligen mili⸗ tärischen Intervention bankerott mache. Dieses letztere wäre der sicherste Weg, um den Bolschemismus auch in Großbritannien zu verbreiten. Er sei überzeugt, daß es der größte Unsinn wäre, eine militärische Intervention in Rußland zu versuchen. Die Re⸗ gierung unterstütze Koltschak und Denikin, weil sie sich auf Veranlassung der Alliierten und zum großen Teil auf ihre Kosten gegen die bolschewistische Regierung erhoben und die Deutschen daran Zesinbett hätten, sich aus Rußland die Hilfsmittel zu verschaffen, die es ihnen ermöglichen würden, die Blockade zu brechen. Lloyd George fuhr fort: „Wenn wir sie den Bolschewisten gegenüber im Stich ge⸗ lassen hätten, so wäre das eine Tat gewesen, die jedes 8g Landes unwürdig gewesen wäre. (Lebhafter Beifall.) Die beiden haben nur verlangt, mit Waffen versorgt zu werden.“ Er betrachte das keines⸗ wegs als ein Abweichen von der grundsätzlichen Politik Groß⸗ britanniens. Die englische Politik sei, ein gewaltsames Uebergreifen des Bolschewismus auf die alliterten Länder zu verhüten. Deshalb organisiere England alle Hufskräfte in den alliierten Ländern und in den benachbarten Gebieten von der Ostsee bis an das Schwarze Meer. Wenn der Bolschewismus eines der alliterten Länder angreifen würde, so wäre es die Pflicht Englands, es zu verteidigen. Die Politik Englands sei, die einander bekämpfen⸗ den Parteien in Rußland dazu zu bewegen, die Errichtung einer allgemein annehmbaren Regierung zu besprechen, die die Alliierten als russische Regierung anerkennen könnten. Er zweifle nicht an dieser Lösung. Nach verläßlichen Informationen seien die bolschewistischen Streitkräfte zwar anscheinend im Zunehmen be⸗ griffen, aber der Bolschewismus selbst schwinde angesichts des un⸗ barmherzigen wirtschaftlichen Druckes rasch dahin und breche zu⸗ ammen. Es seien unverkennbare Anzeichen dafür vorhanden, daß ußland wieder emporkomme, und wenn es erst wieder gesund und nean sei, dann sei es Zeit für die Alltierten, in Rußland Frieden zu stisten. b Ueber die allgemeinen Friedensbedingungen kagte Lloyd George, die Vertreter der Großmächte seien zu einem

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Föagen, die jemals behandelt worden seien. e

1 abö .1 „9, 8 vollständigen Einvernehmen über die großen grundlegenden Fragen bezüglich des Friedens mit Deutschland gelangt. Sie hätten diese Fragen bereits formuliert, und er hoffe, daß sie Ende nächster Woche vorgelegt werden würden. Lloyd George übte scharfe Kritik an gewissen Zeitungsangriffen und sagte: „Wenn diese Art kranthafter Eitelkeit bis zu einem Punkte ge⸗ trieben wird, wo Zwietracht zwischen den großen Verbündeten gesät wird, deren Einigkeit für den Frieden der Welt von wesentlicher Be⸗ deutung ist, wenn der Versuch unternommen würde, Frankreich mit Mißtrauen gegen Großbritannien und mit Haß gegen Amerika und Amerita mit Abneigung gegen Frankreich und Jlalien zu erfüllen, so ist nicht einmal diese Krankheit eine Rechtfertigung für ein so schwarzes Verbrechen gegen die Menschheit. In Frankreich glaubt man noch immer, daß die „Times“ ein ernstes Blatt ist. Man weiß dort nicht, daß sie nur eine Schwesterausgabe (Company edition) der „Daily Mail“ ist. Auf dem europäischen Kontinent hält man sie für ein halbamtliches Organ der Regierung. Das ist ein Beweis dafür, wie lange derartige Traditionen brauchen, bis sie aussterben. Ich möͤchte, daß die Menschen wissen, was alles das zu bedeuten hat.“ Lloyd George sagte ferner, die französischen Soldaten, die er

in verwüsteten Gebieten getroffen habe, hätten gesagt: „Gebt uns

einen guten Frieden.“

Niemand hätte die neuen Fragen und die besonderen Empfind⸗ lichkeiten Europas mit ihren alten bitteren Erinnerungen an nationale Konflikte sympathischer behandeln können als Wilson. (Beifall.) Die Konferenz habe niemals die Tatsache vergessen, daß die meisten Leiden und Opfer des Krieges von dem heldenhaften Frankreich ge⸗ tragen worden seien. Sie seien nicht vergessen worden. Frankreich habe ein Recht darauf, sich vor einer Wiederholung des Angriffs ge⸗ sichert zu fühlen. „In allen Fragen, die uns vorgelegt werden, ge⸗ langen wir zu einstimmigen Beschlüssen.“ (Beifall.) Was sich auf dem Wiener Kongreß ereignet habe, sei ein Beweis für die Wichtig⸗ keit der Einstimmigteit.

Die Friedenskonferenz habe einstimmig und ohne Zögern beschlossen, daß es ein Fehler ersten Ranges sein würde, die Friedens⸗ bedingungen zu veröffentlichen, ehe sie mit dem Feind besprochen wurden. Keine Friedenkonferenz habe jemals ihre Verhandlungen öffentlich gehalten. „Wir wollen mehr einen guten Frieden als eine gute Presse haben.“ (Beifall.) Die Konferenz werde alles tun, was notwendig sei, um eine vorzeitige Veröffentlichung zu verhüten, die den Feind dazu ermutigen würde, Widerstand zu leisten. Jede Ver⸗ pflichtung der Regierung sei in die Forderungen der Alliterken aufge⸗ nommen worden. Die Regierung sei niemals um ein Jota von diesen Forderungen abgewichen. Sie habe daran festgehalten, weil sie sie für berechtigt gehalten habe. „Wir wollen“, sagte Lloyd George, „einen strengen Frieden, weil der Fall es verlangt, aber er darf nicht darauf berechnet sein, Rachegefühle zu befriedigen, sondern darauf, Gerechtig⸗ keit zu üben.“ Jede Klausel und und jede Bedingung müsse in jeder Weise gerechtfertigt sein. Vor allem wünschen wir, die Zukunft ver einer Wiederholung der Schrecknisse dieses Krieges zu bewahren. Ich werde nach Paris zurückgehen, wenn das Haus mich dort haben will. (Lauter Beifall.) Jeder, der dorthin zuruͤckkehrt, wird mit den Abgesandten des Feindes zusammentreffen. Er muß das volle Vertrauen des Parlaments besitzen. Das Parlament würde zwar den unterzeichneten Vertrag verwerfen können, das würde aber sehr schwierig sein. Das Parlament muß also, ehe der Betreffende nach Paris geht, das Gefühl haben, daß der, der dort ist, wer immer es auch sein mag, die Verpflichtungen bis zu den äußersten Grenzen seiner Kraft und seiner Ueberzeugung erfüllen wird. Eines der Ergebnisse des Friedens wird die Entfernung der großen b1“ Gefahr der Rüstungen sein. Die Sreitkräfte Deutschlands werden; zu einem Heere herabgesetzt werden, das eben ausreicht, um den Polizeidienst in seinen Städten durchzuführen und seinen Handel zu schützen. Wir und Europa müssen daraus Nutzen ziehen. Die Gefahr besteht nicht, daß es in Deutschland noch zu einem neuen Ausbruch kommt, denn Deutschland könnte nur mit Muhe 80 000 bewaffnete Männer aufbringen, um die Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Gefahr besteht jetzt, daß die Welt in Stücke geht, wenn das hagere Gespenst des Hungers durch das Land schleicht. Ll yd George betonte zum Schluß, daß es die Pflicht aller Staatsmänner, Parlamente und Führer der öffent⸗ lichen Meinung sei, den Triumph des Rechts nicht durch Nachgiebig⸗ keit zu verderben.

Frankreich.

Nach dem von der „Agence Havas“ verbreiteten diplo⸗ matischen Situationsbericht hatte am Dienstag der Viererrat eine kurze Besprechung, in der die Schleswiger Frage entsprechend den Beschlüssen des Territorialausschusses endgültig geregelt wurde. Die Bewohner Schleswigs werden über ihre künftige Zugehöriakeit entscheiden. Das Referendum wird in Nordschleswig en bloc, in Mittelschleswig nach Ge⸗ meinden stattfinden, um eine unpartetische Befragung zu er⸗ möglichen. Die Minister des Aeußern der Vereinigten Staaten, Englands, Frankreichs, Ilaliens und Japans hielten vorgestern elne Vollsitzung ab, in der erörtert wurde, ob die Kosten für die Besetzung des linken Rheinufers von den Alliierten oder von den Deutschen zu tragen seien. Die An⸗ gelegenheit wurde schließlich dem Viererrat zur endgültigen Beschlußfassung überwiesen.

Gemäß dem Beschlusse des Obersten Kriegsrats hat der Oberste Wirtschaftsrat, wie „Wolffs Telegraphen⸗ büro“ mitteilt, entschieden, die Arbeiten des Verpflegungs⸗ rats, der Programmkommission und des Obersten Blockade⸗ rats miteinander zu verbinden. Die vestehenden Räte oder ihre Verwaltungsorgane bleiben mit ihren gegenwärtigen Vollmachten bestehen und berichten dem Obersten Kriegs⸗ rat über ihre Entscheidungen. Neue Sektionen wurden gebildet für Finanzen, Rohstosse, Blockade, Seetransporte, Verpflegung und Eisenbahn. Der wirtschaftliche Wiederaufbau Europas ist dem Obersten Wirtschaftsrat, der von der inter⸗ alltierten Organisation unterstützt wird, anvertraut. Er hat am 14. Aperil eine zweite Sitzung abgehalten und die belgische Regierung zur Ernennung eines Vertreters eingeladen, der den Sitzungen des Rats und seiner Sektionen bei⸗ wohnen soll.

Die Verkäufe von Rohstoffen an Deutschland werden geregelt durch einen besonderen Ausschuß, der mit der Blockabe⸗ und Finanzabteilung zusammenarbeitet. Nach einem Berichte von Hoover haben im März die Vereinigten Staaten nach England, Frankreich und Italien 388 000 Tonnen Lebens⸗ mittel im Werte von 111 280 000 Dollars verkauft. Der Rat hat die weiteren finanziellen Hifsmittel, Lebensmittelvorräte und Schiffsräume und die sehr schwierige Kohlenversorgung Italiens geprüft und für letztere einen Ausschuß eingesetzt.

Die Kammer hat einer Reutermeldung zufolge nach einer Besprechung über die Friedensbedingungen der Regierung mit 360 gegen 126 Stimmen ihr Vertrauen aus⸗ gesprochen.

„— Der Haushaltsausschuß der Kammer hat ein⸗ stimmig eine an Clemenceau gerichtete Entschließung an⸗ genommen, in der der Ausschuß die Regierung auf die schwierige Lage Frankreichs aufmerksam macht. Es heißt darin, daß die jährlichen Ausgaben Frankreichs in Zu⸗ kunft nicht unter 22 Milliarden Francs bleiben würden. Der

usschuß betrachte es daher als eine Fesrrens elementarster Gerechtigkeit, vom Feinde die volle Bezahlung der Kriegs⸗ schulden zu verlangen.

114“

Wechsel in der Bevölkerung; 8 ““ 9

Rußland.

Wie die russische Presse meldet, hat die Sowset⸗ regierung auf funkentelegraphischem Wege gegen die Grau⸗ samkeiten der aus dem Gouvernement Cherson abziehenden französischen und griechischen Truppen bei den Entente⸗ regierungen Einspruch erhoben und außerdem französische Staatsongehörige als Geiseln verhaftet.

Ein Funkspruch aus Moskau bezeichnet die Lage auf der Ostfront als recht bedrohlich. Die Besetzung Sterlitamaks sei eine starke Gefahr für Orenburg und die Verbindungen mit Turkestan. Alles müsse zurückgesetzt werden, um den Osten zu schützen.

Wie die Moskauer Presse meldet, hat das Zentral⸗ exekutiokomitee die Parteiorganisationen und die Berufsvereine ersucht, besondere Maßregeln zu ergreifen, um die breiten Schichten der Arbeiterklasse zur aktiven Betätigung an der Verteidigung des Landes heranzuziehen. Alle, die in der Heimat entbehrlich sind, sollen an die Wolgafront und den Ural geschickt werden. Der Verstärkung der Agitation soll be⸗ sondere Aufmerksamkeit gewidmet werden; insbesondere soll

die Anwerbung der Bauern der getreidearmen Gouvernements

auf breiter Grundlage organisiert werden.

Wie „Petrograskaja Prawda“ meldet, faßte das Plenum des Petrograder Somwjets der Berufs⸗ verbände in seiner letzten Sitzung einen Beschluß, der den Streik als Kampfmittel im Arbeiter⸗ und Bauern⸗ staat verurteilt. Begründet wurde der Beschluß damit, daß ein Land wie Rußland, wo der Arbeiter der Herr der Produktzon sei und wo alles vom Grade der Arbeitsproduktion und Arbeitsdisziplin abhänge, sich keineswegs den Luxus von Streiks erlauben könne.

Die pro visorische lettländische Regierung, die am 18. November in Riga die Republik Latwija ausgerufen und die Herrschaft übernommen hatte, ist gestern nachmittag durch von der Front zur Erholung nach Libau zurückgezogene Teile der baltischen Landeswehr dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge gestürzt worden. Der Minister⸗ präsident Ulmanis ist zu der englischen Kommission geflüchtet, der Minister des Innern Dr. Walters ist verhaftet. Das Schicksal der anderen Minister ist noch unbekannt. Das Gouvernement hat erst einige Zeit nach dem vollzogenen Putsch die Sicherung der bisherigen lettischen Regierungsgebäude über⸗ nommen. Die Stodt Libau hat die Ereignisse bisher völlig ruhig aufgenommen. 8

Die vorgestern im Monte Citorio versammelten Sena⸗ toren und Deputierten einigten sich laut Meldung der „Agenzia Stefani“ auf folgende Erklärung, die dem Minister⸗ präsidenten Orlando telegraphisch übermittelt wurde:

Die unterzeichneten Senatoren und Deputierten im Monte Citorio bekennen, daß das nalienische Volk mehr denn je hinter seinem Ver⸗ treter steht. Sie betonen, daß keine Regierung und kein Parlament einen Frieden annehmen kann, der die Gefühle und Interessen des italienischen Volkes verletzt, indem demselben das Recht auf wirt⸗ chaftliche und finanzielle Entschädigungen abgesprochen und die Sicher⸗ heit der Grenzen nicht gewährleistet wird.

Diese E klärung wurde von mehr als 100 Senatoren und von 200 Deputierten unterzeichnet.

Spanien.

Das neue Ministerium Maura setzt sich laut Meldur der „Agence Havas“ folgendermaßen zusammen: Aeußeres Gonzales Hontarig; Justiz: Vicomte Nataniola: Finanzen de la Cierva; Marine: Admiral Niranda; Oeffentliche Unterricht: Silia. Kriegs⸗ und Verpflegungsministerium: General Luis Santiago. Die ernannten Minister haben gestern den Eid geleistet. 8 Afien.

Nach einer Neutermeldung aus Bombay ist infolge von energischen Maßregeln! Behörden die Ruhe überall wieder⸗ hergestellt worden. 1

Wohlfahrtspflege.

Am 12. d. M. trat in Berlin zum ersten Male der neugebildete Reichsausschuß der Kriegsbeschädigten⸗ und Kriegs⸗ hinterbliebenenfürsorge zusammen, der dem Reichsarbeits⸗ ministerium zur Durchführung der Aufgaben der sozialen Kriegs⸗ beschädigten⸗ und Kriegshinterbliebenenfürsorge beigegeben ist. Ihm gehören neben den Vertretern der Hauptfürsorgestellen vor allem auch Vertreter der Kriegsheschädigten⸗ und Kriegshinterbliebenenvereini⸗ gungen an. In seiner Begrüßungsansprache übermittelte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Unterstaatssekretär Caspar die Wünsche und Grüße des in Weimar weilenden Reichsarbeitsministers und widmete dem bisherigen Reichsausschuß der Kriegsbeschädigtenfürsorge und der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen sowie dem früheren Arbeitsausschuß der Kriegerwitwen⸗ und Waisenfürsorge warme Worte des Dankes und der Anerkennung für das, was sie auf diesem Ge⸗ biete sozialer Fürsorge bisber geleistet haben. Zum Vorsitzenden wurde der Vorsitzende des bisherigen Reichsausschusses, Landesdirektor von Winterfeldt, Berlin, und zum stellvertretenden Vorsitzen⸗ den der Vorsitzende des Beirats der Nationalstiftung, Ministerialrat Dr. Schweyer, München, vorläufig gewählt. Im Anschluß an die Wahlen wurde die Satzung eingehend beraten und der vorgelegt Entwurf einstimmig angenommen. 8 8

Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten Meldung von „Sydsvenska Dagbladet“ hat sich auch in Malmö ein schwedischer Ausschuß für Kriegskinder gebildet. Laut dem in seiner Sitzung vom 2. d. M. erstatteten Bericht waren bei ihm schon bis zum 30. März Anmeldungen von 1093 Stellen sowie Beiträge in Höhe von 28 900 Kronen eingegangen. Die vorliegenden Anmeldungen ermöglichen die Unterbringung der dreifachen Anzahl der Ende April erwarteten Kinder. Dieser erste Transport soll 250 deutsche, 175 österreichische und 75 baltische Kinder umfassen. Diese 500 Kinder werden am 26. April in Trelleborg erwartet.

Kunst und Wissenschaft. 8

In der Aprilsitzung der Anthropologischen Gesell⸗ schaft sprach Dr. P. Traeger über die 1“ Verhältnisse der Dobrudscha. Die Bevölkerung der Dobrudscha setzt sich ethnographisch aus so vielen Volks⸗ resten und Splittern zusammen derart, daß selbst gegen⸗ wärtig in den Balkanländern kaum ein Gebiet hinsichtlich der Buntheit der Volksteile sich mit ihr verpleichen kann. Die Bevölkerung der Dobrudscha hat seit dem Altertum das gleiche Leben geführt; da sich im Süden die Bulgaren, im Norden die Rumänen und Ungarn national festigten, hat sich in dem Lande kein nationaler Charakter der Bevölkerung ausbilden können. Hien seben wir steten Kampf und dauernde Bewegung, ständiger die heutigen Bewohner sind noch 272