1919 / 105 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 May 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Bekanntmachung.

Dem Georg Sinnack, Cöln, Barbarossaplatz 7, wird auf Grund der Bundesratsverordnung vom 23. September 1915, betreffend Fernbaltung unmverlässiger Personen vom Handel, der Handel mit Gegenständen des täͤglichen Be⸗ darfs, inebesondere Nahrungs, und Futtermitteln aller Art, untersagt. Die Kosten dieser Veröffentlichung sind von Sinnack zu tragen.

Cöln, den 26. April 111lg. Der Oterbürgermeister. J. V.: Dr. Billstein.

Preußen. Berlin, 9. Mai 1919.

Die Vollsitzung des Staatenausschusses, die für geste n angesact worden war, ist wegen der gleichzeitia statt⸗ findenden Sitzung des Friedensausschusses auf heute verschoben

worden.

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Der Präsident des Reichsministeriums hat an die Regierungen der Freistaaten, laut Meldung des „Wolff⸗ schen Telegraphenbüros“, folgendes Telegramm erlassen:

In schwerer Not und sorgenbelastet hat das deutsche Volk in den Monaten des Waffenstillstandes den Friedensbedin gungen entgegengeharrt. Mit ihrer Bekanntgabe ist bitterste E itäuschung

und unsänliche Trauer über das ganze Volk gekommen. Diesen Ge⸗ füblen aller Deutschen wird öffentlich Ausdruck zu geben sm. Auf Beschluß der Reichsregierung werden die Regierungen der Frei⸗ staaten ersucht, zu veranlassen, daß für die Dauer einer Woche alle öffentlichen Lustbarkeiten unter⸗ bleiben und in den Tbheatern nur solche Darstellungen zur Auf⸗ führung gelangen, die dem Ernste dieser schwersten Zeit ennsprechen.

8 u 8 8„

Die gestrige Sitzung des Frieden schusses, zu der auch viele Mitglieder der Nationalversammlung erschienen waren, eröffnete der Päsident Fehrenbach laut Meldung des „Wolffschen Telegrapher büros“ mit folgender Ansprache: Meine Damen und Herren! Das Unglaubliche ist geschehen; es ist uns von unseren Femden ein Friedensvertrag vorgelegt worden, der über die Befürchtungen des größten Pessimisten noch hinausgeht. Dieser Friedensverttag bedeutet eine Versklavung des deutschen Volkes für ewige Zeiten. Es bleibt unverständlich, wie ein Mann, der der Welt einen Frieden des Rechts und der Gerechtigkeit versprach, auf dem ein ebrlicher Vörkerbund sich auf⸗ hauen könne, es über sich bringen konnte, bei Ueberreichung dieses haßgetränkten Friedenswerkes zugegen zu sein. Demgenenüber stelle ch gern fest die männliche würdige Haltung in der Ansprache des Versh enden unser r Friedensdelegation. Meine Damen und Herren! Wir stehen jetzt vor einer ungeheuer verantwertungsvollen Aufgabe. Wir trelen an sie heran mit ernster Ruhe und taltblüttger Entschlosse heit. Ich erhoffe von unserem Friedensausschusse und der ganzen Nationalversammlung eine Haltung die unter Zunück⸗ drängung aller Parteigesichtspunkte nur darauf bedacht ist, der Würde des Vatersandes wie der Not unseres Volkes gerecht zu werden. Gott verleibe uns in dieser schwersten Schicksalsstunde ein einiges, starkes Geschlecht. Hierauf ergriff der Ministerpräsident Scheidemann das Worf zu nachstehenden Ausführunden: Der heutige Tag, der uns endlich, nach dem sechsmonatlichen Marsprium des Waffenstillstandes, die Kenntnis der Haupiteile der feindlichen Fried nsbedingungen gebracht hat, bedeutet die tiefste Stufe des deutschen Niedergangs. Ja vielleicht noch nicht einmal. Ein Ja sowohl, als auch ein Nein können uns noch tiefer, noch hoff⸗ nungsloser in die staatliche und nationale Vernichtung hinunter⸗ gaser. Und all die Nebenbedingungen, die uns bis jetzt noch nicht übermittelt worden sind, die aber aus zahlreichen Nachträgen zu den ersten Depeschen sich schon ankündeten, werden das Wiederaufkommen durch tausend kleinere. und Lof re Fesseln unmöglich machen. Meine Herren, wir steben am

rabe des deutsches Volkes, wenn all dos, was sich hier Frie⸗ eega⸗ gen nennt, zur vertraglichen Tetsache wird. Ich kann Ihnen, schon ongesichts der noch nicht vollständigen Uebermittlung der Bedingungen, keine restlose Darleaung von der Stellungnahme der Regierung geben. Aber was ich zun kann und will, ist, zu ver⸗ gleichen: die Grundlagen, auf denen wir den Waffenstillstand ab⸗ geschlossen haben, die von beiden Teilen, von unsern Gegnern und uns, als zechtsverbindlich anerfannt worden sind, und die hauptsäch⸗ lichsten Bedinqgungen, so wie sie jetzt vorliegen.

Am 5. November 1918 hat der Staatssekretär Lansing an die deutsche Regierung depeschiert: „Die verbündeten Regierungen haben den Schriftwechsel zwischen dem Präsidenten der Vereinigten Siaaten und der deutschen Regierung sorgfältig erwogen. Mit den nach⸗ stehenden Beschränkungen erklären sie ibre Bereitschaft, auf Grund der in der Kongreßbotschaft des Präsidenten vom 8. Januar 1918 aufgestellten Friedensbedingungen und der in seinen späteren An⸗ sprachen verkündeten Grundsätze einer Auseinandersetzung mit der Regierung Deutschlonds Frieden zu schließen.“

Die Beschränkungen bezogen sich auf die Freiheit der Meere und die Wiederherstelnng der besetzten Gebiete. Lessen Sie mich wenigstens einige der 14 Punkte der Wilsonrede, auf die sich Herr Larsing bezieht, der Reihe nach in Vergleich mit einzelnen Punkten der Frieder sbedingungen setzen, die ja leider in Gegenwart und unter Billigung des Präsidenten der Vereinigten St unsern Delegierten überreicht wurden. 29

Der Präsident Wilson sagt in Punkk 4: „Austausch aus⸗ reichender Garantien dafür, daß die nationalen Rüstungen auf das vierrigste, mit der inneren Sicherheit vereinbarte Maß herabgesetzt werden.“

Wie sieht der Austausch heute aus? „Der 5. Abschnitt enthält die militärischen ꝛc Friedensbedingungen, beschränkt den Umfang der deutschen Armee und Flotte und schafft die Dienstpflicht in Deutsch⸗ land ab, als erster Schritt zur allgemeinen Abrüstung.“

Punkt 5 von Wtison: „Eine freie weitherzige und unbedingt unparteei’che Schlichtung aller kolonialen Ansprüche, die auf einer genauen Beobachtung des Grundsatzes fußt, daß bei der Entscheidung aller derartigen Souveränitä sfragen die Interessen der betroffenen Bevölkerung ein ebensolch’ s Gewicht haben müssen wie die be⸗ 585 X“ der Regierung, deren Rechtsanspruch bestimmt werden soll.“

Und die Verwirklichung dieses Prinzips? „Durch den 4. Abschnitt liefert Deutschland seine Kolonien und seine unter verschiedenen inter⸗ nationalen Konventionen in Afrika erworbenen Rechte an die Alliierten qus.“

Punkt 7. von Wilson: „Belgien muß, wie die ganze Welt über⸗ einstimmen wird, geräumt und wieder hergestellt werden, ohne jeden Versuch, seine Souveränität, deren es sich ebenso wie alle anderen freien Nationen erfreut, zu beschränken.“

Gewiß, zu dieser Grundforderung hat sich Deutschland immer wieder erklärt. Aber heißt es Wiederherstelluna, wenn ihm neben Moresnet zwei deutsche Kreise, Eupen und Malmedv, zugesprochen werden, und ist es nicht eine Verzerrung des Selbstbestimmungsrechts, wenn die Bevölkerung dort innerhalb 6 Monaten dagegen protestieren darf daß aber der Völkerbund und welcher Völkerbund? dann

Hapgältie entscheidet? 1

Punkt 13 von Wilson: „Es sollte ein unabhängiger volnischer

Staat errichtet werden, der die von unbestritten polnischen Be⸗

völkerungen bewohnten Gebiete einschließen sollte, dem ein freier und sicherer Zugang zum Meere zugesichert werden sollte und dessen poli⸗ tische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und territoriale Unverletz⸗ lichkeit durch internationales Abkommen garantiert werden sollten.“ Und heute? Deutschland soll an Polen den größeren Teil von Oberschlesien, Posen und die Provinz Westpreußen auf dem linken Weichselufer abtreten, Ostpreußen soll durch einen Korridor vom Reich abgetrennt und Danzig eine „freie Stadt“ werden, also aus dem Reichsverband ausscheiden. 1 Vom Völkerbund. der die Krörung und den eigentlichen Sinn dieses Friedensvertrags ausmachen sollte und der angeblich berufen war, jeden ferneren Krieg unmöglich zu machen, ist in diesem Dokument kaum mehr andeutungsweise die Rede. Und auch die oft gehörte Behauptung, daß unsere Auffassung der 14 Punkte von der Wissons wesentlich abweiche, daß es sich also um Imterpretations⸗ verschiedenheiten handle, läßt sich angesichts des unversöhnlichen Widersvruchs zwischen dem Programm und der nunmehr vorliegenden Ausfübrung in gar keiner Beziehung mehr aurrechterhalten. Aber ich will Sie nicht Punkt für Punkt auf die Unvereinbar⸗ keiten hinweisen. Zwei große Prinzipien beherrschen den Wilsonschen G dankengang: Nationale Selbstbestimmung und Be⸗ seitiaung aller wirtschaftlichen Schranken, also nationale und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Und was fordern beut die Alliterten und Assoeziterten? Besetzung der Rbheinlande samt der Brsckenköpfe auf längstens 15 Jahre, 15 jährige französische Verwaltung des Saarbeckens unter Einschluß von Homburg, dann Zurückkaugf der Kohlenlager gegen Gold und Volksabstimmung, für weiche nationale Zukunft sich dies rein deutsche Land, diese rein deutsche B völkerung entschließen wolle. Besonders bezeichnend, weil durch keinerlei noch so fern liegende Begründung zu belegen, ist die geforderte Abtretung der Nordostecke von Ostpreußen an die assoziierten Mächte. So sieht unser nationales Selbstbestimmungs⸗ recht aus. Und unsere wirtschaftliche Un bhängigkeit? Die Urkunde von Versailles wimmelt von Durchbrechungen dieses zweiten großen Prinzivs. Sollen doch unser gesamter Besitz und alle Ein⸗ nahͤmen Deutschlands sowie der deutschen Gliedstaaten an erster Stelle für Bezahlung der Posten der Wisderherstellungen sowie aller anderen Lasten baften, die sich aus dem vorliegenden Ver⸗ trag oder irgend welchen sonstigen Abmachungen zwischen Deutsch⸗ land und den alliterten und assoziierten Mächten seit Abschluß des Waffenstillstands ergeben. Aber ich will nur die eine, die unge⸗ beuerlichste Bedi⸗gung anführen: Innerhalb der nächsten 2 Jahre soll Deutschland 20 Milliarden Mark in Gold, in Waren, Schiffen usw. bezahlen, und zwar auf Grund einer uns zu präsen⸗ tierenden Schadensersatzzahlung, die im Jahre 1921 festzustellen sein würde. Zwei Jahre soll unser Wirtschaftsleben unsere gesamte handelsvpolitische Gestaltung, die Lebensführung des Einzelnen wie des ganzen Volkes unter dem Damoklesschwert einer unbekannten Forde⸗ reng stehen, das jede Voraussicht und jede Berechnung in Stücke bauen kann. Das soll unsere wirtschaftliche Unabbängigkeit sem! „Meine Damen und Herr n, jedes weitere Wort würde die Unmöglich⸗ keit und Unbarmberzigkeit dieser Bedingungen abschwächen die nichts

anderes ist ais ein hefristetes Todesurteit! Die Reichsregierung muß'

auch diese jedes Gefühl aufwühlende Urkunde des Hisses und der Verblendung politisch nüchtern behandeln. Sie würde ihre Pflicht aufs schärfste verletzen, wenn sie sich Empfindungen überlassen wollte, die das dürfen Sie mir glauben, ihr ebenso nahe liegen, wie sicherlich Ihnen allen. Sie kann sich allerdinas nur schwer zu dem Glauben perstehen, daß unsere Gegner in dieser ernstesten Stunde der Welt eine Art Abhandlungsproaramm vorgelegt haben, um das nun der Schacher loͤsgehen kann. Sie hofft daher eine Einigung nicht vom Handeln, sondern vom Verhandeln. Und in diesem Sinne hat sie die Delegation in Versailles angewiesen, all das, was ich vor Ihnen auszuführen die Ehre hatte, den feindlichen Regierungen in einer Note darzu⸗ legen, gleichzeitig die gewünschten Gegenvorschläge innerhalb der vor⸗ geseben’n Frist in Aussicht zu stellen und schließlich um die An⸗ bahnung mündlicher Aussprache zu ersuchen, in der vor allem Aus⸗ kunft über die Gründe zu erteilen wäre, welche zur Aufstellung dieser oder jener Forderung geführt haben. ¶Die Reichsregierung will zu V rhandlungen will zum Frieden kommen. Ein gemartertes Volk und Land, wie das unsere, verträgt keine heroischen Gesten. Was Graf Rantzau im Namen der Delegation sagte: „Wir werden das uns übergebene Dokument mit gutem Willen und in der Hoffnung prüfen, daß das Endergebnis unserer Zusammen⸗ kunft von uns allen gezeichnet werden kann“, hat er ganz im Sinne der Reichsregierung gesagt. Wir werden diesen Jakobskampf mit dem Engel des Friedens mit allen Kräfien führen, mit unsern, ich darf sagen, auch mit Ihren und hoffentlich mit allen Kräften unseres ge⸗ samten Volkes.

Auf Antrag der Ahbaeordneten Groeber und Haußmann vertagte sich hierauf der Friedensausschuß auf eine halbe Stunde. Nach der Pause machte der Präsident Fehrenbach nachstehende Mitteilung:

In Uebereinstimmung mit den Führern sämtlicher Parteien habe ich folgende Erklärung abzugeben:

Der Herr Ministerpräsident hat mit Recht den Friedensvertrag, so wie er uns von unseren Feinden vorgelegt wurde, für unerträglich und unerfüllbar erklärt; er hat zugleich dargetan, daß Verhandlungen mit unseren Gegnern eingeleitet würden. Wtr sind damit einverstanden, daß auf diesem Wege der Versuch gemacht werde, einen Frieden zustande zu bringen, der für das deursche Volk erträglich und erfüllbar ist. Ich berufe auf einmütigen Wunsch aller Faktionen das Plenum der Nationalversammlung auf nächsten Montag, den 12. Mai, Nochmittags 3 Uhr, nach Berlin ein. Die Mitglierer des Friedensausschusses werde ich alsbald zusammenberufen.

Hierauf schließt die Sibung. 8

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Der Oberpräsident von Schlesien erläßt gemein⸗ sam mit dem Zentralvolksrat für Schlesien laut Mel⸗ dung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ folgenden Aufruf:

Schlesier! Ernste Gefahr droht eurer Heimat! Ein Gewalt⸗ frieden, wie er schlimmer nicht gedacht werden kann, soll nach den bisher bekannt gewordenen Friedensbedingungen der Gegner unserem armen Lande auferlegt werden. Allein noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Unsere Regierung wird auf diese furchtbaren Be⸗ dingungen nicht eingehen, sondern mit Gegenvorschlägen antworten. Unsere Unterhändler werden alle ihre Kraft einsetzen, um die An⸗ nahme eines Friedens auf Grund der bekannten 14 Punkte Wilsons durchzusetzen. Auf der Grundlage dieser Punkie, die auch unsere Gegner gnerkannt haben, ist der Waffenstillstand ge⸗ schossen worden. Auch unsere Gegner haben sich damals bereit erklärt, auf der gleichen Grundlage einen Frieden des Rechtes und der Versöhnung abzuschließen. enn uns jetzt die Gegner mit einem Macht⸗ und Gewaltfrieden drohen, wenn sie beabsichtigen, Oberschlesien zu seinem größeren Teil den Polen zu überliefern und damit Schlesien zu zerstückeln, so mögen sie wissen, daß dieser Friede kein Friede von Dauer sein kann, sondern für uns Schlesier nur ein Friede der Verzweiflung sein würde, der für uns schlechthin unerträglich ist.

Schlesier fürs erste heißt es jetzt, Ruhe und Würde bewahren. Einmütig und geschlossen müssen jetzt die Schlesier aller Stände hinter unserer Regierung stehen, um mit allen Mitteln eine Ab⸗ trennung lebenswichtiger Gebietsteile von unserer Heimat und vom Deutschen Reiche überhaupt zu verhüten. Schlesische Männer und Frauen in Stadt und Land, schart euch zusammen und verkündet der Welt laut und eindringlich, daß ihr nicht gewillt seid, euch einem solchen Macht⸗ und Gewaltfrieden zu beugen. Schlesische Männer und Frauen aller Parteien, haltet treu zu euren alten bewährten Führern.

Feststellung der vom

mißbrauche

z .

Gemeinsam mit ihnen werden Reichs⸗ und Landesregierung, Ober⸗ präsidium und Volksrat zusammenstehen, um das Schlimmste von unserer Peimat abzuwehren. Der Oberpräsident: Philipp. Der Volksrat zu Breslau. Fentraicat für die Provinz Schlesien: reschel.

Den Alliierten in Spaa ist am 8. Mai laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ folgende Note betrefsend den vertragswidrigen Transport von Kriegs⸗ material für Polen über Danzig, übermittelt worden: Nach amtlichen Meldungen will die amerikanische Lebensmittel. kommision für Polen in Danzig außer Lebensmitteln auch Sanitäͤts⸗ material. Automobile, Gummibereifungen, Nähmaschinen, Be.

kleidungsstoffe, Wertzeuge und anderes für die polnische Awmee be.

stimmtes Kriegsmaterial in erheblichem Umfange über Danzig nach Polen transportieren. Ohne deutsche Genehmigung sind einige Transporte nach Polen bereits abgegangen. Dieses Verhalten widerspricht sämtlichen getroffenen Verabredungen. Die deutsche Regierung erhebt hiergegen nachdrücklich Protest. Das Deutsche Reich hat sich verpflichtet, die Beförderung von Lebensmitteln über Danzig nach Polen zuzulassen; es hält diese Verpflichtungen gewissenbaft ein. Die Beförderung von Kriegsmateriol über Danzig ist jedoch nach den bestebenden Vereinvarungen unzulässig. Die Beförderung der Armee Haller mit ihrem Zubehör vollzieht sich auf dem Landweg durch deutsches Gebiet. Im Spaager Abkommen ist fur den Nachschub der Armee Haller ausdrücklich Stettin als Aus⸗ schiffungsha'en bestimmt worden. Die deutsche Regierung kann nicht el flen. daß nunmehr entgegen allen Abmachungen in Danzig die Ausschiffung von Kriegsmaterial erfolgt; sie wird die weiteren Aus⸗

iffungen desselben verhindern. ö Reichsminister Erzberger.

Wie bekannt, hat die Entente es abgelehnt, die durch Verordnung der Reichsregierung vom 26. März 1919 der Beschlagnahme verfallenen Auslandswerte im links⸗ rheinischen Gebiet nach dem unbesetzten Gebiet überführen zu lassen Die linksrheinischen Auslandswerte sollten nach einer Mtteilung der Alllierten unter Aufsicht der Besatzungs⸗ behörden in den linksrheinischen Banken gesammelt und zur Bezahlung der Lebensmittellieferung für das besetzte Gebiet oder für „andere“ von den Alliterten bestimmte Zwecke verwandt werden. Dieser Beschluß der Alltierten widersprach dem Brüsseler Abkommen, welches bestimmt, doß die Lebenemittelbelie ferung und die Bezahlung für ganz Deutschland einheitlich erfolgen und die Auslandswerte nur für die Bezahlung der Lehbens⸗ mittel reserviert werden sollen. Die Deutsche Waffenstillstands⸗ kommission hatte daher am 24. April in Span gegen den Beschluß der Alltierten Einspruch erhaben Man erklärte sich deutsche seits mit dem Verbleib der Wertpapiere in den links⸗ rheinischen Banken unter der Bedingung bereit, daß sie nur zur Finanzierung benutzt werden.

Nunmehr haben die Alliierten, wie „Wolffs Telegraphen⸗ büro“ meldet in einer Note vom 7. Mai folgende Aenderungen ihres Beschlusses mitgeteilt: 1—

1. Die eingezogenen Auslandswerte im linksrheinischen Gebiet werden nur zur Bezahlung der Lebensmittel in dem Maße und in den Grenzen benutzt, die durch das Brüsseler Abkommen festgelegt sind. Sie können nicht zu anderen Zwecken benutzt werden, ausge⸗ nommen, wenn eine besondere Uebereinkunft getroffen wird.

2. Die eingezogenen Werte im linksrheinischen Gebiet werden nicht ausschließlich zur Verpflegung der lintsrheinischen Bepölkerung verwendet werden, allerdings unter der Veraussetzung, daß diese Be⸗ völkerung gemäß dem Brüsseler Abkommen verpflegt wird.

3) Die auf dem linten Rhemufer befindlichen Auslandswerte werden in den dortigen Banken gesammelt und aufbewahrt. Die Auswahl der Banken trifft die deutsche Regierung im Einvernehmen mit den Besatzungsbehörden der Alliierten. dingungen werden die nötigen Anordnungen getroffen werden, damit die Verfügung der deutschen Regierung vom 26. März 1919 sofort in den verschiedenen Besatzungszonen Anwendung finden kann.

Daß innerhalb der Entente bis vor kurzem noch keine Einigkeit über die Verhinderung des Anschlusses Deutsch Oesterreichs an Deutschland bestand, beweist, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mittellt, folgender Funkspruch aus Lyon vom 5. d. M., wobei zu beachten ist, daß Lyon u einem großen Teil von offiziöser amerikanischer Seite be⸗ dient wird:

Es wird versichert, daß Oesterreich im Friedensvertrag verboten wird, sich mit Deutschland zu vereinigen. Wenn das der Fall ist, so bedeutet dies, daß Frankteich und England von der Abwesenheit Italiens Nutzen gezogen haben, indem sie die Vereinigten Staaten in dieser so wichtigen Angelegenheit zu ihrem Standpunkt bekehrten. Italien dagegen hätte gern gesehen, daß Deutschland Oesterreich annektiere, um mit Deutschland eine gemeinsame Grenze zu haben.

Das von der italienischen Behörde gegenüber den deutschen Schiffen in Ita lien eingeschlagene Verfahren, über das „Wo ffs Telegraphenvüro“ am 3. d. M. berichtete,

stellt sich nach inzwischen hierher gelangten Nachrichten als eine

noch krassere Verletzung jedes rechtlichen Gesühls dar, als bisher angenommen wurde. Nach dem genonnten Büro sind am 15. oder 16 April nach ve sche eenht bereits 15 deutsche Dampfer konfisziert, ohne daß die deutsche Regierung oder eine der Reedereien Gelegenheit hatte, Einwe dungen vorzu⸗ bringen. Eest am 17. April hat die italien’sche Regierung die Emnleitung des Verfahrens der mit der Wahrnehmung der deusschen Interessen betrauten Schweizer Gesandtschaft in Rom mitgeteilt, alfo zu einem Zeipunkt, wo das Urteil für zahl⸗ reiche Dampfer bereits gesprochen war. Die hinsichtlich eines Dompfers inzwischen hierher gelangten Urteils⸗ gründe beziehen sich zum Beweise für die Berechtigung des Verfahrens und unter Verzicht auf ein eigenes Urteil auf vorläufige, kürzlich veröffentlichte Ergebnisse einer Ende des vorigen Jaohres eingesetzten italienischen Kommission zur Feinde begangenen Verletzungen des Völkerrechts, Ergebnisse, deren Uebermittlung an die deutsche Regierung natürlich auch unterblieben ist Die italienischen Regierungsbehörden scheinen in einem Momente, wo in dem Vorfriedensvertrage eine neue Rechtsgrundlage für die völkerrechtlichen Beziehungen geschaffen werden soll, völlig vergessen zu haben, daß das prisengerichtliche Verfahren sich nach anerkannten Völkerrechtsgrundsätzen in strengen Recht formen abw ckelt und daß es eine durch nichts zu recht⸗ ferti ende willkürliche Ausnutzung tatsächlicher Gewalt ist, dieses Verfahren zur übereilten Durchsetzung vermeintlich be⸗ rechtigter Vergeltungsmaßnahmen unter Außercchtlassung der dem einfachsten Prozeß eigentümlichen Verfahrensgrundsätze m

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Pnicht freigegeben worden. Bei

und in

Preisen veräͤußern nüsse die Interessen der Allgemeinheit wahren und dürfe seine Wein⸗

Unter’ diesen Be⸗

In der letzten Zeit sind in der Tagespresse wiederholt Angriffe gegen die Verkaufspolitik des Reichsverwer⸗ lungsamts gerichtet worden, die von irrigen Voraussetzungen ausgehen. Ins besondere wird die Höhe der Verkaufepreise beanstaadet und dabei die Forderung erhoben, daß das Amt, heute die Adteilung III des Reichsschatzministeriums, bei den Verkäufen aus Heeresbeständen den Einkaufspreis zugrunde legen sig. Hierzu wird dem „Wolfsschen Telegraphenbüro“ nnf Der Verkauf einiger der besonders genannten Artikel, wie z. B. er von Arzneimitteln, ist vom Kriegsministerium überhaupt noch anderen Artikeln, wie z. B. Wein und Z garren, sind die Verhandlungen über deren Verwertung Sonderheit auch über deren Preise nicht zum endgültigen Abschluß Wein anlangt, so ist im Gegenteil ante bei seiner ersten Fühlungnahme der Vorwurf gemacht worden, daß wolle, die zu

dem Reichsverwertungs⸗ mit den Interessenten Res seine Bestände zu niedrig seien. Das Amt

bestände auch schon aus dem Grunde nicht zu Schleuderpreisen ab⸗ 8 n, weil es sich hier nicht um ein absolut notwendiges Nahrungs⸗ mittel, sondern in erster Linie um ein Genußmittel handelt, und weil weiter die Gefahr besteht, daß sich anderenfalls der Schleich⸗ handel auf Kosten der Allgemeinheit bereichert. Gerade di se deiden letzten Gesichtspunkte sind übrigens für das Reichs⸗ verwertungaamt die Richtschnur bei der Veräußerung von Epirituosen gewesen. Die Preise wurden hier so normiert, daß die Haupteinnahmen aus den Verkäufen nicht dem Schleich⸗

handel, sondern von vornherein dem Reiche zufielen. Im übrigen wird das Reichsverwertungsamt in garnicht seltenen Fällen noch unter die Einstandspreise heruntergehen müssen, denn die reise, die die Militärverwallung in den letzten Monaten des Krieges anzulegen haue, waren zum Teil wesentlich höher als in der Vorzeit und als dies allgemein bekannt ist. 8 1e6“

Zur Auflösung des Reichsministeriums für wirt⸗ schaftliche Demobilmachung.

Wie bereits bekanntgegeben (Reichs⸗Gese tzbl. S. 438, Reichsanzeiger Nr. 99), ist die Auf ösung des Reiche ministe⸗ niums fuͤr wirischaftliche Demobismachung am 1. Mai 1919 afolgt. Seine Aufgaben werden jedoch innerhalb der sochlich zusändigen Reichsministerien weitergeführt und beendet; jedes Reicheministerium hat vorläufig für seinen Geschäftsbereich die gleichen Befugnisse wie das bisherige Demobilmachunge amt.

Der größte Teil der Referate des Demobilmachungsamts geht auf die zuständigen Reichsministerien über. Die Geschäfts⸗ räume sind teils beibehalten, teils sind andere verfügbare Räume außerhalb der Haupt ebäude der zuständigen Ministerien in Anspruch genommen worden.

Dem Reichswirtschaftsministerium wird unterstellt die Gruppe VI des Demobilmachungsamts (Versorgung der Industrie mit Friedensaufträgen und Eisenbewirtschaftung); sie wird zerlegt in 2 Abteilungen mit den Bezeichnungen „Reichskommissar für Eisen⸗ und Slahlerzeugung“ und „Reichskommissar für Eisen⸗ und Metall⸗ verarbertung“. Die Geschäftsräume verbleiben im Dienstgebäude Verlängerte Hedemannstjaße 8 Fernsprecher Zentrum 6930 —.

An das Reichswirtschaftsministerium wird ferner angegliedert als Sektien 11⁄5 die Gruppe VIII (Chemie). Die Diensträume sind 9 der Königgräberstiaße 28 verlegt worden Fernsprecher Kur⸗ ur 2* R

„Die Grupve IX (Metalle) ist der Sektion 11/1 des Reichs⸗ virtschaftsministeriums angealiedert worden und führt nunmehr die Heze chnung „Reichskommissar für Metallwirtschaft“. Die Geschäfts⸗ 87 9e in Potodamerstraße 10⁄111 Fernspr. Nollen⸗ orf⸗ —.

In den Geschäftsbereich des Reichsarbeitsministe⸗ tiums fallen die folgenden Arbeitsgebiete des bisherigen Demobil⸗ nachunggamts:

a) Ableitung Erwerbsloser aus den Großstädten, Bildung

lokaler Arbeitseinigungskommissionen (bisher Referat 1 f),

b) geistige Beschäftigung Arbeitsloser (bieher Referat 1 g),

8 Erweerbslosenfürkorge (bisher ein Teil von Gruppe II1),

9 ) Einstellung, Entlassung und Entlohnung der Arbeiter und Angestellten, Regelung der Arbeitszeit, Freimachung von⸗ Arbeitsstellen ꝛc. (ebenfalls bisber ein Teil von Gruppe III),

e) Förderung der Hochbautätigkeit, Ersatzbaustoffe (bisher

Gruype III. Die Bearbeitung dieser Angelegenheiten er⸗ folgt durch den Reichswohnungskommissar).

Die Geschäftsräume der Dienststellen für die vorstebend unter 2, b und c genannten Arbeitsgebiete verbleiben bis auf weiteres in der Verlängerten Hedemannstraße 8 und den Nebengebäuden Fernsprecher Zentrum 6930 —; für das Arbeitsgebiet d sind sie nach Lespziger Platz 13 Fernsprecher Zentrum 6900/27 (Zen⸗ trale des Kriegsministeriums) verlegt worden. Die Erwerbs⸗ losenfürsorge wird im Hauptgebäude des Reichsarbeitsmini⸗ stertums, Luisenstraße 33/34, bearbeitet.

Das Arbeitsnachweiswesen, welches bisher in einer dem Demobilmachungsamt angegliederten Abteilung des Kriegsamts behandelt wurde, geht gleichfalls auf das Reichsarbeitsmiisterium über. Die Geschäftsränme befinden sich Leipziger Platz 13 Ferspr. Zentrum 6900 27 —.

Die Bearbeitung der Angelegenheiten, betreffend den Ab bau der Heeresaufträge, erfolgt von jetzt ab durch das Reichs⸗ schatministerium (Geschäftsstelle: „Regensburgerstraße 26). Diesem Ministertum ist auch die Hilfskasse für gewerb⸗ liche Unternehmungen (bis Ende Mai d. J., Leipziger Straße 119 Fernsp. Zentrum 3179 —,) unterstellt worden.

. Die Arbeitsgebiete der Gruppe X (Landwirtschaft) gehen an das

Reichswirtschaftsmintsterium, das Reichsarbeitsministerium und das

Reschsernätrungeministeriom über. Die von dem letzteren über⸗

nommenen Referate der Gruxppe X werden vorläufig in den bis⸗

gerigen Diensträumen (Verlängerte Hedemannstr. 8 Fernspr. Zentrum

30 —) verbleiben.

Vom Auswärtigen Amt (Außenhandelsstelle) nird die Nachtichtenabteilung des Demobilmachungsamts (Gruppe V b) übernommen; die bisherigen Diensträume Verlängerte Hedemannstr. 8 Fernspr. Zentrum 6930 werden vorläufig beibehalten.

Alle Angelegenheiten, betreffend den Eisenbahnverkehr und Betrieb, Trunsen. und Gefangenentransporte (bisher Gruppe IV des Demobilmachungsamts) werden künftig vom Preußischen Mi⸗ nisterium der öffentlichen Arbeiten, Vobßstr. 35 Fernspr. Zentrum 10 381/88 erledigt.

Die Auskunftei des Demobilmachungsamtes gehbt an das Reichsschatzministerium, Sektion III, Friedrichstr. 100 ernspr. Zentrum 3350 über.

p Die öffentlichen Notstandsarbeiten werden vom

Reiche finanzministerium bearbheitet, dessen zuständige Stelle

bre Geschäftsräume Leipzigerplatz 13 Fernspr. Zentrum 6900/27

haben wird.

Die behördenorganisatorischen Fragen (bisher Gruppe II und 1II) werden zum Geschäftsbereich des eichs⸗ ministeriums des Innern gehören. Dort e olgt auch semäß einem Rundschreiben des Präsidenten des Reichs⸗ ministe tums vom 26. Aprrl 1919 zur Wahrung der Einheitlichkeit eine Mitprüfung der Rechtsverordnungen, die die Reichs⸗ ministerten zu erlassen beabsichtigen, sowie der Rechtsanordnungen, velche die bundesstaatlichen Demobilmachungsorgane (Staats⸗ emmissare bezw. Landeszentralstellen. für wirtschaftliche

rmobilmachung, Demobilmachungskommissare, Demobilmachungs⸗

1144““ . 8— 8 88 8

*

zurzeit noch gekommen. Was spcc

Reihen: 88

ausschüsse) auf Grund der Demohilmachungsvollmachten selbständig erlassen wollen. Die Geschäftsräume dieser Stelle des „Reichs⸗ ministeriums des Innern (Demobilmachungsangelegenheiten)“ be⸗ , gleichfalls Leipzigerplatz 13 Fernsprecher: Zentrum ) 2 88n”

„Die Befugnisse der einzelstaatlichen Demobilmachungsorgane bleihen erhalten, und ihre Organisation bleibt im allgemeinen un⸗ berührt von den Veränderungen bei der Reichszentralstelle. In Preußen soll das Amt des Preußischen Staatskommissars für Demobilmachung, das von dem Reichsminister für wirtschaftliche Demobilmachung mit ver⸗ sehen wurde, aufgehoben werden; an seine Stelle treten die zustän⸗ digen preußischen Zentralbehörden. Dieser Wegfall der Personalunion zwischen Reichs⸗ und preußischer Zentralbehörde, welche eine Vereinfachung des Geschäfisverkehrs bedeutet hatte, läßt wieder den Unterschied zwischen der Zuständigteit der Reichsbehörden und Landesbehörden in Er⸗ scheinung treten. Für Preußen werden nunmehr die Angelegenheiten der Erwerbslosenfürsorge im preußischen Ministerium des Innern, die Fragen des Arbeitsnachweises und die sonstigen Arbeitsfragen im Ministerium für Handel und Gewerbe bearbeitet, der preußische Wohnungskommissar erhält die allgemeinen Voll⸗ machten der Demobilmachungsbehörden. Die preußischen Organi⸗ sations⸗ und Rechisfragen sowie die preußischen An⸗ gelegenheiten der öffentlichen Notstandsarbeiten werden in einer mit den entsprechenden Reichsstellen verbundenen Abteilung des Ministeriums für Handel und Gewerbe behandelt. Die Adresse ist h1e g Berlin W. 9, Leipzigerplatz 13 Fernspr. Zentrum

81 82 Frugpen. und üetaas⸗ des Demobil⸗ machungsamts (darunter au⸗ ie Presse⸗ und Propagandaabteilun Potsdamerstr. 41) aufgelöst. 85

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Von einer Karrespondenz ist die Nachricht verbreitet worden, daß mit Wirkung vom 1. Juli 1919 ahb die Kon⸗ tingentierung von Druckpapier für Zeitungen, Bücher und Zeitschriften aufgehoben werde Diese Nachricht entspricht, wie die Kriegswirtschaftsstelle für das deutsche Zeitungsgewerbe dem „Wolffschen Telegraphen⸗ büro“ müteilt, nicht den Tatsachen. Beschlüsse irgend⸗ welcher Art über die Aufhebung der Kontingentierung sind nicht gefaßt mworden. Die irrige Mitteilung hat zu einer großen Zahl von Anfragen und zum Teil zu lebhafter Beunruhiaung unter den Verlegern geführt, und wir bitten daher, durch Tele⸗ gramme an die Tageszeitungen die gebrachte Nachricht als nicht zutreffend zu bezeichnen. 8

In einer Berliner Zeitung wird der Inhalt des Entwurfs eines Gesetzes über die Gemeindeverfassung Groß Berlins wiedergegeben. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“

von zuständiger Seite erfährt, ist ein solcher Entwurf noch gar

nicht fertiggestellt; lediglich eine Skizze des künftigen Entwurfs ist vorhanden. Bei der genannten Veröffentlichung dürfte es sich um einen Entwurf der Berliner Vorortgemeinschaft im Kreise Teltow handeln, der dem Ministerium des Innern ein⸗ gereicht ist, also nicht um einen Regierungs⸗, sondern um einen Vereinsentwurf. Der Regierungsentwurf, wird demnächst fertiggestellt und veröffentlicht werden.

20. Sitzung vom 8. Mai 1919. (Scericht von Wolffs Telegraphenbüro.)

Am Ministertische: die Minister Hirsch, Haenisch,

S.n zes. Dr. Südekum, Oeser, Braun, Dr. am Zehn⸗ off u. a. b

Zweiter Vizepräsident Dr. Frentzel eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 35 Minuten.

In dritter Lesung wird der Gesetzentwurf über die Wahl eines Abgeordneten zur Landesversammlung für den Regierungsbezirk Sigmaringen ohne Er⸗ örterung unverändert genehmigt.

Der Gesetzentwurf, betreffend die Feststellung des Staatshaushaltsplans für 1919, wird darauf in erster Leiung erledigt, ohne daß noch aus dem Hause oder seitene der Staatsregierung das Wort eragriffen wird. Nach einem ge⸗ meinsamen Antrage aller Parteien wird der Etat zu einem großen Teile an den Staatshaushaltsausschuß verwiesen. 8

Darauf erhält das Wort der Ministerpräsident Hirsch: Meine Damen und Herren! Ihr Denken und Fühlen ist in diesem Augenblick von dem Eindruck be⸗ herrscht, den die durch die heutige Morgenpresse bekannt gegebenen Friedensbedingungen auf Sie gemacht haben. Diese Bedingungen stehen zu der am 11. April d. J. gefaßten Entschließung der Landes⸗ versammlung im schärfsten Gegensatz. (Sehr wahr!). Diese Entschließung lautete: die Staatsregierung zu ersuchen, bei der Reichsregierung dahin zu wirken, daß keinem Friedensvertrage zugestimmt wird, der nicht die Sicherheit dafür bietet,

1) daß er ein wahrer Frieden der Verständigung ist,

2) daß gegenüber den 14 Wilsonschen Bedingungen keinerlei Ver⸗

1868 schärfung eintritt, insbesondere kein deutsches Gebiet abge⸗

treten wird,

3) daß die Blockade sofort aufgehoben,

4) die schleunigste Rückführung der Gefangenen nach Deutschland

festgesetzt und

5) die unverzügliche Räumung der besetzten Gebiete ange⸗

ordnet wird.

Die Staatsregierung hat sich damals dieser Entschließung der Volks⸗ vertretung angeschlossen. Sie steht heute auf dem gleichen Stand⸗ punkt und ist der Ueberzeugung, daß auch die Landesversammlung ihre Ansicht nicht gewechselt hat und nicht wechseln wird. (Sehr richtig!) Von einem Frieden der Verständigung und der Gerechtigkeit ist in den Friedensbedingungen, die nach den der Regierung zu⸗ gegangenen Nachrichten als authentisch zu betrachten sind, obgleich dee amtliche Text noch nicht vorliegt, keine Spur zu finden. (Lebhafte Zustimmung.) Es handelt lsich um einen reinen Macht⸗ frieden (erneute lebhafte Zustimmung), aus dem, sollte er je zustande kommen, für unser Vaterland eine kaum verhüllte Sklaverei, für ganz Eurova keine Ruhe, sondern nur eine neue Flut von Blut und Tränen entsteben würde. (Lebhafte Zustimmung.)

In diesem ernstesten Augenblicke der preußischen und deutschen Geschichte heißt es vor allem, den Dingen kalten Bluts ins Auge sehen. Die Regierung ruft ihre Mitbürger auf: Schließt die Schart euch fest zusammen! Laßt euch nicht zu 8 8 8 1 8

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Unbesonnenheiten hinreißen! Laßt alle Streitigkeiten beiseite⸗ dafür ist jetzt keine Zeit! (Lebhaftes Bravo!) Wir stehen vor der Frage: Sein oder Nichtsein? (Sehr richtig!) Geschlossen muß sich jetzt das ganze Volk hinter die Reichs⸗ und Staatsregierung stellen, damit diese ihre Aufgabe erfüllen können, alles zu tun, um den geplanten Gewaltfrieden in einen wirklichen Frieden der Gerechligkeit umzuwandeln. Das ist! nur möglich, wenn das gesamte Volk, dem die Entente das Schlimmste zumutet, was je einem Volke angesonnen wurde (sehr richtig!), nämlich sein eigenes Todesurteil zu unterschreiben (lebhafte Zustimmung), hinter der Regierung steht. Dieser trübste Tag der deutschen Geschichte muß ein starkes Geschlecht finden. (Lebhafter Beifall.)

„Vizepräsident Dr. Frentzel: Meine Damen und Herren, ich knüpfe an an die Worte, die Sie soeben vom Herrn Minister⸗ präsidenten gehört haben und deren Ernst und Schwere Sie wohl alle von ganzem Herzen empfinden. Ich bin beauftragt worden, im Namen einer großen Anzahl von Abgeordneten folgendes zu erklären: Schon bei eine oberflächlichen Betrachtung der Friedensbedingungen, sowett sie bis jetzt uns bekannt geworden sind, möchte man kaum glauben, 9 es unmöglich ist, daß der Machthunger des grausamsten Gegners sich zu Forderungen versteigt, wie sie unsere Feinde uns zu erfüllen ansinnen. Wir legen deswegen den schärfsten Widerspruch ein gegen ein solches Vorgehen, das auf nichts anderes abzielt, als das deutsche Volk und insbesondere das preußische Volk nicht nur für jetzt und die nächste Zeit, sondern auf immer und ewig aus den Reihen der an der Bestimmung der Welt mitwirkenden Völker zu streichen. (Sehr richtig! und lebhafte Zustimmung.) Wir legen schärssten Widerspruch ein gegen die Bedingungen, die es uns unmöglich machen würden, die Kulturaufgaben zu erfüllen, die wir erfüllen müssen, wenn wir leben wollen, und die wir erfüllen müssen, wenn wir im Zusammenhang mit den übrigen nach Leben, Freiheit und Kultur ringenden Nationen auch das unsere tun wollen. Wir legen alle schließlich den schärfsten Widerspruch gegen diese Bedingungen deswegen ein, weil sie gegen Treu und Glauben (Zuruf bei den U. Soz.: Noske! Großer Lärm. Stürmische Zurufe aus allen übrigen Parteien: Pfui! Pfui! Raus! Raus! Schande! Verräter! Unglaublich!) in dieser ernsten Stunde darf ich doch wohl um Ruhe bitten verstoßen. Sie verstoßen deswegen gegen die erste Forderung, die wir im Sinne der Menschlichkeit stellen müssen, weil sie in der gröblichften und unerhörtesten Weise von dem abweichen, was wir selkst als Grundlage eines Waffenstillstands und demnächst kommen den Friedens ansahben und ansehen durften, wie sie auch gegen das verstoßen, was uns als solche Grundlage von den Wortführern der feindlichen Mächte als unbedingt bindend und fest zugesagt worden ist. (Sehr richtig! und lebhafte Zustimmung.) Dadurch werden sie zum Rechtsbruch. (Sehr richtig! und allgemeine Zustimmung.) Die schwerste Stunde, die Deutschland und insbesondere Preußen je er⸗ lebt hat, ist heute für uns angebrochen. Wir treten ihr mit Fassung und Würde, aber auch mit fester Entschlossenheit gegenüber, wenn wir uns sammeln in dem Gedanken an unser geliebtes Vaterland. Wir sammeln uns, aber wir trauern auch aufrichtig und tief zugleich über das, was über uns trotz heldenmütiger Gegenwehr hereingebrochen ist, und wir hoffen, daß das ganze Land mit uns 8 über den E nst und die Schwere dieser Tage im Klaren ist, und da es dies auch in seiner Haltung und Lebensführung zum Ausdruck bringen wird, daß insbesondere alle nichtigen und unnützen Ver⸗ gnügungen jetzt schweigen (Sehr richtig! und lebhafte Zustimmungz, um nicht die Stimme der Trauer und des Ernstes zu übertönen. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Adolt Hoffmann (U. Soz.) erklärt: Die Fraktion der unabhängigen Sozialdemokraten verurteilt den Gewaltfrieden, den die Entente uns auferlegen will, aufs allerschärfste. Von den imperia⸗ listischen Regierungen der Entente waren aber andere Friedens⸗ bedinzungen nicht zu erwarten. Sie sind nur die Folge des kavita⸗ listischen Systems, das zum Ausbruch des Weltkrieges und zu dessen traurigem Ergebnis geführt hat. Schuld an diesem Ausgang und an der Not Deutschlands sind vor allem die Träger der imperialistischen Gewalt⸗ und Raubvpolitik, also alle bürgerlichen Parteien sowie seit 1914 die Nationalsozialisten. (Großer Lärm und Zurufe: Sie waren ja selbst für die Kriegskredite.) Diese Parteien haben kein Recht, sich über den Gewalt⸗ frieden zu entrüsten, zumal die Haltung der deutschen Regierung dem Auslande gegenüber und insbesondere die Zusammensetzung der Friedensdelegation günstigere Bedingungen zu erzielen. (Gelächter.) Wie gegen den Gewaltfrieden von Brest⸗Litowsk und Bukarest Protest er-.

oben haben, so protestieren wir jetzt mit aller Schärfe gegen den Gewaltfrieden von Versailles. Wir appellieren an die Proletarier aller Léänder. Sie werden den Gewaltfrieden der Entente zunichte machen durch die soziale Revolution. 8

Vizepräsident Dr. Frentzel schlägt vor, jetzt die Ver⸗ handlungen abzubrechen und ihn zu bevollmächsigen, Tag und Tagesordnung der nächsten Sitzung zu bestimmen 8

Damit ist das Haus einverstanden. .

Schluß 2 Uhr.

t Parlamentarische Nachrichten. „Der Reichshaus haltsausschuß der deutschen Nationalversammlung, der gestern um 10 ¼ Uhr nach dem Saale des Reichsfinanzministeriums in Berlin einberufen war, hat sich sofort vertoagt. Zu Beginn der Sitzung gab der Vorsitzende, der Abg. Müller⸗Breslau, folgende Er⸗ klärung ab: 8 „Die niederdrückende Stimmung, unter der wir alle angesichts der drohenden Zerstückelung Deutschlands stehen, macht es uns heute un- möglich, in der Beratung des Etats fortzufahren. Die Parteien und jeder Einzelne von uns haben das Bedürfnis, zu den über jedes Erwarten schweren Friedensbedingungen Stellung zu nehmen. Wir alle be⸗ dürfen in den nächsten Stunden der Sammlung. Auch der Herr Ministerpräsident ist heute am Erscheinen verhindert. Ich bitte Sie, mir die Ansetzung der nächsten Sitzung des Ausschusses zu überlasse „Der Ausschuß schloß sich diesem Vorse⸗ sitzenden ohne Aussprach auu.

Zur Arbeiterbewegung.

„Aus Kattow J. wird dem „W. T. B.“ gemeldet: Den Be⸗ mühungen des Staatskommissariats ist es gelungen, den Beamten⸗ ausstand auf der Zeche „Hedwig Wunsch⸗Grube“ beizulegen. Aus den Verhandlungen ist mitzuteilen, daß die Arbeiter, die sich zwei Beamten gegenüber zu Tätlichkeiten haben hinreißen lassen, dem Gericht zur Aburteilung übergeben werden. Der Arbeiterausschuß hat sich bereit erklärt, daß die von den I und dem Arbeitgeberverband vereinbarte Schicht von 7 ½ Stunden innegehalten wird. Der kleine Lohnausstand auf der „Eintrachthütte“ und der „Prinzengrube“ dauert noch an. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei ausdrücklich bemerkt, daß die regierungsseitig fuͤr Notstandsarbeiten angeordnete Arbeitspflicht in allen reinen Lohnstreitigkeiten geordneten gewerk sch rakters keinerlei Anwendung find

wenig geeignet waren, wir