Berabaus in Halle gepflogenen Berasungen wurde, wie „Wolffs Telegraphenhüro“ meldet, die Gründung des Reichs⸗ verbandes deutscher Berabauangestellten mit dem vorläufigen Sitz in valle a. S. einmüttg beschlossen. Der Reichsverband steht auf streng gewerkschaftlicher Grundlage. Er will die wirtschaftlichen und sozialen Interessen seiner Mitalieder, wahrnehmen gegenüber den Reiche⸗ und Staͤatsbehörden, indem er Eiefluß auf die Gesetz⸗ gebung im Sinne einer gerechten Anstellungspolitik zu gewinnen trachtet, gegenüber den Arbeitgebern, um den
durch seine Täliakeit und seine Ver⸗
Bergbauangestellten mittesung zu angemessener Besoldung und angemessenen endlich gegenüber den
Arbeitsbedingungen zu verhelfen, Arbeitern, indem er den Bestrebungen derselben, den Stand der Angestellten auf die gleiche Stufe mit den Arbeitern herabzudrücken, mit Nachdruck zu begeanen entschlossen ist. Als letztes gewerkschaftliches Kampfmittel bezeichnet der Reichsverband die Arbeiteeinstellung seiner Mitglieder. Die Schaffung einer Streikunterstützungs⸗ und Maßregelunas⸗ unterstüzungskasse ist in Aussicht genommen. Zum geschäfts⸗ führenden Leiter der Vermwaltung murde Dr. Stein⸗Halle gewählt, dem zugleich das Amt des Verbande vorsitzenden uͤber⸗ tragen wurde. Der Vorstand besteht aus 6, der Anfsichtsrat ous 16 Avaestellten. In diesen Körvperschaften sind alle Bergbaubezirke Deutschlands ihrer Bedeutung entsprechend vertreten.
In den Tagen vom 25. his 27. Mai tagten in Berlin
der Industriebeamtentag des Bundes der technisch⸗ industriellen Beamten und der Verbandstag des. Deutschen Techniker⸗Verbondes. Beide Taqungen be⸗. schäftigten“ sich in der Hauptsache mit der Gründung eiver neuen Einheitsorganisation der deutschen Techniker. Die Vorhandlungen haben, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt. zu einer vollen Verständigung geführt. Am 27. Mai Nachmittaags wurde in einer gemeinsamen Tagung der Bund der technischen Angestellten und Beamten cegründet. Er zählt 80 000 Mitalieder und um⸗ faßt insbesondere die Gruppen der Industrietechniker, Bau⸗ techniker, Chemiker. technischen Grubenbeamten und der technischen Angestellten und Beamten im Staats⸗ und Gemeindedienst. Die Satzung der neuen Einheitsorgonisation ist auf streng demokratischer Grundlage aufgebaut und versucht, soweit es möglich ist, jeden Bürokratismus in den Verbande⸗ körperschaften auszuschalten.
“ 8 “ Preußen. 8 Der Vorstand des Schlesischen Städtetaages hat in einer dieser Tage erfolaten Kundgebung den Deutschland ange⸗ sonnenen Gewaltfrieden als jede städtische Selbstvermaltung ernichtend abgelehnt und ein erneutes Treugelöbnis der schlesischen Städte zur Reichsregierung ausgesprochen.
Die Einmohnerschaft von Schwentainen (Freis Ortelsburg), ohne Unte schied der Partei und des Reliaione⸗ bekenntnisses, erhebt mit flammender Entrüstung Einspruch gegen einen Schmach⸗ und Gewaltfrieden, und besteht
mit aller Entschiedenheit auf den 14 Punkten Wilsons. Sie verlanat dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge:
1) daß die Regierung ihre verantwortliche Unterschrift nur zu einem Friedensvertrag gibt, der keine Abtretung deutschen keine Vergewaltigung deutscher Volksteile mit sich bringt.
2) Eoeertige restlose Freigabe der gefangenen Brüder.
3) Bei etwaiger Abstimmung Belassung der Behörden und des Militärs.
4) Lebensmöglichkeit für unser Volk und Gleichberechtigung
8 im Völkerbund.
Trotz unserer masurischen Muttersprache sind wir Deutsche. Schon 1656 haben Masuren gegen Polen und Tataren gekämpft. Von Preußen haben wir nur Gutes empfangen. Wir müssen mit unserem Mutterlande eng verbunden bleiben und wollen von einer Zugehörigkeit zu Polen nichts wissen. Mit den von den Polen ge⸗ kauften Verrätern, die angeblich im Auftrage der Masuren bei den feindlichen Mächten Anschluß an Polen verlangten, haben wir nichts g⸗mein. Wir sindz fest entschlossen, unsere Freiheit mit den äußersten
Mitteln zu verteidigen und stehen geschlossen hinter der Regierung.
1
EEbö1ö11.“
1“ 8 Renner hat als Präsident der deutsch⸗ österreichischen Friedensdelegation gestern abend ein Schreiben Clemenceaus erhbalten, daß der Entwurf des Friedens⸗
Der Staatskanzler
übermistelter Funkspruch aus Szegedin, daß 400 franzö⸗ sische Soldaten d sinnung durch Kolonial!ruppen entwaffne mußten.
vertrages am 30. Mai in St. Germain zur Ueberreichung
an die österreichische Delegation fertiggestellt sein wird. Das Schreiben lautet dem „Wiener Telegraphen⸗Korrespondenzbüro“
zufolge: .“ Paris, 27. Mai.
Ich beeh — 9 24. Mai zu bestätigen, worin Sie die Fröffnung der Friedensver⸗ handlungen mit Oesterreich in möglichst kurzer Frist verlangten. Der Rat der Hauptmächte der Verhündeten und Assostierten wünscht Ihnen als Amtwort die Mitteilung zur Kenntnis zu bringen, daß der Entwurf des Friedensvertrags nächsten Freitag, den 30. Mai, Mittags, in St. Germain⸗en⸗Laye zur Ueberreichung an die österreichische Delegation fertiggestellt sein wird. Jedoch werden die folg nden Fragen einer späteren Prüfung vorbehaften bleiben müssen:
1) Die Stärke der militärischen Kräfte, die in Zukunft in Oester⸗
reich zu unterhalten sein werden.
22) Die Frage der Schadengutmachung und der Schulden. Diese zwei Fragen haben einen besonderen Charakter infolge des Zerfalls des österreichischen Reichs in mehrere Teile. Dieser Zerfall macht die Prüfung dieser Fragen unter dem Gesichtspunkte ihrer Rückwirkung auf die Interessen und auf die Haltung dieser ver⸗ schiedenen Teile notwendig. 1
Genehmigen Sie, Herr Präsident, die Versicherung meiner be⸗ sonderen Hochachtung! Clemenceau.
— Die neugewählte steiermärkische Landesversamm⸗ lung ist gestern zusammengetreten. Die Redner erklärten sämtlich, treu an Deutsch⸗Oesterreich sesthalten zu wollen. Die Christlichsozialen forderten außerdem die Vereinigung der 350 000 Deutschen Westungarns mit Steiermark. Rintelen (christlichsozial) wurde zum Landeshauptmann, Pongratz (Soz.) zum ersten und Aehrer (christlichsozial) zum zweiten Landes⸗ hauptmannstellvertreter gewählt. 86
9 1
lyan ist, veröffentlicht . einen Protest gegen die Friedenebedingungen, die lediglich
nicht als Friedensirstrument in dauerndem und internattonalem Sinne betrachtet werden könnten.
werden kann;
Ungarn. Wie das Korrespondenzbüro meldet, besagt ein nach Wien
wegen bolschewistischer Ge⸗ und isoliert werden 8 Großbritannien und Irland. Der Friedensrat, dessen Vorsitzender Charles im „Manchester Guardian“
18“ Dreve⸗ einen bedeuteten, aber
zeitweilge Einstellung der Feindseligkeiten
„Die Bedingungen versogen“, heißt es dem „Wolffschen Tele⸗ graphenbüro“ zufolge weiter, „bei der Verwirklichung der großen Hoffnungen der modernen internationalen Demokratie, denen Wilson seit Monaten so vortrefflichen Ausdruck verliehen hatte. Nun aber stehen die Bedingungen verdammenswert aus folgenden Gründen da:
a. sie lassen dem republikanischen und repolutionären Deutsch⸗ land eine Behandluug angedeihen, wie dies nicht schlimmer gedacht
b. sie verletzten von den 14 Punkten Wilsons, unter denen die Alliierten sich bereit erklärten, mit der deutschen Regierung Frieden zu schließen, den 3., 4 H., 6., 13. und 14. Punkt. Ihre Verletzung stellt eine Schande schwerster Art für die nationale Ehre dar;
c. bei der Regelung der Saarfrage wird ein Unrecht begangen wie 1871 durch Preußen;
d. die Abtrennung Ostvreußens und die Behandlung Danzigs verletzt das Nationalempfinden;
e. unter dem Deckmantel des Mandatssystems werden ver⸗ schiedende Fälle von Annexionen verborgen;
f. Abrüstung nur für Deutschland;
g. keine Selbstbestimmungsrechte für Länder, die unter Annexion oder Mandat kommen;
h. durch zugrunderichtende Entschädigungsleistungen in unhe⸗ stimmter Höhe werden die deutschen Arbeiter in unabsehbare wirt⸗ schaftliche Sklaverei gebracht;
i. durch Verpflichtung der deutschen Republik zur Uebernahme der gesamten Kriegskosten und unbestimmter Entschäͤdigungssummen wird Mitteleuropa für ein Jahrhundert zum Krüppel;
k. Handelsbeziehungen von außerordentlicher Ungerechtigkeit, die das deutsche Volk an jedem Hochkommen aus dem Elend hindern.
Kein Geschichtskenner wird glauben, daß solche Bedingungen Bestand haben werden. Sie rauben dem deutschen Volke jede Hoffnung, die es zur Mitarbeit am Wiederaufbau Eurovas antreiben könnte. Die Bedingungen müssen daher von jedem Demokraten, Pazifisten uny Internationalisten verworfen werden. Zwar kann Hunger den Feind zum Zeichnen zwingen, doch die Internationalisten werden mit zu⸗ nehmender Macht der internationalen Demokratie für völlige Revision arbeiten.“
Die „Daily News“ veröffentlicht eine von 40 Gelehrten und anderen bekonnten Persönlichkeiten unterschriebene Er⸗ klärung, die sich schaf und unumwunden gegen die Friedens bedingungen cusspricht. Unter den Unterzeichnern befinden sich unter anderem der Bischof von Orford, das Parla⸗ mentsmitglied Henry Bentinck, M. Bruce, Arthur Henderson, Jerome K. Jerome und H. G. Wells. In der Erklärung heißt es: dieser Friede könne nicht von Dauer sein und werde weitere Kriege verursachen. Deutschland werde zu einer Helotennation gemacht und der Völkerbund eine Allianz zur Ueberwachung Deutschlands. Die Bedingungen seien ein schmählicher Treu⸗ bruch gegen den Geist der 14 Punkte Wilsons. Es werde die Hoffnung aufrecht erhalten, daß die endgültigen Bedingungen, die Deutschland aufgezwungen würden, ein anderes Aussehen erhalten.
— In der Sitzung des Unterhauses vom 19. Mai interpellierte der Abgeordnete Killey den Staatssekretär des Aeußern über die Pogrome in Pinsk, Lida und Wilna und fragte an, ob die englische Regierung eine Aktion zu unternehmen gedenke, um die Fortdauer der Judenverfolgungen in Polen zu verhindern. Der Unterstaatssekretär des Aeußern Harmsworth antwortete, daß die Regierung den englischen Vertreter in Warschau angewiesen habe, dringende Vorstellungen bei der polnischen Regierung zu erheben, falls die Nachrichten sich als wahr erweisen. In Beantwortung einer Anfrage bezüglich der Zusammenarbeit der Alliierten, um eine wirksame Kontrolle über den Bedarf und die Versorgung der Welt mit Lebensmitteln trotz der gegenwärtigen erhöhten Preise und der sich möglicherweise ergebenden Knappheit einzurichten, sagte der Lebensmittelkontrolleur Roberts, alle Lebensmittel⸗ fragen seien in der Lebensmittelabteilung des Obersten Wirt⸗ schaftsrats in Paris zentralisiert worden, der aus Vertretern der alliierten Regierungen zusammengesetzt sei. Auf die Frage Kenworthys, ob auch Neutrale zur Beteiligung an diesem Rat eingeladen werden sollen, antwortete Roberts verneinend. In Beantwortung einer anderen Anfrage sagte Roberts, soweit man voraussehen könne. bestehe kein Grund zur Annahme, daß ein nennenswertes „Zu kurz“ in der Versorgung Groß⸗ britanniens mit den wichtigsten Lebensmitteln während des kommenden Winters eintreten werde. Es bestehe jeder Grund zur Annahme, daß genügend Schiffsraum zur Einfuhr der Lebensmittel vorhanden sein werde.
Frankreich.
Der Viererrat prüfte gestern laut Bericht der „Agence Havas“ die Note des Staatskanzlers Renner, die gegen die Verzögerung der Mitteilung der vorläufigen Friedens⸗ be'stimmungen an die österreichische Abordnung Verwahrung einlegt Der Rat war der Ansicht, soweit als möglich diesem berechtisgten Begehren nachzukommen. Entgegen der gemachten Mitteilung behandelle der Viererrat die Anerkennung der Re gierung Koltschaks nicht, die jedoch grundsätzlich anerkannt zu sein scheint. Diese Anerkennung soll die amtliche Bestätigung erhalten, sobald die Ergebnisse der über diese Sache abgeschlossenen Untersuchung bekannt sein werden. Endlich billigte der Rat wichtige Maß⸗ nahmen des Obersten Wirtschaftsrats, beir. die Blockade Ungarns. Die Blockade, die vor zwei Monaten aufgehoben worden, dann aber beim Aufkommen der kommunistischen Regierung unter Bela Kuhn wieder verhängt worden war, wird bestehen bleiben, solange nicht eine aus dem freien Volkswillen geschaffene Regierung die Verwaltung des Staates in die Hände genommen hat. — Der Präsident Wilson hat dem „Journal“ zufolge der Regierung von Luxemburg mitteilen lassen, daß der Rat der alliierten Mächte bereit sei, eine luxemburgische Delegation zu empfangen, um ihren Standpunkt wegen der nächsten Zukunft des Großherzogtums kennen zu lernen. Die alliierten Mächte hätten den aufrichtigen Wunsch, sich dem luxemburgischen Volke nützlich zu erweisen. — Der Landesausschuß der franzoͤsischen Arbeiter⸗
88
fälle am 1. Mai einberufenen außerordentlichen Kongresse
sommengetreten, der die Mittel und dos Vorgehen zur a— h führung der Arbeiterforderungen beschließen sall. In *.
Beg üßungsansprache erklärte Jouhaux laut Bevcht
„Wolffschen Telegraphenbüros“ die aus der Einfüh Achtstundentages zu ziehenden Folgerungen für die Haupssach und führte dann u. a. aus: 9 Mplsache Der Versailler Frieden sei unbefriedigend und verf, das wahre Wohl des Landes; er halte eine Umarbeitung des trages für unbedingt nörig. Es werde die Aufgabe der internann gesinnten Arbeiter sein, sie durchzusetzen, damit den Völkern Frrß und Friede gesichert werde. Der Landesausschuß müsse dem 9 stande der Confédération Générale du Travail bestimmten Ano⸗ in dieser Richtung für den nächsten internationalen Gewerkschaft kongreß in Amsterdam geben. Fäle Nach Erörterung verschiedener Arbeiterfragen nahm dG Ausschuß schließlich einstimmig eine Togesordnung an 1 welcher er der Weigerung der Matrosen, im Schwarzen vhen gegen die russischen Revolutionäre zu kämpfen, zustimmt 8 sich bereit erklärt, sie mit allen Mitteln gegen Strafmaßnahnen der französischen Regierung zu schützen.
Rußland.
Diee estnische Nationalversammlung hat in feierlicher Fon die Selbständigkeit der Republik Eesti ausgesprochen. — Das „Wolffsche Telegraphenbüro“ meldet aus Lit 1 vom 26. Mai: 8 Die bolschewistische lettische Armee ziehts unter Zurücklassung einer großen Menge Heeresgerät in völliger Auflösung zurück. Die Front verläuft jetzt von der Mündun der livländischen Aa über Rodenpois —Gut Kurtenhof an e Dünga —Baldohn—Groß Eckau nach Bauske. Nur durch das schrele Vorstürmen der Landeswehr wurde der bereits gegebene Pe. febl, in Riga mebrere Hundert politische Gefangene, hauptsäch vom baltischen Adel, zu. erschießen, verhindert. Die Bolschewistn haben im letzten Augenblick noch neun Pastoren, und etwa zwanii Frauen aus Riga erschossen. Fast alle seinerzeit aus Mitau schleppten Personen sind, soweit sie nicht vorher erschossen waren, Riga befreit worden. Der Terror und die Hungersnot in Ra überstiegen alle Vorstellungen. So kostet ein Pfund Brot 32 ein Pfund Butter 128 ℳ und ein Zentner Kartoffeln 1000 ℳ.
8 Niederlande. Wie das Blatt „Het Volk“ meldet, hat die diplomn
tische Abordnung Koreas in Paris ein Schreiben an e Internationalistische Büro gerichtet, in dem sie um Unte stütung der Arbeiterinternationale gegen die imperig listische Politik Japans ersucht. Die Abordnung erksin daß sie auf dem Standpunkt der Demokratie und der Arbeit gesetzgebung stehe, durch die die Entwicklung und Erziehine der östlichen Rasse allein möglich sei. Die Abordnunga der türkischen und arahische Völker in Paris hat obiger Quelle zufolge ein Schreib an das Iaternationalistische Büro aerichtet, in dem sie klärt, daß das arabische und türkische Volk keine frem Herrschaft auf sich nehme. Die Avordnung weist die eün päischen Völker und Mächte darauf hin, daß das arabicc und türkische Volk im Notsfall ihre Freiheit mit den Waß verteidigen würde.
reußische Landesversammlung. 24. Sitzung vom 27. Mai 1919. (Bericht von „Wolffs Telegraphenbüro“.) Am Ministertische: die Minister Hirsch, Haenisch u. Vizepräsident Dr. Frentzel eröffnet die Sitzung un 12 ¼ Uhr. 1 Eine förmliche Anfrage des Zentrums, betreffet schleunige Maßnahmen zur Verhütung der weitere Entwertung der Kriegsanleihen, wird demnächst von de Regierung beantwortet werden. Das Haus setzt die erste Lesung des Gesetzentwurfs, l treffend Aufhebung der Ortsschulinspektionen, sott. Abg. Kimpel (Dem.): Die Lehrerschaft begrüßt mit gueß Freude die Vorlage, die mit einer längst veralteten Institule endlich aufräumt. Ein 50 jähriger Kampf aller Liberalen und zule auch der Sozialdemokraten gegen dieses Ueberbleibsel blieb gegenübh der Mehrheit des früheren Abgeordnetenhauses erfolglos. Ers; jüngster Zeit haben sich auch die Rechte und das Zentrum n. gewissen Vorbehalten für die Beseitigung der Ortsschulaussicht el schieden. Von den Versprechungen des Ministerpräsidenten und d Unterrichtsministers löst die Vorlage nur den dritten, Teil 1 denn es fehlt sowohl an Bestimmungen über die kollegiaze Sühn aufsicht, wie über die hauptamtliche Kreisschulaufsicht. Beides! ohne gesetzliche Maßnahmen, ohne Angliederung des Schulung haltungsgesetzes nicht durchführbar. Von jeher war die Schulaufst ein Recht des Staates, aber in der Zeit der schwärzesten reufisce Reaktion unter Rauner und Mühler kam die Ansicht auf, rosen Schulaufsicht eine Sache der Kirche, weil diese die Mutter der So sei. Auch nach dem Schulaufsichtsgesetz von 1872 hat der Stcar schwächster Weise sein Recht der Kirche ausgeliefert. Die Lehrenh hat unter diesen faktischen Zuständen ungemein gelitten. Nie. die Kirche die Mutter der Schule, nie die Schule die Tochtel Kirche gewesen. Für die Lehrerschaft ist die Aufhebung der geiee Ortsschulaufsicht wie der Ortsschulaufsicht in jeder Form eine Chn⸗ sache. Die Geistlichen — Ausnahmen bestätigen nur die a h sind für dieses Amt gar nicht vorgebildet, sie fühlen auch nicht dem Lehrerstande. Die geistliche Schulaussicht ist und hlibx Mißtrauensvotum gegen die Lehrerschaft. Der Sturm, insbeson Fina Zentrumskreisen, gegen den Novembererlaß des Unterrichtsministen brachte der Lehrerschaft die große Enttäuschung des 15.8 bc wo der Minister Haenisch den Rückzugserlaß unterschrieb. 3 macht das Zentrum seine Zustimmung zu der Vorlage davon eh hängig, daß der Staat sich mit den kirchlichen Behörden verstemen das heißt, der Kirche eine angemessene Beteiligung an⸗ rer.e verwaltung zusteht. Der Einfluß der Kirche auf die Schulee also gesichert werden. Wir werden aber dafür sorgen, daß nicht Geistliche durch Hintertüren wieder in die Schulen emtrilg, Schule muß endlich von Schulmännern allein regiert werbat. 1— bedarf es aber auch der kollegialen Schulaufsicht, das Rektoren 8 muß ebenfalls fallen, soweit es nur in anderer Form die n Ortsschulaufsicht garantiert. Nur keine Halbpeiten!- egn sich das großzügige Vorgehen Baverns zum Muster. Die Anacl auf diesem Gebiet muß restlos verschwinden. Leider läßt die riuc der Regierung hier jede Entschlossenheit vermissen. Die ug Schulaufsicht paßt zu der neuen Zeit wie die Faus
i haern.
t aufs Amc
Für die Aufsicht sind Fachmänner nötig, die von der üts d2, sa. dient haben. Das dafuͤr ausgeworfene Geld wird rei wüüti ber tragen. Das Ministerium Haenisch darf keine Zeit hnheh Beisal streichen lassen für die Durchführung dieser Reform. (Lebhaftes, Redne
Abg. Linz, Barmen (D. Nat.): Der sozialdemokratische 3uh⸗ hat in bezug auf die geistlichen Schulaufsichtsbeamten vonis. männern gesprochen.
gewerkschaften ist vorgestern zu einem wegen der Zwischen⸗
(Zurufe: Mit Recht!) Das⸗ iseiateeg Beleidigung, denn die Kirche hat nicht aus Machtinf
1 ☛ 4 ie Schule in ihre Gewa 8 — bb1ö18“ Eünen mohen. Ccebhafter Widerspruch Kreisen gefordert. Das hindert uns nich “ kirchlichen Shegliaen de pgn äst. ase 1 msuerkennen, daß die ) haben. (Widerspruch links.) Die eistliche Zufopferung ausgeübt die Zeitverhältnisse überwunden, 19 dis Fe Schulaufsicht ist durch Börer en Kinderschunde “ berufliche Ausbildung der schule lehnen wir ab, weil sie Bimsithtften der en ilt Die Simultan⸗ fc8é sachlich e Melicstlich. 88” Kinder und der Lehrer Zurufe Söß ar⸗ ee C(C zwiespaltig ist. (Lebhaf Zurufe: Höhere Sch 1SS. . 1 . Eebhafte Feas e ge lan Zußnten 2 „Das sind auch bei den höheren Schulen Simultanschule darf nie dis Cheht en. Gelächter links., Die Sie wird es schon!) Wir treter 8 1’g . werden. (Zurufe: gemeinden auf der Grundlage des Fler vö freien Schul⸗ freiheit. Wir sind bereit, für die Enrmierirht und der, Gewissens⸗ der sa 1b Fesften mitzuwirken. ö“ Abg. oeli S SSS 8 freudig zu. Er vee ch9 82 g stimmen dem Gesetzentwurf Partei, als deren Rechtsnachfolgerin arderung 5 1eelthaese Farl echtsnachfolger wir uns betrachten. (Lach links.) Die Vorlage ist das erste Glied i E s erste Glied in der Kette von R 8 die nun kommen soll. Wir sehen darim ke⸗ Kette von Reformen, oll. hen darin keinen Angriff die Kirch sondern die Absicht der Regier bSE11““ “ e der gierung, an die Stelle von veralteten Heifsschu letzigen Finanzlage undurchführb 2 e ge rbar. Eine 2 der d kchens die Lehrer lehnen wir ab. G . g. Ado & f 5 . 2722112 Schuligspettton find “ 8 1““ getrieben worden. (Lärm rechts und Hupush 9 n ö“ Fehrc ve.. (Fär ts Huhurufe.) Ich lasse mich durch Ihte stallähnlichen Geräusche nicht abhalten. Herr H3 isch hat seine Rede nach dem Zentrumskonzept seines kirchlichen Auf ichtsrats gehalten. ie Emp⸗ 9bE hen Auf⸗ sh eef gegftugten Empörung der Lehrer über den Dank, den (Lachen rechts. 0 ’ toren ausgesprochen hat, ist allgemein. La chts.) Herr Hänisch würde gern im Schoß der allein⸗ seligmachenden katholischen Kirche land se. ; öö’ irche landen, nur um seinen Minister⸗ S allen. Der Kreisschulinspektor muß aus allgemeinen Wahlen der Lehrer und Leh er he rN ganzliche Befreiung der Schule dn, hervorgehen. Wir fordern die Fe g er Schule von der Kirche. Hinaus mit dem Fin. . 1. 18 das Jenseits. Der Redner richtet scharfe An⸗ hei 8 1* Zentrum und verweist auf die Abtrennungs⸗ febungen im Rheinland. Er schließt wie immer mit dem Rufe:
Es lebe die Weltrevolution! Mreise isen Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Haenisch: Mein b nd Herren! Nur wenige kurze Ausführungen zur Er⸗ gänzung dessen, was ich am Freitag zur Begründung des Gesetz⸗ entwurfs gesagt habe.
Ich spreche zunächst meine Freude darüber aus, daß bei aller Kritik im eitzelnen die Grundgedanken des vorliegenden Gesetz⸗ s6 . rech 8 is inks. Was die Einzelheiten
t, se sich die Kritik im wesentlichen gegen die etwas un⸗ llare Fassung des § 2. Ich würde mich freuen, wenn es dem Ausschuß gelänge, eine präzisere Fassung dieses Paragraphen herbeizuführen, und stelle hierfür die Mitwirkung meines Ministeriums gern in Aussicht.
„Der erste Redner des heutigen Tages, der Abg. Kimpel, hat sich darüber beschwert, daß nicht zugleich mit dem vorliegenden Gesetz⸗ entwurf auch die ganze Materie der kollegialen Schul⸗ leitung geregelt worden sei. Das ist deshalb nicht geschehen, weil es mir darauf ankam, den vorliegenden Gesetzentwurf so schne II wie irgend möglich zu verabschieden. Darum wollte ich ihn nicht belasten durch die Verquickung mit einer Materie, über die, wie ich weiß, in diesem Hause die Meinungen weit aus⸗ einandergehen. Ueber die Grundgedanken des vorlie genden Gesetzentwurfs sind sich alle Parteien einig. Es ist also zu hoffen, daß wir in ein paar Wochen ihn im Ausschuß und in der Voll⸗ versammlung unter Dach und Fach haben werden. Diese schnelle Erledigung würde aber gefährdet worden sein, wenn ich auch noch die ganze Frage der kollegialen Schulleitung hineingebracht hätte.
. Im übrigen verkenne auch ich meinerseits keinestregs die dringende Reformbedürftigkeit des heutigen Rektoratssystems. Ich „erkenne diese Reformbedürftigkeit vielmehr rückhaltlos an, und es finden zurzeit in meinem Ministerium eingehende Beratungen über die Frage der kollegialen Schulleitung statt. Diese Beratungen sollen nach Möglichkeit beschleunigt werden, und ich kann dem Abg. Kimpel erklären, daß dabei auch die bayerischen Erlasse meines Amtskollegen Hoffmann, die er anführte, eingehend gewürdigt werden, und daß wir uns die bayerischen Erfahrungen so gut wie möglich zunutze machen wollen. Es werden zu diesen Vorberatungen über die Frage der kollegialen Schulleitung Vertreter aller beteiligten Organi⸗ sationen zugezogen, der Organisationen der Lehrerschaft, aber auch der Organisation der Rektoren und Schulaufsichtsbeamten sowie Vertreter der Städte, die ja bei diesen Dingen auch ein gewichtiges Wort mitzureden haben. (Sehr richtig! rechts.)
Es ist dann von dem Herrn Abg. Linz ausführlich auch die Frage der Lehrerbildung besprochen worden. Diese ganze Frage der besseren fachlichen Ausbildung der Lehrer unterliegt seit zwei Wochen der eingehenden Beratung des Unterrichtsausschusses auf Grund des Antrags Oelze. Solange diese Beratungen im Unterrichts⸗ ausschuß, an denen wir vom Ministerium uns lebhaft beteiligen, nicht abgeschlossen sind, möchte ich darauf verzichten, hier in der Vollversammlung meinen Standpunkt zu diesen Dingen eingehend darzulegen.
Seitens der Herren Abgg. Kimpel und Hoffmann ist dann auf einen Etlaß Bezug genommen worden, der am 7. April von meinem Ministerium ausgegangen ist in der Frage der Kreisschulaufsicht. Es ist von beiden Herren Rednern, wenn ich recht gehört habe, bedauert worden, daß dieser Erlaß im Wortlaut nicht bekannt geworden sei. Ich werde mir erlauben, Ihnen den Erlaß — es sind nur wenige Sätze — mitzuteilen. Der Erlaß lautet:
Die im Interesse der Förderung des Schulwesens notwendige Kreisschulaufsicht durch hauptamtlich hiermit betraute Fachmänner läßt sich bedauerlicherweise gegenwärtig noch nicht überall restlos durchführen. Es erscheint deshalb dringend geboten, die nebenamt⸗ liche Versehung der Kreisschulinspektionsbezirke Fachmännern zu übertragen. Die Regierungen veranlasse ich, bei einem Wechsel in den nebenamtlichen Kreisschulinspektionen mit ihrer Wahrnehmung in erster Linie erfahrene Schulmänner zu betrauen. Die Regierungen werden bei der Auswahl ihr Augenmerk vernehmlich auf bewährte und erfahrene Rektoren und Hauptlehrer zu richten haben.
Bei jedem Wechsel in einer nebenamtlichen, nicht durch einen Seminardirektor pder einen anderen Schulfachmann verwalteten Kceisschulinspekrion ist vor der Besetzung über die dort in Aussicht genommene Persönlichkeit zu berichten.
1“
Seiten
8 Ich glaube, mit dieser vorläufigen Regelung können sich auch die Lehrer aller Richtungen einverstanden erklären. Mein Wunsch wäre es ganz selbfiverständlich, überall die hauptamt liche Kreisschul⸗ inspektion durch Fachleute zur Durchführung zu bringen. Das scheitert im Augenblick leider an den traurigen finanziellen Verhältnissen, die abzuändern ich nicht in der Lage bin.
Es ist dann, glaube ich, von Herrn Abg. Linz, oder vielleicht war es Herr Abg. Kimpel, Bezug genommen worden auf die Ein⸗ richtung der Lehrerbeiräte. Es ist der Erlaß über die Ein⸗ richtung der Letrerbeiräte erwähnt worden, den ich herausgeschickt habe. Auch dieser Erlaß ist, soviel ich weiß, im Wortlaut nicht be⸗ kannt. Ich kann auch ihn hier ansühren. Die Einsetzung der Lehrerbeiräte ist zunächst ein Versuch. Ich hoffe, daß wir damit gute Erfahrungen machen, und daß sich daraufhin diese Einrichtung in immer weiterem Umfange ausbauen lassen wird. Damit kommen wir den berechtigten Wünschen der Lehrerschaft auf Mitwirkung in der Schulverwaltung selbst entgegen. .
Der Erlaß vom 10. April hat folgenden Wortlaut:
1 In Ergänzung meines Erlasses vom 5. April dieses Jahres über das Zusammenwirken der Regierungen und der Bezirkslehrer⸗ räte bestimme ich, um das Hauptziel, nämlich die Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen der Behörde und der Lehrer⸗ schaft des Bezirks zu erreichen, das Folgende:
1) Soweit bei den Regierungen Bezirkslehrerräte bestehen oder sich neu bilden, die den Voraussetzungen des genannten Erlasses vom 5. dieses Monats entsprechen, werden ihnen bis zu einer gesetz⸗ lich festzulegenden Begrenzung ihrer Befugnisse folgende Aufgaben zugewiesen:
a. die Regierung in allen allgemeinen Fragen des Schulwesens, insbesondere bei der allgemeinen Regelung der Dienst⸗ und Rechtsverhältnisse der Lehrkräfte, durch Stellung von An⸗ trägen, Erstattung von Gutachten und tatsächliche Mittei⸗ lungen zu beraten,
b. Wünsche und Beschwerden allgemeiner Art aus den Kreisen der Lehrerschaft entgegenzunehmen, zu prüfen und gegebenenfalls an die Regierung weiterzuleiten,
c. die Regierung auf etwaige Mängel und Mißstände im Schulwesen des Bezirks hinzuweisen,
d. der Regierung auf deren Ersuchen Sachverständige für be⸗
stimmte Gebiete des Schulwesens vorzuschlagen.
Regierung hat zur Beratung über die vom Bezirkslehrer⸗ rat gemäß Ziffer a bis d gestellten Anträge auf Wunsch des Lehrer⸗ rates dessen Vertreter zuzuziehen.
2) Die Regierungen sind berechtigt, zu den Sitzungen des Be⸗ zirkslehrerrates, deren Tagesordnung der Regierung jedesmal recht⸗ zeitig vorher mitzuteilen ist, Beauftragte zur Teilnahme an der Beratung zu entsenden.
Das ist ein erster Versuch, die Lehrerräte irgendwie in organische Ver⸗
bindung mit der Schulaufsichtsbehörde, der Regierung, zu bringen.
Bewährt sich dieser Versuch, woran ich nicht zweifle, so sind wir sehr
gern bereit, sobald wie möglich das System der Lehrerräte weiter aus⸗
zubauen und auch gesetzlich zu verankern.
Meine Damen und Herren, verschiedene Redner haben dann am Freitag bereits und heute wieder getadelt, daß ich den aus dem Amte scheidenden Ortsschulinspektoren am Freitag ein Wort des Dankesder Staatsregierung nachgerufen habe. Das ist so aufgefaßt worden, es ist besonders von dem letzten Herrn Redner so dargestellt worden, als hätte ich der Einrichtung der Ortsschulinspektion hier vom Regierungstische aus eine Träne nach⸗ geweint. Davon ist gar keine Rede. Diejenigen Damen und Herren, die am Freitag hier waren, werden bestätigen, wie es ja auch der stenographische Bericht ausweist, daß ich im Gegenteil ausdrücklich betont habe, die Einrichtung der Ortsschulinspe klion, selbst wenn sie auch vor Jahrzehnten einmal ihre historische Berechtigung gehabt haben möge, sei nunmehr län gst veraltet und überlebt. Ich habe sie ausdrücklich als einen Hemmschuh der Ent⸗ wicklung bezeichnet und habe ferner — ich glaube, wörtlich — gesagt, daß die Lehrer mit Recht die Ortsschulaufsicht durch Nicht⸗ fachleute als eine Kränkung und Herabwürdigung empfunden haben und sie so empfinden müssen. Ich weiß ganz genau, wie tief viele Zehntausende von Lehrern innerlich gelitten haben unter der Beaufsichtigung durch Nichtfachleute und wie sehr sich manche von ihnen an dieser Einrichtung innerlich wund gerieben haben.
Aber diese scharfe Kritik, die ich an der Ortsschulinspektion als an einer Einrichtung geübt habe, und die mich ja eben dazu veranlaßt hat, Ihnen jetzt diesen Gesetzentwurf zur Beseitigung dieser Einrichtung vorzulegen, konnte und durfte mich nicht abhalten, anzuerkennen, daß zwar gewiß nicht alle, aber doch die große Mehr⸗ zahl der bisherigen Ortsschulinspektoren, jedenfalls soweit es in ihren Kräften stand, sich bemüht hat, ihr Amt mit Hingabe auszuüben, und ich hielt es einfach für eine Pflicht politischer und menschlicher Höflichkeit und für meine Pflicht als Leiter der Unterrichtsverwaltung, den Zehntausenden von Beamten, die nun von heute auf morgen aus ihrem Dienste scheiden müssen, mit einem Satz wenigstens ein Wort der Anerkennung und des Dankes nachzurufen. (Sehr richtig!) Das ist eine amtliche Höflichkeitspflicht gewesen, mit der über die Institution als solche natürlich gar nichts gesagt ist. Man kann und soll bei aller Schärfe in der S ache meinem Empfinden nach die guten Formen des menschlichen Verkehrs niemals bei Seite setzen. Wir sollten uns doch wirklich auf allen dieses Hauses endlich daran gewöhnen, sachliche und persönliche Dinge streng auseinanderzuhalten. (Sehr richtig!) Ich meinerseits, meine Damen und Herren, bin mir jedenfalls bewußt, allen meinen politischen Gegnern, auch meinen schärfsten politischen Gegnern gegenüber, sogar dem Herrn Abg. Adolph Hoffmann gegen⸗ über, bei aller Kritik seiner Politik, stets mit persönlicher Achtung begegnet zu sein, und wenn ich auch die Politik des Herrn Adolph Hoffmann und seiner Partei für ein schweres nationales Unglück halte — — (sehr gut! rechts und im Zentrum — lebhafte Rufe bei den U. Soz.⸗Dem.: wie war das denn früher? in Leipzig? Woher sind Sie denn Abgeordneter von Niederbarnim geworden? —⸗ Haben Sie Leipzig, haben sie alles vergessen?2) — Meine Herren, ich habe weder Niederbarnim, noch Leipzig vergessen — (Rufe bei den U. Soz.: Gehen Sie zum Zentrum!) Ich gehe weder zum Zentrum noch zu sonst einer anderen Partei über. Aber der Unterschied zwischen Ihnen und mir ist eben der: in den letzten zehn Jahren,
Die
unter den ungeheuren Einwirkungen dieser welterschütternden Zeit habe ich unendlich dazugelernt. Sie aber haben nichts dazu⸗ gelernt. (Zuruf bei den U. Soz.: Sie find elendiglich zusammen⸗ geklappt!)
Meine Herren, ich war eben dabei, auszuführen, daß man aus der politischen Polemik alles Persönliche ausscheiden soll, und ich möchte deshalb darauf verzichten, auf diese persönlichen Vorwürfe, die mir da gemacht worden sind, mit gleicher Münze heimzuzahlen. (Zuruf bei den U. Soz.: Weil Sie nicht können!)
Meine Damen und Herren, nur die Unterstellung, die mir Herr Adolph Hoffmann vorhin gemacht hat, möchte ich noch zurück⸗ weisen, daß ich die wenigen freundlichen und höflichen Worte, die ich den ausscheidenden Ortsschulinspektoren nachgerufen habe, deshalb hier gebraucht hätte, um mich beim Zentrum lieb Kind zu machen, damit das Zentrum mich nicht von meinem Ministersessel herabwürfe. Diese Unterstellung ist so niedrig, daß ich wohl darauf verzichten darf, darauf auch nur mit einem einzigen Worte zu antworten. (Sehr richtig! im Zentrum.)
Meine Damen und Herren, es gibt Unterstellungen, auf die man am besten damit antwortet, daß man sch weigt. (Sehr richtig!)
Ich hätte es wirklich zur Not auch noch fertiggebracht, wenn cs mir auf eine agitatorische Wirkung angekommen wäre, bei meiner Begründung des Gesetzentwurfs neulich ein paar agitatorische Floskeln anzubringen. Ich hätte es auch noch fertig gebracht, ein paar polemische Spitzen gegen das Zentrum, die Rechte und gegen die Geistlichen einzuflechten. Herr Gott, das ist wahrhaftig nicht so schwer, Herr Kollege, das kann ich schließlich auch noch. Aber ich glaube schon am Freitag gesagt zu haben, daß ich in diesem Augenblick auf alle partei⸗ polemischen Erörterungen verzichten wolle aus Rücksicht auf die allgemeine nationale Lage des Landes. Daß Herr Hoffmann dafür kein Verständnis hat, begreife ich. Ich hoffe aber bei allen anderen Parteien in dieser Beziehung Verständnis zu finden. —
Weiter will ich heute nichts sagen. Ich darf nur nochmals die Hoffnung aussprechen, daß die verstärkte Unterrichtskommission, der der Gesetzentwurf hoffentlich heute noch überwiesen werden wird, ihn recht schnell wieder an das Plenum zurückbringen möge, so daß wir mit der baldigen Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs, wie ich neu⸗ lich schon sagte, einen ebenso alten wie berechtigten Wunsch weitester Kreise der Lehrerschaft ohne Unterschied der Konfession und Partei⸗ stellung und zugleich einen Wunsch weitester Kreise des preußische und deutschen Volkes endlich erfüllen können. (Beifall.)
Abg. D. Klingemann (D. Nat.): Daß die alte Schul aufsicht in Wegfall kommt, darüber sind wir ja wohl alle einig Es kommt damit aber etwas in Wegfall, was man nicht oh weiteres entbehren kann, es entsteht eine Lücke, deren Ausfüllun nicht ganz leicht ist. Mehrfach hat man in der Debatte wieder die Herrschsucht der Kirche beleuchten zu sollen geglaubt. Ich habe als Orts⸗ und Kreisschulinspektor dem Lehrerstande nach Kräften zu dienen versucht, von Herrschen war dabei keine Rede und auch etwas Unsittliches habe ich in diesem Verhältnis nich gefunden. Ich gönne den Lehrern von ganzem Herzen einen Antei an der Hochschulbildung, aber man darf doch auch nicht übersehen daß die akademisch gebildeten Lehrer zurreit die am schlechtesten bezahlten sind. Die Schule darf des tiefgreifenden Erziehungs⸗ mittels der Religion nicht entbehren. Die Forderung der fach⸗ männischen Aufsicht ist auch vielfach zu einer Redensart geworden Es ist nicht so, als sei der geistliche Stand als solcher von allen fachmännischen Kenntnissen ausgeschlossen gewesen. Eigentüm lich muß dieser Vorwurf gerade heute berühren, wo ja fach
männische Vorbildung gerade für die höheren Verwaltungsstellen eher
als ein Hemmnis angesehen wird. (Sehr gut! und Heiterkeit rechts.) Der Ruf nach dem Fachmann hat doch seinerzeit auch ganz wesent⸗ lich zu der Einrichtung des Rektorats beigetragen, der ich auf Grund eigener langjähriger Erfahrungen warm das Wort reden möchte. Gerade die Lehrerschaft sollte doch mit diesen ihrem eigenen Stande, ihrer eigenen Art entstammenden Aufsichtspersonen zufrieden sein. Der Fachmann ist auch keineswegs durchweg der gegebene Beurteiler; wo bliebe denn sonst die Kunstkritik, wo bliebe ich als Geistlicher, der sich dem nichtsachmännischen Urteil der Gemeinde fügen muß? Da es nichts Vollkommenes auf Erden gibt, und auch der Lebrer⸗ stand nicht vollkommen aus den Seminaren hervorgeht, ist die Schul⸗ aufsicht nötig. 1 Abg. König (Soz.): Die Schäden, die die geistliche Schulaufsicht angerichtet hat, sind von einer Anzahl der Redner der Rechten bestritten worden. Herr Klingemann führte sogar aus, daß die geistliche Schulaufsicht sich des Vertrauens und der Anerkennung der Lehrer erfreut hätte. Das trifft höchstens für einige Aus⸗ nahmefälle zu. Eine Rundfrage bei den Lehrern über ihre Erfahrungen mit der geistlichen Schulaussicht würde ein dickes Beschwerdebuch der allerschärfsten Anklagen ergeben. Wir werden uns dagegen wehren, daß der Versuch gemacht wird, die Ortsschul⸗ aufsicht fuür die mehrklassigen Schulen bestehen bleiben zu lassen. Der Stand der Volkeschuse ist in erster Linie durch die Lehrer erreicht worden, nicht durch die Rektoren. Diesen ist es immer in erster Linie auf die Aufsicht und nicht auf die Schule angekommen. Wir wünschen eine freie Entwicklung der Volksbildung, die allen Schichten des Volkes zu eigen werden muß. 1b 1 Abg. Herold (Zentr.): Seitens des Abg. Hoffmann ist die Vermutung agusgesprochen, daß die Zentrumspartei als Hintertür die geistige Schulaussicht wieder einführen wolle. Demgegenüber ver⸗ weisen wir auf unsere Erklärung. Der Abg. Hoffmann hat in diesem Zusammenhange weiter ausgeführt, wie das Zentrum seine Interessen wohrzunehmen verstehe, das zeige dentlich das gegenwärtige Verhalten des Zentrums in der Rhein⸗ provinz. Dazu gibt das Zentrum folgende Erklärung ab: Im Westen des preußischen Staates, insbesondere in der Rhein⸗ provinz, haben sich bekanntlich schon vor Monaten Bestrebungen geltend gemacht, einen selbständigen Freistaat im Verbande des Deutschen Reichs zu gründen. Die Anhänger dieses Gedankens gingen dabei von der Voraussetzung aus, daß nur hierdurch der feste Zusammenhalt der deutschen Länder links des Rheins mit dem Deutschen Reich gewahrt bleiben kann. Die ver⸗ nichtenden Friedensbedingungen des Feindes haben indessen klar gezeigt, daß uns jetzt nur noch vollste Geschlossenheit und Einmütigkeit nach innen und außen vor dem größten nationalen Unglück, nämlich einer Zersplitterung der deutschen Volkskratt, retten kann. Die Fraktion ist aus diesem Grunde überzeugt, daß alle Bevölkerungskreise mit der Regierung einmütig zusammenstehen werden in der Abwehr aller Sonderbestrebungen von innen und aller Spaltungsversuche von außen. Sie fordert daher auf das dringendste dazu auf, nunmehr von allen derartigen Bestrebungen zurückzutreten und sie entschieden zu bekämpfen. Die endgultige Gestaltung des Deutschen Reichs und seiner Glied⸗ staaten muß den vom Gesamtvolk gewählten und allein zuständigen verfassunggebenden Instanzen im Einvernehmen mit der preußischen und der Reichsregierung vorbehalten bleiben. Daher verurteilt die Zentrumsfraktion auch alle Aktionen
einzelner Persönlichkeiten oder Gruppen, die auf eine Umgestaltung
der politischen Gliederung des Deutschen Reichs staaten hinauslaufen. Sie hat deshalb ihrer rheinischen Mitglieder,
oder seiner Einzel⸗ auch das Vorgehen zweier sobald sie davon Kenntnis bekam,