1919 / 98 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 30 Apr 1919 18:00:01 GMT) scan diff

das Reichskolonialministerium durch den Geheimrat Ruppel, das Reichswirtschaftsministerium durch den Staatsrat von Meinel und Herrn Richard Merton, das Reichs⸗ ernährungsministerium durch den Geheimrat Fritz und Herrn Legien, das Reichsamt für die Verwaltung der Reichs⸗ eisenbahnen durch den Geheimrat Eberbach, das Kriegs⸗ ministerium und der Große Generalstab durch den General von Seeckt, die Majore Draudt und von Oertzen und den Hauptmann Fischer, das Reichsmarineamt durch den Kommodore Heinrich und den Fapitänleutnant Kiep. der Waffenstillstondskommission sind die Herren von Becke d, Schall und Major von Boetticher nach Versailles entsandt worden. Von der Geschäftestelle für die Frie densverhandlungen gehören Dr. Hans Meyer und Herr Klee der Dele⸗ gation an. 8

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v 114“ Der Vorstand der Deutschen Kolonialgesellschaft, Abteilung Berlin, hat der Geschäftsstelle des Auswärtigen Amts für die Friedensverhandlungen, wie dem „Wolffschen Telegaphenbüro“ von zuständiger Seite milgeteilt wird, folgende Entschließung überreicht: 8 Die Deutsche Kolonialgesellschaft, Abteilung Berlin, erwartet zuversichtlich, daß die Reichsregierung bei den Friedensverhand⸗ lungen mst stärkstem Nachdruck auf Rückgabe unserer Kolonien besteht. Ein Frieden, der uns die Kolonien raubt, wäre für Deutschland uncrträglich. Ein Völkerbund, der in beuchlerischer Herabsetzung der von Deutschland bewiesenen kolonialen Fähig⸗ keiten die deutschen Kolonien Völkern ausliefert, die entgegen feierlichen Verträgen die Neutralisierung Afrikas während des Krieges abgelehnt und dadurch den Krieg auch dort entflammt haben, die Hunderttausende wehrloser Eingeborener auf die europäischen Schlachtfelder verschlexpt, andere Hunderttausende in den Kolonien frevelhaft vernichtet haben, die nichtswüͤrdige Mißbandlungen ge⸗ fangener Deutscher in Dahomey und Marokko angesichts der farbigen Finwohner feige verübt oder gefühllos geduldet haben, ein solcher Völkerbund wäre ein Zerrbild einer gerechten Völkerversöhnung.

Ahn Stelle der am 1. Mai laufenden Jahres in Deutsch⸗ land zur Auflösung gelaugenden österreichisch⸗un garischen Kon⸗ sularämter treten, wie „Morffs Telegraphenbüro“ mitteilt, mit diesem Zeitpunkte deutsch⸗österreichische Konsularämter lediglich zur Wahrnehmung der deutsch österreichischen Interessen. Die deutsch⸗österreich'chen Konsularämter in Berlin, Dresden und Hamburg sind außerdem beouftragt, Ende Juni, resp. bis zu etwa vorheriger Errichtung eigener Vertretungsbehörden der schecho⸗slovakischen Republik, die Interessen der lschecho⸗slovaki⸗ chen Staatsangehörigen wahrzunehmen.

Gemäß § 2 Absatz 3 des Gesetzes über die Regelung der Kohlenwirischaft vom 23. März 1919 hat der Zu⸗ sammenschluß der Kohlenerzeuger zu Bezirksverbänden bis zum 30 Juni d. J. zu erfolgen. Wie der Reichswirtschaftsminister in den Verhandlungen des Aueschusset für den Reichshauehalt über den Entwurf des Gesetzee, betreffend die Regelung der Kohlenwirtschaft, bereits erklärt hat, gestattet und erhofft die Reichsregierung einen freiwilligen Zusammenschluß der Unternehmer zu Bezirkeverhänden. Die Frift die pach Erlaß des Gesetzes (etwa Ende Mai) zum freiwtilligen Zusammen⸗ schluß zor Verfügung stehen wird, wird laut Mitteilung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ sehr kurz sein. Darum wird den Beteiligten dringend empfohlen, den Zusammenschluß, soweit möglich, schon jetzt vorzubereiten, Verträge und Satzungen uszuarbeiten und für Ende Mai zur Genehmigung bereitzuhalten. Der Zusammenschluß soll innerhalb der nach⸗ stehend auf efüh ten Erzeugerbezirke erfolgen:

1) Oberschl sien, 2) Niederschlesien. 3) Rubrbezirk, 4) Aachener Bezirk, 5) Saarbezirk, 6) die Stemkohlenbergwerke in Oberkirchen, Barsinghauten, Ibbenhüren mit den benachbarten Bergwerken, 7) sächsischer Steinkohlenberaban, 8) Kohlenbergbau des rechts⸗ rheinischen Bayern, 9) Braunkoblenbergban östlich der Elbe. Ferner ist vorgesehen vorbehaltlich weiterer Verhandlungen 10) ein Verband des mitteldeutschen Braunkohlenbergbaues einschließlich der Freistaaten Sachsen und Sachsen⸗Altenburg sowie Cassel und 11) ein Verband des Cölner Braupkohlenbergbaues, einschließlich Westerwald⸗ bezirk und Hessen. Schließlich werden 12) sämtliche Gasanstalten im Deutschen Reich, die Kols erzeugen und absetzen, einen Verband (Reichsgaskokssyndikat) bilden.

Solche Werke, die einem der aufgezählten Bezirke nicht angehören, haben sich dem nächstgelegenen Bezuksverband an⸗ zuschließen. Sofern in einem Bezirk ein freiwilliger Zu⸗ sammenschluß nicht erfolgt, wird der Bezirksverband von ber Reichsregierung in der zweiten Hälfte des Juni zwangsweise gebildet werden.

Zu der gestrigen Notiz über die Heimkehr der Elsaß⸗ Lothringer wird mitgeteilt, daß die Anschrift des Peiegierten Koch in Frankfurt a. M. jetzt Taunusanlage 9 (Fernsprech⸗ anruf Hansa 9210) lautet.

Die Preußische Regierung hat laut Meldung veefefüschen Telegrahenbüros“ folgende Kundmachung erlassen:

Nach dem Gesetz vom 17. April 1919 gilt der 1. Mai als all⸗ gemeiner Feiertag im Sinne der reichs⸗ und landesgesetz schen Vor⸗ schriften, also in dem Umfange, wie die bisber schon bestehenden. gesetzlichen Feiertag-. Demgemäß haben die Verkehrsanstalten, insbe⸗ sondere die Eisenbahnen, ihren Dienst auch am 1. Mai d. J. wie an anderen gesetzlichen Feiertagen auszuführen.

Hierzu ist angeorenet, daß der Güterverkehr, soweit als die notwendigste Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Kohle dies irgend zuläßt, ruhen soll, damit dem Eisen⸗ 18.J weitestgehende Befreiung vom Dienste zugute ommt.

Die Reichstruppen haben im Einvernehmen mit der bayerischen Regierung mit Teilen die Grenze überschritten. Wie „Wolffe Telegraphenbüro“ meldet, befindet sich die 2. Gardedioision mit den Regimentern Alexonder, Augusta Franz und dem Freikorpo Görlitz auf dem Marsche. Gemeinsam mit bay rischer und schwäbischer Volkswehr werden die Hilfstruppen des Reichs den Aufmarsch gegen München durchfüh en. Hauptoerteidigungslinie der Roten Armee ist gegen Westen Amper und Ammersee bis Bruck, Stützpunkt gegen Norden das stark bef stigte Dachau. Der nördlich vorgeschobene Stütz⸗ punkt Freising wurde van Regierungetruppen genommen. Auch eine Amperbrücke bhefiadet sich schon in der Hand der Regierung. Pie Spartaktstenarmee wird nicht mehr von

Toller, sondern vom früheren Stadtkommandanten, dem K munisten Egelhofer, angeführt.

Ueber die Zustände bei der Roten Armee verlautet, daß die Uneinigkeit im Kommunistenlager um sich greife. Die Garnison München gilt den Spartakisten als verdächtig. 200 Mann des Leibregiments wurden verhaftet. Als zu⸗

Von

Volksabstimmung erfolgen foll.

verlässia gelten nur die bewaffneten Arbeiterbataillone; als Druckmittel zum Eintritt in sie wird mran Waffennehmer Arbeits⸗ losenunterstützung gezahlt. Trotz sehr günstiger Bedinvaungen hat die Besatzung Dachau Lohnerhöhuna, bessere Very flegung und Ablösung sowie Absetzung des Obesbefehlshabers verlangt. Das ausländische Element unter den Kommunisten ver⸗ stärkt sich. In allen Versommlungen treien Russin auf. Im Vollzugsrat im Wittelsbacher Polais befinden sich ständig 50—60 Russen in Zivil. Russische Kriegsgefangene in bayerischer Uniform liegen als Besatzung in den Törfern. Die Münchener Näteregierung hat Papiergeld mit neuen Seriennummern ge⸗ druckt und befohlen, alles Bargeld abzuliefern, weil sie keine Löhne mehr auszahlen kann. Das Haus des Professors Seidl wurde vollständig ausgeplündert.

Nach amtlichen Mitteilungen sind die Regierungs⸗ truppen gestern auf der Lechlinie näher an München heran⸗ gegangen und in Starnberg eingezogen.

Württemberg.

Das Kriegsministerium fordert das erste Aufgebot der Reserve⸗Sicherheitstruppen des ganzen Landes auf, im Laufe des 30. April zur Einstellung bei den Kompagnien bezw. den Werbestellen sich einzufinden.

raunschweig.

1 Entscheidung der Landesversammlung über die Bildung der neuen Regierung ist nach eirer Meldung des „Wolssschen Telegraphenbüros“ abermals vertaat morden, da bei Eröffnung der Sitzung wiederum nur die Vertreter der beiden sozialdemokratischen Parteien zugegen waren.

Bremen.

Nach „Boesmanns Telegraphischem Büro“ fordert der 21 er Ausschuß in einer Erklärung an die streikenden Arbeiter und Arbeiterinnen Bremens diese auf, die Arbeit heute ge⸗ schlossen wieder aufzunehmen, und erklärt den General⸗ streik in Bremen mit dem heutigen Tage für beendigt. Die Straßenbahn verkehrt wieder auf allen Linien. Tages⸗ zeitungen und Zeitschriften unterstehen der Vorzensur. Die Verbreitung von Flugblättern ist verboten, ebenso Umzüge und Versammlungen. 8

Oesterreich.

Nach einer Meldung des „Wiener Korrespondenzbüros“ haben südslawische Truppen gestern die Demarkations⸗ linie in Kärnten überschritten und die von den kärntnerischen Landestruppen gehaltenen Sicherungen überrumpelt Die De⸗ maorkationelinie war unter Mitwirkung der amerikanischen Kom⸗ mission festgelegt worden. Dieser ganz unerwartete Bruch der unter Vermittlung Amerikas getroffenen Vereinbarungen hat des Land Kärnten äußerst beunruhiat, zumal der abgeschlossene Waffenstillstasd nicht gekündigt worden war. Auf der ganzen Linie von Vökermarkt bis zum Villacher Becken wurde von den südstawischen Truppen der Kampf eröffnet.

Das Staateamt des Aeußern hat sofort beim süd⸗ slawischen Gesandter Pogacnik gegen die Ueberschreitung der Demorkationslinie Einsp uch erhoben, die Zurückziehung der Truppen gefordert und erklärt, daß die Verweigerung dieser Forderung als feindlicher Akt angesehen werden würde. Auch alle Wiener Ententem ssionen wurden von diesem Schritte ver⸗ ständigt und ersucht, das zwischen Deutsch Oesterreich und Süd⸗ slawien strittige Gebiet in Kärnten durch Truppen einer neutralen Großmacht besetzen zu lassen, unter deren Schutz und Kontrolle die Der gestrige Kabineterat beschäftigte sich mit der durch den Einbruch geschaffenen Lage und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung der für die Lebensmitteltransporte vöngen Bahnverhindungen Die Landes⸗ regierung Kärntens hatie die deutsch⸗österreichische Regierung um die erforderlichen Vollmachten für ein Aufgebot der Landes⸗ kinder ersucht und das Heeresamt um Unterstützung gebeten. Der Kabinettsrat erteilte der Landesregierung diese Vollmachten und beauftragte das Staatsamt für Heerwesen, alle notwendigen Schritte zum Schutze des Grenzgebiets einzuleiten.

Wie der Pressedienst des Kärntner Landesausschusses weiter meldet, gelang es dem Feinde, die Bahnstatlon Rosenbach zu nehmen und die Sicherungstruppen mestlich von Völkermarkt zurückzudrängen. An allen übrigen Teilen der Front wurden die Angriffe unter starken Verlusten für den Gegner abgewiesen.

klärung über das Verhalten Deutsch⸗Oesterreichs gegenüber den Kronenguthaben von Ausländern:

Deutsch⸗Oesterreich weigert sich durchaus nicht, die Kronengut⸗ haben der Ausländer zu honorieren, es erklärt sich bereit, jedem Aus⸗ länder die von seinem, im ehemaligen Oesterreich⸗Ungarn be⸗ stehenden Guthaben abgehobenen ungestempelten Noten ab⸗ zustempeln, also in deutsch⸗österreichische Zahlungsmittel zu ver⸗ wandeln, wenn auch die anderen Sutkzessionsstaaten, insbesondere der tschecho⸗slowakische Staat, dasselbe iun. Es kann aber Deutsch⸗Oesterreich nicht zugemutet werden, alle in Deutsch⸗ Oesterreich liegenden ausländischen Guthaben, die unsprünglich für Zahlungen in ganz Oesterreich⸗Ungarn bestimmt waren, allein aus jetnem eigenen Volksvermögen zu honorieren. Allerdings ist Deutsch⸗Oesterreich infolge der unversöhnlichen Haltung der Nationalstaaten nicht in der Lage, mit den National⸗ staaten selbst über die Behandlung der ausländischen Guthaben zu einer Vereinbarung zu gelangen. Es ist daher ein internationales Arrangement und das Einwirken seitens der interessierten Auslandsstaaten notwendig. Die aus⸗ ländischen Gläubiger müssen einsehen, daß ihre Beschwerden sich gegen Prag, Polen, Ungarn und Südslawien richten müßten und nicht gegen Wien, das alles zu tun bereit ist, um die ausländischen Gläubiger zu befriedigen, wenn nur die anderen neuentstandenen Natio alstaaten sich zu der gleichen Haltung bekenn

Ungarn. h““

Das „Ungarische Telegraphenkorrespondenzbüro“ meldet über die militärische Lage:

Am 28. naͤherten sich die Rumänen dem unteren Lauf der vereinigten Koeroes und der Honobagy. Oestlich von Karczag ent⸗ lang des Hortobagyer Kanals haben die Rumänen wiederholt ver⸗ gebens argegeiffen. In der Abenddämmerung waren unsere Truppen

intolge des übermächtigen gegen die Flanfen gerichteten Angriffs zum Rückug gezwungen. Die östlich von Tol Rakamazer Brücken⸗ 5se vhesesn

des

Die „Staatskorrespondenz“ veröffentlicht falgende Er⸗

Truppen

kopf stehenden Truppen haben sich infolge des übermächtigen Angrifft des Feindes auf das westliche Ufer der Theiß zurückgezogen. Wie Tschechen haben oberhalb Csap gegen die Latorcabrücke und in Hernadtal südlich von Hidas⸗Nemeti mit kleineren Kräften angegriffen.

Frankreich.

Die vorgestrige Vollsitzung der Friedenskonferenz beschäftigte sich mit dem Völkerbundsprojekt. Amsterdamer Blättermeldungen zusolge hielt der Präsident Wilson eine Rede, in der er ausführle:

Als Ihnen unlängst der Text des Völkerbundsentwurfes vorgelegt wurde, hatte ich die Ehre, Ihnen den Entwurf vorzulesen. Jetzt werde ich Sie nicht damit aufhalten, den Vertrag. nochmals vorzulesen, weil er jetzt verändert ist, sondern ich will mir nur die Freiheit nehmen, die darin angebrachten Aenderungen zu be⸗ sprechen. Der Bericht der Kommission ist an weiter⸗ gegeben worden. Sie haben den Text des Vertrages selbst in Händen gehabt und werden zweifellos bemerkt haben, daß die meisten Veränderungen, die vorgenommen wurden, auf die Ausdrucksweise Bezug hatten und das Wesen der Sache nicht berühren. Die meisten Aenderungen wurden vorgenommen, um die Urkunde deutlicher zu machen und aufzuklären, was unklar war. Ich werde Ihre Aufmerksamkeit auf die neuen Bestimmungen lenken. Einige davon sind sehr wichtig, die anderen nicht so sehr. Der 1. Paragraph des Artikels 1 ist neu. Mit Bezug auf die Auf⸗ nahme des Abkommens in den Friedensvertrag wurde eine besondere Bestimmung für die Unterzeichner des Vertrages aufgenommen, d

Ssg Sie

die Mitalieder des Bundes werden, und ebenso bezüglich der neutralen Staaten, die dem Abkommen beitreten werden. Der 3. Paragraph des

Artikels 1 ist neu und gibt allen Mitgliedern des Bundes das Recht,

C

mit einer Kündigungsfrist von zwei Jahren auszutreten. Auch der 2. Paragraph des Artikels 4 ist neu. Er befaßt sich mit der Mög⸗ lichkeit der Ausbreitung des Rates, wenn andere Mächte dem Völker⸗ bunde heitreten, deren augenblicklicher Beitritt nicht erwartet wird. Ferner ist der letzte Paragraph des Artikels 4 neu, der vorsieht, daß jedes Mitglied eine Stimme im Rat des Bundes erbält, wie schon früher festgestellt war, und daß außerdem jedes Mitglied einen Vertreter haben wird. Ferner ist der 1. Paragraph Artikels 5 neu. Zum 2. Paragraphen des Artitels 6 ist hinzugefügt worden, daß die Ernennung des Generalsekretärt von der Mehrheit der Versammlung gutgeheißen werden muß. Der erste Paragraph des Artikels 7 nennt Genf als Sitz des Völkerbundes und wird durch den zweiten Paragraphen vervoll⸗ ständigt, der den Rat ermächtigt, den Sitz des Bundes nach einem anderen Orte zu verlegen, falls es für notwendig gehalten werden sollte. Der dritte Paragraph des Artikels 7 ist neu und bestimmt die Gleichstellung der männlichen und weiblichen Angestellten. Der zweite Paragraph des Artikels 13 ist insofern neu, als er verschiedene Beispiele von Stzeitigkeiten gibt, die im allgemeinen dazu geeignet sind, einer schiedsgerichtlichen Entscheidung unter⸗ worfen zu werden, nämlich Fälle, die man als juristische Fragen bezeichnen kann. Der 8. Paragraph des Artikels 15 ist neu. Er ist ein die innere Rechtsprechung betreffendes Amendement. Wenn der Rat nämlich findet, daß aus einem internationalen Zwist eine Frage entsteht, die Angelegenheiten betrifft, welche offenkundig in das Gebiet der inneren Rechtssprechung der einen oder anderen Partei gehören, so muß darüber ohne irgend eine Hinzufügung Bericht erstattet werden. Der letzte Paragraph des Artikels 16 ist neu. Der 2. Paragraph des Artikels 22 enthält die Bestimmungen bezüglich der Vollmachten und dersenigen, die bereit sind, sie anzunehmen. Es wird darin ausdrücklich der Grundsatz angeführt, daß ein Volk, das nicht bereit ist, ein Mandat auf sich zu nehmen, dazu nicht gezwungen werden kann. Artikel 23 ist eine Kombination von verschiedenen früheren Artikeln und enthält folgende Bestimmungen: Eine Klausel über die Behandlung der Eingeborenen, eine Klausel über die Ver⸗ hütung des Mädchenhandels und eine Klausel über die inter⸗ nationalen Maßregeln zur Verhütung und Beohachtung ansteckender Krankheiten. ie §§ 5 und 6 exwähnen insbesondere das Rote Kreuz als eine der internationalen Organisationen, die ihre Arbeit mit der des Völkerbundes vereinigen werden. Artikel 26 gestattet das Amendement, daz der Vertrag durch eine Mebrbeit der Staaten, die in der Versammlung vertreten sind, an Stelle von drei Wreertel der Staaten angenommen werde, obwohl sonst keine Veränderung bezüglich der Abstimmung in dem Rate geschieht. Der 2. Paragraph des Artikels 26 ist neu und wurde auf Ersuchen der biasilianischen Delegierten hinzugefügt, um gewisse auf die Verfassung Bezus habende Schwierigteiten zu vermeiden. Ferner wurde ein Absatz hinzugefügt, der die Namen der Unterzeichner des Vertrags angibt, die Mitglieder des Bundes werden, und die Namen der Staaten, die eingeladen werden, dem Bunde beizutreten. Dies sind, wie ich glaube, alle jetzt vorgenommen wurden. Ich benutze die Gelegenheit, folgende Entschließungen einzubringen, um die Bestimmungen des Vertrages cuszuführen. Sie werden bemerkt haben, daß der Vertrag bestimmt, daß der erste Generalsekretär von der Konferenz ge⸗ wählt werden kann. Er bestimmt auch, daß die erste Wahl, von vier der Staaten, die Mitglieder werden und neben den fünf Groß⸗ nächten in den Rat aufgenommen werden, dieser Konferenz überlassen werde. Ich schlage vor, daß der erste Generalsekretär des Bundes Sir James Erie Drummond sein soll, 2) daß bis zu dem Zeitpunkt, wo die Versammlung die ersten vier Mitglieder des Bundes, die im Rat vertreten mit dem Artikel 4 des Vertrages gewählt hat, die Vertreter von Belgien, Brasil'en, Griechenland und Spanien Mitglieder sein sollen, 3) daß die Mächte, die im Rate des Bundes vertreten sein sollen, ersucht werden, Vertreter in dem Rat der Neun zu ernennen, um die Pläne für die Organisation des Bundessitzes und das Programm der nächsten Versammlung auszuarbeiten. Diese Kommission muß sowohl dem Rat als auch der Versammlung des Völkerbundes Bericht erstatten. Es ist unnötig, Ihre Aofmerksamkeit auf andere Angelegenheiten, die wir früher erörterten, hinzulenken. Das wichtigste an diesem Vertrag sind die Erwartungen, die man an seine Zukunft und an seine Regelung der Weitangelegenheiten knüpft, und das deutliche Zeugnis, daß er ein Uebereinkommen der freien Pölker darstellt, die Gercchtigkeit in den internationalen Beziehungen und dem Zufammenleben der Völker zu verteidigen.

Wie „Reuter“ meldet, wurden von der Friedenskonferenz der japanische Antrag, der die Aufhebung der Rassenunter⸗ scheidung fordert, und die französischen Anträge zugunsten eines Zwangsschiedsgerichts und zugunsten der Errichlung eines militärischen Rats, der in den Fragen, die die Abrüstung be⸗ treffen, dem Rat des Völkerbundes zur Seite stehen soll, für die Entscheidung durch den Bund selbst zurückgestellt. Der Rest des Vertrags wurde jedoch in der vorgeschlagenen Form ange⸗ nommen In einer späteren Sitzung soll über einen Gegenantrag Borden⸗Kanada beraten werden, der sich auf die Regelung der Arbeitsbedingungen hezieht. Am Schluß der Sitzung der Konferenz trat der Minister Pichon dafür ein, daß auch das Fürstentum Monaco in die Liste der neutralen Staaten auf⸗ genommen werde, die zum Eintritt in den Vörkerbund auf⸗ gefordert werden sollen.

Nach einer Havas⸗Reutermeldurg ist Graf Brockdorff⸗ Rantzau mit den Mitgliedern der deutschen Delegatson gestern auf dem Bahnhof Vaucresson bei Versailles eingetroffen.

8 Rußzland.

2 „Times“ meldet aus Jekaterinburg, daß Bolschewristen versucht haben, ihre demorallsierten Truppen durch die Vorspiegelung, daß sich 80 000 Mann uk ginischer zur Unterwegs befinden, zum 1“

zurü

Aenderungen, die

sein muüͤssen, in Uebereinstimmung

kämpfen zu bewegen. Die Roten Truppen unternahmen einen Gegenangrif;, der jedoch unter schweren Verlusten für sie ab⸗ geschlagen wurde. Das sibirische Heer dringt unaufhaltsam auf seinem schnellen Vormarsch beiderseits der Kama vorwärts. General Dutoff hat die Bolschewisten auf der ganzen Front ckgem rfen und rückt in der Richtung Orenburg vor.

Itealien. Nach eine Stefanimeldung begab sich auf Einladung des

Bürgermeisters die Bevölkerung der Stadt Rom vorgestern auf das Kapitol, wo der Gemeinderat eine Sitzung ab⸗ hielt. Fürst Colonna verlas eine Tagesordnung, wonach das Volk von Rom Kenntnis nimmt von dem freien, legitimen und festen Wihlen Fiumes, sich mit ihm zu vereinigen, und sofortige Annexion der im Londoner Vertrage erwähnten Ge⸗ biete verlangt. Es erinnere auch die Regierung an ihre Pflicht, die übrigen noch nicht befreiten Städte Italiens, u. a. Spalato, Italien anzugliedern. Diese Tagesordnung wurde vom Ge⸗ meinderat unter dem Beifall des Volkes einstimmig angenommen und nach dem Quirinalplatz gebracht, wo der Fürst Colonna die Tagesordnung dem König übergab.

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Der „Lavoratore“ meldet aus Fiume, daß der dortige italienische Nationalrat die Stadt feierlich dem italienischen General Grazioli übergeben habe. Das englische Bataillon, welches aus Fiume abmarschieren sollte, verbleibt bis auf weiteres in der Stadt.

In der gestrigen Sitzung der Kammer verteidigte der Ministerpräsident Orlando seine Haltung und die der italienischen Delegation auf der Pariser Friedens⸗ konferenz. Der Ministerpräsident gab eine Schilderung der Verhandlungen seit Mitte März und sagte laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ u. a::

„‚Die Vorarbeiten waren beendet und ein Programm aufgestellt, in dem an erster Stelle die Verhandlungen über die deutschen Fragen standen, die italienischen Fragen sollten erst an zweiter Stele be⸗ raten werden. Ich betonte die Notwendigkeit, daß beim Abschluß des Friedens mit Deutschland auch die italienischen Ansprüche geregelt werden müßten, da der Friede doch ein gemeinsamer sein solle. linsere Beziehungen zu den Verbündeten waren während dieser Zeit die denkbar besten. Italien hatte in loyalster Weise am Friedenswerk mitgearbeitet, und niemand von uns ist der Ansicht gewesen, daß die Meinungsverschiedenheiten, die sich zwischen uns und einigen unserer Alliierten ergaben, so tiefgehender Natur seien, daß sie zu den bekannten Ereignissen führen könnten. Im Gegenteil wurden die italienischen Ansprüche von sämtlichen assozrierten und alliierten Re⸗ gierungen in durchaus freundschaftlicher Weise erwogen, was mich nicht hinderte, mit aller Entschiedenheit immer wieder auf die Be⸗ rechtigung der italienischen Forderungen hinzuweisen. In zwei längeren Unterredungen mit Wilson am 14. April habe ich dann noch⸗ mals die sämtlichen Italien betreffenden Gebietsfragen auf das ein⸗ gehendste erörtert. Das Ergebnis dieser Unterredung war, daß Wilson mir ein Memorandum überreichte, das die Ansicht der amerikani⸗ schen Regierung in dieser Angelegenheit wiedergab. Danach sollte Fiume nur eine gewisse Freiheit zugestanden werden. Istrien sollte sogar aufgelöst werden. Die wichtigsten Lebensfragen für Italien waren in einem Sinne gelöst, den wir nicht annehmen tonnten. Es ergab sich schon damals für uns die Frage, ob es zweckmäßig sei, weiter an den Verhandlungen teilzunehmen. Wilson äußerte in berzlicher Weise sein Bedauern über diese Auffassung und erklärte, er habe alles getan, um die italie⸗ nischen Wünsche der Erfüllung naher zu bringen, und er seinerseits habe seine Sachverständigen neuerdings beauftragt, die ganze Frage nochmals eingehend zu prüfen, um festzustellen, welche Konzessionen den italienischen Ansprüchen gegenüber gemacht werden könnten. Die folgenden Tage gingen dahin in einem Suchen nach einer vermittelr den Lösfung. Die Ualienische Delegation li⸗ß sich dabei durchaus nicht von ausschließlich eigensüchtigen Erwägungen bestimmen, sondern bemühte sich redlich, den Anforderungen der anderen Regierungen gerecht zu werden; jedoch wurde durch das Erscheinen der Wilsonschen Botschaft in den Pariser Blättern die Sachlage vollkommen geändert. Die Lage für unsere Delegation wurde äußerst ernst, nicht wegen des Vorhandenseins einer Meinungsverschiedenheit, auch wenn sie noch so tiefgehender Natur war, sondern weil durch diese Botschaft in aller Oeffentlichkeit das Ansehen und die Autorität der italienischen Regierung herabgesetzt wurde. Allerdings hat Wilson in durchaus höflicher Weise erklärt, daß er diese Absicht nicht hatte. Wir jedoch konnten nicht mehr anders, als nach Italien zurück⸗ zukehren und die Nationalversammlung zu fragen, was die italienische Regierung und die italienische Delegation nun tun sollten.“ Der Ministerpräsident gab sodann in kurzen Zügen eine Uebersicht über die Anschauungen der verschiedenen Regierungen zu der italieni'chen Frage. Insbesondere betonte er, daß Frankreich und England durchaus bereit seien, die ehrenwörtlich eingegangenen Verpflichtungen des Londoner Vertrages zu erfüllen, daß sie sich aber der italienischen Anschauung bezüglich Fiumes nicht glaubten anschließen zu können, zumal Fiume im Londoner Vertrag nicht ausdrücklich erwähnt war. Sie wollten Fiume in eine freie und unabhängige Stadt umwandeln. Des weiteren legte Orlando den italieuischen Standpunkt dar und betonte die Be⸗ rechtigung der italienischen Forderungen. Er sagte: „Selbst wenn sie alle erfüllt werden, wird Italien noch immer nicht das erreicht haben, was andere Mächte durch den Krieg erlangt haben. Italten wird trotz des Hinzutretens neuer Gebiete im Verhältnis eine weit geringere Anzahl von Angehörigen nicht italienischer Nationalität in sich vereinigen als andere Staatsgebilde, die bereits vor und erst während des Krieges entstanden sind. Der Vorwurf, daß Italien imperialistische Bestrebungen verfolge, beleidigt uns. Das italienische Volk ist von derartigen Bestrebungen weit entfernt.“

Schließlich wurde die von dem Abgeordneten Luzzatti vorgeschlagenene Tagesordnung, die der Regierung das Vertrauen ausspricht, mit 382 gegen 40 Stimmen an⸗ genommen. 8 Evpanien. Der Ministerrat hat beschlossen, die Cortes in der

nächsten Woche einzuberufen.

er;

Niederlande.

Die Internationale Sozialistische Konferenz in Amsterdam, die ihre Arbeiten vorgestern Nacht abschließen wollte, mußte, da sie ihr Arbeitspensum nicht erledigt hatte, gestern vormittag ihre Beralungen fortsetzen. Laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ wurden zuerst kolo⸗ niale Fragen behandelt. Wegen der Beschränktheit der zur Verfügung stehenden Zeit konnten keine im einzelnen ausgearbeiteten Beschlüsse gefaßt werden. Die Konserenz sprach sich aber gegen die Absicht aus, Deutschland seine Ko⸗ lonien wegzunehmen. Für Irland, wurde das sofortige Selbsthestimmungsrecht verlangt und gofordert, daß die Art der Regierung in freier Volksabstimmung festgesetzt werden solle. Von der Friedenskonfererz wurde verlangt, daß sie Ir⸗ land seine Unabhängtokeit zusichere. Die Konferenz sprach sich auch gegen die Einverleibung Danzigs in Polen aus, da es eine ganz deutsche Stadt ist und den Polen ohnehin freie Fahrt auf der Weichsel zugestand ude und

Danzig ohnehin zum Freihafen erklärt werden sole.

lich des Saargebietes verwarf die Konferenz nicht nur die politische Annexion, sondern auch die wirtschaftliche. Es sei notwendig, daß Deutschland den Schaden, den es, ohne dazu gezwungen zu sein, in Nordfrankreich angerichtet habe, vergüte, und die Kohlenproduktion des Saargebietes sür diese Schaden⸗ vergütung bestimmt werde. Die Konferenz verlange aber, 1) daß die beschlagnahmten Produkte das Eigentum Deutschlands bleiben, 2) daß der Betrag davon fest⸗ gestellt werde, 3) daß die Bezahlung ohne Verletzung der politischen und bürgerlichen Rechte der Bevölkerung ge⸗ schieht, 4) daß nach Abtragung der Schadenvergütung keine neuen Forderungen gestellt werden dürfen, 5) daß die Schaden⸗ vergütung nicht zur Erwerbung dauernder Vorrechte durch fremde Mächte in Deutschland benutzt werden darf, 6) daß die notwendige Kontrolle für die Berechnung der Bezahlung unter Aufsicht des Völkerbundes gestellt werde. Bezüglich der Judenfrage wurde eine Entschließung angenommen, in der für die Juden überall dieselben Rechte grfordert werden wie für die anderen Bürger, und in den Ge⸗ bieten, wo sie die Mehrheit der Bevölkerung bilden, Autonomie, ferner die Möglichkeit, einen eigenen unabhängigen Staat in Palästina zu bilden, und Aufnahme in den Völkerbund. Die Konferenz erklärte sodann, daß sie, wo sie für die Selbständigkeit verschiedener Länder eintritt, sich des

Rechts zur Grenzbestimmung enthält. Sie ist der Ansicht,

daß diese Grenzbestimmung der in Betracht kommenden Be⸗ völkerung vorbehalten bleiben müsse. In einer Entschließung wurde ferner verlangt, daß die Friedenskonserenz Finnland als unabhängigen Staat anerkenne. Die Frage der finnischen Häfen am Eismeer und Russisch⸗Kareliens solle noch geprüft werden. Die Aalandsinseln sollen über ihre Zu⸗ gehörigkeit abstimmen. Die übrigen territorialen Fragen wurden an ein Komitee verwiesen. Ferner wurde eine Regelung für die Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen den Organen der sozialistischen Presse getroffen.

Die nächste Sitzung der Konserenz wird am 1. August in Luzern abgehalten werden. Der allgemeine Kongreß wird auf den 2. Februar festgesetzt. Es wurde beschlossen, noch einmal Schritte zu tun, daß die von der Berner Konferenz angewiesene rnssische Ftudienkommission Pässe erhalte und daß sie ihre Untersuchungen auch auf Estland aue dehnen soll. Außerdem wurde im Prinzip beschlossen, eine Untersuchungskommission nach Deutschland zu schicken. Schließlich wurde die Errichtung einer Kommission zum Studlum des politischen Systems (ine besondere des Rätesystems) und der Sozialisierung beschlossen. Hierauf wurde die Konferenz geschlossen.

Gestern nachmittag wurde in Amsterdam der Inter⸗ nationale Transportarbeiterkongreß eröffnet.

Luxemburg.

Die luxemburgische Frage ist, nach dem „Journal de Luxembourg“, in Paris in dem Sinne einer wirtschaft⸗ lichen Union mit Belgien geregelt worden. Belgien wird die Autonomie und Unabhängigkeit des Landes achten. Die französische Regierung wiederholt bestimmt ihre frühere Er⸗ klärung, daß die luxemburgische Frage sie nicht interessiere. Zwischen Belgien und Frankreich bestehe ein vollkommenes

Einvernehmen. Amerika.

Der panamerikanische Sozialistenkongreß ist gestern in Buenos Aires eröffnet worden. Die Delegationen Perus, Bolivias und Chiles schlugen der „Agence Havas“ zu⸗ folge vor, die Frage des Stillen Ozeans dem Schiedsgericht des Völkerbundes zu unterbreiten.

Parlamentarische Nachrichten.

Die nächste Vollsitzung der deutschen National⸗ versammlung findet nach einer Meldung von „W. T. B.“ am Dienstag, dem 6. Mai, von 3 Uhr Nachmittags an in Weimar statt. Auf der Tagesordnung steht die Inter⸗ pellation über Beamtenfragen.

Der Aeltestenausschuß der Nationalversamm⸗ lung hielt gestern in Weimar eine längere Sitzung ab, um über die Geschäftslage im Zusammenhang mit den durch die Friedensverhandlungen bedingten Arbeiten zu beraten. Die Vertreter der Regierung äußerten den dringenden Wunsch, daß zunächst die Sitzungen des Friedensausschusses in Berlin ab⸗ gehalten werden. Da die Regierungsvertreter nicht an beiden Plätzen Berlin und Weimar sein könnten, sei es wünschenswert, daß der Haushaltsausschuß und der Verfassungsausschuß ebenfalls in Berlin tagen. Es sollten geegnete Räumlichkesten, etwa im Reichsamt des Innern oder im preußischen Landtagegebäude, bereitgestellt werden. Ein bestimmter Beschluß wurde nicht gefaßt. Mit Rück⸗ sicht darauf, daß es unbestimmt ist, an welchen Tagen Sitzungen des Friedensausschusses nötig sind, beschloß der Haushaltsaus⸗ schuß, am 30. April seine Beratungen abzubrechen und sie erst am 6. Mai, am Tage des Zusammentritts der Nationalver⸗ sammlung in Weimar, wieder aufzunehmen. Inzwischen sollen die Berichterstatter für die einzelnen Elats von den Fraktionen VS und alles zur Haushaltsberatung Nötige vorbereitet werden.

In der Nationalversammlung ist folgende kleine Anfrage des Abg. Davidsohn (Soz.) eingegangen:

1) Ist der Reichsregierung bekannt, daß nach der Beschlagnahme der ausländischen Wertpaptere die nicht beschlagnahmten ausländischen Wertpapiere fortgesetzt in größerem Umfange und zu steigenden Kursen an der Börse aufgekauft werden, und hat die Reichsregierung eine Kontrolle darüber, ob diese Vermögenswerte ins Ausland abwandern? Was gedenkt die Regierung zu lun, um die damit verbundene etwaige weitere Verschlechterung unserer Valuta, die Steuerhinterziehung, Kapitalsflucht, Verminderung unserer Kredit⸗ fähigkeit und Verteuerung der Lebensmittel zu verhindern?

2) Ist der Reichsregterung bekannt, daß die Wertbemessung. der beschlagnahmten Papiere sich erst zu den überaus hohen Preisen entwickelt hat, nachdem bekanntgeworden war, daß die Regierung einen über abes Erwarten hohen Uebernahmepreis zu zahlen gewillt war? Was gedenkt die Regierung nach diesen Erfahrungen im Falle der Noiwendigkeit weiterer Beschlagnahme zu tun? Gedenkt die Reichsregierung im Falle etwaiger Beschlagnahmeverfügungen den Uebernahmepreis wiederum so zu gestalten, daß die Preisverminderung der entwerteten Valuta zugunsten der Wertpapierbesitzer im Ueber⸗ nahmekurse ausgeglichen würde?

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Handel und Gewerbe.

In der gestrigen Sitzung des Zentralausschusses der Reichsbank berichtete der Vorsitzende, Präsident des Reichs⸗ bankdirektoriums Dr. Havenstein, an der Hand der Ueber⸗ sicht über die Zeit vom 22. März bis 23 April über die Lage der Reichsbant. Sodann wurden zu Deputierten des Zentral⸗ ausschusses die Herren Bankier Dr. von Schwabach, Geschästs⸗ inhaber der Berliner Handels Gesellschaft Karl Fürstenberg,

Geschäftsinhaber der Die conto⸗Gesellschaft Dr. Salomonsehn und zu Stellvertretern die Herren Direktor der Deutschen Bank Mankiewitz, Bankier Franz von Mendelssohn wieder und der Direktor der Dresdner Bank Henry Nathan neu gewählt.

(Weitere Nachrichten über „Handel u. Gewerbe“ s. i. d. Ersten Beilage.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung. Die Bergarbeiter im Ruhrgebiet sind, wie „W. T. B.⸗ meldet, gestern sämtlich mit Ausnahme von zwei Zechen, wo noch 1300 Arbeiter feiern, angefahren.

Zur neuen Generalausstandsbewegung in Ober⸗ schlesien meldet „W. T. B.“, daß gestern früh unter der Arbeiterschaft der„ Dynnersmarckhütte“ in Hindenburg eine namentliche Abstimmung stattfand. Der weitaus grönte Teil der Belegschaft erklärte sich für den Ausstand. Die gesamte Arbeiterschaft trat, wie der „Oberschlesische Wanderer“ meldet, sofort in den Ausstand. Wie die Pressestelle des Staatskommissariats für Oberschlesien meldet, ist die Arbeit im Kraftwerk Chorzow wieder aufge⸗ nommen worden. Das Kraftwerk Zaborze ist in der Nacht ohne Blutvergießen militärisch besetzt worden. Der Haupträdelsführer Brix, der die arbeitswillige Mehrheit terrorisiert hatte, wurde verhaftet. Die Arbeiterschaft nimmt die Arbeit wieder auf, so daß auch dieses Kraftwerk bald im Gange sein wird. Dadurch sei, wie die Pressestelle erklärt, der in Oberschlesien geplante Generalausstand gegenstandslos geworden, und in verhältnismäßig kurzer Zeit werde wohl die Arbeit voll auf⸗ genommen werden, besonders, da bekannt geworden sei, daß von der Bezahlung der Streitschichten keine Rede ist. Augenblicklich verbreiten Kommunisten und unabhängige Sozialdemokraten ein Flugblatt mit der Aufforderung zum Generalausstand⸗ Alle Maßnahmen dagegen sind bereits getroffen worden. Zur Absetzung von Werksbeamten schreibt dieselbe Pressestelle: Veröffentlichungen in der Presse und einige Vorgänge auf Werken der oberschlesischen Industrie haben die Stellung der organisierten Arbeiterschaft zu der Forderung auf Absetzung der Werköbeamten wieder akut gemacht. Die Forderungen, die ins⸗ besondere häufig in den letzten Monaten auf oberschlesischen Werken erhoben worden sind, werden in der Hauptsache getragen von Wünschen und Empfindungen derjenigen Arbeiter und An⸗ gestellten, die sich erst seit kurzem der Arbeiterbewegung

angeschlossen haben. Aeltere Gewerkschaftler wissen, daß man sich

auf eine sehr schiefe Ebene begibt, wenn man die Maßregelung von

Wertsbeamten fordert; denn damit ist der gemeinsame Rechtsboden

verlassen, auf dem es Arbeitgebern und Arbeitnehmern möglich ist,

wirtschaftliche Kämpfe ohne persönliche Schärfe und ohne vpersönliche Schädigungen zu führen. Die Arbeiter können nicht fordern, bei Lohnbewegungen keine Maßregelungen eintreten zu lassen, wenn sie selbst auf Maßregelungen dringen. Das ist der Standpunkt jedes praktischen Gewerkschaftlers, der auch in unserer unruhigen, nervösen Zeit nicht verrückt werden darf. Das Staatskommissorfat teilt diese Auffassung durchaus. Es ist der Ansicht, bc von behörd⸗ licher Seite nichts unternommen werden darf, um die Forderung auf Absetzung von Werksbeamten zu unterstützen. Wo Werksbeamte es nicht verstehen, sich durch entgegenkommende Verhandlungen und Umgangsformen mit Arbeitern und Angestellten gut zu stellen, ist (s Sache der Werksleitungen, in diesem Sinne auf die Beamten einzuwirken; aber durch Mehrheitsbeschlüsse, die im Zorn gefaßt werden, diese Frage regeln zu wollen, ist dasselbe Pascha⸗ tum, das in früheren Zeiten Arbeiter und Angestellte, die für die Interessen ihrer Berufsangehörigen eintraten, ihres Unterhalts be⸗ raubte. Derartigen Willkürhandlungen wird das Stammkommissariat schärfstens entgegentreten, sie aber nicht unterstützen. Auf der Heinitzgrube bei Beuthen war die Beamtenschaft in den Ab⸗ wehrausstand getreten, um gegen die verlangte Absetzung einiger Beamten Einspruch zu erheben. Das Maschinenpersonal hatte gleichfalls mit einem Abwehrausstand gedroht, falls die Beleg⸗ schaft weiter im Ausstande verharre. Diese Maßnahmen hatten zur Folge, daß bei der gestrigen Mittagesschicht bereits 5 0 v. H. der Belegschaft wieder zur Arbeit erschienen waren. Heute kann der Ausstand als beendet angesehen werden.

In Jena ist gestern, wie „W. T. B.“ meldet, ein allge⸗ meiner Ausstand als Einspruchkundgebung gegen die Anwesenbeit der Regierungstruppen ausgebrochen.

Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten Havas⸗Reutermeldung aus Brüssel sprach sich die Studienkom mission für die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit in Bergwerken für die Einführung des 8stündigen Arbeitktages ab 1. Juni und des Achtstundentages ab 1. Dezember dieses Jahres aus. Die Arbeitszeit der Bergleute über Tog darf vom 1. Juli dieses Jahres ab neun Stunden nicht überschreiten.

Kunst und Wissenschaft. 8

Die deutsch⸗österreichische Regierung hat dem Schweizer Bundes⸗ rat in dankbarer Anerkennung der von der Schweiz der Stadt Wien geleisteten Hilfe die Briefe Gotrtfried Kellers an Paul Heyse zum Geschenk übermittelt. Die Briefe sind der Zentral⸗ bibliothek der Stadt Zürich zuͤm Ausbewahren übergeben worden. Gottfried Keller hat seinerzeit als Erben den Hochschulfonds seines Heimatkantons Zürich eingesetzt, unter Zuweisung der Hälfte vom Barvermögen und der Einnahmen aus den Urheberrechten an die schweizerische Eidgenossenschaft zu Händen der Eidgenössischen Winkelried⸗Stiftung. Seine Bibliothek und seine Chrengeschenke vermachte er der Stadtbibliothek Zürich, die auch seinen literarischen und künstlerischen Nachlaß erhielt. Die Stadtbibliothek kam dadurch in die Lage, die schriftliche Hinterlassenschaft zu einem Gottfried Keller⸗Archiv zu vereinigen. Mobiliarzuweisungen setzten sie überdies in den Stand, ein kleines Gottfried Keller⸗Zimmer einzurichten. Beide c. von der Stadtbibliothek an die Zentralbibliothek als deren Rechtsnachfolgerin übergegangen. Diese gedenkt nun schon in diesem Sommer eine besondere Gottfried Keller⸗Ausstellung in ihren Räumen zu veranstalten.

Der Deutsche Museumsbund, in dem die Mehrzahl der deutschen Kunstmufeen durch ihre Verwalter vertreten ist, erläßt folgende Erklärung: An unsere Gegner! Um die Zerstörungen, die der Krieg den Kunstschätzen von Frankreich, Belgien und Italien sehssc hat, zu ersetzen, wird von den Gegnern der Mittelmächte

ie Herausgabe von Kunstwerken hohen Ranges aus den öffentlichen Sammlungen von Deutschland und Oesterreich verlangt. Zum Teil ist dieses Verlangen bereits unter Androhung von Gewalt defriedigt worden. Etne italienische Kommission hat aus den Galerien und der Hosbibliothek zu WMien eine Anzahl von Gemälden, Handschriften

und kostbaren Drucken entnommen, um sie nach Italien zu schicken. Wenn nicht allen Anprüchen jener Kommission genügt werden