1919 / 97 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Apr 1919 18:00:01 GMT) scan diff

schaftlichen Beziehungen der allizerten und assoztierten Negierungen zu Deutschland zu enlscheiden.

Die Delegalion muß jede Möglichkeit haben, mit der deutschen Regierung in Verbindung zu stehen und um zweckdienlich und rasch zu arbeiten.

Die verschiedenen Sachverständigen müssen mit jeder statistischen Information versehen sein, die sich auf den von ihnen vertretenen Industrie⸗ und Handelszweig bezieht und die notwendig ist, um den alliterten Regjerungen zu gestatten, die Lebensmittel⸗ und Rohstoff⸗ lieferung an Deutschland in Angriff zu nehmen (procéder).

Die deutsche Regierung wird ersucht, die Namen der Delegierten und den mutmaßlichen Tag ihrer Ankunft mitzuteilen.

gez. Nudant.“

Der Reichsminister Erzberger ließ nach Spaa folgende Antwortnote ühermitteln: Ersuche, morgen General Nudant mitzuteilen, daß die deutsche Friedensdelegation dem in der Depesche von Herrn Clemenceau ge⸗ außerten Wunsche entsprechend bereits 25 Delegierte auf wirtschaft⸗ lichem und industriellem Gebiet umfaßt Näheres wird die dentsche Friedensdelegation mündlich mitteisen. Sollte eine ergänzende Kom⸗ notwendig sein, so würde diese schnellstens nach Versailles ab⸗ reisen.

Die schwarzen Listen sind vom 29. April ab auf⸗ gehobhen. Der Vorsitzende der britischen Mission hat, dem „Wolffschen Telegrophenbüro“ zufolge, am 27. April der der deutschen Waffenstillstar de kommission in Spaa folgende Note überreicht:

„Ich bin beauftragt, Ihnen mitzuteilen, daß die alliierten und assoziie ten Regierungen beschlossen hahen, nach Mitternacht vom 25. zum 29. April alle schwarzen Listen von Firmen und Personen, die sie veröffentlicht obder zusammengestellt haben, zurückzuziehen und alle Verbote (dis ilities) in bezug auf Handel und Handels⸗ verbindungen mit Firmen oder Personen solcher Listen außer Kraft treten zu lassen.

Die alliierten und assoziierten Regierungen behalten sich das

Recht vor, alle oder einige solcher schwarzen Listen wieder einzuführen,

falls sich dies als notwendig ergeben sollte. Haking.

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„Der Reichswirtschoftsminkster hat, wie „Walffs Telegraphenbüro“ meldet, mit seiner Vertretung bei den Friedensverhandlungen in Versailles den bayerischen Staatsrat von Meinel und Herrn Richard Merton aus Fronkfurt a. M. hetraut. Die beiden Herren haben sich gestern nachmittag, begleitet vom bayerischen Bezirksamtmann Dr. Feldbauer, nach Versailles begeben. Die Vertretung des Reichswirtschaftsministeriums in der Friedenskommission in Berlin werden nach wie vor Geheimrat von Flotow und Regierungsrat Fellinger wahrnehmen.

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Aus Anlaß der bevorstehenden Friedensverhandlungen hot gestern in Mülheim (Ruhr) eine große Massenver⸗ sammlung in der nach Ansprachen der Ab⸗ geordneten Dr. Most, Dr. Deerbera, Dr. Jordan, Jaecker und Allekotte laut Meldung des „Wofffschen Telegrophenbüros“ in feierlicher Einmütigkeit nachstehende Entschließung zur An⸗ nahme gelangte, die der Reichsregierung und der National⸗ versammlung telegraphisch übermittelt wurde:

Auf des äußerste beunruhigt durch die sich immer mehr ver⸗ dichtenden Gerüchte über einen von unseren Feinden geplanten Ge⸗ waltfeieden haben sich heute viele Tausende von Männern und Frauen in Mülbeim zusammengefunden zu einer gewaltigen Kundgebung. Einem Frieden der Schmach, einem Frieden der Selbstpernichtung werden wir uns niemals beugen. Das ist der einmütige hart ent⸗ schlossene Wille aller Bevölkerungsschichten, aller Berufe. Unsere Friedensdelegierten dürfen nicht mit einem Vertrage heimkehren, der uns deutschen Landes beraubt, unser Volk, statt es in seiner Gesamtheit zu einen, noch weiter zerstückeln und für unabsehbare Zeiten zu wirtschaftlichen Sklaven herabdrücken würde. Unsere Feinde mögen es sich gesagt sein lassen. Bildet euch nicht ein, ihr könntet auf die Daver eines Friedens froh werden, der das Selbst⸗ bestimmuugsrecht der Völker mit Füßen tritt, der aller Menschlichkeit und Gerechtigkeit, wie auch jeder politischen Weisheit Hohn spricht. Solcher Verblendung furchtbare Saat müßte in kurzer Frist aufschießen zu grauenbaftem Verderben der gesamten Kulturwelt. Darum rufen wir den Führern unserer Gegner in letzter Stunde noch einmal warnend zu: „Haltet Euer beim Abschluß des Waffen⸗ stillstandes gꝛgebenes Wort und schafft einen Daverfrieden des Rechts und der Verständigung auf der Grundlage der Wilsonschen Punkte!“ Zugleich verlangen wir im Namen der Menschlichkeit sofortige voll⸗ ständige Aufhebung der Blockade und sofortige Freigabe unserer Gefangenen.

altelsässischer oder altlothrin⸗ gischer Abstammung, die nach Elsaß⸗Lothringen zurückzukehren wünschen, bedürfen hierzu, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt, keiner Gevwehmigung der deutschen Behörden. Sie wenden sich am zweckmäßigsten an den Dele⸗ gierten Koch in Frankfurt am Main (Scharnhorststraße 50) der mit der Rückbringung der Elsaß⸗Lothringer befaßt ist. Die fran⸗ zösischen Bebörden fordern vor der Einreise nach Elsaß⸗Lothringen die Ablegung einer etwa dreiwöchigen Quarantänezeit in Sammellagern von Rostatt bezw Griesheim. Dort wird freie Unterbringung und Verpflegung gewährt. Allessässische oder altlothriogische Abstammung im Sinne dieser Ausführungen liegt nur dann vor, wenn die betreffenden Personen oder ihre Eltern vor 1870 Franzosen waren.

Entlassene elsaß⸗lothringische Soldaten gelten nicht als Ggewenen; sie werden von ihren Truppenteilen in Marsch gesetzt.

Das „Wolffsche Telegraphenbüro“ berichtet unter dem 28. April über die Lage an der Ostfront:

Während an der posenschen Süd⸗ nuyd Ostfront die Kampftätigfeit sich in den gemöhnlichen Grenzen hielt, herrschte im Netzeabschnitt sehr rege Gefechtstätigkeit. Verschiedentliche stärkere polnische Vorstöße an der dortigen Front wurden abgewiesen. Stadt und Umgegend von Nakel lagen erneut unter polnischem Feuer. Außer blutigen Verlusten ist erheblicher Sachschaden zu beklagen. Nach eingegangenen Meldungen ist in dieser Gegend mit einer Fort⸗ setzung der polnischen Angriffstätigkeit zu rechnen.

Zivilpersonen

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Bayern.

Die Nachricht der Presse, daß das nilitärische Unter⸗ nehmen gegen München vem Reichswehrminister Noske geleitet wird, ist dem „Wolfsschen Telegraphenbüro“ zufolge unrichtig.

Die „Nürnherger Zeitung“ vom gestrigen Tage meldet zur Lage in München v. a:

Die Mitglierer des Vollzugsrats Toller und Klingelhöfer haben

ihre Posten in der Militäroberleitung niedergelegt und Männer sein

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Amt als Polksbeauftragter der Finanzen. Die Finanzverhält⸗ nisse der Räterepublik sind katastrophal. Um den in den Staatskassen und Banten herschenden Mangel an Hahlunçsmitteln abzuhelfen, ist die Verfögung ergangen, daß sämtliche Tageseinnahmen der greßen Berriebe, wie Fabriken, Kaufhäuser, Theater, Kinos, Casfés und Wirtschaften, töglich durch die Betriebsräte im Beisein der Be⸗ sitzer bei den Banten einzuzahlen sind. Außerdem sind sämtliche Wohnungs⸗ und Pachtzinsen vom 1. bis 10. Mai auf das Konto einer Bank einzuzahlen. Vorausbezahlung von Gehältern ist strengstens verboten. Die Schätzung der Roten Armee auf 50 000 Mann ist stark übertrieben. Von den mehr als 30 000 Arbeitslosen haben sich nur 2000 zur Roten Armee gemeldet. An Mehl und Kunsthonig sind reichliche Bestände vorhanden, doch fehlt es an Fleisch. Die Einwuhnerschaft Münchens ist lediglich auf Mehl angewiesen. Die Betriebe sind genötigt, infolge Kohlenmangels die weitere Erzeugung einzustellen. Dadurch werden wieder 10 000 Arbeiter brotlos. Der Finanzminister hat erklärt, daß in der kurzen Spanne der Räterepublick vom Staat mehr Geld ver⸗ ausgabt worden sei, als ven den anderen Regierungen. Er ist mit den Russen in Streit geraten, weil er sich weigerte, die Schlüssel zu den Safes auszuliefern. Die Russen wollten die dort liegenden Ju⸗ welen und Wertpapiere beschlagnahmen. Da die Notenpresse von der Regierung Hoffmann in Sicherheit gebracht worden ist, versucht die Regierung die Herstellung von Noten auf photographischem Wege. Die Zeitungen erscheinen heute wieder, die bürgerlichen unter Vorzensur. Die Buchdrucker haben sämtlich erklärt, sie würden sämtlich die Arbeit einstellen, wenn den hürgerlichen Blättern das Erscheinen nicht gestattet würde. Große Sersation rief die Mit⸗ teilung eines Polizeibeamten hervor, daß im Paßamt Formulare für Auslandspässe gestohlen worden seien. Die Auslandspässe bat das Revolutionstribunal für seine Mitglieder gefordert und der Vollzugs⸗ ausschuß hat unter schweren Drohungen die Auslieferung der Paͤsse verlangt. 1

Das Ministerium Hoffmann verhängte über das rechts⸗ rheinische Bayern das Standrecht. 8

Hamburg.

An der gestrigen Börse hielt das Mitglied der Handels⸗ kammer Heye eine Ansprache, nach der eine Entschließung angenommen wüurde, in der es laut Meldung des „Wolffschen Telegrophenbüros“ u. a. heißt:

Die Hamburger Kaufmannschast fordert entschieden, daß bei den jetzt beginnenden Friedensverhandlungen streng an der Grundlage festgehalten wird, wie sie durch die Annahme der 14 Wilsonschen Punkte sowie der Grundsätze in seinen späteren An⸗ sprachen geschaffen ist. Auf das nachdrücklichste muß die Kaufmann⸗ schaft gegen eine willkürliche Lotztrennung oder Einverleibung solcher Gebietsteile Einspruch erheben, die nicht nur in wirtschaftlicher Be⸗ jehung eng und unlöslich mit Deutschland verbunden sind. Elsaß⸗ Lothringen, das Saargebiet, Nordschleswig und die deutsche Ostmark, sie bilden zusammen mit dem übrigen Deutschland einen einheitlichen Organismus.

In der gleschen Weise sordert die Hamburgische Kauf⸗ mannschaft sofortige Freigabe der Kriegsgefangenen, Freiheit der Meere, Gleichberechtigung des deutschen Handels und Zurückgabe unserer Kolonien, unserer in Feindeshand befind⸗ lichen Vermögen, unserer Schiffe und Kabel.

Bremen. 8

„Bösmanns Telegraphisches Büro“ mesdet, daß die von den Blättern gemeldete Festnahme der überwiegenden Mehr⸗ zahl der Mitglieder des Noten Soldatenbundes Bremens, der die Absicht hatte, die gegenwärtige Regierung zu stürzen, sich vach Erkundigungen an Stelle

Oesterreich.

Eine Konferenz im deutsch⸗österreichischen Staats⸗ amte für Heerwesen beriet in Anwesenbeit der Ver⸗ treter aller Landesbefehlshaber und aller Landessoldaten⸗ räte auch die Frage des von der Entente verlangten Abbaues der Volkswehr. Der Staatssekretär für das Heerwesen Deutsch verwies, wie „Woiffs Telegraphenbüro“ meldet, auf das Eintreffen einer äußerst entgegenkommenden Note der italienischen Militärmission vom 26. April, in der den politischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten Deutsch⸗ Oesterreicho in verständnisvoller Weise Rechnung getragen werde. Der Staatssekretär empfahl dringend, dem Verlangen der Enterte nach Abbau der Volkswehr in zeitlichen und zahlenmäßigen Grenzen zu entsprechen. Die Konferenz beriet sodann über die Frage der künftigen Milizverfassung.

Ungarn.

Meldungen des „Ungarischen Korrespondenzbüros“ über die militärische Lage besagen:

Die rumänischen Vortruppen haben am 256. d. M. Bekescsaba erreicht und sind in die Nähe von Puespoekladany ge⸗ langt. Die ungarischen Truppen wurden zurückgenommen. Der vom Süden her gegen die Theißbrücken von Csap gerichtete Angriff wurde zurückgeschlagen.

Am 27. April besetzten die Serben Mako und Nagylak. Die Rumänen sind in Richtung Oroshaza, Szarvas und Gvoma vor⸗ gedrungen und haben Kaba, Balmaz⸗cujvaris, Hajdz Nanas und Nyiregyhaza besetzt. Die Theißbrücke bei Csap wurde von den Ru⸗ mänen gesprengt. Unsere Nachhuttruppen gelangten am 27. bloß mit feindlichen Reiterpatrouillen in Berührung. Ein von den Tschechen am 26. nördlich von Banrove durchgeführter Teilangriff wurde von unseren Truppen mit Gegenangriff zurückgeschlagen.

Großbritannien und Irland.

Der Text des Völkerbundsvertrages ist gestern nachmittag bekannt gegeben worden. Dem „Reuterschen Büro“ zufolge werden neben den 32 vv Mitgliedern noch weitere 13 Staaten, darunter die Niederlande, aufgefordert, dem Völkerbunde beizutreten. Der Hauplpunkt des Völker⸗ bundsvertrages ist der, daß eine Nation, die unter Mißachtung des Vertrages ihre Zuflucht zum Kriege nimmt ipso facto als eine Nation angesehen wird, die eine Kriegshandlung gegen alle Mitglieder begangen hat.

Frankreich.

Nach dem von der „Agence Havas“ verbreiteten diplo⸗ matischen Lagebericht vom 28. d. M. hielten die drei Re⸗ gierungschefs und die Minister des Auswärtigen der vier Großmächte gestern keine Sitzungen ab. Der Redaktions⸗ eusschuß arbeitete indes den ganzen Sonntag über. Der Wortlaut des Vorfriedensvertrages wird heute ferng⸗ gestellt werden. Es bleibt nur noch die Kiäautschou⸗ offen; voraussichtlich werden die drei Staats⸗ männer am Dienstag eine endgültige Entscheidung treffen. Die militärischen und maritimen Bestimmungen sind vdis auf wenige von untergeordneter Bedemung festgelegt. Ueber den Kaiser Wilhelmkanal ist noch keine Einigung erzielt.

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Der Dreierrat hat ferner noch die Luxemburger Zollfrage, die Fage der Zukunft der deutschen Kabel und die Frage der deutschen Krieag gefangenen und deutschen Arbeiter zu regeln. Die Sonderkom mission wird heute über letztere ihre zusammen⸗ fossenden Arbeiten vorlegen. Die übrigen Fragen sind sämtlich gelöst und werden in endgültige Fassung gebracht. Die Be⸗ stimmungen über die deutichen Grenzen mit Einschluß der Bestimmüungen über das Schicksal des linken Rheinufers sind fertiggestellt. In den Kreisen der Konserenz ist man der An⸗ sicht, daß der Text am Freitag, spätestens Sonnabend, der deutschen Delegation übergeben werden konn. Am vorher⸗ gehenden Tage wud der Text in einer geheimen Vollsitzung den Vertretern der 21 alliterten und assoziierten Mächte zur Kenntnis gebracht. Italien.

Am Sonntog vormittag fand in Rom eine Kundgebung für die Regierung stott, an der zahlresche Parlamentarier und Vertreter der Gemeindebehörden teilnahmen. Wie die „Agenzia Stefani“ berichtet, erntete der Deputierte des Nationalrats von Fume, der die Uebernahme der Gewalt durch die italienischen Behörden mitteilie, ungehenren Beifall. Es wurden Hochtufe auf Fiume, den König, Orlando und Sonnino aus gebracht. Alle Redner enthoten den demok’atischen Völkern Amerikas, Fioankreichs und Englands, die mit Jaalien einig seien, ihre Grüße. Der Bürgermeister von Rom, Fürst Colonna, ver⸗ sicherte die unerschütterliche Entschlossenheit Ilaliens in bezug guf Fiume und Polmatien. Die Versammlung erklärte sich schließlich in einer Entschließung mit der italienischen Delegation solidarisch.

Niederlande. 2

Die Internationale sozialistische Konferenz in Amsterdam beriet am 26 Apeil die Frage, welcher Standpunkt zum Völkerbundentwurf der Pariser Konferenz einge⸗ nommen werden soll. Es wurde ein Ausschuß ernannt, um die Ansicht der Konferenz schriftlich niederzulegen. Hierauf berichtete Arthur Henderson über die von der Pariser

Konferenz entworfene internationale Arbeiter⸗Charta.

Laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ wird eine ständige Untersuchung über die Arbeitsbedingungen abgehalten werden. Ein dauerndes Sekretariat unter Aufsicht eines von den Abordnungen der angeschlossenen Länder ernannten Ausschusses ist errichtet worden. Jede Abordnung wird aus vier Mitgliedern bestehen, nämlich aus zwei Vertretern der Regierung, einem Vertreter der Arbeitgeber und einem Vertreter der organisierten Arbeiter. Die Regierung der Ver⸗

einigten Staaten hat mit den Vorbereitungen zu der im Oktober in Wasbhington abzuhaltenden ersten internationalen Konferenz begonnen. Der organisierende Ausschuß besteht aus Vertretern Englands, Italiens, Japans, Belgiens und der Schweiz. Auf der Tagesordnung der Konferenz steht der Achtstundentag, die Arbeitslosigkeitsfrage, die der Frauen⸗ und Kinderarbeit sowie der Ausbau der Berner

berträge von 1906.

Am Nachmittag befaßte sich die Konferenz mit Gebiets⸗

ragen.

Die Konferenz sprach sich für die Unabhängigkeit von Livland, ee und Estland aus. Sie forderte für Deutsch⸗Oesterreich das Recht, sich an Deutschland anzuschließen. Ferner forderte sie für alle deutschen Teile des früheren Oesterreichs das Recht, sich über die Frage, zu welchem Staat sie gehören wollen, auszu prechen. Die Konferenz legte ferner gegen das Eindringen fremder Truppen in Ungarn Verwahrung ein und sprach sich gegen das Recht der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ungarns aus. Sie forderte, daß man in Paris nicht über das Los ker einzelnen Teile Ungarns entscheiden soll, ehe eine Polksabstimmung unter Aufsicht von neutralen Ländern abgehalten worden ist. In einer Entschließung wurde gegen die Massenmorde in Armenien Ein⸗ spruch erhoben und Schadenvergütung verlangt. Peroni (Italien) legte nachdrücklich gegen eine Angliederung von Tirol an Italien Ver⸗ wahrung ein. Die italienischen Sozialisten könnten eine Gewalt⸗ politik nicht billigen. Die anderen Gebietsfragen werden morgen ver⸗ handelt werden, ebenso die Entschließungen über den Völkerbund und die über den Entwurf der Satzungen der neuen Internationale.

In der Sitzung der Konferenz am 27. Apriil unterbreitete Henderson den Entwurf einer Entschließung bezüglich des Völkerbundes, in der der Enttäuschung Ausdruck gegeben wird, die der Entwurf der Friedenskonferenz hervorgerufen hat, und die Forderung der Abrüstung wiederholt wird.

Toelstra erklärte, er finde diese Entschließung zu schwach. Die sozialistischen Parteien müßten von der Friedenskonferenz fordern, daß sie nicht ausschließlich einen Bund einiger Völker ins Leben ruft. Auch Renaudel fand den Wortlaut der Entschließung verschwommen und forderte entschlossenere Darlegung der sozialistischen Ziele. Er sagte, man müsse sich konkreter mit der gesamten Abrüstung zu asser und zu Lande befassen und fordern, daß eine sozialistische Delegation vom Rat der Vier empfangen werde. Wibaut trat dafür ein, daß in die Ent⸗ schließung gauch das Arbeiterrecht aufgenommen werde. Der auftralische Minister Ryan fagte, für die Errichtung des Völker⸗ bundes sei es notwendig, daß alle Völker ihre Ansicht darüber äußerten, und damit die Regierungen auch im Namen ihrer Völker sprechen könnten, müßte das allgemeine Wahlrecht überall eingeführt werden. Er sei der Ansicht, daß man überall die Dienstpflicht abschaffen und Berufsheere ausstellen müsse. Ryan gab die Er⸗ klärung ab, daß der in das in Bern aufgestellte Arbeiterrecht auf⸗ genommene Grundsatz der Einwanderunasfreiheit wegen der furcht⸗ baren Konkurrenz, die die farbigen Rassen den weißen Arbeitern machten, für ihn unannehmbar sei. Der argentinische Delegierte Justo unterbreitete ein Amendement zum Antrag Henderson, in dem gefordert wird, daß die internationale Autorität Richtlinien für die allmähliche Abschaffung der gesetzlichen Maßnahmen, die für den Freihandel ein Hindernis bilden, ausarbeite. Justo trat für den Grundsatz des Freihandels ein und rief Ryan zu: „Mit Ihrer Politik des Schutzes der weißen Arbeiter bereiten Sie einen künftigen Krieg mit China und Japan vor.“ Der argentinische Delegierte Tomaso erklärte sich als Gegner der Berufsheere und sagte, die Rede Ryans habe be⸗ wiesen, daß die Völker sich mit dem militärischen Problem befassen müssen. Er schlage eine Sonderkommission vor, die alle Vorschläge und Verbesserungsanträge untersuchen soll. Die Kommission wurde ernannt. Sie setzt sich zusammen aus: Wibaut, Stuart Dunnieg, Renaudel und Longuet.

Die Konferenz nahm einen Antrag an, daß Palästina ein unabhängiger Staat und als solcher Mitglied des Völker⸗ bundes werden soll. Ferner wurde eine Entschließung an⸗ genommen, in der von der Pariser Konfe enz gefordert wird, die Unabhängigkeit Estlands anzuerkennen.

In der gestrigen Nachmittagssitzung der Konferenz wurde von Macdonald, Longuet und Haase eine Entschließun eingebracht, in der über das Saargebiet erklärt wird, daß die offene oder verhüllte Ammexion dieses Gebiets dem Wilson⸗ schen Grundsätzen widerspreche und E““ werden müsse, daß aber der Ertrag der Bergwerke bis zur Wiederherstellung des zugefügten Schabens Frankreich zugute kommen müsse. Per Tept der Entschließung wird noch näher formuliert werden Henderson begründete den Vorschlag des Büros, daß der nächst

Kongreß erst am 2. Februar staltfinden soll, um auch we

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Wongreß zu ermöglichen.

intfernten Ländern eine sorgfällige Vorbereitung auf diesen z Darüber fand eine ausführliche Er⸗ klerung statt. Die Konferenz rahm zum Schluß ihrer Be⸗ iinngen folgende Entschließung über den Völker⸗ sund an:

Die Konferenz nimmt zur Kenntnis, daß die Völker seitens der llierten Regierung mit einem Vertrag bekannt gemacht worden sind, er den ersten Keim für eine methodische Organisation der Herr⸗ chaft eines dauernden Friedens enthält, und sie stellt fest, daß die ortführung einer von den Arbeiterforderungen inspirierten inter⸗ gtionalen Arbeiterschutzgebung die Grundlage zu einer wirtschaft⸗ chen Verständigung zwischen den Nationen vorbereitet. Die Kon⸗ genz ist jedoch der Meinung, daß ein Völkerbund nur dann seinen weck erfüllt, wenn er 1) von Anfang an auf der Grundlage gleicher pflichten und Rechte alle unabhängigen Völker in sich vereinigt, e die Verpflichtungen des Vertrages übernehmen und deren elegationen von ihren Volksvertretungen gewählt sind, wenn er über eine internationale Autorität verfügt, die fauftragt ist, sowohl den eingegangenen Verpflichtungen in baug auf den Friedensvertrag wie der Tätigkeit des Völker⸗ imndes Geltung zu verschaffen. Diese Autorität übernimmt die Ver⸗ lichtung, wüttschaftliche Beziehungen herbeizuführen, die allmählich ir Unterbindung aller gesetzlichen Hindernisse des internationalen bandels, der Weltproduktion und der Weltverteilung führen, wenn er Maßnahmen für ein Verbot weiterer Rüstungen, ir die progressive Herabsetzung der gegenmwärtigen Rüstungen d eine Kontrolle der noch gestatteten Munitionsfabrikation olsieht und wenn er baldigst auf eine pöllige Abrüstung zu Passer und zu Lande hinarbeitet. Bis diese Abrüstung verwirklicht b, müssen die Armeen, deren Bildung wegen der internationalen ge notwendig sein würde, sowohl bezüglich der Effektipstärke rie des Rekrutierungssystems der Kontrolle des Völkerhundes unter⸗ elt werden, um jede Gefahr für die Demokratie hintanzuhalten, wenn sich alle Nationen, aus denen sich der Völkerbund zusammensetzt, snahmslos dazu verpflichten werden, alle Streitigkeiten vorzulegen, ff die der Völkerbund Anwendung finden kann, und wenn di gationen sich verpflichten, das Urteil des Bundes anzuerkennen ind in keinem Falle zum Kriege ihre Zuflucht zu nehmen, wenn er, um diesen Zweck zu erreichen, die Methode gr öffentlichen Diplomatie annimmt, wie sie beispielsweise kürzlich bilson in seiner Erklärung im Streitfalle zwischen Italien und in Südslaven angewandt hat, und die die Gewähr dafür bieten bürde, daß die Forderungen der verschiedenen Staaten für jeden nzelnen Fall entschieden werden, um dadurch allein die Beständigkeit

Friedens zu sichern. Diese Bedingungen sind gegenwärtig von in alliierten Regierungen nicht erfüͤllt worden. Die Konferenz pvelliert schon jetzt an die Tatkraft der Arbeiter aller Länder, um ir die Organisatton eines Völkerbundes zur Sicherung eines dauer⸗ aften Friedens zu wirken.

Ferner wurde folgende Entschließung angenommen:

Die in Amsterdam tagende Konferenz, die die sozialistische und eiterbewegung von 26 Nationen pertritt, erklärt ihre Ent⸗ Nlossenheit, den Kampf für einen Frieden auf⸗ enehmen, der nicht im Widerspruch mit den Punkten Wilsons steht, da er die einzige Grundlage ir ein dauerndes Einvernehmen der friedliebenden Demo⸗ atien zu bilden geeignet ist. Die Konferenz ist der Meinung, die durch die Beschlüsse der Pariser Konferenz geschaffene Beun⸗ abigung die Permanenz des Vollzugsausschusses (Branting, enderson, Huysmans) und der Mitglieder des Attions⸗ asschusses (Renaudel, Longuet, Macdonald, Stuart Bunntng) tz unvermeidlich erweist, bis die Friedenspräliminarien nterzeichnet sind. Die Konferenz beauftragt diese Delegierten, ine Zusammenkunft mit den vier leitenden Männern der aliierten, die in hervorragender Weise an der Ausarbeitung der inedenspräliminarien beteiligt waren, zu verlangen. Bei dieser züsammenkunft, die durch die Vertretung und die jüngsten Pwischenfälle bei der Erörterung über den Frieden gerechtfertigt ist, alssen die Vertreter der Internationale darauf bestehen, daß e Lösung herbeigeführt werde, die sich mit den Berner und imsterdamer Beschlüssen deckt. Die Konferenz erwartet, daß die citer der Regierungen sich einem derartig formulierten Verlangen ccht werden entziehen können, da dieses Verlangen den unwiderleg⸗ ichen Beweis liefert, daß die Arbeitergruppe der ganzen Welt daran atwirken will, einen gerechten und dauerhaften Frieden herbeizuführen, sie an allen in diesem Sinne gemachten Vorschlägen tätigen An⸗ el nimmt und nur solche anzunehmen gewillt ist. Die Konferenz tt den Regierungen die Verantwortung für alle aus einer etwaigen Leigerung sich ergebenden Folgen überlassen.

Schweiz.

Der Bundesrat hielt vorgestern eine außerordentliche eizung ab und bat den Bundespräsidenten, sich sofort nach daris zu begeben, um einige Fragen zu behandeln, die den bölkerbund betreffen.

Der Schweizerischen Depeschenagentur zufolge, ist der zundespräsident Ador gestern nach Paris abgereist.

Statistik und Volkswirtschaft. 1

der Einfluß des Weltkrieges auf den Familien⸗ haushalt in Bayern. Ighn den Heften 1 und 4 vom 50. Jahrgang der „Zeitschrift des saperischen Statistischen Landesamts“ sind Untersuchungen über die ebenshaltung bayerischer Ftüities während des Krieges veröffentlicht, u denen Monatsauf'chreibungen von 31 sowie ganz⸗ und mehrjährig sführte Wirtschatsbücher von 6 Haushaltungen das Material ge⸗ let haben. Von, besonderem Interesse sind die Betrachtungen der nehrjährigen, sich allerdings nur auf die Zeit von Anfang 1914 bis ende 1916 erstreckenden Wirtschaftsrechnungen unter dem Gesichts⸗

bunkt, inwieweit sie bereits jenen tiefgreifenden Einfluß erkennen

lassen, den der Welikrieg in der langen Dauer seines Verlaufs auf den 1“ ausgeübt hat. on den sechs Familien, deren Jahreseinnahmen und ausgaben

ergestellt werden, weisen während der Dauer ihrer Aufzeichnungen

üinf eine Steigerung, eine dagegen eine Mindexung ihrer Ein⸗ lahmen beim Vergleich mit denen des ersten Berichtsjahres auf. ön Familie 1, die unter ihnen das höchste Einkommen bezieht, erhöht ich die Gesamteinnghme von 1913 bis 1916 um 1002 oder d, vH, von 4509 auf 5511 ℳ, in Familie II von 1914 bis 1016 um 265 oder 18,48 vH, von 1438 auf 1703 ℳ, in Familie III. anerhalb derselben drei Jahre um 1242 oder 68,44 vH, von vsl1l auf 3053 ℳ, hier hauptsächlich infolge höherer Einkünfte einer lb jährigen Tochter und eines 14 jährigen Sohnes, worin bereits die urch die Kriegsverhältnisse so außerordentlich günstig gewordene Lerdienstmöglichkeit der Jugendlichen zum Ausdruck kommt. In Haushaltung IV, deren Vorstand im Herbst 1914 zum Militär ein⸗ berufen worden ist, verursacht der Krieg eine Minderung der Ein⸗ nahmen um 168 oder 12,18 vH, von 1388 auf 1220 ℳ; in familie V steigt das Einkommen um 443 oder 27,84 vH, von 1604 auf 2047 ℳ, in Familie VI um 290 oder 23,1 vH, don 1224 auf 1514 ℳ. Den erhöhten Einnahmen stehen aber auch durchweg erhöhte Uusgaben gegenüber; auch die Familie, deren Einkommen sich

lurch den Krieg vermindert hat, weist eine Zunahme ihrer Gesamt⸗

zufwendungen auf. So steigerten sich innerhalb der Berichtszeit die Ausgaben in Familie L von 4486 auf 5256 ℳ, mithin um 70 oder 17,18 vH, in Familie 11 von 1435 auf 1665 ℳ, d. i. im 230 oder 16,94o „H, in Familie III von 1503 auf 2876 ℳ, alse um 1373 oder 91/3 vH, in Familie IV von 1150 auf

1223 ℳ, mithin um 73 oder 6,80 vH, in Familie V von 1551 auf 2005 ℳ, somit um 454 oder 29,80 vH, in Familie VI von 1202 auf 1466 %¶, d. i. um 264 oder 2197 vH. Am stärksten haben demnach absolut und perhälinismäßig die Aufwendungen in Familie III zugenommen, eben da, wo auch die Einnahmen sich durch das plötzlich gestiegene Einkommen der beiden Kinder uin 1242 oder 68,84 vH vermehrten; der Grund liegt zum größten Teil in der sehr starken Erhöhung der Ausgaben für die Ernährung als Folge einer vermittels der gestiegenen Einnahmen wesentlich verbesserten Lebenshaltung. Die geringste Steigerung der Ausgaben mit 73 oder 6,35 vH ergibt sich für Familie IV; sie wäre wohl größer, wenn der Haushaltungsvorstand, der im Garnisondienst stand, für Kleidung, Wäsche und Schuhe Ausgaben hätte machen müssen. Bei den übrigen Familien weist die Ausgabevermehrung einen etwas gleich⸗ mäßigeren Verlauf auf; sie bewegt sich zwischen 16,04 und 29,30 vH.

Das eben gewonnene Bild von der Zunahme der Aufwendungen

in den einzelnen Familien verschiebt sich nicht unwesentlich, wenn man die Steigerung nicht für die Familie, sondern in Berück⸗ sichtigung der jeweiligen Familienverbrauchsstärke für eine Kon⸗ sumeinheit (Verbrauchsstärke eines erwachsenen Mannes) be⸗ rechnet. Es erfolgt danach während der Berichtszeit eine Erhöhung der Ausgaben in Familie 1 von 994 auf 1324 ℳ, mithin um 330 oder 34,20 vH, in Familie III von 393 auf 719 ℳ, d. i. um 326 oder 83,8 vH, in Famtlie 1V von 619 auf 659 ℳ, also um 40 oder 6,30 vH., in Familie V von 427 auf 520 ℳ, mithin um 93 oder 21,88 vH., in Familie VI von 366 auf 383 ℳ, alio um 17 oder 4,es vH. In Familie II hingegen ist eine Minderung der Ausgaben gegenüber dem ersten Berichtsjahre um 1 oder 0,21 vH., von 584 auf 583 ℳ, für die Konsumeinheit zu verze chnen. Stellt man zur Beantwortung der Frage, inwieweit die rechnungführenden Familten mit ihrem Einkommen auch ihr Auskommen fanden, die gesamten Einnahmen und die gesamten Aus⸗ gaben der Haushalte einander gegenüber, so ergibt sich, daß keine der Familen passiv bilanziert. Die bei sämtlichen Familien innerhalb der Berichtszeit festgestellte Gesamtausgabenerhöhung ist in erster Linie auf dse durch die Kriegsteuerung veranlaßte, fast durchweg nicht unbeträchtliche Steigerung der Aufwendungen für die Ernährung zurückzuführen. In Familie I erhöhen sich die Jahresausgaben für Nahrungs⸗ und Genußmittel von 1913 bis 1916 um 518 oder 22,70 vH, für die Konsumeinheit um 178 oder 50,84 vH, in Familie II von 1914 bis 1916 um 141 oder 19,96 vH, für die Konsumeinheit um 9 oder 3,10 vH, in Familie III, die die stärkste Zunahme der Aufwendungen für die Ernährung aufweist, um 1012 oder 112,66 vH, für die Konsumheit um 243 oder 103,55 vH hier nicht allein infolge der durch den Krieg veranlaßten Teuerung aller Lebensmittel, sondern auch infolge der plötzlichen Einkommens⸗ mehrung und der damit verbundenen verbesserten Lebenshaltung; in Familie IV steigen die Ernährungsausgaben um 128 oder 20 vH, für die Konsumeinheit um 69 oder gleichfalls 20,921 vH, in Familie V um 459 oder 56, 9 vH, für die Konsumeinheit um 105 oder 47,0 vH, in Familie VI um 216 oder 28,80 vH, für die Konsumeinheinheit um 24 oder 10,27 vH. Der Anteil der Ernährungsausgaben an den Gesamtausgaben erhöht sich in Familie I von 35,20 auf 39 * vH, in Famtlie II von 49 3s auf 51,00 vH, in Familie I1II von 59,78 auf 66,48 vH, in Familie IV von 54 48 auf 61,64 vH, in Familie V von 52,28 auf 63,20 vH und in Familie VI von 62 94 auf 66,26 vH.

Ueber das Verhältnis der Aufwendungen für die Ernährung zu den gesamten Ausgaben eines Ha milienhaushalts hat seinerzeit Ernst Engel das bekannte Gesetz aufgestellt, daß, je kleiner das Einkommen, desto größer der Anteil der Ausgaben für die Ernährung ist. E. Laspeyres gab jenem Gesetz die Form: „Mit wachsendem Einkommen steigen die Ausgaben für Nahrung absolut und fallen relativ“. Mit der Ein⸗ schränkung, daß das Gesetz auf das Einkommen für die Konsumeinheit und auf die Nahrungsausgaben für die Konsumeinheit, nicht aber auf Einkommen und Nahrungsmittelausgaben für die Familie zu be⸗ ziehen ist, hat es bisher meist volle Bestätigung gefunden. In den Wirtschaftsbüchern der sechs Berichtsfamilien jedoch ist ihm diese Be⸗ stätigung versagt geblieben. Obwohl in fünf Familien das auf die Konsumeinheit entfallende Einkommen sich im Laufe der Berichtsjahre zum Teil nicht unbeträchtlich erhöhte, trat doch keine Minderung der Ernährungsausgaben in ihrem anteiligen Ver⸗ hältnis zu den Gesamtausgaben ein. Die Ernährungsausgaben stiegen absolut und relativ. In einer Familie (1v) verminderte sich das auf die Konsumeinheit entfallende Einkommen. Gemäß der Umkehrung des Engelschen Gesetzes sollte nun bei sinkenden Ein⸗ nahmen der absolute Betrag der Ausgaben für die Ernährung eben⸗ falls sich vermmdern, ihr Anteil an den Gesamtaufwendungen aber sich erhöhen. Das letztere war der Fall, das erstere nicht; anstatt zu fallen, stiegen die Ausgaben für die Ernährung der absoluten Summe nach. Als Ursache dieser Durchkreuzung des Engelschen Gesetzes muß der Krieg und die durch ihn bewirkte Teuerung aller Nahrungsmittel angesehen werden, die die Berichtsfamilien zwang, auf Kosten der Befriedigung anderer Bedürfnisse einen ern eechend größeren Anteil der Ausgaben zur Beschaffung der no.nw. d gen Lebensmittel zu ver⸗ wenden.

Zur Arbeiterbewegung.

Im Ruhrgebiet waren, wie „W. T. B.“ berichtet, in den gestrigen Frühschichten 12 396 Bergarbeiter ausständig gegen 44 658 am Sonnabend. Es wurde auf allen Zechen gearbeitet. In der Mittagsschicht ging die Zahl der fehlenden Bergleute auf 6735 (gegen 30 844 am Sonnabend) zurück. Im Essener Revier feierte auf den für die Gasversorgung wichtigen Schächten „Mathias Stinnes“ und „Ver. Velheim“ noch etwa die Hälfte der Belegschaft. Auf 211 von etwa 240 Schächten wurde gestern voll gearbeitet.

Zur neuen Generalausstandsbewegung in Ober⸗ schlesien teilt „W. T. B.“ zufolge die Pressestelle des Staats⸗ kommissariats für Oberschlesien folgendes mit: Die Gruben⸗und Hüttenbetriebe arbeiten bis auf die Gruben um Königshütte, die vom elektrischen Strom abhängig sind. Die Belegschaft der Heinitzgrube übermittelte dem Bergarbeiterverband ähnliche Forderungen wie die Belegschaft des Georgschachtes, Pdenen sie folgende Forderungen hinzufügte: „Stillegung der an⸗ gefangenen Arbeiten über und unter Tage, Stillegung des Kesselhauses und der maschinellen Betriebe, Einstellung der Kohlen verladung vom Bestande. Bildung einer Grubenwehr, Absetzung des Generalbevollmächtigten Bergrats Kahler, eines Fahrsteigers und eines Steigers. Sturz der Regierung Ebert⸗Scheidemann.“ Es ist sicher festgestellt, fügt die Pressestelle des Staatskommissariats hinzu, daß der sogenannte Aktionsausschuß dieser neuerlichen ober⸗ schlesischen Bewegung der Kriegsarbeiterrat von Hinden⸗ burg ist, der nur aus Unabhüngigen Sozialisten und nationalen Polen besteht und dessen Führer der Unabhängige Sozialist Rechtsanwalt Lichtenstein ist. Die Belegschaft des Georgschachtes der Berginspektion Zaborze hielt eine Versammlung ab, die den Anschluß an den Generalausstand beschloß. Eine Abordnung über⸗ gab dem Betriebsführer folgende Forderungen: 1) Ersetzung des Grenzschutzes durch eine Arbeitermiliz. 2) Aufhebung des Belage⸗ rungszustandes 3) Freilassung der politischen Gefangenen. 4) Versamm⸗ lungs⸗ und Redefreiheit. 5) Sechsstündige Arbeitszeit. 6) Bezahlung der Streikschichten. 7) Erfassung der Lebensmittel durch die A.⸗ und S.⸗Räte. 8) Selbstverwaltung für Oberschlesien. Seit gestern mittag hat sich die Lage in Wiersvlesten wieder ver⸗ schlechtert. In Gleiwitz ruht jede Arbeit. Die Gleiwitzer Kohlengruben und Hüttenwerke, ferner die son⸗ stigen industriellen Anlagen liegen still. In Zaborze ist der größte Teil ausständig. Die oberschlesischen Zeitungen konnten gestern nur im kleinen Umfange erscheinen, teilweise gar nicht.

Der Ausstand beim oberschlesischen Clektrizitätt⸗ werk Zentrale Chorzow ist gestern abend gegen 6 Uhr beendet worden. Durch diese Zentrale werden die Städte Beuthen, Kattvwitz und Königshütte mit eleftrischer Kraft veporgt In der Zentrale Zaborze dauerte der Ausstand noch an Gleiwitz und Hindenburg waren daber noch stromlos. Es mustt derwegen gestern auf einzelnen Gruben der Betrieb wegen Strom beschränkung eingestellt werden.

In Stettin traten, wie „W. T. B.“ berichtet, als Einspruch⸗ kundgebung gegen die bluligen Vorgänge am Sonntag die Arbeiter der größeren industriellen 2 gestern vormittag in den Ausstand. In geschlossener Zügen marschierten sie nach dem Platz auf der Haten⸗ Terrasse, wo um 11 Uhr wohl gegen 10 000 Arbeiter, darunter auch sehr viele Frauen, versammelt waren. Drei Redner der Unabhängigen hielten an verschiedenen Steller Ansprachen, in denen sie die Vorgänge heleuchteten und behaupteten, die Soldaten seien von Offizieren angestiftet worden, die Volksver⸗ sammlung zu sprengen. Sie verlangten ferner Bestrafung der Sol⸗ daten, Untersuchung gegen die Offiziere des Detachements Pönsgen, dem die Soldaten angehören, Beerdigung der Opfer auf Staats⸗ kosten, Absetzung des Arbeiterrats und seine Neuwahl auf andere Grundlage, Bildung einer Sicherheitswehr aus Stettiner Arbeiter und ihre Unterstellung unter den Arbeiterrat, Unterlassun der Bildung von Truppenkörpern und Mitbeaufsichtigung von Heeresgut durch Volksbeauftragte. Diese Forderungen sollten alsbald dem Arbeiterrar vorgetragen werden, der sie an die Behörden weiterzugeben habe. Zu diesem Zwecke zogen die Kund gebenden vor das Regierungsgebäude, wo mit dem Arbeiterra gesprochen werden sollte. Um 4 Uhr Nachmittags sollte eine Ver⸗ trauensmännersitzung und um 6 Uhr eine zweite Volksversammlung auf demselben Platz abgehalten werden. Bis zur Erfüllung de Forderungen sollte der Kundgebungsausstand andauern. Abends fan auf dem großen Sportplatz an der Hakenterrasse wieder eine Versammlung der ausständigen Arbeiterschaft Stettins statt. Mehrere Redner erstatteten Bericht über die inzwischen mit den Behörden geführten Verhandlungen. Danach seien die schon gemeldeten Forderungen ausnahmslos zugestanden worden. Untersuchung gegen das Offizierkorps des De⸗ tachements Pönsgen werde auf den Führer der Truppe Hauptmann Pönsgen selbst ausgedehnt. Der General von Stockhausen habe sich auf Erfordern der Unterhändler wegen einer von ihm verfaßten, angeblich irreführenden Darstellung über den Soldatenputsch der Untersuchungshaft unterworfen. Der Kundgebun sausstand war damit

Verkehrswesen.

Die Generaldireklion der Staatseisenbahn teilt mit: Wegen Kohlenmangels ruht am Donnerstag, den 1. Mai, und am Sonntag, den 4. Moi, der Personen⸗ verkehr auf sämtlichen mürttembergischen Staatsbahnen. Am 2, 3. und 5. Mai verkehren die Personenzüge wie sonst.

Von jetzt an sind Postpakete ohne Wertangobe nech Finn⸗ land bis zum Gewicht von 5 kg zur Annahme wieder zugelassen. Nähere Auskunft erteilen die Postanstalten.

Der Briefverkehr mit Italien ist wieder eröffnet. Zu⸗ gelassen sind auf Gefahr des Absenders gewöhnliche und ein⸗ geschriebene Briefe, Postkarten, Drucksachen, Geschäftspapiere und Warenproben.

Im Opernhause wird morgen, Mittwoch, „Don Juan“, mit den Damen Kemp, von Granfelt, Artôt de Padilla und den Herren Bronsgeest, Knüpfer, Hutt, Stock und Hahich besetzt, unter der Leitung von Dr. Richard Strauß aufgeführt. Anfang 7 Uhr.

Im Schauspielhause gehen morgen „Die Kreuzelschreiber“ in bekannter Besetzung in Szene. Spielleiter ist Albert Patry. Anfang 7 Uhr.

Die am 1. „Meistersinger“ im

Vorstellungen: Vorstellung) und (120. Vorstellung),

Mai ausfallenden Opernhause (107. „Wilbelm Tell“ im Schauspielbhause werden in die nächste Woche verlegt, und zwar beide auf Mittwoch, den 7. Maij. Die im Vor⸗ verkauf bereits verkauften Eintrittskarten behalten ihre Gültig⸗ keit. Sie können guch an der Opernhaus⸗ bezw. Schau⸗ spielhauskasse gegen Rückzahlung des Kassenpreises zuzüglich des amtlichen Aufgeldes, und zwar spätestens bis zum Beginn der genannten Vorstellungen am 7. Mai, zurückgegeben werden. Eine spätere Zurücknahme ist ausgeschlossen. Für Dauerbezieher fallen die genannten Verstellungen (107. inn Opernhause und 120. im Schauspiethause) aus. Die Beträge für diese Vorstellungen werden bei Ausgabe der Dauerbezugskarten für den näͤchsten Monat in Anrechnung gebracht.

Mannigfaltiges.

Der Reichswehrminister verordnet: 2 1) Der Polizeipräsidert von Berlin ist am 1. Mai d. J. berechtigt, auf Antrag öffentliche Versammlungen nicht nur in geschlossenen Räumen, sondern auch unter freiem Himmel und den geschlossenen An⸗ und Abmarsch zu oder von diesen Ver⸗ sammlungen zu genehmigen. 1 2) Im übrigen bleiben die Bestimmungen des Belagerungs⸗ zustandes maßgeblich. (W. T. B.)

Die Kohlenstelle Groß Bexlin hat unter dem 25. April folgendes Rundschreiben an den Koblenhandel gerichtet:

Auf Grund der Bekanntmachung des Kohlenvperbandes vom 4. April 1919 wird bekanntgegeben, daß die in der Bekanntmachung des Kohlenverbandes Groß Berlin über Festsetzung von Koks und Brikettpreisen vom 5. Februar 1979 festgesetzten Preise für Koks aller Sorten mit Rücksicht auf den 60 prozentigen Aufschlag zu den bisher

geltenden Frachtsätzen mit Wirkung vom 1. April erhöht werden

dürfen um einen Zuschlag, der jedoch 40 je Zentner nicht üͤber⸗ steigen darf. 8

Vor der Räumung des besetzten Gebietes in Rumänien wurde ein Geldtransport mit etwa 500 Millionen Lei, d. h. neue Noten der Banca Generala von Rumänien nach der Heimat zurückgebracht; der Transport traf am 7. November in Berlin ein. Infolge der ausbrechenden Revolution war es den maß⸗ gebenden Stellen nicht möglich, diese Leinoten in der er⸗ wünschten Weise sicher aufzubewahren; sie mußten vielmehr, als im Jüuliusturm kein Platz war, zunächst in der Zitadelle in Spandau unter Bewachung gelagert werden, da eine Unter⸗ bringung in Berlin in jeuen Tagen ausgeschlossen war. Während der sich entwickelnden Revolution hörte die Bewachung auf und es erfolgten mehrfache Einbrüche in die Zitadelle. Man kann von großem Glück sprechen, daß die 500 Millionen Lei in dieser unsicheren Zeit von unsauberen Elementen nicht verschleppt werden sind. Dem im Anfang Januar neu ernannten Kommandanten, Oberfeuerwerker Häusler, ist es zu verdanken, daß das Geld dem Staat fast ganz er⸗ halten vüi. äusler fand bei Uebernahme seines Amtes gelegent⸗ lich einer Revision der Zitapellenräume die Kisten mit dem Papier⸗ eld in dem Offizterwacht immer vor. Die Tür zu diesem Zimmer semee eine Kiste waren erbrochen, die jedoch sogleich ordnungsgemäß verschlossen wunden. Eine Wache 9 sofort eingesetzt. Die maß⸗ gebenden Perliner Stellen fanden infolge der damaligen